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/ Geographisches Institut Abteilung Wirtschaftsgeographie Malaysia – Strukturwandel und technologische Leistungsfähigkeit Vorbereitungsseminar zur großen Exkursion im Wintersemester 2002/03 Ökonomischer und technologischer Wandel in Singapur und Malaysia Leiter: Dipl.-Geogr. Matthias Kiese Carsten van de Loo Matr.-Nr.: 1943302 Susanne Klein Matr.-Nr.: 2048442 Hannover, November 2002

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Geographisches Institut

Abteilung Wirtschaftsgeographie

Malaysia – Strukturwandel und technologische

Leistungsfähigkeit

Vorbereitungsseminar zur großen Exkursion im Wintersemester 2002/03

Ökonomischer und technologischer Wandel in Singapur und Malaysia

Leiter: Dipl.-Geogr. Matthias Kiese

Carsten van de Loo Matr.-Nr.: 1943302

Susanne Klein Matr.-Nr.: 2048442

Hannover, November 2002

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Malaysia – Strukturwandel und technologische Leistungsfähigkeit 2/

1 Einleitung ....................................................................................................................... 3

2 Prozesse des wirtschaftlichen Strukturwandels ......................................................... 3

2.1 Sozioökonomische Rahmenbedingungen vor dem Hindergrund derKolonialherrschaft ......................................................................................................... 3

2.2 Sektorale Wirtschaftsentwicklung nach der Unabhängigkeit – Importsubstitutioneiner wenig diversifizierten Wirtschaft......................................................................... 4

2.3 Offenes Kapitalistisches Marktsystem durch „New Economic Policy“ ..................... 6

2.4 Aufbau eigener Industriepotenziale durch ADI in den 1980er Jahren ..................... 7

2.5 ADI in Malaysia – Entwicklung und Stellenwert ......................................................... 8

2.6 Zusammenfassen der Ergebnisse im Phasenüberblick ............................................ 9

3 Verlauf der Wirtschafts- und Währungskrise ............................................................ 10

3.1 Gründe für die Krise .................................................................................................... 11

3.2 Der Weg aus der Krise ............................................................................................... 12

4 Entwicklungsaussichten aus ökonomischer Perspektive ........................................ 13

4.1 Wirtschaftliche Zukunftsaussichten ........................................................................... 14

4.2. Fazit .............................................................................................................................. 15

5 Industriepolitik Malaysias ........................................................................................... 16

5.1 Ziel des technologischen Anschlusses ..................................................................... 18

5.2 Malaysia ....................................................................................................................... 19

5.3 Ziel des ethnischen Ausgleiches ............................................................................... 22

6 Fallbeispiel: Von exportorientierten Montageindustrien zumwertschöpfungsintensiven Elektronikcluster ............................................................ 24

7 Fazit .............................................................................................................................. 27

8 Literaturverzeichnis ..................................................................................................... 29

Inhalt

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1 Einleitung

Die Region Ost-/ Südostasien hat in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen

sozioökonomischen Wandel vollbracht, der es erlaubt, durchaus von einem neuen

Gravitationszentrum der Weltwirtschaft zu sprechen. In den neunziger Jahren entfielen

drei Viertel des weltwirtschaftlichen Zuwachses auf diese Region mit ihren Staaten,

unter denen einige Regionen oft als die „vier kleinen Tiger“ (Hongkong, Taiwan,

Südkorea, Singapur) herausgehoben werden. Aber längst sind es nicht nur diese

Wirtschaftsräume, die einen musterartigen Prozess der aufholenden Industrialisierung

durchlaufen haben. Auch Malaysia hat sich durch beachtliches wirtschaftliches

Wachstum ausgezeichnet und gilt hinter Singapur als zweitbest entwickeltes Land

Südostasiens. In den Jahren 1988 – 1995 erreichte die Wirtschaft ein Wachstum von

8% (vgl. Chowdhury, A.; Islam, I. 1996, S. 222). Für diese Entwicklung sprechen neben

den ökonomischen auch nichtmonetäre Indikatoren (vgl. Vennewald, Werner 1996, S.

152). Als Mitglied der ASEAN ist das Land heute ein äußerst ernstzunehmender

Konkurrent zu anderen Newly Industrializing Countries (NICs).

Im folgenden soll der wirtschaftliche Strukturwandel in der zweiten Hälfte des

vergangenen Jahrhunderts, unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Asienkrise,

erläutert werden. Ferner gilt es den Einfluss der Ausländischen Direktinvestitionen (ADI)

bei der ökonomischen Gesamtentwicklung darzustellen. Abschließend soll auf

nationaler Ebene ein Überblick über die Technologische Leistungsfähigkeit und

Organisation der Technologiepolitik gegeben werden.

2 Prozesse des wirtschaftlichen Strukturwandels

2.1 Sozioökonomische Rahmenbedingungen vor dem Hindergrund der

Kolonialherrschaft

Durch seine Ausstattung mit natürlichen Ressourcen entwickelte sich Malaysia schon

unter der britischen Kolonialherrschaft zu einem weltwirtschaftlichen Produzenten von

Zinnerz und Kautschuk. Außerdem implizierten die Kolonialherrscher ein gutes

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Rechtssystem, sowie ein

effizientes Verwaltungsgefüge.

Doch die koloniale Phase hatte

nicht nur positive Auswirkungen.

Die Produktpalette der Halbinsel

war wenig differenziert und

unterlag der Nachfrage von

Nordamerika und Europa. Da der

Ausbau der exportorientierten

Wirtschaftsregion mehr Arbeitskräftepotenzial forderte als im Land vorhanden war, kam

es zu Immigration vieler chinesischer und indischer Arbeiter. Die Briten beeinflussten

diese Zuwanderung durch Landvergabe und Vergabe von Arbeitsplätzen. Die

Zuwanderung erlaubte es den Chinesen, sich im produzierenden Gewerbe und im

Dienstleistungsgewerbe zu etablieren. Ihr durchschnittliches Einkommen lag deshalb

über dem der Bumiputra (Uhreinwohner in Malaysia; Übersetzung: „Söhne der Erde“)

(Kulke, E. 1989, S. 68). Dies hatte die Schaffung einer Vielvölker-Gesellschaft zur

Folge, dessen Struktur sich auch heute noch erkennen lässt (vgl. Abb. 1). Hinzukam ein

Anstieg sozioökonomischer Disparitäten zwischen der sich infrastrukturell entwickelten

und auf Exportprodukte spezialisierte Westküste, und der Ostküste, an der die

Subsistenzwirtschaft zu dieser Zeit noch überwog.

Mit dieser Ausgangssituation, die durch 150 Jahre Kolonialherrschaft der Briten geprägt

war, wurde das Land 1957 in die Unabhängigkeit entlassen (vgl. Schätzl, L. 1994, S.

144 ff.).

2.2 Sektorale Wirtschaftsentwicklung nach der Unabhängigkeit –

Importsubstitution einer wenig diversifizierten Wirtschaft

Die durch den kolonialen Ausbau der Infrastruktur geförderten Aktivitäten im

Exportgeschäft von Rohstoffen und Agrarprodukten (anfangs Zinn und Kautschuk,

später insbesondere Palmenöl) legten auch den Grundstein für die wirtschaftlichen

Aktivitäten nach der Unabhängigkeit. Jedoch war der Export wenig differenziert. 1960

Anteile von Ethnien an der Bevölkerung 199 8

Malays

Chinese

Indians

Other

Non-Malaysians

Quelle: Penang Statistics 1999

Abb. 1:Ethnien in Penang 1998

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entfielen deshalb auf die Ausfuhr von Zinn und Kautschuk ca. 94% aller Exporterlöse

(vgl. Kulke, E. 1994, S. 69). Anfang der 50er Jahre konzentrierte sich die staatliche

Wirtschaftspolitik auf die Diversifizierung von Primärprodukten (Cash Crops) und die

Schaffung eines günstigen Investitionsklimas für Ausländische Direktinvestitionen (ADI).

Die darin zu erkennende „laissez-faire“-Politik war Mitbestandteil wirtschaftlicher

Empfehlungen der Weltbank (Schätzl, L. 1994, S. 148). Zu dieser Wirtschaftspolitik

gehörte vor allem die Bereitstellung einer gut ausgebauten Infrastruktur sowie das

Zusichern von „Incentives“ wie z. B. Steuererleichterungen. In den Folgejahren der 60er

rückte mehr und mehr die Industrialisierung in das Interesse der Wirtschaftsplaner. Der

industrielle Sektor mit dem Schwerpunkt auf der Konsumgüterindustrie sollte durch

Importbestimmungen, vorrangig Zölle, geschützt werden (Jomo, K. S., 1993, S. 112).

Mit diesen Vorgaben

entwickelte sich

aufgrund der

niedrigen Löhne (vgl.

Abb. 2) bis zum Ende

der 60er Jahre eine

auf arbeitsintensive

Produktionsschritte

spezialisierte

Industrie, die vor

allem bei der

Herstellung von

Textilprodukten Anwendung fand (Schätzl, L. 1994, S. 147). Aber die Strategie der

Importsubstitution zeigte schon bald ihre negativen Auswirkungen. Der viel zu kleine

Binnenmarkt (1960: 8,1 Mio. Einwohner) vermochte es nicht, genügend Impulse für ein

selbsttragendes Wachstum zu geben (vgl. Kulke, E. 1994, S. 69). Die durch die

ethnischen Gegensätze ausgelösten Unruhen 1969 forderten eine Neukonzeptionierung

der malaysischen Regierung und induzierten über Umwegen auch neue Impulse in der

Wirtschaftspolitik.

Monatliches Durchschnittseinkommen im Vergleich

0

200

400

600

800

1000

1200

1400

1963 1968 1973 1978 1983 1990

Rin

ggit

full-time factory worker

full-time non-factory workerand part-time non factoryworker

Quelle:Jomo, K. S., 1993, S. 130Eigene Erstellung

Abb. 2: Einkommen

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2.3 Offenes Kapitalistisches Marktsystem durch „New Economic Policy“

Nach zwei Jahren einer Übergangsregierung durch das National Operation Council,

wurde in langfristiger Planung von den bis dahin geführten Strategien der

Wirtschaftspolitik abgewichen. Die Hauptziele dieser neuen Entwicklung sollten sein:

1. Dynamisches Wirtschaftswachstum durch ausgeprägte Exportindustrialisierung

2. Reduzierung der Armutshaushalte (bis 1990 auf 17%)

3. Ausgeglichene Beteiligung der Ethnien am Beschäftigungsanteil in den einzelnen

Sektoren

(vgl. Schätzl, L. 1994, S. 147).

Die Schwerpunktsetzung auf die Exportindustrialisierung hatte zur Folge, dass sich zwei

Typen exportorientierter Produktionen herausgebildet haben. So bildeten die resourced-

based industries (Palmenöl; Holz) einen Exportzweig, non-resourced- based industries,

aus dem Bereich der Konsumgüter, einen zweiten. Im Laufe der 1970er Jahre gewann

letzterer, insbesondere hinsichtlich neuer Konzepte der internationalen Arbeitsteilung,

an Bedeutung (vgl. Jomo, K. S; 1993, S.117). Damit ergab sich für Malaysia eine

Verschiebung der Anteile an den Gesamtausfuhren der Industrieerzeugnisse im Export

von 6% (1960) auf 48% (1988). Die arbeitsintensive Herstellung von Textilgütern wich

zugunsten von Produktionen aus den Bereichen Maschinenbau, Metallverarbeitung und

vor allem Elektrotechnik (vgl. Schätzl, L. 1994, S. 147). In diesem Bereich hatte

Malaysia schon in den 1980er Jahren Wettbewerbsfähigkeit auf internationaler Ebene

erreicht. Entsprechend des Wachstums des non-resourced-based-sectors behielt der

resourced-based-sector zwar seine dominierende Stellung, verliert aber verglichen an

den Anteilen der Warenausfuhr an Bedeutung, wie Abb. 2 verdeutlicht (vgl. Schätzl, L.

1994, S. 147).

Als positiv ist jedoch hervorzuheben, dass es gelungen ist die Exportrohstoffe zu

diversifizieren. Die wichtigsten Rohstoffe waren 1988: Rohöl, Kautschuk, Palmöl und

Holz. Gerade Palmenöl ist auch heute noch das wichtigste Agrargut im primären Sektor.

Im folgenden Zeitraum von 1970 bis 1996 sank der Anteil der Rohstoffexporte an den

Gesamtausfuhren weiter von 72% auf 11%. Im Gegenzug stieg der Anteil der

Industriegüterexporte von 28% auf 89%. Dieser strukturelle Wandel wurde vor allem

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durch Industrieproduktionen von arbeitsintensiven und einfachen „low value-added

productions“ angetrieben. Erste Investitionen aus dem Ausland in diese Richtung

realisierten vor allem amerikanische Unternehmen in den 1970er Jahren (vgl. O`Brien,

L. 1992, S. 121).

Neben den wirtschaftlichen Anliegen war auch der Abbau von interethnischen

Einkommensdisparitäten zwischen Malaien und Chinesen Gegenstand der NEP (vgl.

Schätzl, L. 2000, S. 242).

2.4 Aufbau eigener Industriepotenziale durch ADI in den 1980er Jahren

Ziel der Wirtschaftspolitik in den 1980er Jahren war vor allem der Aufbau einer eigenen

Automobilindustrie sowie einer durch ADI finanzierte Elektroindustrie. Die Quellgebiete

der ADI waren vorrangig Japan und die USA (vgl. Kulke, E. 1998, S. 193 ff.).

Europäische Investoren hielten sich hingegen anfangs sehr stark zurück. Erst im Laufe

der Zeit entwickelte sich Europa, zusammen mit den USA, zu den stärksten Partnern im

Handel (vgl. Chowdhury, A.; Islam, A. 1996, S. 222).

Um diesen Prozess zu unterstützen, etablierte die Regierung Malaysias einige

wirtschaftspolitische Instrumente wie z. B. Einrichtung von Freihandelszonen,

Steuererleichterungen für Investitionen, Industrial Estates (vgl. Schätzl. L. 2000, S. 242

ff). Die Produktionen von elektronischen, elektrischen und textilen Produkten bildeten

den Kern der Firmen, die in den malaysischen Freihandelszonen aktiv wurden. Bis zum

Ende der 80er lösten die

Sektoren der Elektrotechnik,

Maschinenbau und

Metallverarbeitung die

bisherigen Träger der

Industrialisierung ab. Auch

die Qualität der Produktion

veränderte sich zunehmend.

Die anfangs durch einfache,

arbeitsintensive Schritte

Abb. 3: Verarbeitendes Gewerbe

Exportanteil von Produktzweigen des Verarbeitenden Gewerbes

0% 20% 40% 60% 80% 100%

1970

1980

1985

1990

1992

Anteil in %

Textilprodukte HolzprodukteGummiprodukte Metallverarbeitung, Eisen und SChemische und pertrochemische Produkte Elektro- und ElektronikWeitere

Quelle:Jomo, K. S., 1993, S. 114 , Eigene Erstellung

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gekennzeichneten Produktionen nahmen zugunsten von höherwertigen Industriegütern

aus dem Konsum- und Investitionsbereich ab. Ein Beispiel dafür ist die 1985 begonnene

Fertigung eines Personenkraftwagens, des Proton Saga. Gemeinsam mit Mitsubishi

wurde bei Kuala Lumpur das erste Automobilwerk des Landes errichtet. Der

Mittelklassewagen konnte in den ersten elf Jahren 56% des Marktanteils innerhalb

Malaysias gewinnen, was nicht zuletzt Verdienst der Importzölle auf ausländische Autos

war. Später versuchte man dieses Modell auch in Entwicklungsländern wie Brunei,

Pakistan und Sri Lanka abzusetzen (Kulke, E. 1989, S. 27 ff.).

Seit Mitte der 1970er Jahre hat Malaysia durch seine Wirtschaftspolitik und die

implizierten ökonomischen Aktivitäten es geschafft, ein hohes Wirtschaftswachstum zu

erreichen. Der Aufbau einer zeitgemäßen Infrastruktur im Telekommunikations- und

Energiesektor war ein wichtiger Bestandteil der damaligen Zielsetzung und kam Anfang

der 90er Jahre eine besondere Bedeutung zu. Die Realisierung dieser

Infrastrukturprojekte erreichte man, anders als in Singapur, über Einbindung des

privaten Sektors.

Außerdem hat man, gerade in Malaysia und Singapur, von staatlicher Seite gezielte

Forschungs- und Entwicklungspolitik betrieben und so den Aufbau einer

technologieorientierten Industrieproduktion aufgebaut (vgl. Kraas, F. 1998, S. 143).

Doch schon in der ersten Hälfte der 1980er Jahre verpasste eine Rezession der

aufstrebenden Entwicklung einen Einbruch.

Doch im Vergleich zu der sich im darauf folgenden Jahrzehnt nährenden Krise, handelte

es sich hierbei nur um einen kleinen Vorboten.

2.5 ADI in Malaysia – Entwicklung und Stellenwert

Malaysias rapides Wachstum der vergangenen 20 Jahre wurde zum großen Teil von

Ausländischen Direktinvestitionen getragen. Dabei ist der Großteil der ADI mit einem

Anteil von 43% in den verarbeitenden Sektor geflossen und zu 35% in den

Dienstleistungsbereich (The Economist, 2001). Nach Angaben der World Bank war der

südostasiatische Staat unter den fünf attraktivsten Volkswirtschaften für ADI in den

Jahren 1987-1991. Pull-Faktoren waren zu dieser Zeit vor allem das wirtschaftliche

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Wachstum, makroökonomische

Stabilität, Verfügbarkeit von Arbeitskraft

und eine gut ausgebaute Infrastruktur.

Vorwiegende Produktionen sind im

Bereich der elektro- und elektronischen

Produktion, chemische und

petrochemische Produktion, Produktion

von Maschinenbauteilen sowie

Textilproduktion, angesiedelt.

Die hauptsächlichen Investoren sind

Unternehmen aus Taiwan, Japan, USA, EU und Singapur. Abb. 5 verdeutlicht die

Anteile an den ADI 1994. Insbesondere nach 1989 stiegen die ADI- Zuflüsse, was nicht

zuletzt den vom Staat zugesprochenen Incentives durch Steuervergünstigungen war.

Auch heute noch ist der Anteil der ADI relativ hoch. Dies hat jedoch nicht nur positive

Seiten, da es eindeutig zeigt, dass Malaysia stark von diesen Geldern abhängig ist.

Angesichts der Tatsache, dass weitere Länder der asiatischen Region immer attraktiver

für ADI werden, kann man der zukünftigen Entwicklung in diesem Bereich sehr kritisch

gegenüber stehen. China beispielsweise hat gegenüber Malaysia, mehr als den 8fachen

Betrag an ADI 1997 erworben. Und weitere aufstrebende Länder, wie Indonesien und

Indien, stehen in direkter Konkurrenz (The Economist, 2001).

2.6 Zusammenfassen der Ergebnisse im Phasenüberblick

Nach Jomo (1993) lässt sich die in den vorausgegangenen Kapiteln erläuterte

Entwicklung bis Ende der 80er Jahre in fünf Phasen gliedern.

Die 1. Phase ist die der Kolonisationsherrschaft durch die Briten mit Export von

einfachen Agrarprodukten.

Die 2. Phase nach der Unabhängigkeit setzte auf die Importsubstitution des

Verarbeitenden Gewerbes, geschützt durch hohe Zölle. Jedoch waren die Marktgrenzen

schnell erreicht und die wirtschaftliche Entwicklung erhielt nur wenig endogene Impulse.

In den späten 1960er Jahren begann die 3. Phase mit einer auf den Export

Anteile am Bestand der ADI 1994

Taiwan24%

Japan20%

USA12%

Singapur10%

Hong Kong8%

Weitere26%

Abb.5: Anteil an den ADI

Quelle: Chowdhury, A.;Islam, I. 1996,eigene Erstellung

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ausgerichteten Industrie. Vorrangig wurden textile elektrische und elektronische

Produkte für den Export gefertigt. Unterstützt wurde diese Entwicklung von der

damaligen Wirtschaftspolitik.

Die 4. Phase dieser Entwicklung beinhaltete neben der Export orientierten Wirtschaft

und die Förderung von ausgewählten Schwerindustrien. Markant für diese Phase war

vor allem die Krise, die den Sektor der Elektroindustrie erfasste. Mit der Krise stellte sich

auch wachsende Arbeitslosigkeit ein. Aber nach wie vor brachte das verarbeitende

Gewerbe genügend Fortschritt.

In der 5. Phase nach 1987 erholte sich die Wirtschaft von der Krise Anfang der 1980er.

Zugpferde der Entwicklung waren vor allem Deregulierung und neue „Incentives“ für

Investoren. Die Regierung förderte neben dem Aufbau neuer Dienstleistungen auch die

Entwicklung neuer, eigener Produkte. Im Halbleitergeschäft errang sich Malaysia

Weltstatus.

Doch die Früchte der bis dahin geschafften Leistung währten nicht lange.

3 Verlauf der Wirtschafts- und Währungskrise

Während die Krise in den 1980er Jahren auf den Anstieg der Arbeitslöhne,

schrumpfende wirtschaftliche Aktivitäten der Europäer, Amerikaner und Japaner und

stärkere Konkurrenz aus Nachbarländern zurückzuführen war, hat die Krise Ende der

1990er Jahre andere Ursachen. Sie ist Bestandteil einer Wirtschafts- und

Währungskrise, die ganz Südostasien betroffen hat. Ausgangspunkt des Einbruchs war

Thailand 1997. Dort kam es zu einem starken Werteverfall des Bath gegenüber dem US

$, verursacht durch Spekulationswellen im Finanz- und Immobiliensektor, innerhalb

weniger Wochen. Der Buchwert entsprach nicht mehr dem Immobilienwert und es kam

zur Bildung einer „bubble economy“ (vgl. Kraas, F. 1998, S. 146). Grundlage dieser

Fehlentwicklung waren nicht ausreichend gesicherte Kredite, hohe Verschuldung,

Mängel bei den Kontrollen der Buchhaltung und Rechnungsprüfung sowie weit hinter

den Standards zurückgebliebene Publizitätsvorschriften. Neben Thailand (bis zu 50%

Wertverlust) und Indonesien (bis zu 70% Wertverluste) sprang diese Negativenwicklung

im Währungswert auch auf Malaysia über (vgl. Kraas 1998, S. 139 ff.). Hier musste ein

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Einbruch der Währung von 41% gegenüber dem US$ verbucht werden. Dieser

Finanzkrise folgte eine schwere Wirtschaftskrise. Die Aktienkurse in Malaysia verloren

um 57% (zum Vergleich: Thailand – 56%, Indonesien – 39%) (vgl. Weggel, 1998, S.

142). Das Wachstum des BIP ging im Jahr 1998 auf – 7,4% zurück. Der Zufluss von ADI

fiel um –58% geringer aus. Die einzelnen Wirtschaftssektoren wurden von der Krise

unterschiedlich schwer getroffen. Die Industrie verbuchte einen Rückgang von 10,7%,

während das verarbeitende Gewerbe um 13,4% sank. In der Baubranche gab es sogar

einen Einbruch von 24%, was auf ausgebliebene Infrastrukturprojekte zurückzuführen

ist.

Die Importe gingen um 18, 3% zurück, da die starke Abwertung des Ringgits die Kosten

für importierte Güter anstiegen ließ. Auf der anderen Seite kam es jedoch trotz der

dadurch guten Exportbedingungen kaum zu einer Verbesserung dieser, was zu dieser

Zeit an der schlechten Weltwirtschaftslage lag.

3.1 Gründe für die Krise

Die Ursachen der Asienkrise sollen im folgenden noch eingehender dargestellt werden,

damit sich die nachfolgende Entwicklung besser nachvollziehen lässt.

• Das schnelle Wirtschaftswachstum wurde nicht auf seine Qualität überprüft.

• Das Wachstum basierte in den neunziger Jahren auf spekulativen Investitionen

auf dem Immobilien- und Aktienmarkt.

• Durch den Wegfall der ADI basierten viele Finanzierungen auf kurzfristigen

ausländische „Kapitalzuflüsse“.

• Banken und Finanzinstitute nahmen kurzfristige Kredite auf, vergaben aber

langfristige Kredite, die insbesondere zur Finanzierung von illiquiden

Vermögensgegenständen benutzt wurde.

• Das Fehlen einer Bankenaufsicht ermöglichte die Ausweitung der Krise.

• Schaffung von „moral hazard“ , d. h. Großbetriebe hatten durch Beziehungen mit

der Regierung Einfluss auf die Kreditvergabe. Man erhoffte sich, den Staat als

Bürgen nutzen zu können(vgl. Tan 2000, S.92).

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• Letztendlich können noch kulturelle Wertvorstellungen wie Modellbesessenheit,

Gesichtswahrung und hohe Risikobereitschaft genannt werden (vgl. Weggel,

1998, S. 146 ff).

3.2 Der Weg aus der Krise

Malaysia hat sich seinen Weg aus der Krise, anders als Nachbarstaaten, ohne die

Unterstützung des IWF gesucht. Die Gründe liegen in der ethnischen Spannung, die ein

Eingreifen zur Folge gehabt hätten.

Um das Land aus der Krise zu holen, hat die Regierung Malaysias verschiedenen

Maßnahmen unternommen. Diese erstrecken sich von Fiskal- und Geldpolitik, über

selektive Kapitalkontrollen bis hin zu Maßnahmen im Finanz- und Unternehmenssektor.

So wurde ab Mitte 1998 von einer kontraktiven auf eine expansive Geldpolitik

umgeschwenkt. Es wurden Infrastrukturprojekte in Auftrag gegeben, um den Bausektor

und somit die inländische Nachfrage zu fördern.

Um die hoch spekulativen Geschäfte einzudämmen, wurden selektive Kapitalkontrollen

eingeführt. Diese betrafen Gewinne, die durch Ausländer durch Transaktionen auf dem

malaysischen Finanzmarkt realisiert wurden.

Diese Gewinne mussten ein Jahr lang auf Inlandskonten angelegt werden, bis sie in

Fremdwährung getauscht werden durften. Außerdem wurde die Kreditvergabe stark

eingeschränkt.

Die Veränderungen im Unternehmenssektor richteten sich vor allem an

Finanzunternehmen. So wurden Institutionen geschaffen, die den Banken halfen, ihre

Kredite zu kontrollieren. Hiervon sind zu nennen:

• Danaharta (Vermögensverwaltungsgesellschaft);

• Danamodal (soll Banken Kapital zuführen);

• Corporate Dept Restructuring Committee (leitet Reststrukturierungspläne der

Unternehmen und überwacht deren Schuldenabbau).

Auf diese Weise konnten Schulden abgebaut werden. Zudem bemühte man sich,

einheitliche Strukturen in der Unternehmensorganisation zu schaffen.

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Die angeführten Maßnahmen hatten zur Folge, dass sich schon 1999 wieder ein

Wirtschaftswachstum von 6,1% einstellte. Die treibende Kraft in diesem Aufschwung

war vor allem der Export, der durch die Elektroindustrie florierte.

Der damit erwirtschaftete Handelsüberschuss erbrachte mehr Liquidität und erhöhte die

internationalen Devisenreserven.

Nur die Baubranche hatte nach wie vor einen Rückgang um immer noch 4,4% zu

verzeichnen. Dies hängt mit ausgebliebenen Privatinvestitionen in diesem Bereich

zusammen (vgl. Yan Bin, Y. 2002, S. 92).

4 Entwicklungsaussichten aus ökonomischer Perspektive

Malaysia befindet sich in seinem 8. Wirtschaftsplan (2001-2005) und orientiert sich am

dritten wirtschaftlichen Perspektivprogramm (OPP III). Diese Pläne wiederum sind

eingebunden in die „National Vision Policy – Vision 2020“. Bis 2020 will sich das Land

zu einem vollen Industriestaat entwickeln (Kraas, F. 1998, S.148). Damit verbunden sind

verschiedene Ziele. Wesentliche Zielgröße ist ein Wirtschaftswachstum von 7,5% zu

erreichen, sowie das durchschnittliche Pro-Kopf-Volkseinkommen um 6,5% zu steigern.

Die Strategien, mit denen man dieses Ziel erreichen will, festgehalten im achten

Malaysia-Plan sind:

• Das Wirtschaftsmanagement stärken, um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu

steigern und die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen;

• Aufsicht über das Finanzgewerbe und die Unternehmen zu verbessern;

• Entwicklung einer Gesellschaft, in der Wissen die Grundlage bildet;

• Neue Wirtschaftsbereiche mit Potenzial entwickeln;

• Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen;

• Ausländische Direktinvestitionen anwerben.

Ob diese hochgesteckten Ziele in den kommenden Jahren erreicht werden können,

bleibt abzuwarten. Aber schon jetzt lassen sich einige Vermutungen hierüber anstellen.

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4.1 Wirtschaftliche Zukunftsaussichten

Die momentane Lage der Weltwirtschaft erlaubt nicht, von großen Impulsen

auszugehen. Zwar lag das wirtschaftliche Wachstum in 2001 bei 8,5% (vor allem

gefördert durch Exportaktivitäten im Bereich der Elektronik und Elektrotechnik), jedoch

hat sich dieses Wachstum in 2002 schon verlangsamt. Von anderen Industriestaaten

sind nur wenig Impulse zu erwarten, da hier das wirtschaftliche Wachstum zwischen 1%

und 2% liegt. Dementsprechend ist die erwartete wirtschaftliche Wachstumsrate der

Regierung von 7,5% sehr optimistisch, für 5% bis 6% sind die Chancen aber relativ gut.

Das Ankurbeln der Wirtschaft durch Investitionen der Regierung wird sich sehr schwierig

gestalten. Denn schon vier Jahre lang schreibt der malaysische Haushalt rote Zahlen

(zur Zeit 6% des BSP), und Neuverschuldungen sind in Aussicht.

Schwierig wird sich auch die Anwerbung von ADI darstellen. Denn China entwickelt sich

immer weiter zu einem schweren Konkurrenten, der über viel Niedriglohn-

Arbeitskräftepotential verfügt. Aber nicht nur der rote Drache wird ADI streitig machen.

Für ein Land wie Malaysia, das seine Wirtschaft auf Exportgewinne basiert hat, gelangt

hier in eine schwierige Lage. Hinzu kommt, dass sich als Folge der Mitgliedschaft in der

Welthandelsorganisation WTO und der ASEAN-Freihandelszone die bisherigen

Importzölle auf null reduzieren werden. Länder wie Thailand, Vietnam oder Indonesien

werden dann die heimischen Industrien zusätzlich unter Druck setzen.

Weitere belastende Faktoren für die wirtschaftliche Entwicklung ist das immer noch sehr

geringe Maß an Transparenz im Finanz- und Unternehmenssektor. Die Verschuldung

der Unternehmen ist trotz der Restrukturierungsmaßnahmen immer noch hoch. (vgl.

Yan Bin, Y. 2002, S. 97 ff.)

Nach Untersuchungen einer Schweizer Management-Akademie besitzt Malaysia längst

nicht mehr die gleich Wettbewerbsfähigkeit wie früher. In diesem Ranking liegt Malaysia

auf Platz 29. An erster Stelle stehen die USA, gefolgt von Singapur und Hongkong.

(Yan Bin, Y. 2002, S. 97 ff.)

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Abb. 4: Pro-Kopf-Einkommen nach Einkommensklassen

4.2. Fazit

Hinsichtlich der Wirtschaftlage kann Malaysias Position nicht als allzu gut angesehen

werden. Das Land befindet sich in einer sogenannten „Sandwich-Position“ zwischen

technologisch leistungsfähigen Industrieländern und Niedriglohnländern. Gerade die

letzten Wirtschaftsdaten lassen keine optimistischen Schlussfolgerungen zu. Im Bild der

Gänseflugformation befindet sich der Staat in der Mitte. Die Wirtschaftspolitik ist darauf

ausgerichtet die Produktionsökonomie weiter zu entwickeln, hin zu einer

Wissensökonomie. Diese Position ist aber verschiedenen ökonomischen Trends der

Weltwirtschaftsentwicklung ausgesetzt, die es dem Staat nicht leicht machen wird, diese

Position zu halten. Nur wenn es Malaysia gelingt die Wissensökonomie zu stärken und

seine Wettbewerbsfähigkeit ausbaut, kann das Ziel Vision 2020 erreicht werden (Yan

Bin, Y. 2002, S. 100ff.). Diese Einschätzung gewinnt gerade bei der Berücksichtigung

von konkurrierenden Ländern an Bedeutung. Von den gesteckten Orientierungszahlen

sollte man jedoch jetzt schon Abstriche machen und niedrigere Werte in die Planung mit

aufnehmen.

Quelle: World Bank Group 2001

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Malaysia – Strukturwandel und technologische Leistungsfähigkeit 16/

Festzuhalten bleibt, dass Malaysias Weg nicht einmalig ist. Singapur ist ihn bereits

gegangen, Thailand und Indonesien sind dabei ihn einzuschlagen (Vennewald, W. ; S.

158ff.). Die Frage ist, ob es Malaysia gelingen wird weiter zu differenzieren und somit

seine Nische im Weltmarkt zu finden oder ob Malaysia von anderen, aufstrebenden

Niedriglohnländern überholt wird.

Abb 8: Vergleichende Wirtschaftsdaten

Jährliche Wachstumsrate des BIP

-5

0

5

10

15

Wac

hstu

m in

%

1997 7,3 -1,4 8,7 8,8

2000 8,4 4,7 9,9 7,9

2001 0,4 1,8 7,3

Malaysia Thailand Singapore China

Quelle: Worldbank, Data Profiles 2002

Angesichts dieser Einschätzung spielt der technologische Anschluss in Malaysia eine

übergeordnete Rolle. Auf diese soll im folgenden Kapitel eingegangen werden.

5 Industriepolitik Malaysias

Nachdem sich Malaysia in den letzten Jahrzehnten als einer der führenden Standorte

für ausländische Direktinvestitionen, namentlich in der Elektronikindustrie, profiliert hat,

strebt das Land in den 90er Jahren den Übergang von einem arbeitsintensiven zu

einem wissensbasierten Wachstumsmuster an. Mittels einer strategischen

Industriepolitik soll der technologische Anschluss in Branchen wie der Automobil- und

Luftfahrtindustrie, der Chip-Produktion und der Informationstechnologie erreicht werden

(vgl. Bea,S. 1999, S.67). Die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten von 1998 in

Malaysia verdeutlichen dies. Die Abbildung 9 zeigt, dass sich schon ein großer Teil der

Unternehmen des privaten Sektors speziell auf die High-Tech-Industrie konzentrieren,

k. A.

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Malaysia – Strukturwandel und technologische Leistungsfähigkeit 17/

29 % der Ausgaben im privaten Sektor fallen auf die Elektronikbranche. Malaysias

Politik zielt darauf, bis zum Jahr 2020 ein „vollentwickeltes Land" zu sein. Dieses

beinhaltet wirtschaftliche, politische und soziale Ziele. Die programmatische „Vision

2020" des Premierministers Dr. Mahathir formuliert das Ziel, „eine wissenschaftliche und

fortschrittliche Gesellschaft zu sein, eine Gesellschaft, die innovativ und

vorwärtsgewandt ist, die nicht nur Technologien annimmt, sondern zur

wissenschaftlichen und technologischen Zivilisation der Zukunft beiträgt" (vgl. Rey, J.D

2002.). Darüber hinaus soll die malaysische Gesellschaft durch allgemeinen Wohlstand

und multiethnische Harmonie gekennzeichnet sein. Aus letzterem wird die

Notwendigkeit abgeleitet, der bisherigen wirtschaftlichen Schlechterstellung des

malaiischen Bevölkerungsanteils durch gezielte Begünstigung entgegenzuwirken (vgl.

Gottlieb ,R. 2000).

Das Land formuliert Vorgaben für die Privatwirtschaft und wendet ein komplexes

Instrumentarium von Auflagen, Schutzzöllen, Steueranreizen und politischem Druck an,

um diese zu erreichen. Vorrangige Ziele umfassen den Anschluss an internationale

Entwicklungen in High-Tech-Branchen (Informationstechnologien, Chip-Fabrikation,

Luft- und Raumfahrt), die Importsubstitution in technologisch anspruchsvollen

Konsumgüterindustrien (Automobile, Elektrogeräte) und den Aufbau eines dynamischen

Unternehmertums in der malaiischen Volksgruppe.

Diese Wirtschafts- (und insbesondere Industrie-) Politik war bislang erfolgreich. Von

1970 bis 1997 wuchs die Volkswirtschaft um jährlich 7,2%. Die Industrialisierung war

dabei die treibende Kraft. Das verarbeitende Gewerbe expandierte deutlich

überproportional und erhöhte seinen Anteil am BIP von 8% zum Zeitpunkt der

Unabhängigkeit auf heute 35%. War das Land noch in den 1960er Jahren ein reiner

Rohstoffexporteur, so haben heute Industriegüter einen Anteil von 78,5% an den

Ausfuhren (vgl. Bea,S 1999.). Neben Südkorea Taiwan und Singapur wurde Malaysia

zu einem prominenten Beispiel für erfolgreiches governing the markets, das heute vielen

Entwicklungsländern als Leitbild dient (vgl. Fischer, M. , S. 3).

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Malaysia – Strukturwandel und technologische Leistungsfähigkeit 18/

Abb.9: Ausgaben des privaten Sektors, 1998

Quelle: Malaysian Science and Technology Information Centre

5.1 Ziel des technologischen Anschlusses

Kaum ein Land der Welt kann ein so hohes, über mehrere Jahrzehnte anhaltendes

Wirtschaftswachstum vorweisen. Malaysia ist seit vielen Jahren einer der attraktivsten

Standorte für ausländische Direktinvestitionen außerhalb der OECD (vgl. Lieninger, H.

2000, S. 34). Die dynamische Wirtschaftsentwicklung hat das Pro-Kopf-Einkommen von

978 US-$ (1970) auf 9.470 US-$ (1995) ansteigen lassen. Von dieser Entwicklung

haben alle Einkommensgruppen profitiert, so dass der Anteil der Armen an der

Bevölkerung von 49,3% (1970) auf 9,6% (1995) zurückgegangen ist Mit einer

Arbeitslosenrate von 2,7% herrschte bis zur jüngsten Wirtschaftskrise nahezu

Vollbeschäftigung (vgl. eu-datashop, 2002).

Allerdings war das Wachstum der letzten Jahrzehnte extensiver Natur, d.h. es wurde

vorwiegend durch den Mehreinsatz von Produktionsfaktoren – Kapitalzuflüsse und

Ausweitung der Beschäftigung – erzielt. Hinsichtlich der Technologie- und

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Malaysia – Strukturwandel und technologische Leistungsfähigkeit 19/

Wissensintensität der Produktion, eigener F&E-Beiträge und der Entstehung eines

dynamischen Unternehmertums hat Malaysia nur geringe Fortschritte gemacht ( siehe

Abb . 10)

Abb.10:Statsistic of Patent Application by Country

1996 1997 1998 1999 2000 2001

5.2

Ma

lay

sia 216 179 193 218 206 278

US 179 2003 2157 2154 2203 1958

Quelle: eigene Drstellung aus Ministry of Domestic Tade and Consumer Affairs

Die Gesamtfaktorproduktivität hat sich daher, vor allem in den 70er und 80er Jahren,

nur geringfügig erhöht. In der Exportwirtschaft ist das Land zwar äußerst

wettbewerbsfähig, aber seine Standortdynamik beruht zum weit überwiegenden Teil auf

Montageoperationen transnationaler Konzerne (TNK). Auch die binnenorientierte

Industrie ist in hohem Maße auf ausländisches Know-how angewiesen.

Aufgrund des Arbeitskräftemangels sind die Lohnkosten seit Mitte der 80er so stark

angestiegen, dass Malaysia nicht mehr auf Niedriglohnindustrien setzen kann. Andere

Länder der Region, namentlich China und Vietnam, haben deutliche Lohnkostenvorteile.

Dieses zwingt zum Strukturwandel in Richtung auf wissens- und

technologieintensivere Fertigung in Bereichen höherer Produktivität. Malaysia hat

diese Notwendigkeit frühzeitig erkannt und verfolgt eine aktive Politik, um

technologischen Anschluss an die OECD-Länder zu finden. Vorrangige Ziele dieser

Politik sind:

• der staatlich gelenkte Aufbau neuer Industriezweige, die als „strategisch"

für den Erwerb technologischer Kompetenz und die Schaffung von

Koppelungseffekten angesehen werden. In Abbildung 11gibt es bis 1998 vor

der Asienkrise einen starken Anstieg der Forschungstätigkeit im Bereich der

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Malaysia – Strukturwandel und technologische Leistungsfähigkeit 20/

Informations-, Kommunikations- und Computerindustrie. Speziell diese

Zweige werden auf Initiative des Premierministers überwiegend mit

malaysischem (teils staatlichem) Kapital und erheblichen öffentlichen

Vorleistungen entwickelt. Hierzu zählen die Automobilindustrie, das MEC City-

Projekt, in dem mit einer Investition von 1,6 Mrd. US-$ eine nationale

Elektrogerätefabrikation mit eigenem Markenimage (MEC, Malaysia Electric

Corp.) für den Export aufgebaut wird, sowie der Einstieg in die Luft- und

Raumfahrtindustrie.

Abb.11: Forschungstätigkeit in bestimmten Bereichen von 1992-2000

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Malaysia – Strukturwandel und technologische Leistungsfähigkeit 21/

Quelle: Malaysia China Business Council, 2001

• der schrittweise Ausbau der von Transnationalen Konzernen (TNK)

dominierten Exportindustrien zu vernetzten und wissensintensiven

Unternehmens-Agglomerationen (Clusters), die nicht nur wie bisher die

Endmontage und Qualitätskontrolle importierter Komponenten umfassen,

sondern vielfältige vor- und nachgelagerte Produktions- und

Dienstleistungsschritte. Über drei Viertel der malaysischen

Industriegüterexporte werden bisher von TNK geleistet. Lag in der

Vergangenheit ein Schwerpunkt darauf, relativ ungezielt ausländische

Direktinvestitionen durch Steueranreize und Infrastrukturvorleistungen ins

Land zu bringen, so geht es heute darum, selektiv technologieintensive

Investitionen zu fördern und die Verknüpfung mit der nationalen Wirtschaft zu

stärken. Das „Manufacturing"-Konzept des Zweiten Industriellen

Entwicklungsplans zielt auf eine Weiterentwicklung der bestehenden

Fertigungskapazitäten in zweierlei Hinsicht: einerseits auf Diversifizierung in

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Malaysia – Strukturwandel und technologische Leistungsfähigkeit 22/

vor- und nachgelagerte Bereiche der Wertschöpfungskette, andererseits auf

die Steigerung der Faktorproduktivität in allen Bereichen. Besonders

ambitioniert sind die Pläne zum Ausbau eines Elektronik-Clusters (siehe

Fallstudie S. 23 f und auch die folgende Abbildung).

Abb.12: Index der Industriellen Produktion Malaysias (Veränderung in %)

Index of Industrial

Production

(1993=100)

2001 2002

Overall Index 179.6 181.6

Mining 123.1 118.5

Manufacturing 195.2 197.9

Electricity 200.2 215.4

Quelle: eigene Darstellung aus Malaysia China Business Council, 2001

• der technologische Anschluß im Bereich der Informationstechnologie.

Herzstück dieser Bemühungen ist die Einrichtung des Multimedia Super

Corridors (MSC) im Süden Kuala Lumpurs. Dieser soll u.a. eine neue,

elektronisch vernetzte und papierlose Verwaltungsstadt, eine Forschungs-

und Technologiestadt sowie einen neuen Großflughafen umfassen. Neben

liberalen Investitionsrichtlinien und der Bereitstellung moderner

Transportwege und Kommunikationsinfrastruktur soll der MSC auch dadurch

für internationale Investoren attraktiv gemacht werden, dass die Regierung

Entwicklungsaufträge für innovative Problemlösungen vergibt.

5.3 Ziel des ethnischen Ausgleiches

Neben dem technologischen Anschluss an die OECD-Länder verfolgt Malaysias

Wirtschaftspolitik ein zweites zentrales Ziel, nämlich den ethnischen Ausgleich durch

Förderung der Bumiputras . Bumiputras („Söhne der Erde") sind die malaiischen

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Malaysia – Strukturwandel und technologische Leistungsfähigkeit 23/

Einwohner des Landes, die sich mit diesem Begriff von den Malaysiern chinesischer und

indischer Abstammung (insgesamt 38 % der Gesamtbevölkerung) abgrenzen. Während

die malaiischen Bevölkerungsgruppen traditionell der Landwirtschaft und Fischerei

verhaftet sind, prägen die chinesischen Einwanderer das städtische Leben und

beherrschen den größten Teil von Handel, Industrie und Handwerk (vgl. IFRU

Jahresbericht).

Die Begünstigung der Bumiputras wurde nach den schweren Rassenunruhen des

Jahres 1969 zur offiziellen Regierungspolitik. Diese Unruhen mit einer Bilanz von weit

über 100 Todesopfern waren vor allem aufgrund der Unzufriedenheit der Malaien mit

der wirtschaftlichen Vormachtstellung der Chinesen sowie der Kritik der Chinesen an

der Sprach- und Bildungspolitik der malaiisch dominierten Regierung entstanden. Als

Reaktion auf die Konflikte wurde 1971 die New Economic Policy (NEP) eingeführt.

Deren Hauptziele waren erstens die Beseitigung der Armut und zweitens die Förderung

der Bumiputras, um die dominante Stellung der chinesischstämmigen und

ausländischen Geschäftsleute zu überwinden. Maßnahmen zur Besserstellung der

Bumiputras umfassten besondere Zugangsquoten zu Universitäten,

Ausbildungsbeihilfen, höhere Sparzinsen sowie Rabatte von teilweise über 10 % beim

Haus- und Grundstückserwerb. Bestimmte Geschäftslizenzen wurden Bumiputras

vorbehalten, mittlere und große Unternehmen wurden verpflichtet, einen bestimmten

Anteil von Bumiputra-Kapital zu halten. Die NEP formulierte das Ziel, den Anteil der

Bumiputras am nationalen Kapitalstock von 2% auf 30% zu erhöhen. Zwar wurde die

NEP 1991 offiziell durch die liberalere New Development Policy (NDP) abgelöst, im

Kern aber blieb die Begünstigung der Bumiputras erhalten. Besonders die staatlich

initiierten Projekte, wie das Vorhaben, eine nationale Automobilindustrie aufzubauen,

fördern gezielt Bumiputras (vgl. IFRU Jahresbericht).

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Malaysia – Strukturwandel und technologische Leistungsfähigkeit 24/

6 Fallbeispiel: Von exportorientierten Monatageindustrien

zum wertschöpfungsintensiven Elektronikcluster

Die Elektro- und Elektronikindustrie ist der führende Industriesektor Malaysias. Seit

Beginn der 70er Jahre lassen nahezu alle namhaften Elektronikkonzerne der Welt in

Malaysia fertigen. Allein am Standort Penang sind über 150 Elektronikunternehmen

vertreten, darunter praktisch alle namhaften TNK der Branche. 1996 exportierte die

Branche im Wert von über 100 Mrd. Ringgit und trug damit 68% zu den

Industriegüterexporten bei. 345.000 Arbeitskräfte wurden in der Branche beschäftigt

(vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH Informationsdienste).

Die meisten Unternehmen lassen in Malaysia jedoch bislang nur zusammenbauen und

testen. Forschung, Entwicklung neuer Produkte, verfahrenstechnische Erprobung in

Pilotlinien sowie Vermarktung und After Sales-Dienstleistungen finden fast

ausschließlich in den Stammländern der großen Elektronikunternehmen statt, ebenso

die Fertigung technologisch komplexer Vorprodukte. Daher besteht das Ziel, die

Wertschöpfungsintensität der Branche und die technologische Kompetenz nationaler

Akteure deutlich zu erhöhen. Der Übergang zu einem integrierten, wissensbasierten

Elektro- und Elektronikstandort (Cluster) ist zudem notwendig, um die internationale

Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, denn Arbeitskräftemangel und steigende Lohnkosten

erodieren Malaysias Kostenvorteil bei einfachen, arbeitsintensiven Montagetätigkeiten.

Einige Unternehmen, wie der Festplattenproduzent Seagate, sind bereits in benachbarte

Niedriglohnländer abgewandert.

Die „Manufacturing"-Strategie des Zweiten Industriellen Entwicklungsplans umreißt die

Entwicklungsziele für die Elektro- und Elektronikindustrie. Das erste Zeichen steht für

Diversifizierung entlang der Wertschöpfungskette . Dieses umfasst den Aufbau

vorgelagerter Industrien und Dienstleistungen, wie die Chip-Produktion, die Stärkung

der Design-Kompetenz (z.B. für anwenderspezifische Chips, ASICs) und die Förderung

kompetenter Hersteller von Zulieferteilen und Werkzeugen. Es zielt außerdem darauf,

nachgelagerte Geschäftsfelder, wie Marketing und Vertrieb, in Malaysia anzusiedeln.

Das zweite Zeichen steht für Erhöhung der Produktivität auf allen Stufen der

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Malaysia – Strukturwandel und technologische Leistungsfähigkeit 25/

Wertschöpfungskette , um von einem faktorgetriebenen (also durch Mehreinsatz der

Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital) zu einem produktivitätsgetriebenen

Wachstumsmuster zu gelangen. In diesem Sinne werden insbesondere angestrebt: (vgl.

Lieninger, H. 2002, S. 11f.):

• der Aufbau einer nationalen Chip-Produktion . Diese stellt die Vorstufe zu den

Bestückungs- und Prüftätigkeiten dar, die bislang in Malaysia vorgenommen

werden. Im Kulim-Technologiepark im Norden des Landes ist geplant, mit

öffentlicher Förderung zunächst zwei Anlagen aufzubauen, die polierte Silizium-

Wafers zu Chips verarbeiten. Angestrebt wird, dass Malaysia über

Fertigungskapazitäten und Know-how für alle Chip-Typen (DRAMs, ASICs und

Mikroprozessoren) verfügen soll. Die Chip-Produktion soll einen erheblichen

Beitrag zum Export leisten und die inländische Wertschöpfung der

Elektronikindustrie deutlich erhöhen. Außerdem erhofft man sich die Ansiedlung

von sogenannten fabless semiconductor chip companies, die auf F&E, Chip-

Design oder Vermarktung spezialisiert sind, ohne über eigene Fertigung zu

verfügen. Besonders wertschöpfungsintensiv ist das Design

anwenderspezifischer Chips. Dieses ASIC-Design ist ein wesentlicher

Erfolgsfaktor für Taiwans Elektronikindustrie (vgl. Lieninger, H. 2000, S. 13f).

• der Ausbau von TNK-Zweigwerken zu „Integrated Manufacturing Centres".

Langfristige Steuervergünstigungen sollen große Konzerne dazu bringen, ihre

Präsenz in Malaysia in Richtung F&E, Vermarktung und Dienstleistungen

auszuweiten. Überdies werden spezielle Technologieparks ausgebaut, um die

Neuansiedlung forschungsintensiver Spezialunternehmen attraktiv zu machen

(vgl. Lieninger, H. 2000, S.15).

• die Stärkung nationaler Zulieferindustrien durch eine Kombination von

selektiver öffentlicher Förderung und moralischem Druck auf die auftraggebenden

TNK, mehr im Inland zu kaufen und Technologie zu transferieren (vgl. Lieninger,

H. 2000, S.16).

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Malaysia – Strukturwandel und technologische Leistungsfähigkeit 26/

In der Tat ist in den letzten Jahren eine technologische „Vertiefung" der Branche

festzustellen. Bereits seit Beginn der 80er Jahre wurde die Elektronikmontage und

-prüfung weitgehend automatisiert, die Produktion spezifischer Fabrikate in kleinen

Losgrößen gewann an Bedeutung, und die Produktlebenszyklen wurden kürzer. Unter

diesen Bedingungen wurde die Fertigung komplexer und wissensintensiver. Dieser

Trend beschleunigte zwei Arten des Technologietransfers: (vgl. Bea, S. 1999, S. 124)

• Qualifizierung lokaler Fachkräfte . Durch die Automatisierung und immer

schnellere Reorganisation der Produktionsabläufe sowie die Einführung eines

moderneren Qualitätsmanagements stiegen die Anforderungen an die

Belegschaften. Die Elektronik-TNK investierten daher erheblich in Aus- und

Fortbildung. Heute sind nahezu alle Ingenieure und Techniker sowie fast das

gesamte Management der Elektronikbranche Malaysier. Zwar wird die

grundlegende, systematische F&E nach wie vor in den Pilotanlagen im Ausland

durchgeführt, aber die malaysischen Tochterunternehmen haben spezifisches

Know-how in der Serienfertigung erworben. Mittlerweile wird daher nicht selten

malaysisches Personal in anderen ausländischen Zweigniederlassungen

eingesetzt. Viele Elektronik-TNK schicken selbst das Bedienungspersonal zu

Lehrgängen im Ausland (vgl. Bea, S. 1999, S. 129).

• Entstehung wettbewerbsfähiger Zulieferer . Aufgrund der Diversifizierung der

Produktpalette und kürzerer Produktlebenszyklen war es nicht länger möglich,

spezifische feinmechanische Werkzeuge für die automatische Bestückung und

Prüfung in Übersee zu fertigen. Seit den 80er Jahren entstehen daher zumeist

durch Ausgründung aus TNK lokale Zulieferer, von denen sich einige

zwischenzeitlich zu international operierenden Spezialunternehmen mit mehreren

hundert Mitarbeitern entwickelt haben. Weitere erfolgreiche Zulieferer entstanden

in der Kunststoffindustrie (z.B. Computergehäuse) und als Lohnfertiger für

Leiterplattenbestückung und -prüfung (vgl. Bea, S. 1999, S. 129).

Viele Entwicklungsländer verfügen über Freie Produktionszonen, in denen einfache

Lohnveredelungsaktivitäten für TNK durchgeführt werden. Aber in kaum einem Land

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Malaysia – Strukturwandel und technologische Leistungsfähigkeit 27/

haben diese Investitionen zu so intensiven technologischen Lernprozessen geführt wie

in Malaysia. Aufgrund der in Malaysia verfügbaren Fachkräfte und zunehmender

interindustrieller Verflechtungen ist das Risiko, dass Elektronikunternehmen in größerem

Stil in Niedriglohnländer abwandern, mittlerweile gering. Dieser Erfolg ist nicht allein auf

Entscheidungen in der Industriepolitik zurückzuführen. Zu einem guten Teil beruht er auf

spezifischen technischen Erfordernissen der Elektronikbranche und der Tatsache, dass

die große räumliche Entfernung zu den Stammhäusern der Elektronikunternehmen

lokale Bezugsquellen begünstigt (vgl. Lieninger, H. 2000, S.67). Die TNK selbst haben

massiv in die Aus- und Fortbildung sowie die Entwicklung kompetenter Zulieferer

investiert 1999 Bea,S., S.134). Dennoch hat die malaysische Industriepolitik (und

insbesondere die des Bundesstaates Penang) wichtige Beiträge geleistet. Verdienste

liegen insbesondere in einem guten internationalen Standortmarketing; in der Schaffung

einer investitionsfreundlichen Atmosphäre, nicht nur durch Steuererleichterungen,

sondern vor allem auch durch unbürokratische Unterstützung interessierter

Unternehmen; in einer vorbildlichen, wirtschaftsnahen Ausbildungsförderung; und in der

Propagierung

und Förderung zahlreicher Initiativen, die zu einer technologischen Aufwertung der

Branche beitragen (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH Informationsdienste,

2002).

7 Fazit

Hinsichtlich der Wirtschaftlage sieht Malaysias Position nicht optimistisch aus. Im Bild

der Gänseflugformation befindet sich der Staat in der Mitte. Die Wirtschaftspolitik ist

darauf ausgerichtet die Produktionsökonomie weiter zu entwickeln, hin zu einer

Wissensökonomie. Diese Position ist aber verschiedenen ökonomischen Trends der

Weltwirtschaftsentwicklung ausgesetzt, die es dem Staat nicht leicht machen wird, diese

Position zu halten. Nur wenn es Malaysia gelingt die Wissensökonomie zu stärken und

seine Wettbewerbsfähigkeit ausbaut, kann das Ziel „Vision 2020“ erreicht werden. Von

den gesteckten Orientierungszahlen sollte man jedoch jetzt schon abstriche machen

und niedrigere Werte in die Planung mit aufnehmen.

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Malaysia – Strukturwandel und technologische Leistungsfähigkeit 28/

Aufgrund der aktuellen Wirtschaftskrise werden Modernisierungsinvestitionen künftig

bescheidener ausfallen. Industriepolitik wird sich stärker an marktwirtschaftlichen

Prinzipien orientieren und auf private Initiative setzen müssen. Damit werden die

Spielräume für politischen Einfluss eingeschränkt. Ob die Krise darüber hinaus zur

überfälligen demokratischen Öffnung führen wird, bleibt offen. Hinsichtlich des

Oberzieles, technologischen Anschluss an die Industrieländer zu finden, sind manche

Vorhaben zu ambitioniert und werden die angestrebten Sektorziele voraussichtlich nicht

erreichen. Der Misserfolg mag dabei durch die 1997 unvorhergesehen eingetretene

Wirtschaftskrise schneller offenbar werden, aber selbst unter der Annahme anhaltenden

Wachstums war der angestrebte Schnelleinstieg in Spitzentechnologien bei der

gegebenen dünnen Personaldecke und schwachen Ausbildungs- und

Forschungsinfrastruktur nicht realistisch.

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