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Industrieunternehmen müssen lernen, kompromisslos digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln. <04> ES LEBE DIE DIGITALE DISRUPTION! DAS IT-MAGAZIN VON FERCHAU < atFERCHAU > EDITION 02-18 S C H U T Z G E B Ü H R : 6 E U R FERCHAU.COM/GO/DOWNLOAD #21 <04>DIGITALISIERUNG: WARUM DIE TRANSFORMATION SO SCHWERFÄLLT <12>AGILES PROJEKTMANAGEMENT: MIT SCRUM SCHEITERT MAN FRÜHER <20> GAMIFICATION: NEUER PEPP FÜR TRADITIONELLE STRUKTUREN <24> HOLOGRAPHIE: PRINZESSIN LEIA IM WOHNZIMMER

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Industrieunternehmen müssen lernen, kompromisslos digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln.

<04>

ES LEBE DIE DIGITALE

DISRUPTION!

D A S I T - M A G A Z I N V O N F E R C H A U<atFERCHAU>

E D I T I O N 0 2 - 1 8S C H U T Z G E B Ü H R : 6 E U R F E R C H A U . C O M / G O / D O W N L O A D

#21<04>�DIGITALISIERUNG: WA R U M D I E T R A N S F O R M AT I O N S O S C H W E R FÄ L LT <12>�AGILES PROJEKTMANAGEMENT: M I T S C R U M S C H E I T E R T M A N F R Ü H E R <20>�GAMIFICATION: N E U E R P E P P F Ü R T R A D I T I O N E L L E S T R U K T U R E N <24>�HOLOGRAPHIE: P R I N Z E S S I N L E I A I M W O H N Z I M M E R

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#atFERCHAUSie wollen die aktuelle Ausgabe auf dem Laptop oder auf Ihrem digitalen Reader lesen? Hier geht es zum PDF:

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die vorliegende Ausgabe der atFERCHAU widmet sich dem Mega-trend Digitalisierung. Unsere Autoren sind der Frage nachgegangen: Löst die Digitalisierung ihr disruptives Versprechen ein? Die Einschätzungen der Experten fallen eindeutig aus: Nein. Bis jetzt nicht.

Laut einer PwC-Studie entfallen nur sechs Prozent der Einnahmen produ-zierender Unternehmen in Deutschland auf rein digitale Inhalte, Services und Lösungen. Die Mehrheit der Indus-trieunternehmen habe es bislang versäumt, datengetriebene Geschäfts-modelle zu entwickeln. Warum ist das so? Um den nächsten Schritt zu gehen, fehle die grundlegende digitale Kompetenz, sagt Digitalisierungsexper-te Ibrahim Evsan (Interview Seite 10) – vor allem in der Führungsetage.

Vielleicht sind die Erwartungen an neue Technologien wie häufi g ein wenig überzogen. So mutiert die Disruption momentan zur Transformation.

Sie lässt Bewährtes am Leben und Neues dort entstehen, wo es sinnvoll erscheint. Und: Die Transformation nimmt, so unsere Wahrnehmung, enorm an Fahrt auf – ob bei uns als Engineering- und IT-Dienstleister, der zunehmend digitale Services anbietet, oder bei unseren Kunden. Paten dieses Trends sind Initiativen, bei denen Unternehmen mit Unterstützung von FERCHAU-IT- Consultants agiles Projektmanagement einführen, um die Digitalisierung künftig schneller umsetzen zu können (Seite 12), oder Projekte im Bereich Predictive Maintenance, also der vorausschau-enden Wartung von Maschinen und Anlagen auf Basis von Daten. Sie stehen ganz oben auf der Agenda von Kunden und unserer IT-Spezialisten (Seite 22). Auch wenn dies aus Sicht von Analysten nicht zerstörerisch genug ist: Die Digitalisierung lebt!

Viel Spaß beim Lesen.

Silber 2018

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LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER,

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- C O V E R -

S. 04 Es lebe die digitale Transformation Eine digitale Disruption ist hierzulande bis jetzt Fehlanzeige. Unternehmen sind gefordert, digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln.S. 09 Splitter Best Practices für den digitalen Wandel.S. 10 Digitalisierung ist ein GedankeZum nächsten großen Schritt fehlt die grundlegende digitale Kompetenz, sagt Digitalisierungsexperte Ibrahim Evsan - vor allem in der Führungsetage.S. 12 Mit Scrum früher scheitern Agile Vorgehensweisen können der Weg sein,Kundenwünsche und Produktentwicklung zu synchronisieren.S. 15 So plant man heute Standorte Geoinformationssysteme liefern die entscheidenden Erkenntnisse. S. 16 Datenschätze in der Produktion heben: Industrie 4.0 in der PraxisMit vernetzten Maschinen Produktions-prozesse optimieren.S. 18 Numbers Digitalisierung in Zahlen.

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Digitale Transformation

- I M P R E S S U M -

Ausgabe 02 | 2018, Auflage: 34.000, 10. Jahrgang /// Herausgeber: FERCHAU Engineering GmbH, Steinmüllerallee 2, 51643 Gummersbach, Fon +49 2261 3006-0, Fax +49 2261 3006-99, [email protected], ferchau.com /// Chefredaktion: (V. i. S. d. P.) Martina Gebhardt /// Redaktionsteam: Dirk Cornelius, Jan Baudisch, Kay-Patrick van Elten, Nando Förster, Nina Heinze, Kerstin Kraft, Florian Poltrock, Dietmar Schönherr, Rolf Schultheis, Christoph Sedlmeir /// Gestaltung: Matthias Müller, Fon +49 211 63559150, grafish.de /// Redaktion extern: Bernd Seidel & Friends, Fon +49 89 45246970, seidelfriends.de /// Druck: Gronenberg Druck & Medien, 51674 Wiehl,Fon +49 2261 9683-0 /// Copyright: Die in diesem Magazin enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Wenn als Einzelnachweis auf der Seite nicht anders vermerkt: FERCHAU Engineering GmbH

Bildquellen: S. 06 - Tracy Eason /// S. 07 oben - privat; Mitte - PwC Strategy& /// S. 10 - Ibrahim Evsan /// S. 13 - privat /// S. 15 - Tino Greschner /// S. 17 - privat /// S. 19 - Image Biopsy Lab /// S. 23 oben - DFKI; unten - Fraunhofer IPA /// S. 25 - Courtesy of Dan Smalley Lab, Birgham Young University /// S. 26 - Brabant & Lehnert /// S. 27 -�oben: Bernd Seidel; links: Brabant & Lehnert; Mitte - BARC; rechts - Process Analytics Factory

- B R A N C H E N G E F L Ü S T E R -

S. 19 Dr. KI bittet zur Visite Die neuen digitalen Helfer verändern Arztbesuche, Diagnoseverfahren und sogar das Sterben.S. 20 Wir wollen doch nur spielenWie man mit Gamification verkrustete Unternehmensstrukturen aufbricht.S. 22 Algorithmen geben den Takt vorPredictive Maintenance optimiert Produktion und smarte Roboter arbeiten Hand in Hand mit Menschen.S. 24 Prinzessin Leia im Wohnzimmer? Endlich könnte echte 3D-Holographie Realität werden.S. 26 Digitale HeinzelmännchenLosgröße eins und trotzdem automatisieren? Ein Forschungsprojekt will das möglich machen.

- D O I T Y O U R S E L F -

S. 28 Grenzenlose KreativitätMotorrad fahren, Songs komponieren oder Angeln gehen: Gewinnen Sie ein Nintendo Labo und tauchen Sie ein in die neue Welt der Spielkonsolen.

- V O I C E S -

S. 30 KI ist die Religion der Neuzeit»Die Digitalisierung wird übertrieben«, meint Deutschlands bekanntester Trend-forscher Matthias Horx im Interview.

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D I G I T A L I S I E R U N G

T E X T : A L E X A N D E R F R E I M A R K

Nach dem Schwung der Anfangsjahre stockt die digitale Transformation. Viele Industrieunternehmen tun sich schwer damit, kompromisslose digitale Geschäftsmodelle rund um ihre Produkte zu entwickeln. Stattdessen werden die bestehenden Prozesse weiter optimiert. Das disruptive Potential der Daten bleibt auf der Strecke.

»Daten sind das neue Öl«. Diese markante These postulierte der britische Mathematiker Clive Humby vor rund zehn Jahren. Daten, so die Vision, werden Informationen, Einsichten, Entscheidungenund Einnahmen. Mit Daten kann man bestehende Prozesse verbessern und Geld sparen, aber auch neue Geschäftsmodelle entwickeln und zusätzliche Umsätze generieren. Diese »digitale Disruption« gilt als Königsweg der Wirtschaft und immerhin 96 Prozent der deutschen CEOs sehen sie laut einer aktuellen Umfrage von KPMG eher als Chance denn als Risiko. Knapp die Hälfte betrachtet sich sogar selbst als Disruptor und nicht als Getriebener durch den Wettbewerb. Allerdings: 2017 hatten noch 72 Prozent der Unternehmen die Ansicht vertreten, dass sie selbst die Spielregeln ihrer Branche verändern können. Und in der Tat wirkt

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» MIT SC R UM SC HE IT E RT MAN F R ÜHE R «

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es so, als habe die deutsche Industrie den Königsweg verlassen. Statt den digitalen Umsturz zu planen, setzen Unternehmen alles daran, ihre beste-henden Prozesse weiter zu optimieren – Reformation statt Transformation. Daten werden hier zwar als Schmier-mittel für die Abläufe genutzt, jedoch kaum als Treibstoff für neue Umsätze.

Die Entwicklung spiegelt sich in den Resultaten einer aktuellen Studie der Beratungsgesellschaft Etventure: Demnach versteht die Mehrheit der befragten Entscheider in deutschen Großunternehmen unter digitaler Transformation in erster Linie die Digitalisierung des bestehenden Geschäftsmodells beziehungsweise bestehender analoger Prozesse (55 Prozent). Lediglich 28 Prozent nennen den Aufbau neuer digitaler Geschäfts-modelle. Gleichzeitig sieht annähernd jedes zweite Unternehmen die eigene

Branche einem starken oder sogar sehr starken Wandel ausgesetzt, doch gerade einmal 21 Prozent erwarten einen ebenso starken Wandel auch beim eigenen Geschäftsmodell. Wie passt das zusammen?

»Die Ergebnisse zeigen eine deutliche Diskrepanz zwischen Eigenwahrneh-mung der deutschen Unternehmen und den realen Herausforderungen durch die Digitalisierung«, resümiert Philipp Depiereux, Gründer und Geschäftsführer von Etventure. So hätten zwar viele Unternehmen erste Digitalinitiativen etwa zur Vernetzung und Automatisierung der Produktion gestartet, seien aber nicht über inkre-mentelle Fortschritte hinausgekommen. Wer jedoch den Fokus auf das beste-hende Geschäft lege oder gar nur die IT optimiere, so Depiereux, gefährde die eigene wirtschaftliche Zukunft und Arbeitsplätze.

»Es geht darum, neue digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln, die dem technologischen Wandel ebenso wie den sich verändern-den Kundenbedürfnissen gerecht werden – Unternehmen müssen ihr eigenes Geschäftsmodell kritisch hinterfragen und mitunter selbst disruptiv angreifen.«

Diese Forderung steht schon seit Jahren im Raum – doch scheint sie die meisten Unternehmen eher zu lähmen, anstatt ihre Agilität anzustacheln. Zudem ist noch kein Konzern aus dem Silicon Valley aufgetaucht, der ihren Markt umkrempelt. Für Marco Lübbe-cke, Professor an der RWTH Aachen, überwiegt derzeit der Eindruck, dass heimische Firmen erst einmal aufholen müssen, was sie in den vergangenen Jahren versäumt haben, nämlich alle verfügbaren Daten aus dem eigenen Ökosystem digital zu erfassen.

TRANS FORMATION !REVOL UTIONREVOL UTION

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Daher seien derzeit Data Scientistsüberall gefragt – aber auch sinnvolle Anwendungsfälle. »Ich bin mir nicht sicher, ob die Un-ternehmen wissen, wofür sie die Daten eigentlich haben wollen und wie sie damit echten Mehr-wert produzieren können«, sagt der Wissenschaftler, der an der RWTH Aachen den Lehrstuhl für Operations Research leitet, die mathematische Entscheidungs-unterstützung etwa in Produktion, Logistik und Energie. »Mir kommt es oftmals so vor«, sagt Lübbecke, »als ob gerade alle den Big-Data-Hammer in der Hand haben und nach Nägeln suchen«. Zwar seien beispielsweise bessere Absatzprognosen zu Lagerbestän-den durch Machine-Learning-Algo-rithmen sinnvoll, aber der Prozess laufe oft in die falsche Richtung: Erst werden Daten gesammelt und dann wird überlegt, was man damit anfangen kann. »Momentan wirkt die Digitalisierung eher wie eine magische Blackbox – man steckt vorn viele Daten rein und hinten soll etwas Großartiges rauskom-men.« Allerdings lässt auch der Mathematiker keinen Zweifel daran aufkommen, dass die digi-tale Durchdringung ein wichtiger erster Schritt ist. Bislang werde

nämlich der traditionelle Effi zienz-gedanke in der Industrie »ziemlich hemdsärmelig« verfolgt, nach einem »intelligenteren Feuer-wehrprinzip«. Angesichts von Forderungen nach Individualisie-rung und Losgröße eins sei jedoch das Geschäft mit Daumenregeln und Erfahrungen allein nicht mehr zu steuern, so Lübbecke: »Teile einkaufen, Qualität sichern, Liefertreue einhalten – je indivi-dueller, desto schwieriger wird die Planung.« Folglich muss jemand Maschinen dazu befähigen, dass sie Entscheidungen treffen kön-nen. Und dies beginnt nun mal bei der systematischen Erfassung der Daten. Rund zwei Milliarden Euro werden dieses Jahr von der deut-schen Industrie in Industrie 4.0investiert, prognostiziert der IT-Verband Bitkom.

Mit neuen Geschäftsmodellen hat dies jedoch noch lange nichts zu tun. Dr. Stefan Ried, Principal Analyst und IoT-Experte bei Crisp Research, sieht zwar die Aufregung rund um Industrie 4.0 grundsätz-lich positiv: In den vergangenen Jahren sei ein Ruck durch die Wirtschaft gegangen und man habe mit hoher Geschwindigkeit die Automatisierung vorangetrieben.

»An vielen Stellen ist das aber leider nur kontinuierlich passiert, also nicht disruptiv in Bezug auf die Geschäftsmodelle«. Nur wenige wurden signifi kant verän-dert, kaum drastische Innovati-onen ausprobiert, inkrementelle Verbesserungen hatten Priorität. »Doch was hat der Kunde davon, wenn nur Prozesse im Detail opti-miert werden?«

Dass es im B2B-Segment auch anders gehen kann, liest man oft – allerdings wiederholen sich die Protagonisten. Rolls Royce und GE vermieten ihre Flugzeugtur-binen, weil sie ständig alle Daten abgreifen und in einem digitalen Zwilling analysieren können. Dadurch haben sie sehr genaue Fehlerinformationen, so dass sie effi ziente Wartungsmuster entwickeln können, argumentiert Ried. »Sie erhalten mit weniger Turbinen und einem geringe-ren Risiko mehr Flugstunden.« Kaeser hingegen vermietet Kompressoren und rechnet nach Verbrauchsmenge ab. Und Osram hat mit Lightelligence eine offene IoT-Plattform für die gesamte Beleuchtungsbranche und darüber hinaus entwickelt. Digital innoviert ist auch das 1997 gegründete Net-fl ix. Die Company entwickelte sich vom DVD-Verleiher zum Strea-mingmarktführer und zuletzt zum erfolgreichen Serienproduzenten. Der Armaturenhersteller Grohe hat in den vergangenen Jahren ein Wasserschaden-Warnsystem entwickelt. Es erkennt mittels Sensoren und eines selbst entwi-ckelten Algorithmus austretendes Wasser, alarmiert über eine App

Prof. Marco LübbeckeProfessor an der RWTH Aachen und Leiter des Lehrstuhls für Operation Research

» MIR KOMMT ES OFTMALS SO VOR, ALS OB GERADE ALLE DEN BIG-DATA-HAMMER IN DER HAND HABEN UND NACH NÄGELN SUCHEN.«

DIGITALE STANDORT-PLANUNG

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Dr. Stefan RiedSenior Analyst und IoT-Experte bei Crisp Research

» ES PASSIERT VIEL ZU WENIG, DENN DIE MANAGER DENKEN NICHT DISRUPTIV GENUG.«

STAHL UND DATEN Auch klassische Mittelständler mit analogen Produkten können datenbasierte Geschäftsmodelle entwickeln. Ein Beispiel ist die Firma RUD aus Aalen, Hersteller von Ketten, Beschlägen, Kranhaken und anderen Metallteilen. Deren Geschäftsmodell war durch asiatische Nachbauten zu günstigeren Preisen gefährdet. RUD kam auf die Idee, einen dringenden Bedarf der Kunden aufzugreifen und ein Asset-Management-Tool für die Auditierung sicherheitsrelevanter Industrieausrüstung zu entwickeln – übergreifend für alle Produktsegmente und Hersteller. Viele Kunden haben ihre Geräte und ihre Ausrüstung in das System eingescannt, RUD wertet die Informationen aus und hilft durch Dokumentation und Prüfprotokolle dabei, die regelmäßigen Audits zu überstehen. Gegebenenfalls wird gezielt Ersatz defekter Teile vorgeschlagen. Das digitale Geschäfts- modell wurde inzwischen in die Firma Syfi t ausgegründet. »Das ist ein Leuchtturmprojekt von einem Mittel- ständler, der die Flucht nach vorn angetreten hat«, sagt Dr. Stefan Ried, IoT-Experte und Principal Analyst bei Crisp Research. Langfristig könne diese zukunftsträchtige Investition so viel bringen, dass der eigene Marktanteil bei Kunden ausgeweitet und Wettbewerber abgewehrt werden. »Allein mit einem hochwertigen Produkt oder einem digitalen Add-on zur Maschine kommen Sie heute nicht mehr weiter.««

Dr. Reinhard GeissbauerPartner bei PwC Strategy& Deutschland

» DIE DEUTSCHEN UNTERNEHMEN SIND VOR EINIGEN JAHREN GUT IN DIE DIGITALISIERUNGGESTARTET, HABEN ES ABER BISLANG NICHT GESCHAFFT, IN GRÖSSERER ZAHL DIGITALE CHAMPIONS HERVORZURUFEN.«

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den Wohnungseigentümer und stellt im Schadensfall das Wasser direkt an der Hauptleitung ab. Um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben, entwickelt Automo-bilzulieferer Kiekert schon heute für das selbstfahrende Auto von morgen die »autonome Tür«. Ein E-Schloss soll in Zukunft den Ein-stieg ins Auto erleichtern. Dieses soll die automatische Öffnung der Fahrzeugtür durch das Berühren eines Touch-Sensors auf der »Außenhaut« der Tür oder das Smartphone ermöglichen.

Trotz erster vorzeigbarer Resul-tate fällt das Fazit des Crisp-Ana-lysten deutlich aus: »Es passiert viel zu wenig, denn die Manager denken nicht disruptiv genug. Das liegt maßgeblich daran, dass es der deutschen Industrie momen-tan sehr gut geht.«

Eine Einschätzung, auf die man häufi g stößt. »Die gute Konjunktur führt leicht zu Trägheit«, warnt in einer Studie beispielsweise Falco Weidemeyer, Senior Partner bei Roland Berger und Leiter des Bereichs Corporate Performance. »Dabei sollten Unternehmen in guten Zeiten ihre Geschäftsmo-delle hinterfragen, business as usual ist gerade jetzt gefähr-lich.« Zudem zeigen sich schon heute die ersten Effekte durch die Digitalisierung und es droht eine »digitale Spaltung« der Wirtschaft. Laut einer aktuellen Studie des World Economic Forum (WEF) und Accenture vereinen die besten 20 Prozent der Unternehmen einer Branche den Großteil der digitalen Produktivi-täts- und Umsatzzuwächse auf sich. Konzerne, die in mehrere

Digitaltechnologien investieren, ziehen den größten Nutzen aus der Technologie, während zumeist KMUs geringere Verbesserungen bei Produktivität und Wachstum erzielen. Die Abweichung zwischen Leadern und Followern liegt je nach Branche zwischen zehn und 30 Prozent. Jedoch schreiben die Stu-dienautoren des WEF auch, dass der Return on Investment (RoI) bei neuen Technologien positiv ist. Zudem seien die Produktivitäts-gewinne größer, wenn Technolo-gien aus den Bereichen Machine Learning, Robotics, IoT und Social in Kombination eingeführt würden.

»Die deutschen Unternehmen sind vor einigen Jahren gut in die Digitalisierung gestartet, haben es aber bislang nicht geschafft, in größerer Zahl digitale Champions hervorzurufen«, berichtet Dr. Rein-hard Geissbauer, Partner bei der Strategieberatung PwC Strategy& Deutschland. Diese Champions wie Daimler, Bosch und BASF hätten konsequent investiert und die Aspekte einer digitalen Trans-formation umgesetzt, also ein Kundenlösungs-Ökosystem allein oder mit Partnern aufgebaut sowie ein Digital-Operations-Ökosystem, in dem alle physischen Assets von der Produktentwicklung über die Fertigung bis zur Supply Chain und zum After Sales über alle Wert-schöpfungsschritte ideal mitei-nander vernetzt sind, berichtet Geissbauer. »Hier hinken wir sehr stark nordamerikanischen Unternehmen hinterher, die insbesondere beim Thema Kundenökosystem hervorragend aufgestellt sind, aber auch vielen Unternehmen aus Asien, die jung und digitalaffi n sind.«

Nach Einschätzung des Stra-tegy&-Managers hat der Maschi-nenbau zumindest das Potential, die Digitalisierung am besten zu nutzen, und er ist für den Wettbe-werb der Zukunft gut gewappnet. »Die Digitalisierung erlaubt es, durch eine engere Kundenbin-dung den Mehrwert des Produkts global und effi zient an mehrere Kunden heranzutragen.« Zudem habe auch der Mittelstand die Möglichkeit, durch seine Kun-dennähe den Produktfokus auf einen Servicefokus zu verschie-ben. Dennoch sieht Geissbauer die heimische Industrie in einer schwierigen Phase: »Es fehlt vielen Unternehmen in Deutsch-land an Visionen, Führung und einer umfassenden Digitalstrate-gie.« Nur 36 Prozent hätten eine klare Vorstellung davon, wie sie von Technologiepiloten zu einer digitalen Transformation des ge-samten Unternehmens kommen. Auch der Aachener Industriema-thematiker Lübbecke sieht die beiden Seiten der Medaille: »Gut ist, dass es vorangeht – schlecht ist, wenn man damit zufrieden ist und nicht alle Möglichkeiten nutzt, die sich einem Unternehmen aus der Digitalisierung bieten.« So hat eine alte Lebensweisheit fatale Folgen in der Version 4.0: Lieber den Prozess in der Hand als das Geschäftsmodell auf dem Dach.

Clive HumbyMathematiker

»DATEN SIND DAS NEUE ÖL.«

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Die Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sind Gegenstand intensiver Diskussionen. Laut einer Studie des Beratungsunternehmens EY (Ernst & Young) fi ndet jeder fünfte mittelständische Betrieb nicht genug Fachkräfte, weshalb er nicht oder zu wenig in die Digitalisierung des Geschäfts investiert. Besonders gefragt ist das Know-how in den Bereichen Datenauswertung und Analyse, mobile Technologien, IoT, Cybersecurity sowie Cloud, heißt es in der IT-Trends-Studie 2018 von Capgemini. Drei Viertel der Unternehmen gaben an, dass insgesamt zu wenig

Mitte 2018 waren die fünf größten Konzerne nach Börsenwert die sogenannten digitalen Plattformen Amazon, Apple, Alphabet (Google), Microsoft und Tencent. Inzwischen ist der Begriff der Plattform-Ökonomie der letzte Schrei in der Industrie: ein Zielbild für digitale Geschäftsmodelle. Statt sich auf Produkte zu fokussieren, verbinden die Plattformen möglichst viele Lieferanten und Abnehmer miteinander: Statt einer Musikband auf CD/MP3 gibt es alle Bands im Streaming. Das Problem: Mehr als die Hälfte (54 Prozent)der Geschäftsführer und Vorstände von Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten geben laut Bitkom an, dass sie von Plattform-Ökonomie, Plattform- Märkten oder digitalen Plattformen noch nie gehört haben. Dabei bieten Plattformen auf den ersten Blick für alle Beteiligten Vorteile, dank des IoT auch in der produzierenden Industrie: viele Angebote, viele Kunden, viele Provisionen. Auf den zweiten Blick profi tieren primär die Betreiber, denn sie können die Wertschöpfung im eigenen Ökosystem steuern. Allen voran bauen Konzerne an der Plattform- Ökonomie, etwas Siemens, Trumpf oder Osram. Zulieferer brauchen neue Kompetenzen, um von der Entwicklung zu profi tieren. »Unternehmen sollten alle Möglichkeiten ausloten, solche Plattformen aufzubauen oder zu nutzen«, rät Bitkom-Präsident Achim Berg.

Weitere InformationenR o l a n d - B e r g e r - S t u d i e z u m T h e m a : b i t . l y / 2 L q c M Y k

P L A T T F O R M - Ö K O N O M I E

Die Management-Beratung PwC Strategy& empfi ehlt die folgenden Etappen auf dem Weg in die Digitalisierung:

1 Analyse des eigenen Ökosystems und Exploration der externen Möglichkeiten. Klar werden über die eigenen Fähigkeiten und Entwicklung eines Zielbilds.

2 Defi nition einer Vision für das künftige Ökosystem und des Werteversprechens für die Wettbewerbsfähigkeit. Defi nierte Ziele in Richtung Markt sowie intern kommunizieren, um Veränderungs- prozesse und den Kompetenzaufbau anzutreiben.

3 Entwicklung eines integrierten Ökosystem- konzepts und strategischer Partnermodelle. Roadmap und Investitionsplan zur Verbesserung des Reifegrads auf allen Ebenen im System: Kunden, Betrieb, Technologien.

4 Agenda zur digitalen Transformation und Governance-Struktur, in der das Management-Team aktiv die Transformation treibt. Instanzen für Steuerung, Investitionen und Entscheidungen aufsetzen. Digitalisierung als Top-Priorität des oberen und mittleren Managements verankern.

5 Iteratives Design und Implementierung der Ökosystemfähigkeiten. Schneller zum Erfolg mit crossfunktionalen Teams aus Business und IT, die Lösungen in iterativen Prozessen mit agilen Methoden implementieren.

6 Die Benefi ts aus der Digitalisierung müssen wieder reinvestiert werden. Erfolgreiche Unternehmen tragen die Veränderungen bei Kultur, Technologie und Produkten bis in den letzten Winkel.

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Kandidaten am Markt verfügbar seien. Die folgenden Hemmnisse sind aber überwiegend hausgemacht: Der Rekrutierungsprozess ist nicht effektiv genug (kein Zugang zu Kandidaten, zu lange Auswahlverfahren etc.), die Rahmenbedingungen im Unternehmen sind nicht attraktiv genug (Standort, Gehalt, Gestaltungsspielraum etc.), das Anforderungsprofi l ist noch unklar und es gibt kein Budget für diese Stellen. Im Bereich Big Data arbeiten daher 78,3 Prozent der Befragten mit Externen zusammen, lediglich zwölf Prozent können diese Projekte ausschließlich mit eigenen Mitarbeitern umsetzen.

Best Practices für die digitale Transformation

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Laut einer aktuellen PwC-Studie entfallen nur sechs Prozent der Einnah-men produzierender Unter-

nehmen in Deutschland auf rein digitale Inhalte, Services

und Lösungen. Die Mehrheit der Industrieunternehmen hat es bislang versäumt, datenge-

triebene Geschäftsmodelle zu entwickeln. Was zum nächsten

Schritt fehlt, ist die grundlegende � digitale Kompetenz, sagt Digitali-

sierungsexperte Ibrahim Evsan – vor allem in der Führungsetage.

I B R A H I M E V S A N Der Digitalisierer: Ibrahim Evsan ist ein Unternehmer, Blogger und Autor. Er hat insgesamt sechs Firmen gegründet, darunter die Multimedia-Plattform Sevenload. Heute ist Evsan als Keynote-Speaker tätig und berät mit seiner Firma Connected Leadership Unternehmen bei der digitalen Transformation. ibrahimevsan.de

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Herr Evsan, vor ein paar Jahren hieß es, dass jeder Industriebetrieb zum digitalen Disruptor werden kann, der eine Branche auf den Kopf stellt. Wie ist der Stand der Dinge?Die meisten Unternehmen verstehen die Chancen noch nicht, die sich ihnen durch die Digitalisierung eröffnen. Sie sind sich unsicher, in welcher Form sie heute die Digitalisierung nutzen und wie sie die Möglichkeiten in die eigene Unterneh-mensvision integrieren sollen. Chancen kann man nur ergreifen, wenn man sie erkennt.

Woran liegt es, dass zwar Teil-bereiche digital optimiert werden, aber kaum wirklich datengetriebene Geschäftsmodelle auf den Markt gekommen sind?Die einfache Antwort: Man kann sich Daten nicht vorstellen. Daten sind unsichtbar, und alles, was unsichtbar ist, kommt beim Management nicht an. Das gilt auch für den Wandel vom Maschinenverkäufer zum Dienstleistungspartner. Keine leichte Entscheidung, denn dafür brauchen sie viel Phantasie – Digitalisierung ist in erster Linie ein Gedanke. Den meisten Managern fehlt aber schlicht die Zeit, um Interesse und Neugier zu entwickeln und sich den neuen Themen zu stellen. Auch der Bun-desverband Deutscher Unternehmens-berater beklagt, dass Führungskräfte von der komplexen digitalen Gemengelage zunehmend überfordert sind.

Was empfehlen Sie dem Top-Management?Sie müssen konsequent ihre eigene digitale Kompetenz aufbauen und eine vernetzte Leadership vorleben. Nur weni-ge Manager engagieren sich persönlich in den sozialen Medien und erkennen die Trends und Entwicklungen. Wenn die Mehrheit mit der digitalen Welt in Kontakt tritt, dann nur aus zweiter Hand über Zeitungsberichte oder auf einer Konfe-renz. Aber ich meine echte Neugier und Engagement: Apps nutzen, anmelden,

ausprobieren, kommunizieren. Im Idealfall erleben sie die digitale Welt in Form eines Führungskräftepraktikums. Und wenn sie mal die gesamte digitale Landkarte er-fasst haben, dann passieren oft Wunder.

Es geht um Technologie, Unterneh-menskultur, Führungsprinzipien und Agilität – ist die Herausforderung für die meisten Unternehmen zu komplex?Digitalisierung ist unfassbar breit und man muss sie komplett verstehen. Das können die meisten nicht, wenn sie die digitale Kompetenz nicht haben. Und Kompetenzen baust du nicht von heute auf morgen auf. Führungskräfte müssen sich als Erstes eingestehen, dass sie keine Ahnung haben. Diese Wahrhaftigkeit erlebe ich in meinen Workshops immer häufi ger, das ist ein gutes Zeichen. Und sie müssen sich wirklich Zeit nehmen. Kein leichtes Unterfangen in einer stressigen, globalisierten Welt mit hohen Herausfor-derungen – das ist der digitale Verdrän-gungswettbewerb, der gerade läuft.

An welchen Stellen im Unternehmen knirscht es denn bei der digitalen Transformation?Einmal beim Wandel von der klassischen Unternehmensführung zur Digital Lea-dership, wo der freie Meinungsaustausch wichtiger ist als die alte Befehlskette. Dadurch brauche ich viele crossfunk-tionale Qualifikationen und weniger Spezialisierungen. Zu diesem personellen Wandel kommt die hohe Geschwindig-keit der digitalen Welt, die viele Leute schwindelig macht. Plötzlich fehlen die Ideen von Perfektionismus und Sorgfalt: Lieber schnell anfangen, schnell das Pro-dukt entwickeln, schnell die ersten Tests machen. Damit kommen die meisten gar nicht klar. Und sie denken immer noch über geschlossene Systeme nach und nicht über eine Update-Kultur. Wenn ich meine Produkte updatefähig mache, habe ich ganz andere Hebel für Vertrieb und After-Sales.

Beispiele für eine erfolgreiche digitale Transformation stammen fast immer von Konzernen. Was macht der heimische Mittelstand? Der Unterschied liegt in der Kommuni-kation. Auch die kleinen Unternehmen machen fantastische Produkte, aber sie gefallen sich als Hidden Champions. Neh-men sie Elon Musk, der stellt sich hin und redet, ohne dass ein Produkt vorhanden ist. Alle sind begeistert und bestellen ein Auto. Die Wahrheit schafft man, indem man spricht. Heute muss man laut sein, stolz sein und alle Möglichkeiten der Presse und der sozialen Medien nutzen, um das künftige Produkt zu vermarkten. Diesen Wandel verstehen viele Menschen nicht, das sind nicht ihre Werte. Das heißt, ich muss mein komplettes Unter-nehmen umdenken und die Wertekultur. Wenn man als Unternehmer oder Mana-ger lange erfolgreich war, stellt man sich natürlich die Frage: Warum das alles? Ich habe doch ein schönes Leben.

Bislang ist aber noch kein Airbnb für den Maschinenbau aufgetaucht. Wann kommen denn die Start-ups? Ich würde weniger die Start-ups sehen, sondern die digitalen Supermächte Google, Facebook oder Amazon. Auch die denken garantiert »digital fi rst« und spielen nach einfachen Regeln: Märkte mit einem Jahresumsatz von zehn Mil-liarden Dollar sind interessant und alle Teilnehmer dort sind gefährdet. Start-ups bilden ja nur das Fischfutter der großen digitalen Plattformen. Allein Amazon hat über 300 Analysten, die Marktsegmente beobachten. Das muss man sich erst mal leisten. Und man darf die Investoren-gruppen wie Softbank nicht verges-sen. Die kaufen Start-ups, weil sie eine fantastische Marktforschung bekommen und genau wissen, was in den Märkten passiert. Solche Angreifer kann man nicht aussitzen, man muss sich ihnen frühzeitig stellen.

»DIGITALISIERUNG IST EIN GEDANKE«

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»MIT SCRUM SCHEITERT MAN FRÜHER«

A G I L E S P R O J E K T M A N A G E M E N T E I N F Ü H R E N

T E X T : B E R N D S E I D E L

Die Digitalisierung dreht das Rad der Produktentwicklung schneller. Lange Markteinführungszeiten sowie unterschiedliche Geschwindigkeiten bei der Entwicklung digitaler und mechanischer Komponenten stehen dem entgegen. Die Folge: Entwicklungen am Kunden vorbei. Agile Vorgehensweisen können der Weg sein, Kundenwünsche und Produktentwicklung zu synchronisieren.

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E igentlich ist alles klar. Über eine Million Fundstellen in 0,38 Sekunden spuckt Google zur Suchanfrage »agiles Projektmanagement« aus.

Acht von zehn der rund 1.000 befragten Unternehmen setzen laut der Studie »Status Quo Agile 2017« agile Methoden in der Entwicklung von Software ein oder sind dabei, diese umzusetzen. 91 Prozent schätzen die Verbesserung durch agile Ansätze höher ein als den Aufwand, diese einzuführen. Und 70 Prozent erzielen damit Verbesserungen bei Ergebnissen und Effi zienz.

»Agiles Projektmanagement ist seit geraumer Zeit ein Top-Thema«, sagt Tim-Philipp Weber, Senior Account Manager IT bei FERCHAU Mannheim. »Aber damit ist es nicht automatisch fest verankert in Entwicklungsprozessen und vor allem in der Unternehmenskultur.« Er beobachtet, dass agile Methoden nicht stringent zum Einsatz kommen und insbesondere in Nicht-IT-Bereichen eine untergeordnete Rolle spielen. Häufi g vermisst er den agilen Mindset. Im Fall von Scrum ist das mal nur der Product Owner, der für die Wertmaximierung des Produkts und die Arbeit des Entwick-lungsteams verantwortlich ist, mal gebe es keinen priorisierten Backlog oder elementare Retrospektiven würden nicht gemacht.

In puncto ganzheitlicher Nutzung stützt die Studie unter der Leitung von Prof. Dr. Ayelt Komus, Professor für Organisation und Wirtschaftsinformatik in Koblenz, Webers Wahrnehmung. Erst rund ein Drittel der Befragten setzt agile Me-thoden auch für andere als IT-Entwick-lungsthemen, etwa für HW-Entwicklung oder Testing, ein. »Aktuell stehen viele Unternehmen vor der Herausforderung, die Chancen agiler Verfahren zu erschließen. Dabei gilt es, geeignete Wege zum agilen Unternehmen aufzuzeigen, die zur Orga-nisation passen und diese nicht überfor-dern«, schreibt Komus in seinem Blog.

Wirtschaftsingenieur Weber, der bei FERCHAU eine umfassende Ausbildung für agiles Projektmanagement durchlaufen hat, berät mit seinem Team Kunden, die richtigen Schritte zu tun, um den Change in eine agile Organisation zu meistern – dazu gehören Entwicklung von Soft- und Hardware ebenso wie das Anpassen von Qualitätssystemen und weiterer entwick-lungsnaher Unternehmensschnittstellen.

Aus seiner Praxis nennt er zwei Faktoren, die Agilität forcieren: »Erstens nimmt die Komplexität des Marktes zu, eine langfristige Planbarkeit ist kaum noch gegeben. Zweitens verlaufen Entwick-lungsprozesse asynchron.« Als Beispiel nennt er den Entstehungsprozess eines Autos. Dieser dauere für das Gesamtsys-tem durchschnittlich rund 48 Monate, die Entwicklungszeit der Logik für die Steue-rung des Entertainmentsystems oder der Assistenzsysteme ist dagegen um Faktor vier kürzer. Im Fachjargon nennt man die-se Ungleichheit »Clockspeed Dilemma«. Die langen und asynchronen Entwick-lungszyklen führen laut Weber zu Entwicklungen am Kunden oder Markt vorbei. Bei klassischer Vorgehensweise entsteht nach einmaliger langer Pla-nungsphase vor Entwicklungsbeginn ein umfangreiches Pfl ichtenheft und dann

verschwinden die Teams häufi g für einige Monate in ihren Labors und Werkstätten. Was danach präsentiert wird, entspricht allerdings oft nicht mehr dem, was der Kunde eigentlich benötigt, denn in der Zwischenzeit verändern sich der Markt und dessen Anforderungen. Anstatt das bis dahin Entwickelte zu den Akten zu le-gen, hält man an dem Projekt weiter fest. Psychologen nennen dieses Verhalten »eskalierendes Commitment«. Der im-mense Aufwand an Geld und Arbeitskraft führt dazu, dass man auch an bereits ge-scheiterten oder wenig aussichtsreichen Projekten festhält. Niemand will ausspre-chen, dass die Mühe umsonst war.

Anders der agile Ansatz: »Reagieren auf Veränderung steht über dem Befolgen eines Plans«, ist beispielsweise ein Eckpfeiler des agilen Manifests. »Mit Scrum scheitert man früher – im posi-tiven Sinn«, nennt das Agilitätsexperte Weber. »Wir wollen immer wieder unsere Richtung überprüfen und durch kleine Iterationen diese anpassen«. In Zeiten von Internet of Things und Industrie 4.0 hat die Veränderungsgeschwindig-keit nochmals an Fahrt gewonnen. Um Schritt halten zu können, seien agile Verfahren und deren Kernforderungen die richtige Wahl: Transparenz, getting things done (Agilität für den Einzelnen), kundenfokussierte User-Storys, zeitnahe Feedbacks sowie der direkte Zugriff auf Kundenwünsche durch enge Integra-tion seien wirksame Instrumente, um Fehlentwicklungen zu vermeiden. Das scheint anzukommen. Mit 61 Prozent ist der Wunsch nach Optimierung der Produkteinführungszeit laut der Koblenzer Studie der meistgenannte Grund, auf agile Verfahren zu setzen.

T I M - P H I L I P P W E B E RSenior Account Manager IT und Scrum-Master bei FERCHAU

<atFERCHAU #21> C O V E R

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»Die Erkenntnis setzt sich durch, doch Unter-nehmen haben die Qual der Wahl, die passende Methode auszuwählen«, erklärt Weber. Ein Patentrezept, wie Scrum, Lean, Kanban und Co. in Produktentwicklung und Firmenkultur integriert werden, hat er nicht. Firmengröße, Art der Produkte, das unternehmerische Umfeld sowie der Reifegrad seien Faktoren, welche die Auswahl beeinfl ussen. »Zunächst geht es um den Mindset«. Nicht selten kämen mehrere Methoden gleichzeitig zum Einsatz, etwa in verschiedenen Abteilungen oder Unterneh-menssparten. Orientierung, wann ein agiles Vorgehen und wann Lean- oder Standardpro-zesse angesagt sind, gibt die nach Professor Ralph Douglas Stacey benannte »Stacey-Matrix«. Der Professor für Management an der Hertfordshire Business School in Groß-britannien forscht zu dem Thema und hat das Entscheidungsmodell entwickelt.

Stacey geht in seinem Ansatz davon aus, dass bei einem Projekt sowohl die Ziele (was?) als auch der bestmögliche Weg (wie?) dort-hin mehr oder weniger klar oder unklar sein können. Je nach Einstufung des Vorhabens in »einfach« oder »kompliziert« können Unter-nehmen dann entsprechende Projektvorge-hensweisen wählen. Als »einfach« gilt ein Projekt, wenn ein Unternehmen schon Routine im Lösen ähnlicher Aufgaben hat. In diesem Fall empfiehlt Stacey folgendes Handeln: anschauen, einordnen, ableiten, reagieren. Bei der Einstufung »komplex« ist dagegen iteratives (agiles) Vorgehen die bessere Wahl. Die Handlungskette ist dann wie folgt: probie-ren, anschauen, reagieren, erneut probieren, anschauen, reagieren etc. Die passende Methode fi nden ist das eine, sagt Weber. Cultural Change und Integration der

Verfahren in bestehende Abläufe ein Weiteres. »Unternehmen arbeiten nicht im luftleeren Raum, sondern sind in ein Eco-System aus Partnern, Lieferanten und nicht zuletzt auch Zulassungsbehörden eingebettet«, erklärt er. Entwicklungsprozesse, Tests, Reviews, Frei-gaben, Zulassungen und Zertifi zierungen etwa durch externe Stellen, sei es TÜV, Dekra, FDA, Luftfahrt- oder Kraftfahrtbundesamt, sind über viele Jahre etabliert und die ändert man nicht mal eben so. Die Prozesse müssen aufeinander abgestimmt werden. Webers Gradmesser für eine gelungene agile Transition ist simpel: »Alle Verfahren und Qualitätsprozesse, ob intern oder extern, müssen so umgesetzt sein, dass man am Ende ein zugelassenes Produkt erhält.«

Wie erfolgreich der Weg in Richtung agile Prozesse und Organisation verläuft, ist nach den Erfahrungen von Weber davon abhängig, wie glaubwürdig die Change-Story ist. Denn was häufi g passiert: Veränderungen erzeugen Widerstand und führen zu Schockstarre. »Das kann die komplette Firma lähmen.« Sein Rat: Das Top-Management muss offen und ehrlich kommunizieren, welche Marktanforderungen das Unternehmen herausfordern, wie sich diese auswirken und warum die Veränderungen nötig sind. »Kultur ist Chefsache oder fi ndet nicht statt.« Dabei dürfen auch Abteilungs-grenzen oder Silodenken nicht im Weg stehen. Diese Hürden ließen sich allerdings übli-cherweise überwinden, wenn sich der Fokus der Veränderungen auf den Kunden richtet. »Machtgefüge brechen automatisch auf, wenn ich den Kundennutzen im Auge habe. Es geht daher auch darum, den Mitarbeitern die Angst vor Veränderung zu nehmen. Denn nur moti-vierte und gut ausgebildete Mitarbeiter bringen zufriedene Kunden.«

1. Individuen und Interaktionen stehen über Prozessen und Werkzeugen

2. Funktionierende Software steht über einer umfassenden Dokumentation

3. Zusammenarbeit mit dem Kunden steht über der Vertragsverhandlung

4. Reagieren auf Veränderung steht über dem Befolgen eines Plans

Kernaussagen agiles Manifest

Wir erschließen bessere Wege, Software zu entwickeln, indem wir es selbst tun und anderen dabei helfen. Durch diese Tätigkeit haben wir diese Werte zu schätzen gelernt:

Quelle: agilemanifesto.org

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GEWUSST WO

T I N O G R E S C H N E RGIS-Experte bei FERCHAU

D I G I T A L I S I E R T E S T A N D O R T P L A N U N G

Standorte planen, regionale Angebote entwickeln, Logistik und Ressourceneinsatz optimieren: Für viele Unternehmensaufgaben liefern Geoinformationssysteme wichtige Basisdaten. Tino Greschner, GIS-Experte bei

FERCHAU, erläutert, worauf es bei der Konzeption und Umsetzung ankommt. T E X T : U W E K Ü L L

 S ie führen in einem Handels-haus eine unternehmens-weite Geoinformations-plattform ein. Wie helfen

digitale Informationen bei der richti-gen Standortwahl?Geschäftsprozesse, auch wenn sie digita-lisiert ablaufen, besitzen fast immer eine räumliche Dimension. Einkauf, Fertigung, Vertrieb und Personalwesen beispielswei-se sind viel damit beschäftigt, Waren, Per-sonen oder Dienstleistungen von A nach B zu schaffen. Geoinformationssysteme helfen Entscheidern, indem sie Daten erfassen, speichern, kombinieren, ana-lysieren und in Form von digitalen Karten bereitstellen. Dazu gehören Luftaufnah-men, Satellitenbilder, technische Pläne, Fotos, statistische Daten, Sensordaten etc. Damit können beispielsweise Handels-unternehmen umsatzstarke Filialstandorte planen. GIS kann aber noch mehr: Es hilft Lieferanten, ihre Tourenplanung zu optimieren, und Werbungtreibenden, effektivere Kampagnen zu entwickeln.

Wie gehen Sie bei der Einführung von GIS-Plattformen vor?Bewährt haben sich agile Verfahren wie Scrum, bei denen die Kunden frühzeitig in die Entwicklung einbezogen sind – durch Feedbackzyklen und gemeinsames Testen. Meine Schwerpunkte sind das Entwickeln des Datenmodells und die Datenmodellierung sowie der Aufbau der GIS-Plattform. Also spreche ich viel mit den Nutzern über die konkreten Einsatz-szenarien des GIS sowie der Webanwen-dungen und mobilen Anwendungen, die darauf zugreifen.

Worauf müssen Anwenderunter-nehmen bei den nächsten Schritten achten?Module und Arbeitspakete so konzipieren und priorisieren, dass schnell brauchbare Ergebnisse vorliegen. Denn diese motivieren alle Beteiligten. Natürlich sind funktionale Abhängigkeiten zu beachten. Erst wenn die GIS-Datenbank steht, können wir digitale Karten mit Sachdaten aus Datenbanken, Tabellen, Text- und anderen Dateien ver-knüpfen. Dabei lassen sich verschiedene thematische Ebenen, wie zum Beispiel Einwohnerverteilung, Verkehrsmittelnut-zung oder Kaufkraft kombiniert auswerten. Skalierbare Desktop-GIS- und Web-GIS-Anwendungen sowie Dashboards für den Informationsabruf sorgen schließlich dafür, dass jeder Nutzer, egal ob Standortplaner, Logistiker oder Marketingmanager, den für seine Rolle optimierten Zugang zum GIS erhält.

Mit welchen Tools arbeiten Sie hauptsächlich?Im Zentrum meiner Arbeit steht ein komple-xes Datenmodell, das die fachlichen und daten-technisch relevanten Prozesse möglichst redundanzfrei abbil-det. Dafür nutze ich beispielsweise den »Enterprise Architect« von SparxSystems, um Strukturen für Tabellen

und Datenprozesse in der Modellierungs-sprache UML zu erstellen. Hinzu kommt eine Reihe spezieller SQL-Tools. Und natürlich muss ich mich auch mit den Möglichkeiten und Funktionalitäten des GIS selbst auskennen.

<atFERCHAU #21> COVER

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I N D U S T R I E 4 . 0I M S O N D E R M A S C H I N E N B A U

DIE SOFTWARE IST DER

SCHLÜSSEL Moderne Maschinen produzieren nicht nur. Sie generieren und sammeln Daten in großen Mengen. Damit legen sie die Basis

für fl exiblere und stabilere Prozesse – und für die Zukunft von Unternehmen. Um den Datenschatz zu heben und automatisiert

zu verarbeiten, müssen Maschinenbauunternehmen zu Software- spezialisten werden. Keine einfache Wandlung.

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D eutschlands Industrie ist unterwegs in Richtung Industrie 4.0: 71 Prozent der Unternehmen nutzen oder planen bereits Industrie-4.0-Anwendungen. Das ergab eine Studie, deren Ergebnisse der Bitkom

anlässlich der Hannover Messe 2018 präsentierte. Der wichtigste Treiber ist dabei für 68 Prozent der Befragten die Aussicht auf verbesserte Prozesse. »Da liegen wir also voll im Trend«, stellt Jens Möller fest. Der FERCHAU-IT-Consultant leitet den Aufbau einer Softwareabteilung bei einem Sondermaschinenbauer. Das Ziel ist die Entwicklung von Applikationen und Systemkompo-nenten mit dem Schwerpunkt Industrie 4.0. Der Software-Ent-wickler mit langjähriger Erfahrung als Tester und Qualitäts-beauftragter ist für die Konzeption der Software und den Aufbau einer Toolchain zum Entwickeln, Testen und Optimieren der Software ebenso zuständig wie für den personellen Aufbau der Abteilung in Abstimmung mit der Bereichsleitung.

Die Hauptanforderung an Möller und sein Team lautet: sammeln und auswerten von Produk-tionsdaten. Hier sieht der Experte, der als Hobby Roboter programmiert, auch den grundlegend neuen Ansatz der Industrie 4.0: »Produktionssysteme zu compu-terisieren und mit zentralen Leitrech-nern zu führen – das ist ja keine wirklich neue Idee.« Beim Compu-ter-Aided Manufacturing (CAM) der Vergangenheit fehlte es allerdings an zuverlässigen Daten über den aktuellen Status der Anlagen, die Voraussetzung für erfolgreiches Planen und Steuern sind. In der Industrie 4.0 stehen hingegen Daten über den Verschleiß von Teilen, Produktionsgeschwindigkeit, Temperaturen von Maschinen, Material und Umgebung und vieles mehr im Mittelpunkt und auch zur Verfügung.

Voraussetzung für den Erfolg ist größtmögliche Ausfallsicherheit beim Erfassen der Daten. »Daher sind wir von den kleinen ›echten‹ SPS weggegangen und verwenden nun größere Maschinen, auf denen Windows 10 IoT läuft«, erklärt Möller. Jede dieser SPS ist ein vollwertiger Industrie-PC (IPC) und verfügt über eine Daten-bank zum Erfassen der Produktionsdaten aus der Linie, die er steuert. Die IPCs haben darüber hinaus den Vorteil, ganze Linien kontrollieren zu können. Die Daten werden vor Ort in einer lokalen Datenbank erfasst, in defi nierten Intervallen von einem Produk-tionsleitrechner abgerufen und schließlich in das ERP-System geladen. Fällt nun eine Linie aus, wird dies auf der nächsten Ebene durch das Ausbleiben neuer Daten automatisch bemerkt. Gibt es einen Ausfall auf höherer Ebene, funktioniert jede Linie für sich trotzdem zunächst autark und erfasst Daten. Der Vorteil: Die Analyse der Daten auf Maschinenebene läuft weiter und versorgt die Maschinenbediener mit Status- und Fehlermeldungen.

Die Datenaufbereitung folgt dem Aufbau der sogenannten Auto-mationspyramide: Auf der untersten Ebene fi ndet die Erfassung durch die SPS statt. Darüber befi ndet sich die Prozessleitebene (SCADA). Die automatische Überwachung der Produktionspara-meter informiert den Maschinenbediener so über den Zustand seiner Linie oder Maschine, dass er gegebenen Handlungsbedarf schnell erkennen kann. Auf der Produktionsleitebene (MES) laufen Produktionsplanung und Steuerung sowie die Statusvisualisierung in Echtzeit. Im ERP-System schließlich erfolgt auf Basis dieser Daten die Unternehmensplanung. Um ein Gesamtbild des Unter-

nehmens zu erstellen, werden auf jeder Ebene die Fertigungs-daten mit Input aus anderen Datenquellen, wie beispielsweise

dem Qualitätsmanagement, kombiniert.

Bei der Umsetzung dieses Konzepts geht es jetzt darum, Lücken zu schließen – sowohl bei der technischen

Unterstützung der Industrie-4.0-Prozesse auf allen Ebenen als auch bei der personellen Besetzung.

Da es noch keine Softwareentwicklungsabteilung gab, musste zunächst ein Entwicklungsprozess

defi niert werden. Dann wurden Prozessschrit-te zu qualitätssichernden Maßnahmen

eingeführt. Aufgrund seiner Erfahrungen orientierte Möller sich dabei am V-Modell

und an Automotive Spice. Auf Basis der Prozessdokumentation entstan-

den Templates für die einzelnen Prozessschritte der Entwicklung.

Damit konnte die Konzeption der Software beginnen.

Möller erstellte zunächst ein Migrationskonzept,

mit dem die vorhande-ne, eigenentwickelte

und monolithisch konzipierte ERP-Software in kleinere Applikationen zerlegt wird. Diese lassen sich durch Komponenten aus den unteren Ebenen der Automationspyramide ergänzen, um Datenquellen zu erschließen. Darüber hinaus ermöglicht die modulare Struktur, Drittanbieterapplikationen anzubinden. Und schließlich bietet der neue Ansatz die Möglichkeit, beispielsweise eine automatisierte Mehrsprachigkeit in das System einzubringen. »Damit erfüllt das neue Konzept alle zentralen Anforderungen, die sich aus dem strategischen Ziel ergeben, nicht nur die eigenen Fertigungs-prozesse zu optimieren, sondern die Industrie-4.0-Lösung als innovatives Produkt erfolgreich zu vermarkten,« betont Möller.

J E N S M Ö L L E RIT-Consultant und Softwareentwickler bei FERCHAU

ERPManagement

MESBetriebsleitebene

SCADAProzessleitebene

SPSFeldebene

V O N D E R P R O Z E S S - Z U R U N T E R N E H M E N S L E I T U N G S E B E N E :Die Automatisierungspyramide ist geeigneter Ordnungsrahmen zur Gestaltung der IT.

<atFERCHAU #21> C O V E R

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Quellen: 1) Capgemini IT-Trends-Studie 2018, 2) EU, 3) Capgemini IT-Trends-Studie 2018, 4) Bitkom, Juni 2018, 5) Bitkom, April 2018, 6) Seagate 5

aller Geschäftsprozesse eines Unternehmens sind im Schnitt von der

Digitalisierung betroffen.

%

der Altanwendungen müssen aufgrund der Digitalisierung werden. 40%angepasst

Platz 14 belegt Deutschland im Digital Economy

and Society Index 2018 der EU – nur

knapp über demDurchschnitt.

14

163

2

3

1

aller Maschinen in Deutschland ist vernetzt, neudeutsch »smart«.

1⁄4 42�% der Unternehmen in Deutschland sehen in dem Mangel an Fachkräften eine Hürde für den Einsatz neuer Technologien.

NUMBERS

4

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Zettabytean Daten werden im Jahr 2025 erschaffen,

zehnmal mehr als 2016. 6

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K Ü N S T L I C H E I N T E L L I G E N Z U N D M E D I Z I N

T E X T : A N J A R E I T E R

D iensteifrig analysieren Algorithmen abstrakte Muster und errechnen Wahrscheinlichkeiten. Feierabend kennen sie keinen. Das Wiener

Medizin-Start-up Image Biopsy Lab setzt genau auf diese Stärke von künstlicher Intelligenz (KI): Die Österreicher haben eine Software entwickelt, welche den Schweregrad von Kniearthrose anhand von Röntgenbildern und Deep-Learning-Methoden bestimmt. Das Programm sei dabei viel schneller als menschliche Ärzte. Während ein Arzt für 75 Röntgenbilder acht Stunden brauche, leiste die Software das Gleiche in wenigen Minuten.

Geht es nach den KI-Pionieren wie Image Biopsy Lab, sollen selbstlernende Algorithmen überar-beiteten Ärzten künftig Aufgaben abnehmen und für bessere medizinische Diagnosen in kürzerer Zeit sorgen. So könnte KI künftig über Leben, Leiden und Sterben mitentscheiden.

Der Branche werden derzeit rosige Aussichten vorausgesagt: Die Unternehmensberater von Roland Berger veröffentlichten Prognosebe-richte, in denen sie Wachstumsraten von 20 Prozent und Umsätze in dreistelliger Milliarden-höhe voraussagen. Eine Untersuchung von PwC Deutschland kam zu dem Ergebnis, dass allein in Europa die erwarteten Gesundheits- und Folgekosten binnen zehn Jahren um knapp 200 Milliarden Euro gesenkt werden könnten.

Der Weg von einer KI-Idee zu einer funktions-fähigen Software für den Einsatz im Kranken-hausalltag ist jedoch steinig. Bei Image Biopsy Lab in Wien mussten menschliche Ärzte der Software mühsam beibringen, wie ein gesundes Knie aussieht – und wie ein krankes. Dafür haben

sie in unzähligen Röntgenbildern jene Merkmale markiert, die Anomalien zeigen, und stellten die Datensätze der Maschine zur Verfügung. Bei einem anschließenden Training mit mehr als 150.000 Röntgenbildern konnte die Software ihre Ergebnisse validieren. »Im Moment stimmen die Voraussagen der Software zu 85 bis 90 Prozent mit den Urteilen der Ärzte überein«, sagt Ljuhar. Weil die KI lernfähig ist, werde sie bei jeder Bildanalyse besser.

Als Bedrohung für Ärzte sieht Ljuhar seine Soft-ware aber nicht. »Insbesondere bei der Therapie kann die Software den Menschen nie ersetzen«, sagt Ljuhar. Seine Software vergleicht er lieber mit einem Fieberthermometer. »Das kann man sich heute auch nicht mehr wegdenken.«

Andere KI-Ansätze in der Medizin gehen noch viel weiter. Nach den Regeln der Informatik ist selbst der Tod nur eine Frage der Wahrschein-lichkeit. Forscher der Informatikfachabteilung des Uniklinikums der Stanford-Universität in den USA haben ein Deep-Learning-Modell entwickelt, das aus den Daten von todkranken Patienten den wahrscheinlichsten Todeszeitpunkt vorhersagen kann. Palliativpatienten soll es so möglich wer-den, zu Hause im Kreise ihrer Familie zu sterben.Für die Rechnung mit dem Tod haben die For-scher ihren Algorithmus mit 160.000 Krankenak-ten von Patienten gefüttert. Anhand der Diagno-se- und Medikationsdaten der Patienten lernte die KI, die Sterbewahrscheinlichkeit innerhalb der nächsten drei bis zwölf Monate vorherzusa-gen. Das Ergebnis: In neun von zehn Fällen kann die KI den Todeszeitpunkt richtig vorhersagen. Und: 95 Prozent der Patienten, für die eine ge-ringe Sterbewahrscheinlichkeit errechnet wurde, leben tatsächlich über die zwölf Monate hinaus.

Auch wenn diese Erkenntnisse beeindruckend klingen, steckt die Branche erst in den Kinder-schuhen. Die größte Herausforderung: die Qualität der Inputdaten. »Häufig sind die Röntgenbilder, mit denen wir arbeiten müssen, verzerrt, schief oder nur halb fertig«, sagt Ljuhar. Ziel sei es, dass sein Algorithmus irgendwann auch mit derlei unbereinigten Ergebnissen klarkomme. »Je mehr Daten wir haben, desto robuster wird unser Netzwerk.«

Künstliche Intelligenz soll Ärzten die Arbeit erleichtern. Die neuen digitalen Helfer verändern damit Arztbesuche, Diagnoseverfahren – und sogar das Sterben. Was kann Deep Learning im Gesundheitswesen derzeit schon leisten?

ALGORITHMEN IM WEISSEN KITTEL

S P R E C H S T U N D E P E R C H A T B O Tferchau.com/fwd/pg1053blg3375

<atFERCHAU #21> B R A N C H E N G E F L Ü S T E R

R I C H A R D L J U H A RFirmengründer und CEO des österreichischen Start-ups

Image Biopsy Lab

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S pielen ist ein Urtrieb. Der Mensch ist nur da Mensch, wo er spielen kann. Und Spielen macht Dinge einfacher«, sagt Peter Kreutter, Direktor der Stiftung

Wissenschaftliche Hochschule für Unternehmens-führung (WHU) in Vallendar, der sich seit Längerem mit dem Thema Gamifi cation und Unternehmen be-schäftigt. Ein Plädoyer für Zocken am Arbeitsplatz? Mitnichten, vielmehr eine ernsthafte Möglichkeit, Kreativität und Produktivität am Arbeitsplatz zu fördern – vor allem in der digitalen Welt. Gamifi ca-tion, also spielerische Elemente in spielfremden Kontext einzubinden, hat momentan Hochkon-junktur in der IT. Das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM) plant beispielsweise mit verschiedenen Projektpartnern ein Softwaretool, das Pfl egekräfte bei der Planung

Mit »Mensch ärgere dich nicht«, »Tetris« und Co. das Unternehmen voranbringen? Das kann durchaus funktionieren, wie erfolgreiche Unternehmen vormachen. Es kommt auf die Rahmenbedingungen der Gamifi cation an.

SPIELEREI ALS WETTBEWERBS-FAKTOR

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»Wir setzen mehr auf kreative Prozesse denn auf Excel-Listen. So entstehen

Produkte mit deutlich mehr Relevanz für den Kunden.«

ihrer Dienstpläne unterstützt. Dabei sind die Beschäftigten in die Gestaltung der Prozesse miteinbezogen und haben spie-lerisch die Möglichkeit, selbst mitzuwirken. Der Grund: Beschäftigte bewerten ihre Arbeitssituation besser, wenn sie an der Gestaltung ihres Dienstplans beteiligt sind, so die ITWM-Experten. Es gebe ihnen

eine »höhere Planungssi-cherheit im Spannungs-feld zwi-schen hoher geforderter zeitlicher Flexi-bilität auf der einen Seite und dem Bedürf-nis nach planbarem Privatleben auf der anderen«. Die IT spielt deshalb eine große Rolle, denn das für Gamifi cation zumeist notwendige kollaborative Arbeiten sowie die spieltheoretischen Ansätze lassen sich in Software einfacher abbilden. Im Fall der ITWM kommen auch mathematische Grundlagen wie kombinatorische Modelle und Algorithmen zum Einsatz. Diese generieren Planungsalternativen für die Einsatzpläne der Pfl egekräfte und führen sie zusammen – IT at it´s best.

Gamifi cation via IT kommt aber auch besonders dann zum Einsatz, wenn es um den IT-Einsatz selbst geht. So berichtet Dennis Kaizer, Business Architect beim CRM-Spezialisten Salesforce, von der Im-plementierung bei einem seiner Kunden.

Dieses Großunternehmen buchte für mehr als 25.000 Mitarbeiter die Anwendung »Sales Cloud«. Jedoch lag die Akzeptanz des Produkts mehr oder minder brach. Nur durchschnittlich jeder zweite Anwender etwa wollte sich darauf einlassen. Gamifi -cation sorgte hier für einen Bewusstseins-wandel. Die Mitarbeiter sollten spielerisch kleine Aufgabenhäppchen erledigen: »Erstelle einen Report!«, »Integriere das Programm in dein Outlook!«, »Lege einen neuen Kontakt an« – mit jeder diese erfolgreich erledigten »Schularbeiten« gingen die Anwender einen Schritt weiter auf ihrem Spielplan. Es gab unterschiedli-che Schwierigkeitsgrade und die Mitarbei-ter konnten auf ihrem Weg zudem Preise wie ein Tablet oder eine Smartwatch gewinnen. Ergebnis: Ein Jahr später lag die Akzeptanz der Software bei 84 Prozent.Indes: Gamifi cation-Elemente dienen heutzutage nicht nur dazu, die Mitarbeiter stärker zu motivieren. Auch grundlegende Strukturen lassen sich damit aufpeppen. So setzt Dr. Nora Rühmann, COO der

Düsseldorfer SMS digital, selbst bei der Entwicklung von Software für ihre Kunden auf eine solche Methodik. Und das bei eher nüchternen Appli-kationen zur Verbesserung des Alarmmanagements im Maschinenbau. »Früher geschah das ausschließlich auf Basis von Code, heute gehen wir auch mit Papier und Bleistift zum Kunden«, so Dr. Rühmann. Gemeinsam mit den zukünftigen Benut-zern skizzieren die Entwickler der SMS digital mögliche Anwenderoberfl ächen. Dabei

wird verstärkt auf eine stärkere Visualisierung des künftigen Produktes gesetzt. Auch Clickdummies kommen in der Entwicklungsphase zum Einsatz. »Wir setzen mehr auf kreative Prozesse denn auf Excel-Listen. So entstehen Produkte mit deutlich mehr Relevanz für den Kun-den«, ist sie sich sicher.

Für einen derartigen kreativen Weg benötigt man aber naturgemäß einen entsprechenden Reifegrad der Unter-nehmenskultur. Im Falle des noch jungen Unternehmens SMS digital ist der Gami-fi cation-Ansatz beispielsweise in andere moderne Methoden der Softwareent-wicklung wie das Vorgehensmodell Scrum mit eingebunden. Das geradezu überdehnte Modewort der »Agilität« ist hier also keine Worthülse, sondern wird im Unternehmen gelebt.

Und das ist auch wichtig, wenn Gamifi -cation eingeführt werden soll. Diese muss abteilungsübergreifend und mit nach-haltiger Integration in Unternehmens-prozesse und bestehende IT-Systeme implementiert sein, sonst verpufft sie wirkungslos. Anders ausgedrückt: Unter-nehmen, für die beispielsweise Home-Offi ces der Gipfel der Mitarbeiterfaulheit sind und die in hierarchischen Strukturen gefangen sind, können auch mit Gamifi ca-tion nichts anfangen.

Deshalb gehen die spielerischen Methoden oft auch mit Empowerment einher. Der Begriff (»Ermächtigung«, »Bevollmächtigung«) bedeutet, dass Human-Relations-Abteilungen und lei-tende Manager ihren Führungsanspruch ein Stück weit aufgeben und diesen an den Mitarbeiter weiterreichen, er wird also »empowert«, bekommt ein Stück der Macht ab, kann aktiv mitgestalten, wird raus aus der Passivität geholt. Für die IT heißt das aber auch: Abgekapselte Silos sind in diesem Kontext nicht mehr möglich. Beispiel: Ein Mitarbeiter sieht in der Talentmanagement-Applikation, dass er verglichen mit Kollegen seiner Ebene ein offensichtliches Defi zit hat. Dann muss es möglich sein, dass er selbständig bestimmte Fortbildungen anstoßen kann, um eben diesen Mangel zu tilgen. Ebenso muss ihm beispielsweise die notwendige Arbeitszeit eingeräumt werden, wenn er via Gamifi cation auf spielerische Art und Weise sein Können verbessert. Denn sonst ist Gamifi cation in der Tat nur Spielerei und kein Wettbewerbsfaktor mehr.

D R . N O R A R Ü H M A N N COO SMS digital

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W ir verstehen KI als Brücke oder Übersetzer zwischen der digitalen und der menschlichen

Welt«, sagt Prof. Dr.-Ing. Martin Rus-kowski. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Werkzeugmaschinen und Steuerungen an der TU Kaiserslautern und Forschungs-bereichsleiter Innovative Fabriksysteme am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI).

Daten sind die Grundlage der digitalen Fabrik: Maschinen und Anlagen übertragen über Sensoren permanent Informationen zu ihrem aktuellen Status: zum Beispiel Temperatur, Leistung, Druck, Umdrehun-gen, Feuchtigkeit oder Vibrationen. Da der Mensch diese großen Datenmengen aber nicht verarbeiten kann, unterstützt ihn zunehmend KI. »Damit erweitern wir die menschlichen Fähigkeiten um mathe-matische Methoden, die Eingangsdaten analysieren und Analogien zu ähnlichen bekannten Daten erkennen. Eine Maschine passt dann nach entsprechendem Training ihr Verhalten an, wenn sie eine Änderung erkennt«, erklärt Ruskowski.

Predictive Maintenance, optimierte Produktion oder smarte Roboter, die am Fließband Hand in Hand mit Menschen

zusammenarbeiten. Künstliche Intelligenz (KI) bietet großes Potential

für die Fertigungsindustrie.

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DER ALGORITHMUS, BEI DEM JEDER MITMUSS

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D R . - I N G . W E R N E R K R A U S Gruppenleiter beim Fraunhofer IPA

P R O F . D R . M A R T I N R U S K O W S K IForschungsbereichsleiter am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI)

Produktivität und Auslastung steigenPredictive Maintenance ist laut dem Forscher die momentan meist angewandte KI-Anwendung. Firmen werten dazu die Sensordaten der Maschinen mit Hilfe von Algorithmen und Methoden des maschi-nellen Lernens aus. Fehlermuster oder technische Mängel lassen sich vorherse-hen und so vorbeugende Aktivitäten ein-leiten – bevor größere Schäden entstehen. Stark verbreitet sei das Verfahren in der Prozessindustrie. »KI optimiert hier die Verfügbarkeit von Anlagen, um die Zeiten für Reparaturen und Stillstand zu mini-mieren. In einer Raffi nerie beispielsweise sind klare Analysen möglich, da die Daten zu den Pumpen in Echtzeit vorliegen. Die Betreiber können dann bei Problemen rechtzeitig eingreifen.« Anders sieht es im Bereich Stückgut-industrie und Automatisierungstechnik aus. Dort seien die Abläufe vielschichtiger und Daten lägen häufi g nicht zentral ge-sammelt vor. »Wenn Informationen zu den Produktionsabläufen hingegen in Echtzeit vorhanden sind, können Firmen mit Hilfe von KI ihre Produktion optimieren und dynamisch an veränderte Bedingungen anpassen«, erklärt Martin Ruskowski. Als Beispiel nennt er ein Unternehmen aus der Lebensmittelindustrie, das nur durch eine bessere Einsicht in die Produktionsdaten seiner Maschinen die Produktivität um bis zu 30 Prozent steigern konnte.

Vorteile auch bei der Qualitäts-sicherungEine Analyse von McKinsey zum Einsatz von KI in der Produktion bestätigt diese positiven Effekte. Demnach verbessert sich die Anlagennutzung durch Predictive Maintenance um 20 Prozent und steigt die Produktivität einzelner Arbeitsschritte durch die gezielte Zusammenarbeit von Robotern und Mitarbeitern um

20 Prozent. Den Analysten zufolge wird auch die Qualitätsprüfung durch KI sogar um 50 Prozent produktiver, etwa durch automatische visuelle Fehlererkennung.

Bei der Qualitätssicherung werden neuronale Netze eingesetzt, ein Verfah-ren aus dem Bereich Deep Learning, um Abweichungen vom bekannten Muster zu erkennen. Dieses KI-Verfahren geht einen Schritt weiter als maschinelles Lernen. »Es ist performanter als vom Menschen programmierte Algorithmen und wird in Zukunft Fehler bei der Fertigung bedeu-tend besser erkennen als der Mensch«, sagt Dr.-Ing. Werner Kraus vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Auto-matisierung (IPA).

Roboter unterstützen denMenschenFür ihn entwickelt sich die industrielle Produktion immer stärker zu einem Daten- und damit IT-Thema, sei es bei der Echtzeitanalyse der Produktionsdaten und Prozessparameter der Maschinen, dem Erkennen von Anomalien oder auch beim Thema Robotics: »Lernende KI-Systeme reagieren immer auf Basis historischer Daten auf eine akute Situati-on. Roboter beispielsweise werden beim Erkennen von Objekten und damit beim Griff in die Kiste nach Bauteilen immer besser, weil sie permanent mit Daten gefüttert und entsprechend trainiert werden«, so Werner Kraus.

Eine neue Entwicklung sind Cobots, sprich kollaborative Roboter. Sie arbeiten am Fließband Hand in Hand mit Menschen zusammen, lernen mit jeder Aufgabe automatisch dazu und führen sie immer präziser aus. Zudem passt der Cobot sich der Arbeitsgeschwindigkeit seines menschlichen Kollegen an.

Dabei gilt: Die Roboter lösen grundsätz-lich die Aufgaben, die der Mensch ihnen vorgibt; sie unterstützen ihn etwa bei körperlich anstrengenden Arbeiten und ergänzen seine Fähigkeiten. Bei aller Euphorie rät DFKI-Mann Ruskowski, einen nüchternen Blick auf KI zu bewahren: »Die Systeme werden niemals so intelligent wie wir sein. Alle Entscheidungen, die das Sys-tem trifft, sind vom Menschen beeinfl usst, etwa durch Algorithmen oder die Auswahl der Daten. Die Systeme haben zudem keinen eigenen Willen oder inneren Antrieb zum Besserwerden.«

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KÜNSTLICHE INTELLIGENZ (KI) / ARTIFICIAL INTELLIGENCE (AI)Künstliche Intelligenz ist der Oberbegriff für Technologien wie maschinelles Lernen, Deep Learningund neuronale Netze. KI ist ein Teilgebiet der Informatik und beschäftigt sich allgemein mit der Automatisierung intelligenten (menschlichen) Verhaltens.

MASCHINELLES LERNENBeim maschinellen Lernen (ML) lernt ein Rechner mit Hilfe von mathematischen und statistischen Modellen aus Beispieldaten. Nach dieser Lernphase kann ein ML-System vergleichbare Muster erkennen und Regeln daraus ableiten.

KÜNSTLICHE NEURONALE NETZEKünstliche neuronale Netze (KNN) modellieren auf stark vereinfachte Weise Organisationsprinzipien und Abläufe biologischer neuronaler Netze im menschlichen Gehirn.

DEEP LEARNINGDeep Learning setzt auf künst-liche neuronale Netze, die über mehrere Ebenen (Layer) verfügen. Spezielle Algorithmen extrahie-ren dabei selbständig Muster aus Rohdaten und verbessern im Laufe der Zeit ihre Fähigkeiten. Deep Learning eignet sich vor allem für die Gesichts-, Objekt- oder Spracherkennung.

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S C I E N C E F I C T I O N T R I F F T R E A L I T Ä T

Der Traum von der täuschend echten 3D-Projektion ist nicht neu. Doch auch wenn tote Superstars dank neuer Technik digital auferstehen konnten, sind wir vom echten Hologramm noch ein paar Star-Wars-Episoden entfernt.

Prinzessin Leia im Wohnzimmer?

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Illustration:

Miriam Migliazzi & Mart Klein, dainz.net

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W as uns an Science Fiction so fasziniert, ist ja die Tatsache, dass es die Technologien, die

von Film und Literatur erschaffen werden, in Wirklichkeit nicht gibt. Wir können uns nicht wie Enterprise-Kapitän Kirk an einen anderen Ort beamen. Und auch die Star-Wars-Szene, in der Prinzessin Leia als dreidimensionale Projektion auf Obi-Wan Kenobis Beistelltisch um Hilfe im Kampf gegen das Imperium fl eht, blieb bislang eine Erfi ndung Hollywoods.

Doch der Traum, Science Fiction möglich zu machen, treibt Forscher an. Des-halb sind Hologramme und 3D-Projektionen, die der Betrachter ohne Datenbril-le sehen kann, ein Thema. Dass die schwedische Band ABBA kürzlich eine Tour ankündigte, bei der Agnetha, Anni-Frid, Benny und Björn nicht persönlich, sondern deren digitale Avatare auf der Bühne stehen, zeigt: Hologramme sind Main-stream und eine lukrative Einnahmequelle.

Pepper’s-Ghost-EffektDen technischen Grundstein legte ein Brite im 19. Jahrhun-dert: Henry Pepper leuchtete einen Schauspieler im Raum unter der Bühne so aus, dass dieser durch eine Scheibe auf die Bühne projiziert wurde und dem Theaterpublikum wie ein Geist erschien – der Pepper’s-Ghost-Effekt. Es war der deutsche Ingenieur Uwe Maas, der in den 1990er Jahren diesen Trick zur Grundlage nahm und ein Patent anmeldete.

Bei Maas’ Variante wirft ein Projektor an der Decke ein Video auf eine reflek-tierende Fläche auf den Boden vor der Bühne. Durch eine Folie werden die Bilder auf die Bühne projiziert. Verstor-bene Stars wie Michael Jackson oder Rapper Tupac wurden so schon zum Leben erweckt. Das Hologramm von WikiLeaks-Aktivist Julian Assange, der selbst seit Jahren die ecuadorianische Botschaft in London nicht verlassen hat, gab auf diese Weise ein Interview bei einer Konferenz in den USA.

Auch BMW will dem Holgrammtrend folgen. Auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas stellte der Autobauer »Holo Active Touch« vor – eine Tech-nologie, die es ermöglichen soll, dass bestimmte Bedienelemente, zum Beispiel für die Klimaanlage, vor dem jeweiligen Display im Raum schweben. Die Bilder werden durch Spiegelung erzeugt. Dank sensorbasierter Gestensteuerung muss der Fahrer weder Knopf noch Display berühren. Wie genau »Holo Active Touch« funktioniert, verrät BMW nicht.

»Besser als ein Hologramm«Doch von einer Prinzessin-Leia-Projek-tion ist die Technik derzeit noch weit entfernt. Der Haken: Die Hologramme, die es bislang gibt, sind nicht von allen Blickwinkeln im Raum aus sichtbar und benötigen eine künstliche Projektions-fläche. Tupac, Assange und Co. waren lediglich zweidimensionale Projektionen.

Was der Sache ziemlich nahe kommt, ist die Idee von Daniel Smalley. An der Brigham Young University (BYU) im US-Staat Utah erschaffen er und sein Team »Volumetric Images« – 3D-Bilder, die frei im Raum schweben. Smalley ist überzeugt, dass er und seine Kollegen »etwas Besseres als ein Hologramm« erfunden haben: »Unser Volumendisplay ist in der Lage, 3D-Bilder in die Luft zu projizieren, die man von allen Seiten aus sehen kann.«

Bei dem Volumendisplay handelt es sich nicht um ein Display im herkömmlichen Sinn, sondern um eine optische Falle, in der ein winziges Zellulosekügelchen eingefangen wird. Durch einen physikali-schen Vorgang, die Photophorese, gelingt es, das Kügelchen mit Hilfe eines Lasers mit kaum sichtbarem Licht schnell, aber kontrolliert zu steuern. Das Kügelchen refl ektiert dabei das Licht von anderen, sichtbaren Laserstrahlen, so dass ein Bild entsteht, zum Beispiel die Konturen eines Schmetterlings. Vergleichbar ist das mit

dem Effekt, wenn man eine Wunderkerze schnell bewegt. Das Auge kann dann nur noch eine Linie wahrnehmen. Smalley erklärt es so: »Es ist, als würde man ein 3D-Objekt mit Licht in den Raum drucken.«

Bislang nur MinibilderDie Größe der Bilder, die das BYU-Team erzeugen kann, liegt im Millimeterbereich. Grund: Bislang wird nur ein Zellulosepartikel verwendet. Für größere Bilder sind viele Kügelchen nötig. Smalley geht davon aus, dass noch 6.000 Arbeitsstunden nötig sind, um ein etwa 20 Zentimeter großes Bild zu erschaffen. Doch wozu eigentlich? Daniel Smalley will keine toten Popstars optisch zum Leben erwecken. »Diese Technologie ist vor allem da

interessant, wo ein genaues räumliches Verständnis gefragt ist, zum Beispiel bei medizinischen Eingriffen wie dem Verlegen eines Katheters«, sagt Smalley. Auch ein Einsatz in der Luftraumüberwachung oder bei der Satellitenortung ist denkbar. Sollte die Technologie ausreichend kompakt und kostengünstig hergestellt werden können, wäre es auch möglich, so Smalley, mit kleinen Geräten wie Uhren 3D-Bilder in die Luft zu projizieren, die größer als deren Displays sind.

Was man bei all den Science-Fiction-Vor-stellungen nicht vergessen darf: Um ein möglichst realistisches Abbild aufzuzeich-nen, zu übertragen und wiederzugeben, sind enorme Datenmengen nötig. Es wird also noch ein Weilchen dauern, bis unsere Freunde vom anderen Ende der Welt oder gar Prinzessin Leia selbst als 3D-Projekti-on durch unser Wohnzimmer turnen.

O B S C H M E T T E R L I N G , P R I S M A O D E R S P I R A L E : Noch sind die 3D-Bilder, die Daniel Smalley und sein Team an der Brigham Young University mit Hilfe eines Volumendisplays und eines Zellulosepartikels kreieren, winzig klein.

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D ie Messlatte liegt hoch und wird in der Regel gerissen: Industrieunternehmen, die etwa im Werkzeugbau unterwegs sind und in der Regel kleinste Stückzahlen, wenn nicht sogar

Losgröße eins fertigen, müssen heute noch weitgehend auf Automatisierung verzichten.

Denn es fehlen schlicht die Daten, um in Echtzeit Analyse-daten aus dem Fertigungsprozess zu ziehen und um bei Störungen eingreifen zu können. Vorhandene Prozess-modelle, die den Ablauf in der Fertigung darstellen, sind händisch im Vorwege erstellt und haben mit der Realität in der tatsächlichen Produktion wenig zu tun. Ein neues Forschungsprojekt soll hier Lösungen bieten und auf Basis von Sensorik und KI eine Steuerung in Echtzeit erlauben.

»Im Projekt Real-Time-Monitoring in der Fertigungsin-dustrie bringen wir IT in die Fertigung und die vernetzen Produktionsdaten, Planungsdaten und Kundeninforma-tionen«, erklärt Tobias Rother, Gründer und Geschäfts-führer des Forschungszentrums Process Analytics Factory (PAF). Das Vorhaben in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und Partnerunternehmen wie der Bosch AG und Brabant & Lehnert zielt darauf ab, Prozessmanagement und künstliche Intelligenz zu bündeln.

Die Notwendigkeit ist erkannt: Im vergangenen Jahr heimste die Process Analytics Factory den Start-up-Award des Würzburger Business Application Research Centers (BARC) ein. »Mit Blick auf Industrie 4.0 und das Internet der Dinge bekommt Process Analytics ein hohes Gewicht« erläutert BARC-Gründer Dr. Carsten Bange. »Die Integration von

DIGITALE HEINZELMÄNNCHEN REGELN DIE PRODUKTION

S M A R T V E R N E T Z T E F E R T I G U N G

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Es klingt wie ein Traum: trotz Einzelfertigung und Losgröße eins die Produktion in Echtzeit steuern. Ein Forscherteam aus dem Saarland entwickelt dazu ein »Real-Time-Monitoring«, das Unternehmen mittels künstlicher Intelligenz in Richtung Industrie 4.0 katapultieren soll.

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PROZESSE IM BLICK

Sensoren und Vernetzung machen es möglich: Alle prozessrelevanten Daten fl ießen auto-matisch in die Steuerung und Überwachung ein, Process-Flows sind stets aktuell.

ERP: AUFTRAG ANLEGEN

MES: AUFTRAG EINLASTEN

MASCHINE: STEP 1

MONITORING

MASCHINE: STEP 2

MES: AUFTRAG FERTIG

Technologien für maschinelles Lernen sowie intelligente Algorithmen eröffnen große Chancen für innovative Lösungen.«Fertigungsbetriebe warten darauf: »Wir benötigen ein Dashboard für die Fer-tigung, das auf einen Blick zeigt, auf welchem Stand welches Projekt ist und ob ich im Zeitlimit bin oder darüberliege«, beschreibt Bernhard Lehnert, Geschäfts-führer beim Werkzeugbauer Brabant & Lehnert, typische Anforderungen der hiesigen Industrie. Das Unternehmen konstruiert und fertigt komplexe Werk-zeuge und Vorrichtungen für die Automo-bil- und Automobilzulieferindustrie sowie für Schweiß-, Montage-, Mess- und Prüfvorrichtungen.

Zwölf Konstrukteure starten bei Brabant & Lehnert mit der CAD-Konstruktion und produzieren dann 95 Prozent der Teile selbst. »Nur mit der Fertigung alleine können wir nicht mit Anbietern aus Ost- oder Südeuropa konkurrieren, daher müssen wir schneller und fl exibler werden«, berichtet Lehnert.

Echtzeitplanung auf Basis verknüpfter DatenEinen praktikablen Lösungsansatz ver-spricht das Saarländer Projekt: Ausgangs-punkt für die Fertigungssteuerung sind die Daten aus den vielfältigen Sensoren in Produktionsmaschinen. Die Analy-seplattform PAFnow führt die Maschi-nendaten mit den Informationen aus IT-Systemen zur Produktionsplanung und Kundenbetreuung zusammen und analysiert sie mit Algorithmen und maschinellem Lernen.

»Der Algorithmus prüft den fachlichen Prozess und entdeckt auf Basis von Muster-erkennung Ungereimtheiten«, erklärt Tobias Rother. »Es wird sichtbar, ob beispielsweise

Prozessschritte ausgelassen wurden oder Aktivitäten mehrfach vorkommen.« Wie die Analyseplattform die Planung in der Praxis optimiert, erklärt der PAF-Gründer anhand der Kalkulation und der Fertigungssteue-rung: »Werkzeugbauer produzieren stets in der Losgröße eins, dennoch sind manche Werkzeuge in Teilen ähnlich. Auf Basis der Werte von früheren Werkstücken lässt sich unter anderem die Belegzeit an der Maschine präziser vorbestimmen und eine genauere Kalkulation erzielen.« Großen Nutzen könne die Steuerung bei den oft auf Zuruf nötigen Änderungen in der Produktionsreihenfolge bringen.

Vom händischen Zeichnen zum automatisch generierten ModellGeschäftsprozessmanagement oder Business Process Management (BPM) nennt sich diese Art der Steuerung. »Wer macht was, wann, wie und womit?«, lautet die Frage dabei. Ein Röntgenbild der Geschäftsabläufe. Das Konzept hat Tradition. Bekanntester Vertreter ist das Tool ARIS (Architektur integrierter Informationssysteme) – weitere sind Inubit, Visio oder Prometheus.

Die Process Analytics Factory geht einen Schritt weiter, wie Rother erläutert: »Das Modellieren der Geschäftsprozesse fi ndet heute automatisch statt und die IT-Systeme berechnen selbsttätig Schlüsselkenn-zahlen wie Durchlaufzeit oder Anzahl der Prozessschritte.« Bei bisherigen Werk-zeugen mussten die Planer die Abläufe in der Fertigung manuell zeichnen. Der hohe Aufwand führte dazu, dass die Modelle nach ihrer Erstellung kaum noch gepfl egt wurden. Auch eine Mengenverteilung in den Prozessvarianten kannten die Planer bis-lang nicht, da ihnen die Rückkoppelung zur Praxis fehlte. Heute liefern die Sensoren in den Produktionsmaschinen die Praxiswerte.

Automatischer Workfl ow verhindert ProzesspannenWerden künftig Modelle und Kennzahlen automatisch generiert, können Fertigungs-planer in Echtzeit in Prozesse eingreifen. Auf die Fertigung übertragen, bedeutet das die Möglichkeit, ein dringend benötigtes Ersatzteil trotz hoher Auslastung sofort herzustellen.

Um die Optimierung so einfach wie möglich in die Praxis zu bringen, peilt Rother eine Cloud-Plattform an: »Unsere Analysesysteme greifen aus der Cloud die Ablaufdaten aus den IT-Systemen der Kunden ab und liefern die Ergebnisse an das Steuerungs-Dashboard.« Da bislang erst wenige Fertigungsunternehmen die Cloud nutzen, wird es auch eine Variante des Optimierungswerkzeugs geben, die Unternehmen in ihren Rechenzentren be-treiben. Ein marktreifes Produkt erwartet Rother bis zum ersten Quartal 2019: »Im Endausbau passt unsere Technologie sowohl für mittelständische Fertiger als auch für Großkonzerne wie Bosch.«

B E R N H A R D L E H N E R TGeschäftsführer beim

Werkzeugbauer Brabant & Lehnert

C A R S T E N B A N G EGründer des Business Application Research

Centers (BARC)

T O B I A S R O T H E RGründer und Geschäftsführer

des Forschungszentrums Process Analytics Factory (PAF)

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DO IT

YOURSELF

MIT GEWINNSPIEL

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SOFTWARE UND PAPPE – KREATIVITÄT (FAST) OHNE GRENZEN

01 | Aus vorgestanzten Pappbögen, die mit dem Labo Multi-Set geliefert werden, lassen sich die Spielgeräte bauen. 02 | Mein Haus, mein Klavier (wird bereits vorgefertigt mitgeliefert), mein Motorrad. Die Pappteile zusammenstecken und mit Gummibändern sichern, fertig sind die Toy-Cons. 03 | Das Hirn der Spielgeräte ist die Nintendo Switch, in der ein Nvidia-Tegra-X1-Haupt- und ein Nvidia-Tegra-Grafi kprozessor für den Spielspaß sorgen.

Spielen neu erfunden. So oder so ähnlich lässt sich die Welt von Nintendo Labo beschreiben. Das Herzstück ist die Nintendo Switch, die neueste TV-Konsole des Herstellers. Ein Motorrad, eine Angelrute oder ein Klavier aus Pappe – sogenannte Toy-Cons – lassen sich mit dem Labo Multi-Set selbst basteln und zum Leben erwecken. Gewinne ein Rennen, fange Fische oder hau in die Tasten und spiele (d)einen Song.

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JETZTGEWINNEN

Sie wollen ein Labo Multiset gewinnen? Dann spielen Sie mit. Einfach einloggen unter ferchau.com/go/it-gewinnspiel und folgende Frage beantworten: Wie viele Arbeitsstunden sind laut dem Forscher Daniel Smalley nötig, um ein etwa 20 Zentimeter großes Hologramm zu erschaffen?Kleiner Tipp: Lesen Sie aufmerksam Seite 25. Einsendeschluss ist der 16.11.2018. Viel Glück!

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KI IST DIE RELIGION DER NEUZEIT

D I G I T A L I S I E R U N G

Matthias Horx (Jahrgang 1955) Soziologe, Trend- und Zukunftsforscher. Gründete 1996 das »Zukunftsinstitut«, Hauptsitz Frankfurt/Main, Niederlassung in Wien, mit den

Schwerpunkten Grundlagenforschung und strategische Unternehmensberatung. horx.com

Foto: Klaus Vyhnalek (vyhnalek.com)

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Nie zuvor war die Welt so vernetzt wie heute. Die Entwicklung der künstlichen Intelligenz (KI) schreitet rasant voran. An welche

digitalen Übertreibungen denken Sie bei Ihren Äußerungen, Herr Horx?Künstliche Intelligenz ist ein Mythos, der ein Eigenleben in unseren Phantasien führt und dessen innere Bilder stark von Science-Fiction-Dystopien geprägt sind. In Wirklichkeit geht es um Experten-systeme, die uns in der Tat helfen können, komplexe Daten zu organisieren und damit Verkehr, Produkti-on und vielleicht auch Gesundheit zu verbessern. Vielleicht können Computerprogramme aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz eine treffende Hautkrebsdiagnose machen. Aber viele Menschen projizieren menschliche oder gar übermenschliche Fähigkeiten in Computer. Dadurch läuft die ganze Debatte aus dem Ruder. Wir fürchten uns mehr, als dass wir etwas verstehen. Künstliche Intelligenz steckt in Wahrheit noch in einem embryonalen Frühstadium.

Ist das nicht ein ganz normaler »Evolutions-prozess« – was wird noch alles kommen?Jedenfalls nicht Arnold Schwarzenegger als Terminator, der aus der Zukunft kommt, um uns Menschen auszurotten. Das Problem ist ja, dass wir in der KI-Debatte ständig Metaphern mit Pro-phezeiungen verwechseln. KI steht heute für eine gottgleiche Entwicklung, in der wir uns selbst in Maschinenwesen transformieren – »Homo Deus« heißt ein Bestseller dazu. Es ist schlicht eine Glau-bensfrage: Viele Menschen glauben daran, dass Maschinen eine eigene überhumane Existenz ent-wickeln können, weil wir als evolutionär ängstliche Organismen immer an »Überwesen« glauben.

Die künstliche Intelligenz ist die Religion der Neuzeit – und der Aberglaube zugleich. Sie ist gleichzeitig Heils- und Apokalypseerwartung. Eine aktuelle OECD-Studie prophezeit, dass hierzulande beinahe jeder fünfte Arbeitneh-mer in den kommenden 15 bis 20 Jahren durch Roboter und Software ersetzt werden könnte. Bei Gartner sieht man die Entwick-lung »gelassener« und deren Analyst Peter Sondergaart hält dagegen: KI werde die Schaffung neuer Arbeitsplätze sogar do-minieren (Nettozuwachs von einer halben Million neuer Arbeitsplätze). Wie lautet Ihre Prognose dazu? In den Medien kursieren ja meistens die noch extremeren Annahmen der Osborn-Frey-Studie, zweier Oxford-Ökonomen, die in einer Studie von vor fünf Jahren etwa »50 Prozent« aller Arbeitsplätze bis 2030 verloren gaben. Darunter Fotomodels und Barkeeper. Diese Studien unterschätzen meistens grob das menschliche Element in den Berufen und reduzieren Tätigkeiten auf das rein Mechanische. Aber eine Krankenschwester ist eben nicht nur ein Roboter aus Fleisch und Blut, sie hat vor allem empathische Fähigkeiten. Und ein Barkeeper schüttelt nicht nur Cocktails zusam-men, was vielleicht ein Roboter besser kann. Jede Automatisierungswelle erzeugt wieder Bedarf nach neuen, komplexeren Arbeitsformen und -qualifi -kationen. Je mehr Automatisierung, desto mehr spielen kommunikative und emotionale Berufe und Tätigkeiten eine Rolle. Das ist im Grunde seit Beginn der industriellen Revolution so und es wird auch in Zukunft so sein. Es ist ein andauernder, natürlicher Transformationsprozess unserer Arbeitswelt. Er ist graduell, nicht disruptiv und abrupt.

»Die Digitalisierung wird übertrieben und sie erfüllt ihre disruptiven Versprechen

nicht.« Provozierende Behauptungen, die Deutschlands bekanntester Trendforscher

Matthias Horx aufstellt. atFERCHAU hat nachgefragt.

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Was verstehen Sie eigentlich unter »Digitalisierung«?Das Wort suggeriert, dass sich ALLES in Nullen und Einsen aufl öst, dass »kein Stein auf dem anderen bleibt«, weil es demnächst keine Steine mehr gibt. Aber das ist Unsinn. Die Wirklichkeit verschwindet nicht, wenn wir sie besser simulie-ren können. Digitale Techniken können uns helfen, neue Arbeitsorganisationen zu fi nden, in denen Informations- und Anwendungsfl üsse anders und eleganter verlaufen. Die Zukunft gehört dem »REAL-DIGITALEN« – einer Verbindung von ana-loger, stoffl icher und kommunikativ-konnektiver Welt. Wer diese Balance versteht und beherrscht, der wird fl orieren. Ich plädiere deshalb für eine »erleuchtete Digitalisierung«, wie wir diese mit den erforderlichen Mindsets in unserer Studie ausführlich beschrieben haben (siehe dazu Kasten »Die sechs Mindsets der digitalen Erleuchtung«).

Sie behaupten, dass die Digitalisierung ihre disruptiven Versprechen nicht erfüllt. Was meinen Sie damit?Der Aufstieg und Fall von Facebook hat gezeigt, wie sehr wir in manchen Bereichen den digitalen Mythen auf den Leim gegangen sind. Die großen Internetkonzerne scheitern früher oder später an ihrer Übergröße und ihrer Hybris, ihrem Hang zur Selbstlüge. Monopole sind auf Dauer evolu-tionär nicht lebensfähig. Viele große Konzerne in Deutschland laufen trotzdem immer noch tapfer dem Silicon-Valley-Mythos hinterher.

Und der Bitcoin ist für Sie auch »nur« ein Mythos? Es gab immer schon Alternativwährungen, die auch eine positive Rolle spielen können. Auch Cyberwährungen werden eine Rolle spielen, weil die Blockchain ein »Verifi kator« ist, der Transaktio-nen garantiert. Aber reine Spekulationswährungen haben, wie die Tulpen in Holland im 15. Jahrhundert, immer eine begrenzte Halbwertszeit.

Sie sagen, die virtuelle Realität sei in ein paar durchaus sinnvollen Simulations-anwendungen und einigen Spielen stecken geblieben. Warum?Es gibt eine berechtigte menschliche Scheu vor dem Cyberspace. Die VR-Märkte haben sich nicht so entwickelt wie gedacht. Wer in eine künstli-che Wirklichkeit geht, muss eine hohe Schwelle überwinden. Wir sind als Menschen aber auch wirklichkeitsbedürftig, das heißt, wir benötigen eine Realität, auf die wir uns verlassen können, in der unsere evolutionär geprägten Sinne funktionieren. Wir sind sinnlich, fl eischlich, beziehungsorientiert; zu viel Virtualität verwirrt uns, macht uns krank. Wir wollen wissen, ob es ein Mensch ist oder ein Avatar, mit dem wir es zu tun haben.

Lange vor anderen Branchen hat doch die Automobilbranche Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR), also erweiterte Realität, für sich entdeckt: nicht nur in der Produktion, Entwicklung und Instandhaltung, sondern auch in Trainings sowie zu Marken- und Produktpräsentationen. Da steckt doch mehr dahinter, als »nur komische Brillen zu tragen«?Allerdings. Das sind nützliche Anwendungen in konkreten Umgebungen, und da ist AR sinnvoll. Aber manchmal werde ich auch das Gefühl nicht los, als ob die Autoindustrie mit ihrem digitalen Hype sich davor drückt, endlich neue ökologische Antriebsstränge und echt smartere Autos zu entwickeln. Autonomes Autofahren allein wird die Dichteprobleme des Verkehrs nicht lösen. Mobilität ist eben nicht allein eine technische, sondern auch eine soziale und systemische Frage.

Welche Entwicklungen wünschen Sie sich selbst für die digitale Zukunft? Dass wir endlich anfangen, über die realen menschlichen Bedürfnisse im Wechselspiel mit Technologien zu sprechen, anstatt immer dem nächsten Technikhype hinterherzurennen.

»Die Zukunft gehört dem ›REAL-DIGITALEN‹ – einer Verbindung von analoger, stofflicher und

kommunikativ-konnektiver Welt. Wer diese Balance versteht und beherrscht, der wird florieren.«

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»Die künstliche Intelligenz ist die Religion der Neuzeit – und der Aberglaube zugleich.

Sie ist gleichzeitig Heils- und Apokalypseerwartung.«

1. DER CYBER-HUMANIST Die Digitalisierung erfordert eine »Digital Literacy«: digitale Kompetenzen, die weit mehr umfassen als nur die Fähigkeit, Software oder smarte Devices zu benutzen. Der Cyber-Humanist greift hier auf eine Vielzahl komplexer Skills im Umgang mit digitalen Informationen zurück.

2. DER WISSENS-NAVIGATOREr versteht es, verschiedene Formen von Wissen zu unterscheiden und aufeinander zu beziehen. Mit diesem »Wissenswissen« unterstützt er Organisationen beim Kurshalten in vernetzten Wissenskontexten.

3. DER MULTI-LOGIKER Indem er die Dimensionen der Emotionalität, Intuition, Erkenntnis und Kreativität mitein-bezieht, navigiert er erfolgreich durch die digitalen Informationsströme, trotz ständiger Störung und ungewisser Folgen und Auswirkungen.

4. DER VERTRAUENS-VERMITTLER Übt konstruktive Kritik – und ist selbst kritik-fähig. So gelingt es ihm, eine optimale Balance zu fi nden zwischen dem Vertrauen in Experten, in die Crowd und in Technologie.

5. DER MUSTER-SEISMOGRAPH Seine Wahrnehmung der Welt ist ganzheitlich ausgerichtet. Er trennt sie auch nicht in analoge und digitale Sphäre, sondern begreift beide stets als verbunden oder verschmolzen.

6. DER KYBERN-ETHIKER Weiß um die enorme Dynamik, die Systeme im Inners-ten antreibt – und damit auch um den permanenten Wandel, der die vernetzte Wirtschaft prägt. Sein systemischer Blick ist sensibel für die blinden Flecken von Beobachtungen – auch die der eigenen Perspektive. Damit verkörpert er zugleich ein neues Management-Mindset, das offenere, bewegli-chere Unternehmenskulturen fördert.

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These der Studie: Im Kern geht es beim Prozess der Digitalisierung um die

Gesellschaft: um die Kommunikation, auch zwischen Mensch und Maschine. Dafür

braucht es sechs defi nierte Qualifi kationen mit ihren entsprechenden Typen:

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