Markenrecht - Berlit, Leseprobe€¦ · lich sind, bestimmt § 9 Abs. 1 Ziffer 2 MarkenG, dass...

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Praxis des Gewerblichen Rechtsschutzes und Urheberrechts Markenrecht von Dr. Wolfgang Berlit 8., neubearbeitete Auflage Markenrecht – Berlit schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG Thematische Gliederung: Markenrecht Verlag C.H. Beck München 2010 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 406 60615 1 Inhaltsverzeichnis: Markenrecht – Berlit

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b) Verwechselungsgefahr

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schließt, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer kom-plexen Marke prägend sein können (EuGH-Entscheidung „Shaker“). Es verbietet sich eine zergliedernde Betrachtungsweise.

Bei der Bewertung des Gesamteindrucks der Marke ist von dem Erfah-rungssatz auszugehen, dass der Verkehr die in Frage stehenden Zeichen regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung auf Grund eines Erinnerungseindrucks gewinnt und daher regelmäßig die übereinstimmenden Merkmale mehr her-vortreten als die Unterschiede, so dass es maßgeblich nicht so sehr auf die Unterschiede als auf die Übereinstimmungen der Zeichen ankommt (BGH-Entscheidung „Les-Paul-Gitarren“).

Die bloß assoziative Verwechslungsgefahr reicht nach den Ausfüh-rungen des EuGH nicht aus, um Löschungs- oder Verletzungsansprüche zu begründen. Nach Vorlage des Verfahrens „Springende Raubkatze“ an den EuGH stellte dieser klar:

Unter Umständen, wie sie im Ausgangsfall vorliegen, in dem die ältere Marke

keine besondere Verkehrsgeltung hat und aus einem Bild besteht, das wenig ver-fremdende Phantasie aufweist, reicht die bloße Ähnlichkeit in der Bedeutung nicht aus, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen. Daher ist auf die zur Vor-abentscheidung vorgelegte Frage zu antworten, dass die rein assoziative gedankli-che Verbindung, die der Verkehr über die Übereinstimmung des Sinngehalts zweier Marken zwischen diesen herstellen könnte, für sich genommen keine „Ge-fahr von Verwechslungen . . ., die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird“, i. S. des Artikel 4 I lit. b Richtlinie begründet (EuGH in WRP 1998, S. 39 ff [S. 42], „Sabél/ Puma“).

Entgegen dem Gesetzeswortlaut führt also die rein assoziative Verknüp-

fung zweier Marken dann nicht zu einem markenrechtlichen Konflikt, wenn die sonstigen Voraussetzungen einer Verwechslungsgefahr (also etwa Warenähnlichkeit) nicht vorliegen. Die Frage der assoziativen Verwechs-lungsgefahr reicht daher letztlich nicht weiter als die bereits früher von der Rechtsprechung geprägte Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens (s. Rz. 181).

aa) Schutzumfang/Kennzeichnungskraft

Sofern die kollidierenden Marken nicht identisch, sondern nur ähn-

lich sind, bestimmt § 9 Abs. 1 Ziffer 2 MarkenG, dass Löschungsansprü-che (oder gemäß § 14 Abs. 2 Ziffer 2 MarkenG Unterlassungsansprüche) nur durchgesetzt werden können, wenn Verwechslungsgefahr besteht, sei es auch nur, dass das angesprochene Publikum beide kollidierenden Mar-ken gedanklich in Verbindung bringt. Das angesprochene Publikum ist regelmäßig der allgemeine Verkehr. Sofern ausnahmsweise nur das Fach-publikum angesprochen wird, z. B. bei verschreibungspflichtigen Arznei-mitteln Ärzte und Apotheker (BGH-Entscheidung „Ketof/ETOP“),

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kommt es für die Beurteilung des Gesamteindrucks der gegenüberste-henden Marken auf dessen Auffassung an. Verwechslungsgefahr wird um-so eher vorliegen, je stärker die Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke ist.

Je phantasievoller das Zeichen, je origineller die Marke ist, umso stärker ist auch die Kennzeichnungskraft dieses Kennzeichens. Wesent- liches Merkmal des Schutzumfanges einer Marke ist daher deren Kenn-zeichnungskraft. Die Rechtsprechung unterscheidet seit jeher zwischen den kennzeichnungsschwachen Marken, den Marken mit normaler Kennzeichnungskraft und den Marken mit starker oder gesteigerter Kennzeichnungskraft. Der maßgebliche Zeitpunkt zur Bestimmung der Kennzeichnungskraft einer Marke ist der Kollisionszeitpunkt, also regelmäßig der Anmeldetag der angegriffenen Marke (BGH-Entschei-dung „DKV/OKV“).

In der Entscheidung „apetito/apitta“ befasste sich der Bundesge-richtshof noch unter Geltung des WZG mit dem Bildzeichen „apetito“ für tiefgekühlte Fertigmenüs und dem Firmenschlagwort „apitta“ für Brot in Taschenform und stellte in Bezug auf das Bestehen von Verwechs-lungsgefahr fest, dass zwischen den drei Faktoren – Ähnlichkeitsgrad, Kennzeichnungskraft und Warennähe – eine Wechselbeziehung besteht. Trotz der Nähe beider Kennzeichen zu der beschreibenden Angabe „Ap-petit“ nahm der erkennende Senat Verwechslungsgefahr an.

Zur Bestimmung der Verwechslungsgefahr waren demgemäß un-ter Geltung des WZG drei Kriterien miteinander in Beziehung zu set- zen:

– Ähnlichkeitsgrad der zu vergleichenden Kennzeichen, – Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens und – Grad der Waren- bzw. Branchennähe.

Entsprechendes gilt im MarkenG, wobei die richtlinienkonforme

Auslegung des § 9 Abs. 1 Ziff. 2 MarkenG die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erfordert, und hier insbesondere den Bekannt-heitsgrad der Marke im Markt, die gedankliche Verbindung, die das be-nutzte oder eingetragene Zeichen zu ihr hervorrufen kann, sowie den Grad der Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen und der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen (Erwägungs-grund 11 Markenrechtsrichtlinie, s. o. Rz. 134). In einem Konflikt zwischen der für „Plastikspielwaren“ durchgesetzten Marke „BIG“ und den für Spielfahrzeuge verwendeten Kennzeichen „Big Bluster“ und „Big Buffalo“ führte der BGH zur Frage der Verwechslungsgefahr aus:

Es (Anmerkung: das Berufungsgericht) ist bei der Prüfung einer Markenverletzung

rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Beurteilung der Verwechslungsgefahr

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im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen ist. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kenn-zeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken und eine gestei-gerte Kennzeichnungskraft ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH in WRP 2002, S. 534 ff [S. 535], „BIG“).

Bei der vom BGH zugrundegelegten normalen Kennzeichnungskraft

der Marke „BIG“ lag Verwechslungsgefahr trotz identischer Waren nicht vor, da der Bestandteil „BIG“ die angegriffenen Bezeichnungen weder ausschließlich noch überwiegend geprägt hat. Die Frage der Verwechs-lungsgefahr stellt sich unter Anwendung dieser markenrechtlichen Grund-sätze wie folgt dar:

– Ähnlichkeit der Marken, – Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren, – Kennzeichnungskraft der älteren Marke, ggf. Prägung der Marke

durch einen Bestandteil Aus der Wechselbeziehung zwischen den genannten Faktoren ergibt

sich die zur Begründung einer Markenverletzung erforderliche Ver- wechselungsgefahr (so auch EuGH-Entscheidung „Lloyd Schuhfabrik Meyer“).

Die Entscheidung „apetito/apitta“ zeigt anschaulich, dass auch sol-che Marken kennzeichnungskräftig sein können, die sich an beschrei-bende Angaben anlehnen. Sofern sich jedoch das Zeichen an eine bekannte Gattungsangabe anlehnt und die angesprochenen Verkehrs-kreise die Bezeichnung gattungsmäßig verstehen, wird allerdings in der Regel von einem nur schwach kennzeichnenden Zeichen ausgegangen werden können (wobei reine Gattungsangaben ohne Verkehrsdurchset-zung gemäß § 8 Abs. 2 Ziffer 3 MarkenG von der Eintragung gänzlich ausgeschlossen sind). So nahm der BGH auch unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft bei der Mehrwortmarke „Dorf Münsterland“ zur Kennzeichnung einer Hotel- und Freizeitanlage an (BGH-Entscheidung „Dorf MÜNSTERLAND“). Sofern es sich jedoch bei der vom Mar-keninhaber verwendeten Marke um eine fremdsprachige Gattungsan-gabe handelt, ist im Regelfall von zumindest durchschnittlicher, also normaler Kennzeichnungskraft, auszugehen (entschieden für die Bezeich-nung „Rossi“ im Hinblick auf das italienische Wort „Rosso“ für roten, italienischen Wermutwein).

Die Kennzeichnungskraft einer Marke – und damit der Umfang des Schutzes – ist nicht für alle Klassen des gesamten Waren- und Dienstleis-tungsverzeichnisses der geschützten Marke einheitlich. Sofern ein Marken-

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bestandteil für eine im Warenverzeichnis enthaltene Warengattung eher beschreibend ist, kann insoweit eine Kennzeichnungsschwäche vorliegen, wohingegen in Bezug auf andere Waren von einer norma-len Kennzeichnungskraft ausgegangen werden kann. Entsprechendes gilt, wenn der Markeninhaber einen besonderen Werbeaufwand für eine Warengattung des Warenverzeichnisses betreibt. In diesem Fall kann dem Zeichen gerade für diese Warengattung eine gesteigerte, überdurch-schnittliche Kennzeichnungskraft (BGH-Entscheidung „Ichthyol“) zukommen. Die Bestimmung der Kennzeichnungskraft erfolgt nach den Ausführungen des BGH wie folgt:

Randnummer 21: Bei der Bestimmung der Kennzeichnungskraft sind alle rele-

vanten Umstände zu berücksichtigen, zu denen insbesondere die Eigenschaften, die die Marke von Haus besitzt, der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geografische Verbreitung und die Dauer der Benutzung der Marke, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke und der Teil der beteiligten Verkehrskreise gehören, die die Waren oder Dienstleistungen aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen (BGH in WRP 2009, Seite 824 ff [S. 827], „OSTSEE-POST“).

Da die aufgrund Verkehrsdurchsetzung eingetragenen Marken regel-

mäßig über durchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügen, legt der BGH bei der Angriffsmarke „POST“ für Postdienstleistungen normale Kennzeichnungskraft zugrunde. Eine Kennzeichnungsschwäche kann für derartige Zeichen nur dann angenommen werden, wenn hierfür be-sondere tatsächliche Umstände vorliegen. Das ist nicht der Fall, wenn es sich bei dem Inhaber des Kennzeichens um ein ehemaliges Monopolun-ternehmen (Deutsche Post) handelt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Be-urteilung einer in Folge Benutzung gesteigerten Kennzeichnungskraft ist grundsätzlich der Anmeldetag der angegriffenen Marke, es sei denn, die Kennzeichnungskraft der älteren Marke wurde nach dem Kollisions-zeitpunkt geschwächt (BGH-Entscheidung „SIERRA ANTIGUO“).

Der Umfang der Kennzeichnungskraft – schwach, normal oder stark – ist nicht statisch fest. Durch eine entsprechende Verkehrsdurchdrin-gung, etwa durch gesteigerte Werbemaßnahmen des Markeninhabers oder durch eine langjährige Markenbenutzung und der Gewinnung eines entsprechend großen Marktanteils, kann eine ursprünglich vor-handene Kennzeichnungsschwäche überwunden werden und die Marke normale Kennzeichnungskraft gewinnen. Marken aus beschreibenden Angaben, die sich im Verkehr durchgesetzt haben (§ 8 Abs. 3 MarkenG), kommt von Haus aus im Regelfall normale Kennzeichnungskraft zu (BGH-Entscheidung „Pralinenform“). Trotz des rein beschreibenden Inhalts ist ein derartiges Zeichen in der Regel nicht kennzeichnungs-schwach. So wurde der für „Plastikspielwaren“ durchgesetzten Marke „BIG“ normale Kennzeichnungskraft zugebilligt. Unter Geltung des WZG nahm der BGH bei der im Verkehr durchgesetzten Marke „SL“

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für „Sportwagen“ normale Kennzeichnungskraft an. Angaben über Um-satzzahlen allein lassen regelmäßig keine klaren Rückschlüsse auf die erhöhte Kennzeichnungskraft einer Marke zu (BGH-Entscheidung „ALLTREK“). Im Einzelfall ist es sogar möglich, dass einer Marke kraft Verkehrsdurchsetzung nicht nur normale Kennzeichnungskraft zukommt, sondern ihr Schutzbereich durch die umfängliche Verkehrsdurchdringung und der damit verbundenen Stärkung der Kennzeichnungskraft enorm erweitert wird. Die intensive Nutzung einer Marke über einen gewis- sen Zeitraum kann eine erheblich gesteigerte Kennzeichnungskraft begründen (BGH-Entscheidungen „Kleiner Feigling“ und „City Plus“).

Umgekehrt kann jedoch auch eine von Haus aus durchschnittlich kennzeichnungskräftige Marke oder sogar eine Marke mit starker Kenn-zeichnungskraft nachträglich geschwächt werden. Eine nachträgliche Schwächung kann z. B. auftreten, wenn nach Ingebrauchnahme der Mar-ke der Markeninhaber die Nutzung einer Vielzahl ähnlicher Marken duldet. In diesem Fall weiß der Verkehr um die unterschiedliche Her-kunft der Waren und achtet daher besonders auf die selbst nur geringen Unterschiede in den Marken, so dass die Unterschiede ausreichen, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen. Sicherlich reicht es jedoch nicht aus, wenn sich neben dem Markeninhaber am Markt ein weiteres Unternehmen etabliert hat, das eine ähnliche Bezeichnung verwendet. Vielmehr müssen sich ähnliche Drittzeichen so am Markt manifestiert haben, dass die angesprochenen Verkehrskreise bei Konfrontation mit den Marken deren Unterschiedlichkeit vergegenwärtigen. Die bloße Regist-rierung einer Vielzahl ähnlicher Marken kann die Kennzeichnungskraft nicht schwächen. Es bleibt der Einzelfallentscheidung überlassen, ob eine Kennzeichnungsschwäche eingetreten ist. Betreibt z. B. ein Markeninha-ber für eine bestimmte Warengruppe in besonders großem Umfang Wer-bung, so dass der Schutzumfang dieser Marke für diese Warengruppe ge-steigert wurde, wird auch eine ähnliche Marke, die nur im normalen Umfang im Verkehr benutzt wird, die prioritätsältere Marke nicht schwä-chen können. Bei der Beurteilung von Mehrwort-Marken sind im Hin-blick auf ihre Kennzeichnungskraft die den Gesamteindruck bestimmen-den Bestandteile entscheidend (BGH-Entscheidung „ECCO II“). So, wie die bloße Registrierung einer Vielzahl ähnlicher Marken die Kenn-zeichnungskraft nicht schwächen kann, ist der Umstand, dass für den In-haber der Angriffsmarke eine Markenserie registriert ist, nicht zur Stär-kung der Angriffsmarke geeignet, wenn die Mitglieder der Markenserie nicht tatsächlich, stetig und mit stabilem Erscheinungsbild auf dem Markt präsent waren (EuGH-Entscheidung „Bainbridge“).

Bei Gegenüberstellung der für Kosmetik eingetragenen Zeichen „Cliff Hurrican“ und „Deynique for men – Hurricane extra cologne“ kommt dem Element „Hurrican“ in beiden Marken kein selbstständiger Marken-

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schutz zu. Vielmehr handelt es sich insoweit um ein gleichgewichtiges Element der Marke, das neben den anderen Markenbestandteilen normale Kennzeichnungskraft hat und daher bei der Überprüfung beider Zeichen nicht als prägender Bestandteil gesonderte Bedeutung erlangt. Hier stehen sich vielmehr zwei Marken gegenüber, die aus mehreren, gleichge-wichtigen normal kennzeichnungskräftigen Wortbestandteilen zu-sammengesetzt sind und durch die unterschiedliche Wortwahl einen aus-reichenden Abstand aufweisen (BGH-Entscheidungen „HURRICANE“ – zum WZG – und „EKKO BLEIFREI“ – zum MarkenG –). Keine Verwechslungsgefahr bestand aus Sicht des BGH auch zwischen den Zei-chen „JOY“ und „Foot-Joy“ (beide für Waren der Klasse 25), da der Gesamteindruck der prioritätsjüngeren Marke „Foot-Joy“ aus den gleichgewichtigen Elementen „Foot“ und „Joy“ besteht. Es ist kein Anhaltspunkt ersichtlich, dass dem Bestandteil „Foot“ bei den inlän- dischen Verkehrskreisen eine höhere Bekanntheit zukommt als dem auch zum englischsprachigen Grundwortschatz zählenden Begriff „Joy“ (BGH-Entscheidung „JOY“). Selbst die aus dem italienischen Artikel „il“ und dem Wort „Padrone“ (für: „Eigentümer, Besitzer“) zusammengesetzte Mehrwortmarke „il Padrone“ wird nicht allein durch das Substantiv „Pa-drone“ geprägt (BGH-Entscheidung „il Padrone/Il Portone“). Der BGH verneinte auch die Prägung einer Mehrwortmarke durch die Kurz-bezeichnung „idw“. Ein Bestandteil, der eine beschreibende Angabe ent-hält, kann zum Gesamteindruck beitragen. Auch wenn der Verkehr dazu neigt, längere Wortbestandteile auf einen Bestandteil zu verkürzen, gilt diese Annahme dann nicht, wenn die in der Mehrwortmarke enthaltene Buchstabenfolge die Abkürzung der weiteren Wortbestandteile, hier: „In-formationsdienst Wissenschaft“, der zusammengesetzten Marke darstellt (BGH-Entscheidung „idw Informationsdienst Wissenschaft“).

In mehreren Verfahren hatte sich das Bundespatentgericht mit der Fra-ge auseinanderzusetzen, ob die zur Verwechselbarkeit mehrbestandteiliger Marken (Mehrwortmarken) entwickelten Grundsätze auch auf mehrglie-drige Einwortzeichen angewendet werden können, die aus jeweils zwei Wortsilben bestehen. In dem einen Verfahren standen sich die Bezeich-nungen „quickslide“ und „quickpoint“ in Klasse 9 (Dia-Rähmchen) ge-genüber. Der erkennende Senat verneinte das Vorliegen phonetischer Verwechslungsgefahr, da die jeweils zweiten Wortsilben „-slide“ und „-point“ so stark voneinander abweichen, dass die Marken in ihrer Ge-samtheit weder klanglich noch in sonstiger Weise verwechselbar sind. Verneint wurde auch das Vorliegen von mittelbarer Verwechslungsgefahr, da der Bestandteil „Quick“ als beschreibende Angabe für die Waren (im Sinn von „geeignet/gut für die schnelle Rahmung von Dias“) nicht ge-eignet ist, als herkunftskennzeichnender Stammbestandteil vom Verkehr aufgefasst zu werden. Zu dem entgegengesetzten Ergebnis kam das Bun-despatentgericht in einer anderen Entscheidung, in der sich erneut mehr-

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gliedrige Zeichen gegenüberstanden. Bei diesem Beschluss ging es um die Marken „BERGER“ und „BERGERLAHR“. Hier stellte der erken-nende Senat fest, dass die Gefahr der Verwechselbarkeit zweier Marken nach dem maßgeblichen Gesamteindruck auch dadurch begründet wer-den kann, dass die Marken nur in einem Bestandteil übereinstimmen, sofern es sich um Kombinationsmarken handelt und gerade dieser Be-standteil für beide Marken gleichermaßen prägende Bedeutung hat, also den weiteren Bestandteilen, sei es der prioritätsälteren, sei es der prio-ritätsjüngeren Marke, vom Verkehr keine die betriebliche Herkunft der gekennzeichneten Waren individualisierende Funktion beigemessen wird (Prägung verneint in der BGH-Entscheidung „PAPPAGALLO“). Da in der prioritätsälteren Marke „BERGERLAHR“ dem Familiennamen der Ortsname „LAHR“ angehängt wurde, blieb der prägende Eindruck des Zeichenbestandteils „BERGER“ erhalten. Denn der Verkehr erkannte an dem Zeichenbestandteil „LAHR“ unschwer die entsprechende Bezeich-nung des nicht unbekannten Ortsnamens. Der BGH nahm keine Ver-wechslungsgefahr bei einem Konflikt zwischen den für „Zuckerwaren“ eingetragenen Marken „SALMI“ und „Sali Toft“ an. Denn der Schutz eines aus einem zusammengesetzten Zeichen herausgelösten Elements ist dem Markenrecht grundsätzlich fremd (BGH-Entscheidung „Sali Toft“). Entsprechendes gilt auch für aus Vor- und Zunamen zusam-mengesetzte Marken, sofern das Kennzeichen seine eigentliche Individua-lisierungsfunktion nicht zuletzt durch den Vornamen erhält (BGH-Ent-scheidung „RAUSCH/ELFI RAUCH“). Es gibt keinen Erfahrungssatz dahingehend, daß sich der Verkehr bei erkennbar aus Vor- und Nachna-men gebildeten Marken allein oder vorrangig an dem Nachnamen orien-tiert (BGH-Entscheidung „MEY/Ella May“). Allerdings kann im Ein-zelfall ausnahmsweise einem einzelnen Bestandteil eines Zeichens eine besondere, das Gesamtzeichen prägende Kennzeichnungskraft bei-gemessen werden, etwa wenn die angesprochenen Fachkreise in diesem Bestandteil eine Produkt- und Sortenbezeichnung sehen (BGH-Entschei-dung „IONOFIL“). Unter bestimmten Umständen kann selbst der Bild-bestandteil einer Wort-/Bildmarke prägend wirken (BGH-Entscheidung „Ferrari-Pferd“). Grundsätzlich heißt es zu der Prägung von Mehr-wortmarken durch einen Bestandteil in der BGH-Entscheidung „Bit/ Bud“ wie folgt:

Nach der Rechtsprechung des Senats ist zwar anerkannt, dass Wortzeichen, die

aus mehreren Bestandteilen bestehen, in ihrem Gesamteindruck durch einzelne Bestandteile geprägt werden können. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass hin-reichende Anhaltspunkte aus der allgemeinen Lebenserfahrung vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, der Verkehr werde andere Wortbestandteile bei der Wahr-nehmung einer Marke vernachlässigen. Insoweit ist in der Rechtsprechung aner-kannt, dass insbesondere bei der Kombination mehrerer Wortbestandteile, zu denen die dem Verkehr bekannte oder solche erkennbare Unternehmenskenn-zeichnung des Markeninhabers gehört, der Verkehr sein Augenmerk vor allem auf

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die eigentliche Produktkennzeichnung und nicht auf die Unternehmenskenn-zeichnung richten wird . . . Es wäre aber, wie der Bundesgerichtshof auch ausge-sprochen hat, verfehlt, etwa von einem Regelsatz auszugehen, wonach einer Her-stellerangabe als Bezeichnungsbestandteil stets eine (mit-)prägende Bedeutung für den Gesamteindruck einer Marke abzusprechen sei. Es ist vielmehr der Beurteilung des Einzelfalls vorbehalten, ob aus der Sicht des Verkehrs die Herstellerangabe in den Hintergrund tritt oder nicht (BGH in WRP 2001, S. 1320 [S. 1324]).

Es kommt demgemäß maßgeblich darauf an, welche besonderen Ge-

gebenheiten und Bezeichnungsgewohnheiten auf dem infrage ste-henden Warengebiet üblich sind. In der Auseinandersetzung zweier Brau-ereien lehnte der BGH die Prägung des Bieretiketts „Anheuser Busch Bud“ durch den Bestandteil „Bud“ ab. Hingegen wird aus Sicht des er-kennenden Senats das Etikett „American Bud“ sehr wohl durch den Be-standteil „Bud“ geprägt, da der Verkehr in der Angabe „American“ eine geographische Herkunftsangabe erblickt. Der erkennende Senat nahm daher Verwechslungsgefahr zwischen dem Markenbestandteil „Bud“ und der Marke „Bit“ an. Diese Auffassung teilte das Gericht I. Instanz (EuG) nicht. Aus Sicht des EuG ist der Unterschied in der Aussprache der Vokale „i“ und „u“ in den beiden aus drei Buchstaben bestehenden in Rede stehenden Zeichen ausreichend, um dem relevanten Verbraucher eine klangliche Unterscheidung zu ermöglichen (EuG-Entscheidung „BUD/BIT“). Verneint hat das Bundespatentgericht Verwechslungsge-fahr zwischen den Marken „BIG LEXX“ und „Lexx“. Der Verkehr hat keine Veranlassung, den zusätzlichen Bestandteil der prioritätsjüngeren Marke „BIG“ wegzulassen, da es sich bei dem weiteren Wort „LEXX“ ersichtlich um eine Fantasiebezeichnung handelt, so dass die aus beiden Worten zusammengesetzte Gesamtbezeichnung vom angesprochenen Verkehr nicht als Gesamtbegriff erinnert wird (BPatG-Entscheidung „BIG LEXX“). Auch die für Waren der Klasse 3 registrierte Marke „Public Nation“ kann nicht erfolgreich durch die prioritätsältere Marke „PUBLIC“ angegriffen werden, die ebenfalls für Waren der Klasse 3 Schutz genießt. Nur wenn der übereinstimmende Bestandteil als isoliertes Zeichen aufgrund seiner tatsächlichen Benutzung im Verkehr für einen Dritten eine erhöhte Kennzeichnungskraft erlangt hat, kann im Ein-zelfall Verwechslungsgefahr bejaht werden. Da der Widersprechende seine Marke „PUBLIC“ für die Waren der Klasse 3 noch nicht benutzt hatte, bestand für den Verkehr kein Anlass, aufgrund der Begriffskombination „Public Nation“ einen zur Verwechslungsgefahr führenden Zusammen-hang mit der Widerspruchsmarke herzustellen (BPatG-Entscheidung „Public Nation/PUBLIC“). Die Frage der Prägung einer Mehrwort-marke durch einen Bestandteil kann also nicht losgelöst von der Benut-zungslage des prioritätsälteren Kennzeichens bewertet werden. Ist aller-dings die Widerspruchsmarke als übereinstimmender Bestandteil auch in der angegriffenen Mehrwortmarke enthalten und kommt ihr aufgrund