marx21 Magazin Nr. 31 / Preview

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ÖSTERREICH 4,70 EURO SCHWEIZ 7,50 CHF 21 marx MAGAZIN FÜR INTERNATIONALEN SOZIALISMUS 03/2013 | JULI / AUGUST / SEPTEMBER 4,50 EURO | WWW.MARX21.DE Illan Pappe stellt seine Vision für einen Frieden in Nahost vor Bodo Ramelow über den NSU & die tödlichen Manöver der Geheimdienste Kate Davison fragt: Wie links ist Femen? 21.de marx Warum das Kreuzchen wenig zählt, wir aber trotzdem DIE LINKE wählen sollten. WIE EGAL IST DIE WAHL? Euro-Debatte Raus aus der Gemeinschaftswährung? Türkei Anatomie einer neuen Bewegung H&M Aushilfen im Arbeitskampf Richard Wagner Zwischen Revolution und Antisemitismus Schulstart Inklusion als verstecktes Sparpaket? Radikale Denker Antonio Gramsci – Eine Einführung

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21marxMagazin für internationalen SozialiSMuS

03/2013 | JuLI / August / september 4,50 eurO | www.mArx21.de

illan Pappestellt seine Vision für

einen Frieden in Nahost vorBodo ramelow

über den NSU & die tödlichen Manöver der Geheimdienste

Kate Davisonfragt: Wie links

ist Femen?

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Warum das Kreuzchen wenig zählt, wir

aber trotzdem DIE LINKE wählen sollten.

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DIE WAHL?

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FRAnkREIchSeit Monaten hetzt die französische Rechte ge-gen Homosexuelle. Ihre weit ins konservative Mi-lieu ausgreifende Kampa-gne gegen die gleichge-schlechtliche Ehe brachte Hunderttausende auf die Straße. Zunehmend übernahmen gewaltbe-reite rechtsradikale und katholisch-nationalisti-sche Gruppen die Regie. Mehrfach kam es zu hef-tigen Ausschreitungen. Überhaupt werden Ho-mosexuelle in Frankreich so offen wie schon lange nicht mehr beschimpft und attackiert. Doch gleichzeitig wächst auch der Widerstand gegen Homophobie. Wie hier Ende Januar in Paris, kam es in den vergangenen Wochen immer wieder im ganzen Land zu zahl-reichen Großdemonstrati-onen für die »Ehe für alle« und für das Recht auf Adoption von Kindern. »Wir bitten um nichts – wir fordern die Gleichstel-lung«, lautete eine der Pa-rolen, unter der die bunte Demo mit über 150.000 Menschen über den Place de la Bastille zog.

Liebe Leserinnen und Leser,

RedaktionsadresseRedaktion marx21, PF 44 03 46, 12003 Berlin030 / 89 56 25 [email protected]/marx21.de

Seitdem marx21 auch am Kiosk erhältlich ist, erreichen uns immer wieder schöne kleine Kennenlerngeschichten, zuletzt von einer Leserin aus Bonn. Beim Durchblättern unseres Heftes entdeckte sie die Werbung für den Kon-gress »MARX IS‘ MUSS«. Dort war unter anderem der britische Marxist Alex

Callinicos als Referent angekündigt. Von dem hatte sie gerade eben im Türkeiur-laub ein Buch gelesen, das ihr gut gefallen hatte. Deshalb kam sie nach Berlin zum Kongress, fand auch ihn überzeugend und wurde schließlich Unterstützerin unseres Netzwerks.

Stichwort »MARX IS‘ MUSS«: Es war eine durchweg gelungene Veranstaltung, das Feedback der über 500 Besucher überwiegend positiv. Ein Highlight zu Beginn stellte der Vortrag von Bodo Ramelow zum NSU-Skandal dar. Wir fanden ihn jedenfalls so gut, dass wir Bodo gleich im Anschluss dazu interviewten. Das Ergebnis könnt ihr ab Seite 16 nachlesen. Einen Bericht über den Kongress gibt es auf Seite 62.

Nach dem Kongress ist ja bekanntlich vor dem Kongress – und überhaupt können wir uns nie über zu wenig Arbeit beschweren. Daher freuen wir uns sehr, dass wir beim Erstellen dieser Ausgabe Unterstützung von einem Praktikanten hatten. Marcus Stein hat Bilder gesucht, Texte korrigiert – und seine Meinung zum Drohnen-Desaster der Bundesregierung kundgetan. Seinen Kommentar gibt es auf Seite 23.

Nicht nur Marcus bringt frischen Wind in unser kleines Büro, auch die ersten Ver-kaufszahlen unseres Kioskgangs sind nun bei uns reingeflattert. Sie sind noch nicht endgültig, doch mit großer Sicherheit können wir sagen, dass deutlich mehr als 400 Exemplare der Februar-Ausgabe über die Ladentische gegangen sind. Angesichts von etwa 900 Abonnentinnen und Abonnenten sowie 200 bis 300 Exemplaren, die norma-lerweise im Handverkauf weggehen, ist das ein ausgesprochen gutes Ergebnis – und mehr, als wir uns erhofft hatten.

Der Sommer wird heiß – zumindest politisch. Ende September steht die Bundestags-wahl an. Doch wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie längst verboten, sagt nicht nur der Volksmund. Wir sehen das auch so – und plädieren trotzdem dafür, den Weg an die Wahlurne zu gehen. Warum, könnt ihr in unserem Schwerpunkt ab Seite 24 nachlesen.

Zum Schluss noch ein kleiner Literaturtipp, falls euch dieses Heft als Sommerlektüre nicht ausreichen sollte: Kürzlich ist die neue Ausgabe unserer Theoriezeitschrift »the-orie21« zum Thema »Marxismus und Gewerkschaften« erschienen. Unter anderem schreibt darin unsere Redakteurin Carolin Hasenpusch zusammen mit Olaf Klenke über das Potenzial der weiblichen Arbeiterklasse. Wir werden nun eine längere Som-merpause einlegen, damit wir uns – nach ein paar Tagen Urlaub und Verschnaufpau-se – mit vollem Elan dem Wahlkampf widmen können. Kurz nach der Bundestags-wahl, Anfang Oktober, erscheint unsere nächste Ausgabe.

Eure Redaktion

Fragen? Anregungen? kritik? Lobhudelei?Wir freuen uns auf deine Post.

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nSU-Skandal

Wahlkampf von linksFemen: Sextremismus?

Aktuelle AnAlyse

08 euro-Debatte: Das entscheidende ist nicht die Währung Von David Meienreis

12 türkei: Revolution liegt in der luft Von Erkin Erdoğan

16 nsu: »An Pannen mag ich nicht glauben« Interview mit Bodo Ramelow

unseRe Meinung

22 Barbie Dreamhouse: Pink stinkt Kommentar von Carolin Hasenpusch

23 Drohnen-Debakel: unbemannte interessenvertretung Kommentar von Marcus Stein

TITELThEmA: WIE EgAL IST DIE WAhL?

25 gesellschaftliche gegenkräfte stärken Von Christine Buchholz

28 unsere Arena ist die straße Von Bernd Riexinger

30 linke in Frankreich: »ergreift die Macht!« Von Hadrien Clouet

schWeRPunkt: 150 JaHRE SPD

33 Die Deformpartei Von Stefan Bornost

37 Willys Absturz Von Stefan Bornost

40 Agenda fatal Von Volkhard Mosler

inteRnAtiOnAles

44 syrien: Putins schüler Von Stefan Ziefle

47 Mali: Die legende vom sauberen krieg Von Christine Buchholz

48 »Wir haben den Palästinensern ihr land gestohlen« Interview mit Ilan Pappe

neu auf marx21.de

Wie geht es weiter mit den Protesten? Wir berichten.ein Blick lohnt sich: www.marx21.de

Türkei

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InhA

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82

1272Inklusion: Ein Sparpaket?

Wagner: Ersehnte götterdämmerung

Türkei: Revolution liegt in der Luft

FRAuenBeWegung

52 Femen: Der neue sextremismus Von Kate Davison

BetRieB & geWeRkschAFt

56 h&M: »Wir müssen klassenkampf neu lernen« Interview mit Jan Richter

netzWeRk MARx21

62 nachruf auf Alexandra B. cooper Von Loren Balhorn

geschichte

66 17. Juni 1953: »Akkord ist Mord« Von Bernd Gehrke

70 Antifaschist Peter edel: Der Fälscher Von Florian Osuch

schulstARt

72 inklusion: ein verstecktes sparpaket? Von Nicole Eggers und Yaak Pabst

neue seRie: RADikAle DenkeR (1)

76 Antonio gramsci Von Benjamin Opratko

klAssikeR DeR MOnAts

80 e.P. thompson: Die entstehung der englischen Arbeiterklasse Von Christoph Jünke

kultuR

82 Wagner: ersehnte götterdämmerung Von Simon Behrman und Rosemarie Nünning

RuBRiken

03 Editorial

06 Impressum

06 Betriebsversammlung

07 Leserbriefe

20 Fotofeature

42 Weltweiter Widerstand

64 Was macht das marx21-Netzwerk?

86 Review

95 Quergelesen

96 Preview

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Ihr wolltet schon immer mal wissen, wer eigentlich dieses Ma-gazin macht? An dieser Stelle präsentieren wir euch die Köpfe hinter marx21.

Man muss kein Hellseher sein, um sich vorzustellen, was im Herbst 2001 im Hause Hasenpusch los war. Carolin, damals 15 Jahre alt, wollte

auf ihre erste Demo gehen, gegen den Afgha-nistankrieg protestieren. An sich keine große Sa-che. Doch das Pikante an der Geschichte: Ihr Vater arbeitete damals im Verteidigungsministerium. Da wird das Private schnell politisch.Dass es an der Zeit war, zu rebellieren, hat Caro-lin früh gemerkt: Mit 13 aß sie kein Fleisch mehr, färbte sich die Haare lila und weigerte sich, zur Konfirmation zu gehen. Das reichte aus, um die Familie zu schockieren. Ihre politische Sozialisati-on erfolgte folgerichtig nicht über das Elternhaus, sondern zusammen mit der besten Freundin.Später, während des Studiums, beschäftigte sich Carolin mit der Frankfurter Schule. Zugleich wuchs in ihr der Wunsch, Theorie und Praxis zu-sammenzubringen. Sie wollte nicht nur linke Bü-cher lesen und auf Demonstrationen gehen, son-dern sich dauerhaft politisch organisieren. Kürzere Engagements bei Attac und in kleinen feminis-tischen Gruppen konnten sie jedoch nicht ganz überzeugen.Im Jahr 2009 hielt sie sich in Istanbul auf, um an der Planung und Durchführung eines Gegen-kongresses zum IWF- und Weltbanktreffen mit-zuwirken. Dort hörte sie dann zum ersten Mal von marx21. Türkische Sozialisten erzählten ihr von uns. Zurück in Deutschland wurde Carolin schließlich Unterstützerin des Netzwerks.So kam sie dann auch zur Redaktion. Im Jahr 2011 fragte sie uns an, ob wir Interesse an einem Ar-tikel über das Mesopotamische Sozialforum im kurdischen Diyarbakir hätten. Doch die Mail ging unter, erzählt sie. »Aber irgendwie bekam ich Wo-chen später eine E-Mail mit der Frage, ob ich Lust hätte in der Redaktion dabei zu sein.« Sie hatte Lust. Und wir sind froh, eine kompetente Rebel-lin in unseren Reihen zu wissen – auch wenn die Haare längst nicht mehr lila sind.

DAS NäCHStE MAL: PHIL ButLAND

BETRIEBSVERSAmmLUng

marx21 – magazin für internationalen Sozialismus

7. Jahrgang, Heft 31Nr. 3, Sommer 2013

ISSN 1865-2557www.marx21.de

herausgeberm21 – Verein für solidarische Perspektiven im 21.

Jahrhundert e.V.

RedaktionCarla assmann, Marcel Bois, Stefan Bornost (V.i.S.d.P.),

Martin Haller, Carolin Hasenpusch, David Jeikowski, Yaak Pabst, Marcus Stein (Praktikant)

ständige MitarbeitFrank Eßers (Umweltthemen), Win Windisch (Quergelesen)

lektoratCarla assmann, Marcel Bois, Brian Janßen, David Paenson,

Marijam Sariaslani, Manfred Schäfer, Christoph Timann

Übersetzungen David Meienreis , Rosemarie Nünning, David Paenson

layoutGeorg Frankl, Yaak Pabst, Paula Rauch

covergestaltungYaak Pabst, Carsten Schmidt

Redaktioneller BeiratMichael Bruns, Christine Buchholz, Nicole Gohlke, Stefanie

Graf, Ole Guinand, Werner Halbauer, Tim Herudek, Lisa Hofmann, Sven Kühn, Volkhard Mosler, Lucia Schnell, Dirk Spöri, Oskar Stolz, Ben Stotz, azad Tarhan, Janine Wissler,

Luigi Wolf, Hubertus Zdebel

Redaktion OnlineOle Gvynant, Jan Maas (verantw.), Paula Rauch, Marijam

Sariaslani

Aboservice-teamPhil Butland, Stefan Hanczuch, Renate Heitman, Rita Renken

DruckDruckhaus aJSp

ateities g. 10 LT-08303 Vilnius

Abonnementmarx21 erscheint fünfmal jährlich.

5 Euro pro ausgabe (inkl. Porto)Telefon: 030 – 89 56 25 11

Fax: 030 – 56 82 28 84Mail: [email protected]

BankverbindungGLS Bank

Konto 1119136700 BLZ 430 609 67

Kontoinhaber: m21 – Verein für solidarische Perspektiven im 21. Jahrhundert e.V.

RedaktionsadresseRedaktion marx21

PF 44 03 4612003 Berlin

Mail: [email protected]

Die nächste Ausgabe von marx21 erscheint am 7. Oktober 2013

(Redaktionsschluss: 16.09.)

CARoLIN HASENPuSCH, REDAKtEuRIN

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Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe gekürzt zu veröffentlichen. Zusendungen – bitte mit absender – an die Redaktionsadresse oder per E-Mail an [email protected]

LESERBRIEFE

Zur Titelseite von heft 2/2013Das Design ist echt eine Spitzenleistung!

Freek Blauwhof, auf unserer Facebook-Seite

Das Design der Zeitschrift allgemein ist hochprofessionell und sehr cool. Inhaltlich bin ich auch sehr angenehm überrascht.

Dietmar gottfried, auf unserer Facebook-Seite

Zum Artikel »Let’s talk about sexism, baby« von kate Davison (heft 2/2013)Kate hebt im ersten Teil ihres Artikels zu Recht den Zusammenhang zwischen Klassengesellschaft und den ideologischen Auswüchsen der Frauenunterdrückung hervor. In ihren Schlussfolgerungen macht sie indes die persönliche Ethik zum ent-scheidenden Hebel für Veränderung. Sie ar-gumentiert, dass wir die »Kritik an den se-xistischen Ergüssen der Werbeindustrie ebenso unterstützen wie den bewussten Widerstand gegen die Festlegung auf ge-schlechtsspezifische Rollenbilder. Wir soll-ten auch versuchen, in unserem eigenen Leben und unseren Beziehungen solchen Mustern zu widerstehen.« Solche Aufforderungen zur Selbstläuterung ersetzen politische Strategien durch eine gehörige Portion Moralismus. Der Appell, Rollenbildern zu widerstehen ist deshalb auch immer gepaart mit dem Aufbau ei-nes diffusen Drucks auf die Familien. Was ist gewonnen, wenn die eigenen Kinder in ein Schema gepresst werden, das den Jungs die Spielzeugautos und den Mädchen die Barbiepuppen verbietet?Kate sagt, junge Leute hätten ein »falsches Bewusstsein«, wenn die Frau hauptsäch-lich zu Hause bliebe und der Mann arbei-ten ginge. Wer bestimmt, was das »richtige« Bewusstsein ist? Moralappelle suggerieren – ebenso wie die Bilder der Werbung – eine persönli-che Freiheit, die es im Kapitalismus nicht gibt. Tatsächlich regieren die Zwänge des Arbeitsmarktes heute dermaßen in die meisten Arbeiterfamilien hinein, dass nur

ein begrenzter Entscheidungsspielraum für die Gestaltung ihrer Lebens- und Arbeitsverhältnisse bleibt.Das Persönliche ist nicht politisch. Politisch ist, dafür zu kämpfen, dass junge Leute die Wahl haben, selbst zu entscheiden, wie sie

leben wollen.

Frank Renken, Berlin

Zum Artikel »Ein Erfolg für die kurdische Bewegung« von Serdar Damar (heft 2/2013)Serdar hat mit seinem Artikel ein Loblied auf die PKK angestimmt. Das von ihm gezeichnete Bild dieser Organisation, die seit Jahrzehnten einen bewaffne-ten Kampf für die Befreiung Kurdistans führt, bedarf allerdings einer Korrektur. Die 1978 gegründete PKK war ein Produkt der Auseinandersetzungen in der türki-schen Linken, die sich fast ausschließ-lich am Stalinismus oder Maoismus ori-entierte. Die Mehrheitsposition war, dass sich die Kurdenfrage nach der angestreb-ten Revolution von selbst löse. Diese me-chanische Sichtweise, die von einer poli-tischen Entwicklung in Etappen ausgeht, hat die PKK übernommen. Nur ist die Reihenfolge eine andere: erst die Lösung der Kurdenfrage durch einen eigenen Staat, dann die Revolution.In Serdars Darstellungen fehlt ein Hinweis auf das politische Programm der PKK. Das macht es ihm leicht, die Entwicklung der letzten Zeit als Erfolg zu verbuchen, ohne sich kritische Fragen zu stellen. Öcalan ver-handelt aus dem Gefängnis mit der türki-schen Regierung und erklärt hinterher einen Waffenstillstand und den Verzicht auf einen eigenen kurdischen Staat. Im Gegenzug will die Regierung die Rechte der Kurden stär-ken. Das alles, weil die kurdische Bewegung unter Führung der PKK so stark ist.Vor nicht einmal drei Jahren hat die Opposition in der Türkei, einschließlich der Kurden, geschlossen gegen das von Ministerpräsident Erdogan angestreng-te Verfassungsreferendum gestimmt – und damit für die Beibehaltung der Verfassung der letzten Militärdiktatur. Dafür hatten sie vor allem zwei Argumente: Zum einen ging ihnen die Reform nicht weit genug, zum anderen befürchtete sie eine Stärkung der politischen Rolle des Präsidenten, weil der nun direkt vom Volk und nicht mehr vom Parlament gewählt wird. Hinter al-lem wurde die Gefahr einer schleichen-den Machtübernahme durch die religiösen Fundamentalisten in der AKP vermutet, die mit dem Referendum den Einfluss des Militärs beschneiden wollten, um selbst mehr Spielraum zu gewinnen.

Trotz der breiten Opposition hat Erdogan das Referendum gewonnen und ist ge-stärkt daraus hervorgegangen. Weder eine schleichende Machtübernahme durch Fundamentalisten ist seitdem er-kennbar noch ein Erstarken des kurdi-schen Befreiungskampfes. Trotzdem han-delt die gleiche Regierung, die mit dem Verfassungsreferendum die Rechte der Kurden ausdrücklich nicht stärken woll-te, einen Kompromiss mit der PKK aus. Die Erklärung dafür ist in der außenpolitischen Entwicklung in den Nachbarländern Syrien und Irak zu suchen – und nicht in der ge-wachsenen Stärke und Bedeutung der PKK, wie es Serdar nahelegt. Das ist deswegen so wichtig, weil der fast hundertjährige Kampf der Kurden zahllose tragische Beispiele da-für geliefert hat, wie aussichtslos es ist, sich auf das außenpolitische Kalkül der türki-schen oder anderer Regierungen zu verlas-sen, um in der eigenen Sache weiterzukom-men. Das ist auch bei dem Deal zwischen Öcalan und Erdogan nicht anders. Die Lösung besteht vielmehr darin, eine Verbindung des Kampfes der Kurden auf Selbstbestimmung mit anderen gesell-schaftlichen und sozialen Fragen herzustel-len. Die Türkei ist voller gesellschaftlicher und sozialer Widersprüche, aus denen po-litische Spannungen resultieren. Der wich-tigste ist die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, weil der Wirtschaftsboom der letzten Jahre mit niedrigen Löhnen und der Missachtung von Arbeitsschutzmaßnahmen erzwungen worden ist. Türken und Kurden haben am Arbeitsplatz die gleichen Interessen. Das für sich zu erkennen ist der Schlüssel für politische Veränderungen, die auch die Kurdenfrage lösen.

Jürgen Ehlers, Frankfurt am main

Zur Rede »Soziale kälte und nationale Enge« von Janine Wissler (marx21.de, 27.05.2013) Dieses Beispiel verstärkt die Annahme und zeigt, wie die AfD ideologisch-politisch zu verorten ist. Die AfD ist eine Partei, die in elitärer Art von oben nach unten denkt und an dem herrschenden wirtschaftspoli-tischen Kurs von unten nach oben festhält. Daher wäre nicht ganz nachvollziehbar, dass solch eine Partei der LINKEN Stimmen wegnimmt. Hier handelt es sich eindeutig um eine Ersatz-FDP in ein wenig nationali-stisch-populistischerer Manier.

Ali Atlan, auf unserer Facebook-Seite

★★★

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© marx21 / Carsten Schmidt

TITELTHEMA WIE EGAL IST DIE WAHL?

DIE LINKEPlädoyer zum Mitmachen28FrankreichErfolgreiche Wahlkampagne der Linksfront30

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Die Bundestagswahl am 22. September wird die deutsche Politik nicht fundamental ver-ändern. So viel lässt sich aus den Erfahrun-

gen der vergangenen 15 Jahre schließen. In diesem Zeitraum sind im Bund drei verschiedene Koali-tionsvarianten durchgespielt worden: Rot-Grün (1998-2005), Schwarz-Rot (2005-2009) und Schwarz-Gelb (seit 2009), erst unter dem Bundeskanzler Ger-hard Schröder, dann unter Angela Merkel. So unterschiedlich die Personen an der Spitze der Regierungen waren, so sehr ähnelten sie sich hin-sichtlich ihrer politischen Zielsetzungen. Sie folg-ten einer Strategie, die in den 1990er Jahren von den deutschen Eliten als Antwort auf die neue globale Si-tuation nach dem Fall der Mauer entwickelt wurde. Deren Eckpunkte sind:

• Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirt-schaft in der globalen Konkurrenz muss erhal-ten und ausgebaut werden. Wesentliche In-strumente dafür sind ein Niedriglohnsektor, Leiharbeit und Hartz IV. Durch sie wird der Druck auf die Beschäftigten permanent auf-rechterhalten und die Löhne werden gedrückt.

• Die Militarisierung der Außenpolitik wird vor-angetrieben. Die Bundeswehr soll zur weltweit operierenden Interventionsarmee umgebaut werden. Sie wird vom Kosovo über Afghanistan bis Mali eingesetzt – und tritt insgesamt immer forscher auf.

• Die Innenpolitik folgt dem Muster von Zucker-brot und Peitsche. Auf der einen Seite bedeutet das, dass die über Jahrzehnte erkämpfte gesell-schaftliche Liberalisierung in Gesetzesform ge-gossen wird (zum Beispiel: Homoehe). Vorzugs-

Gesellschaftliche Gegenkräfte stärkenIm September ist Bundestagswahl. Egal, wer gewinnt: Entscheidend wird sein, dass wieder eine starke linke Opposition im Parlament vertreten ist

Von Christine BuChholz

weise geschieht das in Bereichen, die den Staat nichts oder nur wenig kosten. Auf der anderen Seite wird der Sicherheitsstaat ausgebaut und die Kompetenzen der entsprechenden Behör-den ausgeweitet. Ständige Begleitmusik hierzu ist die Kampagne gegen den »Islamismus« – ein Freibrief zur Diskriminierung von Muslimen.

Zumindest die Wirtschaftspolitik und die Mili-tarisierung der Außenpolitik stoßen nur auf we-nig Gegenliebe unter der Bevölkerung. Umfrage für Umfrage belegt, dass es große Mehrheiten gegen Bundeswehreinsätze, Rentenkürzungen und für ei-nen Mindestlohn gibt. Seit Jahren verfolgen die Regierungen trotzdem un-beirrt eine Politik, die von der Mehrheit abgelehnt wird. Das ist der wesentliche Grund für die steigen-de Wahlabstinenz und Politikerverdrossenheit. Im Jahr 1972 betrug die Wahlbeteiligung bei der Bun-destagswahl 91,1 Prozent, im Jahr 2009 waren es nur noch 70,8 Prozent. Bei der Kommunalwahl im Mai in Schleswig-Hol-stein gingen gerade einmal 46,5 Prozent zur Urne. Das vorherrschende Gefühl ist, mit der Stimmabga-be nichts beeinflussen zu können.Dieses Gefühl trügt nicht, denn die Zusammenset-zung des Parlaments ist nur ein Oberflächenphä-nomen des Politikbetriebs. Viel einflussreicher sind Planungsstäbe, Ministerialbürokratien und Think Tanks. Sie sind eng mit der Wirtschaft und deren In-teressen verwoben. Bei Regierungswechseln wird nur sehr wenig Personal ausgetauscht. Der Politiker-kopf wechselt, der Normalbetrieb geht anhand der vorhandenen Planungen weiter. Es bleibt die oben skizzierte »Staatsräson«. Wer auch immer am 22. September das Ruder übernimmt, wird diesen Kurs beibehalten.

Christine BuChholz ist Bundestagsabgeord-nete der LInKEn und Mitglied im geschäfts-führenden Parteivor-stand.

★★★

LESEPROBE

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SCHWERPUNKT 150 JAHRE SPD

Der Mythos Willy BrandtDie Grenzen seiner Reformpolitik37 Das Erbe Gerhard SchrödersDie Folgen seiner Agenda 201040

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Die SPD feiert ihren 150. Geburtstag. Für wirkliche Reformen steht sie schon lange nicht mehr. Wir erklären, wie sie zu dem wurde, was sie heute ist

Von Stefan BornoSt

Die Deformpartei

Es war der Satiriker Kurt Tucholsky, der im Jahr 1932 treffende Worte für den Charak-ter der Sozialdemokratie fand: »Es ist ein Unglück, dass die SPD Sozialdemokrati-

sche Partei Deutschlands heißt. Hieße sie seit dem 1. August 1914 Reformistische Partei oder Partei des kleinern Übels oder Hier können Familien Kaffee kochen oder so etwas –: vielen Arbeitern hätte der neue Name die Augen geöffnet, und sie wären da-hingegangen, wohin sie gehö-ren: Zu einer Arbeiterpartei. So aber macht der Laden sei-ne schlechten Geschäfte un-ter einem ehemals guten Na-men.«Der 1. August 1914, auf den sich Tucholsky hier bezieht, ist so etwas wie die Urkatast-rophe der deutschen Sozial-demokratie: Die bis dato revo-lutionär und antikapitalistisch aufgestellte Partei stimm-te am Vorabend des Ersten Weltkriegs im Reichstag für die Kriegskredite und unterstütze so die kaiserliche Militärmaschinerie. Nicht die SPD-Führung stellte sich später in Opposition gegen den Krieg, sondern Dissidenten, die deswegen aus der Partei geworfen wurden. Nicht die SPD-Führung setzte den Kaiser 1918 ab und erkämpfte die Republik, sondern revol-tierende Arbeiter und Soldaten. Als die Bewegung sich radikalisierte, ließ die Führung der SPD sie im Bunde mit den alten Kräften, mit den Militärs, der nationalistischen Rechten, der kaiserlichen Verwal-tung und den Unternehmern zusammenschießen. Die Folgen dieser Politik spalten die Arbeiterbewe-gung bis heute.Nun ist dies alles fast hundert Jahre her. Doch ein Blick zurück lohnt sich. Zum einen, weil die SPD

ihr 150jähriges Jubiläum feiert, über dieses Kapitel ihrer Geschichte jedoch schweigt. Zum anderen ist die Frage, wie die SPD wurde wie sie ist, auch heute noch für den Umgang mit ihr relevant.Tucholsky sprach von dem »guten Namen«, den die Sozialdemokratie einmal hatte. Den erwarb sie sich in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg. Da-mals war die SPD das Kronjuwel der Zweiten In-ternationalen – die mächtigste und erfolgreichste

Arbeiterpartei der Welt. An-fang des Jahres 1914 zähl-te sie eine Million Mitglie-der, 110 Reichstags- und 231 Landtagsabgeordnete, 11.000 Gemeindevertreter und 320 Magistrate. Schon 1899 gab die Partei über 73 Zeitungen mit einer Gesamtauflage von 400.000 Exemplaren heraus, 49 dieser Zeitungen erschie-nen täglich. Dazu führte die SPD eine Rei-he von Arbeitermassenorga-nisationen, in den Konsum-

genossenschaften waren 1,3 Millionen Menschen organisiert, in den sozialdemokratischen Gewerk-schaftsverbänden sogar 2,6 Millionen Arbeiterin-nen und Arbeiter. Dazu kamen sozialdemokratische Frauenverbände, Turnvereine und Gesangsgrup-pen. Die theoretische Basis der Partei bildete das ra-dikale marxistische »Erfurter Programm« von 1891, in dem der Sozialismus als Ziel festgeschrieben wur-de. Darin heißt es, dass der »Klassenkampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat immer erbitterter« ge-führt würde: »Der Abgrund zwischen Besitzenden und Besitzlosen wird noch erweitert durch die im Wesen der kapitalistischen Produktionsweise be-gründeten Krisen, die immer umfangreicher und verheerender werden, die allgemeine Unsicherheit

Die Sozialdemo-kratie begriff sich mal als Klassen-

kampfpartei

Stefan BornoSt ist leitender redakteur von marx21.

★★★

LESEPROBE

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GESCHICHTE

Von Bernd Gehrke

»Akkord ist Mord!«Zum sechzigsten Mal jährt sich der Aufstand des 17. Juni 1953. Für die SED-Führung ein vom Westen gesteuerter »faschistischer Putsch«, wurde die Erhebung in der Bundesrepu-blik als »Volksaufstand für die deutsche Einheit« gefeiert. Doch beide Interpretationen verfälschen den Charakter des Aufstandes

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LESEPROBE

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Der Aufstand des 17. Juni 1953 wurde vor allem durch die Industriearbeiterschaft in den Zentren der alten Arbeiterbewe-gung Mitteldeutschlands geprägt. Die

Großbetriebe waren der Ausgangspunkt, der Motor und das Zentrum der Ereignisse. Im Gegensatz zu den medial vermittelten Bildern, die von den Reich-weiten westlicher Kameras beeinflusst waren, ging zwar von Berlin die Initialzündung aus, doch hat-te der Aufstand seine Höhepunkte und radikalsten Entwicklungen im mitteldeutschen Industriegebiet sowie in Ostsachsen.Diese Deutung belegen die DDR-Akten, die seit 1990 zugänglich sind. Sie bestätigen und bereichern das Gesamtbild des 17. Juni, das die Journalisten Klaus Harpprecht und Klaus Bölling schon 1954 in »Der Aufstand« sehr anschaulich beschrieben und das der Historiker Arnulf Baring 1957 innerhalb der aka-demischen Zunft zuerst analysiert hatte.

Magdeburg, Halle, Merseburg, Bitterfeld, Wolfen, Leipzig, Dresden und Görlitz bildeten diese Zen-tren. In vier Städten (Halle, Merseburg, Bitterfeld und Görlitz) hatten überbetriebliche Streikräte und Volkskomitees bereits die Macht übernommen. Hin-sichtlich der Streik- und Aufstandsbeteiligung unter-schieden sich die alten Hochburgen von KPD oder SPD nicht. Die Bewegung des 17. Juni war nicht nur eine Streikbewegung für wirtschaftliche und soziale Ziele, sie war ein politischer Massenstreik, der sich zu einem regulären Aufstand auswuchs, welcher zur Erstürmung von Gefängnissen, MfS-Einrichtungen, Partei- und FDJ-Gebäuden und Rathäusern führte.Sowohl zeitlich als auch räumlich war der Aufstand breiter als dies vor der Öffnung der DDR-Archive in der wissenschaftlichen Literatur bekannt war: Am 17. Juni selbst streikten knapp 500.000 Arbeiterin-nen und Arbeiter. Trotz des noch am selben Tag ver-hängten Ausnahmezustands und der militärischen Besetzung der Städte und Großbetriebe sowie der Verhaftung von Streikleitungen dehnte sich der Aus-stand am 18. Juni weiter aus. Nur unter Androhung von Erschießungen und militärisch durchgesetzter Aussperrungen konnte die Streikbewegung in den Zentren bis zum 19. Juni gebrochen werden, wäh-rend sie in etlichen Betrieben noch bis zum 22. Juni anhielt. Nach letztem Forschungsstand haben zwischen dem 12. und 22. Juni rund eine Million Menschen in 702 Städten und Gemeinden an Streiks, Demons-trationen oder der Erstürmung von Gebäuden teil-genommen. Sechzig Haftorte wurden gestürmt und 1400 Häftlinge befreit. Allein durch diese Zahlen wird schon deutlich, dass in jeder Gesellschaft, in der die Arbeiterklasse die Mehrheit der Gesellschaft bildet, eine umfassende proletarische Erhebung im-mer auch den Charakter eines Volksaufstandes be-sitzt.

Diese veröffentlichten und unbestrittenen Fakten kontrastieren jedoch mit einer lange nur von west-deutschen Konservativen, seit dem 50. Jahrestag 2003 jedoch in der akademischen Zunft weithin gän-gigen Interpretation des Aufstandes, in der das spe-zifische Gewicht der Arbeiterklasse relativiert wird. In den Massenmedien ist diese Praxis ohnehin üb-lich.Unter dem Eindruck der Größe der Teilnehmer-zahlen, der Anzahl der Ortschaften und im Detail bekannt gewordener Beteiligung von nichtprole-tarischen Schichten hat sich nunmehr auch bei His-torikern der Begriff »Volksaufstand« mit der Konno-tation eines »nationalen Volksaufstandes« anstelle des jahrzehntelang gepflegten Begriffs »Arbeiterauf-stand« durchgesetzt. Die gesellschaftspolitische Implikation dieser Be-griffsverschiebung ist leicht durchschaubar und läuft darauf hinaus, die Arbeiterklasse und ihre spe-zifischen Interessen begrifflich zu tilgen und die Rol-le anderer sozialer Schichten aufzuwerten. Damit verbindet sich auch die unschwer erkennbare Ab-sicht, die Ziele und Forderungen des Aufstands in sozialökonomischer Hinsicht im Sinne einer proka-pitalistischen Restauration zugunsten des Adenau-er-Staates umzudeuten. Die Diskussion über den politischen und sozia-len Charakter des 17. Juni ist eng mit der von Ba-ring entwickelten »Stufentheorie« verbunden, wel-che besagt, dass der in den Betrieben zunächst gut organisierte Streik der Belegschaften gegen die Nor-menerhöhung und für betriebliche und soziale Zie-le später, während der Straßendemonstrationen, der Kontrolle der Streikleitungen entglitt und in ei-nen allgemeinen, unkontrollierten Aufstand für freie Wahlen und Wiedervereinigung überging.Jetzt erst habe sich der Aufstand in einen politischen verwandelt, der sich auch in Randale, Gewalt und Zerstörungen entlud. Die »Stufentheorie« wird in et-was anderer Weise auch von jenen benutzt, die ak-tuell wieder mit der alten stalinistischen These auf-warten, die berechtigte soziale Unzufriedenheit der Arbeiter sei erst durch die Intervention des Westens, vor allem der Rundfunkanstalt RIAS, in eine gesteu-erte politische Konterrevolution umgeschlagen.

Beiden Interpretationen ist gemeinsam, dass sie den politischen Aufstand gegen die SED-Diktatur als restaurativ und pro-kapitalistisch identifizieren.Der Versuch, den »Arbeiteraufstand« in einem »all-gemeinen Volksaufstand« aufzulösen, wird unter anderem damit begründet, dass sich den demons-trierenden Arbeitern die Angestellten der am Ran-de des Zuges gelegenen Geschäfte angeschlossen hätten, ebenso Hausfrauen und Jugendliche. Da-bei wird außer Acht gelassen, dass sowohl die Haus-frauen als auch die Jugendlichen vor allem die An-gehörige der marschierenden Arbeiter waren. Und

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