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Marion PortenMonica Buckland / HDV / Farbe/Ton / Laufzeit: 06:50 Min.

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DER RÜCKEN DER DIRIGENTINVideo1: Monica Buckland / HDV / 16:9 / Farbe/Ton / 06:50 Min.

„Es gibt keinen anschaulicheren Ausdruck für Macht, als die Tätigkeit des Dirigenten.“1

„Ich habe beim Dirigieren eine aufrechte Haltung. In einer Probe während meinesStudiums wurde ich von meinem Professor darauf hingewiesen, dass bei meinerKörperstellung mein Busen so hervortreten würde. Ich sollte doch versuchen, eineetwas gebeugtere Haltung einzunehmen.“2

“Von dem Dirigierenden verlangt man Führungsqualitäten, Autorität und nebenüberragender Musikalität auch die Fähigkeit, formale Zusammenhänge großen Ausmaßesgeistig zu bewältigen. Dem Dirigenten, der mit leeren Händen gestaltet, haftet etwasUnkörperliches, Abstrakt-Geistiges an. Diese Eigenschaften sprach man der Frau langeZeit ab.”3

Die Dirigentin Monica Buckland probt mit dem Universitätsorchester Dresden LeCorsaire von Hector Berlioz. Die sechsminütige Einstellung zeigt die Dirigentin vonvorne, die Kamera befindet sich auf Augenhöhe. Im Hintergrund sieht man die Bestuhlungeines Auditoriums mit abgelegten Sachen der Musiker_innen. Das Mikrophon stehtdicht bei Monica Buckland, ihre stimmlichen und sprachlichen Äußerungen sind deutlichneben der Musik zu hören.

1 Norman Lebrecht, Der Mythos vom Maestro, 19912 Aussage einer Dirigierstudierenden während eines Interviews, Wien, 20113 Eva Rieger, Frau, Musik und Männerherrschaft, 1981

DER RÜCKEN DER DIRIGENTINVideo2: Maria José Villamil-Rodriguez / HDV / 16:9 / Farbe/Ton / 09:43 Min.

„Der Stolz des Stehenden ist, dass er frei ist und sich an nichts lehnt.“

Basis jedes Dirigierens ist die Taktgebung. Dafür steht ein Zeichen-Repertoire bestehendaus einzelnen Schlagfiguren zur Verfügung. Die relativ einfach erlernbarenTaktiertechniken stellen Codes dar, die von den Musiker_innen gelesen und interpretiertwerden können. Im Film fährt die Hand der Dirigier-Studentin Maria José Villamil-Rodriguez mit den Fingern die gezeichneten Linien der Schlagfiguren ab. Sie erläutertund kommentiert dabei die Taktiertechniken. Sie bemängelt die veralteten Darstellungenund korrigiert sie, indem sie diese selbst überzeichnet. Dazwischen werden Gesten fürAuftakt, Schluss, Phrasierung, Crescendo, etc. vorgestellt. Zwischen den grafischenGebilden der Dirigierfiguren wird eine Textpassage über das „Stehen“ von Elias Canettiaus seinem Werk Masse und Macht, (1960) vorgelesen.©1960 Claassen Verlag. Mit freundlicher Genehmigung von Johanna Canetti.

“[...] Das Stehen macht den Eindruck noch unverbrauchter Energie, weil man es amAnfang aller Fortbewegung sieht: Man steht gewöhnlich, bevor man sich zu gehenoder zu laufen anschickt. Es ist die zentrale Position, aus der man ohne Übergang, seies in eine andere Position, sei es in irgendeine Form von Bewegung, hinüberwechselnkann. Man neigt also dazu, im Stehenden ein größeres Maß von Spannung anzunehmen,auch in Augenblicken, da seine Absichten ganz andere sein mögen, denn vielleichtwird er sich im nächsten Moment zum Schlafe niederlegen.Immer überschätzt man den Stehenden.“

Canetti spricht in seinem Text über die Bedingungen von Machtverhältnissen innerhalbeiner Gemeinschaft. Allein der Wechsel körperlicher Positionen bewirkt Verschiebungender Macht. Die Entschlüsselungen der Dirigiercodes und die Erläuterungen deraufgeladenen Gestik des Dirigierens, wollen das Publikum anregen, sich zu erheben.

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Mit freundlicher Unterstützung:

Installation mit 2 Videoprojektionen und 9 Zeichnungen

Dirigierfigur (1921) Nr.12011, 91 x 80 cmBleistift auf Papier mit schwarz/weiss Kopie

Dirigierfigur (1921) Nr.22011, 91 x 105 cmTechnik: Bleistift auf Papier mit schwarz/weiss Kopie

Dirigierfigur (1921) Nr.32011, 91 x 108 cmBleistift auf Papier mit schwarz/weiss Kopie

Dirigierfigur (1921) Nr.42011, 91 x 104 cmTechnik: Bleistift auf Papier mit schwarz/weiss Kopie

Dirigierfigur (1921) Nr.52011, 91 x 102 cmBleistift auf Papier mit schwarz/weiss Kopie

Dirigierfigur (1921) Nr.62011, 91 x 105 cmBleistift auf Papier mit schwarz/weiss Kopie

Dirigierfigur (1921) Nr.82011, 100 x 91 cmBleistift auf Papier mit schwarz/weiss Kopie

Dirigierfigur (1921) Nr.92011, 91 x 62 cmBleistift auf Papier mit schwarz/weiss Kopie

Zeichnungen

Video / grosser Raum Video 1: Monica Buckland / HDV / Farbe/Ton / Laufzeit: 06:50 Min.Video 2: Maria José Villamil-Rodriguez / HDV / Farbe/Ton / Laufzeit: 09:43 Min.

Die beiden Videos werden hier hintereinander,unterbrochen von 20 Sekunden Schwarzbild, gezeigt.

Verwendeter Text im Video:Elias Canetti Masse und Macht, aus dem Kapitel »Das Stehen«.© 1960 Claassen Verlag, Mit freundlicher Genehmigung von Johanna Canetti.

You can watch the DVD copy

with english subtitles at the office.

Video / kleiner Raum O.T. / Monument 03PAL / 4:3 MiniDV / SW/stumm / 4:30 Min.Marion Porten © 2006

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Marion PortenMaria José Villamil-Rodriguez / HDV / Farbe/Ton / Laufzeit: 09:43 Min.

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Marion PortenMaria José Villamil-Rodriguez / HDV / Farbe/Ton / Laufzeit: 09:43 Min.

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Dirigierfigur (1921) Nr.12011, 91 x 80 cmBleistift auf Papier mit schwarz/weiss Kopie

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Dirigierfigur (1921) Nr.22011, 91 x 105 cmTechnik: Bleistift auf Papier mit schwarz/weiss Kopie

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Dirigierfigur (1921) Nr.32011, 91 x 108 cmBleistift auf Papier mit schwarz/weiss Kopie

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Dirigierfigur (1921) Nr.42011, 91 x 104 cmBleistift auf Papier mit schwarz/weiss Kopie

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Dirigierfigur (1921) Nr.52011, 91 x 102 cmBleistift auf Papier mit schwarz/weiss Kopie

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Dirigierfigur (1921) Nr.62011, 91 x 105 cmBleistift auf Papier mit schwarz/weiss Kopie

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Dirigierfigur (1921) Nr.82011, 100 x 91 cmBleistift auf Papier mit schwarz/weiss Kopie

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Dirigierfigur (1921) Nr.92011, 91 x 62 cmBleistift auf Papier mit schwarz/weiss Kopie

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Dirigierfigur (1921) Nr.2, Detail2011, 91 x 105 cmTechnik: Bleistift auf Papier mit schwarz/weiss Kopie

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Habitus und Haltung auf dem Podium... und jenseits davonBettina Steinbrügge, Kuratorin 21er Haus, Wien

In der Installation „Der Rücken der Dirigentin“ (2011) von Marion Porten befasst sichdie Künstlerin mit der Frage der Macht. Es gibt „keinen anschaulicheren Ausdruck fürMacht, als die Tätigkeit des Dirigenten“1, schreibt Norman Lebrecht. Der Dirigentvereint und konzentriert in seiner Person die Macht und die künstlerische Kompetenzder musikalischen Gestaltungshoheit. Er ist das „Nadelöhr“ zwischen den ausübendenMusikern und dem, was als musikalisches Produkt zu hören ist. Gemeinsames Musizierenfunktioniert hier nicht über Kommunikationsstrukturen unter den Musikern, sonderndurch „Unterordnung“, ist doch der Dirigent derjenige, der den Takt vorgibt. AbsoluteHerrscher am Pult wie Arturo Toscanini, Wilhelm Furtwängler oder Herbert von Karajansind bis heute die Leitbilder einer männlichen Domäne, die vielleicht in dieser Konsequenznur mit der Formel 1 vergleichbar ist. Als Nadia Boulanger im Jahr 1938 das BostonSymphony Orchestra dirigierte, kam dies einer Revolution gleich und bis heute ist eserst wenigen Frauen gelungen, sich als Dirigentin durchzusetzen. Elke MaschaBlankenburg schreibt denn auch zurecht: „Dirigierende Frauen stellen bis heute dietief verwurzelten Leitbilder der Geschlechter in Frage.“2

Das Thema der Dirigentin aufzuwerfen und damit Machtstrukturen zu untersuchen,gewinnt meines Erachtens vor dem Hintergrund der theoretischen Untersuchungenvon Bourdieu an Tiefe und Deutlichkeit. Die Bourdieusche Theorie fußt auf den Gedankendes sozialen Feldes, in dem alle Beteiligten um Macht konkurrieren. Das kann wie einSpiel funktionieren, mit bestimmten Spielregeln, Grundsätzen oder Funktionsweisen.Gerade die Funktionsweisen, die der Identifizierung dienen, werden von den Beteiligtentief eingeprägt und bilden einen Habitus heraus, der dieses Feld fortan bestimmt. DieSchwierigkeit, diese bestehenden Funktionsweisen eines Feldes zu ändern, werdensichtbar, wenn die Entwicklung des Dirigentinnenberufes oder der Chancengleichheitvon Frauen überhaupt betrachtet wird.

Marion Porten fächert in der Installation, die aus zwei Videoprojektionen und einerSerie von neun Zeichnungen besteht, die unterschiedlichen Machtkonstruktionen undderen feine Mechanismen subtil und eindrücklich auf. Im Mittelpunkt steht dabei dasDirigat in den Händen einer Frau, die sich das Instrumentarium aneignet, dabei Machtauszuführen bereit ist und damit die Geschlechterrollen hinterfragt. Im Prinzip passierthier etwas, was Pierre Bourdieu in seinem Buch Die männliche Herrschaft andenkt.Bourdieu zufolge ist die männliche Herrschaft das Modell und der Gegenstand allerHerrschaft, die so hinreichend abgesichert ist, dass sie keiner Rechtfertigung bedarf.Die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern hat sich in der sozialen Weltniedergeschlagen und ist in den Einstellungen aller, dem Habitus, als ein universellesPrinzip des Sehens und Einteilens, ein System von Wahrnehmungs-, Denk- undHandlungskategorien präsent. Dies erklärt, warum eine solche Macht akzeptiert wird.Für Bourdieu bedarf es daher einer symbolischen Revolution, einer radikalen Umgestaltungjener gesellschaftlichen Verhältnisse, die die beherrschten Frauen dazu bringt, denherrschenden Männern und sich selbst gegenüber einen Standpunkt einzunehmen, dermit dem der Herrschenden identisch ist.3 Und genau dies wird in der Installation vonMarion Porten ausgeführt.

In der Installation Portens’ werden Bourdieus Denkansätze in ein Raumgefüge übersetzt,das diese Erfahrung körperlich wie intellektuell erfahrbar macht. In ihrem Pressetextzur Ausstellung in Leipzig geht Porten auf ein wichtiges Klischee des männlichen Dirigatsein, welches besagt, dass von einem Dirigierenden Führungsqualitäten verlangt werden,Autorität und auch „ [...] die Fähigkeit, formale Zusammenhänge großen Ausmaßesgeistig zu bewältigen. Dem Dirigenten, der mit leeren Händen gestaltet, haftet etwasUnkörperliches, Abstrakt-Geistiges an. Diese Eigenschaften sprach man der Frau langeZeit ab.”4 In der einen Videoprojektion fährt die Dirigierstudentin Maria José Villamil-Rodriguez mit den Fingern die gezeichneten Linien der Schlagfiguren ab, wobei siegleichzeitig die Taktiertechniken erläutert und kommentiert. Interessant ist, dass nurdie Hände der Studentin zu sehen sind, aber nicht das Gesicht. Die Hände werden zum

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allgemeingültigen und ausdrucksstarken Zeichen einer sozialen Struktur, die eben dochin der Lage ist, das abstrakt-geistige zu kommunizieren. Das Dirigat, das grundsätzlichals Orientierungs-, Koordinierungs- und Gestaltungshilfe für die Musiker gesehenwerden kann, ist bestimmten historisch entwickelten Regeln und Techniken unterworfen.Der Takt wird durch festgelegte Schlagfiguren angezeigt, Codes, die von den Musikerngelesen und interpretiert werden können. Im Nachzeichnen dieser gesellschaftlichlegitimierten Codes stellt die Akteurin der Projektion die standardisierten Ausdrucksformenfür unter anderem Auftakt, Schluss, Phrasierung oder Crescendo vor, um dazwischendie veralteten Darstellungen zu kritisieren und in der Überzeichnung zu korrigieren.Bemächtigt sie alleine sich hier bereits der gesellschaftlichen Codes, so wird dieseSelbstermächtigung noch durch eine weitere Zitatebene unterstützt und weitergeführt.Zwischen den verschiedenen Dirigierfiguren wird eine Textpassage von Elias Canettiüber das „Stehen“ gelesen: „[...] Das Stehen macht den Eindruck noch unverbrauchterEnergie, weil man es am Anfang aller Fortbewegung sieht: Man steht gewöhnlich,bevor man sich zu gehen oder zu laufen anschickt. Es ist die zentrale Position, aus derman ohne Übergang, sei es in eine andere Position, sei es in irgendeine Form vonBewegung, hinüberwechseln kann. Man neigt also dazu, im Stehenden ein größeresMaß von Spannung anzunehmen, auch in Augenblicken, da seine Absichten ganzandere sein mögen, denn vielleicht wird er sich im nächsten Moment zum Schlafeniederlegen. Immer überschätzt man den Stehenden.“5 An dieser Stelle wird dasDirigieren politisch, basiert die Textstelle doch auf Canetti’s Masse und Macht, einemText, der 1922 in der Weimarer Republik beginnt und die Massenformationen undderen Auswirkungen im Faschismus zum Thema hat. Canettis Analysen, die zu verstehenversuchen, wie Machtstrukturen entstehen und sich halten, beginnt mit der Untersuchungvon den Gemeinsamkeiten bei Machthabern und Befehlsempfängern. Diese sieht ernicht in der „Kultur“ schlechthin begründet, sondern beim einzelnen Menschen inseiner Wechselwirkung mit seinem kulturellen Umfeld. Schein und Sein stehen beiCanetti in ihren Auswirkungen auf gesellschaftliche Prozesse gleichberechtigtnebeneinander, um die Natur von Macht dekodieren und damit auch verändern zukönnen. So wie Canetti hinterfragt, wie uralte Machtstrukturen abgelöst werden können,so geht Porten einen Schritt weiter und zeigt bereits sehr deutlich Wege auf, sich selbstzu bemächtigen. Der Mensch – oder hier die Dirigentin – steht in der zweitenVideoprojektion im Mittelpunkt. Im Gegensatz zum Titel „Der Rücken der Dirigentin“blicken wir frontal und auf Augenhöhe auf die agierende Dirigentin Monica Buckland.Hier werden nicht mehr nur die Hände, sondern auch das Gesicht der Person gefilmtund es scheint, als werde diese Projektion zur Synthese dieser Untersuchung. DerAusschnitt zeigt Buckland bei der Probe mit dem Universitätsorchester Dresden. Einekonzentrierte Frau, die sympathisch aber energisch den Taktstock schwingt und ihrOrchester im Griff hat. Die Befehle, von denen Canetti in seinem Buch spricht, gehenihr locker und leicht über die Lippen, sie wirken unangestrengt, eher freundlich unddas Thema der Macht, welches das Dirigat über die Jahrhunderte zu begleiten schien,tritt in den Hintergrund. Virtuoser kann Leichtigkeit kaum ausgedrückt werden, virtuoserkönnen die lange in der Gesellschaft bestehenden Machtverhältnisse nicht ausgehebeltwerden. „War da was?“, fragt man sich angesichts dieser Frau und es steht erneut dieFrage im Raum, warum die eingespielten Rollenverständnisse so derart unhinterfragtweiter betrieben und von Mann wie Frau weiter befördert werden.

Das Orchester sind aber auch wir, die wir uns vor der Projektion bewegen und vonBuckland angeleitet werden. In diesem Moment stehen wir nicht nur Buckland, sondernauch den Handlungsanweisungen in Form einer Serie von neun Zeichnungen gegenüber,die ungerahmt an die Wand befestigt sind und die Figuren darstellen, die im Video vonMaria José Villamil-Rodriguez erläutert werden. Die Figuren entstammen einem Lehrbuchvon 1921 und scheinen sich zur Aneignung anzubieten.

Bei Canetti wie auch bei Porten geht es um einen gemeinsamen Handlungsbedarf derVeränderung von Strukturen, in der der einzelne Mensch im Mittelpunkt zu stehen hat.Die Figur der Dirigentin wird hier zu einer eigenständig Handlungsfähigen, die dieStrukturen selbst in der Hand hält und somit auch den Schlüssel zur Veränderung.Porten gelingt es in dieser Installation, eine soziale Praxis mit einem reflexiven Blickzu analysieren, der weder implizit noch explizit durch Normativität gekennzeichnet ist,sondern durch eine relationale Betrachtungsweise, die es ermöglicht, das Wirken unddie Funktionsweise von Macht- und Herrschaftsverhältnissen in der sozialen Praxisoffen zu legen.

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Subordination ist niemals rational, sondern wird als ein psychologisches Konstruktverständlich, welches der Überwindung harrt.6 Das dies kein immer einfach zuerreichendes Ziel ist, wird in dem gelesenen Canetti-Zitat im Video mit Maria JoséVillamil-Rodriguez offenbar. Die Stimme, die Canettis Text aus dem Off vorliest, istnicht sicher und neutral, im Gegenteil, sie ist ungeübt, erscheint manchmal ein wenigunsicher, aber getragen von einem ernst gemeintem Anliegen. EingefahreneGeschlechterverhältnisse und lang eingeübte Subordination treten neben die berechtigteund längst überfällige Forderung, eine gleichberechtigte Position in der Gesellschafteinzunehmen. Beim zweiten Hinschauen verändern sich nun die Schlagfiguren undverbinden sich noch eindringlicher mit dem Canetti-Zitat. Die Stimme scheint sich denFormeln der Macht nur zögerlich zu nähern beziehungsweise zu widersetzen, alsscheine sie sich selbst noch zu vergewissern. Sie verdeutlicht, versprachlicht oderübersetzt die vorliegende Metapher in einer konzentrierten Eindringlichkeit, die nichtnur in der Person Monica Buckland offenbart wird, sondern plötzlich von allen Seitenauch körperlich auf den Betrachter eindringt, der ja in den meisten Fällen stehenddieser Installation gegenübertritt. Die Macht des Stehenden zeigt sich in der eigenenkörperlichen Präsenz und das Individuum selbst sieht sich mit der Frage konfrontiert,ob diese Macht eigentlich überbewertet wird oder sich einfach nur genommen werdenmuss. Die Dirigierenden dürfen dem Publikum den Rücken zukehren. Sie sind dieEinzigen, ist der dem Zuschauerraum zugewandte Rücken doch ansonsten ein Affront,der nicht tolerabel ist. Dieser, in der Gesellschaft akzeptierte Rücken, wird in derInstallation nicht gezeigt und verweist abermals auf eine Umkehrung traditionellfestgelegter Handlungsmechanismen.

Die Installation spielt mit den körperlichen Wahrnehmungsformen, macht sie docheinen Raum auf, der eine unterbewusste Reflexion zum Thema Macht ermöglicht. DerRaum wird hier zu einem Phänomen der Wahrnehmung, in dem der Körper und diedargestellten Ordnungssysteme, also die Subjektivität des Einzelnen und die Objektivitätder Schlagfiguren, keine Gegensätze mehr bilden, sondern ein Moment der Überbrückunganzeigen. Der Körper versteht Marion Portens subtile Machtverschiebungen viel früher,als der Intellekt es aufzunehmen bereit ist. Wenn Maria José Villamil-RodriguezAnleitungen hinterfragt und verändert, wenn Monica Buckland durch ihre kraftvolle,Raum einnehmende Präsenz Eindruck erweckt und wenn der anonyme Besucher sichseines aufrechten Gangs durch die Ausstellung bewusst wird, dann handelt es sich umsubtile Machtverschiebungen, die erst nach und nach in das Bewusstsein dringen, umdann aber um so deutlicher zu Tage zu treten. Dieses kluge Insistieren auf intellektuellerwie auch körperlicher Ebene ist es, das die Installation von Marion Porten soaussagekräftig macht. Es ist die Verbindung von Körper und Intellekt, die in denSchriften von Canetti und Bourdieu bereits als stärkste Waffe angesehen und hier aufeinmal in den Raum gestellt wird.

1 / Norman Lebrecht, Der Mythos vom Maestro, Zürich 1992 (1991).2 / Elke Mascha Blankenburg, Dirigentinnen im 20. Jahrhundert – Porträts von MariaAlsop bis Simone Young, Hamburg 2003.3 / Vgl.: Pierre Bourdieu, Die männliche Herrschaft, Frankfurt am Main 2005 (1998).4 / Eva Rieger, Frau, Musik und Männerherrschaft, Berlin 1981.5 / Elias Canetti, Masse und Macht, Claassen Verlag Berlin, 1960.6 / Bedient man sich der Sprache Bourdieus, dann werden die Werkzeuge des Habitus-Konzept, das Konzept der symbolischen Gewalt, der Konstruktion des sozialen Raumesund der Vorstellung von sozialen Feldern, angewandt, um die soziale Praxis mit ihrereigenen, praktischen Logik und ihrem praktischen Sinn zu verstehen. Damit ist eineAbkehr von der Vorstellung verbunden, dass soziales Handeln als durchgängig rationaleszu fassen ist. Vgl. dazu: Steffani Engler, „Habitus und sozialer Raum: Zur Nutzung derKonzepte Pierre Bourdieus in der Frauen- und Geschlechterforschung“, in: HandbuchFrauen- und Geschlechterforschung, hg. v. Ruth Becker/Beate Kortendiek, Wiesbaden2008.