Mammographie- Screening. Kontroverse über Nutzen und Risiken · N R. 1 I Februar 2014 I 3 men zu...

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Nr. 1 I Februar 2014 der familienplanungsrundbrief Früherkennungsuntersuchungen werden in der Bevölkerung generell als nützlich und sinnvoll angesehen. Dass die Teilnahme auch mit Risiken verbunden ist, wird von den NutzerInnen kaum wahrgenommen. Aber auch in der Fachöffentlich- keit ist das Wissen über potentielle Risiken von Screening-Untersuchungen überraschend gering. Daher erstaunt es wenig, dass Frauen kaum darü- ber aufgeklärt werden. Ein organisiertes Mammographie-Screening wird in Deutschland für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren seit 2007 angeboten, in vielen anderen Ländern wurden solche Programme schon in den 1990er Jahren eingeführt. Die Diskussion über die Bewertung von Nutzen und Risiken des Screenings bestand von Anfang an und ist trotz zahlreicher Studien nicht beendet. Die Veröffentlichung neuer Daten brachte der Kontroverse in den letzten Monaten breite Beachtung in den Medien. Obwohl es für kaum eine Früherkennungsmethode so viele Daten gibt, ist die Bewertung schwierig. Die zum Mammographie-Screening vorliegenden Studien haben widersprüchliche Ergebnisse, und aufgrund zahlreicher Faktoren, die die Ergebnisse beeinflussen können, müssen die Daten mit Vor- sicht interpretiert werden. So wurden nicht nur die technischen Möglichkeiten der Diagnostik seit den Anfängen des Screenings weiterentwickelt, auch die Behandlung von Brustkrebs hat sich seit- dem verbessert. Dadurch wurde unabhängig vom Screening die Heilungsrate erhöht und die Sterb- lichkeit verringert. Neu in der Debatte ist der Ver- dacht, dass einige Publikationen zur Bewertung des Mammographie-Screenings von Interessen geleitet sind. Es gibt Hinweise, dass die Bewertungen bei Veröffentlichungen in radiologischen Fachzeit- schriften insgesamt positiver ausfallen, als in allge- meinmedizinischen Zeitschriften (Rasmussen 2013). >> Informationen für ÄrztInnen, PädagogInnen, PsychologInnen und SozialarbeiterInnen, die auf dem Gebiet der sexuellen und reproduktiven Gesundheit beraterisch oder therapeutisch tätig sind SCHWERPUNKT Mammographie-Screening. Seite 1 Kontroverse über Nutzen und Risiken AKTUELLE INFORMATION Hormonale Kontrazeptiva – Seite 9 Aktuelle Bewertung des Thromboserisikos Pille danach: Statements des ICEC Seite 10 Medizinische Maßnahmen ohne Nutzen Seite 11 im Bereich der reproduktiven Gesundheit SCHWERPUNKT Mammographie- Screening. Kontroverse über Nutzen und Risiken Helga Seyler

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Page 1: Mammographie- Screening. Kontroverse über Nutzen und Risiken · N R. 1 I Februar 2014 I 3 men zu Beginn des Screenings durch die frühere Diagnosestellung, die beim Screening angestrebt

Nr 1 I Februar 2014

der familienplanungsrundbrief

Fruumlherkennungsuntersuchungen werden in der Bevoumllkerung generell als nuumltzlich und sinnvoll angesehen Dass die Teilnahme auch mit Risiken verbunden ist wird von den NutzerInnen kaum wahrgenommen Aber auch in der Fachoumlffentlich-keit ist das Wissen uumlber potentielle Risiken von Screening-Untersuchungen uumlberraschend gering Daher erstaunt es wenig dass Frauen kaum daruuml-ber aufgeklaumlrt werden

Ein organisiertes Mammographie-Screening wird in Deutschland fuumlr Frauen zwischen 50 und 69 Jahren seit 2007 angeboten in vielen anderen Laumlndern wurden solche Programme schon in den 1990er Jahren eingefuumlhrt Die Diskussion uumlber die

Bewertung von Nutzen und Risiken des Screenings bestand von Anfang an und ist trotz zahlreicher Studien nicht beendet Die Veroumlffentlichung neuer Daten brachte der Kontroverse in den letzten Monaten breite Beachtung in den Medien

Obwohl es fuumlr kaum eine Fruumlherkennungsmethode so viele Daten gibt ist die Bewertung schwierig Die zum Mammographie-Screening vorliegenden Studien haben widerspruumlchliche Ergebnisse und aufgrund zahlreicher Faktoren die die Ergebnisse beeinflussen koumlnnen muumlssen die Daten mit Vor-sicht interpretiert werden So wurden nicht nur die technischen Moumlglichkeiten der Diagnostik seit den Anfaumlngen des Screenings weiterentwickelt auch die Behandlung von Brustkrebs hat sich seit-dem verbessert Dadurch wurde unabhaumlngig vom Screening die Heilungsrate erhoumlht und die Sterb-lichkeit verringert Neu in der Debatte ist der Ver-dacht dass einige Publikationen zur Bewertung des Mammographie-Screenings von Interessen geleitet sind Es gibt Hinweise dass die Bewertungen bei Veroumlffentlichungen in radiologischen Fachzeit-schriften insgesamt positiver ausfallen als in allge-meinmedizinischen Zeitschriften (Rasmussen 2013) gtgt

Informationen fuumlr AumlrztInnen PaumldagogInnen PsychologInnen und SozialarbeiterInnen die auf dem Gebiet der sexuellen und reproduktiven Gesundheit beraterisch oder therapeutisch taumltig sind

SchwerpuNktMammographie- Screening Seite 1 Kontroverse uumlber Nutzen und Risiken

Aktuelle INFormAtIoNHormonale Kontrazeptiva ndash Seite 9 Aktuelle Bewertung des Thromboserisikos

Pille danach Statements des ICEC Seite 10

Medizinische Maszlignahmen ohne Nutzen Seite 11 im Bereich der reproduktiven Gesundheit

SCHwERPuNKT

Mammographie- Screening Kontroverse uumlber Nutzen und RisikenHelga Seyler

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Faktoren zur Definition von Nutzen und RisikenDie Verringerung der Zahl von Todesfaumlllen durch Brustkrebs gilt als zentrales Ziel des Screenings Daneben soll die Diagnose in einem fruumlhen Stadium gestellt werden und eine schonendere Behandlung ermoumlglichen Als wesentliches Risiko des Screenings wird die Uumlberdiagnose von Brust-krebs mit dem Schaden von eigentlich nicht not-wendigen Krebsbehandlungen angesehen auszliger-dem falsch positive Befunde die mit psychischer Belastung zusaumltzlichen Untersuchungen oder operativen Eingriffen verbunden sind

Im Folgenden werden die einzelnen Faktoren erlaumlutert sowie vorhandenen Daten dargestellt Einen Schwerpunkt bildet die Datenlage zu Uumlber-diagnosen da dieses Phaumlnomen in den letzten Jahren verstaumlrkt untersucht und in der Fachwelt

diskutiert wird Der Beitrag geht auszligerdem auf die Aufklaumlrung und Beratung von Adressatinnen des Screenings ein

UumlberdiagnoseDie Uumlberdiagnose gilt als schwerwiegendster Schaden von Fruumlherkennungsprogrammen Der Begriff bezeichnet die Diagnose eines Karzinoms das ohne das Screening zu Lebzeiten desder Betroffenen nicht gefunden worden waumlre und keine Beschwerden gemacht haumltte Dass es solche Tumoren sowohl beim Brustkrebs als auch bei anderen Karzinomen gibt ist seit langem bekannt Zum Beispiel fand sich bei Autopsien von Frauen im Alter von 20 bis 54 Jahren die nicht an einer Krebserkrankung gestorben sind bei 2 Prozent ein invasives Karzinom und bei weiteren 18 Pro-zent ein Carcinoma in situ1 in einer oder beiden Bruumlsten (Nielsen 1987) In der Altersgruppe von 40 bis 54 Jahren hatten 37 Prozent der Frauen ein invasives oder In-situ-Karzinom Auch beim Prosta-takarzinom ist inzwischen bekannt dass sich viele Krebstumoren nicht weiter entwickeln Wenn beim Screening ein Karzinom entdeckt wird kann jedoch die weitere Entwicklung nicht sicher eingeschaumltzt werden Es gibt also keine Moumlglichkeit festzustel-len ob es sich im einzelnen Fall um eine Uumlberdiag-nose handelt Daher wird in jedem Fall die uumlbliche Behandlung mit Operation und gegebenenfalls Chemotherapie sowie Bestrahlung durchgefuumlhrt

Wie viele der beim Screening entdeckten Karzi-nome solche Uumlberdiagnosen sind kann nicht direkt ermittelt werden Hierfuumlr waumlre es notwendig eine Gruppe von Frauen mit beim Screening diagnos-tizierten Karzinomen ohne weitere Behandlung zu beobachten ndash ein ethisch nicht vertretbares Vorgehen

Somit kann die Rate an Uumlberdiagnosen nur aus indirekten Hinweisen errechnet werden Dazu gehoumlrt die um etwa ein Drittel houmlhere Zahl an Brustkrebserkrankungen bei Frauen die am Scree-ning teilnehmen gegenuumlber einer Vergleichsgruppe ohne Screening Zu erwarten ist dieses Phaumlno-

Bei einem organisierten Screening sind die Ablaumlu-fe genau definiert Das betrifft die Zielgruppe (beim Mammographie-Screening in Deutschland sind das Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren) und die Abstaumlnde der Untersuchungen (2 Jahre) Die Zielgruppe wird von einer zentralen Stelle schriftlich zum Screening eingeladen Festgelegt sind auch die Ablaumlufe bei der Auswertung der Mammographien und bei der Abklaumlrung auf-faumllliger Befunden Alle Daten werden zentral erfasst und ausgewertet es gibt Richtlinien zur Qualitaumltssicherung

In Abgrenzung zum organisierten Screening wird von einem opportunistischen oder bdquograuenldquo Screening gesprochen wenn Personen aufgrund eigener Entscheidung oder einer aumlrztlichen Empfehlung an einer Fruumlherkennungsunter-suchung teilnehmen fuumlr die es kein festgelegtes Vorgehen fuumlr Qualitaumltssicherung Monitoring und Evaluation gibt Vor der Einfuumlhrung des organisierten Screenings wurden Mammo-graphien zur Brustkrebs-Fruumlherkennung in diesem Rahmen durchgefuumlhrt

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men zu Beginn des Screenings durch die fruumlhere Diagnosestellung die beim Screening angestrebt wird Studien zeigen aber dass auch nach vielen Jahren selbst nach dem Ende des Screenings die Zahl der Erkrankungen in der gescreenten Gruppe houmlher bleibt als in der Gruppe ohne Screening Auszligerdem nimmt die Zahl von Tumoren die erst in fortgeschrittenem Stadium entdeckt werden in der gescreenten Gruppe nicht im gleichen Maszlige ab wie die Zahl der Karzinome im Fruumlhstadium zunimmt

Alle Schaumltzungen zur Haumlufigkeit von Uumlberdia-gnosen sind wegen der indirekten Berechnung mit groszligen Unsicherheiten behaftet und fallen dementsprechend unterschiedlich aus Auszligerdem kann die Rate mit verschiedenen Bezugsgroumlszligen angegeben werden Meist wird die Zahl der Uumlber-diagnosen als Anteil an allen Burstkrebsdiagnosen angegeben Da jedoch nur etwa 60 bis 70 Prozent der eingeladenen Frauen am Screening teilnehmen und nicht alle Karzinome beim Screening entdeckt werden ist der Anteil von Uumlberdiagnosen bezogen auf beim Screening entdeckte Karzinome deutlich houmlher

In einer Veroumlffentlichung die sich mit den Auswir-kungen von 30 Jahren Mammographie-Screening in den USA befasst wird aus dem groszligen Anstieg der Erkrankungszahlen in fruumlhen Krebsstadien und dem sehr geringen Ruumlckgang spaumlter Stadien der Anteil von Uumlberdiagnosen auf 31 Prozent aller Brust-krebsdiagnosen geschaumltzt (Bleyer 2012) Aus Daten zur Entwicklung und zum Verlauf der Erkrankungs-zahlen in verschiedenen europaumlischen Laumlndern vor und nach der Einfuumlhrung des Screenings berechnet eine Arbeitsgruppe den Anteil von Uumlberdiagnosen sogar auf 46 bis 58 Prozent (Joslashrgensen 2009)

Zu einem Ergebnis von etwa 30 Prozent Uumlberdia-gnosen kommt eine Arbeitsgruppe der Cochrane-Collaboration bei der Auswertung der vorhandenen randomisierten Studien zum Mammographie-Screening (Goetzsche 2011) In absoluten Zah-len berechnet die Arbeitsgruppe dass eine von

200 Frauen die 10 Jahre lang am Mammographie-Screening teilnehmen mit der Diagnose von Brust-krebs konfrontiert wird von der sie ohne das Scree-ning nicht behelligt worden waumlre

Groszligbritannien reagierte auf die kontroverse Diskussion und berief eine Expertenkommission (Independent UK Panel on Breast Cancer Scree-ning) um Nutzen und Risiken des Mammographie-Screenings zu ermitteln (Marmot 2012) Diese schaumltzte aufgrund der vorhandenen Daten den Anteil von Uumlberdiagnosen deutlich niedriger auf 11 Prozent der Brustkrebsdiagnosen bezogen auf alle zum Screening eingeladenen Frauen Im Verlauf von 20 Jahren betraumlfe das 13 von 1000 Frauen

Am niedrigsten wird die Rate von Uumlberdiagnosen mit 65 Prozent von der Euroscreen Working Group geschaumltzt die dafuumlr Daten aus den Screening-Programmen verschiedener Europaumlischer Laumlnder ausgewertet hat (Paci 2012)

Die Bedeutung von In-situ-KarzinomenEin Diskussionsstrang zum Umgang mit Uumlberdia-gnosen befasst sich mit der Frage wie Karzinome mit geringer Malignitaumlt erkannt und entsprechend weniger aggressiv behandelt werden koumlnnen Eine besondere und quantitativ relevante Bedeutung dabei hat das Ductale carcinoma in situ (DCIS) Ein groszliger Teil der beim Screening entdeckten Karzi-nome etwa 20 Prozent sind naumlmlich solche Krebs-vorstufen waumlhrend bei auszligerhalb des Screenings diagnostizierten Tumoren nur 5 Prozent einem DCIS entsprechen Das weist darauf hin dass DCIS wahr-scheinlich einen groszligen Anteil der Uumlberdiagnosen darstellen Daruumlber hinaus gibt es jedoch zahlreiche Belege dass auch invasive Karzinome uumlberdiagnos-tiziert werden Derzeit werden DCIS aumlhnlich radikal behandelt wie invasive Karzinome Haumlufig wird die Brust komplett entfernt bei brusterhaltender The-rapie wird oft eine Nachbestrahlung durchgefuumlhrt Es wird diskutiert ob diese Krebsvorstufen in der Regel nur durch Entfernung des Tumors behandelt werden koumlnnen oder ob in einigen Faumlllen sogar eine Beobachtung ohne Therapie moumlglich ist gtgt

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Allerdings spielen bei der Therapieentscheidung auch die Aumlngste der betroffenen Frauen eine Rolle die bei der Diagnose eines DCIS oft kaum geringer sind als bei einem invasiven Karzinoms (Partridge 2008) Daher fuumlhlen sich die Frauen in der Regel mit einer wenig eingreifenden Therapie oder aus-schlieszliglicher Beobachtung nicht sicher genug Um bei diesen Frauen die Aumlngste zu mindern und die Akzeptanz einer dem Risiko angemessene Therapie zu foumlrdern plaumldieren einige ExpertInnen dafuumlr die Terminologie zu aumlndern und das DCIS deutlicher als Krebsvorstufe zu bezeichnen (Omer 2013)

Falsch positive BefundeEin anderes Risiko des Mammographie-Screenings stellen falsch positiven Befunde dar Damit werden verdaumlchtige Befunde bezeichnet die durch weitere Untersuchungen oder durch eine operative Gewe-beentfernung abgeklaumlrt werden muumlssen sich dann aber als gutartige Veraumlnderungen erweisen Im Gegensatz zur Rate an Uumlberdiagnosen kann dieser Anteil direkt ermittelt werden In der Auswertung des Screenings in Deutschland wurden bei der ersten Screening-Untersuchung gut 6 Prozent der Frauen zu einer weiteren Untersuchung wieder einbestellt bei 08 Prozent dieser Frauen wurde tatsaumlchlich Brustkrebs festgestellt (Malek 2012) Bei Frauen die wiederholt am Screening teilnah-men lag der Anteil der Folgeuntersuchungen bei 3 Prozent und bei knapp 06 Prozent wurde Brust-krebs diagnostiziert Damit liegt die Rate an falsch positiven Befunden bei der ersten Screeningrunde bei gut 5 Prozent bei folgenden Runden bei etwa 25 Prozent

Diese Zahlen entsprechen den Daten aus anderen Laumlndern Bei der Auswertung vorhandener Daten ermittelte die britische Expertenkommission dass pro Screening-Runde etwa 4 Prozent der Frauen zu einer weiteren Abklaumlrung einbestellt werden Bei 08 Prozent wird ein Karzinom gefunden bei 22 Prozent der Frauen kann der Krebsverdacht durch weitere bildgebende Untersuchungen entkraumlftet werden bei 1 Prozent muss dafuumlr ein operativer Eingriff erfolgen (Marmot 2012) Im

Verlauf von 20 Jahren werden etwa 20 Prozent der Screening-Teilnehmerinnen mit einem falsch posi-tiven Befund konfrontiert 3 Prozent davon muumlssen operativ abgeklaumlrt werden (Paci 2012)

Laumlngere Lebenszeit in Kenntnis der Brustkrebs-DiagnoseFruumlher ist nicht in jedem Fall besser Als weiterer Nachteil des Screenings wird beschrieben dass bei einigen Frauen der Brustkrebs trotz der fruumlheren Diagnose nicht heilbar ist Das bedeutet dass diese Frauen laumlnger mit der Krankheit und den dadurch bedingten koumlrperlichen und psychischen Belas-tungen leben muumlssen dann aber trotzdem daran sterben Daten dazu gibt es nicht

Vermeidung von Todesfaumlllen an BrustkrebsDer wesentliche angestrebte Nutzen des Mammo-graphie-Screenings ist die houmlhere Heilungsrate und Verringerung der Zahl von Todesfaumlllen an Brust-krebs Die Senkung der Brustkrebs-Sterblichkeit durch das Screening ist in vielen Studien belegt Allerdings wird die Zahl der Brustkrebs-Todesfaumllle auch durch Fortschritte bei der Behandlung beein-flusst Inzwischen schaumltzen einige ExpertInnen dass bessere Behandlungsmoumlglichkeiten mehr zur Senkung der Sterblichkeit beitragen als das Scree-ning Diese Einschaumltzung stuumltzt sich auf Studien die eine Reduktion der Sterblichkeit auch bei Frauen ohne Screening zeigen zum Beispiel bei juumlngeren Frauen denen kein Screening angeboten wird (Bleyer 2012) oder Frauen die in Regionen ohne Screening leben (Autier 2011 Joslashrgensen 2010)

Kontroversen gibt es auch um die Zahl der durch das Screening vermiedenen Todesfaumllle Trotz zahlreicher Studien dazu liegen die Schaumltzungen aufgrund unterschiedlicher Ergebnisse und vieler potentiell verzerrender Faktoren weit ausein-ander Die meisten der randomisierten Studien sind 20 bis 30 Jahre alt und beruumlcksichtigen nicht die verbesserten Techniken der Mammographie Aktuellere Studien sind jedoch Beobachtungs-studien mit entsprechend groumlszligerem Potential von Verfaumllschungen

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Die Arbeitsgruppe der Cochrane Collaboration ermittelt bei der Auswertung der vorhandenen randomisierten Studien eine Reduktion der Sterb-lichkeit um 15 Prozent In absoluten Zahlen bedeu-tet das eine Verringerung um 005 Prozent das heiszligt durch das Screening wird bei 2000 Frauen ein Brustkrebs-Todesfall vermieden (Goetzsche 2011) Dabei fand sich in Studien von hoher metho-discher Qualitaumlt keine Reduktion der Sterblichkeit in Studien mit moumlglichen Verzerrungen der Ergeb-nisse eine Reduktion um 25 Prozent

Die britische Expertenkommission berechnete die Reduktion der Sterblichkeit auf 20 Prozent (Marmot 2012) Das entspricht der Vermeidung eines Todes-falls an Brustkrebs bei 180 gescreenten Frauen oder 43 Faumlllen bei 10 000 Frauen

Bei der Auswertung von US-amerikanischen Daten zu Brustkrebs-Erkrankungsraten und Todesfaumlllen der letzten 30 Jahre kommen die AutorInnen zu dem Schluss dass die beobachtete Reduktion der Sterblichkeit ausschlieszliglich der besseren Behand-lung zuzuschreiben ist waumlhrend das Screening keinen Einfluss darauf hat (Bleyer 2012)

Die Euroscreen Working Group die die Screening-Programme der EU-Laumlnder evaluiert kommt zu anderen Ergebnissen Sie ermittelt eine Reduktion der Brustkrebstodesfaumllle bei Screening-Teilneh-merinnen um 38 bis 48 Prozent (Paci 2012) Diese Daten stammen jedoch aus Fall-Kontrollstudien und bevoumllkerungsbezogenen Studien bei denen es schwierig ist die Effekte einer besseren Behand-lung von Screening Effekten zu trennen

Schonende Behandlung durch fruumlhzeitige EntdeckungWird ein Karzinom fruumlher entdeckt ist haumlufig eine weniger eingreifende Behandlung moumlglich So kann moumlglicherweise eine Entfernung der Brust die Entfernung von Lymphknoten oder eine Chemothe-rapie vermieden werden Dies kann neben der Ver-meidung von Todesfaumlllen als Nutzen des Screening bewertet werden Daten dazu gibt es jedoch nicht

Abwaumlgung von Nutzens und RisikenDie hier vorgestellten Daten machen deutlich dass zuverlaumlssige Angaben zur Groumlszligenordnung der ver-schiedenen Faktoren kaum moumlglich sind Noch schwieriger ist es Nutzen und Risiken gegeneinan-der abzuwaumlgen und aufzurechnen Dabei spielt die persoumlnliche Bewertung und Gewichtung der einzel-nen Faktoren eine entscheidende Rolle Wie schwer wiegt ein Fall von Uumlberdiagnose mit der Folge einer Operation und eventueller Bestrahlung und Che-motherapie sowie der psychischen Belastung eines Lebens mit der Diagnose Brustkrebs im Vergleich zu einem verhinderten Todesfall Wie belastend ist ein falsch positiver Befund mit der Angst vor dem Ergebnis weiterer Untersuchungen oder eines operativen Eingriffs im Vergleich zu einer weniger eingreifenden Behandlung durch fruumlhe Diagnose-stellung zum Beispiel die Vermeidung einer Lymph-knotenentfernung oder Chemotherapie

Waumlhrend einige ExpertInnen bereits diskutieren das Mammographie-Screening aufgrund enttaumlu-schender Ergebnisse auszusetzen liegt jedoch der Schwerpunkt der Diskussionen darauf wie die potentiellen Nutzerinnen durch Aufklaumlrung in die Lage versetzt werden koumlnnen eine individuelle Entscheidung zu treffen

Aufklaumlrung als EntscheidungsgrundlageStudien zur Einschaumltzung des Mammographie- Nutzens belegen dass potentielle Nutzerinnen bisher sehr wenig uumlber moumlgliche Risiken von Fruumlherkennungsuntersuchungen wissen und den Nutzen bei weitem uumlberschaumltzen So ergab zum Beispiel eine Befragung in europaumlischen Laumlndern dass uumlber 90 Prozent der Frauen die Verringerung der Sterblichkeit durch das Mammographie-Scree-ning um mindestens das Zehnfache uumlberschaumlt-zen (Gigerenzer 2009) In Deutschland schaumltzten 65 Prozent der befragten Frauen dass durch das Screening mindestens 10 Brustkrebstodesfaumllle bei 1000 Frauen verhindert wuumlrden 30 Prozent schaumltz-ten die Reduktion der Sterblichkeit sogar auf mehr als 100 bei 1000 Frauen Befragte die angaben AumlrztInnen und Informationsbroschuumlren als gtgt

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Wissensquelle zu nutzen waren eher schlechter informiert

Die Moumlglichkeit von Uumlberdiagnosen ist so gut wie gar nicht bekannt In einer Studie in den USA wur-den 317 Maumlnner und Frauen mit einem online- Fragebogen befragt ob sie von ihren AumlrztInnen da ruumlber aufgeklaumlrt wurden und welchen Einfluss die Tatsache auf ihre Entscheidung zur Teilnahme am Screening haben koumlnnte (Wegwarth 2013a) Weniger als 10 Prozent der TeilnehmerInnen gaben an von ihren AumlrztInnen uumlber Uumlberdiagnosen infor-miert worden zu sein und nur 3 Prozent hatten kon-krete Zahlen dazu genannt bekommen Jedoch wuumlnschen sich 80 Prozent von ihren AumlrztInnen uumlber diesen Sachverhalt aufgeklaumlrt zu werden Nachdem die Befragten uumlber die Bedeutung von Uumlberdiagnosen informiert worden waren erklaumlrte die Haumllfte der TeilnehmerInnen sie wuumlrde nicht an einem Screening teilnehmen bei dem mehr als eine Uumlberdiagnose pro vermiedenem Todesfall auftraumlte Bei 10 Uumlberdiagnosen pro vermiedenen Todesfall waren es 70 Prozent Wenn sie bereits regelmaumlszligig an einer Fruumlherkennungsuntersuchung teilnahmen wuumlrde jedoch die Mehrzahl bis zu 10 Uumlberdiagno-sen pro vermiedenem Todesfall akzeptieren

In einer weiteren Studie wurden 50 Frauen in Aus-tralien zunaumlchst ausfuumlhrlich uumlber die Moumlglichkeit von Uumlberdiagnosen beim Mammographie-Scree-nings informiert und nachfolgend wurde in Grup-pen daruumlber diskutieren wie sie dies bewerten und welche Groumlszligenordnung von Uumlberdiagnosen fuumlr sie persoumlnlich akzeptabel waumlre (Hersch 2013) Auch diese Frauen wussten nichts von der Moumlglichkeit von Uumlberdiagnosen und waren sehr uumlberrascht daruumlber Die Diskussionen zeigen wie schwierig es fuumlr sie war die Bedeutung und Konsequenzen zu begreifen Ihre Bewertung fiel dementsprechend sehr unterschiedlich aus Die meisten fanden Raten an Uumlberdiagnosen zwischen 10 und 30 Prozent akzeptabel und wuumlrden trotzdem am Screening teil-nehmen Erst bei einer Rate von 50 Prozent sahen sie die Notwendigkeit die Entscheidung zur Teilnahme abzuwaumlgen Einige Frauen wollten nicht uumlber moumlg-

liche Uumlberdiagnosen informiert werden sie wollten einfach weiter zur Teilnahme am Screening ermu-tigt werden Die Mehrzahl der Frauen hielt jedoch eine vollstaumlndige Aufklaumlrung fuumlr notwendig

Die mangelnde Aufklaumlrung der Frauen ist ange-sichts des durch Studien belegten geringen Wis-sensstands von AumlrztInnen nicht uumlberraschend Nur 34 Prozent der US-Amerikanischen AllgemeinaumlrztIn-nen konnten korrekte Angaben zur Groumlszligenordnung von Uumlberdiagnosen beim Mammographie-Scree-ning machen (Wegwarth 2012) Auch deutsche GynaumlkologInnen konnten meist keine adaumlquaten Informationen zu Nutzen und Risiken des Mam-mographie-Screenings geben Uumlberdiagnosen erwaumlhnten sie in der Befragung gar nicht (Weg-warth 2013b) Aber auch andere Faktoren tragen zur luumlckenhaften Aufklaumlrung der Nutzerinnen bei Die Screening-Programme verfolgen das erklaumlrte Ziel moumlglichst viele Frauen zur Teilnahme zu motivie-ren Dementsprechend werden auch die Informati-onen dazu gestaltet Uumlber die Aufklaumlrungsbroschuuml-ren hinaus gibt es Anzeigenkampagnen die Frauen fuumlr das Screening gewinnen sollen

Das Ziel der Motivation zur Teilnahme vertraumlgt sich nicht mit einer Aufklaumlrung die eine Grundlage fuumlr eine abgewogene Entscheidung bieten soll Die Studie von Hersch belegt deutlich wie verwirrend es fuumlr die Diskussionsteilnehmerinnen war sich ploumltzlich auch mit moumlglichen Risiken des Scree-nings auseinanderzusetzen waumlhrend sie bisher durch zahlreiche Kampagnen zur Teilnahme moti-viert wurden in denen das Screening ausschlieszliglich positiv dargestellt wurde (Hersch 2013) Auszligerdem wurde deutlich wie sehr durch die Kampagnen die Angst vor Brustkrebs geschuumlrt wird um zur Teilnahme zu motivieren Die Diskussion zeigte dass viele Frauen das Screening brauchten um Sicherheit zu bekommen dass bei ihnen bdquoalles in Ordnungldquo ist

Daten und Zahlen fuumlr die AufklaumlrungAngesichts der verwirrenden Daten komplexen Fakten und der kontroversen Fachdiskussion ist

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eine verstaumlndliche und an den Fragen der Nutze-rinnen orientierte Aufklaumlrung nicht einfach Als Grundlage dafuumlr haben verschiedene ExpertInnen-gruppen Zahlen zu Nutzen und Risiken in Uumlbersich-ten zusammengefasst Diese fallen unterschiedlich aus da sie sich auf unterschiedliche Daten und Zeitraumlume stuumltzen

In Deutschland haben sich ExpertInnen aus meh-reren Fachbereichen auf sogenannte Kennzahlen verstaumlndigt die in der Aufklaumlrungsbroschuumlre zum organisierten Screening2 genannt werden (Wey-mayr 2010) Sie beziehen sich auf 200 Frauen und den Zeitraum von 20 Jahren Entsprechend dieser Kennzahlen wird bei 13 der 200 Frauen Brustkrebs festgestellt davon bei 10 Frauen durch das Scree-ning bei 3 Frauen im Zeitraum zwischen zwei Screening-Untersuchungen Drei dieser Frauen sterben an Brustkrebs Bei einer der Frauen kann ein Todesfall verhindert werden eine weitere Frau haumltte ohne das Screening nichts von ihrem Brust-krebs erfahren 50 Frauen werden mit einem falsch positiven Ergebnis belastet das bei 10 dieser Frauen durch eine Operation abgeklaumlrt werden muss

Die Zahlen des Independent UK Panel on Breast Cancer Screening beziehen sich auf 10 000 Frauen und einen Zeitraum von 20 Jahren (Marmot 2012) Bei diesen Frauen werden 681 Faumllle von Brustkrebs diagnostiziert 43 Todesfaumllle an Brustkrebs werden verhindert dagegen haumltten 129 Frauen ohne Scree-ning keine Brustkrebsdiagnose bekommen

Die Arbeitsgruppe der Cochrane Collaboration hat eine auch ins Deutsche uumlbersetzte Broschuumlre

erstellt3 (Nordisches Cochrane Zentrum 2012) Die Angaben beziehen sich auf 2000 Frauen und 10 Jahre Screening-Teilnahme Bei diesen 2000 Frauen wird ein Todesfall vermieden Zehn Frauen erhalten eine Brustkrebsdiagnose die sie ohne Screening nicht bekommen haumltten Bei 200 der Frauen wird ein falsch positiver Befund erhoben

Die Berechnungen der Euroscreen Working Group die sich auf 1000 Frauen und einen Zeitraum von 20 Jahren beziehen sehen so aus Bei neun Frauen kann ein Todesfall an Brustkrebs verhindert werden vier erhalten eine Uumlberdiagnose 200 erhalten ein falsch positives Ergebnis das bei 30 dieser Frauen durch eine Operation abgeklaumlrt werden muss (Paci 2012) Siehe Tabelle

Fuumlr manche Frauen moumlgen diese Zahlen hilfreich sein fuumlr andere sind sie eher verwirrend und wenig nuumltzlich fuumlr die Entscheidungsfindung Sie sollten aber auf jeden Fall den AumlrztInnen bekannt sein die uumlber das Screening aufklaumlren um individuelle Fra-gen dazu beantworten zu koumlnnen Die Aufklaumlrung sollte sich an den persoumlnlichen Fragen und Beduumlrf-nissen der jeweiligen Frau orientieren Dabei sollten ihre Aumlngste in Bezug auf Brustkrebs und ihre Erwar-tungen an das Screening angesprochen werden Angesichts der allgemeinen Uumlberschaumltzung des Risikos an Brustkrebs zu sterben sowie des Nutzens des Screenings ist es sinnvoll dazu Zahlen zu nen-nen Auszligerdem sollten die Risiken des Screenings zumindest angesprochen und erklaumlrt werden

Die Entscheidung fuumlr oder gegen die Screening- Teilnahme ist oft nicht eindeutig und gtgt

Zeitraum in Jahren

verhinderte todesfaumllle

Uumlber- diagnosen

Falsch posi-tive Befunde

Davon op

kennzahlen weymayr 2010 20 5 5 250 50

uk panel marmot 2012 20 4 13 k A k A

cochrane Zentrum Goetzsche 2010 10 05 5 100 k A

euroscreen working Group paci 2012 20 9 4 200 30

Zahlen verschiedener Arbeitsgruppen zu Nutzen und risiken des mammographie-Screenings bezogen auf 1000 Frauen

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ohne Konflikte Ambivalenzen werden durch eine ausgewogene Aufklaumlrung zunaumlchst oft groumlszliger und manche Patientinnen wuumlnschen sich stattdessen eine eindeutige Empfehlung Bei diesen kann im Gespraumlch die persoumlnliche Bewertung von Nutzen und Risiken geklaumlrt und auf dieser Basis eine indivi-duelle Empfehlung ausgesprochen werden

Die Mehrzahl der in Deutschland vorhandenen Aufklaumlrungsbroschuumlren ist beim individuellen Abwaumlgen der Entscheidung wenig hilfreich Zwar enthalten fast alle inzwischen konkrete Zahlen zu Nutzen und Risiken Anregungen uumlber persoumlnliche Praumlferenzen nachzudenken enthaumllt jedoch nur die Broschuumlre des Nationalen Netzwerk Frauengesund-heit die bereits 2004 erstellt und 2011 in aktua-lisierter Fassung von der Barmer GEK neu aufgelegt wurde4

FazitBei allen Kontroversen uumlber Nutzen und Risiken des Mammographie-Screenings besteht Konsens dass durch das Screening die Erkrankungszahlen insgesamt steigen Es scheint dass uumlberwiegend Karzinome mit geringem Risiko gefunden werden waumlhrend aggressive Tumoren eher in den Zeitraumlu-men zwischen den Screening-Runden also auszliger-halb des Screenings entdeckt werden (so genannte Intervallkarzinome) und fortgeschrittene Karzi-nome nicht im erwarteten Maszlige abnehmen Durch das Screening wird zwar wahrscheinlich die Zahl der Krebstodesfaumllle reduziert allerdings in deutlich geringerem Maszlige als oft angenommen

Eine Aufklaumlrung die Nutzen und Risiken des Screenings klar und ausreichend thematisiert und Frauen bei einer persoumlnlichen Entscheidung unterstuumltzt ist nicht einfach Es besteht Bedarf an hochwertigen Entscheidungshilfen fuumlr Frauen International ist die Entwicklung entsprechender Materialien zur Unterstuumltzung von Patientenent-scheidungen in Bezug auf medizinische Interven-tionen Gegenstand von Forschung n

Endnoten 1 Als Carcinoma in situ wird ein Herd von Krebszellen bezeichnet der (noch) nicht in andere Gewebeschichten eingedrungen ist das heiszligt kein invasives Wachstum zeigt2 Fruumlherkennung von Brustkrebs Was Sie daruumlber wissen sollten Eine Zusammenarbeit der Kooperationsgemeinschaft Mammo-graphie des Deutschen Krebsforschungszentrums ndash Krebsinforma-tionsdienst und der Deutschen Krebshilfe wwwmammo- programmdecms_uploadfck-userfiesfileBroschuere_ MammoScreening_2009pdf3 Nordisches Cochrane Zentrum Screening fuumlr Brustkrebs mit Mammographie 2012 wwwcochranedkscreeningindex-dehtm4 Barmer GEK Brustkrebs-Fruumlherkennung Informationen zur Mammografie Eine Entscheidungshilfe 2011 wwwnationales-netzwerk-frauengesundheitdedownloadsBarmer-Brustkrebspdf

LiteraturAutier P Boniol M et al Breast cancer mortality in neighbouring European countries with different levels of screening but similar access to treatment Trend analysis of WHO mortality database BMJ 2011 343 d4411Bleyer A Welch HG Effect of three decades of screening mammo-graphy on breast-cancer incidence N Engl J Med 2012 367 1998-2005Gigerenzer G Mata J et al Public knowledge of benefits of breast and prostate cancer screening in Europe J Natl Cancer Inst 2009 101 1216-20Goetzsche P Nielsen M Screening for breast cancer with mammo-graphy (review) Cochrane Database of Systematic Reviews 2011 Issue 1 Art No CD001877Hersch J Jansen J et al Womenlsquos views on overdiagnosis in breast cancer screening A qualitative study BMJ 2013 346 f158Joslashrgensen KJ Goslashtzsche PC Overdiagnosis in publicly organised mammography screening programmes systematic review of incidence trends BMJ 2009 339 b2587Joslashrgensen K Zahl P et al Breast cancer mortality in organised mammography screening in Denmark Comparative study BMJ 2010 340 c1241Malek D Rabe P Kooperationsgemeinschaf Mammographie Evaluationsbericht 2008ndash2009 Ergebnisse des Mammographie-Screening-Programms in Deutschland 2012 wwwmammo- programmdecms_uploadfck-userfiesEvaluationsbericht_ 2008-2009_webpdfMarmot MG Altman DG et al The benefits and harms of breast cancer screening An independent review Lancet 2012 380 1778ndash1786Nielsen M Thomsen JL et al Breast cancer and atypia among young and middle-aged women A study of 110 medicolegal autopsies British Journal of Cancer 1987 56 814-9Omer ZB Hwang ES et al Impact of ductal carcinoma in situ terminology on patient treatment preferences JAMA 2013 173 1830-1831Paci E Euroscreen Work Group Summary of the evidence of breast cancer service screening outcomes in Europe and first estimate of the benefit and harm balance sheet Journal of Medical Screening 2012 19 Suppl 1 5-13Partridge A Adloff K et al Risk perceptions and psychosocial outcomes of women with ductal carcinoma in situ Longitudinal results from a cohort study J Natl Cancer Inst 2008 100 243-51Rasmussen K Joergensen KJ et al Citations of scientific results and conflicts of interest The case of mammography screening Evid Based Med 2013 18 83-9Wegwarth O Gigerenzer G Overdiagnosis and overtreatment Evaluation of what physicians tell their patients about screening

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harms JAMA Intern Med Published online 21 October 2013aWegwarth O Krebsfruumlherkennung und Risikokommunikation Therapeutische Umschau 2013b 70 245-50Wegwarth O Schwartz LM et al Do physicians understand cancer screening statistics A national survey of primary care physicians in the United States Ann Intern Med 2012 156 340-349Welch HG Frankel BF Likelihood that a woman with screen- detected breast cancer has had her bdquolife savedldquo by that screening Arch Intern Med 2011 171Weymayr C Kooperationsgemeinschaft Mammographie Kenn-zahlen Mammographie-Screening 2010 wwwkomendehtmlimgpool1kennzahlenmammographie-screeningdokumentationv12pdf

AKTuELLE INFoRMATIoN

Hormonale Kontrazeptiva ndash Aktuelle Bewertung des ThromboserisikosInes Thonke

Auf Anfrage von Frankreich hat die Europaumlische Arzneimittelagentur (EMA) 2013 das Risiko fuumlr das Auftreten venoumlser Thromboembolien (VTE) unter der Einnahme kombinierter hormonaler Kontrazep-tiva gepruumlft1 Bereits im Oktober kam das zustaumln-dige EMA-Gremium fuumlr Arzneimittelsicherheit und Risikoabschaumltzung zu dem Ergebnis dass bei der Anwendung von KOK zur Schwangerschafts-

verhuumltung die Vorteile gegenuumlber den Risiken uumlberwiegen (EMA 20131) Diese Bewertung wurde im November 2013 vom Ausschuss fuumlr Humanarz-neimittel der Europaumlischen Arzneimittelagentur (CHMP) bestaumltigt Das bekannte Risiko fuumlr VTE ist bei allen niedrig dosierten kombinierten Kont-razeptiva (mit einem Anteil von Ethinylestradiol lt 50 mcg) gering jedoch treten sie in Abhaumlngigkeit vom verwendeten Gestagen unterschiedlich haumlufig auf Nach aktueller Studienlage ist das VTE-Risiko bei den Praumlparaten mit Levonorgestrel Norethis-teron oder Norgestimat am niedrigsten (siehe Tabelle)

Die EMA weist auf die hohe Bedeutung der aumlrzt-lichen Beratung und Information von Patientin-nen uumlber moumlgliche Risiken hin Hierfuumlr muumlssen verstaumlndliche und aktuelle Informationen zur Verfuumlgung stehen und vermittelt werden Alle Frauen die mit KOK verhuumlten sollten auch daruumlber informiert werden dass sie kombinierte hormonale Kontrazeptiva nicht absetzen sollten die sie bisher ohne Komplikationen vertragen haben Dennoch sollten diese Frauen uumlber zusaumltzliche Risiken wie starkes Uumlbergewicht Immobilitaumlt oder Thrombo-embolien in der Familie sowie moumlgliche Anzeichen und Symptome von akuten Gefaumlszligverschluumlssen aufgeklaumlrt werden Es ist vorgesehen die Produkt-informationen fuumlr verschreibungspflichtige Kontra-zeptiva dahingehend zu ergaumlnzen Eine rechtsver-bindliche Entscheidung der Europaumlischen gtgt

risiko fuumlr ein venoumlses thromboembolisches ereignis (Vte) in einem Jahr

Frauen ohne kombinierte hormonale Verhuumltungsmethode die nicht schwanger sind

ca 2 von 10000 Frauen

mit kombinierten hormonalen kontrazeptiva die levonorgestrel Norethisteron oder Norgestimat enthalten

ca 5 bis 7 von 10000 Frauen

mit praumlparaten die etonogestrel oder Norelgestromin enthalten (pflaster und Vaginalring)

ca 6 bis 12 von 10000 Frauen

mit praumlparaten die Drospirenon Gestoden oder Desogestrel enthalten ca 9 bis 12 von 10000 Frauen

mit praumlparaten die chlormadinon Dienogest oder Nomegestrol enthalten risiko noch nicht bekannt Studien dazu werden aktuell durchgefuumlhrt

Es gibt keine Hinweise dass diese Risikounterschiede auch fuumlr arterielle Thromboembolien2 gelten

Vte-risiko in Abhaumlngigkeit des verwendeten Gestagens

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Kommission wird dazu in Kuumlrze erwartet Frauen sollen darin unterstuumltzt werden gemeinsam mit demder behandelnden ArztAumlrztin eine infor-mierte Entscheidung treffen zu koumlnnen welche Verhuumltungsmethode sie anwenden

Daten der BZgA zum Verhuumltungsverhalten zeigen dass nach wie vor die Mehrzahl der Frauen die Ver-huumltungsmittel anwendet etwa 53 Prozent mit der Pille verhuumltet (BZgA 2011) Die Anwendungszahlen veraumlndern sich allerdings mit dem Alter der Befrag-ten In der Altersgruppe der 18 bis 29 jaumlhrigen liegt der Anteil bei 72 Prozent von den 30 bis 39 Jaumlhri-gen Frauen nutzen 51 Prozent und von den 40 bis 49 Jaumlhrigen 34 Prozent die Pille

Der Arzneimittelreport der BARMER GEK 2011 der allerdings nur die zu Lasten der Krankenkasse (bei Frauen bis zum 20 Lebensjahr) verordneten Ver-huumltungsmittel erfasst zeigte auf dass unter den zwanzig haumlufigsten verordneten Kontrazeptiva (nach Packungsabsatz) analog der Verordnungsten-denz auf dem deutschen Gesamtmarkt vorwiegend Produkte mit neuartigen Gestagenen (Gestagene der sogenannten dritten und vierten Generation) rezeptiert wurden Trotz wiederholter Meldungen uumlber das houmlhere Risiko fuumlr VTE gegenuumlber aumllteren bewaumlhrten Praumlparaten gehoumlrten Produkte wie Lamunareg Aidareg und Yasminreg Yasminellereg zu den am haumlufigsten verordneten Kontrazeptiva Mit gro-szligem Abstand wurden die houmlchsten Umsaumltze mit dem Praumlparat Valettereg registriert das Dienogest enthaumllt ein Gestagen fuumlr das keine Daten zum VTE-Risiko vorliegen

Aktuelle Leitlinien der gynaumlkologischen Fachge-sellschaft zu dem Thema Empfaumlngnisverhuumltung gibt es in Deutschland nicht Die Entwicklung einer S3-Leitlinie wurde im Herbst 2013 angemeldet die Fertigstellung ist fuumlr Ende 2016 geplant3 Die Leit-linien der WHO geben allerdings keine Empfehlun-gen zu Verordnung hormonaler Kontrazeptive mit bestimmten Gestagenen (WHO 2009) n

Endnoten1 Frankreich hatte aufgrund thromboembolischer Zwischenfaumllle Pillen mit dem Gestagen Cyproteronacetat vom Markt genommen und eine Risikobewertung kombinierter hormonaler Kontrazeptiva mit unterschiedlichen Gestagen Komponenten angestoszligen2 Arterielle Thromboembolien koumlnnen zum Beispiel zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall fuumlhren3 AWMF onlinewwwawmforgleitliniendetailanmeldung 1ll015-015html

LiteraturBarmer GEK Arzneimittelreport 2011 wwwzesuni-bremendeuploadsGAZESse2011-022011_BARMER-GEK_Arzneimittel reportpdfBZgA Verhuumltungsverhalten Erwachsener Ergebnisse der Repraumlsen-tativbefragung 2011 wwwforschungsexualaufklaerungdefileadminfileadmin-forschungpdfBZGA-11-00988_Verhue_tungsverhalten_Erwachsener_DE_lowpdfEuropean Medicines Agency Combined hormonal contraceptives wwwemaeuropaeuemaindexjspcurl=pagesspecial_topicsgeneralgeneral_content_000581jspampmid= WC0b01 ac05806b6b24European Medicines Agency Benefits of combined hormonal con-traceptives (CHCs) continue to outweigh risksndashCHMP endorses PRAC recommendation 22 November 2013 EMA7091202013 wwwemaeuropaeudocsen_GBdocument_libraryPress_release201311WC500155455pdfWHO Medical eligibility criteria for contraceptive use 2009 4th Edition

AKTuELLE INFoRMATIoN

Pille danach Statements des ICECInes Thonke

Die oTC- Abgabe der Pille danachDas International Consortium for Emergency Contraception (ICEC) veroumlffentlichte im Dezem-ber ein Statement das sich mit Unterschieden im Zugang zur hormonellen Nachverhuumltung mit Levonor gestrel (LNG) befasst

Die bdquoOTCldquo oder bdquoover-the-counterldquo-Zugaumlnglichkeit bedeutet dass die Notfallverhuumltung aumlhnlich wie Kondome in Geschaumlften frei und ohne Kontakt zum Verkaufspersonal erhaumlltlich ist Dies stellt den

NR 1 I Februar 2014 I 11

Weg mit den geringsten Barrieren dar Auf diese Weise ist die Pille danach mit LNG laut ICEC unter anderem in Kanada Indien Bulgarien Daumlnemark Niederlande Norwegen Portugal Schweden Slowakei und Estland zugaumlnglich Seit August 2013 ist auch in den USA ein LNG-Praumlparat OTC zugelas-sen Bei der BTC bdquobehind-the-counterldquo- Abgabe ist das Medikament ohne Rezept aber nur auf aktive Nachfrage in einer Apotheke erhaumlltlich Dieser Weg besteht in 62 Laumlndern voraussichtlich ab Mai 2014 auch Deutschland Der dritte Abgabemodus ist die Abgabe nur mit Rezept Das ICEC kritisiert dass die Pille danach auf LNG Basis noch immer in vielen Laumlndern rezeptpflichtig ist obwohl dies aus medizinischer Sicht nicht noumltig ist und fuumlr viele Frauen eine unnoumltige und vermeidbare Huumlrde fuumlr die Anwendung bedeutet Das Statement fasst die wichtigsten Aspekte zur (Arzneimittel-) Sicherheit und Wirkungsweise auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Daten zusammen und wider-legt Argumente von erhoumlhtem Risikoverhalten und unzureichendem Verstaumlndnis der Anwendung bei Jugendlichen Hindernisse beim Zugang zur Pille danach sollten beseitigt werden damit Frauen sie bei Bedarf so fruumlh wie moumlglich nutzen koumlnnen Das Consortium betont den Faktor Zeit bei der Wirk-samkeit

Die Pille danach nach sexueller GewaltBereits im September 2013 publizierte das ICEC gemeinsam mit der Sexual Violence Research Initiative die Stellungnahme zur Bedeutung der Pille danach bei der Versorgung von Opfern sexu-eller Gewalt Nicht in allen Laumlndern gehoumlrt die hormonelle Nachverhuumltung zu den Standards der Gesundheitsversorgung nach Vergewaltigung Das Statement informiert uumlber die verfuumlgbaren Leit-linien der Weltgesundheitsorganisation WHO die Empfehlungen der Internationalen Gesellschaft fuumlr Geburtshilfe und Gynaumlkologie FIGO und der Vereinten Nationen Regierungen sollten sicherstel-len dass nationale Richtlinien zur Versorgung von Frauen nach sexueller Gewalt auch das Angebot der Pille danach beruumlcksichtigen Eine Verwei-gerung aus Gewissensgruumlnden sollte in diesen

Situationen ausschlossen werden Wird Frauen die Moumlglichkeit verwehrt eine ungewollte Schwanger-schaft zu verhindern verletzt dies ihre Menschen-rechte und kann zu schweren Beeintraumlchtigungen der koumlrperlichen und psychischen Gesundheit fuumlhren

LiteraturInternational Consortium for Emergency Contraception Over the counter access to emergency contraceptive pills Dez 2013 wwwcecinfoorgcustom-contentuploads201312ICEC_OTC_12-17-13pdfInternational Consortium for Emergency Contraception Sexual Violence Research Initiative EC for rape survivors- A Human Rights and Public Health Imperative Sept 2013 wwwcecinfoorg custom-contentuploads201310SexAssault_FactSheet-Revisedpdf

Eine Initiative der American Academy of Family Physicians (AAFP) mit dem Namen bdquoChoosing Wiselyldquo pruumlft in der taumlglichen Praxis gaumlngige medizinische Maszlignahmen auf wissenschaftliche Belege fuumlr ihren Nutzen Die Initiative verfolgt das Ziel bei der medizinischen Versorgung Risiken und Schaumlden durch nicht notwendige beziehungs-weise nicht sinnvolle Maszlignahmen zu vermeiden und Kosten zu reduzieren Die Ergebnisse wurden bisher in drei Listen mit Empfehlungen veroumlffent-licht Basis der Empfehlungen ist die relevante wissenschaftliche Literatur unter anderem Uumlbersichts artikel der Cochrane Library Datenbank Weitere Fachgesellschaften werden je gtgt

AKTuELLE INFoRMATIoN

Medizinische Maszlig-nahmen ohne Nutzen im Bereich der reproduktiven GesundheitInes Thonke

12 I NR 1 I Februar 2014

Impressum herausgeberpro familia BundesverbandStresemannallee 360596 Frankfurt am Main

redaktionHelga Seyler Frauenaumlrztin HamburgDr med Ines Thonke pro familia Bundesverband

E-Mail infoprofamiliadewwwprofamiliadePublikationen

Erscheinungsweise vierteljaumlhrlichcopy 2014 ISSN 2195-7789

Gefoumlrdert von der Bundeszentrale fuumlr gesundheitliche Aufklaumlrung (BZgA)

nach Fragestellung in die Erarbeitung der Empfeh-lungen eingebunden

In der dritten Choosing Wisely Liste wurde eine Empfehlung zur koumlrperlichen Untersuchung vor Verordnung von oralen Kontrazeptiva aufgenom-men Demnach ist eine gynaumlkologische bzw eine Brustuntersuchung als Basis fuumlr die Verordnung nicht notwendig es gibt keine Daten die den Nutzen belegen Sinnvoll ist eine Anamnese-erhebung zur Klaumlrung von medizinischen Risiken und die Messung des Blutdrucks Orale Kontrazep-tiva werden in den allermeisten Faumlllen gut vertra-gen sie sind sicher und wirksam Eine koumlrperliche Untersuchung traumlgt nicht zur Klaumlrung von Unver-traumlglichkeiten Risiken und Kontraindikationen bei

Auch ein Screening fuumlr Prostatakrebs mittels PSA-Test oder digitaler rektaler Untersuchung sollte nicht routinemaumlszligig erfolgen da gut belegt ist dass dies zu einer groszligen Anzahl von Uumlberdiagnosen fuumlhrt Viele Tumoren fuumlhren nicht zu Beschwerden die Risiken der Behandlung sind jedoch erheblich Die Untersuchungen sollte nur nach einer gemein-samen Entscheidung von Patient und Arzt durch-gefuumlhrt werden

Die vorangegangenen Listen enthalten weitere Empfehlung fuumlr den Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit So soll bei Frauen unter 21 Jahren kein Screening mit Pap-Test durchgefuumlhrt werden desgleichen bei Frauen uumlber 65 Jahren bei denen regelmaumlszligig durchgefuumlhrte Abstrichen bis dahin unauffaumlllig waren Auch bei Frauen nach

einer Hysterektomie sollte kein Pap-Test durchge-fuumlhrt werden auszliger wenn die Hysterektomie auf-grund der Diagnose Karzinom oder Krebsvorstufe erfolgte Da ein Zervixkarzinom in allen genannten Gruppen sehr selten ist uumlberwiegen die Risiken des Screenings (falsch positive Befunde) gegenuumlber dem Nutzen

Bei Frauen unter 30 Jahren sollte kein HPV-Test zum Screening auf Zervixkarzinom durchgefuumlhrt wer-den da die Rate an HPV-Infektionen bei Frauen in diesem Alter hoch ist und die groszlige Mehrzahl der Infektionen ohne Folgen ausheilt

Auch in Deutschland gibt es Diskussionen daruumlber eine solche Initiative mit dem Titel bdquoGemeinsam klug entscheidenldquo ins Leben zu rufen Das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin ein interdis-ziplinaumlrer Zusammenschluss von AumlrztInnen und WissenschaftlerInnen hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet die uumlber geeignete Methoden zur Ent-wicklung entsprechender Empfehlungen beraten soll Anders als in den USA sollen die Listen hier auch mit Beteiligung von PatientInnen entwickelt werden Auf der Internetseite des Netzwerks finden sich weitere Informationen dazu

Literatur American Academy of Family Physicians Fifteen Things Physicians and Patients Should Question wwwchoosingwiselyorg wp-contentuploads201302Choosing-Wisely-Master-Listpdf

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin Eine Choosing Wisely Initiative fuumlr Deutschland Pressemitteilung 2252013 wwwebm-netzwerkdepdfstellungnahmenpm-dnebm-choo-sing-wisely-initiativepdf

Page 2: Mammographie- Screening. Kontroverse über Nutzen und Risiken · N R. 1 I Februar 2014 I 3 men zu Beginn des Screenings durch die frühere Diagnosestellung, die beim Screening angestrebt

2 I NR 1 I Februar 2014

Faktoren zur Definition von Nutzen und RisikenDie Verringerung der Zahl von Todesfaumlllen durch Brustkrebs gilt als zentrales Ziel des Screenings Daneben soll die Diagnose in einem fruumlhen Stadium gestellt werden und eine schonendere Behandlung ermoumlglichen Als wesentliches Risiko des Screenings wird die Uumlberdiagnose von Brust-krebs mit dem Schaden von eigentlich nicht not-wendigen Krebsbehandlungen angesehen auszliger-dem falsch positive Befunde die mit psychischer Belastung zusaumltzlichen Untersuchungen oder operativen Eingriffen verbunden sind

Im Folgenden werden die einzelnen Faktoren erlaumlutert sowie vorhandenen Daten dargestellt Einen Schwerpunkt bildet die Datenlage zu Uumlber-diagnosen da dieses Phaumlnomen in den letzten Jahren verstaumlrkt untersucht und in der Fachwelt

diskutiert wird Der Beitrag geht auszligerdem auf die Aufklaumlrung und Beratung von Adressatinnen des Screenings ein

UumlberdiagnoseDie Uumlberdiagnose gilt als schwerwiegendster Schaden von Fruumlherkennungsprogrammen Der Begriff bezeichnet die Diagnose eines Karzinoms das ohne das Screening zu Lebzeiten desder Betroffenen nicht gefunden worden waumlre und keine Beschwerden gemacht haumltte Dass es solche Tumoren sowohl beim Brustkrebs als auch bei anderen Karzinomen gibt ist seit langem bekannt Zum Beispiel fand sich bei Autopsien von Frauen im Alter von 20 bis 54 Jahren die nicht an einer Krebserkrankung gestorben sind bei 2 Prozent ein invasives Karzinom und bei weiteren 18 Pro-zent ein Carcinoma in situ1 in einer oder beiden Bruumlsten (Nielsen 1987) In der Altersgruppe von 40 bis 54 Jahren hatten 37 Prozent der Frauen ein invasives oder In-situ-Karzinom Auch beim Prosta-takarzinom ist inzwischen bekannt dass sich viele Krebstumoren nicht weiter entwickeln Wenn beim Screening ein Karzinom entdeckt wird kann jedoch die weitere Entwicklung nicht sicher eingeschaumltzt werden Es gibt also keine Moumlglichkeit festzustel-len ob es sich im einzelnen Fall um eine Uumlberdiag-nose handelt Daher wird in jedem Fall die uumlbliche Behandlung mit Operation und gegebenenfalls Chemotherapie sowie Bestrahlung durchgefuumlhrt

Wie viele der beim Screening entdeckten Karzi-nome solche Uumlberdiagnosen sind kann nicht direkt ermittelt werden Hierfuumlr waumlre es notwendig eine Gruppe von Frauen mit beim Screening diagnos-tizierten Karzinomen ohne weitere Behandlung zu beobachten ndash ein ethisch nicht vertretbares Vorgehen

Somit kann die Rate an Uumlberdiagnosen nur aus indirekten Hinweisen errechnet werden Dazu gehoumlrt die um etwa ein Drittel houmlhere Zahl an Brustkrebserkrankungen bei Frauen die am Scree-ning teilnehmen gegenuumlber einer Vergleichsgruppe ohne Screening Zu erwarten ist dieses Phaumlno-

Bei einem organisierten Screening sind die Ablaumlu-fe genau definiert Das betrifft die Zielgruppe (beim Mammographie-Screening in Deutschland sind das Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren) und die Abstaumlnde der Untersuchungen (2 Jahre) Die Zielgruppe wird von einer zentralen Stelle schriftlich zum Screening eingeladen Festgelegt sind auch die Ablaumlufe bei der Auswertung der Mammographien und bei der Abklaumlrung auf-faumllliger Befunden Alle Daten werden zentral erfasst und ausgewertet es gibt Richtlinien zur Qualitaumltssicherung

In Abgrenzung zum organisierten Screening wird von einem opportunistischen oder bdquograuenldquo Screening gesprochen wenn Personen aufgrund eigener Entscheidung oder einer aumlrztlichen Empfehlung an einer Fruumlherkennungsunter-suchung teilnehmen fuumlr die es kein festgelegtes Vorgehen fuumlr Qualitaumltssicherung Monitoring und Evaluation gibt Vor der Einfuumlhrung des organisierten Screenings wurden Mammo-graphien zur Brustkrebs-Fruumlherkennung in diesem Rahmen durchgefuumlhrt

NR 1 I Februar 2014 I 3

men zu Beginn des Screenings durch die fruumlhere Diagnosestellung die beim Screening angestrebt wird Studien zeigen aber dass auch nach vielen Jahren selbst nach dem Ende des Screenings die Zahl der Erkrankungen in der gescreenten Gruppe houmlher bleibt als in der Gruppe ohne Screening Auszligerdem nimmt die Zahl von Tumoren die erst in fortgeschrittenem Stadium entdeckt werden in der gescreenten Gruppe nicht im gleichen Maszlige ab wie die Zahl der Karzinome im Fruumlhstadium zunimmt

Alle Schaumltzungen zur Haumlufigkeit von Uumlberdia-gnosen sind wegen der indirekten Berechnung mit groszligen Unsicherheiten behaftet und fallen dementsprechend unterschiedlich aus Auszligerdem kann die Rate mit verschiedenen Bezugsgroumlszligen angegeben werden Meist wird die Zahl der Uumlber-diagnosen als Anteil an allen Burstkrebsdiagnosen angegeben Da jedoch nur etwa 60 bis 70 Prozent der eingeladenen Frauen am Screening teilnehmen und nicht alle Karzinome beim Screening entdeckt werden ist der Anteil von Uumlberdiagnosen bezogen auf beim Screening entdeckte Karzinome deutlich houmlher

In einer Veroumlffentlichung die sich mit den Auswir-kungen von 30 Jahren Mammographie-Screening in den USA befasst wird aus dem groszligen Anstieg der Erkrankungszahlen in fruumlhen Krebsstadien und dem sehr geringen Ruumlckgang spaumlter Stadien der Anteil von Uumlberdiagnosen auf 31 Prozent aller Brust-krebsdiagnosen geschaumltzt (Bleyer 2012) Aus Daten zur Entwicklung und zum Verlauf der Erkrankungs-zahlen in verschiedenen europaumlischen Laumlndern vor und nach der Einfuumlhrung des Screenings berechnet eine Arbeitsgruppe den Anteil von Uumlberdiagnosen sogar auf 46 bis 58 Prozent (Joslashrgensen 2009)

Zu einem Ergebnis von etwa 30 Prozent Uumlberdia-gnosen kommt eine Arbeitsgruppe der Cochrane-Collaboration bei der Auswertung der vorhandenen randomisierten Studien zum Mammographie-Screening (Goetzsche 2011) In absoluten Zah-len berechnet die Arbeitsgruppe dass eine von

200 Frauen die 10 Jahre lang am Mammographie-Screening teilnehmen mit der Diagnose von Brust-krebs konfrontiert wird von der sie ohne das Scree-ning nicht behelligt worden waumlre

Groszligbritannien reagierte auf die kontroverse Diskussion und berief eine Expertenkommission (Independent UK Panel on Breast Cancer Scree-ning) um Nutzen und Risiken des Mammographie-Screenings zu ermitteln (Marmot 2012) Diese schaumltzte aufgrund der vorhandenen Daten den Anteil von Uumlberdiagnosen deutlich niedriger auf 11 Prozent der Brustkrebsdiagnosen bezogen auf alle zum Screening eingeladenen Frauen Im Verlauf von 20 Jahren betraumlfe das 13 von 1000 Frauen

Am niedrigsten wird die Rate von Uumlberdiagnosen mit 65 Prozent von der Euroscreen Working Group geschaumltzt die dafuumlr Daten aus den Screening-Programmen verschiedener Europaumlischer Laumlnder ausgewertet hat (Paci 2012)

Die Bedeutung von In-situ-KarzinomenEin Diskussionsstrang zum Umgang mit Uumlberdia-gnosen befasst sich mit der Frage wie Karzinome mit geringer Malignitaumlt erkannt und entsprechend weniger aggressiv behandelt werden koumlnnen Eine besondere und quantitativ relevante Bedeutung dabei hat das Ductale carcinoma in situ (DCIS) Ein groszliger Teil der beim Screening entdeckten Karzi-nome etwa 20 Prozent sind naumlmlich solche Krebs-vorstufen waumlhrend bei auszligerhalb des Screenings diagnostizierten Tumoren nur 5 Prozent einem DCIS entsprechen Das weist darauf hin dass DCIS wahr-scheinlich einen groszligen Anteil der Uumlberdiagnosen darstellen Daruumlber hinaus gibt es jedoch zahlreiche Belege dass auch invasive Karzinome uumlberdiagnos-tiziert werden Derzeit werden DCIS aumlhnlich radikal behandelt wie invasive Karzinome Haumlufig wird die Brust komplett entfernt bei brusterhaltender The-rapie wird oft eine Nachbestrahlung durchgefuumlhrt Es wird diskutiert ob diese Krebsvorstufen in der Regel nur durch Entfernung des Tumors behandelt werden koumlnnen oder ob in einigen Faumlllen sogar eine Beobachtung ohne Therapie moumlglich ist gtgt

4 I NR 1 I Februar 2014

Allerdings spielen bei der Therapieentscheidung auch die Aumlngste der betroffenen Frauen eine Rolle die bei der Diagnose eines DCIS oft kaum geringer sind als bei einem invasiven Karzinoms (Partridge 2008) Daher fuumlhlen sich die Frauen in der Regel mit einer wenig eingreifenden Therapie oder aus-schlieszliglicher Beobachtung nicht sicher genug Um bei diesen Frauen die Aumlngste zu mindern und die Akzeptanz einer dem Risiko angemessene Therapie zu foumlrdern plaumldieren einige ExpertInnen dafuumlr die Terminologie zu aumlndern und das DCIS deutlicher als Krebsvorstufe zu bezeichnen (Omer 2013)

Falsch positive BefundeEin anderes Risiko des Mammographie-Screenings stellen falsch positiven Befunde dar Damit werden verdaumlchtige Befunde bezeichnet die durch weitere Untersuchungen oder durch eine operative Gewe-beentfernung abgeklaumlrt werden muumlssen sich dann aber als gutartige Veraumlnderungen erweisen Im Gegensatz zur Rate an Uumlberdiagnosen kann dieser Anteil direkt ermittelt werden In der Auswertung des Screenings in Deutschland wurden bei der ersten Screening-Untersuchung gut 6 Prozent der Frauen zu einer weiteren Untersuchung wieder einbestellt bei 08 Prozent dieser Frauen wurde tatsaumlchlich Brustkrebs festgestellt (Malek 2012) Bei Frauen die wiederholt am Screening teilnah-men lag der Anteil der Folgeuntersuchungen bei 3 Prozent und bei knapp 06 Prozent wurde Brust-krebs diagnostiziert Damit liegt die Rate an falsch positiven Befunden bei der ersten Screeningrunde bei gut 5 Prozent bei folgenden Runden bei etwa 25 Prozent

Diese Zahlen entsprechen den Daten aus anderen Laumlndern Bei der Auswertung vorhandener Daten ermittelte die britische Expertenkommission dass pro Screening-Runde etwa 4 Prozent der Frauen zu einer weiteren Abklaumlrung einbestellt werden Bei 08 Prozent wird ein Karzinom gefunden bei 22 Prozent der Frauen kann der Krebsverdacht durch weitere bildgebende Untersuchungen entkraumlftet werden bei 1 Prozent muss dafuumlr ein operativer Eingriff erfolgen (Marmot 2012) Im

Verlauf von 20 Jahren werden etwa 20 Prozent der Screening-Teilnehmerinnen mit einem falsch posi-tiven Befund konfrontiert 3 Prozent davon muumlssen operativ abgeklaumlrt werden (Paci 2012)

Laumlngere Lebenszeit in Kenntnis der Brustkrebs-DiagnoseFruumlher ist nicht in jedem Fall besser Als weiterer Nachteil des Screenings wird beschrieben dass bei einigen Frauen der Brustkrebs trotz der fruumlheren Diagnose nicht heilbar ist Das bedeutet dass diese Frauen laumlnger mit der Krankheit und den dadurch bedingten koumlrperlichen und psychischen Belas-tungen leben muumlssen dann aber trotzdem daran sterben Daten dazu gibt es nicht

Vermeidung von Todesfaumlllen an BrustkrebsDer wesentliche angestrebte Nutzen des Mammo-graphie-Screenings ist die houmlhere Heilungsrate und Verringerung der Zahl von Todesfaumlllen an Brust-krebs Die Senkung der Brustkrebs-Sterblichkeit durch das Screening ist in vielen Studien belegt Allerdings wird die Zahl der Brustkrebs-Todesfaumllle auch durch Fortschritte bei der Behandlung beein-flusst Inzwischen schaumltzen einige ExpertInnen dass bessere Behandlungsmoumlglichkeiten mehr zur Senkung der Sterblichkeit beitragen als das Scree-ning Diese Einschaumltzung stuumltzt sich auf Studien die eine Reduktion der Sterblichkeit auch bei Frauen ohne Screening zeigen zum Beispiel bei juumlngeren Frauen denen kein Screening angeboten wird (Bleyer 2012) oder Frauen die in Regionen ohne Screening leben (Autier 2011 Joslashrgensen 2010)

Kontroversen gibt es auch um die Zahl der durch das Screening vermiedenen Todesfaumllle Trotz zahlreicher Studien dazu liegen die Schaumltzungen aufgrund unterschiedlicher Ergebnisse und vieler potentiell verzerrender Faktoren weit ausein-ander Die meisten der randomisierten Studien sind 20 bis 30 Jahre alt und beruumlcksichtigen nicht die verbesserten Techniken der Mammographie Aktuellere Studien sind jedoch Beobachtungs-studien mit entsprechend groumlszligerem Potential von Verfaumllschungen

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Die Arbeitsgruppe der Cochrane Collaboration ermittelt bei der Auswertung der vorhandenen randomisierten Studien eine Reduktion der Sterb-lichkeit um 15 Prozent In absoluten Zahlen bedeu-tet das eine Verringerung um 005 Prozent das heiszligt durch das Screening wird bei 2000 Frauen ein Brustkrebs-Todesfall vermieden (Goetzsche 2011) Dabei fand sich in Studien von hoher metho-discher Qualitaumlt keine Reduktion der Sterblichkeit in Studien mit moumlglichen Verzerrungen der Ergeb-nisse eine Reduktion um 25 Prozent

Die britische Expertenkommission berechnete die Reduktion der Sterblichkeit auf 20 Prozent (Marmot 2012) Das entspricht der Vermeidung eines Todes-falls an Brustkrebs bei 180 gescreenten Frauen oder 43 Faumlllen bei 10 000 Frauen

Bei der Auswertung von US-amerikanischen Daten zu Brustkrebs-Erkrankungsraten und Todesfaumlllen der letzten 30 Jahre kommen die AutorInnen zu dem Schluss dass die beobachtete Reduktion der Sterblichkeit ausschlieszliglich der besseren Behand-lung zuzuschreiben ist waumlhrend das Screening keinen Einfluss darauf hat (Bleyer 2012)

Die Euroscreen Working Group die die Screening-Programme der EU-Laumlnder evaluiert kommt zu anderen Ergebnissen Sie ermittelt eine Reduktion der Brustkrebstodesfaumllle bei Screening-Teilneh-merinnen um 38 bis 48 Prozent (Paci 2012) Diese Daten stammen jedoch aus Fall-Kontrollstudien und bevoumllkerungsbezogenen Studien bei denen es schwierig ist die Effekte einer besseren Behand-lung von Screening Effekten zu trennen

Schonende Behandlung durch fruumlhzeitige EntdeckungWird ein Karzinom fruumlher entdeckt ist haumlufig eine weniger eingreifende Behandlung moumlglich So kann moumlglicherweise eine Entfernung der Brust die Entfernung von Lymphknoten oder eine Chemothe-rapie vermieden werden Dies kann neben der Ver-meidung von Todesfaumlllen als Nutzen des Screening bewertet werden Daten dazu gibt es jedoch nicht

Abwaumlgung von Nutzens und RisikenDie hier vorgestellten Daten machen deutlich dass zuverlaumlssige Angaben zur Groumlszligenordnung der ver-schiedenen Faktoren kaum moumlglich sind Noch schwieriger ist es Nutzen und Risiken gegeneinan-der abzuwaumlgen und aufzurechnen Dabei spielt die persoumlnliche Bewertung und Gewichtung der einzel-nen Faktoren eine entscheidende Rolle Wie schwer wiegt ein Fall von Uumlberdiagnose mit der Folge einer Operation und eventueller Bestrahlung und Che-motherapie sowie der psychischen Belastung eines Lebens mit der Diagnose Brustkrebs im Vergleich zu einem verhinderten Todesfall Wie belastend ist ein falsch positiver Befund mit der Angst vor dem Ergebnis weiterer Untersuchungen oder eines operativen Eingriffs im Vergleich zu einer weniger eingreifenden Behandlung durch fruumlhe Diagnose-stellung zum Beispiel die Vermeidung einer Lymph-knotenentfernung oder Chemotherapie

Waumlhrend einige ExpertInnen bereits diskutieren das Mammographie-Screening aufgrund enttaumlu-schender Ergebnisse auszusetzen liegt jedoch der Schwerpunkt der Diskussionen darauf wie die potentiellen Nutzerinnen durch Aufklaumlrung in die Lage versetzt werden koumlnnen eine individuelle Entscheidung zu treffen

Aufklaumlrung als EntscheidungsgrundlageStudien zur Einschaumltzung des Mammographie- Nutzens belegen dass potentielle Nutzerinnen bisher sehr wenig uumlber moumlgliche Risiken von Fruumlherkennungsuntersuchungen wissen und den Nutzen bei weitem uumlberschaumltzen So ergab zum Beispiel eine Befragung in europaumlischen Laumlndern dass uumlber 90 Prozent der Frauen die Verringerung der Sterblichkeit durch das Mammographie-Scree-ning um mindestens das Zehnfache uumlberschaumlt-zen (Gigerenzer 2009) In Deutschland schaumltzten 65 Prozent der befragten Frauen dass durch das Screening mindestens 10 Brustkrebstodesfaumllle bei 1000 Frauen verhindert wuumlrden 30 Prozent schaumltz-ten die Reduktion der Sterblichkeit sogar auf mehr als 100 bei 1000 Frauen Befragte die angaben AumlrztInnen und Informationsbroschuumlren als gtgt

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Wissensquelle zu nutzen waren eher schlechter informiert

Die Moumlglichkeit von Uumlberdiagnosen ist so gut wie gar nicht bekannt In einer Studie in den USA wur-den 317 Maumlnner und Frauen mit einem online- Fragebogen befragt ob sie von ihren AumlrztInnen da ruumlber aufgeklaumlrt wurden und welchen Einfluss die Tatsache auf ihre Entscheidung zur Teilnahme am Screening haben koumlnnte (Wegwarth 2013a) Weniger als 10 Prozent der TeilnehmerInnen gaben an von ihren AumlrztInnen uumlber Uumlberdiagnosen infor-miert worden zu sein und nur 3 Prozent hatten kon-krete Zahlen dazu genannt bekommen Jedoch wuumlnschen sich 80 Prozent von ihren AumlrztInnen uumlber diesen Sachverhalt aufgeklaumlrt zu werden Nachdem die Befragten uumlber die Bedeutung von Uumlberdiagnosen informiert worden waren erklaumlrte die Haumllfte der TeilnehmerInnen sie wuumlrde nicht an einem Screening teilnehmen bei dem mehr als eine Uumlberdiagnose pro vermiedenem Todesfall auftraumlte Bei 10 Uumlberdiagnosen pro vermiedenen Todesfall waren es 70 Prozent Wenn sie bereits regelmaumlszligig an einer Fruumlherkennungsuntersuchung teilnahmen wuumlrde jedoch die Mehrzahl bis zu 10 Uumlberdiagno-sen pro vermiedenem Todesfall akzeptieren

In einer weiteren Studie wurden 50 Frauen in Aus-tralien zunaumlchst ausfuumlhrlich uumlber die Moumlglichkeit von Uumlberdiagnosen beim Mammographie-Scree-nings informiert und nachfolgend wurde in Grup-pen daruumlber diskutieren wie sie dies bewerten und welche Groumlszligenordnung von Uumlberdiagnosen fuumlr sie persoumlnlich akzeptabel waumlre (Hersch 2013) Auch diese Frauen wussten nichts von der Moumlglichkeit von Uumlberdiagnosen und waren sehr uumlberrascht daruumlber Die Diskussionen zeigen wie schwierig es fuumlr sie war die Bedeutung und Konsequenzen zu begreifen Ihre Bewertung fiel dementsprechend sehr unterschiedlich aus Die meisten fanden Raten an Uumlberdiagnosen zwischen 10 und 30 Prozent akzeptabel und wuumlrden trotzdem am Screening teil-nehmen Erst bei einer Rate von 50 Prozent sahen sie die Notwendigkeit die Entscheidung zur Teilnahme abzuwaumlgen Einige Frauen wollten nicht uumlber moumlg-

liche Uumlberdiagnosen informiert werden sie wollten einfach weiter zur Teilnahme am Screening ermu-tigt werden Die Mehrzahl der Frauen hielt jedoch eine vollstaumlndige Aufklaumlrung fuumlr notwendig

Die mangelnde Aufklaumlrung der Frauen ist ange-sichts des durch Studien belegten geringen Wis-sensstands von AumlrztInnen nicht uumlberraschend Nur 34 Prozent der US-Amerikanischen AllgemeinaumlrztIn-nen konnten korrekte Angaben zur Groumlszligenordnung von Uumlberdiagnosen beim Mammographie-Scree-ning machen (Wegwarth 2012) Auch deutsche GynaumlkologInnen konnten meist keine adaumlquaten Informationen zu Nutzen und Risiken des Mam-mographie-Screenings geben Uumlberdiagnosen erwaumlhnten sie in der Befragung gar nicht (Weg-warth 2013b) Aber auch andere Faktoren tragen zur luumlckenhaften Aufklaumlrung der Nutzerinnen bei Die Screening-Programme verfolgen das erklaumlrte Ziel moumlglichst viele Frauen zur Teilnahme zu motivie-ren Dementsprechend werden auch die Informati-onen dazu gestaltet Uumlber die Aufklaumlrungsbroschuuml-ren hinaus gibt es Anzeigenkampagnen die Frauen fuumlr das Screening gewinnen sollen

Das Ziel der Motivation zur Teilnahme vertraumlgt sich nicht mit einer Aufklaumlrung die eine Grundlage fuumlr eine abgewogene Entscheidung bieten soll Die Studie von Hersch belegt deutlich wie verwirrend es fuumlr die Diskussionsteilnehmerinnen war sich ploumltzlich auch mit moumlglichen Risiken des Scree-nings auseinanderzusetzen waumlhrend sie bisher durch zahlreiche Kampagnen zur Teilnahme moti-viert wurden in denen das Screening ausschlieszliglich positiv dargestellt wurde (Hersch 2013) Auszligerdem wurde deutlich wie sehr durch die Kampagnen die Angst vor Brustkrebs geschuumlrt wird um zur Teilnahme zu motivieren Die Diskussion zeigte dass viele Frauen das Screening brauchten um Sicherheit zu bekommen dass bei ihnen bdquoalles in Ordnungldquo ist

Daten und Zahlen fuumlr die AufklaumlrungAngesichts der verwirrenden Daten komplexen Fakten und der kontroversen Fachdiskussion ist

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eine verstaumlndliche und an den Fragen der Nutze-rinnen orientierte Aufklaumlrung nicht einfach Als Grundlage dafuumlr haben verschiedene ExpertInnen-gruppen Zahlen zu Nutzen und Risiken in Uumlbersich-ten zusammengefasst Diese fallen unterschiedlich aus da sie sich auf unterschiedliche Daten und Zeitraumlume stuumltzen

In Deutschland haben sich ExpertInnen aus meh-reren Fachbereichen auf sogenannte Kennzahlen verstaumlndigt die in der Aufklaumlrungsbroschuumlre zum organisierten Screening2 genannt werden (Wey-mayr 2010) Sie beziehen sich auf 200 Frauen und den Zeitraum von 20 Jahren Entsprechend dieser Kennzahlen wird bei 13 der 200 Frauen Brustkrebs festgestellt davon bei 10 Frauen durch das Scree-ning bei 3 Frauen im Zeitraum zwischen zwei Screening-Untersuchungen Drei dieser Frauen sterben an Brustkrebs Bei einer der Frauen kann ein Todesfall verhindert werden eine weitere Frau haumltte ohne das Screening nichts von ihrem Brust-krebs erfahren 50 Frauen werden mit einem falsch positiven Ergebnis belastet das bei 10 dieser Frauen durch eine Operation abgeklaumlrt werden muss

Die Zahlen des Independent UK Panel on Breast Cancer Screening beziehen sich auf 10 000 Frauen und einen Zeitraum von 20 Jahren (Marmot 2012) Bei diesen Frauen werden 681 Faumllle von Brustkrebs diagnostiziert 43 Todesfaumllle an Brustkrebs werden verhindert dagegen haumltten 129 Frauen ohne Scree-ning keine Brustkrebsdiagnose bekommen

Die Arbeitsgruppe der Cochrane Collaboration hat eine auch ins Deutsche uumlbersetzte Broschuumlre

erstellt3 (Nordisches Cochrane Zentrum 2012) Die Angaben beziehen sich auf 2000 Frauen und 10 Jahre Screening-Teilnahme Bei diesen 2000 Frauen wird ein Todesfall vermieden Zehn Frauen erhalten eine Brustkrebsdiagnose die sie ohne Screening nicht bekommen haumltten Bei 200 der Frauen wird ein falsch positiver Befund erhoben

Die Berechnungen der Euroscreen Working Group die sich auf 1000 Frauen und einen Zeitraum von 20 Jahren beziehen sehen so aus Bei neun Frauen kann ein Todesfall an Brustkrebs verhindert werden vier erhalten eine Uumlberdiagnose 200 erhalten ein falsch positives Ergebnis das bei 30 dieser Frauen durch eine Operation abgeklaumlrt werden muss (Paci 2012) Siehe Tabelle

Fuumlr manche Frauen moumlgen diese Zahlen hilfreich sein fuumlr andere sind sie eher verwirrend und wenig nuumltzlich fuumlr die Entscheidungsfindung Sie sollten aber auf jeden Fall den AumlrztInnen bekannt sein die uumlber das Screening aufklaumlren um individuelle Fra-gen dazu beantworten zu koumlnnen Die Aufklaumlrung sollte sich an den persoumlnlichen Fragen und Beduumlrf-nissen der jeweiligen Frau orientieren Dabei sollten ihre Aumlngste in Bezug auf Brustkrebs und ihre Erwar-tungen an das Screening angesprochen werden Angesichts der allgemeinen Uumlberschaumltzung des Risikos an Brustkrebs zu sterben sowie des Nutzens des Screenings ist es sinnvoll dazu Zahlen zu nen-nen Auszligerdem sollten die Risiken des Screenings zumindest angesprochen und erklaumlrt werden

Die Entscheidung fuumlr oder gegen die Screening- Teilnahme ist oft nicht eindeutig und gtgt

Zeitraum in Jahren

verhinderte todesfaumllle

Uumlber- diagnosen

Falsch posi-tive Befunde

Davon op

kennzahlen weymayr 2010 20 5 5 250 50

uk panel marmot 2012 20 4 13 k A k A

cochrane Zentrum Goetzsche 2010 10 05 5 100 k A

euroscreen working Group paci 2012 20 9 4 200 30

Zahlen verschiedener Arbeitsgruppen zu Nutzen und risiken des mammographie-Screenings bezogen auf 1000 Frauen

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ohne Konflikte Ambivalenzen werden durch eine ausgewogene Aufklaumlrung zunaumlchst oft groumlszliger und manche Patientinnen wuumlnschen sich stattdessen eine eindeutige Empfehlung Bei diesen kann im Gespraumlch die persoumlnliche Bewertung von Nutzen und Risiken geklaumlrt und auf dieser Basis eine indivi-duelle Empfehlung ausgesprochen werden

Die Mehrzahl der in Deutschland vorhandenen Aufklaumlrungsbroschuumlren ist beim individuellen Abwaumlgen der Entscheidung wenig hilfreich Zwar enthalten fast alle inzwischen konkrete Zahlen zu Nutzen und Risiken Anregungen uumlber persoumlnliche Praumlferenzen nachzudenken enthaumllt jedoch nur die Broschuumlre des Nationalen Netzwerk Frauengesund-heit die bereits 2004 erstellt und 2011 in aktua-lisierter Fassung von der Barmer GEK neu aufgelegt wurde4

FazitBei allen Kontroversen uumlber Nutzen und Risiken des Mammographie-Screenings besteht Konsens dass durch das Screening die Erkrankungszahlen insgesamt steigen Es scheint dass uumlberwiegend Karzinome mit geringem Risiko gefunden werden waumlhrend aggressive Tumoren eher in den Zeitraumlu-men zwischen den Screening-Runden also auszliger-halb des Screenings entdeckt werden (so genannte Intervallkarzinome) und fortgeschrittene Karzi-nome nicht im erwarteten Maszlige abnehmen Durch das Screening wird zwar wahrscheinlich die Zahl der Krebstodesfaumllle reduziert allerdings in deutlich geringerem Maszlige als oft angenommen

Eine Aufklaumlrung die Nutzen und Risiken des Screenings klar und ausreichend thematisiert und Frauen bei einer persoumlnlichen Entscheidung unterstuumltzt ist nicht einfach Es besteht Bedarf an hochwertigen Entscheidungshilfen fuumlr Frauen International ist die Entwicklung entsprechender Materialien zur Unterstuumltzung von Patientenent-scheidungen in Bezug auf medizinische Interven-tionen Gegenstand von Forschung n

Endnoten 1 Als Carcinoma in situ wird ein Herd von Krebszellen bezeichnet der (noch) nicht in andere Gewebeschichten eingedrungen ist das heiszligt kein invasives Wachstum zeigt2 Fruumlherkennung von Brustkrebs Was Sie daruumlber wissen sollten Eine Zusammenarbeit der Kooperationsgemeinschaft Mammo-graphie des Deutschen Krebsforschungszentrums ndash Krebsinforma-tionsdienst und der Deutschen Krebshilfe wwwmammo- programmdecms_uploadfck-userfiesfileBroschuere_ MammoScreening_2009pdf3 Nordisches Cochrane Zentrum Screening fuumlr Brustkrebs mit Mammographie 2012 wwwcochranedkscreeningindex-dehtm4 Barmer GEK Brustkrebs-Fruumlherkennung Informationen zur Mammografie Eine Entscheidungshilfe 2011 wwwnationales-netzwerk-frauengesundheitdedownloadsBarmer-Brustkrebspdf

LiteraturAutier P Boniol M et al Breast cancer mortality in neighbouring European countries with different levels of screening but similar access to treatment Trend analysis of WHO mortality database BMJ 2011 343 d4411Bleyer A Welch HG Effect of three decades of screening mammo-graphy on breast-cancer incidence N Engl J Med 2012 367 1998-2005Gigerenzer G Mata J et al Public knowledge of benefits of breast and prostate cancer screening in Europe J Natl Cancer Inst 2009 101 1216-20Goetzsche P Nielsen M Screening for breast cancer with mammo-graphy (review) Cochrane Database of Systematic Reviews 2011 Issue 1 Art No CD001877Hersch J Jansen J et al Womenlsquos views on overdiagnosis in breast cancer screening A qualitative study BMJ 2013 346 f158Joslashrgensen KJ Goslashtzsche PC Overdiagnosis in publicly organised mammography screening programmes systematic review of incidence trends BMJ 2009 339 b2587Joslashrgensen K Zahl P et al Breast cancer mortality in organised mammography screening in Denmark Comparative study BMJ 2010 340 c1241Malek D Rabe P Kooperationsgemeinschaf Mammographie Evaluationsbericht 2008ndash2009 Ergebnisse des Mammographie-Screening-Programms in Deutschland 2012 wwwmammo- programmdecms_uploadfck-userfiesEvaluationsbericht_ 2008-2009_webpdfMarmot MG Altman DG et al The benefits and harms of breast cancer screening An independent review Lancet 2012 380 1778ndash1786Nielsen M Thomsen JL et al Breast cancer and atypia among young and middle-aged women A study of 110 medicolegal autopsies British Journal of Cancer 1987 56 814-9Omer ZB Hwang ES et al Impact of ductal carcinoma in situ terminology on patient treatment preferences JAMA 2013 173 1830-1831Paci E Euroscreen Work Group Summary of the evidence of breast cancer service screening outcomes in Europe and first estimate of the benefit and harm balance sheet Journal of Medical Screening 2012 19 Suppl 1 5-13Partridge A Adloff K et al Risk perceptions and psychosocial outcomes of women with ductal carcinoma in situ Longitudinal results from a cohort study J Natl Cancer Inst 2008 100 243-51Rasmussen K Joergensen KJ et al Citations of scientific results and conflicts of interest The case of mammography screening Evid Based Med 2013 18 83-9Wegwarth O Gigerenzer G Overdiagnosis and overtreatment Evaluation of what physicians tell their patients about screening

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harms JAMA Intern Med Published online 21 October 2013aWegwarth O Krebsfruumlherkennung und Risikokommunikation Therapeutische Umschau 2013b 70 245-50Wegwarth O Schwartz LM et al Do physicians understand cancer screening statistics A national survey of primary care physicians in the United States Ann Intern Med 2012 156 340-349Welch HG Frankel BF Likelihood that a woman with screen- detected breast cancer has had her bdquolife savedldquo by that screening Arch Intern Med 2011 171Weymayr C Kooperationsgemeinschaft Mammographie Kenn-zahlen Mammographie-Screening 2010 wwwkomendehtmlimgpool1kennzahlenmammographie-screeningdokumentationv12pdf

AKTuELLE INFoRMATIoN

Hormonale Kontrazeptiva ndash Aktuelle Bewertung des ThromboserisikosInes Thonke

Auf Anfrage von Frankreich hat die Europaumlische Arzneimittelagentur (EMA) 2013 das Risiko fuumlr das Auftreten venoumlser Thromboembolien (VTE) unter der Einnahme kombinierter hormonaler Kontrazep-tiva gepruumlft1 Bereits im Oktober kam das zustaumln-dige EMA-Gremium fuumlr Arzneimittelsicherheit und Risikoabschaumltzung zu dem Ergebnis dass bei der Anwendung von KOK zur Schwangerschafts-

verhuumltung die Vorteile gegenuumlber den Risiken uumlberwiegen (EMA 20131) Diese Bewertung wurde im November 2013 vom Ausschuss fuumlr Humanarz-neimittel der Europaumlischen Arzneimittelagentur (CHMP) bestaumltigt Das bekannte Risiko fuumlr VTE ist bei allen niedrig dosierten kombinierten Kont-razeptiva (mit einem Anteil von Ethinylestradiol lt 50 mcg) gering jedoch treten sie in Abhaumlngigkeit vom verwendeten Gestagen unterschiedlich haumlufig auf Nach aktueller Studienlage ist das VTE-Risiko bei den Praumlparaten mit Levonorgestrel Norethis-teron oder Norgestimat am niedrigsten (siehe Tabelle)

Die EMA weist auf die hohe Bedeutung der aumlrzt-lichen Beratung und Information von Patientin-nen uumlber moumlgliche Risiken hin Hierfuumlr muumlssen verstaumlndliche und aktuelle Informationen zur Verfuumlgung stehen und vermittelt werden Alle Frauen die mit KOK verhuumlten sollten auch daruumlber informiert werden dass sie kombinierte hormonale Kontrazeptiva nicht absetzen sollten die sie bisher ohne Komplikationen vertragen haben Dennoch sollten diese Frauen uumlber zusaumltzliche Risiken wie starkes Uumlbergewicht Immobilitaumlt oder Thrombo-embolien in der Familie sowie moumlgliche Anzeichen und Symptome von akuten Gefaumlszligverschluumlssen aufgeklaumlrt werden Es ist vorgesehen die Produkt-informationen fuumlr verschreibungspflichtige Kontra-zeptiva dahingehend zu ergaumlnzen Eine rechtsver-bindliche Entscheidung der Europaumlischen gtgt

risiko fuumlr ein venoumlses thromboembolisches ereignis (Vte) in einem Jahr

Frauen ohne kombinierte hormonale Verhuumltungsmethode die nicht schwanger sind

ca 2 von 10000 Frauen

mit kombinierten hormonalen kontrazeptiva die levonorgestrel Norethisteron oder Norgestimat enthalten

ca 5 bis 7 von 10000 Frauen

mit praumlparaten die etonogestrel oder Norelgestromin enthalten (pflaster und Vaginalring)

ca 6 bis 12 von 10000 Frauen

mit praumlparaten die Drospirenon Gestoden oder Desogestrel enthalten ca 9 bis 12 von 10000 Frauen

mit praumlparaten die chlormadinon Dienogest oder Nomegestrol enthalten risiko noch nicht bekannt Studien dazu werden aktuell durchgefuumlhrt

Es gibt keine Hinweise dass diese Risikounterschiede auch fuumlr arterielle Thromboembolien2 gelten

Vte-risiko in Abhaumlngigkeit des verwendeten Gestagens

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Kommission wird dazu in Kuumlrze erwartet Frauen sollen darin unterstuumltzt werden gemeinsam mit demder behandelnden ArztAumlrztin eine infor-mierte Entscheidung treffen zu koumlnnen welche Verhuumltungsmethode sie anwenden

Daten der BZgA zum Verhuumltungsverhalten zeigen dass nach wie vor die Mehrzahl der Frauen die Ver-huumltungsmittel anwendet etwa 53 Prozent mit der Pille verhuumltet (BZgA 2011) Die Anwendungszahlen veraumlndern sich allerdings mit dem Alter der Befrag-ten In der Altersgruppe der 18 bis 29 jaumlhrigen liegt der Anteil bei 72 Prozent von den 30 bis 39 Jaumlhri-gen Frauen nutzen 51 Prozent und von den 40 bis 49 Jaumlhrigen 34 Prozent die Pille

Der Arzneimittelreport der BARMER GEK 2011 der allerdings nur die zu Lasten der Krankenkasse (bei Frauen bis zum 20 Lebensjahr) verordneten Ver-huumltungsmittel erfasst zeigte auf dass unter den zwanzig haumlufigsten verordneten Kontrazeptiva (nach Packungsabsatz) analog der Verordnungsten-denz auf dem deutschen Gesamtmarkt vorwiegend Produkte mit neuartigen Gestagenen (Gestagene der sogenannten dritten und vierten Generation) rezeptiert wurden Trotz wiederholter Meldungen uumlber das houmlhere Risiko fuumlr VTE gegenuumlber aumllteren bewaumlhrten Praumlparaten gehoumlrten Produkte wie Lamunareg Aidareg und Yasminreg Yasminellereg zu den am haumlufigsten verordneten Kontrazeptiva Mit gro-szligem Abstand wurden die houmlchsten Umsaumltze mit dem Praumlparat Valettereg registriert das Dienogest enthaumllt ein Gestagen fuumlr das keine Daten zum VTE-Risiko vorliegen

Aktuelle Leitlinien der gynaumlkologischen Fachge-sellschaft zu dem Thema Empfaumlngnisverhuumltung gibt es in Deutschland nicht Die Entwicklung einer S3-Leitlinie wurde im Herbst 2013 angemeldet die Fertigstellung ist fuumlr Ende 2016 geplant3 Die Leit-linien der WHO geben allerdings keine Empfehlun-gen zu Verordnung hormonaler Kontrazeptive mit bestimmten Gestagenen (WHO 2009) n

Endnoten1 Frankreich hatte aufgrund thromboembolischer Zwischenfaumllle Pillen mit dem Gestagen Cyproteronacetat vom Markt genommen und eine Risikobewertung kombinierter hormonaler Kontrazeptiva mit unterschiedlichen Gestagen Komponenten angestoszligen2 Arterielle Thromboembolien koumlnnen zum Beispiel zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall fuumlhren3 AWMF onlinewwwawmforgleitliniendetailanmeldung 1ll015-015html

LiteraturBarmer GEK Arzneimittelreport 2011 wwwzesuni-bremendeuploadsGAZESse2011-022011_BARMER-GEK_Arzneimittel reportpdfBZgA Verhuumltungsverhalten Erwachsener Ergebnisse der Repraumlsen-tativbefragung 2011 wwwforschungsexualaufklaerungdefileadminfileadmin-forschungpdfBZGA-11-00988_Verhue_tungsverhalten_Erwachsener_DE_lowpdfEuropean Medicines Agency Combined hormonal contraceptives wwwemaeuropaeuemaindexjspcurl=pagesspecial_topicsgeneralgeneral_content_000581jspampmid= WC0b01 ac05806b6b24European Medicines Agency Benefits of combined hormonal con-traceptives (CHCs) continue to outweigh risksndashCHMP endorses PRAC recommendation 22 November 2013 EMA7091202013 wwwemaeuropaeudocsen_GBdocument_libraryPress_release201311WC500155455pdfWHO Medical eligibility criteria for contraceptive use 2009 4th Edition

AKTuELLE INFoRMATIoN

Pille danach Statements des ICECInes Thonke

Die oTC- Abgabe der Pille danachDas International Consortium for Emergency Contraception (ICEC) veroumlffentlichte im Dezem-ber ein Statement das sich mit Unterschieden im Zugang zur hormonellen Nachverhuumltung mit Levonor gestrel (LNG) befasst

Die bdquoOTCldquo oder bdquoover-the-counterldquo-Zugaumlnglichkeit bedeutet dass die Notfallverhuumltung aumlhnlich wie Kondome in Geschaumlften frei und ohne Kontakt zum Verkaufspersonal erhaumlltlich ist Dies stellt den

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Weg mit den geringsten Barrieren dar Auf diese Weise ist die Pille danach mit LNG laut ICEC unter anderem in Kanada Indien Bulgarien Daumlnemark Niederlande Norwegen Portugal Schweden Slowakei und Estland zugaumlnglich Seit August 2013 ist auch in den USA ein LNG-Praumlparat OTC zugelas-sen Bei der BTC bdquobehind-the-counterldquo- Abgabe ist das Medikament ohne Rezept aber nur auf aktive Nachfrage in einer Apotheke erhaumlltlich Dieser Weg besteht in 62 Laumlndern voraussichtlich ab Mai 2014 auch Deutschland Der dritte Abgabemodus ist die Abgabe nur mit Rezept Das ICEC kritisiert dass die Pille danach auf LNG Basis noch immer in vielen Laumlndern rezeptpflichtig ist obwohl dies aus medizinischer Sicht nicht noumltig ist und fuumlr viele Frauen eine unnoumltige und vermeidbare Huumlrde fuumlr die Anwendung bedeutet Das Statement fasst die wichtigsten Aspekte zur (Arzneimittel-) Sicherheit und Wirkungsweise auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Daten zusammen und wider-legt Argumente von erhoumlhtem Risikoverhalten und unzureichendem Verstaumlndnis der Anwendung bei Jugendlichen Hindernisse beim Zugang zur Pille danach sollten beseitigt werden damit Frauen sie bei Bedarf so fruumlh wie moumlglich nutzen koumlnnen Das Consortium betont den Faktor Zeit bei der Wirk-samkeit

Die Pille danach nach sexueller GewaltBereits im September 2013 publizierte das ICEC gemeinsam mit der Sexual Violence Research Initiative die Stellungnahme zur Bedeutung der Pille danach bei der Versorgung von Opfern sexu-eller Gewalt Nicht in allen Laumlndern gehoumlrt die hormonelle Nachverhuumltung zu den Standards der Gesundheitsversorgung nach Vergewaltigung Das Statement informiert uumlber die verfuumlgbaren Leit-linien der Weltgesundheitsorganisation WHO die Empfehlungen der Internationalen Gesellschaft fuumlr Geburtshilfe und Gynaumlkologie FIGO und der Vereinten Nationen Regierungen sollten sicherstel-len dass nationale Richtlinien zur Versorgung von Frauen nach sexueller Gewalt auch das Angebot der Pille danach beruumlcksichtigen Eine Verwei-gerung aus Gewissensgruumlnden sollte in diesen

Situationen ausschlossen werden Wird Frauen die Moumlglichkeit verwehrt eine ungewollte Schwanger-schaft zu verhindern verletzt dies ihre Menschen-rechte und kann zu schweren Beeintraumlchtigungen der koumlrperlichen und psychischen Gesundheit fuumlhren

LiteraturInternational Consortium for Emergency Contraception Over the counter access to emergency contraceptive pills Dez 2013 wwwcecinfoorgcustom-contentuploads201312ICEC_OTC_12-17-13pdfInternational Consortium for Emergency Contraception Sexual Violence Research Initiative EC for rape survivors- A Human Rights and Public Health Imperative Sept 2013 wwwcecinfoorg custom-contentuploads201310SexAssault_FactSheet-Revisedpdf

Eine Initiative der American Academy of Family Physicians (AAFP) mit dem Namen bdquoChoosing Wiselyldquo pruumlft in der taumlglichen Praxis gaumlngige medizinische Maszlignahmen auf wissenschaftliche Belege fuumlr ihren Nutzen Die Initiative verfolgt das Ziel bei der medizinischen Versorgung Risiken und Schaumlden durch nicht notwendige beziehungs-weise nicht sinnvolle Maszlignahmen zu vermeiden und Kosten zu reduzieren Die Ergebnisse wurden bisher in drei Listen mit Empfehlungen veroumlffent-licht Basis der Empfehlungen ist die relevante wissenschaftliche Literatur unter anderem Uumlbersichts artikel der Cochrane Library Datenbank Weitere Fachgesellschaften werden je gtgt

AKTuELLE INFoRMATIoN

Medizinische Maszlig-nahmen ohne Nutzen im Bereich der reproduktiven GesundheitInes Thonke

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Impressum herausgeberpro familia BundesverbandStresemannallee 360596 Frankfurt am Main

redaktionHelga Seyler Frauenaumlrztin HamburgDr med Ines Thonke pro familia Bundesverband

E-Mail infoprofamiliadewwwprofamiliadePublikationen

Erscheinungsweise vierteljaumlhrlichcopy 2014 ISSN 2195-7789

Gefoumlrdert von der Bundeszentrale fuumlr gesundheitliche Aufklaumlrung (BZgA)

nach Fragestellung in die Erarbeitung der Empfeh-lungen eingebunden

In der dritten Choosing Wisely Liste wurde eine Empfehlung zur koumlrperlichen Untersuchung vor Verordnung von oralen Kontrazeptiva aufgenom-men Demnach ist eine gynaumlkologische bzw eine Brustuntersuchung als Basis fuumlr die Verordnung nicht notwendig es gibt keine Daten die den Nutzen belegen Sinnvoll ist eine Anamnese-erhebung zur Klaumlrung von medizinischen Risiken und die Messung des Blutdrucks Orale Kontrazep-tiva werden in den allermeisten Faumlllen gut vertra-gen sie sind sicher und wirksam Eine koumlrperliche Untersuchung traumlgt nicht zur Klaumlrung von Unver-traumlglichkeiten Risiken und Kontraindikationen bei

Auch ein Screening fuumlr Prostatakrebs mittels PSA-Test oder digitaler rektaler Untersuchung sollte nicht routinemaumlszligig erfolgen da gut belegt ist dass dies zu einer groszligen Anzahl von Uumlberdiagnosen fuumlhrt Viele Tumoren fuumlhren nicht zu Beschwerden die Risiken der Behandlung sind jedoch erheblich Die Untersuchungen sollte nur nach einer gemein-samen Entscheidung von Patient und Arzt durch-gefuumlhrt werden

Die vorangegangenen Listen enthalten weitere Empfehlung fuumlr den Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit So soll bei Frauen unter 21 Jahren kein Screening mit Pap-Test durchgefuumlhrt werden desgleichen bei Frauen uumlber 65 Jahren bei denen regelmaumlszligig durchgefuumlhrte Abstrichen bis dahin unauffaumlllig waren Auch bei Frauen nach

einer Hysterektomie sollte kein Pap-Test durchge-fuumlhrt werden auszliger wenn die Hysterektomie auf-grund der Diagnose Karzinom oder Krebsvorstufe erfolgte Da ein Zervixkarzinom in allen genannten Gruppen sehr selten ist uumlberwiegen die Risiken des Screenings (falsch positive Befunde) gegenuumlber dem Nutzen

Bei Frauen unter 30 Jahren sollte kein HPV-Test zum Screening auf Zervixkarzinom durchgefuumlhrt wer-den da die Rate an HPV-Infektionen bei Frauen in diesem Alter hoch ist und die groszlige Mehrzahl der Infektionen ohne Folgen ausheilt

Auch in Deutschland gibt es Diskussionen daruumlber eine solche Initiative mit dem Titel bdquoGemeinsam klug entscheidenldquo ins Leben zu rufen Das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin ein interdis-ziplinaumlrer Zusammenschluss von AumlrztInnen und WissenschaftlerInnen hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet die uumlber geeignete Methoden zur Ent-wicklung entsprechender Empfehlungen beraten soll Anders als in den USA sollen die Listen hier auch mit Beteiligung von PatientInnen entwickelt werden Auf der Internetseite des Netzwerks finden sich weitere Informationen dazu

Literatur American Academy of Family Physicians Fifteen Things Physicians and Patients Should Question wwwchoosingwiselyorg wp-contentuploads201302Choosing-Wisely-Master-Listpdf

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin Eine Choosing Wisely Initiative fuumlr Deutschland Pressemitteilung 2252013 wwwebm-netzwerkdepdfstellungnahmenpm-dnebm-choo-sing-wisely-initiativepdf

Page 3: Mammographie- Screening. Kontroverse über Nutzen und Risiken · N R. 1 I Februar 2014 I 3 men zu Beginn des Screenings durch die frühere Diagnosestellung, die beim Screening angestrebt

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men zu Beginn des Screenings durch die fruumlhere Diagnosestellung die beim Screening angestrebt wird Studien zeigen aber dass auch nach vielen Jahren selbst nach dem Ende des Screenings die Zahl der Erkrankungen in der gescreenten Gruppe houmlher bleibt als in der Gruppe ohne Screening Auszligerdem nimmt die Zahl von Tumoren die erst in fortgeschrittenem Stadium entdeckt werden in der gescreenten Gruppe nicht im gleichen Maszlige ab wie die Zahl der Karzinome im Fruumlhstadium zunimmt

Alle Schaumltzungen zur Haumlufigkeit von Uumlberdia-gnosen sind wegen der indirekten Berechnung mit groszligen Unsicherheiten behaftet und fallen dementsprechend unterschiedlich aus Auszligerdem kann die Rate mit verschiedenen Bezugsgroumlszligen angegeben werden Meist wird die Zahl der Uumlber-diagnosen als Anteil an allen Burstkrebsdiagnosen angegeben Da jedoch nur etwa 60 bis 70 Prozent der eingeladenen Frauen am Screening teilnehmen und nicht alle Karzinome beim Screening entdeckt werden ist der Anteil von Uumlberdiagnosen bezogen auf beim Screening entdeckte Karzinome deutlich houmlher

In einer Veroumlffentlichung die sich mit den Auswir-kungen von 30 Jahren Mammographie-Screening in den USA befasst wird aus dem groszligen Anstieg der Erkrankungszahlen in fruumlhen Krebsstadien und dem sehr geringen Ruumlckgang spaumlter Stadien der Anteil von Uumlberdiagnosen auf 31 Prozent aller Brust-krebsdiagnosen geschaumltzt (Bleyer 2012) Aus Daten zur Entwicklung und zum Verlauf der Erkrankungs-zahlen in verschiedenen europaumlischen Laumlndern vor und nach der Einfuumlhrung des Screenings berechnet eine Arbeitsgruppe den Anteil von Uumlberdiagnosen sogar auf 46 bis 58 Prozent (Joslashrgensen 2009)

Zu einem Ergebnis von etwa 30 Prozent Uumlberdia-gnosen kommt eine Arbeitsgruppe der Cochrane-Collaboration bei der Auswertung der vorhandenen randomisierten Studien zum Mammographie-Screening (Goetzsche 2011) In absoluten Zah-len berechnet die Arbeitsgruppe dass eine von

200 Frauen die 10 Jahre lang am Mammographie-Screening teilnehmen mit der Diagnose von Brust-krebs konfrontiert wird von der sie ohne das Scree-ning nicht behelligt worden waumlre

Groszligbritannien reagierte auf die kontroverse Diskussion und berief eine Expertenkommission (Independent UK Panel on Breast Cancer Scree-ning) um Nutzen und Risiken des Mammographie-Screenings zu ermitteln (Marmot 2012) Diese schaumltzte aufgrund der vorhandenen Daten den Anteil von Uumlberdiagnosen deutlich niedriger auf 11 Prozent der Brustkrebsdiagnosen bezogen auf alle zum Screening eingeladenen Frauen Im Verlauf von 20 Jahren betraumlfe das 13 von 1000 Frauen

Am niedrigsten wird die Rate von Uumlberdiagnosen mit 65 Prozent von der Euroscreen Working Group geschaumltzt die dafuumlr Daten aus den Screening-Programmen verschiedener Europaumlischer Laumlnder ausgewertet hat (Paci 2012)

Die Bedeutung von In-situ-KarzinomenEin Diskussionsstrang zum Umgang mit Uumlberdia-gnosen befasst sich mit der Frage wie Karzinome mit geringer Malignitaumlt erkannt und entsprechend weniger aggressiv behandelt werden koumlnnen Eine besondere und quantitativ relevante Bedeutung dabei hat das Ductale carcinoma in situ (DCIS) Ein groszliger Teil der beim Screening entdeckten Karzi-nome etwa 20 Prozent sind naumlmlich solche Krebs-vorstufen waumlhrend bei auszligerhalb des Screenings diagnostizierten Tumoren nur 5 Prozent einem DCIS entsprechen Das weist darauf hin dass DCIS wahr-scheinlich einen groszligen Anteil der Uumlberdiagnosen darstellen Daruumlber hinaus gibt es jedoch zahlreiche Belege dass auch invasive Karzinome uumlberdiagnos-tiziert werden Derzeit werden DCIS aumlhnlich radikal behandelt wie invasive Karzinome Haumlufig wird die Brust komplett entfernt bei brusterhaltender The-rapie wird oft eine Nachbestrahlung durchgefuumlhrt Es wird diskutiert ob diese Krebsvorstufen in der Regel nur durch Entfernung des Tumors behandelt werden koumlnnen oder ob in einigen Faumlllen sogar eine Beobachtung ohne Therapie moumlglich ist gtgt

4 I NR 1 I Februar 2014

Allerdings spielen bei der Therapieentscheidung auch die Aumlngste der betroffenen Frauen eine Rolle die bei der Diagnose eines DCIS oft kaum geringer sind als bei einem invasiven Karzinoms (Partridge 2008) Daher fuumlhlen sich die Frauen in der Regel mit einer wenig eingreifenden Therapie oder aus-schlieszliglicher Beobachtung nicht sicher genug Um bei diesen Frauen die Aumlngste zu mindern und die Akzeptanz einer dem Risiko angemessene Therapie zu foumlrdern plaumldieren einige ExpertInnen dafuumlr die Terminologie zu aumlndern und das DCIS deutlicher als Krebsvorstufe zu bezeichnen (Omer 2013)

Falsch positive BefundeEin anderes Risiko des Mammographie-Screenings stellen falsch positiven Befunde dar Damit werden verdaumlchtige Befunde bezeichnet die durch weitere Untersuchungen oder durch eine operative Gewe-beentfernung abgeklaumlrt werden muumlssen sich dann aber als gutartige Veraumlnderungen erweisen Im Gegensatz zur Rate an Uumlberdiagnosen kann dieser Anteil direkt ermittelt werden In der Auswertung des Screenings in Deutschland wurden bei der ersten Screening-Untersuchung gut 6 Prozent der Frauen zu einer weiteren Untersuchung wieder einbestellt bei 08 Prozent dieser Frauen wurde tatsaumlchlich Brustkrebs festgestellt (Malek 2012) Bei Frauen die wiederholt am Screening teilnah-men lag der Anteil der Folgeuntersuchungen bei 3 Prozent und bei knapp 06 Prozent wurde Brust-krebs diagnostiziert Damit liegt die Rate an falsch positiven Befunden bei der ersten Screeningrunde bei gut 5 Prozent bei folgenden Runden bei etwa 25 Prozent

Diese Zahlen entsprechen den Daten aus anderen Laumlndern Bei der Auswertung vorhandener Daten ermittelte die britische Expertenkommission dass pro Screening-Runde etwa 4 Prozent der Frauen zu einer weiteren Abklaumlrung einbestellt werden Bei 08 Prozent wird ein Karzinom gefunden bei 22 Prozent der Frauen kann der Krebsverdacht durch weitere bildgebende Untersuchungen entkraumlftet werden bei 1 Prozent muss dafuumlr ein operativer Eingriff erfolgen (Marmot 2012) Im

Verlauf von 20 Jahren werden etwa 20 Prozent der Screening-Teilnehmerinnen mit einem falsch posi-tiven Befund konfrontiert 3 Prozent davon muumlssen operativ abgeklaumlrt werden (Paci 2012)

Laumlngere Lebenszeit in Kenntnis der Brustkrebs-DiagnoseFruumlher ist nicht in jedem Fall besser Als weiterer Nachteil des Screenings wird beschrieben dass bei einigen Frauen der Brustkrebs trotz der fruumlheren Diagnose nicht heilbar ist Das bedeutet dass diese Frauen laumlnger mit der Krankheit und den dadurch bedingten koumlrperlichen und psychischen Belas-tungen leben muumlssen dann aber trotzdem daran sterben Daten dazu gibt es nicht

Vermeidung von Todesfaumlllen an BrustkrebsDer wesentliche angestrebte Nutzen des Mammo-graphie-Screenings ist die houmlhere Heilungsrate und Verringerung der Zahl von Todesfaumlllen an Brust-krebs Die Senkung der Brustkrebs-Sterblichkeit durch das Screening ist in vielen Studien belegt Allerdings wird die Zahl der Brustkrebs-Todesfaumllle auch durch Fortschritte bei der Behandlung beein-flusst Inzwischen schaumltzen einige ExpertInnen dass bessere Behandlungsmoumlglichkeiten mehr zur Senkung der Sterblichkeit beitragen als das Scree-ning Diese Einschaumltzung stuumltzt sich auf Studien die eine Reduktion der Sterblichkeit auch bei Frauen ohne Screening zeigen zum Beispiel bei juumlngeren Frauen denen kein Screening angeboten wird (Bleyer 2012) oder Frauen die in Regionen ohne Screening leben (Autier 2011 Joslashrgensen 2010)

Kontroversen gibt es auch um die Zahl der durch das Screening vermiedenen Todesfaumllle Trotz zahlreicher Studien dazu liegen die Schaumltzungen aufgrund unterschiedlicher Ergebnisse und vieler potentiell verzerrender Faktoren weit ausein-ander Die meisten der randomisierten Studien sind 20 bis 30 Jahre alt und beruumlcksichtigen nicht die verbesserten Techniken der Mammographie Aktuellere Studien sind jedoch Beobachtungs-studien mit entsprechend groumlszligerem Potential von Verfaumllschungen

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Die Arbeitsgruppe der Cochrane Collaboration ermittelt bei der Auswertung der vorhandenen randomisierten Studien eine Reduktion der Sterb-lichkeit um 15 Prozent In absoluten Zahlen bedeu-tet das eine Verringerung um 005 Prozent das heiszligt durch das Screening wird bei 2000 Frauen ein Brustkrebs-Todesfall vermieden (Goetzsche 2011) Dabei fand sich in Studien von hoher metho-discher Qualitaumlt keine Reduktion der Sterblichkeit in Studien mit moumlglichen Verzerrungen der Ergeb-nisse eine Reduktion um 25 Prozent

Die britische Expertenkommission berechnete die Reduktion der Sterblichkeit auf 20 Prozent (Marmot 2012) Das entspricht der Vermeidung eines Todes-falls an Brustkrebs bei 180 gescreenten Frauen oder 43 Faumlllen bei 10 000 Frauen

Bei der Auswertung von US-amerikanischen Daten zu Brustkrebs-Erkrankungsraten und Todesfaumlllen der letzten 30 Jahre kommen die AutorInnen zu dem Schluss dass die beobachtete Reduktion der Sterblichkeit ausschlieszliglich der besseren Behand-lung zuzuschreiben ist waumlhrend das Screening keinen Einfluss darauf hat (Bleyer 2012)

Die Euroscreen Working Group die die Screening-Programme der EU-Laumlnder evaluiert kommt zu anderen Ergebnissen Sie ermittelt eine Reduktion der Brustkrebstodesfaumllle bei Screening-Teilneh-merinnen um 38 bis 48 Prozent (Paci 2012) Diese Daten stammen jedoch aus Fall-Kontrollstudien und bevoumllkerungsbezogenen Studien bei denen es schwierig ist die Effekte einer besseren Behand-lung von Screening Effekten zu trennen

Schonende Behandlung durch fruumlhzeitige EntdeckungWird ein Karzinom fruumlher entdeckt ist haumlufig eine weniger eingreifende Behandlung moumlglich So kann moumlglicherweise eine Entfernung der Brust die Entfernung von Lymphknoten oder eine Chemothe-rapie vermieden werden Dies kann neben der Ver-meidung von Todesfaumlllen als Nutzen des Screening bewertet werden Daten dazu gibt es jedoch nicht

Abwaumlgung von Nutzens und RisikenDie hier vorgestellten Daten machen deutlich dass zuverlaumlssige Angaben zur Groumlszligenordnung der ver-schiedenen Faktoren kaum moumlglich sind Noch schwieriger ist es Nutzen und Risiken gegeneinan-der abzuwaumlgen und aufzurechnen Dabei spielt die persoumlnliche Bewertung und Gewichtung der einzel-nen Faktoren eine entscheidende Rolle Wie schwer wiegt ein Fall von Uumlberdiagnose mit der Folge einer Operation und eventueller Bestrahlung und Che-motherapie sowie der psychischen Belastung eines Lebens mit der Diagnose Brustkrebs im Vergleich zu einem verhinderten Todesfall Wie belastend ist ein falsch positiver Befund mit der Angst vor dem Ergebnis weiterer Untersuchungen oder eines operativen Eingriffs im Vergleich zu einer weniger eingreifenden Behandlung durch fruumlhe Diagnose-stellung zum Beispiel die Vermeidung einer Lymph-knotenentfernung oder Chemotherapie

Waumlhrend einige ExpertInnen bereits diskutieren das Mammographie-Screening aufgrund enttaumlu-schender Ergebnisse auszusetzen liegt jedoch der Schwerpunkt der Diskussionen darauf wie die potentiellen Nutzerinnen durch Aufklaumlrung in die Lage versetzt werden koumlnnen eine individuelle Entscheidung zu treffen

Aufklaumlrung als EntscheidungsgrundlageStudien zur Einschaumltzung des Mammographie- Nutzens belegen dass potentielle Nutzerinnen bisher sehr wenig uumlber moumlgliche Risiken von Fruumlherkennungsuntersuchungen wissen und den Nutzen bei weitem uumlberschaumltzen So ergab zum Beispiel eine Befragung in europaumlischen Laumlndern dass uumlber 90 Prozent der Frauen die Verringerung der Sterblichkeit durch das Mammographie-Scree-ning um mindestens das Zehnfache uumlberschaumlt-zen (Gigerenzer 2009) In Deutschland schaumltzten 65 Prozent der befragten Frauen dass durch das Screening mindestens 10 Brustkrebstodesfaumllle bei 1000 Frauen verhindert wuumlrden 30 Prozent schaumltz-ten die Reduktion der Sterblichkeit sogar auf mehr als 100 bei 1000 Frauen Befragte die angaben AumlrztInnen und Informationsbroschuumlren als gtgt

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Wissensquelle zu nutzen waren eher schlechter informiert

Die Moumlglichkeit von Uumlberdiagnosen ist so gut wie gar nicht bekannt In einer Studie in den USA wur-den 317 Maumlnner und Frauen mit einem online- Fragebogen befragt ob sie von ihren AumlrztInnen da ruumlber aufgeklaumlrt wurden und welchen Einfluss die Tatsache auf ihre Entscheidung zur Teilnahme am Screening haben koumlnnte (Wegwarth 2013a) Weniger als 10 Prozent der TeilnehmerInnen gaben an von ihren AumlrztInnen uumlber Uumlberdiagnosen infor-miert worden zu sein und nur 3 Prozent hatten kon-krete Zahlen dazu genannt bekommen Jedoch wuumlnschen sich 80 Prozent von ihren AumlrztInnen uumlber diesen Sachverhalt aufgeklaumlrt zu werden Nachdem die Befragten uumlber die Bedeutung von Uumlberdiagnosen informiert worden waren erklaumlrte die Haumllfte der TeilnehmerInnen sie wuumlrde nicht an einem Screening teilnehmen bei dem mehr als eine Uumlberdiagnose pro vermiedenem Todesfall auftraumlte Bei 10 Uumlberdiagnosen pro vermiedenen Todesfall waren es 70 Prozent Wenn sie bereits regelmaumlszligig an einer Fruumlherkennungsuntersuchung teilnahmen wuumlrde jedoch die Mehrzahl bis zu 10 Uumlberdiagno-sen pro vermiedenem Todesfall akzeptieren

In einer weiteren Studie wurden 50 Frauen in Aus-tralien zunaumlchst ausfuumlhrlich uumlber die Moumlglichkeit von Uumlberdiagnosen beim Mammographie-Scree-nings informiert und nachfolgend wurde in Grup-pen daruumlber diskutieren wie sie dies bewerten und welche Groumlszligenordnung von Uumlberdiagnosen fuumlr sie persoumlnlich akzeptabel waumlre (Hersch 2013) Auch diese Frauen wussten nichts von der Moumlglichkeit von Uumlberdiagnosen und waren sehr uumlberrascht daruumlber Die Diskussionen zeigen wie schwierig es fuumlr sie war die Bedeutung und Konsequenzen zu begreifen Ihre Bewertung fiel dementsprechend sehr unterschiedlich aus Die meisten fanden Raten an Uumlberdiagnosen zwischen 10 und 30 Prozent akzeptabel und wuumlrden trotzdem am Screening teil-nehmen Erst bei einer Rate von 50 Prozent sahen sie die Notwendigkeit die Entscheidung zur Teilnahme abzuwaumlgen Einige Frauen wollten nicht uumlber moumlg-

liche Uumlberdiagnosen informiert werden sie wollten einfach weiter zur Teilnahme am Screening ermu-tigt werden Die Mehrzahl der Frauen hielt jedoch eine vollstaumlndige Aufklaumlrung fuumlr notwendig

Die mangelnde Aufklaumlrung der Frauen ist ange-sichts des durch Studien belegten geringen Wis-sensstands von AumlrztInnen nicht uumlberraschend Nur 34 Prozent der US-Amerikanischen AllgemeinaumlrztIn-nen konnten korrekte Angaben zur Groumlszligenordnung von Uumlberdiagnosen beim Mammographie-Scree-ning machen (Wegwarth 2012) Auch deutsche GynaumlkologInnen konnten meist keine adaumlquaten Informationen zu Nutzen und Risiken des Mam-mographie-Screenings geben Uumlberdiagnosen erwaumlhnten sie in der Befragung gar nicht (Weg-warth 2013b) Aber auch andere Faktoren tragen zur luumlckenhaften Aufklaumlrung der Nutzerinnen bei Die Screening-Programme verfolgen das erklaumlrte Ziel moumlglichst viele Frauen zur Teilnahme zu motivie-ren Dementsprechend werden auch die Informati-onen dazu gestaltet Uumlber die Aufklaumlrungsbroschuuml-ren hinaus gibt es Anzeigenkampagnen die Frauen fuumlr das Screening gewinnen sollen

Das Ziel der Motivation zur Teilnahme vertraumlgt sich nicht mit einer Aufklaumlrung die eine Grundlage fuumlr eine abgewogene Entscheidung bieten soll Die Studie von Hersch belegt deutlich wie verwirrend es fuumlr die Diskussionsteilnehmerinnen war sich ploumltzlich auch mit moumlglichen Risiken des Scree-nings auseinanderzusetzen waumlhrend sie bisher durch zahlreiche Kampagnen zur Teilnahme moti-viert wurden in denen das Screening ausschlieszliglich positiv dargestellt wurde (Hersch 2013) Auszligerdem wurde deutlich wie sehr durch die Kampagnen die Angst vor Brustkrebs geschuumlrt wird um zur Teilnahme zu motivieren Die Diskussion zeigte dass viele Frauen das Screening brauchten um Sicherheit zu bekommen dass bei ihnen bdquoalles in Ordnungldquo ist

Daten und Zahlen fuumlr die AufklaumlrungAngesichts der verwirrenden Daten komplexen Fakten und der kontroversen Fachdiskussion ist

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eine verstaumlndliche und an den Fragen der Nutze-rinnen orientierte Aufklaumlrung nicht einfach Als Grundlage dafuumlr haben verschiedene ExpertInnen-gruppen Zahlen zu Nutzen und Risiken in Uumlbersich-ten zusammengefasst Diese fallen unterschiedlich aus da sie sich auf unterschiedliche Daten und Zeitraumlume stuumltzen

In Deutschland haben sich ExpertInnen aus meh-reren Fachbereichen auf sogenannte Kennzahlen verstaumlndigt die in der Aufklaumlrungsbroschuumlre zum organisierten Screening2 genannt werden (Wey-mayr 2010) Sie beziehen sich auf 200 Frauen und den Zeitraum von 20 Jahren Entsprechend dieser Kennzahlen wird bei 13 der 200 Frauen Brustkrebs festgestellt davon bei 10 Frauen durch das Scree-ning bei 3 Frauen im Zeitraum zwischen zwei Screening-Untersuchungen Drei dieser Frauen sterben an Brustkrebs Bei einer der Frauen kann ein Todesfall verhindert werden eine weitere Frau haumltte ohne das Screening nichts von ihrem Brust-krebs erfahren 50 Frauen werden mit einem falsch positiven Ergebnis belastet das bei 10 dieser Frauen durch eine Operation abgeklaumlrt werden muss

Die Zahlen des Independent UK Panel on Breast Cancer Screening beziehen sich auf 10 000 Frauen und einen Zeitraum von 20 Jahren (Marmot 2012) Bei diesen Frauen werden 681 Faumllle von Brustkrebs diagnostiziert 43 Todesfaumllle an Brustkrebs werden verhindert dagegen haumltten 129 Frauen ohne Scree-ning keine Brustkrebsdiagnose bekommen

Die Arbeitsgruppe der Cochrane Collaboration hat eine auch ins Deutsche uumlbersetzte Broschuumlre

erstellt3 (Nordisches Cochrane Zentrum 2012) Die Angaben beziehen sich auf 2000 Frauen und 10 Jahre Screening-Teilnahme Bei diesen 2000 Frauen wird ein Todesfall vermieden Zehn Frauen erhalten eine Brustkrebsdiagnose die sie ohne Screening nicht bekommen haumltten Bei 200 der Frauen wird ein falsch positiver Befund erhoben

Die Berechnungen der Euroscreen Working Group die sich auf 1000 Frauen und einen Zeitraum von 20 Jahren beziehen sehen so aus Bei neun Frauen kann ein Todesfall an Brustkrebs verhindert werden vier erhalten eine Uumlberdiagnose 200 erhalten ein falsch positives Ergebnis das bei 30 dieser Frauen durch eine Operation abgeklaumlrt werden muss (Paci 2012) Siehe Tabelle

Fuumlr manche Frauen moumlgen diese Zahlen hilfreich sein fuumlr andere sind sie eher verwirrend und wenig nuumltzlich fuumlr die Entscheidungsfindung Sie sollten aber auf jeden Fall den AumlrztInnen bekannt sein die uumlber das Screening aufklaumlren um individuelle Fra-gen dazu beantworten zu koumlnnen Die Aufklaumlrung sollte sich an den persoumlnlichen Fragen und Beduumlrf-nissen der jeweiligen Frau orientieren Dabei sollten ihre Aumlngste in Bezug auf Brustkrebs und ihre Erwar-tungen an das Screening angesprochen werden Angesichts der allgemeinen Uumlberschaumltzung des Risikos an Brustkrebs zu sterben sowie des Nutzens des Screenings ist es sinnvoll dazu Zahlen zu nen-nen Auszligerdem sollten die Risiken des Screenings zumindest angesprochen und erklaumlrt werden

Die Entscheidung fuumlr oder gegen die Screening- Teilnahme ist oft nicht eindeutig und gtgt

Zeitraum in Jahren

verhinderte todesfaumllle

Uumlber- diagnosen

Falsch posi-tive Befunde

Davon op

kennzahlen weymayr 2010 20 5 5 250 50

uk panel marmot 2012 20 4 13 k A k A

cochrane Zentrum Goetzsche 2010 10 05 5 100 k A

euroscreen working Group paci 2012 20 9 4 200 30

Zahlen verschiedener Arbeitsgruppen zu Nutzen und risiken des mammographie-Screenings bezogen auf 1000 Frauen

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ohne Konflikte Ambivalenzen werden durch eine ausgewogene Aufklaumlrung zunaumlchst oft groumlszliger und manche Patientinnen wuumlnschen sich stattdessen eine eindeutige Empfehlung Bei diesen kann im Gespraumlch die persoumlnliche Bewertung von Nutzen und Risiken geklaumlrt und auf dieser Basis eine indivi-duelle Empfehlung ausgesprochen werden

Die Mehrzahl der in Deutschland vorhandenen Aufklaumlrungsbroschuumlren ist beim individuellen Abwaumlgen der Entscheidung wenig hilfreich Zwar enthalten fast alle inzwischen konkrete Zahlen zu Nutzen und Risiken Anregungen uumlber persoumlnliche Praumlferenzen nachzudenken enthaumllt jedoch nur die Broschuumlre des Nationalen Netzwerk Frauengesund-heit die bereits 2004 erstellt und 2011 in aktua-lisierter Fassung von der Barmer GEK neu aufgelegt wurde4

FazitBei allen Kontroversen uumlber Nutzen und Risiken des Mammographie-Screenings besteht Konsens dass durch das Screening die Erkrankungszahlen insgesamt steigen Es scheint dass uumlberwiegend Karzinome mit geringem Risiko gefunden werden waumlhrend aggressive Tumoren eher in den Zeitraumlu-men zwischen den Screening-Runden also auszliger-halb des Screenings entdeckt werden (so genannte Intervallkarzinome) und fortgeschrittene Karzi-nome nicht im erwarteten Maszlige abnehmen Durch das Screening wird zwar wahrscheinlich die Zahl der Krebstodesfaumllle reduziert allerdings in deutlich geringerem Maszlige als oft angenommen

Eine Aufklaumlrung die Nutzen und Risiken des Screenings klar und ausreichend thematisiert und Frauen bei einer persoumlnlichen Entscheidung unterstuumltzt ist nicht einfach Es besteht Bedarf an hochwertigen Entscheidungshilfen fuumlr Frauen International ist die Entwicklung entsprechender Materialien zur Unterstuumltzung von Patientenent-scheidungen in Bezug auf medizinische Interven-tionen Gegenstand von Forschung n

Endnoten 1 Als Carcinoma in situ wird ein Herd von Krebszellen bezeichnet der (noch) nicht in andere Gewebeschichten eingedrungen ist das heiszligt kein invasives Wachstum zeigt2 Fruumlherkennung von Brustkrebs Was Sie daruumlber wissen sollten Eine Zusammenarbeit der Kooperationsgemeinschaft Mammo-graphie des Deutschen Krebsforschungszentrums ndash Krebsinforma-tionsdienst und der Deutschen Krebshilfe wwwmammo- programmdecms_uploadfck-userfiesfileBroschuere_ MammoScreening_2009pdf3 Nordisches Cochrane Zentrum Screening fuumlr Brustkrebs mit Mammographie 2012 wwwcochranedkscreeningindex-dehtm4 Barmer GEK Brustkrebs-Fruumlherkennung Informationen zur Mammografie Eine Entscheidungshilfe 2011 wwwnationales-netzwerk-frauengesundheitdedownloadsBarmer-Brustkrebspdf

LiteraturAutier P Boniol M et al Breast cancer mortality in neighbouring European countries with different levels of screening but similar access to treatment Trend analysis of WHO mortality database BMJ 2011 343 d4411Bleyer A Welch HG Effect of three decades of screening mammo-graphy on breast-cancer incidence N Engl J Med 2012 367 1998-2005Gigerenzer G Mata J et al Public knowledge of benefits of breast and prostate cancer screening in Europe J Natl Cancer Inst 2009 101 1216-20Goetzsche P Nielsen M Screening for breast cancer with mammo-graphy (review) Cochrane Database of Systematic Reviews 2011 Issue 1 Art No CD001877Hersch J Jansen J et al Womenlsquos views on overdiagnosis in breast cancer screening A qualitative study BMJ 2013 346 f158Joslashrgensen KJ Goslashtzsche PC Overdiagnosis in publicly organised mammography screening programmes systematic review of incidence trends BMJ 2009 339 b2587Joslashrgensen K Zahl P et al Breast cancer mortality in organised mammography screening in Denmark Comparative study BMJ 2010 340 c1241Malek D Rabe P Kooperationsgemeinschaf Mammographie Evaluationsbericht 2008ndash2009 Ergebnisse des Mammographie-Screening-Programms in Deutschland 2012 wwwmammo- programmdecms_uploadfck-userfiesEvaluationsbericht_ 2008-2009_webpdfMarmot MG Altman DG et al The benefits and harms of breast cancer screening An independent review Lancet 2012 380 1778ndash1786Nielsen M Thomsen JL et al Breast cancer and atypia among young and middle-aged women A study of 110 medicolegal autopsies British Journal of Cancer 1987 56 814-9Omer ZB Hwang ES et al Impact of ductal carcinoma in situ terminology on patient treatment preferences JAMA 2013 173 1830-1831Paci E Euroscreen Work Group Summary of the evidence of breast cancer service screening outcomes in Europe and first estimate of the benefit and harm balance sheet Journal of Medical Screening 2012 19 Suppl 1 5-13Partridge A Adloff K et al Risk perceptions and psychosocial outcomes of women with ductal carcinoma in situ Longitudinal results from a cohort study J Natl Cancer Inst 2008 100 243-51Rasmussen K Joergensen KJ et al Citations of scientific results and conflicts of interest The case of mammography screening Evid Based Med 2013 18 83-9Wegwarth O Gigerenzer G Overdiagnosis and overtreatment Evaluation of what physicians tell their patients about screening

NR 1 I Februar 2014 I 9

harms JAMA Intern Med Published online 21 October 2013aWegwarth O Krebsfruumlherkennung und Risikokommunikation Therapeutische Umschau 2013b 70 245-50Wegwarth O Schwartz LM et al Do physicians understand cancer screening statistics A national survey of primary care physicians in the United States Ann Intern Med 2012 156 340-349Welch HG Frankel BF Likelihood that a woman with screen- detected breast cancer has had her bdquolife savedldquo by that screening Arch Intern Med 2011 171Weymayr C Kooperationsgemeinschaft Mammographie Kenn-zahlen Mammographie-Screening 2010 wwwkomendehtmlimgpool1kennzahlenmammographie-screeningdokumentationv12pdf

AKTuELLE INFoRMATIoN

Hormonale Kontrazeptiva ndash Aktuelle Bewertung des ThromboserisikosInes Thonke

Auf Anfrage von Frankreich hat die Europaumlische Arzneimittelagentur (EMA) 2013 das Risiko fuumlr das Auftreten venoumlser Thromboembolien (VTE) unter der Einnahme kombinierter hormonaler Kontrazep-tiva gepruumlft1 Bereits im Oktober kam das zustaumln-dige EMA-Gremium fuumlr Arzneimittelsicherheit und Risikoabschaumltzung zu dem Ergebnis dass bei der Anwendung von KOK zur Schwangerschafts-

verhuumltung die Vorteile gegenuumlber den Risiken uumlberwiegen (EMA 20131) Diese Bewertung wurde im November 2013 vom Ausschuss fuumlr Humanarz-neimittel der Europaumlischen Arzneimittelagentur (CHMP) bestaumltigt Das bekannte Risiko fuumlr VTE ist bei allen niedrig dosierten kombinierten Kont-razeptiva (mit einem Anteil von Ethinylestradiol lt 50 mcg) gering jedoch treten sie in Abhaumlngigkeit vom verwendeten Gestagen unterschiedlich haumlufig auf Nach aktueller Studienlage ist das VTE-Risiko bei den Praumlparaten mit Levonorgestrel Norethis-teron oder Norgestimat am niedrigsten (siehe Tabelle)

Die EMA weist auf die hohe Bedeutung der aumlrzt-lichen Beratung und Information von Patientin-nen uumlber moumlgliche Risiken hin Hierfuumlr muumlssen verstaumlndliche und aktuelle Informationen zur Verfuumlgung stehen und vermittelt werden Alle Frauen die mit KOK verhuumlten sollten auch daruumlber informiert werden dass sie kombinierte hormonale Kontrazeptiva nicht absetzen sollten die sie bisher ohne Komplikationen vertragen haben Dennoch sollten diese Frauen uumlber zusaumltzliche Risiken wie starkes Uumlbergewicht Immobilitaumlt oder Thrombo-embolien in der Familie sowie moumlgliche Anzeichen und Symptome von akuten Gefaumlszligverschluumlssen aufgeklaumlrt werden Es ist vorgesehen die Produkt-informationen fuumlr verschreibungspflichtige Kontra-zeptiva dahingehend zu ergaumlnzen Eine rechtsver-bindliche Entscheidung der Europaumlischen gtgt

risiko fuumlr ein venoumlses thromboembolisches ereignis (Vte) in einem Jahr

Frauen ohne kombinierte hormonale Verhuumltungsmethode die nicht schwanger sind

ca 2 von 10000 Frauen

mit kombinierten hormonalen kontrazeptiva die levonorgestrel Norethisteron oder Norgestimat enthalten

ca 5 bis 7 von 10000 Frauen

mit praumlparaten die etonogestrel oder Norelgestromin enthalten (pflaster und Vaginalring)

ca 6 bis 12 von 10000 Frauen

mit praumlparaten die Drospirenon Gestoden oder Desogestrel enthalten ca 9 bis 12 von 10000 Frauen

mit praumlparaten die chlormadinon Dienogest oder Nomegestrol enthalten risiko noch nicht bekannt Studien dazu werden aktuell durchgefuumlhrt

Es gibt keine Hinweise dass diese Risikounterschiede auch fuumlr arterielle Thromboembolien2 gelten

Vte-risiko in Abhaumlngigkeit des verwendeten Gestagens

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Kommission wird dazu in Kuumlrze erwartet Frauen sollen darin unterstuumltzt werden gemeinsam mit demder behandelnden ArztAumlrztin eine infor-mierte Entscheidung treffen zu koumlnnen welche Verhuumltungsmethode sie anwenden

Daten der BZgA zum Verhuumltungsverhalten zeigen dass nach wie vor die Mehrzahl der Frauen die Ver-huumltungsmittel anwendet etwa 53 Prozent mit der Pille verhuumltet (BZgA 2011) Die Anwendungszahlen veraumlndern sich allerdings mit dem Alter der Befrag-ten In der Altersgruppe der 18 bis 29 jaumlhrigen liegt der Anteil bei 72 Prozent von den 30 bis 39 Jaumlhri-gen Frauen nutzen 51 Prozent und von den 40 bis 49 Jaumlhrigen 34 Prozent die Pille

Der Arzneimittelreport der BARMER GEK 2011 der allerdings nur die zu Lasten der Krankenkasse (bei Frauen bis zum 20 Lebensjahr) verordneten Ver-huumltungsmittel erfasst zeigte auf dass unter den zwanzig haumlufigsten verordneten Kontrazeptiva (nach Packungsabsatz) analog der Verordnungsten-denz auf dem deutschen Gesamtmarkt vorwiegend Produkte mit neuartigen Gestagenen (Gestagene der sogenannten dritten und vierten Generation) rezeptiert wurden Trotz wiederholter Meldungen uumlber das houmlhere Risiko fuumlr VTE gegenuumlber aumllteren bewaumlhrten Praumlparaten gehoumlrten Produkte wie Lamunareg Aidareg und Yasminreg Yasminellereg zu den am haumlufigsten verordneten Kontrazeptiva Mit gro-szligem Abstand wurden die houmlchsten Umsaumltze mit dem Praumlparat Valettereg registriert das Dienogest enthaumllt ein Gestagen fuumlr das keine Daten zum VTE-Risiko vorliegen

Aktuelle Leitlinien der gynaumlkologischen Fachge-sellschaft zu dem Thema Empfaumlngnisverhuumltung gibt es in Deutschland nicht Die Entwicklung einer S3-Leitlinie wurde im Herbst 2013 angemeldet die Fertigstellung ist fuumlr Ende 2016 geplant3 Die Leit-linien der WHO geben allerdings keine Empfehlun-gen zu Verordnung hormonaler Kontrazeptive mit bestimmten Gestagenen (WHO 2009) n

Endnoten1 Frankreich hatte aufgrund thromboembolischer Zwischenfaumllle Pillen mit dem Gestagen Cyproteronacetat vom Markt genommen und eine Risikobewertung kombinierter hormonaler Kontrazeptiva mit unterschiedlichen Gestagen Komponenten angestoszligen2 Arterielle Thromboembolien koumlnnen zum Beispiel zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall fuumlhren3 AWMF onlinewwwawmforgleitliniendetailanmeldung 1ll015-015html

LiteraturBarmer GEK Arzneimittelreport 2011 wwwzesuni-bremendeuploadsGAZESse2011-022011_BARMER-GEK_Arzneimittel reportpdfBZgA Verhuumltungsverhalten Erwachsener Ergebnisse der Repraumlsen-tativbefragung 2011 wwwforschungsexualaufklaerungdefileadminfileadmin-forschungpdfBZGA-11-00988_Verhue_tungsverhalten_Erwachsener_DE_lowpdfEuropean Medicines Agency Combined hormonal contraceptives wwwemaeuropaeuemaindexjspcurl=pagesspecial_topicsgeneralgeneral_content_000581jspampmid= WC0b01 ac05806b6b24European Medicines Agency Benefits of combined hormonal con-traceptives (CHCs) continue to outweigh risksndashCHMP endorses PRAC recommendation 22 November 2013 EMA7091202013 wwwemaeuropaeudocsen_GBdocument_libraryPress_release201311WC500155455pdfWHO Medical eligibility criteria for contraceptive use 2009 4th Edition

AKTuELLE INFoRMATIoN

Pille danach Statements des ICECInes Thonke

Die oTC- Abgabe der Pille danachDas International Consortium for Emergency Contraception (ICEC) veroumlffentlichte im Dezem-ber ein Statement das sich mit Unterschieden im Zugang zur hormonellen Nachverhuumltung mit Levonor gestrel (LNG) befasst

Die bdquoOTCldquo oder bdquoover-the-counterldquo-Zugaumlnglichkeit bedeutet dass die Notfallverhuumltung aumlhnlich wie Kondome in Geschaumlften frei und ohne Kontakt zum Verkaufspersonal erhaumlltlich ist Dies stellt den

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Weg mit den geringsten Barrieren dar Auf diese Weise ist die Pille danach mit LNG laut ICEC unter anderem in Kanada Indien Bulgarien Daumlnemark Niederlande Norwegen Portugal Schweden Slowakei und Estland zugaumlnglich Seit August 2013 ist auch in den USA ein LNG-Praumlparat OTC zugelas-sen Bei der BTC bdquobehind-the-counterldquo- Abgabe ist das Medikament ohne Rezept aber nur auf aktive Nachfrage in einer Apotheke erhaumlltlich Dieser Weg besteht in 62 Laumlndern voraussichtlich ab Mai 2014 auch Deutschland Der dritte Abgabemodus ist die Abgabe nur mit Rezept Das ICEC kritisiert dass die Pille danach auf LNG Basis noch immer in vielen Laumlndern rezeptpflichtig ist obwohl dies aus medizinischer Sicht nicht noumltig ist und fuumlr viele Frauen eine unnoumltige und vermeidbare Huumlrde fuumlr die Anwendung bedeutet Das Statement fasst die wichtigsten Aspekte zur (Arzneimittel-) Sicherheit und Wirkungsweise auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Daten zusammen und wider-legt Argumente von erhoumlhtem Risikoverhalten und unzureichendem Verstaumlndnis der Anwendung bei Jugendlichen Hindernisse beim Zugang zur Pille danach sollten beseitigt werden damit Frauen sie bei Bedarf so fruumlh wie moumlglich nutzen koumlnnen Das Consortium betont den Faktor Zeit bei der Wirk-samkeit

Die Pille danach nach sexueller GewaltBereits im September 2013 publizierte das ICEC gemeinsam mit der Sexual Violence Research Initiative die Stellungnahme zur Bedeutung der Pille danach bei der Versorgung von Opfern sexu-eller Gewalt Nicht in allen Laumlndern gehoumlrt die hormonelle Nachverhuumltung zu den Standards der Gesundheitsversorgung nach Vergewaltigung Das Statement informiert uumlber die verfuumlgbaren Leit-linien der Weltgesundheitsorganisation WHO die Empfehlungen der Internationalen Gesellschaft fuumlr Geburtshilfe und Gynaumlkologie FIGO und der Vereinten Nationen Regierungen sollten sicherstel-len dass nationale Richtlinien zur Versorgung von Frauen nach sexueller Gewalt auch das Angebot der Pille danach beruumlcksichtigen Eine Verwei-gerung aus Gewissensgruumlnden sollte in diesen

Situationen ausschlossen werden Wird Frauen die Moumlglichkeit verwehrt eine ungewollte Schwanger-schaft zu verhindern verletzt dies ihre Menschen-rechte und kann zu schweren Beeintraumlchtigungen der koumlrperlichen und psychischen Gesundheit fuumlhren

LiteraturInternational Consortium for Emergency Contraception Over the counter access to emergency contraceptive pills Dez 2013 wwwcecinfoorgcustom-contentuploads201312ICEC_OTC_12-17-13pdfInternational Consortium for Emergency Contraception Sexual Violence Research Initiative EC for rape survivors- A Human Rights and Public Health Imperative Sept 2013 wwwcecinfoorg custom-contentuploads201310SexAssault_FactSheet-Revisedpdf

Eine Initiative der American Academy of Family Physicians (AAFP) mit dem Namen bdquoChoosing Wiselyldquo pruumlft in der taumlglichen Praxis gaumlngige medizinische Maszlignahmen auf wissenschaftliche Belege fuumlr ihren Nutzen Die Initiative verfolgt das Ziel bei der medizinischen Versorgung Risiken und Schaumlden durch nicht notwendige beziehungs-weise nicht sinnvolle Maszlignahmen zu vermeiden und Kosten zu reduzieren Die Ergebnisse wurden bisher in drei Listen mit Empfehlungen veroumlffent-licht Basis der Empfehlungen ist die relevante wissenschaftliche Literatur unter anderem Uumlbersichts artikel der Cochrane Library Datenbank Weitere Fachgesellschaften werden je gtgt

AKTuELLE INFoRMATIoN

Medizinische Maszlig-nahmen ohne Nutzen im Bereich der reproduktiven GesundheitInes Thonke

12 I NR 1 I Februar 2014

Impressum herausgeberpro familia BundesverbandStresemannallee 360596 Frankfurt am Main

redaktionHelga Seyler Frauenaumlrztin HamburgDr med Ines Thonke pro familia Bundesverband

E-Mail infoprofamiliadewwwprofamiliadePublikationen

Erscheinungsweise vierteljaumlhrlichcopy 2014 ISSN 2195-7789

Gefoumlrdert von der Bundeszentrale fuumlr gesundheitliche Aufklaumlrung (BZgA)

nach Fragestellung in die Erarbeitung der Empfeh-lungen eingebunden

In der dritten Choosing Wisely Liste wurde eine Empfehlung zur koumlrperlichen Untersuchung vor Verordnung von oralen Kontrazeptiva aufgenom-men Demnach ist eine gynaumlkologische bzw eine Brustuntersuchung als Basis fuumlr die Verordnung nicht notwendig es gibt keine Daten die den Nutzen belegen Sinnvoll ist eine Anamnese-erhebung zur Klaumlrung von medizinischen Risiken und die Messung des Blutdrucks Orale Kontrazep-tiva werden in den allermeisten Faumlllen gut vertra-gen sie sind sicher und wirksam Eine koumlrperliche Untersuchung traumlgt nicht zur Klaumlrung von Unver-traumlglichkeiten Risiken und Kontraindikationen bei

Auch ein Screening fuumlr Prostatakrebs mittels PSA-Test oder digitaler rektaler Untersuchung sollte nicht routinemaumlszligig erfolgen da gut belegt ist dass dies zu einer groszligen Anzahl von Uumlberdiagnosen fuumlhrt Viele Tumoren fuumlhren nicht zu Beschwerden die Risiken der Behandlung sind jedoch erheblich Die Untersuchungen sollte nur nach einer gemein-samen Entscheidung von Patient und Arzt durch-gefuumlhrt werden

Die vorangegangenen Listen enthalten weitere Empfehlung fuumlr den Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit So soll bei Frauen unter 21 Jahren kein Screening mit Pap-Test durchgefuumlhrt werden desgleichen bei Frauen uumlber 65 Jahren bei denen regelmaumlszligig durchgefuumlhrte Abstrichen bis dahin unauffaumlllig waren Auch bei Frauen nach

einer Hysterektomie sollte kein Pap-Test durchge-fuumlhrt werden auszliger wenn die Hysterektomie auf-grund der Diagnose Karzinom oder Krebsvorstufe erfolgte Da ein Zervixkarzinom in allen genannten Gruppen sehr selten ist uumlberwiegen die Risiken des Screenings (falsch positive Befunde) gegenuumlber dem Nutzen

Bei Frauen unter 30 Jahren sollte kein HPV-Test zum Screening auf Zervixkarzinom durchgefuumlhrt wer-den da die Rate an HPV-Infektionen bei Frauen in diesem Alter hoch ist und die groszlige Mehrzahl der Infektionen ohne Folgen ausheilt

Auch in Deutschland gibt es Diskussionen daruumlber eine solche Initiative mit dem Titel bdquoGemeinsam klug entscheidenldquo ins Leben zu rufen Das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin ein interdis-ziplinaumlrer Zusammenschluss von AumlrztInnen und WissenschaftlerInnen hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet die uumlber geeignete Methoden zur Ent-wicklung entsprechender Empfehlungen beraten soll Anders als in den USA sollen die Listen hier auch mit Beteiligung von PatientInnen entwickelt werden Auf der Internetseite des Netzwerks finden sich weitere Informationen dazu

Literatur American Academy of Family Physicians Fifteen Things Physicians and Patients Should Question wwwchoosingwiselyorg wp-contentuploads201302Choosing-Wisely-Master-Listpdf

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin Eine Choosing Wisely Initiative fuumlr Deutschland Pressemitteilung 2252013 wwwebm-netzwerkdepdfstellungnahmenpm-dnebm-choo-sing-wisely-initiativepdf

Page 4: Mammographie- Screening. Kontroverse über Nutzen und Risiken · N R. 1 I Februar 2014 I 3 men zu Beginn des Screenings durch die frühere Diagnosestellung, die beim Screening angestrebt

4 I NR 1 I Februar 2014

Allerdings spielen bei der Therapieentscheidung auch die Aumlngste der betroffenen Frauen eine Rolle die bei der Diagnose eines DCIS oft kaum geringer sind als bei einem invasiven Karzinoms (Partridge 2008) Daher fuumlhlen sich die Frauen in der Regel mit einer wenig eingreifenden Therapie oder aus-schlieszliglicher Beobachtung nicht sicher genug Um bei diesen Frauen die Aumlngste zu mindern und die Akzeptanz einer dem Risiko angemessene Therapie zu foumlrdern plaumldieren einige ExpertInnen dafuumlr die Terminologie zu aumlndern und das DCIS deutlicher als Krebsvorstufe zu bezeichnen (Omer 2013)

Falsch positive BefundeEin anderes Risiko des Mammographie-Screenings stellen falsch positiven Befunde dar Damit werden verdaumlchtige Befunde bezeichnet die durch weitere Untersuchungen oder durch eine operative Gewe-beentfernung abgeklaumlrt werden muumlssen sich dann aber als gutartige Veraumlnderungen erweisen Im Gegensatz zur Rate an Uumlberdiagnosen kann dieser Anteil direkt ermittelt werden In der Auswertung des Screenings in Deutschland wurden bei der ersten Screening-Untersuchung gut 6 Prozent der Frauen zu einer weiteren Untersuchung wieder einbestellt bei 08 Prozent dieser Frauen wurde tatsaumlchlich Brustkrebs festgestellt (Malek 2012) Bei Frauen die wiederholt am Screening teilnah-men lag der Anteil der Folgeuntersuchungen bei 3 Prozent und bei knapp 06 Prozent wurde Brust-krebs diagnostiziert Damit liegt die Rate an falsch positiven Befunden bei der ersten Screeningrunde bei gut 5 Prozent bei folgenden Runden bei etwa 25 Prozent

Diese Zahlen entsprechen den Daten aus anderen Laumlndern Bei der Auswertung vorhandener Daten ermittelte die britische Expertenkommission dass pro Screening-Runde etwa 4 Prozent der Frauen zu einer weiteren Abklaumlrung einbestellt werden Bei 08 Prozent wird ein Karzinom gefunden bei 22 Prozent der Frauen kann der Krebsverdacht durch weitere bildgebende Untersuchungen entkraumlftet werden bei 1 Prozent muss dafuumlr ein operativer Eingriff erfolgen (Marmot 2012) Im

Verlauf von 20 Jahren werden etwa 20 Prozent der Screening-Teilnehmerinnen mit einem falsch posi-tiven Befund konfrontiert 3 Prozent davon muumlssen operativ abgeklaumlrt werden (Paci 2012)

Laumlngere Lebenszeit in Kenntnis der Brustkrebs-DiagnoseFruumlher ist nicht in jedem Fall besser Als weiterer Nachteil des Screenings wird beschrieben dass bei einigen Frauen der Brustkrebs trotz der fruumlheren Diagnose nicht heilbar ist Das bedeutet dass diese Frauen laumlnger mit der Krankheit und den dadurch bedingten koumlrperlichen und psychischen Belas-tungen leben muumlssen dann aber trotzdem daran sterben Daten dazu gibt es nicht

Vermeidung von Todesfaumlllen an BrustkrebsDer wesentliche angestrebte Nutzen des Mammo-graphie-Screenings ist die houmlhere Heilungsrate und Verringerung der Zahl von Todesfaumlllen an Brust-krebs Die Senkung der Brustkrebs-Sterblichkeit durch das Screening ist in vielen Studien belegt Allerdings wird die Zahl der Brustkrebs-Todesfaumllle auch durch Fortschritte bei der Behandlung beein-flusst Inzwischen schaumltzen einige ExpertInnen dass bessere Behandlungsmoumlglichkeiten mehr zur Senkung der Sterblichkeit beitragen als das Scree-ning Diese Einschaumltzung stuumltzt sich auf Studien die eine Reduktion der Sterblichkeit auch bei Frauen ohne Screening zeigen zum Beispiel bei juumlngeren Frauen denen kein Screening angeboten wird (Bleyer 2012) oder Frauen die in Regionen ohne Screening leben (Autier 2011 Joslashrgensen 2010)

Kontroversen gibt es auch um die Zahl der durch das Screening vermiedenen Todesfaumllle Trotz zahlreicher Studien dazu liegen die Schaumltzungen aufgrund unterschiedlicher Ergebnisse und vieler potentiell verzerrender Faktoren weit ausein-ander Die meisten der randomisierten Studien sind 20 bis 30 Jahre alt und beruumlcksichtigen nicht die verbesserten Techniken der Mammographie Aktuellere Studien sind jedoch Beobachtungs-studien mit entsprechend groumlszligerem Potential von Verfaumllschungen

NR 1 I Februar 2014 I 5

Die Arbeitsgruppe der Cochrane Collaboration ermittelt bei der Auswertung der vorhandenen randomisierten Studien eine Reduktion der Sterb-lichkeit um 15 Prozent In absoluten Zahlen bedeu-tet das eine Verringerung um 005 Prozent das heiszligt durch das Screening wird bei 2000 Frauen ein Brustkrebs-Todesfall vermieden (Goetzsche 2011) Dabei fand sich in Studien von hoher metho-discher Qualitaumlt keine Reduktion der Sterblichkeit in Studien mit moumlglichen Verzerrungen der Ergeb-nisse eine Reduktion um 25 Prozent

Die britische Expertenkommission berechnete die Reduktion der Sterblichkeit auf 20 Prozent (Marmot 2012) Das entspricht der Vermeidung eines Todes-falls an Brustkrebs bei 180 gescreenten Frauen oder 43 Faumlllen bei 10 000 Frauen

Bei der Auswertung von US-amerikanischen Daten zu Brustkrebs-Erkrankungsraten und Todesfaumlllen der letzten 30 Jahre kommen die AutorInnen zu dem Schluss dass die beobachtete Reduktion der Sterblichkeit ausschlieszliglich der besseren Behand-lung zuzuschreiben ist waumlhrend das Screening keinen Einfluss darauf hat (Bleyer 2012)

Die Euroscreen Working Group die die Screening-Programme der EU-Laumlnder evaluiert kommt zu anderen Ergebnissen Sie ermittelt eine Reduktion der Brustkrebstodesfaumllle bei Screening-Teilneh-merinnen um 38 bis 48 Prozent (Paci 2012) Diese Daten stammen jedoch aus Fall-Kontrollstudien und bevoumllkerungsbezogenen Studien bei denen es schwierig ist die Effekte einer besseren Behand-lung von Screening Effekten zu trennen

Schonende Behandlung durch fruumlhzeitige EntdeckungWird ein Karzinom fruumlher entdeckt ist haumlufig eine weniger eingreifende Behandlung moumlglich So kann moumlglicherweise eine Entfernung der Brust die Entfernung von Lymphknoten oder eine Chemothe-rapie vermieden werden Dies kann neben der Ver-meidung von Todesfaumlllen als Nutzen des Screening bewertet werden Daten dazu gibt es jedoch nicht

Abwaumlgung von Nutzens und RisikenDie hier vorgestellten Daten machen deutlich dass zuverlaumlssige Angaben zur Groumlszligenordnung der ver-schiedenen Faktoren kaum moumlglich sind Noch schwieriger ist es Nutzen und Risiken gegeneinan-der abzuwaumlgen und aufzurechnen Dabei spielt die persoumlnliche Bewertung und Gewichtung der einzel-nen Faktoren eine entscheidende Rolle Wie schwer wiegt ein Fall von Uumlberdiagnose mit der Folge einer Operation und eventueller Bestrahlung und Che-motherapie sowie der psychischen Belastung eines Lebens mit der Diagnose Brustkrebs im Vergleich zu einem verhinderten Todesfall Wie belastend ist ein falsch positiver Befund mit der Angst vor dem Ergebnis weiterer Untersuchungen oder eines operativen Eingriffs im Vergleich zu einer weniger eingreifenden Behandlung durch fruumlhe Diagnose-stellung zum Beispiel die Vermeidung einer Lymph-knotenentfernung oder Chemotherapie

Waumlhrend einige ExpertInnen bereits diskutieren das Mammographie-Screening aufgrund enttaumlu-schender Ergebnisse auszusetzen liegt jedoch der Schwerpunkt der Diskussionen darauf wie die potentiellen Nutzerinnen durch Aufklaumlrung in die Lage versetzt werden koumlnnen eine individuelle Entscheidung zu treffen

Aufklaumlrung als EntscheidungsgrundlageStudien zur Einschaumltzung des Mammographie- Nutzens belegen dass potentielle Nutzerinnen bisher sehr wenig uumlber moumlgliche Risiken von Fruumlherkennungsuntersuchungen wissen und den Nutzen bei weitem uumlberschaumltzen So ergab zum Beispiel eine Befragung in europaumlischen Laumlndern dass uumlber 90 Prozent der Frauen die Verringerung der Sterblichkeit durch das Mammographie-Scree-ning um mindestens das Zehnfache uumlberschaumlt-zen (Gigerenzer 2009) In Deutschland schaumltzten 65 Prozent der befragten Frauen dass durch das Screening mindestens 10 Brustkrebstodesfaumllle bei 1000 Frauen verhindert wuumlrden 30 Prozent schaumltz-ten die Reduktion der Sterblichkeit sogar auf mehr als 100 bei 1000 Frauen Befragte die angaben AumlrztInnen und Informationsbroschuumlren als gtgt

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Wissensquelle zu nutzen waren eher schlechter informiert

Die Moumlglichkeit von Uumlberdiagnosen ist so gut wie gar nicht bekannt In einer Studie in den USA wur-den 317 Maumlnner und Frauen mit einem online- Fragebogen befragt ob sie von ihren AumlrztInnen da ruumlber aufgeklaumlrt wurden und welchen Einfluss die Tatsache auf ihre Entscheidung zur Teilnahme am Screening haben koumlnnte (Wegwarth 2013a) Weniger als 10 Prozent der TeilnehmerInnen gaben an von ihren AumlrztInnen uumlber Uumlberdiagnosen infor-miert worden zu sein und nur 3 Prozent hatten kon-krete Zahlen dazu genannt bekommen Jedoch wuumlnschen sich 80 Prozent von ihren AumlrztInnen uumlber diesen Sachverhalt aufgeklaumlrt zu werden Nachdem die Befragten uumlber die Bedeutung von Uumlberdiagnosen informiert worden waren erklaumlrte die Haumllfte der TeilnehmerInnen sie wuumlrde nicht an einem Screening teilnehmen bei dem mehr als eine Uumlberdiagnose pro vermiedenem Todesfall auftraumlte Bei 10 Uumlberdiagnosen pro vermiedenen Todesfall waren es 70 Prozent Wenn sie bereits regelmaumlszligig an einer Fruumlherkennungsuntersuchung teilnahmen wuumlrde jedoch die Mehrzahl bis zu 10 Uumlberdiagno-sen pro vermiedenem Todesfall akzeptieren

In einer weiteren Studie wurden 50 Frauen in Aus-tralien zunaumlchst ausfuumlhrlich uumlber die Moumlglichkeit von Uumlberdiagnosen beim Mammographie-Scree-nings informiert und nachfolgend wurde in Grup-pen daruumlber diskutieren wie sie dies bewerten und welche Groumlszligenordnung von Uumlberdiagnosen fuumlr sie persoumlnlich akzeptabel waumlre (Hersch 2013) Auch diese Frauen wussten nichts von der Moumlglichkeit von Uumlberdiagnosen und waren sehr uumlberrascht daruumlber Die Diskussionen zeigen wie schwierig es fuumlr sie war die Bedeutung und Konsequenzen zu begreifen Ihre Bewertung fiel dementsprechend sehr unterschiedlich aus Die meisten fanden Raten an Uumlberdiagnosen zwischen 10 und 30 Prozent akzeptabel und wuumlrden trotzdem am Screening teil-nehmen Erst bei einer Rate von 50 Prozent sahen sie die Notwendigkeit die Entscheidung zur Teilnahme abzuwaumlgen Einige Frauen wollten nicht uumlber moumlg-

liche Uumlberdiagnosen informiert werden sie wollten einfach weiter zur Teilnahme am Screening ermu-tigt werden Die Mehrzahl der Frauen hielt jedoch eine vollstaumlndige Aufklaumlrung fuumlr notwendig

Die mangelnde Aufklaumlrung der Frauen ist ange-sichts des durch Studien belegten geringen Wis-sensstands von AumlrztInnen nicht uumlberraschend Nur 34 Prozent der US-Amerikanischen AllgemeinaumlrztIn-nen konnten korrekte Angaben zur Groumlszligenordnung von Uumlberdiagnosen beim Mammographie-Scree-ning machen (Wegwarth 2012) Auch deutsche GynaumlkologInnen konnten meist keine adaumlquaten Informationen zu Nutzen und Risiken des Mam-mographie-Screenings geben Uumlberdiagnosen erwaumlhnten sie in der Befragung gar nicht (Weg-warth 2013b) Aber auch andere Faktoren tragen zur luumlckenhaften Aufklaumlrung der Nutzerinnen bei Die Screening-Programme verfolgen das erklaumlrte Ziel moumlglichst viele Frauen zur Teilnahme zu motivie-ren Dementsprechend werden auch die Informati-onen dazu gestaltet Uumlber die Aufklaumlrungsbroschuuml-ren hinaus gibt es Anzeigenkampagnen die Frauen fuumlr das Screening gewinnen sollen

Das Ziel der Motivation zur Teilnahme vertraumlgt sich nicht mit einer Aufklaumlrung die eine Grundlage fuumlr eine abgewogene Entscheidung bieten soll Die Studie von Hersch belegt deutlich wie verwirrend es fuumlr die Diskussionsteilnehmerinnen war sich ploumltzlich auch mit moumlglichen Risiken des Scree-nings auseinanderzusetzen waumlhrend sie bisher durch zahlreiche Kampagnen zur Teilnahme moti-viert wurden in denen das Screening ausschlieszliglich positiv dargestellt wurde (Hersch 2013) Auszligerdem wurde deutlich wie sehr durch die Kampagnen die Angst vor Brustkrebs geschuumlrt wird um zur Teilnahme zu motivieren Die Diskussion zeigte dass viele Frauen das Screening brauchten um Sicherheit zu bekommen dass bei ihnen bdquoalles in Ordnungldquo ist

Daten und Zahlen fuumlr die AufklaumlrungAngesichts der verwirrenden Daten komplexen Fakten und der kontroversen Fachdiskussion ist

NR 1 I Februar 2014 I 7

eine verstaumlndliche und an den Fragen der Nutze-rinnen orientierte Aufklaumlrung nicht einfach Als Grundlage dafuumlr haben verschiedene ExpertInnen-gruppen Zahlen zu Nutzen und Risiken in Uumlbersich-ten zusammengefasst Diese fallen unterschiedlich aus da sie sich auf unterschiedliche Daten und Zeitraumlume stuumltzen

In Deutschland haben sich ExpertInnen aus meh-reren Fachbereichen auf sogenannte Kennzahlen verstaumlndigt die in der Aufklaumlrungsbroschuumlre zum organisierten Screening2 genannt werden (Wey-mayr 2010) Sie beziehen sich auf 200 Frauen und den Zeitraum von 20 Jahren Entsprechend dieser Kennzahlen wird bei 13 der 200 Frauen Brustkrebs festgestellt davon bei 10 Frauen durch das Scree-ning bei 3 Frauen im Zeitraum zwischen zwei Screening-Untersuchungen Drei dieser Frauen sterben an Brustkrebs Bei einer der Frauen kann ein Todesfall verhindert werden eine weitere Frau haumltte ohne das Screening nichts von ihrem Brust-krebs erfahren 50 Frauen werden mit einem falsch positiven Ergebnis belastet das bei 10 dieser Frauen durch eine Operation abgeklaumlrt werden muss

Die Zahlen des Independent UK Panel on Breast Cancer Screening beziehen sich auf 10 000 Frauen und einen Zeitraum von 20 Jahren (Marmot 2012) Bei diesen Frauen werden 681 Faumllle von Brustkrebs diagnostiziert 43 Todesfaumllle an Brustkrebs werden verhindert dagegen haumltten 129 Frauen ohne Scree-ning keine Brustkrebsdiagnose bekommen

Die Arbeitsgruppe der Cochrane Collaboration hat eine auch ins Deutsche uumlbersetzte Broschuumlre

erstellt3 (Nordisches Cochrane Zentrum 2012) Die Angaben beziehen sich auf 2000 Frauen und 10 Jahre Screening-Teilnahme Bei diesen 2000 Frauen wird ein Todesfall vermieden Zehn Frauen erhalten eine Brustkrebsdiagnose die sie ohne Screening nicht bekommen haumltten Bei 200 der Frauen wird ein falsch positiver Befund erhoben

Die Berechnungen der Euroscreen Working Group die sich auf 1000 Frauen und einen Zeitraum von 20 Jahren beziehen sehen so aus Bei neun Frauen kann ein Todesfall an Brustkrebs verhindert werden vier erhalten eine Uumlberdiagnose 200 erhalten ein falsch positives Ergebnis das bei 30 dieser Frauen durch eine Operation abgeklaumlrt werden muss (Paci 2012) Siehe Tabelle

Fuumlr manche Frauen moumlgen diese Zahlen hilfreich sein fuumlr andere sind sie eher verwirrend und wenig nuumltzlich fuumlr die Entscheidungsfindung Sie sollten aber auf jeden Fall den AumlrztInnen bekannt sein die uumlber das Screening aufklaumlren um individuelle Fra-gen dazu beantworten zu koumlnnen Die Aufklaumlrung sollte sich an den persoumlnlichen Fragen und Beduumlrf-nissen der jeweiligen Frau orientieren Dabei sollten ihre Aumlngste in Bezug auf Brustkrebs und ihre Erwar-tungen an das Screening angesprochen werden Angesichts der allgemeinen Uumlberschaumltzung des Risikos an Brustkrebs zu sterben sowie des Nutzens des Screenings ist es sinnvoll dazu Zahlen zu nen-nen Auszligerdem sollten die Risiken des Screenings zumindest angesprochen und erklaumlrt werden

Die Entscheidung fuumlr oder gegen die Screening- Teilnahme ist oft nicht eindeutig und gtgt

Zeitraum in Jahren

verhinderte todesfaumllle

Uumlber- diagnosen

Falsch posi-tive Befunde

Davon op

kennzahlen weymayr 2010 20 5 5 250 50

uk panel marmot 2012 20 4 13 k A k A

cochrane Zentrum Goetzsche 2010 10 05 5 100 k A

euroscreen working Group paci 2012 20 9 4 200 30

Zahlen verschiedener Arbeitsgruppen zu Nutzen und risiken des mammographie-Screenings bezogen auf 1000 Frauen

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ohne Konflikte Ambivalenzen werden durch eine ausgewogene Aufklaumlrung zunaumlchst oft groumlszliger und manche Patientinnen wuumlnschen sich stattdessen eine eindeutige Empfehlung Bei diesen kann im Gespraumlch die persoumlnliche Bewertung von Nutzen und Risiken geklaumlrt und auf dieser Basis eine indivi-duelle Empfehlung ausgesprochen werden

Die Mehrzahl der in Deutschland vorhandenen Aufklaumlrungsbroschuumlren ist beim individuellen Abwaumlgen der Entscheidung wenig hilfreich Zwar enthalten fast alle inzwischen konkrete Zahlen zu Nutzen und Risiken Anregungen uumlber persoumlnliche Praumlferenzen nachzudenken enthaumllt jedoch nur die Broschuumlre des Nationalen Netzwerk Frauengesund-heit die bereits 2004 erstellt und 2011 in aktua-lisierter Fassung von der Barmer GEK neu aufgelegt wurde4

FazitBei allen Kontroversen uumlber Nutzen und Risiken des Mammographie-Screenings besteht Konsens dass durch das Screening die Erkrankungszahlen insgesamt steigen Es scheint dass uumlberwiegend Karzinome mit geringem Risiko gefunden werden waumlhrend aggressive Tumoren eher in den Zeitraumlu-men zwischen den Screening-Runden also auszliger-halb des Screenings entdeckt werden (so genannte Intervallkarzinome) und fortgeschrittene Karzi-nome nicht im erwarteten Maszlige abnehmen Durch das Screening wird zwar wahrscheinlich die Zahl der Krebstodesfaumllle reduziert allerdings in deutlich geringerem Maszlige als oft angenommen

Eine Aufklaumlrung die Nutzen und Risiken des Screenings klar und ausreichend thematisiert und Frauen bei einer persoumlnlichen Entscheidung unterstuumltzt ist nicht einfach Es besteht Bedarf an hochwertigen Entscheidungshilfen fuumlr Frauen International ist die Entwicklung entsprechender Materialien zur Unterstuumltzung von Patientenent-scheidungen in Bezug auf medizinische Interven-tionen Gegenstand von Forschung n

Endnoten 1 Als Carcinoma in situ wird ein Herd von Krebszellen bezeichnet der (noch) nicht in andere Gewebeschichten eingedrungen ist das heiszligt kein invasives Wachstum zeigt2 Fruumlherkennung von Brustkrebs Was Sie daruumlber wissen sollten Eine Zusammenarbeit der Kooperationsgemeinschaft Mammo-graphie des Deutschen Krebsforschungszentrums ndash Krebsinforma-tionsdienst und der Deutschen Krebshilfe wwwmammo- programmdecms_uploadfck-userfiesfileBroschuere_ MammoScreening_2009pdf3 Nordisches Cochrane Zentrum Screening fuumlr Brustkrebs mit Mammographie 2012 wwwcochranedkscreeningindex-dehtm4 Barmer GEK Brustkrebs-Fruumlherkennung Informationen zur Mammografie Eine Entscheidungshilfe 2011 wwwnationales-netzwerk-frauengesundheitdedownloadsBarmer-Brustkrebspdf

LiteraturAutier P Boniol M et al Breast cancer mortality in neighbouring European countries with different levels of screening but similar access to treatment Trend analysis of WHO mortality database BMJ 2011 343 d4411Bleyer A Welch HG Effect of three decades of screening mammo-graphy on breast-cancer incidence N Engl J Med 2012 367 1998-2005Gigerenzer G Mata J et al Public knowledge of benefits of breast and prostate cancer screening in Europe J Natl Cancer Inst 2009 101 1216-20Goetzsche P Nielsen M Screening for breast cancer with mammo-graphy (review) Cochrane Database of Systematic Reviews 2011 Issue 1 Art No CD001877Hersch J Jansen J et al Womenlsquos views on overdiagnosis in breast cancer screening A qualitative study BMJ 2013 346 f158Joslashrgensen KJ Goslashtzsche PC Overdiagnosis in publicly organised mammography screening programmes systematic review of incidence trends BMJ 2009 339 b2587Joslashrgensen K Zahl P et al Breast cancer mortality in organised mammography screening in Denmark Comparative study BMJ 2010 340 c1241Malek D Rabe P Kooperationsgemeinschaf Mammographie Evaluationsbericht 2008ndash2009 Ergebnisse des Mammographie-Screening-Programms in Deutschland 2012 wwwmammo- programmdecms_uploadfck-userfiesEvaluationsbericht_ 2008-2009_webpdfMarmot MG Altman DG et al The benefits and harms of breast cancer screening An independent review Lancet 2012 380 1778ndash1786Nielsen M Thomsen JL et al Breast cancer and atypia among young and middle-aged women A study of 110 medicolegal autopsies British Journal of Cancer 1987 56 814-9Omer ZB Hwang ES et al Impact of ductal carcinoma in situ terminology on patient treatment preferences JAMA 2013 173 1830-1831Paci E Euroscreen Work Group Summary of the evidence of breast cancer service screening outcomes in Europe and first estimate of the benefit and harm balance sheet Journal of Medical Screening 2012 19 Suppl 1 5-13Partridge A Adloff K et al Risk perceptions and psychosocial outcomes of women with ductal carcinoma in situ Longitudinal results from a cohort study J Natl Cancer Inst 2008 100 243-51Rasmussen K Joergensen KJ et al Citations of scientific results and conflicts of interest The case of mammography screening Evid Based Med 2013 18 83-9Wegwarth O Gigerenzer G Overdiagnosis and overtreatment Evaluation of what physicians tell their patients about screening

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harms JAMA Intern Med Published online 21 October 2013aWegwarth O Krebsfruumlherkennung und Risikokommunikation Therapeutische Umschau 2013b 70 245-50Wegwarth O Schwartz LM et al Do physicians understand cancer screening statistics A national survey of primary care physicians in the United States Ann Intern Med 2012 156 340-349Welch HG Frankel BF Likelihood that a woman with screen- detected breast cancer has had her bdquolife savedldquo by that screening Arch Intern Med 2011 171Weymayr C Kooperationsgemeinschaft Mammographie Kenn-zahlen Mammographie-Screening 2010 wwwkomendehtmlimgpool1kennzahlenmammographie-screeningdokumentationv12pdf

AKTuELLE INFoRMATIoN

Hormonale Kontrazeptiva ndash Aktuelle Bewertung des ThromboserisikosInes Thonke

Auf Anfrage von Frankreich hat die Europaumlische Arzneimittelagentur (EMA) 2013 das Risiko fuumlr das Auftreten venoumlser Thromboembolien (VTE) unter der Einnahme kombinierter hormonaler Kontrazep-tiva gepruumlft1 Bereits im Oktober kam das zustaumln-dige EMA-Gremium fuumlr Arzneimittelsicherheit und Risikoabschaumltzung zu dem Ergebnis dass bei der Anwendung von KOK zur Schwangerschafts-

verhuumltung die Vorteile gegenuumlber den Risiken uumlberwiegen (EMA 20131) Diese Bewertung wurde im November 2013 vom Ausschuss fuumlr Humanarz-neimittel der Europaumlischen Arzneimittelagentur (CHMP) bestaumltigt Das bekannte Risiko fuumlr VTE ist bei allen niedrig dosierten kombinierten Kont-razeptiva (mit einem Anteil von Ethinylestradiol lt 50 mcg) gering jedoch treten sie in Abhaumlngigkeit vom verwendeten Gestagen unterschiedlich haumlufig auf Nach aktueller Studienlage ist das VTE-Risiko bei den Praumlparaten mit Levonorgestrel Norethis-teron oder Norgestimat am niedrigsten (siehe Tabelle)

Die EMA weist auf die hohe Bedeutung der aumlrzt-lichen Beratung und Information von Patientin-nen uumlber moumlgliche Risiken hin Hierfuumlr muumlssen verstaumlndliche und aktuelle Informationen zur Verfuumlgung stehen und vermittelt werden Alle Frauen die mit KOK verhuumlten sollten auch daruumlber informiert werden dass sie kombinierte hormonale Kontrazeptiva nicht absetzen sollten die sie bisher ohne Komplikationen vertragen haben Dennoch sollten diese Frauen uumlber zusaumltzliche Risiken wie starkes Uumlbergewicht Immobilitaumlt oder Thrombo-embolien in der Familie sowie moumlgliche Anzeichen und Symptome von akuten Gefaumlszligverschluumlssen aufgeklaumlrt werden Es ist vorgesehen die Produkt-informationen fuumlr verschreibungspflichtige Kontra-zeptiva dahingehend zu ergaumlnzen Eine rechtsver-bindliche Entscheidung der Europaumlischen gtgt

risiko fuumlr ein venoumlses thromboembolisches ereignis (Vte) in einem Jahr

Frauen ohne kombinierte hormonale Verhuumltungsmethode die nicht schwanger sind

ca 2 von 10000 Frauen

mit kombinierten hormonalen kontrazeptiva die levonorgestrel Norethisteron oder Norgestimat enthalten

ca 5 bis 7 von 10000 Frauen

mit praumlparaten die etonogestrel oder Norelgestromin enthalten (pflaster und Vaginalring)

ca 6 bis 12 von 10000 Frauen

mit praumlparaten die Drospirenon Gestoden oder Desogestrel enthalten ca 9 bis 12 von 10000 Frauen

mit praumlparaten die chlormadinon Dienogest oder Nomegestrol enthalten risiko noch nicht bekannt Studien dazu werden aktuell durchgefuumlhrt

Es gibt keine Hinweise dass diese Risikounterschiede auch fuumlr arterielle Thromboembolien2 gelten

Vte-risiko in Abhaumlngigkeit des verwendeten Gestagens

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Kommission wird dazu in Kuumlrze erwartet Frauen sollen darin unterstuumltzt werden gemeinsam mit demder behandelnden ArztAumlrztin eine infor-mierte Entscheidung treffen zu koumlnnen welche Verhuumltungsmethode sie anwenden

Daten der BZgA zum Verhuumltungsverhalten zeigen dass nach wie vor die Mehrzahl der Frauen die Ver-huumltungsmittel anwendet etwa 53 Prozent mit der Pille verhuumltet (BZgA 2011) Die Anwendungszahlen veraumlndern sich allerdings mit dem Alter der Befrag-ten In der Altersgruppe der 18 bis 29 jaumlhrigen liegt der Anteil bei 72 Prozent von den 30 bis 39 Jaumlhri-gen Frauen nutzen 51 Prozent und von den 40 bis 49 Jaumlhrigen 34 Prozent die Pille

Der Arzneimittelreport der BARMER GEK 2011 der allerdings nur die zu Lasten der Krankenkasse (bei Frauen bis zum 20 Lebensjahr) verordneten Ver-huumltungsmittel erfasst zeigte auf dass unter den zwanzig haumlufigsten verordneten Kontrazeptiva (nach Packungsabsatz) analog der Verordnungsten-denz auf dem deutschen Gesamtmarkt vorwiegend Produkte mit neuartigen Gestagenen (Gestagene der sogenannten dritten und vierten Generation) rezeptiert wurden Trotz wiederholter Meldungen uumlber das houmlhere Risiko fuumlr VTE gegenuumlber aumllteren bewaumlhrten Praumlparaten gehoumlrten Produkte wie Lamunareg Aidareg und Yasminreg Yasminellereg zu den am haumlufigsten verordneten Kontrazeptiva Mit gro-szligem Abstand wurden die houmlchsten Umsaumltze mit dem Praumlparat Valettereg registriert das Dienogest enthaumllt ein Gestagen fuumlr das keine Daten zum VTE-Risiko vorliegen

Aktuelle Leitlinien der gynaumlkologischen Fachge-sellschaft zu dem Thema Empfaumlngnisverhuumltung gibt es in Deutschland nicht Die Entwicklung einer S3-Leitlinie wurde im Herbst 2013 angemeldet die Fertigstellung ist fuumlr Ende 2016 geplant3 Die Leit-linien der WHO geben allerdings keine Empfehlun-gen zu Verordnung hormonaler Kontrazeptive mit bestimmten Gestagenen (WHO 2009) n

Endnoten1 Frankreich hatte aufgrund thromboembolischer Zwischenfaumllle Pillen mit dem Gestagen Cyproteronacetat vom Markt genommen und eine Risikobewertung kombinierter hormonaler Kontrazeptiva mit unterschiedlichen Gestagen Komponenten angestoszligen2 Arterielle Thromboembolien koumlnnen zum Beispiel zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall fuumlhren3 AWMF onlinewwwawmforgleitliniendetailanmeldung 1ll015-015html

LiteraturBarmer GEK Arzneimittelreport 2011 wwwzesuni-bremendeuploadsGAZESse2011-022011_BARMER-GEK_Arzneimittel reportpdfBZgA Verhuumltungsverhalten Erwachsener Ergebnisse der Repraumlsen-tativbefragung 2011 wwwforschungsexualaufklaerungdefileadminfileadmin-forschungpdfBZGA-11-00988_Verhue_tungsverhalten_Erwachsener_DE_lowpdfEuropean Medicines Agency Combined hormonal contraceptives wwwemaeuropaeuemaindexjspcurl=pagesspecial_topicsgeneralgeneral_content_000581jspampmid= WC0b01 ac05806b6b24European Medicines Agency Benefits of combined hormonal con-traceptives (CHCs) continue to outweigh risksndashCHMP endorses PRAC recommendation 22 November 2013 EMA7091202013 wwwemaeuropaeudocsen_GBdocument_libraryPress_release201311WC500155455pdfWHO Medical eligibility criteria for contraceptive use 2009 4th Edition

AKTuELLE INFoRMATIoN

Pille danach Statements des ICECInes Thonke

Die oTC- Abgabe der Pille danachDas International Consortium for Emergency Contraception (ICEC) veroumlffentlichte im Dezem-ber ein Statement das sich mit Unterschieden im Zugang zur hormonellen Nachverhuumltung mit Levonor gestrel (LNG) befasst

Die bdquoOTCldquo oder bdquoover-the-counterldquo-Zugaumlnglichkeit bedeutet dass die Notfallverhuumltung aumlhnlich wie Kondome in Geschaumlften frei und ohne Kontakt zum Verkaufspersonal erhaumlltlich ist Dies stellt den

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Weg mit den geringsten Barrieren dar Auf diese Weise ist die Pille danach mit LNG laut ICEC unter anderem in Kanada Indien Bulgarien Daumlnemark Niederlande Norwegen Portugal Schweden Slowakei und Estland zugaumlnglich Seit August 2013 ist auch in den USA ein LNG-Praumlparat OTC zugelas-sen Bei der BTC bdquobehind-the-counterldquo- Abgabe ist das Medikament ohne Rezept aber nur auf aktive Nachfrage in einer Apotheke erhaumlltlich Dieser Weg besteht in 62 Laumlndern voraussichtlich ab Mai 2014 auch Deutschland Der dritte Abgabemodus ist die Abgabe nur mit Rezept Das ICEC kritisiert dass die Pille danach auf LNG Basis noch immer in vielen Laumlndern rezeptpflichtig ist obwohl dies aus medizinischer Sicht nicht noumltig ist und fuumlr viele Frauen eine unnoumltige und vermeidbare Huumlrde fuumlr die Anwendung bedeutet Das Statement fasst die wichtigsten Aspekte zur (Arzneimittel-) Sicherheit und Wirkungsweise auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Daten zusammen und wider-legt Argumente von erhoumlhtem Risikoverhalten und unzureichendem Verstaumlndnis der Anwendung bei Jugendlichen Hindernisse beim Zugang zur Pille danach sollten beseitigt werden damit Frauen sie bei Bedarf so fruumlh wie moumlglich nutzen koumlnnen Das Consortium betont den Faktor Zeit bei der Wirk-samkeit

Die Pille danach nach sexueller GewaltBereits im September 2013 publizierte das ICEC gemeinsam mit der Sexual Violence Research Initiative die Stellungnahme zur Bedeutung der Pille danach bei der Versorgung von Opfern sexu-eller Gewalt Nicht in allen Laumlndern gehoumlrt die hormonelle Nachverhuumltung zu den Standards der Gesundheitsversorgung nach Vergewaltigung Das Statement informiert uumlber die verfuumlgbaren Leit-linien der Weltgesundheitsorganisation WHO die Empfehlungen der Internationalen Gesellschaft fuumlr Geburtshilfe und Gynaumlkologie FIGO und der Vereinten Nationen Regierungen sollten sicherstel-len dass nationale Richtlinien zur Versorgung von Frauen nach sexueller Gewalt auch das Angebot der Pille danach beruumlcksichtigen Eine Verwei-gerung aus Gewissensgruumlnden sollte in diesen

Situationen ausschlossen werden Wird Frauen die Moumlglichkeit verwehrt eine ungewollte Schwanger-schaft zu verhindern verletzt dies ihre Menschen-rechte und kann zu schweren Beeintraumlchtigungen der koumlrperlichen und psychischen Gesundheit fuumlhren

LiteraturInternational Consortium for Emergency Contraception Over the counter access to emergency contraceptive pills Dez 2013 wwwcecinfoorgcustom-contentuploads201312ICEC_OTC_12-17-13pdfInternational Consortium for Emergency Contraception Sexual Violence Research Initiative EC for rape survivors- A Human Rights and Public Health Imperative Sept 2013 wwwcecinfoorg custom-contentuploads201310SexAssault_FactSheet-Revisedpdf

Eine Initiative der American Academy of Family Physicians (AAFP) mit dem Namen bdquoChoosing Wiselyldquo pruumlft in der taumlglichen Praxis gaumlngige medizinische Maszlignahmen auf wissenschaftliche Belege fuumlr ihren Nutzen Die Initiative verfolgt das Ziel bei der medizinischen Versorgung Risiken und Schaumlden durch nicht notwendige beziehungs-weise nicht sinnvolle Maszlignahmen zu vermeiden und Kosten zu reduzieren Die Ergebnisse wurden bisher in drei Listen mit Empfehlungen veroumlffent-licht Basis der Empfehlungen ist die relevante wissenschaftliche Literatur unter anderem Uumlbersichts artikel der Cochrane Library Datenbank Weitere Fachgesellschaften werden je gtgt

AKTuELLE INFoRMATIoN

Medizinische Maszlig-nahmen ohne Nutzen im Bereich der reproduktiven GesundheitInes Thonke

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Impressum herausgeberpro familia BundesverbandStresemannallee 360596 Frankfurt am Main

redaktionHelga Seyler Frauenaumlrztin HamburgDr med Ines Thonke pro familia Bundesverband

E-Mail infoprofamiliadewwwprofamiliadePublikationen

Erscheinungsweise vierteljaumlhrlichcopy 2014 ISSN 2195-7789

Gefoumlrdert von der Bundeszentrale fuumlr gesundheitliche Aufklaumlrung (BZgA)

nach Fragestellung in die Erarbeitung der Empfeh-lungen eingebunden

In der dritten Choosing Wisely Liste wurde eine Empfehlung zur koumlrperlichen Untersuchung vor Verordnung von oralen Kontrazeptiva aufgenom-men Demnach ist eine gynaumlkologische bzw eine Brustuntersuchung als Basis fuumlr die Verordnung nicht notwendig es gibt keine Daten die den Nutzen belegen Sinnvoll ist eine Anamnese-erhebung zur Klaumlrung von medizinischen Risiken und die Messung des Blutdrucks Orale Kontrazep-tiva werden in den allermeisten Faumlllen gut vertra-gen sie sind sicher und wirksam Eine koumlrperliche Untersuchung traumlgt nicht zur Klaumlrung von Unver-traumlglichkeiten Risiken und Kontraindikationen bei

Auch ein Screening fuumlr Prostatakrebs mittels PSA-Test oder digitaler rektaler Untersuchung sollte nicht routinemaumlszligig erfolgen da gut belegt ist dass dies zu einer groszligen Anzahl von Uumlberdiagnosen fuumlhrt Viele Tumoren fuumlhren nicht zu Beschwerden die Risiken der Behandlung sind jedoch erheblich Die Untersuchungen sollte nur nach einer gemein-samen Entscheidung von Patient und Arzt durch-gefuumlhrt werden

Die vorangegangenen Listen enthalten weitere Empfehlung fuumlr den Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit So soll bei Frauen unter 21 Jahren kein Screening mit Pap-Test durchgefuumlhrt werden desgleichen bei Frauen uumlber 65 Jahren bei denen regelmaumlszligig durchgefuumlhrte Abstrichen bis dahin unauffaumlllig waren Auch bei Frauen nach

einer Hysterektomie sollte kein Pap-Test durchge-fuumlhrt werden auszliger wenn die Hysterektomie auf-grund der Diagnose Karzinom oder Krebsvorstufe erfolgte Da ein Zervixkarzinom in allen genannten Gruppen sehr selten ist uumlberwiegen die Risiken des Screenings (falsch positive Befunde) gegenuumlber dem Nutzen

Bei Frauen unter 30 Jahren sollte kein HPV-Test zum Screening auf Zervixkarzinom durchgefuumlhrt wer-den da die Rate an HPV-Infektionen bei Frauen in diesem Alter hoch ist und die groszlige Mehrzahl der Infektionen ohne Folgen ausheilt

Auch in Deutschland gibt es Diskussionen daruumlber eine solche Initiative mit dem Titel bdquoGemeinsam klug entscheidenldquo ins Leben zu rufen Das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin ein interdis-ziplinaumlrer Zusammenschluss von AumlrztInnen und WissenschaftlerInnen hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet die uumlber geeignete Methoden zur Ent-wicklung entsprechender Empfehlungen beraten soll Anders als in den USA sollen die Listen hier auch mit Beteiligung von PatientInnen entwickelt werden Auf der Internetseite des Netzwerks finden sich weitere Informationen dazu

Literatur American Academy of Family Physicians Fifteen Things Physicians and Patients Should Question wwwchoosingwiselyorg wp-contentuploads201302Choosing-Wisely-Master-Listpdf

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin Eine Choosing Wisely Initiative fuumlr Deutschland Pressemitteilung 2252013 wwwebm-netzwerkdepdfstellungnahmenpm-dnebm-choo-sing-wisely-initiativepdf

Page 5: Mammographie- Screening. Kontroverse über Nutzen und Risiken · N R. 1 I Februar 2014 I 3 men zu Beginn des Screenings durch die frühere Diagnosestellung, die beim Screening angestrebt

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Die Arbeitsgruppe der Cochrane Collaboration ermittelt bei der Auswertung der vorhandenen randomisierten Studien eine Reduktion der Sterb-lichkeit um 15 Prozent In absoluten Zahlen bedeu-tet das eine Verringerung um 005 Prozent das heiszligt durch das Screening wird bei 2000 Frauen ein Brustkrebs-Todesfall vermieden (Goetzsche 2011) Dabei fand sich in Studien von hoher metho-discher Qualitaumlt keine Reduktion der Sterblichkeit in Studien mit moumlglichen Verzerrungen der Ergeb-nisse eine Reduktion um 25 Prozent

Die britische Expertenkommission berechnete die Reduktion der Sterblichkeit auf 20 Prozent (Marmot 2012) Das entspricht der Vermeidung eines Todes-falls an Brustkrebs bei 180 gescreenten Frauen oder 43 Faumlllen bei 10 000 Frauen

Bei der Auswertung von US-amerikanischen Daten zu Brustkrebs-Erkrankungsraten und Todesfaumlllen der letzten 30 Jahre kommen die AutorInnen zu dem Schluss dass die beobachtete Reduktion der Sterblichkeit ausschlieszliglich der besseren Behand-lung zuzuschreiben ist waumlhrend das Screening keinen Einfluss darauf hat (Bleyer 2012)

Die Euroscreen Working Group die die Screening-Programme der EU-Laumlnder evaluiert kommt zu anderen Ergebnissen Sie ermittelt eine Reduktion der Brustkrebstodesfaumllle bei Screening-Teilneh-merinnen um 38 bis 48 Prozent (Paci 2012) Diese Daten stammen jedoch aus Fall-Kontrollstudien und bevoumllkerungsbezogenen Studien bei denen es schwierig ist die Effekte einer besseren Behand-lung von Screening Effekten zu trennen

Schonende Behandlung durch fruumlhzeitige EntdeckungWird ein Karzinom fruumlher entdeckt ist haumlufig eine weniger eingreifende Behandlung moumlglich So kann moumlglicherweise eine Entfernung der Brust die Entfernung von Lymphknoten oder eine Chemothe-rapie vermieden werden Dies kann neben der Ver-meidung von Todesfaumlllen als Nutzen des Screening bewertet werden Daten dazu gibt es jedoch nicht

Abwaumlgung von Nutzens und RisikenDie hier vorgestellten Daten machen deutlich dass zuverlaumlssige Angaben zur Groumlszligenordnung der ver-schiedenen Faktoren kaum moumlglich sind Noch schwieriger ist es Nutzen und Risiken gegeneinan-der abzuwaumlgen und aufzurechnen Dabei spielt die persoumlnliche Bewertung und Gewichtung der einzel-nen Faktoren eine entscheidende Rolle Wie schwer wiegt ein Fall von Uumlberdiagnose mit der Folge einer Operation und eventueller Bestrahlung und Che-motherapie sowie der psychischen Belastung eines Lebens mit der Diagnose Brustkrebs im Vergleich zu einem verhinderten Todesfall Wie belastend ist ein falsch positiver Befund mit der Angst vor dem Ergebnis weiterer Untersuchungen oder eines operativen Eingriffs im Vergleich zu einer weniger eingreifenden Behandlung durch fruumlhe Diagnose-stellung zum Beispiel die Vermeidung einer Lymph-knotenentfernung oder Chemotherapie

Waumlhrend einige ExpertInnen bereits diskutieren das Mammographie-Screening aufgrund enttaumlu-schender Ergebnisse auszusetzen liegt jedoch der Schwerpunkt der Diskussionen darauf wie die potentiellen Nutzerinnen durch Aufklaumlrung in die Lage versetzt werden koumlnnen eine individuelle Entscheidung zu treffen

Aufklaumlrung als EntscheidungsgrundlageStudien zur Einschaumltzung des Mammographie- Nutzens belegen dass potentielle Nutzerinnen bisher sehr wenig uumlber moumlgliche Risiken von Fruumlherkennungsuntersuchungen wissen und den Nutzen bei weitem uumlberschaumltzen So ergab zum Beispiel eine Befragung in europaumlischen Laumlndern dass uumlber 90 Prozent der Frauen die Verringerung der Sterblichkeit durch das Mammographie-Scree-ning um mindestens das Zehnfache uumlberschaumlt-zen (Gigerenzer 2009) In Deutschland schaumltzten 65 Prozent der befragten Frauen dass durch das Screening mindestens 10 Brustkrebstodesfaumllle bei 1000 Frauen verhindert wuumlrden 30 Prozent schaumltz-ten die Reduktion der Sterblichkeit sogar auf mehr als 100 bei 1000 Frauen Befragte die angaben AumlrztInnen und Informationsbroschuumlren als gtgt

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Wissensquelle zu nutzen waren eher schlechter informiert

Die Moumlglichkeit von Uumlberdiagnosen ist so gut wie gar nicht bekannt In einer Studie in den USA wur-den 317 Maumlnner und Frauen mit einem online- Fragebogen befragt ob sie von ihren AumlrztInnen da ruumlber aufgeklaumlrt wurden und welchen Einfluss die Tatsache auf ihre Entscheidung zur Teilnahme am Screening haben koumlnnte (Wegwarth 2013a) Weniger als 10 Prozent der TeilnehmerInnen gaben an von ihren AumlrztInnen uumlber Uumlberdiagnosen infor-miert worden zu sein und nur 3 Prozent hatten kon-krete Zahlen dazu genannt bekommen Jedoch wuumlnschen sich 80 Prozent von ihren AumlrztInnen uumlber diesen Sachverhalt aufgeklaumlrt zu werden Nachdem die Befragten uumlber die Bedeutung von Uumlberdiagnosen informiert worden waren erklaumlrte die Haumllfte der TeilnehmerInnen sie wuumlrde nicht an einem Screening teilnehmen bei dem mehr als eine Uumlberdiagnose pro vermiedenem Todesfall auftraumlte Bei 10 Uumlberdiagnosen pro vermiedenen Todesfall waren es 70 Prozent Wenn sie bereits regelmaumlszligig an einer Fruumlherkennungsuntersuchung teilnahmen wuumlrde jedoch die Mehrzahl bis zu 10 Uumlberdiagno-sen pro vermiedenem Todesfall akzeptieren

In einer weiteren Studie wurden 50 Frauen in Aus-tralien zunaumlchst ausfuumlhrlich uumlber die Moumlglichkeit von Uumlberdiagnosen beim Mammographie-Scree-nings informiert und nachfolgend wurde in Grup-pen daruumlber diskutieren wie sie dies bewerten und welche Groumlszligenordnung von Uumlberdiagnosen fuumlr sie persoumlnlich akzeptabel waumlre (Hersch 2013) Auch diese Frauen wussten nichts von der Moumlglichkeit von Uumlberdiagnosen und waren sehr uumlberrascht daruumlber Die Diskussionen zeigen wie schwierig es fuumlr sie war die Bedeutung und Konsequenzen zu begreifen Ihre Bewertung fiel dementsprechend sehr unterschiedlich aus Die meisten fanden Raten an Uumlberdiagnosen zwischen 10 und 30 Prozent akzeptabel und wuumlrden trotzdem am Screening teil-nehmen Erst bei einer Rate von 50 Prozent sahen sie die Notwendigkeit die Entscheidung zur Teilnahme abzuwaumlgen Einige Frauen wollten nicht uumlber moumlg-

liche Uumlberdiagnosen informiert werden sie wollten einfach weiter zur Teilnahme am Screening ermu-tigt werden Die Mehrzahl der Frauen hielt jedoch eine vollstaumlndige Aufklaumlrung fuumlr notwendig

Die mangelnde Aufklaumlrung der Frauen ist ange-sichts des durch Studien belegten geringen Wis-sensstands von AumlrztInnen nicht uumlberraschend Nur 34 Prozent der US-Amerikanischen AllgemeinaumlrztIn-nen konnten korrekte Angaben zur Groumlszligenordnung von Uumlberdiagnosen beim Mammographie-Scree-ning machen (Wegwarth 2012) Auch deutsche GynaumlkologInnen konnten meist keine adaumlquaten Informationen zu Nutzen und Risiken des Mam-mographie-Screenings geben Uumlberdiagnosen erwaumlhnten sie in der Befragung gar nicht (Weg-warth 2013b) Aber auch andere Faktoren tragen zur luumlckenhaften Aufklaumlrung der Nutzerinnen bei Die Screening-Programme verfolgen das erklaumlrte Ziel moumlglichst viele Frauen zur Teilnahme zu motivie-ren Dementsprechend werden auch die Informati-onen dazu gestaltet Uumlber die Aufklaumlrungsbroschuuml-ren hinaus gibt es Anzeigenkampagnen die Frauen fuumlr das Screening gewinnen sollen

Das Ziel der Motivation zur Teilnahme vertraumlgt sich nicht mit einer Aufklaumlrung die eine Grundlage fuumlr eine abgewogene Entscheidung bieten soll Die Studie von Hersch belegt deutlich wie verwirrend es fuumlr die Diskussionsteilnehmerinnen war sich ploumltzlich auch mit moumlglichen Risiken des Scree-nings auseinanderzusetzen waumlhrend sie bisher durch zahlreiche Kampagnen zur Teilnahme moti-viert wurden in denen das Screening ausschlieszliglich positiv dargestellt wurde (Hersch 2013) Auszligerdem wurde deutlich wie sehr durch die Kampagnen die Angst vor Brustkrebs geschuumlrt wird um zur Teilnahme zu motivieren Die Diskussion zeigte dass viele Frauen das Screening brauchten um Sicherheit zu bekommen dass bei ihnen bdquoalles in Ordnungldquo ist

Daten und Zahlen fuumlr die AufklaumlrungAngesichts der verwirrenden Daten komplexen Fakten und der kontroversen Fachdiskussion ist

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eine verstaumlndliche und an den Fragen der Nutze-rinnen orientierte Aufklaumlrung nicht einfach Als Grundlage dafuumlr haben verschiedene ExpertInnen-gruppen Zahlen zu Nutzen und Risiken in Uumlbersich-ten zusammengefasst Diese fallen unterschiedlich aus da sie sich auf unterschiedliche Daten und Zeitraumlume stuumltzen

In Deutschland haben sich ExpertInnen aus meh-reren Fachbereichen auf sogenannte Kennzahlen verstaumlndigt die in der Aufklaumlrungsbroschuumlre zum organisierten Screening2 genannt werden (Wey-mayr 2010) Sie beziehen sich auf 200 Frauen und den Zeitraum von 20 Jahren Entsprechend dieser Kennzahlen wird bei 13 der 200 Frauen Brustkrebs festgestellt davon bei 10 Frauen durch das Scree-ning bei 3 Frauen im Zeitraum zwischen zwei Screening-Untersuchungen Drei dieser Frauen sterben an Brustkrebs Bei einer der Frauen kann ein Todesfall verhindert werden eine weitere Frau haumltte ohne das Screening nichts von ihrem Brust-krebs erfahren 50 Frauen werden mit einem falsch positiven Ergebnis belastet das bei 10 dieser Frauen durch eine Operation abgeklaumlrt werden muss

Die Zahlen des Independent UK Panel on Breast Cancer Screening beziehen sich auf 10 000 Frauen und einen Zeitraum von 20 Jahren (Marmot 2012) Bei diesen Frauen werden 681 Faumllle von Brustkrebs diagnostiziert 43 Todesfaumllle an Brustkrebs werden verhindert dagegen haumltten 129 Frauen ohne Scree-ning keine Brustkrebsdiagnose bekommen

Die Arbeitsgruppe der Cochrane Collaboration hat eine auch ins Deutsche uumlbersetzte Broschuumlre

erstellt3 (Nordisches Cochrane Zentrum 2012) Die Angaben beziehen sich auf 2000 Frauen und 10 Jahre Screening-Teilnahme Bei diesen 2000 Frauen wird ein Todesfall vermieden Zehn Frauen erhalten eine Brustkrebsdiagnose die sie ohne Screening nicht bekommen haumltten Bei 200 der Frauen wird ein falsch positiver Befund erhoben

Die Berechnungen der Euroscreen Working Group die sich auf 1000 Frauen und einen Zeitraum von 20 Jahren beziehen sehen so aus Bei neun Frauen kann ein Todesfall an Brustkrebs verhindert werden vier erhalten eine Uumlberdiagnose 200 erhalten ein falsch positives Ergebnis das bei 30 dieser Frauen durch eine Operation abgeklaumlrt werden muss (Paci 2012) Siehe Tabelle

Fuumlr manche Frauen moumlgen diese Zahlen hilfreich sein fuumlr andere sind sie eher verwirrend und wenig nuumltzlich fuumlr die Entscheidungsfindung Sie sollten aber auf jeden Fall den AumlrztInnen bekannt sein die uumlber das Screening aufklaumlren um individuelle Fra-gen dazu beantworten zu koumlnnen Die Aufklaumlrung sollte sich an den persoumlnlichen Fragen und Beduumlrf-nissen der jeweiligen Frau orientieren Dabei sollten ihre Aumlngste in Bezug auf Brustkrebs und ihre Erwar-tungen an das Screening angesprochen werden Angesichts der allgemeinen Uumlberschaumltzung des Risikos an Brustkrebs zu sterben sowie des Nutzens des Screenings ist es sinnvoll dazu Zahlen zu nen-nen Auszligerdem sollten die Risiken des Screenings zumindest angesprochen und erklaumlrt werden

Die Entscheidung fuumlr oder gegen die Screening- Teilnahme ist oft nicht eindeutig und gtgt

Zeitraum in Jahren

verhinderte todesfaumllle

Uumlber- diagnosen

Falsch posi-tive Befunde

Davon op

kennzahlen weymayr 2010 20 5 5 250 50

uk panel marmot 2012 20 4 13 k A k A

cochrane Zentrum Goetzsche 2010 10 05 5 100 k A

euroscreen working Group paci 2012 20 9 4 200 30

Zahlen verschiedener Arbeitsgruppen zu Nutzen und risiken des mammographie-Screenings bezogen auf 1000 Frauen

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ohne Konflikte Ambivalenzen werden durch eine ausgewogene Aufklaumlrung zunaumlchst oft groumlszliger und manche Patientinnen wuumlnschen sich stattdessen eine eindeutige Empfehlung Bei diesen kann im Gespraumlch die persoumlnliche Bewertung von Nutzen und Risiken geklaumlrt und auf dieser Basis eine indivi-duelle Empfehlung ausgesprochen werden

Die Mehrzahl der in Deutschland vorhandenen Aufklaumlrungsbroschuumlren ist beim individuellen Abwaumlgen der Entscheidung wenig hilfreich Zwar enthalten fast alle inzwischen konkrete Zahlen zu Nutzen und Risiken Anregungen uumlber persoumlnliche Praumlferenzen nachzudenken enthaumllt jedoch nur die Broschuumlre des Nationalen Netzwerk Frauengesund-heit die bereits 2004 erstellt und 2011 in aktua-lisierter Fassung von der Barmer GEK neu aufgelegt wurde4

FazitBei allen Kontroversen uumlber Nutzen und Risiken des Mammographie-Screenings besteht Konsens dass durch das Screening die Erkrankungszahlen insgesamt steigen Es scheint dass uumlberwiegend Karzinome mit geringem Risiko gefunden werden waumlhrend aggressive Tumoren eher in den Zeitraumlu-men zwischen den Screening-Runden also auszliger-halb des Screenings entdeckt werden (so genannte Intervallkarzinome) und fortgeschrittene Karzi-nome nicht im erwarteten Maszlige abnehmen Durch das Screening wird zwar wahrscheinlich die Zahl der Krebstodesfaumllle reduziert allerdings in deutlich geringerem Maszlige als oft angenommen

Eine Aufklaumlrung die Nutzen und Risiken des Screenings klar und ausreichend thematisiert und Frauen bei einer persoumlnlichen Entscheidung unterstuumltzt ist nicht einfach Es besteht Bedarf an hochwertigen Entscheidungshilfen fuumlr Frauen International ist die Entwicklung entsprechender Materialien zur Unterstuumltzung von Patientenent-scheidungen in Bezug auf medizinische Interven-tionen Gegenstand von Forschung n

Endnoten 1 Als Carcinoma in situ wird ein Herd von Krebszellen bezeichnet der (noch) nicht in andere Gewebeschichten eingedrungen ist das heiszligt kein invasives Wachstum zeigt2 Fruumlherkennung von Brustkrebs Was Sie daruumlber wissen sollten Eine Zusammenarbeit der Kooperationsgemeinschaft Mammo-graphie des Deutschen Krebsforschungszentrums ndash Krebsinforma-tionsdienst und der Deutschen Krebshilfe wwwmammo- programmdecms_uploadfck-userfiesfileBroschuere_ MammoScreening_2009pdf3 Nordisches Cochrane Zentrum Screening fuumlr Brustkrebs mit Mammographie 2012 wwwcochranedkscreeningindex-dehtm4 Barmer GEK Brustkrebs-Fruumlherkennung Informationen zur Mammografie Eine Entscheidungshilfe 2011 wwwnationales-netzwerk-frauengesundheitdedownloadsBarmer-Brustkrebspdf

LiteraturAutier P Boniol M et al Breast cancer mortality in neighbouring European countries with different levels of screening but similar access to treatment Trend analysis of WHO mortality database BMJ 2011 343 d4411Bleyer A Welch HG Effect of three decades of screening mammo-graphy on breast-cancer incidence N Engl J Med 2012 367 1998-2005Gigerenzer G Mata J et al Public knowledge of benefits of breast and prostate cancer screening in Europe J Natl Cancer Inst 2009 101 1216-20Goetzsche P Nielsen M Screening for breast cancer with mammo-graphy (review) Cochrane Database of Systematic Reviews 2011 Issue 1 Art No CD001877Hersch J Jansen J et al Womenlsquos views on overdiagnosis in breast cancer screening A qualitative study BMJ 2013 346 f158Joslashrgensen KJ Goslashtzsche PC Overdiagnosis in publicly organised mammography screening programmes systematic review of incidence trends BMJ 2009 339 b2587Joslashrgensen K Zahl P et al Breast cancer mortality in organised mammography screening in Denmark Comparative study BMJ 2010 340 c1241Malek D Rabe P Kooperationsgemeinschaf Mammographie Evaluationsbericht 2008ndash2009 Ergebnisse des Mammographie-Screening-Programms in Deutschland 2012 wwwmammo- programmdecms_uploadfck-userfiesEvaluationsbericht_ 2008-2009_webpdfMarmot MG Altman DG et al The benefits and harms of breast cancer screening An independent review Lancet 2012 380 1778ndash1786Nielsen M Thomsen JL et al Breast cancer and atypia among young and middle-aged women A study of 110 medicolegal autopsies British Journal of Cancer 1987 56 814-9Omer ZB Hwang ES et al Impact of ductal carcinoma in situ terminology on patient treatment preferences JAMA 2013 173 1830-1831Paci E Euroscreen Work Group Summary of the evidence of breast cancer service screening outcomes in Europe and first estimate of the benefit and harm balance sheet Journal of Medical Screening 2012 19 Suppl 1 5-13Partridge A Adloff K et al Risk perceptions and psychosocial outcomes of women with ductal carcinoma in situ Longitudinal results from a cohort study J Natl Cancer Inst 2008 100 243-51Rasmussen K Joergensen KJ et al Citations of scientific results and conflicts of interest The case of mammography screening Evid Based Med 2013 18 83-9Wegwarth O Gigerenzer G Overdiagnosis and overtreatment Evaluation of what physicians tell their patients about screening

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harms JAMA Intern Med Published online 21 October 2013aWegwarth O Krebsfruumlherkennung und Risikokommunikation Therapeutische Umschau 2013b 70 245-50Wegwarth O Schwartz LM et al Do physicians understand cancer screening statistics A national survey of primary care physicians in the United States Ann Intern Med 2012 156 340-349Welch HG Frankel BF Likelihood that a woman with screen- detected breast cancer has had her bdquolife savedldquo by that screening Arch Intern Med 2011 171Weymayr C Kooperationsgemeinschaft Mammographie Kenn-zahlen Mammographie-Screening 2010 wwwkomendehtmlimgpool1kennzahlenmammographie-screeningdokumentationv12pdf

AKTuELLE INFoRMATIoN

Hormonale Kontrazeptiva ndash Aktuelle Bewertung des ThromboserisikosInes Thonke

Auf Anfrage von Frankreich hat die Europaumlische Arzneimittelagentur (EMA) 2013 das Risiko fuumlr das Auftreten venoumlser Thromboembolien (VTE) unter der Einnahme kombinierter hormonaler Kontrazep-tiva gepruumlft1 Bereits im Oktober kam das zustaumln-dige EMA-Gremium fuumlr Arzneimittelsicherheit und Risikoabschaumltzung zu dem Ergebnis dass bei der Anwendung von KOK zur Schwangerschafts-

verhuumltung die Vorteile gegenuumlber den Risiken uumlberwiegen (EMA 20131) Diese Bewertung wurde im November 2013 vom Ausschuss fuumlr Humanarz-neimittel der Europaumlischen Arzneimittelagentur (CHMP) bestaumltigt Das bekannte Risiko fuumlr VTE ist bei allen niedrig dosierten kombinierten Kont-razeptiva (mit einem Anteil von Ethinylestradiol lt 50 mcg) gering jedoch treten sie in Abhaumlngigkeit vom verwendeten Gestagen unterschiedlich haumlufig auf Nach aktueller Studienlage ist das VTE-Risiko bei den Praumlparaten mit Levonorgestrel Norethis-teron oder Norgestimat am niedrigsten (siehe Tabelle)

Die EMA weist auf die hohe Bedeutung der aumlrzt-lichen Beratung und Information von Patientin-nen uumlber moumlgliche Risiken hin Hierfuumlr muumlssen verstaumlndliche und aktuelle Informationen zur Verfuumlgung stehen und vermittelt werden Alle Frauen die mit KOK verhuumlten sollten auch daruumlber informiert werden dass sie kombinierte hormonale Kontrazeptiva nicht absetzen sollten die sie bisher ohne Komplikationen vertragen haben Dennoch sollten diese Frauen uumlber zusaumltzliche Risiken wie starkes Uumlbergewicht Immobilitaumlt oder Thrombo-embolien in der Familie sowie moumlgliche Anzeichen und Symptome von akuten Gefaumlszligverschluumlssen aufgeklaumlrt werden Es ist vorgesehen die Produkt-informationen fuumlr verschreibungspflichtige Kontra-zeptiva dahingehend zu ergaumlnzen Eine rechtsver-bindliche Entscheidung der Europaumlischen gtgt

risiko fuumlr ein venoumlses thromboembolisches ereignis (Vte) in einem Jahr

Frauen ohne kombinierte hormonale Verhuumltungsmethode die nicht schwanger sind

ca 2 von 10000 Frauen

mit kombinierten hormonalen kontrazeptiva die levonorgestrel Norethisteron oder Norgestimat enthalten

ca 5 bis 7 von 10000 Frauen

mit praumlparaten die etonogestrel oder Norelgestromin enthalten (pflaster und Vaginalring)

ca 6 bis 12 von 10000 Frauen

mit praumlparaten die Drospirenon Gestoden oder Desogestrel enthalten ca 9 bis 12 von 10000 Frauen

mit praumlparaten die chlormadinon Dienogest oder Nomegestrol enthalten risiko noch nicht bekannt Studien dazu werden aktuell durchgefuumlhrt

Es gibt keine Hinweise dass diese Risikounterschiede auch fuumlr arterielle Thromboembolien2 gelten

Vte-risiko in Abhaumlngigkeit des verwendeten Gestagens

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Kommission wird dazu in Kuumlrze erwartet Frauen sollen darin unterstuumltzt werden gemeinsam mit demder behandelnden ArztAumlrztin eine infor-mierte Entscheidung treffen zu koumlnnen welche Verhuumltungsmethode sie anwenden

Daten der BZgA zum Verhuumltungsverhalten zeigen dass nach wie vor die Mehrzahl der Frauen die Ver-huumltungsmittel anwendet etwa 53 Prozent mit der Pille verhuumltet (BZgA 2011) Die Anwendungszahlen veraumlndern sich allerdings mit dem Alter der Befrag-ten In der Altersgruppe der 18 bis 29 jaumlhrigen liegt der Anteil bei 72 Prozent von den 30 bis 39 Jaumlhri-gen Frauen nutzen 51 Prozent und von den 40 bis 49 Jaumlhrigen 34 Prozent die Pille

Der Arzneimittelreport der BARMER GEK 2011 der allerdings nur die zu Lasten der Krankenkasse (bei Frauen bis zum 20 Lebensjahr) verordneten Ver-huumltungsmittel erfasst zeigte auf dass unter den zwanzig haumlufigsten verordneten Kontrazeptiva (nach Packungsabsatz) analog der Verordnungsten-denz auf dem deutschen Gesamtmarkt vorwiegend Produkte mit neuartigen Gestagenen (Gestagene der sogenannten dritten und vierten Generation) rezeptiert wurden Trotz wiederholter Meldungen uumlber das houmlhere Risiko fuumlr VTE gegenuumlber aumllteren bewaumlhrten Praumlparaten gehoumlrten Produkte wie Lamunareg Aidareg und Yasminreg Yasminellereg zu den am haumlufigsten verordneten Kontrazeptiva Mit gro-szligem Abstand wurden die houmlchsten Umsaumltze mit dem Praumlparat Valettereg registriert das Dienogest enthaumllt ein Gestagen fuumlr das keine Daten zum VTE-Risiko vorliegen

Aktuelle Leitlinien der gynaumlkologischen Fachge-sellschaft zu dem Thema Empfaumlngnisverhuumltung gibt es in Deutschland nicht Die Entwicklung einer S3-Leitlinie wurde im Herbst 2013 angemeldet die Fertigstellung ist fuumlr Ende 2016 geplant3 Die Leit-linien der WHO geben allerdings keine Empfehlun-gen zu Verordnung hormonaler Kontrazeptive mit bestimmten Gestagenen (WHO 2009) n

Endnoten1 Frankreich hatte aufgrund thromboembolischer Zwischenfaumllle Pillen mit dem Gestagen Cyproteronacetat vom Markt genommen und eine Risikobewertung kombinierter hormonaler Kontrazeptiva mit unterschiedlichen Gestagen Komponenten angestoszligen2 Arterielle Thromboembolien koumlnnen zum Beispiel zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall fuumlhren3 AWMF onlinewwwawmforgleitliniendetailanmeldung 1ll015-015html

LiteraturBarmer GEK Arzneimittelreport 2011 wwwzesuni-bremendeuploadsGAZESse2011-022011_BARMER-GEK_Arzneimittel reportpdfBZgA Verhuumltungsverhalten Erwachsener Ergebnisse der Repraumlsen-tativbefragung 2011 wwwforschungsexualaufklaerungdefileadminfileadmin-forschungpdfBZGA-11-00988_Verhue_tungsverhalten_Erwachsener_DE_lowpdfEuropean Medicines Agency Combined hormonal contraceptives wwwemaeuropaeuemaindexjspcurl=pagesspecial_topicsgeneralgeneral_content_000581jspampmid= WC0b01 ac05806b6b24European Medicines Agency Benefits of combined hormonal con-traceptives (CHCs) continue to outweigh risksndashCHMP endorses PRAC recommendation 22 November 2013 EMA7091202013 wwwemaeuropaeudocsen_GBdocument_libraryPress_release201311WC500155455pdfWHO Medical eligibility criteria for contraceptive use 2009 4th Edition

AKTuELLE INFoRMATIoN

Pille danach Statements des ICECInes Thonke

Die oTC- Abgabe der Pille danachDas International Consortium for Emergency Contraception (ICEC) veroumlffentlichte im Dezem-ber ein Statement das sich mit Unterschieden im Zugang zur hormonellen Nachverhuumltung mit Levonor gestrel (LNG) befasst

Die bdquoOTCldquo oder bdquoover-the-counterldquo-Zugaumlnglichkeit bedeutet dass die Notfallverhuumltung aumlhnlich wie Kondome in Geschaumlften frei und ohne Kontakt zum Verkaufspersonal erhaumlltlich ist Dies stellt den

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Weg mit den geringsten Barrieren dar Auf diese Weise ist die Pille danach mit LNG laut ICEC unter anderem in Kanada Indien Bulgarien Daumlnemark Niederlande Norwegen Portugal Schweden Slowakei und Estland zugaumlnglich Seit August 2013 ist auch in den USA ein LNG-Praumlparat OTC zugelas-sen Bei der BTC bdquobehind-the-counterldquo- Abgabe ist das Medikament ohne Rezept aber nur auf aktive Nachfrage in einer Apotheke erhaumlltlich Dieser Weg besteht in 62 Laumlndern voraussichtlich ab Mai 2014 auch Deutschland Der dritte Abgabemodus ist die Abgabe nur mit Rezept Das ICEC kritisiert dass die Pille danach auf LNG Basis noch immer in vielen Laumlndern rezeptpflichtig ist obwohl dies aus medizinischer Sicht nicht noumltig ist und fuumlr viele Frauen eine unnoumltige und vermeidbare Huumlrde fuumlr die Anwendung bedeutet Das Statement fasst die wichtigsten Aspekte zur (Arzneimittel-) Sicherheit und Wirkungsweise auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Daten zusammen und wider-legt Argumente von erhoumlhtem Risikoverhalten und unzureichendem Verstaumlndnis der Anwendung bei Jugendlichen Hindernisse beim Zugang zur Pille danach sollten beseitigt werden damit Frauen sie bei Bedarf so fruumlh wie moumlglich nutzen koumlnnen Das Consortium betont den Faktor Zeit bei der Wirk-samkeit

Die Pille danach nach sexueller GewaltBereits im September 2013 publizierte das ICEC gemeinsam mit der Sexual Violence Research Initiative die Stellungnahme zur Bedeutung der Pille danach bei der Versorgung von Opfern sexu-eller Gewalt Nicht in allen Laumlndern gehoumlrt die hormonelle Nachverhuumltung zu den Standards der Gesundheitsversorgung nach Vergewaltigung Das Statement informiert uumlber die verfuumlgbaren Leit-linien der Weltgesundheitsorganisation WHO die Empfehlungen der Internationalen Gesellschaft fuumlr Geburtshilfe und Gynaumlkologie FIGO und der Vereinten Nationen Regierungen sollten sicherstel-len dass nationale Richtlinien zur Versorgung von Frauen nach sexueller Gewalt auch das Angebot der Pille danach beruumlcksichtigen Eine Verwei-gerung aus Gewissensgruumlnden sollte in diesen

Situationen ausschlossen werden Wird Frauen die Moumlglichkeit verwehrt eine ungewollte Schwanger-schaft zu verhindern verletzt dies ihre Menschen-rechte und kann zu schweren Beeintraumlchtigungen der koumlrperlichen und psychischen Gesundheit fuumlhren

LiteraturInternational Consortium for Emergency Contraception Over the counter access to emergency contraceptive pills Dez 2013 wwwcecinfoorgcustom-contentuploads201312ICEC_OTC_12-17-13pdfInternational Consortium for Emergency Contraception Sexual Violence Research Initiative EC for rape survivors- A Human Rights and Public Health Imperative Sept 2013 wwwcecinfoorg custom-contentuploads201310SexAssault_FactSheet-Revisedpdf

Eine Initiative der American Academy of Family Physicians (AAFP) mit dem Namen bdquoChoosing Wiselyldquo pruumlft in der taumlglichen Praxis gaumlngige medizinische Maszlignahmen auf wissenschaftliche Belege fuumlr ihren Nutzen Die Initiative verfolgt das Ziel bei der medizinischen Versorgung Risiken und Schaumlden durch nicht notwendige beziehungs-weise nicht sinnvolle Maszlignahmen zu vermeiden und Kosten zu reduzieren Die Ergebnisse wurden bisher in drei Listen mit Empfehlungen veroumlffent-licht Basis der Empfehlungen ist die relevante wissenschaftliche Literatur unter anderem Uumlbersichts artikel der Cochrane Library Datenbank Weitere Fachgesellschaften werden je gtgt

AKTuELLE INFoRMATIoN

Medizinische Maszlig-nahmen ohne Nutzen im Bereich der reproduktiven GesundheitInes Thonke

12 I NR 1 I Februar 2014

Impressum herausgeberpro familia BundesverbandStresemannallee 360596 Frankfurt am Main

redaktionHelga Seyler Frauenaumlrztin HamburgDr med Ines Thonke pro familia Bundesverband

E-Mail infoprofamiliadewwwprofamiliadePublikationen

Erscheinungsweise vierteljaumlhrlichcopy 2014 ISSN 2195-7789

Gefoumlrdert von der Bundeszentrale fuumlr gesundheitliche Aufklaumlrung (BZgA)

nach Fragestellung in die Erarbeitung der Empfeh-lungen eingebunden

In der dritten Choosing Wisely Liste wurde eine Empfehlung zur koumlrperlichen Untersuchung vor Verordnung von oralen Kontrazeptiva aufgenom-men Demnach ist eine gynaumlkologische bzw eine Brustuntersuchung als Basis fuumlr die Verordnung nicht notwendig es gibt keine Daten die den Nutzen belegen Sinnvoll ist eine Anamnese-erhebung zur Klaumlrung von medizinischen Risiken und die Messung des Blutdrucks Orale Kontrazep-tiva werden in den allermeisten Faumlllen gut vertra-gen sie sind sicher und wirksam Eine koumlrperliche Untersuchung traumlgt nicht zur Klaumlrung von Unver-traumlglichkeiten Risiken und Kontraindikationen bei

Auch ein Screening fuumlr Prostatakrebs mittels PSA-Test oder digitaler rektaler Untersuchung sollte nicht routinemaumlszligig erfolgen da gut belegt ist dass dies zu einer groszligen Anzahl von Uumlberdiagnosen fuumlhrt Viele Tumoren fuumlhren nicht zu Beschwerden die Risiken der Behandlung sind jedoch erheblich Die Untersuchungen sollte nur nach einer gemein-samen Entscheidung von Patient und Arzt durch-gefuumlhrt werden

Die vorangegangenen Listen enthalten weitere Empfehlung fuumlr den Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit So soll bei Frauen unter 21 Jahren kein Screening mit Pap-Test durchgefuumlhrt werden desgleichen bei Frauen uumlber 65 Jahren bei denen regelmaumlszligig durchgefuumlhrte Abstrichen bis dahin unauffaumlllig waren Auch bei Frauen nach

einer Hysterektomie sollte kein Pap-Test durchge-fuumlhrt werden auszliger wenn die Hysterektomie auf-grund der Diagnose Karzinom oder Krebsvorstufe erfolgte Da ein Zervixkarzinom in allen genannten Gruppen sehr selten ist uumlberwiegen die Risiken des Screenings (falsch positive Befunde) gegenuumlber dem Nutzen

Bei Frauen unter 30 Jahren sollte kein HPV-Test zum Screening auf Zervixkarzinom durchgefuumlhrt wer-den da die Rate an HPV-Infektionen bei Frauen in diesem Alter hoch ist und die groszlige Mehrzahl der Infektionen ohne Folgen ausheilt

Auch in Deutschland gibt es Diskussionen daruumlber eine solche Initiative mit dem Titel bdquoGemeinsam klug entscheidenldquo ins Leben zu rufen Das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin ein interdis-ziplinaumlrer Zusammenschluss von AumlrztInnen und WissenschaftlerInnen hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet die uumlber geeignete Methoden zur Ent-wicklung entsprechender Empfehlungen beraten soll Anders als in den USA sollen die Listen hier auch mit Beteiligung von PatientInnen entwickelt werden Auf der Internetseite des Netzwerks finden sich weitere Informationen dazu

Literatur American Academy of Family Physicians Fifteen Things Physicians and Patients Should Question wwwchoosingwiselyorg wp-contentuploads201302Choosing-Wisely-Master-Listpdf

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin Eine Choosing Wisely Initiative fuumlr Deutschland Pressemitteilung 2252013 wwwebm-netzwerkdepdfstellungnahmenpm-dnebm-choo-sing-wisely-initiativepdf

Page 6: Mammographie- Screening. Kontroverse über Nutzen und Risiken · N R. 1 I Februar 2014 I 3 men zu Beginn des Screenings durch die frühere Diagnosestellung, die beim Screening angestrebt

6 I NR 1 I Februar 2014

Wissensquelle zu nutzen waren eher schlechter informiert

Die Moumlglichkeit von Uumlberdiagnosen ist so gut wie gar nicht bekannt In einer Studie in den USA wur-den 317 Maumlnner und Frauen mit einem online- Fragebogen befragt ob sie von ihren AumlrztInnen da ruumlber aufgeklaumlrt wurden und welchen Einfluss die Tatsache auf ihre Entscheidung zur Teilnahme am Screening haben koumlnnte (Wegwarth 2013a) Weniger als 10 Prozent der TeilnehmerInnen gaben an von ihren AumlrztInnen uumlber Uumlberdiagnosen infor-miert worden zu sein und nur 3 Prozent hatten kon-krete Zahlen dazu genannt bekommen Jedoch wuumlnschen sich 80 Prozent von ihren AumlrztInnen uumlber diesen Sachverhalt aufgeklaumlrt zu werden Nachdem die Befragten uumlber die Bedeutung von Uumlberdiagnosen informiert worden waren erklaumlrte die Haumllfte der TeilnehmerInnen sie wuumlrde nicht an einem Screening teilnehmen bei dem mehr als eine Uumlberdiagnose pro vermiedenem Todesfall auftraumlte Bei 10 Uumlberdiagnosen pro vermiedenen Todesfall waren es 70 Prozent Wenn sie bereits regelmaumlszligig an einer Fruumlherkennungsuntersuchung teilnahmen wuumlrde jedoch die Mehrzahl bis zu 10 Uumlberdiagno-sen pro vermiedenem Todesfall akzeptieren

In einer weiteren Studie wurden 50 Frauen in Aus-tralien zunaumlchst ausfuumlhrlich uumlber die Moumlglichkeit von Uumlberdiagnosen beim Mammographie-Scree-nings informiert und nachfolgend wurde in Grup-pen daruumlber diskutieren wie sie dies bewerten und welche Groumlszligenordnung von Uumlberdiagnosen fuumlr sie persoumlnlich akzeptabel waumlre (Hersch 2013) Auch diese Frauen wussten nichts von der Moumlglichkeit von Uumlberdiagnosen und waren sehr uumlberrascht daruumlber Die Diskussionen zeigen wie schwierig es fuumlr sie war die Bedeutung und Konsequenzen zu begreifen Ihre Bewertung fiel dementsprechend sehr unterschiedlich aus Die meisten fanden Raten an Uumlberdiagnosen zwischen 10 und 30 Prozent akzeptabel und wuumlrden trotzdem am Screening teil-nehmen Erst bei einer Rate von 50 Prozent sahen sie die Notwendigkeit die Entscheidung zur Teilnahme abzuwaumlgen Einige Frauen wollten nicht uumlber moumlg-

liche Uumlberdiagnosen informiert werden sie wollten einfach weiter zur Teilnahme am Screening ermu-tigt werden Die Mehrzahl der Frauen hielt jedoch eine vollstaumlndige Aufklaumlrung fuumlr notwendig

Die mangelnde Aufklaumlrung der Frauen ist ange-sichts des durch Studien belegten geringen Wis-sensstands von AumlrztInnen nicht uumlberraschend Nur 34 Prozent der US-Amerikanischen AllgemeinaumlrztIn-nen konnten korrekte Angaben zur Groumlszligenordnung von Uumlberdiagnosen beim Mammographie-Scree-ning machen (Wegwarth 2012) Auch deutsche GynaumlkologInnen konnten meist keine adaumlquaten Informationen zu Nutzen und Risiken des Mam-mographie-Screenings geben Uumlberdiagnosen erwaumlhnten sie in der Befragung gar nicht (Weg-warth 2013b) Aber auch andere Faktoren tragen zur luumlckenhaften Aufklaumlrung der Nutzerinnen bei Die Screening-Programme verfolgen das erklaumlrte Ziel moumlglichst viele Frauen zur Teilnahme zu motivie-ren Dementsprechend werden auch die Informati-onen dazu gestaltet Uumlber die Aufklaumlrungsbroschuuml-ren hinaus gibt es Anzeigenkampagnen die Frauen fuumlr das Screening gewinnen sollen

Das Ziel der Motivation zur Teilnahme vertraumlgt sich nicht mit einer Aufklaumlrung die eine Grundlage fuumlr eine abgewogene Entscheidung bieten soll Die Studie von Hersch belegt deutlich wie verwirrend es fuumlr die Diskussionsteilnehmerinnen war sich ploumltzlich auch mit moumlglichen Risiken des Scree-nings auseinanderzusetzen waumlhrend sie bisher durch zahlreiche Kampagnen zur Teilnahme moti-viert wurden in denen das Screening ausschlieszliglich positiv dargestellt wurde (Hersch 2013) Auszligerdem wurde deutlich wie sehr durch die Kampagnen die Angst vor Brustkrebs geschuumlrt wird um zur Teilnahme zu motivieren Die Diskussion zeigte dass viele Frauen das Screening brauchten um Sicherheit zu bekommen dass bei ihnen bdquoalles in Ordnungldquo ist

Daten und Zahlen fuumlr die AufklaumlrungAngesichts der verwirrenden Daten komplexen Fakten und der kontroversen Fachdiskussion ist

NR 1 I Februar 2014 I 7

eine verstaumlndliche und an den Fragen der Nutze-rinnen orientierte Aufklaumlrung nicht einfach Als Grundlage dafuumlr haben verschiedene ExpertInnen-gruppen Zahlen zu Nutzen und Risiken in Uumlbersich-ten zusammengefasst Diese fallen unterschiedlich aus da sie sich auf unterschiedliche Daten und Zeitraumlume stuumltzen

In Deutschland haben sich ExpertInnen aus meh-reren Fachbereichen auf sogenannte Kennzahlen verstaumlndigt die in der Aufklaumlrungsbroschuumlre zum organisierten Screening2 genannt werden (Wey-mayr 2010) Sie beziehen sich auf 200 Frauen und den Zeitraum von 20 Jahren Entsprechend dieser Kennzahlen wird bei 13 der 200 Frauen Brustkrebs festgestellt davon bei 10 Frauen durch das Scree-ning bei 3 Frauen im Zeitraum zwischen zwei Screening-Untersuchungen Drei dieser Frauen sterben an Brustkrebs Bei einer der Frauen kann ein Todesfall verhindert werden eine weitere Frau haumltte ohne das Screening nichts von ihrem Brust-krebs erfahren 50 Frauen werden mit einem falsch positiven Ergebnis belastet das bei 10 dieser Frauen durch eine Operation abgeklaumlrt werden muss

Die Zahlen des Independent UK Panel on Breast Cancer Screening beziehen sich auf 10 000 Frauen und einen Zeitraum von 20 Jahren (Marmot 2012) Bei diesen Frauen werden 681 Faumllle von Brustkrebs diagnostiziert 43 Todesfaumllle an Brustkrebs werden verhindert dagegen haumltten 129 Frauen ohne Scree-ning keine Brustkrebsdiagnose bekommen

Die Arbeitsgruppe der Cochrane Collaboration hat eine auch ins Deutsche uumlbersetzte Broschuumlre

erstellt3 (Nordisches Cochrane Zentrum 2012) Die Angaben beziehen sich auf 2000 Frauen und 10 Jahre Screening-Teilnahme Bei diesen 2000 Frauen wird ein Todesfall vermieden Zehn Frauen erhalten eine Brustkrebsdiagnose die sie ohne Screening nicht bekommen haumltten Bei 200 der Frauen wird ein falsch positiver Befund erhoben

Die Berechnungen der Euroscreen Working Group die sich auf 1000 Frauen und einen Zeitraum von 20 Jahren beziehen sehen so aus Bei neun Frauen kann ein Todesfall an Brustkrebs verhindert werden vier erhalten eine Uumlberdiagnose 200 erhalten ein falsch positives Ergebnis das bei 30 dieser Frauen durch eine Operation abgeklaumlrt werden muss (Paci 2012) Siehe Tabelle

Fuumlr manche Frauen moumlgen diese Zahlen hilfreich sein fuumlr andere sind sie eher verwirrend und wenig nuumltzlich fuumlr die Entscheidungsfindung Sie sollten aber auf jeden Fall den AumlrztInnen bekannt sein die uumlber das Screening aufklaumlren um individuelle Fra-gen dazu beantworten zu koumlnnen Die Aufklaumlrung sollte sich an den persoumlnlichen Fragen und Beduumlrf-nissen der jeweiligen Frau orientieren Dabei sollten ihre Aumlngste in Bezug auf Brustkrebs und ihre Erwar-tungen an das Screening angesprochen werden Angesichts der allgemeinen Uumlberschaumltzung des Risikos an Brustkrebs zu sterben sowie des Nutzens des Screenings ist es sinnvoll dazu Zahlen zu nen-nen Auszligerdem sollten die Risiken des Screenings zumindest angesprochen und erklaumlrt werden

Die Entscheidung fuumlr oder gegen die Screening- Teilnahme ist oft nicht eindeutig und gtgt

Zeitraum in Jahren

verhinderte todesfaumllle

Uumlber- diagnosen

Falsch posi-tive Befunde

Davon op

kennzahlen weymayr 2010 20 5 5 250 50

uk panel marmot 2012 20 4 13 k A k A

cochrane Zentrum Goetzsche 2010 10 05 5 100 k A

euroscreen working Group paci 2012 20 9 4 200 30

Zahlen verschiedener Arbeitsgruppen zu Nutzen und risiken des mammographie-Screenings bezogen auf 1000 Frauen

8 I NR 1 I Februar 2014

ohne Konflikte Ambivalenzen werden durch eine ausgewogene Aufklaumlrung zunaumlchst oft groumlszliger und manche Patientinnen wuumlnschen sich stattdessen eine eindeutige Empfehlung Bei diesen kann im Gespraumlch die persoumlnliche Bewertung von Nutzen und Risiken geklaumlrt und auf dieser Basis eine indivi-duelle Empfehlung ausgesprochen werden

Die Mehrzahl der in Deutschland vorhandenen Aufklaumlrungsbroschuumlren ist beim individuellen Abwaumlgen der Entscheidung wenig hilfreich Zwar enthalten fast alle inzwischen konkrete Zahlen zu Nutzen und Risiken Anregungen uumlber persoumlnliche Praumlferenzen nachzudenken enthaumllt jedoch nur die Broschuumlre des Nationalen Netzwerk Frauengesund-heit die bereits 2004 erstellt und 2011 in aktua-lisierter Fassung von der Barmer GEK neu aufgelegt wurde4

FazitBei allen Kontroversen uumlber Nutzen und Risiken des Mammographie-Screenings besteht Konsens dass durch das Screening die Erkrankungszahlen insgesamt steigen Es scheint dass uumlberwiegend Karzinome mit geringem Risiko gefunden werden waumlhrend aggressive Tumoren eher in den Zeitraumlu-men zwischen den Screening-Runden also auszliger-halb des Screenings entdeckt werden (so genannte Intervallkarzinome) und fortgeschrittene Karzi-nome nicht im erwarteten Maszlige abnehmen Durch das Screening wird zwar wahrscheinlich die Zahl der Krebstodesfaumllle reduziert allerdings in deutlich geringerem Maszlige als oft angenommen

Eine Aufklaumlrung die Nutzen und Risiken des Screenings klar und ausreichend thematisiert und Frauen bei einer persoumlnlichen Entscheidung unterstuumltzt ist nicht einfach Es besteht Bedarf an hochwertigen Entscheidungshilfen fuumlr Frauen International ist die Entwicklung entsprechender Materialien zur Unterstuumltzung von Patientenent-scheidungen in Bezug auf medizinische Interven-tionen Gegenstand von Forschung n

Endnoten 1 Als Carcinoma in situ wird ein Herd von Krebszellen bezeichnet der (noch) nicht in andere Gewebeschichten eingedrungen ist das heiszligt kein invasives Wachstum zeigt2 Fruumlherkennung von Brustkrebs Was Sie daruumlber wissen sollten Eine Zusammenarbeit der Kooperationsgemeinschaft Mammo-graphie des Deutschen Krebsforschungszentrums ndash Krebsinforma-tionsdienst und der Deutschen Krebshilfe wwwmammo- programmdecms_uploadfck-userfiesfileBroschuere_ MammoScreening_2009pdf3 Nordisches Cochrane Zentrum Screening fuumlr Brustkrebs mit Mammographie 2012 wwwcochranedkscreeningindex-dehtm4 Barmer GEK Brustkrebs-Fruumlherkennung Informationen zur Mammografie Eine Entscheidungshilfe 2011 wwwnationales-netzwerk-frauengesundheitdedownloadsBarmer-Brustkrebspdf

LiteraturAutier P Boniol M et al Breast cancer mortality in neighbouring European countries with different levels of screening but similar access to treatment Trend analysis of WHO mortality database BMJ 2011 343 d4411Bleyer A Welch HG Effect of three decades of screening mammo-graphy on breast-cancer incidence N Engl J Med 2012 367 1998-2005Gigerenzer G Mata J et al Public knowledge of benefits of breast and prostate cancer screening in Europe J Natl Cancer Inst 2009 101 1216-20Goetzsche P Nielsen M Screening for breast cancer with mammo-graphy (review) Cochrane Database of Systematic Reviews 2011 Issue 1 Art No CD001877Hersch J Jansen J et al Womenlsquos views on overdiagnosis in breast cancer screening A qualitative study BMJ 2013 346 f158Joslashrgensen KJ Goslashtzsche PC Overdiagnosis in publicly organised mammography screening programmes systematic review of incidence trends BMJ 2009 339 b2587Joslashrgensen K Zahl P et al Breast cancer mortality in organised mammography screening in Denmark Comparative study BMJ 2010 340 c1241Malek D Rabe P Kooperationsgemeinschaf Mammographie Evaluationsbericht 2008ndash2009 Ergebnisse des Mammographie-Screening-Programms in Deutschland 2012 wwwmammo- programmdecms_uploadfck-userfiesEvaluationsbericht_ 2008-2009_webpdfMarmot MG Altman DG et al The benefits and harms of breast cancer screening An independent review Lancet 2012 380 1778ndash1786Nielsen M Thomsen JL et al Breast cancer and atypia among young and middle-aged women A study of 110 medicolegal autopsies British Journal of Cancer 1987 56 814-9Omer ZB Hwang ES et al Impact of ductal carcinoma in situ terminology on patient treatment preferences JAMA 2013 173 1830-1831Paci E Euroscreen Work Group Summary of the evidence of breast cancer service screening outcomes in Europe and first estimate of the benefit and harm balance sheet Journal of Medical Screening 2012 19 Suppl 1 5-13Partridge A Adloff K et al Risk perceptions and psychosocial outcomes of women with ductal carcinoma in situ Longitudinal results from a cohort study J Natl Cancer Inst 2008 100 243-51Rasmussen K Joergensen KJ et al Citations of scientific results and conflicts of interest The case of mammography screening Evid Based Med 2013 18 83-9Wegwarth O Gigerenzer G Overdiagnosis and overtreatment Evaluation of what physicians tell their patients about screening

NR 1 I Februar 2014 I 9

harms JAMA Intern Med Published online 21 October 2013aWegwarth O Krebsfruumlherkennung und Risikokommunikation Therapeutische Umschau 2013b 70 245-50Wegwarth O Schwartz LM et al Do physicians understand cancer screening statistics A national survey of primary care physicians in the United States Ann Intern Med 2012 156 340-349Welch HG Frankel BF Likelihood that a woman with screen- detected breast cancer has had her bdquolife savedldquo by that screening Arch Intern Med 2011 171Weymayr C Kooperationsgemeinschaft Mammographie Kenn-zahlen Mammographie-Screening 2010 wwwkomendehtmlimgpool1kennzahlenmammographie-screeningdokumentationv12pdf

AKTuELLE INFoRMATIoN

Hormonale Kontrazeptiva ndash Aktuelle Bewertung des ThromboserisikosInes Thonke

Auf Anfrage von Frankreich hat die Europaumlische Arzneimittelagentur (EMA) 2013 das Risiko fuumlr das Auftreten venoumlser Thromboembolien (VTE) unter der Einnahme kombinierter hormonaler Kontrazep-tiva gepruumlft1 Bereits im Oktober kam das zustaumln-dige EMA-Gremium fuumlr Arzneimittelsicherheit und Risikoabschaumltzung zu dem Ergebnis dass bei der Anwendung von KOK zur Schwangerschafts-

verhuumltung die Vorteile gegenuumlber den Risiken uumlberwiegen (EMA 20131) Diese Bewertung wurde im November 2013 vom Ausschuss fuumlr Humanarz-neimittel der Europaumlischen Arzneimittelagentur (CHMP) bestaumltigt Das bekannte Risiko fuumlr VTE ist bei allen niedrig dosierten kombinierten Kont-razeptiva (mit einem Anteil von Ethinylestradiol lt 50 mcg) gering jedoch treten sie in Abhaumlngigkeit vom verwendeten Gestagen unterschiedlich haumlufig auf Nach aktueller Studienlage ist das VTE-Risiko bei den Praumlparaten mit Levonorgestrel Norethis-teron oder Norgestimat am niedrigsten (siehe Tabelle)

Die EMA weist auf die hohe Bedeutung der aumlrzt-lichen Beratung und Information von Patientin-nen uumlber moumlgliche Risiken hin Hierfuumlr muumlssen verstaumlndliche und aktuelle Informationen zur Verfuumlgung stehen und vermittelt werden Alle Frauen die mit KOK verhuumlten sollten auch daruumlber informiert werden dass sie kombinierte hormonale Kontrazeptiva nicht absetzen sollten die sie bisher ohne Komplikationen vertragen haben Dennoch sollten diese Frauen uumlber zusaumltzliche Risiken wie starkes Uumlbergewicht Immobilitaumlt oder Thrombo-embolien in der Familie sowie moumlgliche Anzeichen und Symptome von akuten Gefaumlszligverschluumlssen aufgeklaumlrt werden Es ist vorgesehen die Produkt-informationen fuumlr verschreibungspflichtige Kontra-zeptiva dahingehend zu ergaumlnzen Eine rechtsver-bindliche Entscheidung der Europaumlischen gtgt

risiko fuumlr ein venoumlses thromboembolisches ereignis (Vte) in einem Jahr

Frauen ohne kombinierte hormonale Verhuumltungsmethode die nicht schwanger sind

ca 2 von 10000 Frauen

mit kombinierten hormonalen kontrazeptiva die levonorgestrel Norethisteron oder Norgestimat enthalten

ca 5 bis 7 von 10000 Frauen

mit praumlparaten die etonogestrel oder Norelgestromin enthalten (pflaster und Vaginalring)

ca 6 bis 12 von 10000 Frauen

mit praumlparaten die Drospirenon Gestoden oder Desogestrel enthalten ca 9 bis 12 von 10000 Frauen

mit praumlparaten die chlormadinon Dienogest oder Nomegestrol enthalten risiko noch nicht bekannt Studien dazu werden aktuell durchgefuumlhrt

Es gibt keine Hinweise dass diese Risikounterschiede auch fuumlr arterielle Thromboembolien2 gelten

Vte-risiko in Abhaumlngigkeit des verwendeten Gestagens

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Kommission wird dazu in Kuumlrze erwartet Frauen sollen darin unterstuumltzt werden gemeinsam mit demder behandelnden ArztAumlrztin eine infor-mierte Entscheidung treffen zu koumlnnen welche Verhuumltungsmethode sie anwenden

Daten der BZgA zum Verhuumltungsverhalten zeigen dass nach wie vor die Mehrzahl der Frauen die Ver-huumltungsmittel anwendet etwa 53 Prozent mit der Pille verhuumltet (BZgA 2011) Die Anwendungszahlen veraumlndern sich allerdings mit dem Alter der Befrag-ten In der Altersgruppe der 18 bis 29 jaumlhrigen liegt der Anteil bei 72 Prozent von den 30 bis 39 Jaumlhri-gen Frauen nutzen 51 Prozent und von den 40 bis 49 Jaumlhrigen 34 Prozent die Pille

Der Arzneimittelreport der BARMER GEK 2011 der allerdings nur die zu Lasten der Krankenkasse (bei Frauen bis zum 20 Lebensjahr) verordneten Ver-huumltungsmittel erfasst zeigte auf dass unter den zwanzig haumlufigsten verordneten Kontrazeptiva (nach Packungsabsatz) analog der Verordnungsten-denz auf dem deutschen Gesamtmarkt vorwiegend Produkte mit neuartigen Gestagenen (Gestagene der sogenannten dritten und vierten Generation) rezeptiert wurden Trotz wiederholter Meldungen uumlber das houmlhere Risiko fuumlr VTE gegenuumlber aumllteren bewaumlhrten Praumlparaten gehoumlrten Produkte wie Lamunareg Aidareg und Yasminreg Yasminellereg zu den am haumlufigsten verordneten Kontrazeptiva Mit gro-szligem Abstand wurden die houmlchsten Umsaumltze mit dem Praumlparat Valettereg registriert das Dienogest enthaumllt ein Gestagen fuumlr das keine Daten zum VTE-Risiko vorliegen

Aktuelle Leitlinien der gynaumlkologischen Fachge-sellschaft zu dem Thema Empfaumlngnisverhuumltung gibt es in Deutschland nicht Die Entwicklung einer S3-Leitlinie wurde im Herbst 2013 angemeldet die Fertigstellung ist fuumlr Ende 2016 geplant3 Die Leit-linien der WHO geben allerdings keine Empfehlun-gen zu Verordnung hormonaler Kontrazeptive mit bestimmten Gestagenen (WHO 2009) n

Endnoten1 Frankreich hatte aufgrund thromboembolischer Zwischenfaumllle Pillen mit dem Gestagen Cyproteronacetat vom Markt genommen und eine Risikobewertung kombinierter hormonaler Kontrazeptiva mit unterschiedlichen Gestagen Komponenten angestoszligen2 Arterielle Thromboembolien koumlnnen zum Beispiel zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall fuumlhren3 AWMF onlinewwwawmforgleitliniendetailanmeldung 1ll015-015html

LiteraturBarmer GEK Arzneimittelreport 2011 wwwzesuni-bremendeuploadsGAZESse2011-022011_BARMER-GEK_Arzneimittel reportpdfBZgA Verhuumltungsverhalten Erwachsener Ergebnisse der Repraumlsen-tativbefragung 2011 wwwforschungsexualaufklaerungdefileadminfileadmin-forschungpdfBZGA-11-00988_Verhue_tungsverhalten_Erwachsener_DE_lowpdfEuropean Medicines Agency Combined hormonal contraceptives wwwemaeuropaeuemaindexjspcurl=pagesspecial_topicsgeneralgeneral_content_000581jspampmid= WC0b01 ac05806b6b24European Medicines Agency Benefits of combined hormonal con-traceptives (CHCs) continue to outweigh risksndashCHMP endorses PRAC recommendation 22 November 2013 EMA7091202013 wwwemaeuropaeudocsen_GBdocument_libraryPress_release201311WC500155455pdfWHO Medical eligibility criteria for contraceptive use 2009 4th Edition

AKTuELLE INFoRMATIoN

Pille danach Statements des ICECInes Thonke

Die oTC- Abgabe der Pille danachDas International Consortium for Emergency Contraception (ICEC) veroumlffentlichte im Dezem-ber ein Statement das sich mit Unterschieden im Zugang zur hormonellen Nachverhuumltung mit Levonor gestrel (LNG) befasst

Die bdquoOTCldquo oder bdquoover-the-counterldquo-Zugaumlnglichkeit bedeutet dass die Notfallverhuumltung aumlhnlich wie Kondome in Geschaumlften frei und ohne Kontakt zum Verkaufspersonal erhaumlltlich ist Dies stellt den

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Weg mit den geringsten Barrieren dar Auf diese Weise ist die Pille danach mit LNG laut ICEC unter anderem in Kanada Indien Bulgarien Daumlnemark Niederlande Norwegen Portugal Schweden Slowakei und Estland zugaumlnglich Seit August 2013 ist auch in den USA ein LNG-Praumlparat OTC zugelas-sen Bei der BTC bdquobehind-the-counterldquo- Abgabe ist das Medikament ohne Rezept aber nur auf aktive Nachfrage in einer Apotheke erhaumlltlich Dieser Weg besteht in 62 Laumlndern voraussichtlich ab Mai 2014 auch Deutschland Der dritte Abgabemodus ist die Abgabe nur mit Rezept Das ICEC kritisiert dass die Pille danach auf LNG Basis noch immer in vielen Laumlndern rezeptpflichtig ist obwohl dies aus medizinischer Sicht nicht noumltig ist und fuumlr viele Frauen eine unnoumltige und vermeidbare Huumlrde fuumlr die Anwendung bedeutet Das Statement fasst die wichtigsten Aspekte zur (Arzneimittel-) Sicherheit und Wirkungsweise auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Daten zusammen und wider-legt Argumente von erhoumlhtem Risikoverhalten und unzureichendem Verstaumlndnis der Anwendung bei Jugendlichen Hindernisse beim Zugang zur Pille danach sollten beseitigt werden damit Frauen sie bei Bedarf so fruumlh wie moumlglich nutzen koumlnnen Das Consortium betont den Faktor Zeit bei der Wirk-samkeit

Die Pille danach nach sexueller GewaltBereits im September 2013 publizierte das ICEC gemeinsam mit der Sexual Violence Research Initiative die Stellungnahme zur Bedeutung der Pille danach bei der Versorgung von Opfern sexu-eller Gewalt Nicht in allen Laumlndern gehoumlrt die hormonelle Nachverhuumltung zu den Standards der Gesundheitsversorgung nach Vergewaltigung Das Statement informiert uumlber die verfuumlgbaren Leit-linien der Weltgesundheitsorganisation WHO die Empfehlungen der Internationalen Gesellschaft fuumlr Geburtshilfe und Gynaumlkologie FIGO und der Vereinten Nationen Regierungen sollten sicherstel-len dass nationale Richtlinien zur Versorgung von Frauen nach sexueller Gewalt auch das Angebot der Pille danach beruumlcksichtigen Eine Verwei-gerung aus Gewissensgruumlnden sollte in diesen

Situationen ausschlossen werden Wird Frauen die Moumlglichkeit verwehrt eine ungewollte Schwanger-schaft zu verhindern verletzt dies ihre Menschen-rechte und kann zu schweren Beeintraumlchtigungen der koumlrperlichen und psychischen Gesundheit fuumlhren

LiteraturInternational Consortium for Emergency Contraception Over the counter access to emergency contraceptive pills Dez 2013 wwwcecinfoorgcustom-contentuploads201312ICEC_OTC_12-17-13pdfInternational Consortium for Emergency Contraception Sexual Violence Research Initiative EC for rape survivors- A Human Rights and Public Health Imperative Sept 2013 wwwcecinfoorg custom-contentuploads201310SexAssault_FactSheet-Revisedpdf

Eine Initiative der American Academy of Family Physicians (AAFP) mit dem Namen bdquoChoosing Wiselyldquo pruumlft in der taumlglichen Praxis gaumlngige medizinische Maszlignahmen auf wissenschaftliche Belege fuumlr ihren Nutzen Die Initiative verfolgt das Ziel bei der medizinischen Versorgung Risiken und Schaumlden durch nicht notwendige beziehungs-weise nicht sinnvolle Maszlignahmen zu vermeiden und Kosten zu reduzieren Die Ergebnisse wurden bisher in drei Listen mit Empfehlungen veroumlffent-licht Basis der Empfehlungen ist die relevante wissenschaftliche Literatur unter anderem Uumlbersichts artikel der Cochrane Library Datenbank Weitere Fachgesellschaften werden je gtgt

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Medizinische Maszlig-nahmen ohne Nutzen im Bereich der reproduktiven GesundheitInes Thonke

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redaktionHelga Seyler Frauenaumlrztin HamburgDr med Ines Thonke pro familia Bundesverband

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Erscheinungsweise vierteljaumlhrlichcopy 2014 ISSN 2195-7789

Gefoumlrdert von der Bundeszentrale fuumlr gesundheitliche Aufklaumlrung (BZgA)

nach Fragestellung in die Erarbeitung der Empfeh-lungen eingebunden

In der dritten Choosing Wisely Liste wurde eine Empfehlung zur koumlrperlichen Untersuchung vor Verordnung von oralen Kontrazeptiva aufgenom-men Demnach ist eine gynaumlkologische bzw eine Brustuntersuchung als Basis fuumlr die Verordnung nicht notwendig es gibt keine Daten die den Nutzen belegen Sinnvoll ist eine Anamnese-erhebung zur Klaumlrung von medizinischen Risiken und die Messung des Blutdrucks Orale Kontrazep-tiva werden in den allermeisten Faumlllen gut vertra-gen sie sind sicher und wirksam Eine koumlrperliche Untersuchung traumlgt nicht zur Klaumlrung von Unver-traumlglichkeiten Risiken und Kontraindikationen bei

Auch ein Screening fuumlr Prostatakrebs mittels PSA-Test oder digitaler rektaler Untersuchung sollte nicht routinemaumlszligig erfolgen da gut belegt ist dass dies zu einer groszligen Anzahl von Uumlberdiagnosen fuumlhrt Viele Tumoren fuumlhren nicht zu Beschwerden die Risiken der Behandlung sind jedoch erheblich Die Untersuchungen sollte nur nach einer gemein-samen Entscheidung von Patient und Arzt durch-gefuumlhrt werden

Die vorangegangenen Listen enthalten weitere Empfehlung fuumlr den Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit So soll bei Frauen unter 21 Jahren kein Screening mit Pap-Test durchgefuumlhrt werden desgleichen bei Frauen uumlber 65 Jahren bei denen regelmaumlszligig durchgefuumlhrte Abstrichen bis dahin unauffaumlllig waren Auch bei Frauen nach

einer Hysterektomie sollte kein Pap-Test durchge-fuumlhrt werden auszliger wenn die Hysterektomie auf-grund der Diagnose Karzinom oder Krebsvorstufe erfolgte Da ein Zervixkarzinom in allen genannten Gruppen sehr selten ist uumlberwiegen die Risiken des Screenings (falsch positive Befunde) gegenuumlber dem Nutzen

Bei Frauen unter 30 Jahren sollte kein HPV-Test zum Screening auf Zervixkarzinom durchgefuumlhrt wer-den da die Rate an HPV-Infektionen bei Frauen in diesem Alter hoch ist und die groszlige Mehrzahl der Infektionen ohne Folgen ausheilt

Auch in Deutschland gibt es Diskussionen daruumlber eine solche Initiative mit dem Titel bdquoGemeinsam klug entscheidenldquo ins Leben zu rufen Das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin ein interdis-ziplinaumlrer Zusammenschluss von AumlrztInnen und WissenschaftlerInnen hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet die uumlber geeignete Methoden zur Ent-wicklung entsprechender Empfehlungen beraten soll Anders als in den USA sollen die Listen hier auch mit Beteiligung von PatientInnen entwickelt werden Auf der Internetseite des Netzwerks finden sich weitere Informationen dazu

Literatur American Academy of Family Physicians Fifteen Things Physicians and Patients Should Question wwwchoosingwiselyorg wp-contentuploads201302Choosing-Wisely-Master-Listpdf

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin Eine Choosing Wisely Initiative fuumlr Deutschland Pressemitteilung 2252013 wwwebm-netzwerkdepdfstellungnahmenpm-dnebm-choo-sing-wisely-initiativepdf

Page 7: Mammographie- Screening. Kontroverse über Nutzen und Risiken · N R. 1 I Februar 2014 I 3 men zu Beginn des Screenings durch die frühere Diagnosestellung, die beim Screening angestrebt

NR 1 I Februar 2014 I 7

eine verstaumlndliche und an den Fragen der Nutze-rinnen orientierte Aufklaumlrung nicht einfach Als Grundlage dafuumlr haben verschiedene ExpertInnen-gruppen Zahlen zu Nutzen und Risiken in Uumlbersich-ten zusammengefasst Diese fallen unterschiedlich aus da sie sich auf unterschiedliche Daten und Zeitraumlume stuumltzen

In Deutschland haben sich ExpertInnen aus meh-reren Fachbereichen auf sogenannte Kennzahlen verstaumlndigt die in der Aufklaumlrungsbroschuumlre zum organisierten Screening2 genannt werden (Wey-mayr 2010) Sie beziehen sich auf 200 Frauen und den Zeitraum von 20 Jahren Entsprechend dieser Kennzahlen wird bei 13 der 200 Frauen Brustkrebs festgestellt davon bei 10 Frauen durch das Scree-ning bei 3 Frauen im Zeitraum zwischen zwei Screening-Untersuchungen Drei dieser Frauen sterben an Brustkrebs Bei einer der Frauen kann ein Todesfall verhindert werden eine weitere Frau haumltte ohne das Screening nichts von ihrem Brust-krebs erfahren 50 Frauen werden mit einem falsch positiven Ergebnis belastet das bei 10 dieser Frauen durch eine Operation abgeklaumlrt werden muss

Die Zahlen des Independent UK Panel on Breast Cancer Screening beziehen sich auf 10 000 Frauen und einen Zeitraum von 20 Jahren (Marmot 2012) Bei diesen Frauen werden 681 Faumllle von Brustkrebs diagnostiziert 43 Todesfaumllle an Brustkrebs werden verhindert dagegen haumltten 129 Frauen ohne Scree-ning keine Brustkrebsdiagnose bekommen

Die Arbeitsgruppe der Cochrane Collaboration hat eine auch ins Deutsche uumlbersetzte Broschuumlre

erstellt3 (Nordisches Cochrane Zentrum 2012) Die Angaben beziehen sich auf 2000 Frauen und 10 Jahre Screening-Teilnahme Bei diesen 2000 Frauen wird ein Todesfall vermieden Zehn Frauen erhalten eine Brustkrebsdiagnose die sie ohne Screening nicht bekommen haumltten Bei 200 der Frauen wird ein falsch positiver Befund erhoben

Die Berechnungen der Euroscreen Working Group die sich auf 1000 Frauen und einen Zeitraum von 20 Jahren beziehen sehen so aus Bei neun Frauen kann ein Todesfall an Brustkrebs verhindert werden vier erhalten eine Uumlberdiagnose 200 erhalten ein falsch positives Ergebnis das bei 30 dieser Frauen durch eine Operation abgeklaumlrt werden muss (Paci 2012) Siehe Tabelle

Fuumlr manche Frauen moumlgen diese Zahlen hilfreich sein fuumlr andere sind sie eher verwirrend und wenig nuumltzlich fuumlr die Entscheidungsfindung Sie sollten aber auf jeden Fall den AumlrztInnen bekannt sein die uumlber das Screening aufklaumlren um individuelle Fra-gen dazu beantworten zu koumlnnen Die Aufklaumlrung sollte sich an den persoumlnlichen Fragen und Beduumlrf-nissen der jeweiligen Frau orientieren Dabei sollten ihre Aumlngste in Bezug auf Brustkrebs und ihre Erwar-tungen an das Screening angesprochen werden Angesichts der allgemeinen Uumlberschaumltzung des Risikos an Brustkrebs zu sterben sowie des Nutzens des Screenings ist es sinnvoll dazu Zahlen zu nen-nen Auszligerdem sollten die Risiken des Screenings zumindest angesprochen und erklaumlrt werden

Die Entscheidung fuumlr oder gegen die Screening- Teilnahme ist oft nicht eindeutig und gtgt

Zeitraum in Jahren

verhinderte todesfaumllle

Uumlber- diagnosen

Falsch posi-tive Befunde

Davon op

kennzahlen weymayr 2010 20 5 5 250 50

uk panel marmot 2012 20 4 13 k A k A

cochrane Zentrum Goetzsche 2010 10 05 5 100 k A

euroscreen working Group paci 2012 20 9 4 200 30

Zahlen verschiedener Arbeitsgruppen zu Nutzen und risiken des mammographie-Screenings bezogen auf 1000 Frauen

8 I NR 1 I Februar 2014

ohne Konflikte Ambivalenzen werden durch eine ausgewogene Aufklaumlrung zunaumlchst oft groumlszliger und manche Patientinnen wuumlnschen sich stattdessen eine eindeutige Empfehlung Bei diesen kann im Gespraumlch die persoumlnliche Bewertung von Nutzen und Risiken geklaumlrt und auf dieser Basis eine indivi-duelle Empfehlung ausgesprochen werden

Die Mehrzahl der in Deutschland vorhandenen Aufklaumlrungsbroschuumlren ist beim individuellen Abwaumlgen der Entscheidung wenig hilfreich Zwar enthalten fast alle inzwischen konkrete Zahlen zu Nutzen und Risiken Anregungen uumlber persoumlnliche Praumlferenzen nachzudenken enthaumllt jedoch nur die Broschuumlre des Nationalen Netzwerk Frauengesund-heit die bereits 2004 erstellt und 2011 in aktua-lisierter Fassung von der Barmer GEK neu aufgelegt wurde4

FazitBei allen Kontroversen uumlber Nutzen und Risiken des Mammographie-Screenings besteht Konsens dass durch das Screening die Erkrankungszahlen insgesamt steigen Es scheint dass uumlberwiegend Karzinome mit geringem Risiko gefunden werden waumlhrend aggressive Tumoren eher in den Zeitraumlu-men zwischen den Screening-Runden also auszliger-halb des Screenings entdeckt werden (so genannte Intervallkarzinome) und fortgeschrittene Karzi-nome nicht im erwarteten Maszlige abnehmen Durch das Screening wird zwar wahrscheinlich die Zahl der Krebstodesfaumllle reduziert allerdings in deutlich geringerem Maszlige als oft angenommen

Eine Aufklaumlrung die Nutzen und Risiken des Screenings klar und ausreichend thematisiert und Frauen bei einer persoumlnlichen Entscheidung unterstuumltzt ist nicht einfach Es besteht Bedarf an hochwertigen Entscheidungshilfen fuumlr Frauen International ist die Entwicklung entsprechender Materialien zur Unterstuumltzung von Patientenent-scheidungen in Bezug auf medizinische Interven-tionen Gegenstand von Forschung n

Endnoten 1 Als Carcinoma in situ wird ein Herd von Krebszellen bezeichnet der (noch) nicht in andere Gewebeschichten eingedrungen ist das heiszligt kein invasives Wachstum zeigt2 Fruumlherkennung von Brustkrebs Was Sie daruumlber wissen sollten Eine Zusammenarbeit der Kooperationsgemeinschaft Mammo-graphie des Deutschen Krebsforschungszentrums ndash Krebsinforma-tionsdienst und der Deutschen Krebshilfe wwwmammo- programmdecms_uploadfck-userfiesfileBroschuere_ MammoScreening_2009pdf3 Nordisches Cochrane Zentrum Screening fuumlr Brustkrebs mit Mammographie 2012 wwwcochranedkscreeningindex-dehtm4 Barmer GEK Brustkrebs-Fruumlherkennung Informationen zur Mammografie Eine Entscheidungshilfe 2011 wwwnationales-netzwerk-frauengesundheitdedownloadsBarmer-Brustkrebspdf

LiteraturAutier P Boniol M et al Breast cancer mortality in neighbouring European countries with different levels of screening but similar access to treatment Trend analysis of WHO mortality database BMJ 2011 343 d4411Bleyer A Welch HG Effect of three decades of screening mammo-graphy on breast-cancer incidence N Engl J Med 2012 367 1998-2005Gigerenzer G Mata J et al Public knowledge of benefits of breast and prostate cancer screening in Europe J Natl Cancer Inst 2009 101 1216-20Goetzsche P Nielsen M Screening for breast cancer with mammo-graphy (review) Cochrane Database of Systematic Reviews 2011 Issue 1 Art No CD001877Hersch J Jansen J et al Womenlsquos views on overdiagnosis in breast cancer screening A qualitative study BMJ 2013 346 f158Joslashrgensen KJ Goslashtzsche PC Overdiagnosis in publicly organised mammography screening programmes systematic review of incidence trends BMJ 2009 339 b2587Joslashrgensen K Zahl P et al Breast cancer mortality in organised mammography screening in Denmark Comparative study BMJ 2010 340 c1241Malek D Rabe P Kooperationsgemeinschaf Mammographie Evaluationsbericht 2008ndash2009 Ergebnisse des Mammographie-Screening-Programms in Deutschland 2012 wwwmammo- programmdecms_uploadfck-userfiesEvaluationsbericht_ 2008-2009_webpdfMarmot MG Altman DG et al The benefits and harms of breast cancer screening An independent review Lancet 2012 380 1778ndash1786Nielsen M Thomsen JL et al Breast cancer and atypia among young and middle-aged women A study of 110 medicolegal autopsies British Journal of Cancer 1987 56 814-9Omer ZB Hwang ES et al Impact of ductal carcinoma in situ terminology on patient treatment preferences JAMA 2013 173 1830-1831Paci E Euroscreen Work Group Summary of the evidence of breast cancer service screening outcomes in Europe and first estimate of the benefit and harm balance sheet Journal of Medical Screening 2012 19 Suppl 1 5-13Partridge A Adloff K et al Risk perceptions and psychosocial outcomes of women with ductal carcinoma in situ Longitudinal results from a cohort study J Natl Cancer Inst 2008 100 243-51Rasmussen K Joergensen KJ et al Citations of scientific results and conflicts of interest The case of mammography screening Evid Based Med 2013 18 83-9Wegwarth O Gigerenzer G Overdiagnosis and overtreatment Evaluation of what physicians tell their patients about screening

NR 1 I Februar 2014 I 9

harms JAMA Intern Med Published online 21 October 2013aWegwarth O Krebsfruumlherkennung und Risikokommunikation Therapeutische Umschau 2013b 70 245-50Wegwarth O Schwartz LM et al Do physicians understand cancer screening statistics A national survey of primary care physicians in the United States Ann Intern Med 2012 156 340-349Welch HG Frankel BF Likelihood that a woman with screen- detected breast cancer has had her bdquolife savedldquo by that screening Arch Intern Med 2011 171Weymayr C Kooperationsgemeinschaft Mammographie Kenn-zahlen Mammographie-Screening 2010 wwwkomendehtmlimgpool1kennzahlenmammographie-screeningdokumentationv12pdf

AKTuELLE INFoRMATIoN

Hormonale Kontrazeptiva ndash Aktuelle Bewertung des ThromboserisikosInes Thonke

Auf Anfrage von Frankreich hat die Europaumlische Arzneimittelagentur (EMA) 2013 das Risiko fuumlr das Auftreten venoumlser Thromboembolien (VTE) unter der Einnahme kombinierter hormonaler Kontrazep-tiva gepruumlft1 Bereits im Oktober kam das zustaumln-dige EMA-Gremium fuumlr Arzneimittelsicherheit und Risikoabschaumltzung zu dem Ergebnis dass bei der Anwendung von KOK zur Schwangerschafts-

verhuumltung die Vorteile gegenuumlber den Risiken uumlberwiegen (EMA 20131) Diese Bewertung wurde im November 2013 vom Ausschuss fuumlr Humanarz-neimittel der Europaumlischen Arzneimittelagentur (CHMP) bestaumltigt Das bekannte Risiko fuumlr VTE ist bei allen niedrig dosierten kombinierten Kont-razeptiva (mit einem Anteil von Ethinylestradiol lt 50 mcg) gering jedoch treten sie in Abhaumlngigkeit vom verwendeten Gestagen unterschiedlich haumlufig auf Nach aktueller Studienlage ist das VTE-Risiko bei den Praumlparaten mit Levonorgestrel Norethis-teron oder Norgestimat am niedrigsten (siehe Tabelle)

Die EMA weist auf die hohe Bedeutung der aumlrzt-lichen Beratung und Information von Patientin-nen uumlber moumlgliche Risiken hin Hierfuumlr muumlssen verstaumlndliche und aktuelle Informationen zur Verfuumlgung stehen und vermittelt werden Alle Frauen die mit KOK verhuumlten sollten auch daruumlber informiert werden dass sie kombinierte hormonale Kontrazeptiva nicht absetzen sollten die sie bisher ohne Komplikationen vertragen haben Dennoch sollten diese Frauen uumlber zusaumltzliche Risiken wie starkes Uumlbergewicht Immobilitaumlt oder Thrombo-embolien in der Familie sowie moumlgliche Anzeichen und Symptome von akuten Gefaumlszligverschluumlssen aufgeklaumlrt werden Es ist vorgesehen die Produkt-informationen fuumlr verschreibungspflichtige Kontra-zeptiva dahingehend zu ergaumlnzen Eine rechtsver-bindliche Entscheidung der Europaumlischen gtgt

risiko fuumlr ein venoumlses thromboembolisches ereignis (Vte) in einem Jahr

Frauen ohne kombinierte hormonale Verhuumltungsmethode die nicht schwanger sind

ca 2 von 10000 Frauen

mit kombinierten hormonalen kontrazeptiva die levonorgestrel Norethisteron oder Norgestimat enthalten

ca 5 bis 7 von 10000 Frauen

mit praumlparaten die etonogestrel oder Norelgestromin enthalten (pflaster und Vaginalring)

ca 6 bis 12 von 10000 Frauen

mit praumlparaten die Drospirenon Gestoden oder Desogestrel enthalten ca 9 bis 12 von 10000 Frauen

mit praumlparaten die chlormadinon Dienogest oder Nomegestrol enthalten risiko noch nicht bekannt Studien dazu werden aktuell durchgefuumlhrt

Es gibt keine Hinweise dass diese Risikounterschiede auch fuumlr arterielle Thromboembolien2 gelten

Vte-risiko in Abhaumlngigkeit des verwendeten Gestagens

10 I NR 1 I Februar 2014

Kommission wird dazu in Kuumlrze erwartet Frauen sollen darin unterstuumltzt werden gemeinsam mit demder behandelnden ArztAumlrztin eine infor-mierte Entscheidung treffen zu koumlnnen welche Verhuumltungsmethode sie anwenden

Daten der BZgA zum Verhuumltungsverhalten zeigen dass nach wie vor die Mehrzahl der Frauen die Ver-huumltungsmittel anwendet etwa 53 Prozent mit der Pille verhuumltet (BZgA 2011) Die Anwendungszahlen veraumlndern sich allerdings mit dem Alter der Befrag-ten In der Altersgruppe der 18 bis 29 jaumlhrigen liegt der Anteil bei 72 Prozent von den 30 bis 39 Jaumlhri-gen Frauen nutzen 51 Prozent und von den 40 bis 49 Jaumlhrigen 34 Prozent die Pille

Der Arzneimittelreport der BARMER GEK 2011 der allerdings nur die zu Lasten der Krankenkasse (bei Frauen bis zum 20 Lebensjahr) verordneten Ver-huumltungsmittel erfasst zeigte auf dass unter den zwanzig haumlufigsten verordneten Kontrazeptiva (nach Packungsabsatz) analog der Verordnungsten-denz auf dem deutschen Gesamtmarkt vorwiegend Produkte mit neuartigen Gestagenen (Gestagene der sogenannten dritten und vierten Generation) rezeptiert wurden Trotz wiederholter Meldungen uumlber das houmlhere Risiko fuumlr VTE gegenuumlber aumllteren bewaumlhrten Praumlparaten gehoumlrten Produkte wie Lamunareg Aidareg und Yasminreg Yasminellereg zu den am haumlufigsten verordneten Kontrazeptiva Mit gro-szligem Abstand wurden die houmlchsten Umsaumltze mit dem Praumlparat Valettereg registriert das Dienogest enthaumllt ein Gestagen fuumlr das keine Daten zum VTE-Risiko vorliegen

Aktuelle Leitlinien der gynaumlkologischen Fachge-sellschaft zu dem Thema Empfaumlngnisverhuumltung gibt es in Deutschland nicht Die Entwicklung einer S3-Leitlinie wurde im Herbst 2013 angemeldet die Fertigstellung ist fuumlr Ende 2016 geplant3 Die Leit-linien der WHO geben allerdings keine Empfehlun-gen zu Verordnung hormonaler Kontrazeptive mit bestimmten Gestagenen (WHO 2009) n

Endnoten1 Frankreich hatte aufgrund thromboembolischer Zwischenfaumllle Pillen mit dem Gestagen Cyproteronacetat vom Markt genommen und eine Risikobewertung kombinierter hormonaler Kontrazeptiva mit unterschiedlichen Gestagen Komponenten angestoszligen2 Arterielle Thromboembolien koumlnnen zum Beispiel zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall fuumlhren3 AWMF onlinewwwawmforgleitliniendetailanmeldung 1ll015-015html

LiteraturBarmer GEK Arzneimittelreport 2011 wwwzesuni-bremendeuploadsGAZESse2011-022011_BARMER-GEK_Arzneimittel reportpdfBZgA Verhuumltungsverhalten Erwachsener Ergebnisse der Repraumlsen-tativbefragung 2011 wwwforschungsexualaufklaerungdefileadminfileadmin-forschungpdfBZGA-11-00988_Verhue_tungsverhalten_Erwachsener_DE_lowpdfEuropean Medicines Agency Combined hormonal contraceptives wwwemaeuropaeuemaindexjspcurl=pagesspecial_topicsgeneralgeneral_content_000581jspampmid= WC0b01 ac05806b6b24European Medicines Agency Benefits of combined hormonal con-traceptives (CHCs) continue to outweigh risksndashCHMP endorses PRAC recommendation 22 November 2013 EMA7091202013 wwwemaeuropaeudocsen_GBdocument_libraryPress_release201311WC500155455pdfWHO Medical eligibility criteria for contraceptive use 2009 4th Edition

AKTuELLE INFoRMATIoN

Pille danach Statements des ICECInes Thonke

Die oTC- Abgabe der Pille danachDas International Consortium for Emergency Contraception (ICEC) veroumlffentlichte im Dezem-ber ein Statement das sich mit Unterschieden im Zugang zur hormonellen Nachverhuumltung mit Levonor gestrel (LNG) befasst

Die bdquoOTCldquo oder bdquoover-the-counterldquo-Zugaumlnglichkeit bedeutet dass die Notfallverhuumltung aumlhnlich wie Kondome in Geschaumlften frei und ohne Kontakt zum Verkaufspersonal erhaumlltlich ist Dies stellt den

NR 1 I Februar 2014 I 11

Weg mit den geringsten Barrieren dar Auf diese Weise ist die Pille danach mit LNG laut ICEC unter anderem in Kanada Indien Bulgarien Daumlnemark Niederlande Norwegen Portugal Schweden Slowakei und Estland zugaumlnglich Seit August 2013 ist auch in den USA ein LNG-Praumlparat OTC zugelas-sen Bei der BTC bdquobehind-the-counterldquo- Abgabe ist das Medikament ohne Rezept aber nur auf aktive Nachfrage in einer Apotheke erhaumlltlich Dieser Weg besteht in 62 Laumlndern voraussichtlich ab Mai 2014 auch Deutschland Der dritte Abgabemodus ist die Abgabe nur mit Rezept Das ICEC kritisiert dass die Pille danach auf LNG Basis noch immer in vielen Laumlndern rezeptpflichtig ist obwohl dies aus medizinischer Sicht nicht noumltig ist und fuumlr viele Frauen eine unnoumltige und vermeidbare Huumlrde fuumlr die Anwendung bedeutet Das Statement fasst die wichtigsten Aspekte zur (Arzneimittel-) Sicherheit und Wirkungsweise auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Daten zusammen und wider-legt Argumente von erhoumlhtem Risikoverhalten und unzureichendem Verstaumlndnis der Anwendung bei Jugendlichen Hindernisse beim Zugang zur Pille danach sollten beseitigt werden damit Frauen sie bei Bedarf so fruumlh wie moumlglich nutzen koumlnnen Das Consortium betont den Faktor Zeit bei der Wirk-samkeit

Die Pille danach nach sexueller GewaltBereits im September 2013 publizierte das ICEC gemeinsam mit der Sexual Violence Research Initiative die Stellungnahme zur Bedeutung der Pille danach bei der Versorgung von Opfern sexu-eller Gewalt Nicht in allen Laumlndern gehoumlrt die hormonelle Nachverhuumltung zu den Standards der Gesundheitsversorgung nach Vergewaltigung Das Statement informiert uumlber die verfuumlgbaren Leit-linien der Weltgesundheitsorganisation WHO die Empfehlungen der Internationalen Gesellschaft fuumlr Geburtshilfe und Gynaumlkologie FIGO und der Vereinten Nationen Regierungen sollten sicherstel-len dass nationale Richtlinien zur Versorgung von Frauen nach sexueller Gewalt auch das Angebot der Pille danach beruumlcksichtigen Eine Verwei-gerung aus Gewissensgruumlnden sollte in diesen

Situationen ausschlossen werden Wird Frauen die Moumlglichkeit verwehrt eine ungewollte Schwanger-schaft zu verhindern verletzt dies ihre Menschen-rechte und kann zu schweren Beeintraumlchtigungen der koumlrperlichen und psychischen Gesundheit fuumlhren

LiteraturInternational Consortium for Emergency Contraception Over the counter access to emergency contraceptive pills Dez 2013 wwwcecinfoorgcustom-contentuploads201312ICEC_OTC_12-17-13pdfInternational Consortium for Emergency Contraception Sexual Violence Research Initiative EC for rape survivors- A Human Rights and Public Health Imperative Sept 2013 wwwcecinfoorg custom-contentuploads201310SexAssault_FactSheet-Revisedpdf

Eine Initiative der American Academy of Family Physicians (AAFP) mit dem Namen bdquoChoosing Wiselyldquo pruumlft in der taumlglichen Praxis gaumlngige medizinische Maszlignahmen auf wissenschaftliche Belege fuumlr ihren Nutzen Die Initiative verfolgt das Ziel bei der medizinischen Versorgung Risiken und Schaumlden durch nicht notwendige beziehungs-weise nicht sinnvolle Maszlignahmen zu vermeiden und Kosten zu reduzieren Die Ergebnisse wurden bisher in drei Listen mit Empfehlungen veroumlffent-licht Basis der Empfehlungen ist die relevante wissenschaftliche Literatur unter anderem Uumlbersichts artikel der Cochrane Library Datenbank Weitere Fachgesellschaften werden je gtgt

AKTuELLE INFoRMATIoN

Medizinische Maszlig-nahmen ohne Nutzen im Bereich der reproduktiven GesundheitInes Thonke

12 I NR 1 I Februar 2014

Impressum herausgeberpro familia BundesverbandStresemannallee 360596 Frankfurt am Main

redaktionHelga Seyler Frauenaumlrztin HamburgDr med Ines Thonke pro familia Bundesverband

E-Mail infoprofamiliadewwwprofamiliadePublikationen

Erscheinungsweise vierteljaumlhrlichcopy 2014 ISSN 2195-7789

Gefoumlrdert von der Bundeszentrale fuumlr gesundheitliche Aufklaumlrung (BZgA)

nach Fragestellung in die Erarbeitung der Empfeh-lungen eingebunden

In der dritten Choosing Wisely Liste wurde eine Empfehlung zur koumlrperlichen Untersuchung vor Verordnung von oralen Kontrazeptiva aufgenom-men Demnach ist eine gynaumlkologische bzw eine Brustuntersuchung als Basis fuumlr die Verordnung nicht notwendig es gibt keine Daten die den Nutzen belegen Sinnvoll ist eine Anamnese-erhebung zur Klaumlrung von medizinischen Risiken und die Messung des Blutdrucks Orale Kontrazep-tiva werden in den allermeisten Faumlllen gut vertra-gen sie sind sicher und wirksam Eine koumlrperliche Untersuchung traumlgt nicht zur Klaumlrung von Unver-traumlglichkeiten Risiken und Kontraindikationen bei

Auch ein Screening fuumlr Prostatakrebs mittels PSA-Test oder digitaler rektaler Untersuchung sollte nicht routinemaumlszligig erfolgen da gut belegt ist dass dies zu einer groszligen Anzahl von Uumlberdiagnosen fuumlhrt Viele Tumoren fuumlhren nicht zu Beschwerden die Risiken der Behandlung sind jedoch erheblich Die Untersuchungen sollte nur nach einer gemein-samen Entscheidung von Patient und Arzt durch-gefuumlhrt werden

Die vorangegangenen Listen enthalten weitere Empfehlung fuumlr den Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit So soll bei Frauen unter 21 Jahren kein Screening mit Pap-Test durchgefuumlhrt werden desgleichen bei Frauen uumlber 65 Jahren bei denen regelmaumlszligig durchgefuumlhrte Abstrichen bis dahin unauffaumlllig waren Auch bei Frauen nach

einer Hysterektomie sollte kein Pap-Test durchge-fuumlhrt werden auszliger wenn die Hysterektomie auf-grund der Diagnose Karzinom oder Krebsvorstufe erfolgte Da ein Zervixkarzinom in allen genannten Gruppen sehr selten ist uumlberwiegen die Risiken des Screenings (falsch positive Befunde) gegenuumlber dem Nutzen

Bei Frauen unter 30 Jahren sollte kein HPV-Test zum Screening auf Zervixkarzinom durchgefuumlhrt wer-den da die Rate an HPV-Infektionen bei Frauen in diesem Alter hoch ist und die groszlige Mehrzahl der Infektionen ohne Folgen ausheilt

Auch in Deutschland gibt es Diskussionen daruumlber eine solche Initiative mit dem Titel bdquoGemeinsam klug entscheidenldquo ins Leben zu rufen Das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin ein interdis-ziplinaumlrer Zusammenschluss von AumlrztInnen und WissenschaftlerInnen hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet die uumlber geeignete Methoden zur Ent-wicklung entsprechender Empfehlungen beraten soll Anders als in den USA sollen die Listen hier auch mit Beteiligung von PatientInnen entwickelt werden Auf der Internetseite des Netzwerks finden sich weitere Informationen dazu

Literatur American Academy of Family Physicians Fifteen Things Physicians and Patients Should Question wwwchoosingwiselyorg wp-contentuploads201302Choosing-Wisely-Master-Listpdf

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin Eine Choosing Wisely Initiative fuumlr Deutschland Pressemitteilung 2252013 wwwebm-netzwerkdepdfstellungnahmenpm-dnebm-choo-sing-wisely-initiativepdf

Page 8: Mammographie- Screening. Kontroverse über Nutzen und Risiken · N R. 1 I Februar 2014 I 3 men zu Beginn des Screenings durch die frühere Diagnosestellung, die beim Screening angestrebt

8 I NR 1 I Februar 2014

ohne Konflikte Ambivalenzen werden durch eine ausgewogene Aufklaumlrung zunaumlchst oft groumlszliger und manche Patientinnen wuumlnschen sich stattdessen eine eindeutige Empfehlung Bei diesen kann im Gespraumlch die persoumlnliche Bewertung von Nutzen und Risiken geklaumlrt und auf dieser Basis eine indivi-duelle Empfehlung ausgesprochen werden

Die Mehrzahl der in Deutschland vorhandenen Aufklaumlrungsbroschuumlren ist beim individuellen Abwaumlgen der Entscheidung wenig hilfreich Zwar enthalten fast alle inzwischen konkrete Zahlen zu Nutzen und Risiken Anregungen uumlber persoumlnliche Praumlferenzen nachzudenken enthaumllt jedoch nur die Broschuumlre des Nationalen Netzwerk Frauengesund-heit die bereits 2004 erstellt und 2011 in aktua-lisierter Fassung von der Barmer GEK neu aufgelegt wurde4

FazitBei allen Kontroversen uumlber Nutzen und Risiken des Mammographie-Screenings besteht Konsens dass durch das Screening die Erkrankungszahlen insgesamt steigen Es scheint dass uumlberwiegend Karzinome mit geringem Risiko gefunden werden waumlhrend aggressive Tumoren eher in den Zeitraumlu-men zwischen den Screening-Runden also auszliger-halb des Screenings entdeckt werden (so genannte Intervallkarzinome) und fortgeschrittene Karzi-nome nicht im erwarteten Maszlige abnehmen Durch das Screening wird zwar wahrscheinlich die Zahl der Krebstodesfaumllle reduziert allerdings in deutlich geringerem Maszlige als oft angenommen

Eine Aufklaumlrung die Nutzen und Risiken des Screenings klar und ausreichend thematisiert und Frauen bei einer persoumlnlichen Entscheidung unterstuumltzt ist nicht einfach Es besteht Bedarf an hochwertigen Entscheidungshilfen fuumlr Frauen International ist die Entwicklung entsprechender Materialien zur Unterstuumltzung von Patientenent-scheidungen in Bezug auf medizinische Interven-tionen Gegenstand von Forschung n

Endnoten 1 Als Carcinoma in situ wird ein Herd von Krebszellen bezeichnet der (noch) nicht in andere Gewebeschichten eingedrungen ist das heiszligt kein invasives Wachstum zeigt2 Fruumlherkennung von Brustkrebs Was Sie daruumlber wissen sollten Eine Zusammenarbeit der Kooperationsgemeinschaft Mammo-graphie des Deutschen Krebsforschungszentrums ndash Krebsinforma-tionsdienst und der Deutschen Krebshilfe wwwmammo- programmdecms_uploadfck-userfiesfileBroschuere_ MammoScreening_2009pdf3 Nordisches Cochrane Zentrum Screening fuumlr Brustkrebs mit Mammographie 2012 wwwcochranedkscreeningindex-dehtm4 Barmer GEK Brustkrebs-Fruumlherkennung Informationen zur Mammografie Eine Entscheidungshilfe 2011 wwwnationales-netzwerk-frauengesundheitdedownloadsBarmer-Brustkrebspdf

LiteraturAutier P Boniol M et al Breast cancer mortality in neighbouring European countries with different levels of screening but similar access to treatment Trend analysis of WHO mortality database BMJ 2011 343 d4411Bleyer A Welch HG Effect of three decades of screening mammo-graphy on breast-cancer incidence N Engl J Med 2012 367 1998-2005Gigerenzer G Mata J et al Public knowledge of benefits of breast and prostate cancer screening in Europe J Natl Cancer Inst 2009 101 1216-20Goetzsche P Nielsen M Screening for breast cancer with mammo-graphy (review) Cochrane Database of Systematic Reviews 2011 Issue 1 Art No CD001877Hersch J Jansen J et al Womenlsquos views on overdiagnosis in breast cancer screening A qualitative study BMJ 2013 346 f158Joslashrgensen KJ Goslashtzsche PC Overdiagnosis in publicly organised mammography screening programmes systematic review of incidence trends BMJ 2009 339 b2587Joslashrgensen K Zahl P et al Breast cancer mortality in organised mammography screening in Denmark Comparative study BMJ 2010 340 c1241Malek D Rabe P Kooperationsgemeinschaf Mammographie Evaluationsbericht 2008ndash2009 Ergebnisse des Mammographie-Screening-Programms in Deutschland 2012 wwwmammo- programmdecms_uploadfck-userfiesEvaluationsbericht_ 2008-2009_webpdfMarmot MG Altman DG et al The benefits and harms of breast cancer screening An independent review Lancet 2012 380 1778ndash1786Nielsen M Thomsen JL et al Breast cancer and atypia among young and middle-aged women A study of 110 medicolegal autopsies British Journal of Cancer 1987 56 814-9Omer ZB Hwang ES et al Impact of ductal carcinoma in situ terminology on patient treatment preferences JAMA 2013 173 1830-1831Paci E Euroscreen Work Group Summary of the evidence of breast cancer service screening outcomes in Europe and first estimate of the benefit and harm balance sheet Journal of Medical Screening 2012 19 Suppl 1 5-13Partridge A Adloff K et al Risk perceptions and psychosocial outcomes of women with ductal carcinoma in situ Longitudinal results from a cohort study J Natl Cancer Inst 2008 100 243-51Rasmussen K Joergensen KJ et al Citations of scientific results and conflicts of interest The case of mammography screening Evid Based Med 2013 18 83-9Wegwarth O Gigerenzer G Overdiagnosis and overtreatment Evaluation of what physicians tell their patients about screening

NR 1 I Februar 2014 I 9

harms JAMA Intern Med Published online 21 October 2013aWegwarth O Krebsfruumlherkennung und Risikokommunikation Therapeutische Umschau 2013b 70 245-50Wegwarth O Schwartz LM et al Do physicians understand cancer screening statistics A national survey of primary care physicians in the United States Ann Intern Med 2012 156 340-349Welch HG Frankel BF Likelihood that a woman with screen- detected breast cancer has had her bdquolife savedldquo by that screening Arch Intern Med 2011 171Weymayr C Kooperationsgemeinschaft Mammographie Kenn-zahlen Mammographie-Screening 2010 wwwkomendehtmlimgpool1kennzahlenmammographie-screeningdokumentationv12pdf

AKTuELLE INFoRMATIoN

Hormonale Kontrazeptiva ndash Aktuelle Bewertung des ThromboserisikosInes Thonke

Auf Anfrage von Frankreich hat die Europaumlische Arzneimittelagentur (EMA) 2013 das Risiko fuumlr das Auftreten venoumlser Thromboembolien (VTE) unter der Einnahme kombinierter hormonaler Kontrazep-tiva gepruumlft1 Bereits im Oktober kam das zustaumln-dige EMA-Gremium fuumlr Arzneimittelsicherheit und Risikoabschaumltzung zu dem Ergebnis dass bei der Anwendung von KOK zur Schwangerschafts-

verhuumltung die Vorteile gegenuumlber den Risiken uumlberwiegen (EMA 20131) Diese Bewertung wurde im November 2013 vom Ausschuss fuumlr Humanarz-neimittel der Europaumlischen Arzneimittelagentur (CHMP) bestaumltigt Das bekannte Risiko fuumlr VTE ist bei allen niedrig dosierten kombinierten Kont-razeptiva (mit einem Anteil von Ethinylestradiol lt 50 mcg) gering jedoch treten sie in Abhaumlngigkeit vom verwendeten Gestagen unterschiedlich haumlufig auf Nach aktueller Studienlage ist das VTE-Risiko bei den Praumlparaten mit Levonorgestrel Norethis-teron oder Norgestimat am niedrigsten (siehe Tabelle)

Die EMA weist auf die hohe Bedeutung der aumlrzt-lichen Beratung und Information von Patientin-nen uumlber moumlgliche Risiken hin Hierfuumlr muumlssen verstaumlndliche und aktuelle Informationen zur Verfuumlgung stehen und vermittelt werden Alle Frauen die mit KOK verhuumlten sollten auch daruumlber informiert werden dass sie kombinierte hormonale Kontrazeptiva nicht absetzen sollten die sie bisher ohne Komplikationen vertragen haben Dennoch sollten diese Frauen uumlber zusaumltzliche Risiken wie starkes Uumlbergewicht Immobilitaumlt oder Thrombo-embolien in der Familie sowie moumlgliche Anzeichen und Symptome von akuten Gefaumlszligverschluumlssen aufgeklaumlrt werden Es ist vorgesehen die Produkt-informationen fuumlr verschreibungspflichtige Kontra-zeptiva dahingehend zu ergaumlnzen Eine rechtsver-bindliche Entscheidung der Europaumlischen gtgt

risiko fuumlr ein venoumlses thromboembolisches ereignis (Vte) in einem Jahr

Frauen ohne kombinierte hormonale Verhuumltungsmethode die nicht schwanger sind

ca 2 von 10000 Frauen

mit kombinierten hormonalen kontrazeptiva die levonorgestrel Norethisteron oder Norgestimat enthalten

ca 5 bis 7 von 10000 Frauen

mit praumlparaten die etonogestrel oder Norelgestromin enthalten (pflaster und Vaginalring)

ca 6 bis 12 von 10000 Frauen

mit praumlparaten die Drospirenon Gestoden oder Desogestrel enthalten ca 9 bis 12 von 10000 Frauen

mit praumlparaten die chlormadinon Dienogest oder Nomegestrol enthalten risiko noch nicht bekannt Studien dazu werden aktuell durchgefuumlhrt

Es gibt keine Hinweise dass diese Risikounterschiede auch fuumlr arterielle Thromboembolien2 gelten

Vte-risiko in Abhaumlngigkeit des verwendeten Gestagens

10 I NR 1 I Februar 2014

Kommission wird dazu in Kuumlrze erwartet Frauen sollen darin unterstuumltzt werden gemeinsam mit demder behandelnden ArztAumlrztin eine infor-mierte Entscheidung treffen zu koumlnnen welche Verhuumltungsmethode sie anwenden

Daten der BZgA zum Verhuumltungsverhalten zeigen dass nach wie vor die Mehrzahl der Frauen die Ver-huumltungsmittel anwendet etwa 53 Prozent mit der Pille verhuumltet (BZgA 2011) Die Anwendungszahlen veraumlndern sich allerdings mit dem Alter der Befrag-ten In der Altersgruppe der 18 bis 29 jaumlhrigen liegt der Anteil bei 72 Prozent von den 30 bis 39 Jaumlhri-gen Frauen nutzen 51 Prozent und von den 40 bis 49 Jaumlhrigen 34 Prozent die Pille

Der Arzneimittelreport der BARMER GEK 2011 der allerdings nur die zu Lasten der Krankenkasse (bei Frauen bis zum 20 Lebensjahr) verordneten Ver-huumltungsmittel erfasst zeigte auf dass unter den zwanzig haumlufigsten verordneten Kontrazeptiva (nach Packungsabsatz) analog der Verordnungsten-denz auf dem deutschen Gesamtmarkt vorwiegend Produkte mit neuartigen Gestagenen (Gestagene der sogenannten dritten und vierten Generation) rezeptiert wurden Trotz wiederholter Meldungen uumlber das houmlhere Risiko fuumlr VTE gegenuumlber aumllteren bewaumlhrten Praumlparaten gehoumlrten Produkte wie Lamunareg Aidareg und Yasminreg Yasminellereg zu den am haumlufigsten verordneten Kontrazeptiva Mit gro-szligem Abstand wurden die houmlchsten Umsaumltze mit dem Praumlparat Valettereg registriert das Dienogest enthaumllt ein Gestagen fuumlr das keine Daten zum VTE-Risiko vorliegen

Aktuelle Leitlinien der gynaumlkologischen Fachge-sellschaft zu dem Thema Empfaumlngnisverhuumltung gibt es in Deutschland nicht Die Entwicklung einer S3-Leitlinie wurde im Herbst 2013 angemeldet die Fertigstellung ist fuumlr Ende 2016 geplant3 Die Leit-linien der WHO geben allerdings keine Empfehlun-gen zu Verordnung hormonaler Kontrazeptive mit bestimmten Gestagenen (WHO 2009) n

Endnoten1 Frankreich hatte aufgrund thromboembolischer Zwischenfaumllle Pillen mit dem Gestagen Cyproteronacetat vom Markt genommen und eine Risikobewertung kombinierter hormonaler Kontrazeptiva mit unterschiedlichen Gestagen Komponenten angestoszligen2 Arterielle Thromboembolien koumlnnen zum Beispiel zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall fuumlhren3 AWMF onlinewwwawmforgleitliniendetailanmeldung 1ll015-015html

LiteraturBarmer GEK Arzneimittelreport 2011 wwwzesuni-bremendeuploadsGAZESse2011-022011_BARMER-GEK_Arzneimittel reportpdfBZgA Verhuumltungsverhalten Erwachsener Ergebnisse der Repraumlsen-tativbefragung 2011 wwwforschungsexualaufklaerungdefileadminfileadmin-forschungpdfBZGA-11-00988_Verhue_tungsverhalten_Erwachsener_DE_lowpdfEuropean Medicines Agency Combined hormonal contraceptives wwwemaeuropaeuemaindexjspcurl=pagesspecial_topicsgeneralgeneral_content_000581jspampmid= WC0b01 ac05806b6b24European Medicines Agency Benefits of combined hormonal con-traceptives (CHCs) continue to outweigh risksndashCHMP endorses PRAC recommendation 22 November 2013 EMA7091202013 wwwemaeuropaeudocsen_GBdocument_libraryPress_release201311WC500155455pdfWHO Medical eligibility criteria for contraceptive use 2009 4th Edition

AKTuELLE INFoRMATIoN

Pille danach Statements des ICECInes Thonke

Die oTC- Abgabe der Pille danachDas International Consortium for Emergency Contraception (ICEC) veroumlffentlichte im Dezem-ber ein Statement das sich mit Unterschieden im Zugang zur hormonellen Nachverhuumltung mit Levonor gestrel (LNG) befasst

Die bdquoOTCldquo oder bdquoover-the-counterldquo-Zugaumlnglichkeit bedeutet dass die Notfallverhuumltung aumlhnlich wie Kondome in Geschaumlften frei und ohne Kontakt zum Verkaufspersonal erhaumlltlich ist Dies stellt den

NR 1 I Februar 2014 I 11

Weg mit den geringsten Barrieren dar Auf diese Weise ist die Pille danach mit LNG laut ICEC unter anderem in Kanada Indien Bulgarien Daumlnemark Niederlande Norwegen Portugal Schweden Slowakei und Estland zugaumlnglich Seit August 2013 ist auch in den USA ein LNG-Praumlparat OTC zugelas-sen Bei der BTC bdquobehind-the-counterldquo- Abgabe ist das Medikament ohne Rezept aber nur auf aktive Nachfrage in einer Apotheke erhaumlltlich Dieser Weg besteht in 62 Laumlndern voraussichtlich ab Mai 2014 auch Deutschland Der dritte Abgabemodus ist die Abgabe nur mit Rezept Das ICEC kritisiert dass die Pille danach auf LNG Basis noch immer in vielen Laumlndern rezeptpflichtig ist obwohl dies aus medizinischer Sicht nicht noumltig ist und fuumlr viele Frauen eine unnoumltige und vermeidbare Huumlrde fuumlr die Anwendung bedeutet Das Statement fasst die wichtigsten Aspekte zur (Arzneimittel-) Sicherheit und Wirkungsweise auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Daten zusammen und wider-legt Argumente von erhoumlhtem Risikoverhalten und unzureichendem Verstaumlndnis der Anwendung bei Jugendlichen Hindernisse beim Zugang zur Pille danach sollten beseitigt werden damit Frauen sie bei Bedarf so fruumlh wie moumlglich nutzen koumlnnen Das Consortium betont den Faktor Zeit bei der Wirk-samkeit

Die Pille danach nach sexueller GewaltBereits im September 2013 publizierte das ICEC gemeinsam mit der Sexual Violence Research Initiative die Stellungnahme zur Bedeutung der Pille danach bei der Versorgung von Opfern sexu-eller Gewalt Nicht in allen Laumlndern gehoumlrt die hormonelle Nachverhuumltung zu den Standards der Gesundheitsversorgung nach Vergewaltigung Das Statement informiert uumlber die verfuumlgbaren Leit-linien der Weltgesundheitsorganisation WHO die Empfehlungen der Internationalen Gesellschaft fuumlr Geburtshilfe und Gynaumlkologie FIGO und der Vereinten Nationen Regierungen sollten sicherstel-len dass nationale Richtlinien zur Versorgung von Frauen nach sexueller Gewalt auch das Angebot der Pille danach beruumlcksichtigen Eine Verwei-gerung aus Gewissensgruumlnden sollte in diesen

Situationen ausschlossen werden Wird Frauen die Moumlglichkeit verwehrt eine ungewollte Schwanger-schaft zu verhindern verletzt dies ihre Menschen-rechte und kann zu schweren Beeintraumlchtigungen der koumlrperlichen und psychischen Gesundheit fuumlhren

LiteraturInternational Consortium for Emergency Contraception Over the counter access to emergency contraceptive pills Dez 2013 wwwcecinfoorgcustom-contentuploads201312ICEC_OTC_12-17-13pdfInternational Consortium for Emergency Contraception Sexual Violence Research Initiative EC for rape survivors- A Human Rights and Public Health Imperative Sept 2013 wwwcecinfoorg custom-contentuploads201310SexAssault_FactSheet-Revisedpdf

Eine Initiative der American Academy of Family Physicians (AAFP) mit dem Namen bdquoChoosing Wiselyldquo pruumlft in der taumlglichen Praxis gaumlngige medizinische Maszlignahmen auf wissenschaftliche Belege fuumlr ihren Nutzen Die Initiative verfolgt das Ziel bei der medizinischen Versorgung Risiken und Schaumlden durch nicht notwendige beziehungs-weise nicht sinnvolle Maszlignahmen zu vermeiden und Kosten zu reduzieren Die Ergebnisse wurden bisher in drei Listen mit Empfehlungen veroumlffent-licht Basis der Empfehlungen ist die relevante wissenschaftliche Literatur unter anderem Uumlbersichts artikel der Cochrane Library Datenbank Weitere Fachgesellschaften werden je gtgt

AKTuELLE INFoRMATIoN

Medizinische Maszlig-nahmen ohne Nutzen im Bereich der reproduktiven GesundheitInes Thonke

12 I NR 1 I Februar 2014

Impressum herausgeberpro familia BundesverbandStresemannallee 360596 Frankfurt am Main

redaktionHelga Seyler Frauenaumlrztin HamburgDr med Ines Thonke pro familia Bundesverband

E-Mail infoprofamiliadewwwprofamiliadePublikationen

Erscheinungsweise vierteljaumlhrlichcopy 2014 ISSN 2195-7789

Gefoumlrdert von der Bundeszentrale fuumlr gesundheitliche Aufklaumlrung (BZgA)

nach Fragestellung in die Erarbeitung der Empfeh-lungen eingebunden

In der dritten Choosing Wisely Liste wurde eine Empfehlung zur koumlrperlichen Untersuchung vor Verordnung von oralen Kontrazeptiva aufgenom-men Demnach ist eine gynaumlkologische bzw eine Brustuntersuchung als Basis fuumlr die Verordnung nicht notwendig es gibt keine Daten die den Nutzen belegen Sinnvoll ist eine Anamnese-erhebung zur Klaumlrung von medizinischen Risiken und die Messung des Blutdrucks Orale Kontrazep-tiva werden in den allermeisten Faumlllen gut vertra-gen sie sind sicher und wirksam Eine koumlrperliche Untersuchung traumlgt nicht zur Klaumlrung von Unver-traumlglichkeiten Risiken und Kontraindikationen bei

Auch ein Screening fuumlr Prostatakrebs mittels PSA-Test oder digitaler rektaler Untersuchung sollte nicht routinemaumlszligig erfolgen da gut belegt ist dass dies zu einer groszligen Anzahl von Uumlberdiagnosen fuumlhrt Viele Tumoren fuumlhren nicht zu Beschwerden die Risiken der Behandlung sind jedoch erheblich Die Untersuchungen sollte nur nach einer gemein-samen Entscheidung von Patient und Arzt durch-gefuumlhrt werden

Die vorangegangenen Listen enthalten weitere Empfehlung fuumlr den Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit So soll bei Frauen unter 21 Jahren kein Screening mit Pap-Test durchgefuumlhrt werden desgleichen bei Frauen uumlber 65 Jahren bei denen regelmaumlszligig durchgefuumlhrte Abstrichen bis dahin unauffaumlllig waren Auch bei Frauen nach

einer Hysterektomie sollte kein Pap-Test durchge-fuumlhrt werden auszliger wenn die Hysterektomie auf-grund der Diagnose Karzinom oder Krebsvorstufe erfolgte Da ein Zervixkarzinom in allen genannten Gruppen sehr selten ist uumlberwiegen die Risiken des Screenings (falsch positive Befunde) gegenuumlber dem Nutzen

Bei Frauen unter 30 Jahren sollte kein HPV-Test zum Screening auf Zervixkarzinom durchgefuumlhrt wer-den da die Rate an HPV-Infektionen bei Frauen in diesem Alter hoch ist und die groszlige Mehrzahl der Infektionen ohne Folgen ausheilt

Auch in Deutschland gibt es Diskussionen daruumlber eine solche Initiative mit dem Titel bdquoGemeinsam klug entscheidenldquo ins Leben zu rufen Das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin ein interdis-ziplinaumlrer Zusammenschluss von AumlrztInnen und WissenschaftlerInnen hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet die uumlber geeignete Methoden zur Ent-wicklung entsprechender Empfehlungen beraten soll Anders als in den USA sollen die Listen hier auch mit Beteiligung von PatientInnen entwickelt werden Auf der Internetseite des Netzwerks finden sich weitere Informationen dazu

Literatur American Academy of Family Physicians Fifteen Things Physicians and Patients Should Question wwwchoosingwiselyorg wp-contentuploads201302Choosing-Wisely-Master-Listpdf

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin Eine Choosing Wisely Initiative fuumlr Deutschland Pressemitteilung 2252013 wwwebm-netzwerkdepdfstellungnahmenpm-dnebm-choo-sing-wisely-initiativepdf

Page 9: Mammographie- Screening. Kontroverse über Nutzen und Risiken · N R. 1 I Februar 2014 I 3 men zu Beginn des Screenings durch die frühere Diagnosestellung, die beim Screening angestrebt

NR 1 I Februar 2014 I 9

harms JAMA Intern Med Published online 21 October 2013aWegwarth O Krebsfruumlherkennung und Risikokommunikation Therapeutische Umschau 2013b 70 245-50Wegwarth O Schwartz LM et al Do physicians understand cancer screening statistics A national survey of primary care physicians in the United States Ann Intern Med 2012 156 340-349Welch HG Frankel BF Likelihood that a woman with screen- detected breast cancer has had her bdquolife savedldquo by that screening Arch Intern Med 2011 171Weymayr C Kooperationsgemeinschaft Mammographie Kenn-zahlen Mammographie-Screening 2010 wwwkomendehtmlimgpool1kennzahlenmammographie-screeningdokumentationv12pdf

AKTuELLE INFoRMATIoN

Hormonale Kontrazeptiva ndash Aktuelle Bewertung des ThromboserisikosInes Thonke

Auf Anfrage von Frankreich hat die Europaumlische Arzneimittelagentur (EMA) 2013 das Risiko fuumlr das Auftreten venoumlser Thromboembolien (VTE) unter der Einnahme kombinierter hormonaler Kontrazep-tiva gepruumlft1 Bereits im Oktober kam das zustaumln-dige EMA-Gremium fuumlr Arzneimittelsicherheit und Risikoabschaumltzung zu dem Ergebnis dass bei der Anwendung von KOK zur Schwangerschafts-

verhuumltung die Vorteile gegenuumlber den Risiken uumlberwiegen (EMA 20131) Diese Bewertung wurde im November 2013 vom Ausschuss fuumlr Humanarz-neimittel der Europaumlischen Arzneimittelagentur (CHMP) bestaumltigt Das bekannte Risiko fuumlr VTE ist bei allen niedrig dosierten kombinierten Kont-razeptiva (mit einem Anteil von Ethinylestradiol lt 50 mcg) gering jedoch treten sie in Abhaumlngigkeit vom verwendeten Gestagen unterschiedlich haumlufig auf Nach aktueller Studienlage ist das VTE-Risiko bei den Praumlparaten mit Levonorgestrel Norethis-teron oder Norgestimat am niedrigsten (siehe Tabelle)

Die EMA weist auf die hohe Bedeutung der aumlrzt-lichen Beratung und Information von Patientin-nen uumlber moumlgliche Risiken hin Hierfuumlr muumlssen verstaumlndliche und aktuelle Informationen zur Verfuumlgung stehen und vermittelt werden Alle Frauen die mit KOK verhuumlten sollten auch daruumlber informiert werden dass sie kombinierte hormonale Kontrazeptiva nicht absetzen sollten die sie bisher ohne Komplikationen vertragen haben Dennoch sollten diese Frauen uumlber zusaumltzliche Risiken wie starkes Uumlbergewicht Immobilitaumlt oder Thrombo-embolien in der Familie sowie moumlgliche Anzeichen und Symptome von akuten Gefaumlszligverschluumlssen aufgeklaumlrt werden Es ist vorgesehen die Produkt-informationen fuumlr verschreibungspflichtige Kontra-zeptiva dahingehend zu ergaumlnzen Eine rechtsver-bindliche Entscheidung der Europaumlischen gtgt

risiko fuumlr ein venoumlses thromboembolisches ereignis (Vte) in einem Jahr

Frauen ohne kombinierte hormonale Verhuumltungsmethode die nicht schwanger sind

ca 2 von 10000 Frauen

mit kombinierten hormonalen kontrazeptiva die levonorgestrel Norethisteron oder Norgestimat enthalten

ca 5 bis 7 von 10000 Frauen

mit praumlparaten die etonogestrel oder Norelgestromin enthalten (pflaster und Vaginalring)

ca 6 bis 12 von 10000 Frauen

mit praumlparaten die Drospirenon Gestoden oder Desogestrel enthalten ca 9 bis 12 von 10000 Frauen

mit praumlparaten die chlormadinon Dienogest oder Nomegestrol enthalten risiko noch nicht bekannt Studien dazu werden aktuell durchgefuumlhrt

Es gibt keine Hinweise dass diese Risikounterschiede auch fuumlr arterielle Thromboembolien2 gelten

Vte-risiko in Abhaumlngigkeit des verwendeten Gestagens

10 I NR 1 I Februar 2014

Kommission wird dazu in Kuumlrze erwartet Frauen sollen darin unterstuumltzt werden gemeinsam mit demder behandelnden ArztAumlrztin eine infor-mierte Entscheidung treffen zu koumlnnen welche Verhuumltungsmethode sie anwenden

Daten der BZgA zum Verhuumltungsverhalten zeigen dass nach wie vor die Mehrzahl der Frauen die Ver-huumltungsmittel anwendet etwa 53 Prozent mit der Pille verhuumltet (BZgA 2011) Die Anwendungszahlen veraumlndern sich allerdings mit dem Alter der Befrag-ten In der Altersgruppe der 18 bis 29 jaumlhrigen liegt der Anteil bei 72 Prozent von den 30 bis 39 Jaumlhri-gen Frauen nutzen 51 Prozent und von den 40 bis 49 Jaumlhrigen 34 Prozent die Pille

Der Arzneimittelreport der BARMER GEK 2011 der allerdings nur die zu Lasten der Krankenkasse (bei Frauen bis zum 20 Lebensjahr) verordneten Ver-huumltungsmittel erfasst zeigte auf dass unter den zwanzig haumlufigsten verordneten Kontrazeptiva (nach Packungsabsatz) analog der Verordnungsten-denz auf dem deutschen Gesamtmarkt vorwiegend Produkte mit neuartigen Gestagenen (Gestagene der sogenannten dritten und vierten Generation) rezeptiert wurden Trotz wiederholter Meldungen uumlber das houmlhere Risiko fuumlr VTE gegenuumlber aumllteren bewaumlhrten Praumlparaten gehoumlrten Produkte wie Lamunareg Aidareg und Yasminreg Yasminellereg zu den am haumlufigsten verordneten Kontrazeptiva Mit gro-szligem Abstand wurden die houmlchsten Umsaumltze mit dem Praumlparat Valettereg registriert das Dienogest enthaumllt ein Gestagen fuumlr das keine Daten zum VTE-Risiko vorliegen

Aktuelle Leitlinien der gynaumlkologischen Fachge-sellschaft zu dem Thema Empfaumlngnisverhuumltung gibt es in Deutschland nicht Die Entwicklung einer S3-Leitlinie wurde im Herbst 2013 angemeldet die Fertigstellung ist fuumlr Ende 2016 geplant3 Die Leit-linien der WHO geben allerdings keine Empfehlun-gen zu Verordnung hormonaler Kontrazeptive mit bestimmten Gestagenen (WHO 2009) n

Endnoten1 Frankreich hatte aufgrund thromboembolischer Zwischenfaumllle Pillen mit dem Gestagen Cyproteronacetat vom Markt genommen und eine Risikobewertung kombinierter hormonaler Kontrazeptiva mit unterschiedlichen Gestagen Komponenten angestoszligen2 Arterielle Thromboembolien koumlnnen zum Beispiel zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall fuumlhren3 AWMF onlinewwwawmforgleitliniendetailanmeldung 1ll015-015html

LiteraturBarmer GEK Arzneimittelreport 2011 wwwzesuni-bremendeuploadsGAZESse2011-022011_BARMER-GEK_Arzneimittel reportpdfBZgA Verhuumltungsverhalten Erwachsener Ergebnisse der Repraumlsen-tativbefragung 2011 wwwforschungsexualaufklaerungdefileadminfileadmin-forschungpdfBZGA-11-00988_Verhue_tungsverhalten_Erwachsener_DE_lowpdfEuropean Medicines Agency Combined hormonal contraceptives wwwemaeuropaeuemaindexjspcurl=pagesspecial_topicsgeneralgeneral_content_000581jspampmid= WC0b01 ac05806b6b24European Medicines Agency Benefits of combined hormonal con-traceptives (CHCs) continue to outweigh risksndashCHMP endorses PRAC recommendation 22 November 2013 EMA7091202013 wwwemaeuropaeudocsen_GBdocument_libraryPress_release201311WC500155455pdfWHO Medical eligibility criteria for contraceptive use 2009 4th Edition

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Pille danach Statements des ICECInes Thonke

Die oTC- Abgabe der Pille danachDas International Consortium for Emergency Contraception (ICEC) veroumlffentlichte im Dezem-ber ein Statement das sich mit Unterschieden im Zugang zur hormonellen Nachverhuumltung mit Levonor gestrel (LNG) befasst

Die bdquoOTCldquo oder bdquoover-the-counterldquo-Zugaumlnglichkeit bedeutet dass die Notfallverhuumltung aumlhnlich wie Kondome in Geschaumlften frei und ohne Kontakt zum Verkaufspersonal erhaumlltlich ist Dies stellt den

NR 1 I Februar 2014 I 11

Weg mit den geringsten Barrieren dar Auf diese Weise ist die Pille danach mit LNG laut ICEC unter anderem in Kanada Indien Bulgarien Daumlnemark Niederlande Norwegen Portugal Schweden Slowakei und Estland zugaumlnglich Seit August 2013 ist auch in den USA ein LNG-Praumlparat OTC zugelas-sen Bei der BTC bdquobehind-the-counterldquo- Abgabe ist das Medikament ohne Rezept aber nur auf aktive Nachfrage in einer Apotheke erhaumlltlich Dieser Weg besteht in 62 Laumlndern voraussichtlich ab Mai 2014 auch Deutschland Der dritte Abgabemodus ist die Abgabe nur mit Rezept Das ICEC kritisiert dass die Pille danach auf LNG Basis noch immer in vielen Laumlndern rezeptpflichtig ist obwohl dies aus medizinischer Sicht nicht noumltig ist und fuumlr viele Frauen eine unnoumltige und vermeidbare Huumlrde fuumlr die Anwendung bedeutet Das Statement fasst die wichtigsten Aspekte zur (Arzneimittel-) Sicherheit und Wirkungsweise auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Daten zusammen und wider-legt Argumente von erhoumlhtem Risikoverhalten und unzureichendem Verstaumlndnis der Anwendung bei Jugendlichen Hindernisse beim Zugang zur Pille danach sollten beseitigt werden damit Frauen sie bei Bedarf so fruumlh wie moumlglich nutzen koumlnnen Das Consortium betont den Faktor Zeit bei der Wirk-samkeit

Die Pille danach nach sexueller GewaltBereits im September 2013 publizierte das ICEC gemeinsam mit der Sexual Violence Research Initiative die Stellungnahme zur Bedeutung der Pille danach bei der Versorgung von Opfern sexu-eller Gewalt Nicht in allen Laumlndern gehoumlrt die hormonelle Nachverhuumltung zu den Standards der Gesundheitsversorgung nach Vergewaltigung Das Statement informiert uumlber die verfuumlgbaren Leit-linien der Weltgesundheitsorganisation WHO die Empfehlungen der Internationalen Gesellschaft fuumlr Geburtshilfe und Gynaumlkologie FIGO und der Vereinten Nationen Regierungen sollten sicherstel-len dass nationale Richtlinien zur Versorgung von Frauen nach sexueller Gewalt auch das Angebot der Pille danach beruumlcksichtigen Eine Verwei-gerung aus Gewissensgruumlnden sollte in diesen

Situationen ausschlossen werden Wird Frauen die Moumlglichkeit verwehrt eine ungewollte Schwanger-schaft zu verhindern verletzt dies ihre Menschen-rechte und kann zu schweren Beeintraumlchtigungen der koumlrperlichen und psychischen Gesundheit fuumlhren

LiteraturInternational Consortium for Emergency Contraception Over the counter access to emergency contraceptive pills Dez 2013 wwwcecinfoorgcustom-contentuploads201312ICEC_OTC_12-17-13pdfInternational Consortium for Emergency Contraception Sexual Violence Research Initiative EC for rape survivors- A Human Rights and Public Health Imperative Sept 2013 wwwcecinfoorg custom-contentuploads201310SexAssault_FactSheet-Revisedpdf

Eine Initiative der American Academy of Family Physicians (AAFP) mit dem Namen bdquoChoosing Wiselyldquo pruumlft in der taumlglichen Praxis gaumlngige medizinische Maszlignahmen auf wissenschaftliche Belege fuumlr ihren Nutzen Die Initiative verfolgt das Ziel bei der medizinischen Versorgung Risiken und Schaumlden durch nicht notwendige beziehungs-weise nicht sinnvolle Maszlignahmen zu vermeiden und Kosten zu reduzieren Die Ergebnisse wurden bisher in drei Listen mit Empfehlungen veroumlffent-licht Basis der Empfehlungen ist die relevante wissenschaftliche Literatur unter anderem Uumlbersichts artikel der Cochrane Library Datenbank Weitere Fachgesellschaften werden je gtgt

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Medizinische Maszlig-nahmen ohne Nutzen im Bereich der reproduktiven GesundheitInes Thonke

12 I NR 1 I Februar 2014

Impressum herausgeberpro familia BundesverbandStresemannallee 360596 Frankfurt am Main

redaktionHelga Seyler Frauenaumlrztin HamburgDr med Ines Thonke pro familia Bundesverband

E-Mail infoprofamiliadewwwprofamiliadePublikationen

Erscheinungsweise vierteljaumlhrlichcopy 2014 ISSN 2195-7789

Gefoumlrdert von der Bundeszentrale fuumlr gesundheitliche Aufklaumlrung (BZgA)

nach Fragestellung in die Erarbeitung der Empfeh-lungen eingebunden

In der dritten Choosing Wisely Liste wurde eine Empfehlung zur koumlrperlichen Untersuchung vor Verordnung von oralen Kontrazeptiva aufgenom-men Demnach ist eine gynaumlkologische bzw eine Brustuntersuchung als Basis fuumlr die Verordnung nicht notwendig es gibt keine Daten die den Nutzen belegen Sinnvoll ist eine Anamnese-erhebung zur Klaumlrung von medizinischen Risiken und die Messung des Blutdrucks Orale Kontrazep-tiva werden in den allermeisten Faumlllen gut vertra-gen sie sind sicher und wirksam Eine koumlrperliche Untersuchung traumlgt nicht zur Klaumlrung von Unver-traumlglichkeiten Risiken und Kontraindikationen bei

Auch ein Screening fuumlr Prostatakrebs mittels PSA-Test oder digitaler rektaler Untersuchung sollte nicht routinemaumlszligig erfolgen da gut belegt ist dass dies zu einer groszligen Anzahl von Uumlberdiagnosen fuumlhrt Viele Tumoren fuumlhren nicht zu Beschwerden die Risiken der Behandlung sind jedoch erheblich Die Untersuchungen sollte nur nach einer gemein-samen Entscheidung von Patient und Arzt durch-gefuumlhrt werden

Die vorangegangenen Listen enthalten weitere Empfehlung fuumlr den Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit So soll bei Frauen unter 21 Jahren kein Screening mit Pap-Test durchgefuumlhrt werden desgleichen bei Frauen uumlber 65 Jahren bei denen regelmaumlszligig durchgefuumlhrte Abstrichen bis dahin unauffaumlllig waren Auch bei Frauen nach

einer Hysterektomie sollte kein Pap-Test durchge-fuumlhrt werden auszliger wenn die Hysterektomie auf-grund der Diagnose Karzinom oder Krebsvorstufe erfolgte Da ein Zervixkarzinom in allen genannten Gruppen sehr selten ist uumlberwiegen die Risiken des Screenings (falsch positive Befunde) gegenuumlber dem Nutzen

Bei Frauen unter 30 Jahren sollte kein HPV-Test zum Screening auf Zervixkarzinom durchgefuumlhrt wer-den da die Rate an HPV-Infektionen bei Frauen in diesem Alter hoch ist und die groszlige Mehrzahl der Infektionen ohne Folgen ausheilt

Auch in Deutschland gibt es Diskussionen daruumlber eine solche Initiative mit dem Titel bdquoGemeinsam klug entscheidenldquo ins Leben zu rufen Das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin ein interdis-ziplinaumlrer Zusammenschluss von AumlrztInnen und WissenschaftlerInnen hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet die uumlber geeignete Methoden zur Ent-wicklung entsprechender Empfehlungen beraten soll Anders als in den USA sollen die Listen hier auch mit Beteiligung von PatientInnen entwickelt werden Auf der Internetseite des Netzwerks finden sich weitere Informationen dazu

Literatur American Academy of Family Physicians Fifteen Things Physicians and Patients Should Question wwwchoosingwiselyorg wp-contentuploads201302Choosing-Wisely-Master-Listpdf

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin Eine Choosing Wisely Initiative fuumlr Deutschland Pressemitteilung 2252013 wwwebm-netzwerkdepdfstellungnahmenpm-dnebm-choo-sing-wisely-initiativepdf

Page 10: Mammographie- Screening. Kontroverse über Nutzen und Risiken · N R. 1 I Februar 2014 I 3 men zu Beginn des Screenings durch die frühere Diagnosestellung, die beim Screening angestrebt

10 I NR 1 I Februar 2014

Kommission wird dazu in Kuumlrze erwartet Frauen sollen darin unterstuumltzt werden gemeinsam mit demder behandelnden ArztAumlrztin eine infor-mierte Entscheidung treffen zu koumlnnen welche Verhuumltungsmethode sie anwenden

Daten der BZgA zum Verhuumltungsverhalten zeigen dass nach wie vor die Mehrzahl der Frauen die Ver-huumltungsmittel anwendet etwa 53 Prozent mit der Pille verhuumltet (BZgA 2011) Die Anwendungszahlen veraumlndern sich allerdings mit dem Alter der Befrag-ten In der Altersgruppe der 18 bis 29 jaumlhrigen liegt der Anteil bei 72 Prozent von den 30 bis 39 Jaumlhri-gen Frauen nutzen 51 Prozent und von den 40 bis 49 Jaumlhrigen 34 Prozent die Pille

Der Arzneimittelreport der BARMER GEK 2011 der allerdings nur die zu Lasten der Krankenkasse (bei Frauen bis zum 20 Lebensjahr) verordneten Ver-huumltungsmittel erfasst zeigte auf dass unter den zwanzig haumlufigsten verordneten Kontrazeptiva (nach Packungsabsatz) analog der Verordnungsten-denz auf dem deutschen Gesamtmarkt vorwiegend Produkte mit neuartigen Gestagenen (Gestagene der sogenannten dritten und vierten Generation) rezeptiert wurden Trotz wiederholter Meldungen uumlber das houmlhere Risiko fuumlr VTE gegenuumlber aumllteren bewaumlhrten Praumlparaten gehoumlrten Produkte wie Lamunareg Aidareg und Yasminreg Yasminellereg zu den am haumlufigsten verordneten Kontrazeptiva Mit gro-szligem Abstand wurden die houmlchsten Umsaumltze mit dem Praumlparat Valettereg registriert das Dienogest enthaumllt ein Gestagen fuumlr das keine Daten zum VTE-Risiko vorliegen

Aktuelle Leitlinien der gynaumlkologischen Fachge-sellschaft zu dem Thema Empfaumlngnisverhuumltung gibt es in Deutschland nicht Die Entwicklung einer S3-Leitlinie wurde im Herbst 2013 angemeldet die Fertigstellung ist fuumlr Ende 2016 geplant3 Die Leit-linien der WHO geben allerdings keine Empfehlun-gen zu Verordnung hormonaler Kontrazeptive mit bestimmten Gestagenen (WHO 2009) n

Endnoten1 Frankreich hatte aufgrund thromboembolischer Zwischenfaumllle Pillen mit dem Gestagen Cyproteronacetat vom Markt genommen und eine Risikobewertung kombinierter hormonaler Kontrazeptiva mit unterschiedlichen Gestagen Komponenten angestoszligen2 Arterielle Thromboembolien koumlnnen zum Beispiel zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall fuumlhren3 AWMF onlinewwwawmforgleitliniendetailanmeldung 1ll015-015html

LiteraturBarmer GEK Arzneimittelreport 2011 wwwzesuni-bremendeuploadsGAZESse2011-022011_BARMER-GEK_Arzneimittel reportpdfBZgA Verhuumltungsverhalten Erwachsener Ergebnisse der Repraumlsen-tativbefragung 2011 wwwforschungsexualaufklaerungdefileadminfileadmin-forschungpdfBZGA-11-00988_Verhue_tungsverhalten_Erwachsener_DE_lowpdfEuropean Medicines Agency Combined hormonal contraceptives wwwemaeuropaeuemaindexjspcurl=pagesspecial_topicsgeneralgeneral_content_000581jspampmid= WC0b01 ac05806b6b24European Medicines Agency Benefits of combined hormonal con-traceptives (CHCs) continue to outweigh risksndashCHMP endorses PRAC recommendation 22 November 2013 EMA7091202013 wwwemaeuropaeudocsen_GBdocument_libraryPress_release201311WC500155455pdfWHO Medical eligibility criteria for contraceptive use 2009 4th Edition

AKTuELLE INFoRMATIoN

Pille danach Statements des ICECInes Thonke

Die oTC- Abgabe der Pille danachDas International Consortium for Emergency Contraception (ICEC) veroumlffentlichte im Dezem-ber ein Statement das sich mit Unterschieden im Zugang zur hormonellen Nachverhuumltung mit Levonor gestrel (LNG) befasst

Die bdquoOTCldquo oder bdquoover-the-counterldquo-Zugaumlnglichkeit bedeutet dass die Notfallverhuumltung aumlhnlich wie Kondome in Geschaumlften frei und ohne Kontakt zum Verkaufspersonal erhaumlltlich ist Dies stellt den

NR 1 I Februar 2014 I 11

Weg mit den geringsten Barrieren dar Auf diese Weise ist die Pille danach mit LNG laut ICEC unter anderem in Kanada Indien Bulgarien Daumlnemark Niederlande Norwegen Portugal Schweden Slowakei und Estland zugaumlnglich Seit August 2013 ist auch in den USA ein LNG-Praumlparat OTC zugelas-sen Bei der BTC bdquobehind-the-counterldquo- Abgabe ist das Medikament ohne Rezept aber nur auf aktive Nachfrage in einer Apotheke erhaumlltlich Dieser Weg besteht in 62 Laumlndern voraussichtlich ab Mai 2014 auch Deutschland Der dritte Abgabemodus ist die Abgabe nur mit Rezept Das ICEC kritisiert dass die Pille danach auf LNG Basis noch immer in vielen Laumlndern rezeptpflichtig ist obwohl dies aus medizinischer Sicht nicht noumltig ist und fuumlr viele Frauen eine unnoumltige und vermeidbare Huumlrde fuumlr die Anwendung bedeutet Das Statement fasst die wichtigsten Aspekte zur (Arzneimittel-) Sicherheit und Wirkungsweise auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Daten zusammen und wider-legt Argumente von erhoumlhtem Risikoverhalten und unzureichendem Verstaumlndnis der Anwendung bei Jugendlichen Hindernisse beim Zugang zur Pille danach sollten beseitigt werden damit Frauen sie bei Bedarf so fruumlh wie moumlglich nutzen koumlnnen Das Consortium betont den Faktor Zeit bei der Wirk-samkeit

Die Pille danach nach sexueller GewaltBereits im September 2013 publizierte das ICEC gemeinsam mit der Sexual Violence Research Initiative die Stellungnahme zur Bedeutung der Pille danach bei der Versorgung von Opfern sexu-eller Gewalt Nicht in allen Laumlndern gehoumlrt die hormonelle Nachverhuumltung zu den Standards der Gesundheitsversorgung nach Vergewaltigung Das Statement informiert uumlber die verfuumlgbaren Leit-linien der Weltgesundheitsorganisation WHO die Empfehlungen der Internationalen Gesellschaft fuumlr Geburtshilfe und Gynaumlkologie FIGO und der Vereinten Nationen Regierungen sollten sicherstel-len dass nationale Richtlinien zur Versorgung von Frauen nach sexueller Gewalt auch das Angebot der Pille danach beruumlcksichtigen Eine Verwei-gerung aus Gewissensgruumlnden sollte in diesen

Situationen ausschlossen werden Wird Frauen die Moumlglichkeit verwehrt eine ungewollte Schwanger-schaft zu verhindern verletzt dies ihre Menschen-rechte und kann zu schweren Beeintraumlchtigungen der koumlrperlichen und psychischen Gesundheit fuumlhren

LiteraturInternational Consortium for Emergency Contraception Over the counter access to emergency contraceptive pills Dez 2013 wwwcecinfoorgcustom-contentuploads201312ICEC_OTC_12-17-13pdfInternational Consortium for Emergency Contraception Sexual Violence Research Initiative EC for rape survivors- A Human Rights and Public Health Imperative Sept 2013 wwwcecinfoorg custom-contentuploads201310SexAssault_FactSheet-Revisedpdf

Eine Initiative der American Academy of Family Physicians (AAFP) mit dem Namen bdquoChoosing Wiselyldquo pruumlft in der taumlglichen Praxis gaumlngige medizinische Maszlignahmen auf wissenschaftliche Belege fuumlr ihren Nutzen Die Initiative verfolgt das Ziel bei der medizinischen Versorgung Risiken und Schaumlden durch nicht notwendige beziehungs-weise nicht sinnvolle Maszlignahmen zu vermeiden und Kosten zu reduzieren Die Ergebnisse wurden bisher in drei Listen mit Empfehlungen veroumlffent-licht Basis der Empfehlungen ist die relevante wissenschaftliche Literatur unter anderem Uumlbersichts artikel der Cochrane Library Datenbank Weitere Fachgesellschaften werden je gtgt

AKTuELLE INFoRMATIoN

Medizinische Maszlig-nahmen ohne Nutzen im Bereich der reproduktiven GesundheitInes Thonke

12 I NR 1 I Februar 2014

Impressum herausgeberpro familia BundesverbandStresemannallee 360596 Frankfurt am Main

redaktionHelga Seyler Frauenaumlrztin HamburgDr med Ines Thonke pro familia Bundesverband

E-Mail infoprofamiliadewwwprofamiliadePublikationen

Erscheinungsweise vierteljaumlhrlichcopy 2014 ISSN 2195-7789

Gefoumlrdert von der Bundeszentrale fuumlr gesundheitliche Aufklaumlrung (BZgA)

nach Fragestellung in die Erarbeitung der Empfeh-lungen eingebunden

In der dritten Choosing Wisely Liste wurde eine Empfehlung zur koumlrperlichen Untersuchung vor Verordnung von oralen Kontrazeptiva aufgenom-men Demnach ist eine gynaumlkologische bzw eine Brustuntersuchung als Basis fuumlr die Verordnung nicht notwendig es gibt keine Daten die den Nutzen belegen Sinnvoll ist eine Anamnese-erhebung zur Klaumlrung von medizinischen Risiken und die Messung des Blutdrucks Orale Kontrazep-tiva werden in den allermeisten Faumlllen gut vertra-gen sie sind sicher und wirksam Eine koumlrperliche Untersuchung traumlgt nicht zur Klaumlrung von Unver-traumlglichkeiten Risiken und Kontraindikationen bei

Auch ein Screening fuumlr Prostatakrebs mittels PSA-Test oder digitaler rektaler Untersuchung sollte nicht routinemaumlszligig erfolgen da gut belegt ist dass dies zu einer groszligen Anzahl von Uumlberdiagnosen fuumlhrt Viele Tumoren fuumlhren nicht zu Beschwerden die Risiken der Behandlung sind jedoch erheblich Die Untersuchungen sollte nur nach einer gemein-samen Entscheidung von Patient und Arzt durch-gefuumlhrt werden

Die vorangegangenen Listen enthalten weitere Empfehlung fuumlr den Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit So soll bei Frauen unter 21 Jahren kein Screening mit Pap-Test durchgefuumlhrt werden desgleichen bei Frauen uumlber 65 Jahren bei denen regelmaumlszligig durchgefuumlhrte Abstrichen bis dahin unauffaumlllig waren Auch bei Frauen nach

einer Hysterektomie sollte kein Pap-Test durchge-fuumlhrt werden auszliger wenn die Hysterektomie auf-grund der Diagnose Karzinom oder Krebsvorstufe erfolgte Da ein Zervixkarzinom in allen genannten Gruppen sehr selten ist uumlberwiegen die Risiken des Screenings (falsch positive Befunde) gegenuumlber dem Nutzen

Bei Frauen unter 30 Jahren sollte kein HPV-Test zum Screening auf Zervixkarzinom durchgefuumlhrt wer-den da die Rate an HPV-Infektionen bei Frauen in diesem Alter hoch ist und die groszlige Mehrzahl der Infektionen ohne Folgen ausheilt

Auch in Deutschland gibt es Diskussionen daruumlber eine solche Initiative mit dem Titel bdquoGemeinsam klug entscheidenldquo ins Leben zu rufen Das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin ein interdis-ziplinaumlrer Zusammenschluss von AumlrztInnen und WissenschaftlerInnen hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet die uumlber geeignete Methoden zur Ent-wicklung entsprechender Empfehlungen beraten soll Anders als in den USA sollen die Listen hier auch mit Beteiligung von PatientInnen entwickelt werden Auf der Internetseite des Netzwerks finden sich weitere Informationen dazu

Literatur American Academy of Family Physicians Fifteen Things Physicians and Patients Should Question wwwchoosingwiselyorg wp-contentuploads201302Choosing-Wisely-Master-Listpdf

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin Eine Choosing Wisely Initiative fuumlr Deutschland Pressemitteilung 2252013 wwwebm-netzwerkdepdfstellungnahmenpm-dnebm-choo-sing-wisely-initiativepdf

Page 11: Mammographie- Screening. Kontroverse über Nutzen und Risiken · N R. 1 I Februar 2014 I 3 men zu Beginn des Screenings durch die frühere Diagnosestellung, die beim Screening angestrebt

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Weg mit den geringsten Barrieren dar Auf diese Weise ist die Pille danach mit LNG laut ICEC unter anderem in Kanada Indien Bulgarien Daumlnemark Niederlande Norwegen Portugal Schweden Slowakei und Estland zugaumlnglich Seit August 2013 ist auch in den USA ein LNG-Praumlparat OTC zugelas-sen Bei der BTC bdquobehind-the-counterldquo- Abgabe ist das Medikament ohne Rezept aber nur auf aktive Nachfrage in einer Apotheke erhaumlltlich Dieser Weg besteht in 62 Laumlndern voraussichtlich ab Mai 2014 auch Deutschland Der dritte Abgabemodus ist die Abgabe nur mit Rezept Das ICEC kritisiert dass die Pille danach auf LNG Basis noch immer in vielen Laumlndern rezeptpflichtig ist obwohl dies aus medizinischer Sicht nicht noumltig ist und fuumlr viele Frauen eine unnoumltige und vermeidbare Huumlrde fuumlr die Anwendung bedeutet Das Statement fasst die wichtigsten Aspekte zur (Arzneimittel-) Sicherheit und Wirkungsweise auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Daten zusammen und wider-legt Argumente von erhoumlhtem Risikoverhalten und unzureichendem Verstaumlndnis der Anwendung bei Jugendlichen Hindernisse beim Zugang zur Pille danach sollten beseitigt werden damit Frauen sie bei Bedarf so fruumlh wie moumlglich nutzen koumlnnen Das Consortium betont den Faktor Zeit bei der Wirk-samkeit

Die Pille danach nach sexueller GewaltBereits im September 2013 publizierte das ICEC gemeinsam mit der Sexual Violence Research Initiative die Stellungnahme zur Bedeutung der Pille danach bei der Versorgung von Opfern sexu-eller Gewalt Nicht in allen Laumlndern gehoumlrt die hormonelle Nachverhuumltung zu den Standards der Gesundheitsversorgung nach Vergewaltigung Das Statement informiert uumlber die verfuumlgbaren Leit-linien der Weltgesundheitsorganisation WHO die Empfehlungen der Internationalen Gesellschaft fuumlr Geburtshilfe und Gynaumlkologie FIGO und der Vereinten Nationen Regierungen sollten sicherstel-len dass nationale Richtlinien zur Versorgung von Frauen nach sexueller Gewalt auch das Angebot der Pille danach beruumlcksichtigen Eine Verwei-gerung aus Gewissensgruumlnden sollte in diesen

Situationen ausschlossen werden Wird Frauen die Moumlglichkeit verwehrt eine ungewollte Schwanger-schaft zu verhindern verletzt dies ihre Menschen-rechte und kann zu schweren Beeintraumlchtigungen der koumlrperlichen und psychischen Gesundheit fuumlhren

LiteraturInternational Consortium for Emergency Contraception Over the counter access to emergency contraceptive pills Dez 2013 wwwcecinfoorgcustom-contentuploads201312ICEC_OTC_12-17-13pdfInternational Consortium for Emergency Contraception Sexual Violence Research Initiative EC for rape survivors- A Human Rights and Public Health Imperative Sept 2013 wwwcecinfoorg custom-contentuploads201310SexAssault_FactSheet-Revisedpdf

Eine Initiative der American Academy of Family Physicians (AAFP) mit dem Namen bdquoChoosing Wiselyldquo pruumlft in der taumlglichen Praxis gaumlngige medizinische Maszlignahmen auf wissenschaftliche Belege fuumlr ihren Nutzen Die Initiative verfolgt das Ziel bei der medizinischen Versorgung Risiken und Schaumlden durch nicht notwendige beziehungs-weise nicht sinnvolle Maszlignahmen zu vermeiden und Kosten zu reduzieren Die Ergebnisse wurden bisher in drei Listen mit Empfehlungen veroumlffent-licht Basis der Empfehlungen ist die relevante wissenschaftliche Literatur unter anderem Uumlbersichts artikel der Cochrane Library Datenbank Weitere Fachgesellschaften werden je gtgt

AKTuELLE INFoRMATIoN

Medizinische Maszlig-nahmen ohne Nutzen im Bereich der reproduktiven GesundheitInes Thonke

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redaktionHelga Seyler Frauenaumlrztin HamburgDr med Ines Thonke pro familia Bundesverband

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Erscheinungsweise vierteljaumlhrlichcopy 2014 ISSN 2195-7789

Gefoumlrdert von der Bundeszentrale fuumlr gesundheitliche Aufklaumlrung (BZgA)

nach Fragestellung in die Erarbeitung der Empfeh-lungen eingebunden

In der dritten Choosing Wisely Liste wurde eine Empfehlung zur koumlrperlichen Untersuchung vor Verordnung von oralen Kontrazeptiva aufgenom-men Demnach ist eine gynaumlkologische bzw eine Brustuntersuchung als Basis fuumlr die Verordnung nicht notwendig es gibt keine Daten die den Nutzen belegen Sinnvoll ist eine Anamnese-erhebung zur Klaumlrung von medizinischen Risiken und die Messung des Blutdrucks Orale Kontrazep-tiva werden in den allermeisten Faumlllen gut vertra-gen sie sind sicher und wirksam Eine koumlrperliche Untersuchung traumlgt nicht zur Klaumlrung von Unver-traumlglichkeiten Risiken und Kontraindikationen bei

Auch ein Screening fuumlr Prostatakrebs mittels PSA-Test oder digitaler rektaler Untersuchung sollte nicht routinemaumlszligig erfolgen da gut belegt ist dass dies zu einer groszligen Anzahl von Uumlberdiagnosen fuumlhrt Viele Tumoren fuumlhren nicht zu Beschwerden die Risiken der Behandlung sind jedoch erheblich Die Untersuchungen sollte nur nach einer gemein-samen Entscheidung von Patient und Arzt durch-gefuumlhrt werden

Die vorangegangenen Listen enthalten weitere Empfehlung fuumlr den Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit So soll bei Frauen unter 21 Jahren kein Screening mit Pap-Test durchgefuumlhrt werden desgleichen bei Frauen uumlber 65 Jahren bei denen regelmaumlszligig durchgefuumlhrte Abstrichen bis dahin unauffaumlllig waren Auch bei Frauen nach

einer Hysterektomie sollte kein Pap-Test durchge-fuumlhrt werden auszliger wenn die Hysterektomie auf-grund der Diagnose Karzinom oder Krebsvorstufe erfolgte Da ein Zervixkarzinom in allen genannten Gruppen sehr selten ist uumlberwiegen die Risiken des Screenings (falsch positive Befunde) gegenuumlber dem Nutzen

Bei Frauen unter 30 Jahren sollte kein HPV-Test zum Screening auf Zervixkarzinom durchgefuumlhrt wer-den da die Rate an HPV-Infektionen bei Frauen in diesem Alter hoch ist und die groszlige Mehrzahl der Infektionen ohne Folgen ausheilt

Auch in Deutschland gibt es Diskussionen daruumlber eine solche Initiative mit dem Titel bdquoGemeinsam klug entscheidenldquo ins Leben zu rufen Das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin ein interdis-ziplinaumlrer Zusammenschluss von AumlrztInnen und WissenschaftlerInnen hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet die uumlber geeignete Methoden zur Ent-wicklung entsprechender Empfehlungen beraten soll Anders als in den USA sollen die Listen hier auch mit Beteiligung von PatientInnen entwickelt werden Auf der Internetseite des Netzwerks finden sich weitere Informationen dazu

Literatur American Academy of Family Physicians Fifteen Things Physicians and Patients Should Question wwwchoosingwiselyorg wp-contentuploads201302Choosing-Wisely-Master-Listpdf

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin Eine Choosing Wisely Initiative fuumlr Deutschland Pressemitteilung 2252013 wwwebm-netzwerkdepdfstellungnahmenpm-dnebm-choo-sing-wisely-initiativepdf

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In der dritten Choosing Wisely Liste wurde eine Empfehlung zur koumlrperlichen Untersuchung vor Verordnung von oralen Kontrazeptiva aufgenom-men Demnach ist eine gynaumlkologische bzw eine Brustuntersuchung als Basis fuumlr die Verordnung nicht notwendig es gibt keine Daten die den Nutzen belegen Sinnvoll ist eine Anamnese-erhebung zur Klaumlrung von medizinischen Risiken und die Messung des Blutdrucks Orale Kontrazep-tiva werden in den allermeisten Faumlllen gut vertra-gen sie sind sicher und wirksam Eine koumlrperliche Untersuchung traumlgt nicht zur Klaumlrung von Unver-traumlglichkeiten Risiken und Kontraindikationen bei

Auch ein Screening fuumlr Prostatakrebs mittels PSA-Test oder digitaler rektaler Untersuchung sollte nicht routinemaumlszligig erfolgen da gut belegt ist dass dies zu einer groszligen Anzahl von Uumlberdiagnosen fuumlhrt Viele Tumoren fuumlhren nicht zu Beschwerden die Risiken der Behandlung sind jedoch erheblich Die Untersuchungen sollte nur nach einer gemein-samen Entscheidung von Patient und Arzt durch-gefuumlhrt werden

Die vorangegangenen Listen enthalten weitere Empfehlung fuumlr den Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit So soll bei Frauen unter 21 Jahren kein Screening mit Pap-Test durchgefuumlhrt werden desgleichen bei Frauen uumlber 65 Jahren bei denen regelmaumlszligig durchgefuumlhrte Abstrichen bis dahin unauffaumlllig waren Auch bei Frauen nach

einer Hysterektomie sollte kein Pap-Test durchge-fuumlhrt werden auszliger wenn die Hysterektomie auf-grund der Diagnose Karzinom oder Krebsvorstufe erfolgte Da ein Zervixkarzinom in allen genannten Gruppen sehr selten ist uumlberwiegen die Risiken des Screenings (falsch positive Befunde) gegenuumlber dem Nutzen

Bei Frauen unter 30 Jahren sollte kein HPV-Test zum Screening auf Zervixkarzinom durchgefuumlhrt wer-den da die Rate an HPV-Infektionen bei Frauen in diesem Alter hoch ist und die groszlige Mehrzahl der Infektionen ohne Folgen ausheilt

Auch in Deutschland gibt es Diskussionen daruumlber eine solche Initiative mit dem Titel bdquoGemeinsam klug entscheidenldquo ins Leben zu rufen Das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin ein interdis-ziplinaumlrer Zusammenschluss von AumlrztInnen und WissenschaftlerInnen hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet die uumlber geeignete Methoden zur Ent-wicklung entsprechender Empfehlungen beraten soll Anders als in den USA sollen die Listen hier auch mit Beteiligung von PatientInnen entwickelt werden Auf der Internetseite des Netzwerks finden sich weitere Informationen dazu

Literatur American Academy of Family Physicians Fifteen Things Physicians and Patients Should Question wwwchoosingwiselyorg wp-contentuploads201302Choosing-Wisely-Master-Listpdf

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin Eine Choosing Wisely Initiative fuumlr Deutschland Pressemitteilung 2252013 wwwebm-netzwerkdepdfstellungnahmenpm-dnebm-choo-sing-wisely-initiativepdf