Martin Koschorke Trennung oder Neubeginn? · Seite 1 „Wir wollen uns trennen“, sagt die Stimme...

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Seite 1 „Wir wollen uns trennen“, sagt die Stimme am Telefon. Oder: „Ich will mich von meinem Partner, meiner Partnerin tren- nen. Er oder sie will aber nicht“ Das Thema Trennung ist in- zwischen einer der häufigsten Anlässe für eine Anmeldung zur Paarberatung. Die meisten Paare kommen zu spät Paare, die von Trennung sprechen, sind am Ende ihrer Mög- lichkeiten angelangt. In der Regel haben sie, was in ihrer Macht stand, versucht, um die Probleme selber zu meistern. Sie haben die besten Lösungsmuster angewandt, über die sie verfügen, doch vergebens. Sie haben wie alle Menschen das tun, wenn sie sich existentiell bedroht fühlen — reflexhaft auf die wirksamsten Verhaltensweisen zurückgegriffen, die ih- nen zur Verfügung stehen: ihre früh gelernten, alt bewähr- ten Überlebensstrategien. Doch genau diese Verhaltensstrate- gien haben sich als unwirksam erwiesen. Schlimmer noch: Sie bewirken das Gegenteil von dem, was sie bewirken sollen. Sie verschärfen den Konflikt, statt ihn zu entschärfen. Sie brin- gen den Partner auf, statt ihn zu besänftigen. Die Paare haben geredet und geschwiegen. Sie haben sich überredet und sich überhört. Sie haben die Wünsche und Klagen des anderen ab- tropfen lassen oder sich in den Ohren gelegen. Am Ende eines langen Prozesses haben sie den Eindruck: Alle unsere Mög- lichkeiten, die Krise selbst zu bewältigen, sind erschöpft. Alle meine Möglichkeiten sind erschöpft. Ich bin total erschöpft. In die Erschöpfung mischen sich häufig Verzweiflung über die Vergeblichkeit der eigenen Bemühungen und Enttäu- schungen über das Verhalten des Partners. In der Regel lebt das Paar schon seit längerem in einem Zustand des Mangels. Beide kommen zu kurz, weil Aufgaben und Belastungen Zeit und Kraft in Anspruch nehmen, vor allem aber weil der ei- ne dem anderen offenbar nicht mehr geben will, was der an- dere lebensnotwendig braucht und von ihm erwarten kann. Meist haben die Partner ihren angestauten Frust auch noch zurückgehalten, etwa in der Absicht, der Partnerschaft noch eine Chance zu geben. So steht das Paar nach einer Weile vor einer Ansammlung von Ärger, Groll, Resignation, enttäusch- ten Erwartungen und unbefriedigten Bedürfnissen. Das alles lässt scheinbar nur noch den Schluss zu: Der einzige Ausweg ist - wir trennen uns. Viele Paare trennen sich zu früh Der Vorsatz: „Wir trennen uns“ ist indessen schneller gedacht oder ausgesprochen als verwirklicht. Denn der Trennungsim- puls im Paar ruft sogleich Gegenkräfte auf den Plan. Die Liebe des Paares, die es zumindest zu Beginn einmal gab und von der vielleicht noch Reste vorhanden sind, die miteinander ver- lebte Zeit, gemeinsame Kinder und die gemeinsam aufgebaute Existenz, das in den Jahren der Partnerschaft Erreichte und Geschaffene, durchstandene Krisen usw. schweißen zusam- men. Auch Auseinandersetzungen, Streit und Kampf schaffen — bis zu einem gewissen Punkt - immer wieder neu Bindun- gen. Die extreme Spannung zwischen dem, was trennt, und dem, was immer noch verbindet, führt zu einem fast unerträg- lichen Druck, der das Paar in Richtung Entscheidung drängt, der eine Entscheidung jedoch zugleich verhindert oder lähmt. Mit diesem Druck kommt das Paar in die Beratung. Dort brei- tet er sich in kürzester Zeit aus, zusammen mit den oben ge- nannten Gefühlen von Enttäuschung, Wut und Frust, Ver- zweiflung, Hoffnungslosigkeit, Ärger, Lähmung und Resig- nation. Unglaublich schnell füllt die geschilderte Atmosphäre den Beratungsraum, die Beratungsperson kann sich ihr kaum entziehen. Nicht selten ergreifen Druck und Lähmung, Frust und Aussichtslosigkeit auch von der Beratungsperson Besitz, so dass sie sich vielleicht resigniert fragt, ob Gespräche über- haupt noch Sinn machen. Spätestens an dieser Stelle ist es Zeit, sich an die grundlegen- den Regeln des beraterischen Handwerks zu erinnern. Es geht darum, sich einerseits einzufühlen, zu verstehen, wie es den Partnern momentan geht, also bei dem Paar zu sein. Andererseits ist es notwendig, dem Paar ein Gegenüber zu sein, zu erkennen, wie die Lage des Paares ist und was es aus seiner Situation macht, um den Überblick zu bewahren. Je lo- ckerer dieses Vor und Zurück, „Rein und Raus“ gelingt, desto flexibler kann die Beratungsperson sein, desto weniger strengt sie sich an, desto professioneller arbeitet sie Gin“, „out“, „up“). Trennung oder Neubeginn? Martin Koschorke Konzepte und Methoden der Paarberatung beim Thema Trennung („Trennungsberatung“) Die Grundbewegung der Beratung ist ein ständiger Wechsel von Bei-dem-Paar-Sein und Bei-sich-Sein, von „rein“ und „raus“, von „in“ und „out“..

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„Wir wollen uns trennen“, sagt die Stimme am Telefon. Oder: „Ich will mich von meinem Partner, meiner Partnerin tren-nen. Er oder sie will aber nicht“ Das Thema Trennung ist in-zwischen einer der häufigsten Anlässe für eine Anmeldung zur Paarberatung.

Die meisten Paare kommen zu spätPaare, die von Trennung sprechen, sind am Ende ihrer Mög-lichkeiten angelangt. In der Regel haben sie, was in ihrer Macht stand, versucht, um die Probleme selber zu meistern. Sie haben die besten Lösungsmuster angewandt, über die sie verfügen, doch vergebens. Sie haben wie alle Menschen das tun, wenn sie sich existentiell bedroht fühlen — reflexhaft auf die wirksamsten Verhaltensweisen zurückgegriffen, die ih-nen zur Verfügung stehen: ihre früh gelernten, alt bewähr-ten Überlebensstrategien. Doch genau diese Verhaltensstrate-gien haben sich als unwirksam erwiesen. Schlimmer noch: Sie bewirken das Gegenteil von dem, was sie bewirken sollen. Sie verschärfen den Konflikt, statt ihn zu entschärfen. Sie brin-gen den Partner auf, statt ihn zu besänftigen. Die Paare haben geredet und geschwiegen. Sie haben sich überredet und sich überhört. Sie haben die Wünsche und Klagen des anderen ab-tropfen lassen oder sich in den Ohren gelegen. Am Ende eines langen Prozesses haben sie den Eindruck: Alle unsere Mög-lichkeiten, die Krise selbst zu bewältigen, sind erschöpft. Alle meine Möglichkeiten sind erschöpft. Ich bin total erschöpft.

In die Erschöpfung mischen sich häufig Verzweiflung über die Vergeblichkeit der eigenen Bemühungen und Enttäu-schungen über das Verhalten des Partners. In der Regel lebt das Paar schon seit längerem in einem Zustand des Mangels. Beide kommen zu kurz, weil Aufgaben und Belastungen Zeit und Kraft in Anspruch nehmen, vor allem aber weil der ei-ne dem anderen offenbar nicht mehr geben will, was der an-dere lebensnotwendig braucht und von ihm erwarten kann. Meist haben die Partner ihren angestauten Frust auch noch zurückgehalten, etwa in der Absicht, der Partnerschaft noch eine Chance zu geben. So steht das Paar nach einer Weile vor einer Ansammlung von Ärger, Groll, Resignation, enttäusch-ten Erwartungen und unbefriedigten Bedürfnissen. Das alles lässt scheinbar nur noch den Schluss zu: Der einzige Ausweg ist - wir trennen uns.

Viele Paare trennen sich zu frühDer Vorsatz: „Wir trennen uns“ ist indessen schneller gedacht oder ausgesprochen als verwirklicht. Denn der Trennungsim-puls im Paar ruft sogleich Gegenkräfte auf den Plan. Die Liebe des Paares, die es zumindest zu Beginn einmal gab und von der vielleicht noch Reste vorhanden sind, die miteinander ver-lebte Zeit, gemeinsame Kinder und die gemeinsam aufgebaute Existenz, das in den Jahren der Partnerschaft Erreichte und Geschaffene, durchstandene Krisen usw. schweißen zusam-men. Auch Auseinandersetzungen, Streit und Kampf schaffen — bis zu einem gewissen Punkt - immer wieder neu Bindun-gen. Die extreme Spannung zwischen dem, was trennt, und dem, was immer noch verbindet, führt zu einem fast unerträg-lichen Druck, der das Paar in Richtung Entscheidung drängt, der eine Entscheidung jedoch zugleich verhindert oder lähmt.

Mit diesem Druck kommt das Paar in die Beratung. Dort brei-tet er sich in kürzester Zeit aus, zusammen mit den oben ge-nannten Gefühlen von Enttäuschung, Wut und Frust, Ver-zweiflung, Hoffnungslosigkeit, Ärger, Lähmung und Resig-nation. Unglaublich schnell füllt die geschilderte Atmosphäre den Beratungsraum, die Beratungsperson kann sich ihr kaum entziehen. Nicht selten ergreifen Druck und Lähmung, Frust und Aussichtslosigkeit auch von der Beratungsperson Besitz, so dass sie sich vielleicht resigniert fragt, ob Gespräche über-haupt noch Sinn machen.

Spätestens an dieser Stelle ist es Zeit, sich an die grundlegen-den Regeln des beraterischen Handwerks zu erinnern.

Es geht darum, sich einerseits einzufühlen, zu verstehen, wie es den Partnern momentan geht, also bei dem Paar zu sein. Andererseits ist es notwendig, dem Paar ein Gegenüber zu sein, zu erkennen, wie die Lage des Paares ist und was es aus seiner Situation macht, um den Überblick zu bewahren. Je lo-ckerer dieses Vor und Zurück, „Rein und Raus“ gelingt, desto flexibler kann die Beratungsperson sein, desto weniger strengt sie sich an, desto professioneller arbeitet sie Gin“, „out“, „up“).

Trennung oder Neubeginn?

Martin Koschorke

Konzepte und Methoden der Paarberatung beim Thema Trennung

(„Trennungsberatung“)

Die Grundbewegung der Beratung ist ein ständiger Wechsel von Bei-dem-Paar-Sein und Bei-sich-Sein,

von „rein“ und „raus“, von „in“ und „out“..

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Trennungspaare sind in der Regel sehr eindrückliche, d.h. sehr offene Paare. In Sekundenschnelle überträgt sich ihre Span-nung, Aussichtslosigkeit oder Verwirrung auf das Gegenüber. Das Paar zieht die Beratungsperson in seine Gefühle mit hin-ein, oder es überschwemmt sie mit seinen Eindrücken. Will die Beratungsperson handlungsfähig bleiben, so muss sie dafür sorgen, die Übersicht zu behalten. Sie muss also einen Schritt zurück tun, aus dem emotionalen Feld des Paares heraustre-ten, um wieder gegenüber sein und verstehen zu können.

Hilfreich ist hier eine Grundregel der Kommunikation, die auf Berater angewandt folgendermaßen lautet:

Was meint ein Paar, wenn es mitteilt: »Wir müssen uns tren-nen“ ? Das genau ist die Frage, die es herauszufinden gilt. Da-zu braucht es als ersten Schritt der Beratung eine ausführliche und ruhige Problemerkundung. Zwar kommt das Paar, das in der Regel am Ende eines langen und schmerzlichen Weges der Auseinander-Entwicklung steht, mit einem eigenen Vorschlag zur Lösung des Problems, nämlich dem Entschluss: Wir müs-sen uns trennen. Die Beraterin oder der Berater dagegen steht erst am Anfang eines Prozesses. Sie wird Lösungsvorschläge des Paares nicht unbesehen übernehmen. Denn:

Aufgabe der Paarberatung ist es, gemeinsam mit dem Paar zu überprüfen, ob die Problemlösungen des Paares

die Probleme des Paares wirklich angemessen lösen.

Dies ist der — meist unausgesprochene Auftrag des Paares an Beraterin oder Berater. Denn hätte das Paar keinerlei Zweifel an der eigenen Problemlösung, so wäre es in den meisten Fäl-len gar nicht zur Beratung gekommen.

Ist Auseinandergehen tatsächlich die angemessene bzw. einzig denkbare Lösung, der Unerträglichkeit des Konflikts mit dem Partner zu entkommen? Die Betroffenen — oder zumindest ei-ner von ihnen — denken es oft. Nur liegt hier in sehr vielen Fällen eine Verwechslung vor:

Das allerdings sind zwei sehr unterschiedliche Dinge. Und als Folge dieses Missverständnisses trennen sich viele Paare zu früh.

Die geschilderte Verwechslung ist zunächst einmal ohne gro-ße Mühe nachzuvollziehen. Haben sich die Partner früher, als

sie sich kennen lernten, nicht genau das gegeben, was sie jetzt ohne Erfolg voneinander einfordern oder einklagen? Damals war mein Partner doch liebevoll und zärtlich mit mir, hat mit mir geredet und hat mir zugehört – und es bereitete ihm of-fensichtlich keine Mühe. Einst war er die Quelle meines Glücks – jetzt ist er die Quelle allen Unglücks. Da drängt sich der Schluss auf: Schluss damit. Ich muss mich trennen, wenn ich wieder glücklich werden oder zumindest den gegenwärtigen unerträglichen Zustand beenden will.

Das Bergmodell – die drei Phasen des TrennungsprozessesWie getrennt ist das Paar wirklich? in welchem Stadium des Prozesses von Trennung oder Auflösung befindet sich die Paarbeziehung? Diese Frage wird die Beraterin oder den Be-rater in der Eröffnungsphase einer „Trennungs-Beratung be-schäftigen. Angesichts einer Fülle von Fakten, heftiger Gefüh-le und enormem Druck gilt es, Ruhe und Überblick zu bewah-ren. Ein Drei-Phasen-Modell, das Bergmodell, hat sich in der Praxis bewährt. Es vermittelt Orientierung und gibt zugleich Hinweise, welches beraterische Vorgehen in welcher Phase vorteilhaft oder kontraindiziert ist.

Phase 1: Trennendes steht zwischen den Partnern. Das Paar durchlebt eine Krise.Die Beziehung ist gekennzeichnet von Enttäuschung, Unzu-friedenheit und Entfremdung. Es ist etwas abgestorben zwi-schen den Partnern. Im Grunde jedoch wollen beide an ihrer Partnerschaft festhalten.

Phase 2: Die Entscheidung über eine Trennung ist offen. Das Paar ist hochambivalentDas Paar setzt sich ausdrücklich mit der Frage auseinander, ob es beisammen bleiben oder auseinandergehen will. Es ist im Augenblick (und dieser Augenblick kann lange währen oder sogar Dauerzustand sein) nicht in der Lage, sich in die eine oder andere Richtung zu entscheiden.

Phase 3: Die Entscheidung über eine Trennung ist getroffen.

Die Partner - meist einer deutlicher als der andere - haben sich zur Trennung entschlossen. Sie sind dabei, sich emotional voneinander zu lösen und auch die praktischen Folgen ihres Entschlusses zu regeln.

An die genannten drei Phasen können sich natürlich weitere

Berater sollen verstehen, was die Klienten meinen, nicht nur was sie sagen

Paare, die von Trennung sprechen, verwechseln oft: Trennung vom Partner mit: Trennung von einem

unerträglichen Zustand.

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Stadien anschließen. Eine vierte Phase könnte sein: Die Tren-nung ist vollzogen. Trotz vollzogener Scheidung oder Tren-nung tauchen Probleme auf, meist im Zusammenhang mit Fra-gen des Unterhalts sowie der Versorgung der Kinder und ihres Zugangs zu beiden Eltern, und diese Fragen bedürfen einer Bekräftigung oder Neuregelung. Die verschiedenen Familien-mitglieder befinden sich hier allerdings in der Regel bereits in einem Prozess der Stabilisierung, der in Übergangsfamilien oder neu zusammengesetzten Zweiten Familien (auch „Stierfa-milien, „Patchwork“familien genannt) einen vorübergehenden oder dauerhaften Abschluss finden kann. Damit ist ein neues Thema eröffnet, das aus Gründen der Übersichtlichkeit an die-ser Stelle nicht weiter dargestellt werden soll.

Ziele und beraterisches Vorgehen in den drei PhasenFür jede der drei Phasen des Bergmodells ergeben sich spezifi-sche beraterische Ziele.

Ziele der 1. Phase könnten sein: Den Paarkonflikt bearbei-ten, Enttäuschungen, Verletzungen usw. aufarbeiten, das Ver-ständnis der Partner füreinander verbessern, die Kommunika-tion zwischen den Partner intensivieren.

Ziele der 2. Phase könnten sein: Lernen, Trennendes auszu-halten und auf angemessene Weise auszusprechen, Verbinden-des zu finden, die Konsequenzen eines Entschlusses abwägen und zu einer Entscheidung gelangen - oder Gewinn und Kos-ten eines Zustandes andauernder Entscheidungslosigkeit ver-deutlichen.

Ziele der 3. Phase könnten sein: Auf menschenwürdige Wei-se auseinander kommen: Die innere und äußere Trennung und Ablösung voneinander verkraften und vollziehen, sowie fai-re Regelungen aushandeln und Absprachen für die Zukunft treffen.

Die unterschiedlichen und zum Teil gegensätzlichen Zielset-zungen der drei Phasen erfordern spezifische beraterische Vorgehensweisen für jede Phase.

Für die 1. Phase sind grundsätzlich kommunikationsintensi-vierende Gesprächstechniken (wie Zuhören lernen, kontrol-lierter Dialog, Unterschiede aushalten und Aushandeln lernen) angezeigt. Wird in diesem Stadium auf Ablösung hin gearbei-tet, wird die für den Fall einer Trennung notwendige indivi-duelle Entwicklung der Partner in den Vordergrund gestellt, so wird das Paar mit hoher Wahrscheinlichkeit um die Chance gebracht, sich neu zu verstehen und einen Schritt in Richtung auf eine Neugestaltung und Weiterentwicklung der Partner-schaft zu tun.

Befindet sich das Paar hingegen in der 3. Phase, so sind kom-munikationsintensivierende Vorgehensweisen kontraindiziert.

Denn sie verstärken mit hoher Wahrscheinlichkeit die negati-ven Gefühle und den Streit des Paares. Dadurch wird dem Paar die Chance genommen, einigermaßen würdig auseinander zu gehen, über das Scheitern der Beziehung zu trauern, Abschied von einander zu nehmen und einen Blick in die Zukunft zu werfen.

Legt man sich in Phase 2 einseitig darauf fest, dem Paar ent-weder zu intensiverer Kommunikation oder zu einem guten Auseinandergehen verhelfen zu wollen, so wie es in Phase 1 oder 3 vielleicht angemessen ist, so wird das Paar den Berater (Der Ausdruck Berater wird im Folgenden für Personen beider-lei Geschlechts benutzt.) - und sich selbst - immer wieder mit Gegenreaktionen oder Rückschlägen überraschen, die keiner der drei Beteiligten so recht versteht. Dadurch entgeht dem Paar die Gelegenheit, die eigenen Ambivalenzen auszuloten, in Ruhe einmal auf die eine und dann auf die andere Seite zu gehen um zu klären, ob vielleicht doch ein eindeutigeres Be-ziehungsverhalten möglich ist.

Für das praktische Vorgehen in der Beratung ist die große Fra-ge, in welcher der drei Phasen sich das Paar befindet. Das lässt sich allerdings auch nach einer ausführlichen Problemerkun-dung nicht immer eindeutig beantworten. Zum einen fördert auch das genaueste Hinhören oder Nachfragen in der Eröff-nungsphase der Beratung nicht all das zu Tage, was jeden der Partner vielleicht schon seit langem bewegt oder bedrückt. Zum anderen kann sich die Einstellung des Paares bzw. der Partner im Verlauf der Beratungsgespräche auch verändern, und zwar in beiderlei Richtung. So ist der Berater gut beraten, sich innerlich nie vollständig festzulegen, selbst wenn er sich seiner Einschätzung ziemlich sicher ist.

Ausdruck dieser Behutsamkeit sind Formulierungen wie z.B.: »Ich weiß nicht, in welche Richtung Ihr Weg geht, ob Sie wie-der zusammenfinden oder ob Sie sich trennen werden. In je-dem der beiden Fälle wird es eine Reihe von Dingen geben, über die Sie in Ruhe miteinander sprechen sollten.“ Eine Be-rateräußerung wie die vorgeschlagene nimmt den Beratungs-anlass („Wir müssen uns trennen“) ernst, ernster vielleicht als das Paar selbst. Sie signalisiert außerdem, dass der Berater das Ergebnis der Beratung noch nicht kennt. Sinn der Beratung ist es also, eine für das Paar lebenswichtige Entscheidung in Ruhe zu prüfen. Auf die Partner kommt Arbeit zu. Schließlich schützen die obigen Sätze die Berater vor eigenen mehr oder weniger bewussten Tendenzen, das Paar in die eine oder ande-re Richtung zu bringen. Das wiederum bewirkt, dass der Bera-tende freier und offener ist, denn die Entscheidung des Paares ist ja tatsächlich offen.

Im Folgenden werden zu jeder der drei Trennungsphasen zehn Stichpunkte genannt, auf die es sich beim beraterischen Vor-gehen besonders zu achten lohnt.

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Zehn praktische Hinweise zu Trennungsphase 1(Trennendes steht zwischen den Partnern)1. Klären: Wovon will das Paar sich trennen? Unterscheiden zwischen:

• Trennung von einem unerträglichen Zustand und • Trennung vom Partner

Paare, die in dieser ersten Phase mit dem Thema Trennung in die Beratung kommen, haben oft den Wunsch zusammen zu bleiben. Sie befinden sich im Grunde noch innerhalb der ge-meinsamen Beziehung:

Sie sind allerdings von ihren Gefühlen so überwältigt, dass sie nicht wissen, wie sie die Krise gemeinsam bewältigen kön-nen. Die Unterscheidung zwischen: Trennung von einem un-erträglichen Zustand und: Trennung vom Partner erweist sich hier in der Regel als hilfreich. Dem Paar wird eine Perspek-tive angeboten, die ihm gestattet, seine Situation aus einem gewissen Abstand heraus zu betrachten. Ihm wird ein Unter-scheidungsmuster vermittelt, das ihm erlaubt, seine Situation selbstständig einzuschätzen und noch einmal zu überprüfen: Sind wir wirklich schon soweit? Diese Überprüfung verändert den Blickwinkel: weg vom Partner und seinem Verhalten, hin zu einer gemeinsamen Perspektive: Wie steht es um unsere Beziehung? Die Aufforderung an die Partner, sich einen Über-blick über ihre Lage zu verschaffen, ermöglicht es, zumindest vorübergehend erwachsene oder Ich-Anteile des Bewusstseins zu mobilisieren.

Die Gefühle, die zwischen den Partnern stehen, werden nicht beiseite geschoben — wie das in den Auseinandersetzungen, die die Partner sich zuvor geliefert haben, meist geschehen ist. Das Empfinden „Uns trennt etwas‘ wird zugelassen und angeschaut. Eindrücke, die das Paar zu Hause nicht so rich-tig auszudrücken vermochte, können in der Beratung in Worte gefasst und dadurch handhabbarer werden. Im Gespräch tritt dabei meist beim Paar, und auch bei jedem der Partner, ein Gefühlswiderspruch, eine Ambivalenz, zu Tage: Ist das Tren-nende ausgesprochen, so kommt häufig auch die andere Seite, die noch bestehende Verbindung zwischen den Partnern, zum Vorschein.

Zugleich nimmt der Berater das Thema Trennung ernst, mög-licherweise ernster als das Paar. Trennungsandeutungen, Äußerungen wie „Dann trenne ich mich eben von dir‘, eher als Ausdruck von Ärger oder als Drohung gemeint, werden ernsthaft befragt. Der Berater spricht beides, Zusammenblei-ben oder Sich-Trennen, als realistische Möglichkeiten an (vgl. oben). Dadurch wird das Paar mit dem Ernst der Situation

konfrontiert und herausgefordert, sich der Frage zu stellen:Wie ernst ist die Lage wirklich? Können wir uns noch einmal eine Chance geben und was würde das kosten? Was würde an-dererseits eine Trennung für jeden bedeuten?

Genaues Nachfragen verhilft dem Paar dazu, genauer hinzu-sehen, auszudrücken, was jeder Partner wirklich meint, Am-bivalenzen zu benennen, Verwechslungen auszuschließen und unterscheiden zu lernen.

2. Mit dem Gedanken an Trennung teilt das Paar etwas äußerst Wichtiges, etwas Existentielles mit.

Trennungsgedanken sind von existentieller Bedeutung für die Beziehung bzw. die Familie. Zugespitzt kann man Trennung als Suizid der Paarbeziehung bezeichnen. Trennung macht Angst. Das Gefühl grundlegender Bedrohung und Infragestel-lung kann zu Kurzschlussreaktionen führen. Wie bei Selbst-tötungsandeutungen wird die Beratungsperson daher auch beim Thema Trennung hellwach reagieren. Stehen Trennungs-absichten unausgesprochen im Raum, wird der Berater von sich aus das Unausgesprochene ansprechen: „Haben Sie schon einmal an Trennung gedacht?“ Die Frage geht stets an beide. Weicht der dem Thema Trennung aus, etwa indem er es nicht anspricht, so reagiert er im Erleben des Paares möglicherwei-se genauso wie der Partner, der vom Ernst der Situation nichts hören will. Der andere glaubt dann vielleicht, zu noch drama-tischeren Mitteln greifen, noch „einen drauflegen“ zu müssen.

Paare, die offen von Trennung sprechen, sind offene Paare. Nur kann der Partner häufig soviel Offenheit nicht ertragen. Die Hoffnung an die Beratung ist dann: Werde ich wenigstens hier in der Beratung verstanden?

3. In der Beratung wird genau erkundet, was alles an Tren-nendem zwischen den Partnern steht, in welchen Bereichen Trennendes erscheint.

Nach meiner Erfahrung sind Paare, die gemeinsam zur Be-ratung kommen, in ihrer Trennungsentwicklung häufig noch nicht soweit fortgeschritten, wie es zunächst scheinen mag. Zugleich gilt: Es steht mehr Trennendes zwischen den Part-nern, als es den Anschein hat. Zwischen diesen beiden Polen, die sich nicht unbedingt widersprechen, bewegt sich die Er-kundung dessen, was das Paar trennt.

Aufgabe der Beratung ist es, Problemdefinitionen der Klienten nicht unbesehen zu übernehmen, sondern sie, gemeinsam mit den Klienten,

noch einmal genau zu überprüfen.

Genaues Nachfragen nach dem, was zwischen den Partnern steht, entlastet das Paar.

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Der Berater flieht nicht vor der Fülle der Schuldzuweisungen, Missverständnisse usw. Dadurch kann das Paar endlich ein-mal loswerden, was es belastet. Genaues und verständnisvol-les Nachfragen führt dazu, dass hinter aufgestautem Frust und Ärger Bedürfnisse, und das heißt: gegenseitige Erwartun-gen und Wünsche, sichtbar werden. Mögliche Gemeinsamkeit zeichnet sich ab.

Der Berater wird sich für die Bestandsaufnahme des Trennen-den viel Zeit nehmen und sie so lange fortführen, bis ein ge-naues Bild der Situation des Paares entstanden ist. Das lang-same Vorgehen vermittelt dem Paar: Man kann sich auch Schmerzliches in aller Ruhe anschauen.

4. Negative Gefühle müssen rein in die Beratung, nicht raus aus der Beratung.

Unangenehme Gefühle und extreme Spannungen sind schwer auszuhalten. Das gilt für das Paar Es versucht sie zu vermei-den; oder die Partner schieben sich gegenseitig die Schuld für die Krise zu. Das gilt aber auch für Berater. Darum weichen manche Berater vorschnell in Fragen nach positiven Berei-chen, nach der Zeit der ersten Liebe usw. aus und rechtfertigen dies als „ressourcen-orientiertes“ Vorgehen. In Wirklichkeit werden auf diese Weise später benötigte Ressourcen vertan.An dieser Stelle sei auf einen grundlegenden Unterschied in der beraterisch-therapeutischen Arbeit mit Familien und mit Paaren hingewiesen. Familien in einer Krise brauchen rasch konstruktive Lösungsansätze und eine Stärkung der Eltern-kompetenz, damit die Kinder durch ein Andauern der Krise nicht weiter Schaden nehmen. Paare dagegen wollen erst ein-mal Ärger und Frust loswerden.

Es ist eine Grundregel der Beratung:

Unangenehme Gefühle, Gegensätze, Polarisierungen brauchen Raum. Sie beanspruchen ihr Lebensrecht. Wenn wir Empfin-dungen von Wut, Enttäuschung usw. nicht den Raum geben, den sie brauchen, so nehmen sie sich ihn, mit den entspre-chenden Folgen. Daher sind negative Gefühle ausdrücklich und ausführlich Thema der Paarberatung. Nach positiven Be-reichen, Ressourcen usw. wird ja ohnehin im Rahmen der Pro-blemphase beim Erkunden des bisherigen Lösungsverhaltens sowie im Rahmen der Kontraktphase beim Verhandeln über Änderungsvorstellungen, Änderungsbereitschaft und Ar-beitsauftrag gefragt.

Gelegentlich äußert einer der Partner in dieser Phase des

Gesprächs, er oder sie habe „keine Gefühle mehr‘ für den an-deren. Kann das sein? Kann es sein, dass Partner sich einst heftig liebten, dann heftig enttäuscht wurden, danach keine Gefühle mehr haben? Was ist mit der Aussage „keine Gefühle mehr‘ gemeint? Es ist Aufgabe der Beratung das herauszufin-den. Bei genauerem Nachfragen kommt oft ein Ambivalenz-konflikt mit starken und sehr gegensätzlichen Empfindungen zum Vorschein.

5. Paare, die an Trennung denken, haben oft schon alles ih-nen Mögliche getan, um Trennung abzuwenden. Sie sind daher ratlos und zu kurz gekommen.

Paare, die mit dem Thema Trennung in die Beratung kommen, leiden in der Regel unter akutem Mangel an Verständnis, Zu-wendung und Wertschätzung. Zudem sind sie meist sehr er-schöpft, weil sie ergebnislos versucht haben, mit dem Partner die Beziehung zu klären. Sie erwarten oder ersehnen sich Ver-ständnis vom Partner, der dies jedoch nicht geben kann, weil er dieselben Erwartungen hegt. In dieser Phase des Mangels ist es daher besonders wichtig, dem Paar mit Verständnis zu begegnen und die entsprechenden beraterischen Techniken zu nutzen wie „Eindrücke zurückgeben“, „Probleme zusammen-fassen“, „Entlasten“, „Normalisieren“ usw. Gerade bei Tren-nungspaaren bewährt sich:

6. Paare, die an Trennung denken, sind sich oft viel zu na-he. Es geht also darum, Nähe und Abstand neu zu bestimmen bzw. zu erarbeiten.

Partner, die über Trennung streiten, spüren etwas Richtiges: Sie müssen sich voneinander trennen in dem Sinne, dass ge-nügend Abstand zwischen beiden entsteht, so dass wieder Raum ist, in dem jeder zu sich selbst finden kann. Sie müssen sich „auseinander - setzen“, um Eigenständigkeit und eigene Identität zurückzugewinnen. In Jahren der Partnerschaft ent-steht häufig eine Verbundenheit, die bewirken kann, dass die Luft zum Atmen knapp wird. Phasen des Streits verstärken diese Nähe, die unerträglich werden kann. Jeder ist nur noch mit dem anderen beschäftigt. Auch wenn das Paar nicht mitei-nander spricht, befindet es sich in einem heftigen inneren Dia-log mit dem anderen, bisweilen Tag und Nacht.

Partnerschaft besteht aus Zusammen-Sein und Für-sich-Sein, in einer für das jeweilige Paar angemessenen Balance. Bei zu-viel Abstand erkaltet die Beziehung, bei zuviel Nähe ersticken die Partner.

Berater arbeiten wirksam, leicht und ohne Anstrengung, wenn sie ihre Klienten da abholen, wo diese innerlich sind.

Die 5:1-Regel: Fünf mal soviel Verständnis aussprechenwie der Berater glaubt ausgedrückt zu haben.

Berater sind Vertreter seelischer Realität

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Sie fragen daher danach, wie sich das Paar Raum und Zeit auf-geteilt hat Ob die Partner genügend angenehme Zeit als Paar miteinander verbringen, ob jeder genügend Zeit für sich selber und seine Interessen hat, ob Räume und Bereiche klar abge-grenzt sind, ob Unternehmungen ohne den Partner zugestan-den oder ausgehandelt werden können, ob das Paar noch mit den Nähevorstellungen der Verliebtheitsphase lebt oder bereits den Schritt in die Phase erwachsener Partnerschaft getan hat, usw. Das Vereinbaren einer guten Balance zwischen Gemein-samkeit und Eigenständigkeit in der Beziehung, und dabei vor allem das Erarbeiten eigener Bereiche und Tätigkeiten, sind wichtige Schritte auf dem Wege zu einer Partnerschaft, die beide gut akzeptieren können.

7. Sich von Trennendem zu trennen hat auch mit Abschied und Trauer zu tun.

Jedes Paar, das in Beratung kommt, befindet sich in einer Kri-se. Für Paare, die an Trennung denken, gilt das in besonderer Weise. Krise heißt: Denk- und Verhaltensmuster, die bislang ein Zusammenleben gewährleisteten, erweisen sich als‘ unzu-reichend; neue, angemessenere Lösungsfähigkeiten indessen sind noch nicht entwickelt oder stehen nicht zur Verfügung. Das Paar hat daher eine doppelte Aufgabe vor sich: Sich von unwirksamen Lösungsmustern zu trennen (»Lösungen — im Sinne von Loslösungen - liegen in der Vergangenheit“), und zugleich andere, der neuen Situation entsprechende Lösungs-konzepte zu entwickeln und einzuüben („Lösungen liegen in der Zukunft“).

Paare bei der Entwicklung neuen Fühlens, Denkens und Han-delns zu begleiten ist eine Kernaufgabe der Paarberatung schlechthin. Wie diese Aufgabe im Einzelnen zu lösen ist, ist daher nicht Thema dieses Beitrags. Paare, bei denen Trennung im Raum steht, haben sich in besonderer Weise mit der Fra-ge auseinander zu setzen: Wovon müssen wir uns trennen = verabschieden? Das kann ein Abschied von Wünschen, Ide-alen, Illusionen, Familientraditionen, Idealvorstellungen im Blick auf Partner und Partnerschaft sein. Es kann sich um ei-nen Abschied von Erwartungen, falschen oder unrealistischen Versprechungen handeln, von Gewohnheiten, die behindern oder überfordern, von eingespielter Zweisamkeit, die sich als zu eng oder als ungenügend erwiesen hat, um ein Sich-Tren-nen von Rollen oder Aufgabenteilungen, die sich überholt ha-ben. Häufig ist auch die Trauer um Versäumtes, nicht Nach-holbares zu leisten.

Abschied nehmen und Trauern tut weh. Wer Trauerarbeit zu bewältigen hat, ist besonders angeschlagen, bedürftig, ver-letzlich und verunsichert.

Vielleicht hat aber gerade ein solches Verhalten das Paar in die Krise geführt, so dass es jetzt darum geht, sich davon tren-nen. Daher:

8. Paare in einer Krise, Paare, die sich mit Trennendem ausei-nandersetzen und Trauerarbeit leisten, sind schutzbedürftig: Sie brauchen einen Schutzraum. Die Partner müssen lernen, außerhalb der Beratung sich sowohl gegenseitig, als auch je-der sich selbst als auch ihre Kinder zu schützen.

Der Berater wird darauf achten, dass die Beratung ein ge-schützter Raum bleibt, in dem das Paar sich behutsam öffnen und sicher sein kann, dass es nicht weiter verletzt wird. Der Berater wird daher Vorwürfe und Waffen der Partner als sol-che benennen und nach den hinter Anklage und Vorwurf ste-henden Wünschen und Situationen fragen.

Darüber hinaus werden Regeln für das Miteinander zu Hau-se vereinbart, z. B.: auf Verletzungen und Vorwürfe verzich-ten; Ärger in die Beratung mitbringen; häusliche Gespräche über Konflikte entweder gar nicht zu Hause austragen (für ei-ne Übergangszeit) oder nur bei Beachtung klarer Regeln des Streit-Managments (nie länger als 20 Minuten; nie nach 21 Uhr, usw.).

Besonders wichtig ist der Schutz der Kinder. Es empfiehlt sich, mit den Eltern eine Vereinbarung zum Schutz der Kinder zu erarbeiten, die einzelnen Schritte genau durchzusprechen und zusätzlich ein Informationsblatt mitzugeben (Siehe Anhang 1).

9. Paare, die an ihrer Krise arbeiten, müssen auch etwas be-kommen bzw. Gemeinsames unternehmen, auch wenn Tren-nendes zwischen ihnen steht bzw. Unterschiede deutlich wer-den.

10. Partner, die an ihrer Krise arbeiten, müssen auch lernen für sich selbst zu sorgen.

Erwachsen sein heißt, für sich selber sorgen zu können, sich auf konstruktive Weise zu besorgen, was man zum Leben braucht, Thema der Beratung wird darum — auch während einer Trennungskrise sein: Wo kann das Paar, wo kann jeder einzeln, schon jetzt etwas für sich bekommen?

Gibt es Bereiche, die noch intakt sind, in denen die Partner sich gegenseitig etwas geben können? Können sie etwas ge-meinsam unternehmen, wieder Spaß miteinander haben, ohne dass sie über Probleme reden oder reden können? Was können sie zusammen machen, was nicht? Können sie trennen ler-nen: Außerhalb der Beratung Angenehmes miteinander un-ternehmen - Konflikte besprechen dagegen vorerst nur in der

In Krisen greifen Menschen reflexhaftauf alte, bewährte, Sicherheit gebende Muster zurück.

Beratung ist auch Prävention.

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Beratung?

Können sie wieder jeder etwas für den anderen tun? Hierher gehört das schwierige Geschäft, erwachsen miteinander ver-handeln zu lernen: Bedürfnisse, Wünsche und Vorschläge äu-ßern, ohne gleich deren Erfüllung zu erwarten; auf Wünsche des anderen eingehen; Bedingungen aushandeln und akzep-tieren; Absprachen treffen, einhalten oder neu verhandeln, wenn sie sich nicht bewährt haben.

Gegenüber den drängenden Anforderungen des Berufs- oder Familienalltags kann es notwendig sein, Rituale einzufüh-ren, die die Gemeinsamkeit, die Befriedigung gemeinsamer Bedürfnisse schützen (z.B.: an einem festen Tag pro Woche gemeinsam auswärts essen gehen, oder zu Hause bleiben, ge-meinsame sportliche oder sonstige Betätigungen). Da die Part-ner unterschiedlich sind, wird es nicht immer möglich sein etwas zu finden, was beide gleich gerne tun. So lernen sie zu verhandeln und sich entgegen zu kommen. Im Grunde geht es bei all diesen Schritten darum, dass die Partner ihren unbe-wussten Partnervertrag erneuern oder weiterentwickeln, sich also „noch einmal verheiraten“.

Es mag auch sein, dass es noch zu früh ist, wieder etwas Ge-meinsames zu unternehmen. Dann ist die Frage: Kann ich al-lein für mich sorgen, selbst wenn ich mich nach Zusammen-sein sehne? Entfremdung zwischen den Partnern ist schmerz-lich, Beratung auch anstrengend: Wo bekommt jeder Kraft und Energie her? Kann jeder etwas für sich tun — und kann dies mit dem Partner abgesprochen sein, damit es nicht als Aktion gegen den anderen missverstanden werden kann?

Für sich selber sorgen heißt schließlich auch, lernen sich an empfindlichen Stellen zu schützen. Bei welchen Themen ist Streit vorhersehbar und wie lässt er sich vermeiden? Was kön-nen wir verabreden, um in kritischen Situationen kühlen Kopf zu bewahren? Was vereinbaren wir, wenn es trotzdem kracht? Wo sind bei mir schwache oder empfindliche Stellen, für die der Partner nichts kann? Kann ich die Verantwortung für die-sen Teil meiner Persönlichkeit oder meines Verhaltens selbst übernehmen, indem ich etwa bestimmten Konflikten aus dem Wege gehe? Wenn Partner miteinander über ihre wunden Stel-len und Schattenseiten sprechen, wenn sie Bedürfnis-, Ärger- und Streitmanagement lernen, so betreiben sie einerseits Prä-vention, entwickeln jedoch zugleich auch neu die Grundlagen ihrer Beziehung.

Zehn praktische Hinweise zu Trennungsphase 2 (Die Entscheidung über eine Trennung ist offen.)Paare, die in dieser zweiten Phase mit dem Thema Trennung in die Beratung kommen, sind in der Regel hochambivalent. Oftmals reden sie schon seit langem von Trennung, ohne sich allerdings eindeutig zu entscheiden (Eigentlich wollte ich dich

ja gar nicht heiraten...“). Bisweilen hat das Paar eine Serie von Trennungen oder gar eine Scheidung hinter sich und lebt trotzdem irgendwie gemeinsam.

Für diese Paare gelten fast alle der zu Trennungsphase 1 ge-nannten methodischen Hinweise. Zusätzlich ist auf Folgendes zu achten:

1. Paarleben ist ein Wechselspiel zwischen Zusammen-Sein und Für-sich-Sein. Diese grundlegenden Polarität erscheint in dieser 2. Phase in extremer Zuspitzung.

Das Leben eines Paares ist ein ständiges Pendeln zwischen „Wir und „Ich“, zwischen Gemeinsamkeit und Unterschied-lichkeit, zwischen Sehnsucht nach Geborgenheit/Zugehörig-keit und Sehnsucht nach Selbständigkeit/Freiheit. Ohne ein Mindestmaß an Zusammensein ist das Paar kein Paar. Ohne ein Mindestmaß an Für-sich-sein-Können wird das Zusam-menleben für den Einzelnen unerträglich.

Paare in Phase 2 allerdings können weder zusammen noch al-leine sein. Sind die Partner beisammen, so halten sie es mit-einander nicht aus. Leben sie getrennt, so halten sie den Ab-stand nicht aus.

2. Auch der Spannungsbogen Veränderung — Bewahren er-scheint in dieser Phase in extremer Zuspitzung.

Paare brauchen wie alle Beziehungssysteme ein Mindestmaß an Beständigkeit, sonst lösen sie sich auf. Zugleich befinden sich Paare wie alle Menschen oder menschlichen Systeme in einem andauernden Prozess der Entwicklung und Verände-rung. Sonst erstarren sie. Die Pole Bewegung — Ruhe, Spaß an Neuem — Festhalten am Vertrauten sind andere Aspekte die-ses Spannungsfeldes. Leben spielt sich normalerweise in ei-nem Wechsel zwischen diesen Polen ab, für jedes Paar wie für jedes einzelne Individuum.

Paare in Trennungsphase 2 indessen sind so polarisiert, dass ein Verbindung zwischen den beiden Polen dieses Feldes aus-geschlossen zu sein scheint.

3. Die extremen Polarisierungen innerhalb des Paares erzeu-gen hohe Unbeweglichkeit bei hoher Spannung. Die Uner-träglichkeit dieser Spannung setzt das Paar (und bisweilen auch die Berater) unter starken Druck.

4. Die Ambivalenz der Partner äußert sich polarisiert.In seinen Aussagen gibt sich jeder Partner frei von Ambivalenz,

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weil der Partner ja den anderen Pol vertritt. Im Verhalten in-dessen ist die Ambivalenz jedes Partners zu erkennen. Partner A fordert vehement Trennung, trennt sich jedoch nicht oder kehrt nach Trennungen immer wieder zurück. Partner B for-dert Zusammenbleiben ein, tut dies in Wortwahl, Tonfall oder Körperhaltung auf eine Weise, die den Abstand zwischen dem Paar verstärkt.

5. Beraterin bzw. Berater legt sich auf keinen der Pole fest.

Sie oder er äußert dies auch gelegentlich in der Beratung („Ich weiß nicht, in welche Richtung Ihr Weg gehen wird. In beiden Fällen gibt es zwischen ihnen eine Menge zu besprechen.“) Diese Grundregel ist in dieser spannungswollen Phase beson-ders wichtig. Die Beraterin oder der Berater wird sich diesen Satz möglicherweise für sich selber von Zeit zu Zeit wiederho-len, ohne ihn auszusprechen.

6. Das methodische Vorgehen in dieser Phase muss der Be-wegung der Phase entsprechen. Die Ambivalenz gibt die Fra-gerichtungen vor.

Nach einer intensiven Problemerkundungs- und Kontrakt-phase wird die Beratung mit Paaren in Phase 2 immer wieder Schritte in zwei Richtungen unternehmen: Sie wird kommuni-kationsintensivierende Techniken einsetzen, um dem Paar zu ermöglichen, sich besser zu verstehen und noch einmal aufei-nander zuzugehen. Zugleich wird auch ernsthaft besprochen, wie Trennungsschritte für das Paar, die Partner und gegebe-nenfalls die Kinder aussehen könnten und wie sie zu realisie-ren wären.

7. Bei dem Versuch, in die eine oder andere Richtung zu gehen, sind Umschläge, Rückschläge, Gegenbewegungen typisch für diese Phase.

Der Berater muss damit rechnen, dass auf eine Gesprächspha-se oder Beratungsstunde, die Annäherung gebracht hat, eine Gegenbewegung erfolgt, bisweilen in schnellem Wechsel.

8. Zum Verständnis der Paare in dieser Phase kann die Frage hilfreich sein: Was steht hinter der Anhäufung der Proble-me des Paares?

Verbirgt sich hinter den Auseinandersetzungen, die das Paar präsentiert, ein zumindest phasenweise relativ erträgliches Paarleben? Haben wir ein eingespieltes Streit- oder Kampf-paar vor uns, das ein Mindestmaß an Kontroversen braucht, um den anderen zu spüren oder sich lebendig zu fühlen? Ver-hindern starke Ängste sich zu binden oder sich zu verlieren eine klare Entscheidung? Oder ist Trennung das einzige The-ma, das das Paar noch beisammen hält? Je nach Einschätzung werden sich unterschiedliche vertiefende Vorgehensweisen

nahe legen.

9. Man kann in dieser Phase zwei Arten von Paaren unter-scheiden: Paare im übergang von Phase 1 zu 3 und chroni-sche Ambivalenz-Paare.

10. Klare Kontraktbildung (Auftrag erfragen, Auftrag über-prüfen) ist in dieser Phase besonders wichtig, ebenso das Ein-halten von Zeitabsprachen bzw. das Beendigen der Beratung nach abgesprochener Stundenzahl.

Chronischen Ambivalenzpaaren gelingt es immer wieder, ihre Entschlusslosigkeit in die Beratung hinein zu transportieren und Ausweitungen der ursprünglichen Themen- und Zeitab-sprachen zu erreichen. Da die Beratung chronischer Ambiva-lenzpaare ohnehin mehr auf Klärung und Konfrontation als auf Veränderung abzielt, kann der Berater sich vor einer In-flation der Paardynamik durch klare Begrenzungen gut schüt-zen.

Zehn praktische Hinweise zu Trennungsphase 3(Die Entscheidung über eine Trennung ist gefallen.)In dieser Trennungsphase ist die Entscheidung getroffen: Das Paar geht auseinander. Manchmal gelangen beide Partner zu diesem Entschluss. Häufiger hat sich einer endgültig entschie-den: Ich will mich trennen. Wir tun uns nicht mehr gut. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Weil indessen die Entscheidung zum Auseinandergehen häu-fig nur von einem der Partner deutlich ausgesprochen wird, ist es Aufgabe der Beratung, diesen Entschluss mit dem Paar noch einmal zu überprüfen (vgl. Punkt 1 in Trennungsphase 1).

1. Vergewissern: Befindet sich das Paar tatsächlich in Tren-nungsphase 3?

Um dies herauszufinden kann es nützlich sein, zum Beispiel folgende Fragen zu klären:

2. Wieweit ist die Trennung gedanklich vorbereitet?

Haben die Partner über eine Trennung bzw. Scheidung mitein-ander gesprochen? Haben sie sich Gedanken gemacht, was auf den drei Ebenen von Partnerschaft (Lebensgefährten, Lieben-de, Eltern) auf sie zukommt? Haben sie bereits mit den Kindern gesprochen? Haben sie die Verwandtschaft, Freunde, Kinder-garten oder Schule usw. von ihrer Absicht in Kenntnis gesetzt? Haben sie sich schon nach einer neuen Wohnung umgeschaut?

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3. Wieweit ist die Trennung äußerlich vollzogen?

Leben die Partner bereits getrennt? Handelt es sich dabei um eine Übergangs- oder eine dauerhafte Lösung? Hatten sie Kon-takt zu Anwälten, zu Mediation? Haben sie ihre finanziellen Verpflichtungen geregelt, Konten, Versicherungen usw. ge-trennt, zumindest vorläufige Absprachen über Wohnort und Betreuung der Kinder, Zugang zu den Kindern usw. getroffen? Haben sie sich die Schlüssel der gegenseitigen Wohnung zu-rückgegeben?

Ein Blick auf das Verhalten des Paares gibt nicht selten Auf-schluss darüber, an welcher Stelle des Trennungsprozesses sich das Paar befindet.

4. Was kann das Auseinandergehen des Paares erleichtern?

Wenn Paare zur Trennung entschlossen sind, kann Beratung dabei behilflich zu sein,

• dass die Partner, ihre Kinder, ihre Familien und ihre Umwelt die Trennungskrise möglichst unbeschädigt überstehen,

• dass realistische und faire Zwischen- oder Folgerege-lungen getroffen und in die Wege geleitet werden

• und für alle Betroffenen die Grundlagen zu einer Be-wältigung der Trennung und einer künftigen positiven Entwicklung gelegt werden.

Schritte der äußeren Trennung sind zu verwirklichen, wäh-rend die innere Trennung möglicherweise noch längst nicht begonnen hat oder gar abgeschlossen ist. Häufig ist einer der Partner zu einer inneren Trennung auch nicht bereit, während er oder sie doch schon die äußere Trennung in Angriff nehmen muss. Das Paar steht also in einer emotional höchst schwieri-gen Situation vor der Aufgabe unterscheiden zu lernen: Trotz heißer Gefühle müssen die Partner mit kühlem Kopf lebens-wichtige Dinge vernünftig regeln.

Die Beratung kann dem Paar bei dieser Unterscheidungsarbeit helfen, wenn sie selber über klare Unterscheidungskriterien verfügt. Die zu Punkt 2 genannten drei Ebenen von Partner-schaft bieten hier eine nützlich Orientierung: Als Liebespaar müssen die Partner ihre Beziehung beenden. Als Lebensge-fährten gilt es, die Beziehung abzuwickeln und, sofern Ver-pflichtungen die Partnerschaft überdauern, realistische und faire Regelungen zu finden. Die Elternebene bleibt in der Regel

ein Leben lang bestehen. Hier müssen die Partner lernen, kon-struktiv miteinander zu kooperieren.

Innere Trennung geschieht in einem längeren Prozess von Auseinandergehen, Abschiednehmen, Trauern und Einander-Loslassen. Enttäuschungen, Kränkungen, Verletzungen, Wut und Schmerz sind zu verarbeiten. In älteren Ehen haben sich oft Verletzungen und Kränkungen angesammelt, in jünge-ren Partnerschaften ist manchmal die Enttäuschung groß. Die Partner müssen sich vielleicht eingestehen, sich im Partner oder in sich selbst getäuscht zu haben. In einer Situation ex-tremen Mangels an Zuwendung ist es schwierig, den eigenen Anteil am Scheitern anzuerkennen.

Angst vor Neuem, Unwilligkeit zurückzuschauen vermischen sich. Alle diese Empfindungen stellen sich fast gleichzeitig ein, Befreiungsgefühle und Nieder¬geschlagenheit wechseln sich ab. Der Prozess des Trauerns und Sich-Wieder¬Findens braucht Zeit.

5. Vom Paar zum Einzelnen: Trennung in der Beratung (Set-ting, Kontrakte).

Das Paar kommt aus einer Periode des Zusammenlebens, in der es angemessen war, Konflikte und Probleme gemeinsam zu besprechen, und Gefühle, die mit dem Partner zu tun haben, auszusprechen.

Genau dies geht aber jetzt nicht mehr: Die Partner müssen sich voneinander lösen. Sie müssen wieder ein Stück erwach-sen werden in dem Sinne, dass jeder lernt, für sich allein zu sorgen und zu leben. Was in der jugendlichen Ablösungsphase im Blick auf die Eltern galt, sich nämlich auch im inneren Ge-spräch nicht immer wieder an die Eltern zu wenden und sie für eigenes Befinden verantwortlich zu machen, das gilt jetzt für die Ablösung vom Partner. Jeder muss lernen, mit seinen Ge-fühlen und Problemen alleine klar zu kommen, Schmerz, Wut und Trauer alleine, ohne den anderen, zu verarbeiten.

Daher macht eine lange Serie gemeinsamer Beratungsstun-den in dieser Trennungsphase wenig Sinn. Sie widerspricht sogar dem Beratungsziel. Ich empfehle beschränkt erneuerba-re Vereinbarungen mit klaren inhaltlichen Kontrakten: Ver-arbeitung der inneren Lösung der Partner voneinander, Erar-beitung der äußern Trennung, Vermittlung von Informationen und Prävention. Es ist günstig, wenn die Anzahl der verein-barten Stunden durch die Zahl 2 teilbar ist: Es ist nicht im-mer zu verhindern, dass einer der Partner in der einen Stunde mehr Raum einnimmt als der andere.

6. Der Wunsch mancher Paare, „die Vergangenheit aufzuar-beiten“ bzw. „die Trennung zu verstehen“.

in der Phase der Trennung leben viele Paare in einerUngleichzeitigkeit von Gefühlen und Verhalten.

Das Paar bzw. die Familie hat sowohl eine innere als auch eine äußere Trennung zu vollziehen und zu verkraften.

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Kommen Paare in die Beratung mit dem Wunsch, »ihre Ver-gangenheit aufzuarbei¬ten“, so ist genau zu fragen, wozu das gut sein soll. Denn die gemeinsame Bewäl¬tigung der Ver-gangenheit ist eigentlich nur im Blick auf eine gemeinsame Zukunft sinnvoll. Häufig liegt dem Anliegen „Vergangenheit aufarbeiten“ der verdeckte

Wunsch zu Grunde, die anstehenden Schritte des Sich-vonei-nander-Lösens hinauszuschieben.

Anders ist die Situation, wenn der eine Partner zwar mitbe-kommen hat, dass eine Trennung unvermeidlich ist, jedoch überhaupt noch nicht verstanden hat warum. Da kann es hilf-reich sein, sich ein, zwei Stunden Zeit zu nehmen, damit der Betreffende die Gründe für diesen folgenreichen Entschluss wenigstens einmal — oder noch einmal - hört.

7. Die Schritte des Auseinandergehens und die Zeit nach der Trennung in Gedanken und mit konkreten Absprachen vor-bereiten.

Als Vertreter von Realität werden Berater gemeinsam mit dem Paar überprüfen, welche Schritte der äußeren Trennung be-reits getan bzw. welche (evtl. unter Hinzuziehung von Famili-en- oder Gütermediation) noch zu tun sind; was notwendig ist, um eine innere Trennung zu erleichtern, welche Informatio-nen und Hinweise die Partner noch brauchen (vgl. oben Punkt 4). Darüber hinaus ist es sinnvoll, auch die Phase des Ausei-nandergehens und der Scheidung ganz konkret vorzubespre-chen: Z. B.: Wie lange kann Partner A seine Sachen noch in der bisher gemeinsamen Wohnung lassen? Wann genau wird er sie abholen? Wo wird Partner B zu diesem Zeitpunkt sein? Wie will sich Partner B auf den „Schock des leeren Zimmers“ vorbereiten? — Wie wollen die Partner ihre Scheidung, den Abschied voneinander gestalten? Werden die Kinder oder Ju-gendlichen beteiligt sein? (Es wird ja nicht nur die Partner-schaft, sondern auch die Familie geschieden.) Wollen die Part-ner sich schützen, in dem sie zu diesem Anlass je eine Vertrau-ensperson mitbringen? Wollen sie ein Trennungsritual, evtl. ein kirchliches Ritual vornehmen lassen? —Wie soll der Kon-takt zu bisher gemeinsamen Freunden, zu den Herkunftsfa-milien aussehen? Wie wollen sie sich angesichts von Festen, Geburtstagen, Familientraditionen der Herkunftsfamilien, der eigenen Familie in Zukunft verhalten? Wie wollen sie Freunde und Bekannte informieren — gemeinsam, allein?

Der künftige Umgang mit den Kindern ist ein besonders wich-tiges Feld der gedanklichen Vorbereitung. In der Zeit vor, während und nach einer Trennung / Scheidung ist das Paar meist sehr mit sich selbst beschäftigt. Es verliert die Kinder bzw. Jugendlichen leicht aus dem Blick, Hier sind Informati-onen zu geben.

Vor allem jedoch müssen sich die Partner auf eine neue Eltern-rolle und eine andere Form der Zusammenarbeit vorbereiten. Sie müssen lernen, Partner- und Elternebene klar zu unter-scheiden: Als Partner brauchen sie vielleicht noch etliche Zeit, bis sie sich wieder freundlich anschauen können. Im Interesse der Kinder müssen sie als Eltern jedoch ab sofort konstruktiv miteinander kooperieren.

Hier hat sich nach der Frage: „Wollen Sie Ihrem Kind scha-den?“ der Hinweis bewährt: „Dann werden sie nichts gegen die Mutter / den Vater Ihres Kindes unternehmen.“ Die meisten Eltern haben selber ein Interesse, die Kinder vor dem Partner-konflikt zu bewahren. Wie das konkret aussieht, lässt sich mit dem Paar etwa anhand eines Flugblattes besprechen, das jeder Elternteil in die Hand bekommt. Klare Informationen helfen Schuldgefühle zu bearbeiten und zu mindern.

8. Trennungsberatung mit den Partnern einzeln

Die seelische Verarbeitung von Trennung und Scheidung ist in der Regel ein längerer Prozess. Sie zu begleiten ist Aufgabe der Beratung. Was ist zu tun, wenn ein Partner - oder beide - wei-ter Einzelberatung bei der Beratungsperson haben wollen, die bisher die Paargespräche geführt hat?

Die Möglichkeit, mit beiden Partnern einzeln weiter zu ma-chen, ist auszuschließen, weil auf diese Weise das Paar in der Person des Beraters zusammenbleibt statt sich zu trennen. Am günstigsten ist es, wenn die Nacharbeit von anderen Beratern übernommen wird. Das Paar kann dann auch später noch ein-mal zu seinem Paarberater zurückkommen, wenn es ein ge-meinsames Anliegen zu klären gilt. Nur wenn solche künf-tigen Paargespräche völlig unwahrscheinlich sind, sollte der Paarberater mit einem Einzelnen weiter arbeiten.

Die Anfrage nach weiterer Beratung wird vor allem dann an den Paarberater gerichtet, wenn die Polarisierung innerhalb des Paares zu einer Ungleichzeitigkeit der Partner geführt hat: Der eine hat sich innerlich schon lange mit der Trennung be-schäftigt, der andere hat sich dieser Option bisher verweigert und ist dementsprechend unvorbereitet. Gerade auch in einem solchen Fall sollten die obigen Setting-Regeln beachtet wer-den.

9. Die Verarbeitung von Trennung und Trauer braucht Zeit.

Trennung und Scheidung sind mit unangenehmen Gefüh-len verbunden. Da ist es verständlich, dass die Partner diese Gefühle schnell hinter sich lassen wollen. Aufgabe der Bera-tung ist es darüber zu informieren, dass ein Trauerprozess Zeit braucht und dass er nicht gradlinig verläuft

In der Phase nach der Trennung leben viele Menschen in einer

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Gleichzeitigkeit widersprüchlicher Gefühle.

Hochs und Tiefs, „Löcher‘, Phasen der Leere und der Erleich-terung lösen einander ab, oft innerhalb kürzester Zeit. Rück-schläge und Stimmungsumschwünge treten auf, die der Be-treffende nicht versteht, — und das ist normal.

Gerade Partner, die sich schon länger mit Trennungsgedanken trugen oder die die Trennung eher aktiv voran getrieben ha-ben, sind nicht vor Stimmungswechseln geschützt. Vielleicht hatte bisher der Partner das Trauern übernommen. Nun muss es von der betreffenden Person selber geleistet werden.

Männer sind in der Phase nach Trennung oder Scheidung be-sonders gefährdet. Sie leben häufig nach dem Motto: „Ich löse meine Probleme durch Tun, ich löse meine Probleme allein.“ Daher sind sie wenig geübt sich Hilfe zu holen. Zudem können sie im Allgemeinen Ohnmacht nicht gut ertragen. So kommt es, dass bei Männern die Suizidhäufigkeit nach dem Scheitern der Partnerschaft höher ist als während der Partnerschaft. Bei Frauen ist das umgekehrt. Männer müssen darum lernen, die Krise nicht alleine bewältigen zu wollen, sich nicht zurückzu-ziehen, sondern sich im Gegenteil gerade in dieser Situation regelmäßige Kontakte zu schaffen und gegebenenfalls Hilfe in Anspruch zu nehmen.

10. Hilfen, Scheidungsfolgenregelung als Prozess und Selbstschutz.

Die Ratsuchenden sollten daher erfahren, an wen genau sie sich mit weiteren Beratungsanliegen wenden können. Für Not-fälle sollten sie die Nummer der Telefonseelsorge o.ä. erhal-ten. Sie sollten auch wissen, dass Vereinbarungen zunächst auf Probe getroffen werden und in der Folge regelmäßig über-prüft und evt. neu gefasst werden müssen. Alles was mit den Kindern zu tun hat, lässt sich nicht ein für allemal regeln, sondern bedarf stets neuer Verhandlungen (etwa als Mediati-on oder unter Einbezug von Mediation). Auch hierzu muss das Paar Namen und Adressen kennen. Schließlich sollte mit den Ratsuchenden besprochen werden, wie sie in dieser Zeit emo-tionaler Belastung gut für sich selber sorgen und sich schüt-zen können.

Trennungsreife und BeratungspersonOb Beratungen zum Thema Trennung und Neubeginn aller-dings so offen verlaufen, wie das für die Ratsuchenden wün-schenswert ist, hängt auch davon ab, wie Beraterin oder Be-rater selber mit dem Thema Trennung umgeht und welche Er-fahrungen sie oder er mitbringt. Es ist daher notwendig, sich selbst und die eigene Tendenzen einigermaßen gut zu ken-nen. Bin ich jemand, der - vielleicht ohne es zu wollen - Leute eher in Richtung Trennung drängt? Oder in Richtung Zusam-menbleiben? Wie sind meine persönlichen Erfahrungen mit

Partnerschaft, mit Trennung von Partnern?

Die Einstellung den Ratsuchenden gegenüber hängt schließ-lich damit zusammen, wie klar sich die Beratungsperson darü-ber ist, was ihre Verantwortung als Beraterin oder Berater ist, wie gut sie selber zwischen sich und den Ratsuchenden tren-nen kann (im Sinne von unterscheiden). Fühle ich mich ver-antwortlich dafür, dass es den Ratsuchenden in der einen oder anderen Richtung bei mir gut geht? Kann ich mich darauf be-schränken dafür zu sorgen, dass das Paar eine möglichst kom-petente Begleitung bei der Suche nach eigenen Entscheidun-gen erfährt? Kann ich die Ratsuchenden ihren eigenen Weg gehen lassen, auch wenn ich ihn für falsch halten sollte oder den Eindruck habe, er werde unnötig viel Schmerzen bereiten? Kann ich ihnen zugestehen - was ohnehin Realität ist -, dass sie selber ihr Leben führen?

Martin Koschorke ist Eheberater, Familientherapeut und Su-pervisor und arbeitet als Dozent für Beratung, Soziologie und Sozialethik am Evangelischen Zentralinstitut für Familienbe-ratung in Berlin.

Dieser Text wurde veröffentlicht in „Kleine Texte aus dem evan-gelischen Zentralinstitut für Familienberatung“, Nr. 45 April 2004, 10 Auflage. Wir danken für die freundliche Genehmi-gung des EZI.

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Duss-von Werdt, Josef 1 Mähler, Gisela /Mähler, Hans-Georg: Mediation, die andere Scheidung: ein interdisziplinärer Überblick. Stuttgart (Klett-Cotta) 1995

Figdor, Helmuth: Scheidungskinder, Wege der Hilfe. Gießen (Psychosozial¬Verlag) 1997

Holzheuer, K. / Lederle, 0. 1 Rossberger, H.: Erfahrungen zur Trennungs- und Scheidungsberatung: Was unterschei-det Trennungs- und Scheidungsberatung von herkömmli-cher Beratung? in: Jahrbuch für Erziehungsberatung, Bd. 1, hrsg. von der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung, Weinheim/München (Juventa) 1994, S. 131 146

Jaede, Wolfgang: Trennungs- und Scheidungsberatung in Er-ziehungsberatungsstellen unter besonderer Berücksichti-gung kindlicher Entwicklungskriterien, in: Praxis der Kin-derpsychologie und Kinderpsychiatrie 42,1993, H. 2, S. 42-48

Menne, Klaus / Schilling, Herbert / Weber, Matthias (Hrsg.): Kinder im Scheidungskonflikt: Beratung von Kindern und Eltern bei Trennung und Scheidung. Weinheim/München (Juventa) 1993

Schilling, Herbert (Hrsg.): Wege aus dem Konflikt - von The-rapie bis Mediation: professionelle Unterstützung von Kin-dern und Eltern bei Trennung und Scheidung. Mainz (Mat-thias-Grünewald-Verlag) 1990

Textor, Martin R.: Scheidungszyklus und Scheidungsberatung: ein Handbuch. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 1991

Witte, Erich H.1 Sibbert, Jan 1 Kesten, 1.: Trennungs- und Scheidungsberatung: Grundlagen, Konzepte, Angebote. Göttingen (Verlag für Angewandte Psychologie) 1992