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Maßnahmen gegen Hooligans: Rechtliche Untersuchung von Marius Breucker über Gefährderansprachen, Meldeauflagen und Passbeschränkungen Die Prävention gewinnt für die Verhinderung von Ausschreitungen bei Fußballspielen zunehmende Bedeutung. Den polizeilichen Behörden steht ein differenziertes Instrumentarium an Vorfeldmaßnahmen in Form einer „Sicherheitskaskade“ zur Verfügung. Sämtliche Präventivmaßnahmen gegen Hooligans müssen strengen rechtsstaatlichen Anforderungen genügen.

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Maßnahmen gegen Hooligans: Rechtliche Untersuchung von Marius Breucker

über Gefährderansprachen, Meldeauflagen und Passbeschränkungen

Bei Fußball-Welt- und Europameisterschaften oder anderen internationalen Fußballspielen

verursachen Hooligans erhebliche Personen- und Sachschäden. Die Staaten ergreifen

verschiedene Präventivmaßnahmen, um solche Auswüchse zu verhindern. Der Stuttgarter

Sportrechtler Dr. Marius Breucker untersuchte in seiner Dissertation und anschließenden

Studien, ob solche Maßnahmen gegen Hooligans zulässig sind.

Dass Hooligans Fußballspiele zum Anlass für Randale nehmen, lässt sich nie ganz verhindern.

Wenn Gewalttäter vor Ort aufeinandertreffen (wollen), sind sie nur noch schwer zu kontrollieren.

Daher kommt der Prävention im Vorfeld entscheidende Bedeutung zu, wenn man

Ausschreitungen verhindern will. Dabei ist nicht nur eine strikte Einhaltung rechtsstaatlicher

Regeln geboten, sondern auch eine individuelle Betrachtung jedes Einzelfalls angezeigt. Nur dies

trägt dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Rechnung und garantiert dauerhaft die Legitimation

behördlicher Vorfeldmaßnahmen. Marius Breucker warnt in seiner rechtlichen Expertise davor,

einmal aufgefallenen Hooligans pauschal Gewaltbereitschaft zu unterstellen. Die erforderliche

„Gefahrenprognose muss in jedem Einzelfall anhand von individuellen, dokumentierten Tatsachen

erfolgen“, erklärt der Stuttgarter Anwalt, der schon bei mehreren Welt- und

Europameisterschaften als rechtlicher Berater tätig war.

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„Sicherheitskaskade“

Den Behörden stehen Maßnahmen unterschiedlicher Eingriffsintensität zur Verfügung. Die

Behörden müssen in jedem Fall unter gleich effektiven die mildeste auswählen. Durch ein solches

gestuftes Vorgehen wird das Verhältnismäßigkeitsprinzip gewahrt. Entscheidende Grundlage für

eine sachgerechte Entscheidung sind verlässliche Informationen. Hierfür beobachten szenekundige

Beamte die Hooliganszenen in den einzelnen Städten und erstellen immer wieder aktualisierte

Lageberichte. Auf dieser Grundlage können Polizeibehörden differenzierte Maßnahmen ergreifen,

die sich je nach Notwendigkeit sukzessive steigern und wieder absenken lassen. Breucker spricht

vor diesem Hintergrund auch von einer „Sicherheitskaskade“.

Hinweisende Gefährderansprache

Mildestes Mittel ist die sogenannte Gefährderansprache. Darin weisen die Behörden den

Betroffenen darauf hin, dass man ihn im Blick habe und dass er bei Gewalttaten auch im Ausland

mit Maßnahmen bis hin zur Strafverfolgung in Deutschland zu rechnen hat. Letzteres gilt

jedenfalls dann, wenn das Verhalten des Betroffenen auch im Ausland unter Strafe gestellt ist, was

bei Gewalttaten regelmäßig der Fall ist. Die Gefährderansprache dient in erster Linie der

Deanonymisierung, indem sie den Betroffenen aus der Masse heraushebt. Dies genügt oft, um den

Betroffenen von Taten abzuhalten, die er nur unter dem Schutz der Anonymität begehen würde.

„Wenn sich die Gefährderansprache auf einen bloßen Hinweis auf die Rechtslage beschränkt, ist

damit kein Eingriff in die Grundrechte verbunden. Es ist gleichsam nur eine Gelbe Karte“ erläutert

Marius Breucker, der seit Jahren auf dem Gebiet des Sportrechts unter anderem als Schiedsrichter

am Deutschen Sportschiedsgericht tätig ist.

Androhende Gefährderansprache

Eine Steigerung der bloß hinweisenden Gefährderansprache ist die „androhende

Gefährderansprache“. Darin gehen die Behörden über den bloßen Hinweis auf die Rechtslage

hinaus und drohen dem Betroffenen für den Fall einer geplanten Reise zu einem Fußballspiel mit

bestimmten polizeilichen Maßnahmen, etwa einer Meldeauflage oder einem Ausreiseverbot. Diese

androhende Gefährderansprache ist subjektiv darauf gerichtet und objektiv geeignet, den

Betroffenen von einer geplanten Ausreise abzuhalten. Sie greift damit nach zutreffender Ansicht

der Rechtsprechung in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Artikel 2 Abs. 1

Grundgesetz ein. Für eine androhende Gefährderansprache müssen demnach die Voraussetzungen

einer eingreifenden Maßnahme nach der polizeilichen Generalbefugnis vorliegen. Erforderlich ist

demnach eine konkrete Gefahr. Diese kann nur auf belegbare Tatsachen, etwa vorangegangenes

Verhalten, gestützt werden. Wiederum liegt die entscheidende Voraussetzung für die

Rechtmäßigkeit der Maßnahme darin, dass nicht pauschal auf allgemeine Erkenntnisse über eine

„Hooliganszene“ zurückgegriffen wird; vielmehr bedarf es individueller Erkenntnisse über den

Betroffenen, die nach Zeit, Ort und Verhaltensweise dokumentiert sind, erläutert Marius Breucker.

Nur auf dieser Grundlage kann eine gerichtsfeste Gefahrenprognose erfolgen.

Meldeauflage

Um den Betroffenen von der Anreise an den Zielort abzuhalten, kann die Polizeibehörde gegen

ihn eine Meldeauflage anordnen. Diese Maßnahme kann nach herrschender Auffassung auf die

polizeiliche Generalbefugnis gestützt werden. Voraussetzung ist wiederum das Vorliegen einer

konkreten Gefahr. Manche Verwaltungsgerichte fordern mittlerweile für die Meldeauflage eine

spezielle Rechtsgrundlage, da sich die Praxis dahin entwickelt habe, dass es sich nicht mehr um

eine Ad-hoc-Maßnahme, sondern letztlich um eine behördliche Standardmaßnahme handele.

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„Dokumentierte Tatsachengrundlage“

Entscheidend ist, dass die Meldeauflage nicht auf bloße Vermutungen oder Verdächtigungen

gestützt wird; vielmehr müssen der Gefahrenprognose Tatsachen, also dem Beweis zugängliche

Vorgänge zugrunde liegen. Nicht ausreichend ist für sich genommen die bloße Aufzählung

früherer polizeilicher Maßnahmen gegen den Betroffenen. „Die Polizeibehörden könnten sich

sonst gleichsam selbst die Grundlage für eine spätere Meldeauflage schaffen“, warnt Marius

Breucker vor einem möglichen Zirkelschluss Vielmehr ist erforderlich, dass die jeweiligen

tatsächlichen Vorgänge, die einer polizeilichen Maßnahme zugrunde lagen, im Einzelnen

dokumentiert sind. Ein pauschales Urteil, wie viele Vorgänge welcher Intensität erforderlich sind,

um eine Gefahrenprognose zu rechtfertigen, verbietet sich. Vielmehr muss im Einzelfall sowohl

die Intensität als auch die Frequenz der Vorfälle ins Kalkül gezogen werden. Es muss dann geprüft

werden, ob dies bei vernünftiger, lebensnaher Betrachtung die Einschätzung rechtfertigt, der

Betroffene werde bei einem anstehenden Fußballereignis gewalttätig in Erscheinung treten.

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„Konkrete Beteiligungsabsicht“

Weitere Voraussetzung für die Meldeauflage ist die Feststellung, dass sich der Betroffene in

Zukunft an Gewalttaten beteiligen will. Es genügt also nicht, dass ein Hooligan in der

Vergangenheit auffällig war. Vielmehr müssen auch zukunftsgerichtete Anhaltspunkte vorliegen,

die eine erneute Beteiligung an einer Gewalttat nahelegen. Eine solche Beteiligungsabsicht kann

indiziert sein, wenn der Betroffene in der Vergangenheit auffällig war und keine

Kontraindikatoren vorhanden sind. Indes muss einem Hooligan auch die Möglichkeit bleiben, sich

von der gewaltbereiten Szene ernsthaft loszusagen. In diesem Fall fehlt es trotz vorangegangener

Ereignisse an der Beteiligungsabsicht und damit an der konkreten Gefahr erneuter

Ausschreitungen.

Meldung auf der Polizeiwache

Rechtsfolge einer Meldeauflage ist die Verpflichtung des Betroffenen, sich zu bestimmten Zeiten

– regelmäßig an den Spieltagen der eigenen Mannschaft – bei einer bestimmen Polizeidienststelle

persönlich zu melden. Wegen des grundrechtlich garantierten Freizügigkeitsrechtes muss dem

Betroffenen zudem die Möglichkeit gegeben werden, sich bei Bedarf auch auf einer anderen, von

ihm vorher benannten Polizeidienststelle zu melden. Denn entscheidend für die Meldeauflage ist

nicht, dass sich der Betroffene an einem bestimmten Ort aufhält, sondern dass er nicht zum Zielort

der potentiellen Ausschreitungen reist, erläutert Marius Breucker.

Aufenthaltsverbot

Neben der Meldeauflage kann einem Gewalttäter ein Aufenthalts- und Betretensverbot erteilt

werden. Grundlage ist regelmäßig die polizeiliche Standardmaßnahme des Platzverweises.

Demnach bedarf es wiederum – wie bei der Meldeauflage – einer individuellen Gefahrenprognose,

mithin einer dokumentierten Tatsachengrundlage und einer konkreten Beteiligungsabsicht.

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Passbeschränkung und Ausreiseverbot

Von zentraler Bedeutung vor internationalen Sportgroßereignissen ist die Beschränkung des

Passes. Regelmäßig beschränken die Behörden den Pass so, dass er vorübergehend nicht zur

Ausreise in das Veranstalterland berechtigt. Der Hooligan kann mithin weiterhin in andere Staaten

ausreisen, nicht aber unmittelbar oder mittelbar in den Zielstaat. Ob und wann eine mittelbare

Ausreiseabsicht vorliegt, muss wiederum anhand der individuellen Umstände des Einzelfalls

geprüft und beurteilt werden. „Wer glaubhaft belegen kann, dass er einen Familienurlaub in der

Türkei gebucht hat, dem wird man nicht ohne weiteres unterstellen können, dass er in Wahrheit

zur Fußball-Weltmeisterschaft nach Brasilien reisen will“ stellt Marius Breucker klar. Auch solche

Fälle der Verschleierung hat es indes schon gegeben, so dass hier die Beurteilungsfähigkeit und

Erfahrung der verantwortlichen Beamten gefragt ist. Diese Frage kann im Einzelfall umstritten

sein. Sie ist im Ergebnis aber gerichtlich voll überprüfbar. Denn, so Breucker, „entweder die

Tatbestandsvoraussetzungen für eine polizeiliche Präventivmaßnahme liegen vor oder nicht“.

„Gefahr für erhebliche Belange“

Neben der Feststellung früherer Tatsachen als Grundlage der Gefahrenprognose bedarf es für die

Pass- und Personalausweisbeschränkung noch der konkreten Gefährdung erheblicher Belange der

Bundesrepublik Deutschland. Dies sieht § 7 Passgesetz ausdrücklich vor. Es genügt mithin nicht,

dass ein Betroffener unter Umständen im Ausland eine Straftat verüben wird. Dies wäre letztlich

in der Praxis kaum je ganz auszuschließen. Vielmehr muss hinzukommen, dass durch das

Verhalten im Ausland das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt wird. Dies ist

namentlich bei Ausschreitungen anlässlich internationaler Sportgroßereignisse zu bejahen, die von

einer großen Medienöffentlichkeit begleitet werden. Wenn der Pass oder der Personalausweis

wirksam beschränkt sind oder die Voraussetzungen für eine solche Beschränkung vorliegen, ist

dem Betroffenen an der Grenze die Ausreise in den Zielstaat zu untersagen.

Die Ausreise entgegen einer wirksamen Passbeschränkung ist nach § 24 Passgesetz auch im

Versuchsstadium eine Straftat. Dies hat einen doppelten Effekt: Wer die Hürde der Ausreise trotz

einer Passbeschränkung überwindet, etwa indem er Grenzkontrollen umgeht, muss gleichwohl mit

einer Bestrafung rechnen, wenn er später im Zielstaat angetroffen wird. Die Wahrscheinlichkeit

hierfür ist nicht gering, da bei internationalen Sportgroßereignissen mittlerweile regelmäßig

szenekundige Beamte aus dem Heimatstaat der Hooligans vor Ort sind. Diese kennen ihre

Delinquenten und können diese vor Ort identifizieren. Somit kann eine Ausreise entgegen einer

wirksamen Passbeschränkung auch nachträglich noch strafrechtlich sanktioniert werden.

Entscheidend ist aber letztlich der präventive Effekt. Erfahrungsgemäß lassen sich

Ausschreitungen kaum noch verhindern, wenn sich erst einmal eine kritische Masse vor Ort

versammelt hat. Wenn aber die Rädelsführer und notorischen Gewalttäter – und vor allem um

diese geht es – an der Ausreise gehindert werden, hat dies erfahrungsgemäß einen erheblichen

befriedenden Effekt.

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Fazit

Die Prävention gewinnt für die Verhinderung von Ausschreitungen bei Fußballspielen

zunehmende Bedeutung. Den polizeilichen Behörden steht ein differenziertes Instrumentarium an

Vorfeldmaßnahmen in Form einer „Sicherheitskaskade“ zur Verfügung. Sämtliche

Präventivmaßnahmen gegen Hooligans müssen strengen rechtsstaatlichen Anforderungen

genügen. Entscheidend ist die einzelfallbezogene Betrachtung und Bewertung. Voraussetzung sind

immer individuelle Informationen über frühere Vorfälle des Betroffenen und Indizien für eine

erneute Beteiligung an Gewalttaten. Marius Breucker spricht in seinen Untersuchungen vom

Erfordernis einer „dokumentierten Tatsachengrundlage“ und einer „konkreten

Beteiligungsabsicht“.

Nur auf diese Weise ist gewährleistet, dass eine behördliche Entscheidung anschließend auch

gerichtlich voll überprüft werden kann. Die Prävention hat sich in den vergangenen Jahren als

wichtiges Instrument im Kampf gegen Ausschreitungen bewährt. Sie muss weiterhin mit

Augenmaß angewandt werden, um die Legitimation solcher Maßnahmen nicht in Frage zu stellen,

fordert Marius Breucker. Auf diese Weise können – nicht zuletzt im Interesse friedlicher Fans –

Welt- und Europameisterschaften weiterhin das sein, was sie sein sollen: Feste des Fußballs und

nicht Exzesse der Gewalt.