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MATERIALIEN FÜR DEN POLITISCHEN UNTERRICHT IN DER BERUFLICHEN BILDUNG Maßnahmen gegen Gewalt und Rechtsextremismus Das Projekt wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Internationaler Bund

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MATERIALIEN FÜR DEN POLITISCHEN UNTERRICHT IN DER BERUFLICHEN BILDUNG

Maßnahmen gegen Gewalt und Rechtsextremismus

Das Projekt wird gefördert vom

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauenund Jugend

Internationaler Bund

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Impressum

Herausgeber:

Internationaler Bund · IBFreier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit e.V.Sitz: Frankfurt am MainVereinsregister Nr. 5259

Vorsitzender des VorstandesWerner Sigmund

Ressort Bildung und Soziale Arbeit

Redaktion: Petra Tabakovic

Burgstraße 106D-60389 Frankfurt am Main

Postfach 60 04 60D-60334 Frankfurt am Main

Telefon (0 69) 9 45 45-0Fax (0 69) 9 45 45-2 80

Referat ÖffentlichkeitsarbeitGünter [email protected]

Frankfurt am Main, Dezember 2001

Unter Mitarbeit des Projektteams: Roswitha Bendiek,Johanna Fleckenstein, Barbara Frank, Joachim Kainz, Heide Rohne,Bärbel Trautmann, Dieter Weisenbach

Wir bedanken uns beim Bundesministerium für Familie,Senioren, Frauen und Jugend für die Förderung des Projektes.

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Inhalt Kapitel

Das Konzept

Einführung · Zielgruppe · Didaktik · Methodik · Benutzungshinweise 1

Das Einstiegsspiel 2

Unterrichtsreihe 1

Vorurteile und Diskriminierung 3

Unterrichtsreihe 2

Fremdenfeindlichkeit und Rassismus 4

Unterrichtsreihe 3

Ausländer in Deutschland 5

Unterrichtsreihe 4

Flucht und Asyl 6

Unterrichtsreihe 5

Rechtsextremismus heute 7

Unterrichtsreihe 6

Nationalsozialismus in Deutschland 8

Literaturempfehlungen 9

Fragen zum Unterricht

Rückmeldungsbogen für Teilnehmer 10

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Das Konzept

■ Einführung

Politische Bildung kann auf keine ausgeprägteTradition in den Maßnahmen der außerschuli-schen beruflichen Bildung zurückblicken, zu-mindest was politische Bildung im engerenSinne als eigenständiges Lernfeld betrifft. Zusehr stehen bislang Grundqualifizierungen derbenachteiligten Jugendlichen mit Konzentrationauf die „Hauptfächer“ im Vordergrund. DieRahmenbedingungen der beruflichen Bildung,die Zielgruppen der Maßnahmen, die Erforder-nisse beruflicher Integrationsbemühungen unddie Orientierung an Prüfungsinhalten lassenpolitischen Unterricht häufig zu kurz kommen.

Angesichts zunehmender Politikverdrossen-heit einerseits und der Ausweitung unterschied-lichster Ausprägungen rechtsextremen Gedan-kenguts andererseits ist politische Bildungaktuell erneut herausgefordert. Eine Vielzahlvon Konzepten, Bausteinen und Materialien fürdie schulische wie außerschulische politischeJugendbildung wurde in letzter Zeit entwickeltund veröffentlicht, die sich der Erziehung zurDemokratie bzw. gegen Rechtsextremismus,Fremdenfeindlichkeit und Gewalt widmen.Diese Konzepte sind allerdings von ihrem Ab-straktionsniveau her überwiegend sehr an-spruchsvoll und für die Arbeit mit benachteilig-ten und bildungsungewohnten Jugendlichen, diemit wenigen Ausnahmen den Teilnehmerkreisin den Maßnahmen bilden, so nicht einsetzbar.In der Mehrzahl intendieren die vorliegendenMaterialien zudem eine Arbeit in Form von Pro-jekten, Seminaren oder Aktionen, die mit einemhohen Zeit- und Umsetzungsaufwand verbun-den sind. Dies kann im pädagogischen Alltag inBerufsbildungszentren nur schwer, bestenfallsals einmalige Sonderveranstaltung geleistetwerden.

Der Sinnhaftigkeit projektorientierten politi-schen Lernens, das sich angesichts didaktisch-

methodischer Erfordernisse in heutiger Zeitzweifellos bewährt hat, steht jedoch auch einBedarf nach Kontinuität politischer Bildungsar-beit im alltäglichen Unterrichtsgeschehen ge-genüber. Wenn es in den Berufsbildungszentren,ob im Unterricht, in den Werkstätten, in der so-zialpädagogischen Begleitung oder im Umfeldder Kurse, zu Konfrontationen mit Fremden-feindlichkeit, Gewalt und rechtsextremen Ein-stellungen kommt, was zunehmend der Fall ist,muss die berufliche Bildung sich in alltäglicherRegelmäßigkeit diesen Themen widmen. Nebendie Vermittlung fachlicher Inhalte tritt damit dieNotwendigkeit, in den Maßnahmen verstärktauf die demokratische und humane Orientierungder Jugendlichen und jungen Erwachsenen hin-zuwirken.

An dieser Notwendigkeit orientiert sich dievorliegende Handreichung. Sie enthält kleine,unkompliziert einsetzbare Unterrichtsmateria-lien zum unmittelbaren Gebrauch in den Maß-nahmen der beruflichen Bildung. Diese sind zusechs Unterrichtsreihen zusammengestellt, je-doch so aufgebaut, dass sie auch für einzelneUnterrichtsstunden einsetzbar sind. Sie sind mitdidaktisch-methodischen Empfehlungen für dieUnterrichtenden versehen, die auch Verweiseauf weitere Materialien, etwa andere Medien,beinhalten. Am Ende jeder Reihe sind Anregun-gen zur Weiterarbeit, auch Möglichkeiten zuAnschluss-Projekten aufgezeigt.

Die Handreichung wurde mit Förderungdurch das Bundesministerium für Familie,Senioren, Frauen und Jugend im Internationa-len Bund entwickelt, der in fast 40 Berufsbil-dungszentren an Standorten im gesamten Bun-desgebiet über 25.000 Jugendliche und jungeErwachsene betreut. Die Unterrichtsreihen wur-den an diversen Standorten in Ost- und West-deutschland und in unterschiedlichen Kursender Berufsvorbereitung von den dort unterrich-tenden Lehrern bzw. Sozialpädagogen erfolg-

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Das Konzept 1

Materialien für den politischen Unterricht in der beruflichen Bildung

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reich erprobt und eignen sich grundsätzlich fürvergleichbare Zielgruppen.

■ Zielgruppe

Dass das Interesse von Jugendlichen an derPolitik sinkt, ist spätestens seit der Veröffent-lichung der 13. Shell-Jugendstudie „Jugend2000“ (Opladen 2000) kein Geheimnis mehr.Zunehmende Parteienverdrossenheit, sinkendeWahlbeteiligung, aber auch Verluste im Anse-hen von Nichtregierungsorganisationen lassensich danach als Gesamttrend mit etwas stär-kerer Ausprägung im Osten Deutschlands aus-machen. Das Ausmaß der Politikferne wirddavon beeinflusst, in welchem Maße die Ju-gendlichen glauben, mit ihrer Zukunft zurecht-zukommen.

Ein weiteres Ergebnis der Studie ist dieVerankerung ausländerfeindlicher Einstellun-gen; 27 % der deutschen Jugendlichen sinddanach als hoch ausländerfeindlich einzu-stufen, 62 % halten den Ausländeranteil inDeutschland für zu hoch. Auch ein Teil derbefragten Jugendlichen ausländischer Herkunftschließt sich dieser Meinung an. Die Angstvor der eigenen Chancenlosigkeit wird als derstärkste Auslöser für Fremdenfeindlichkeitangegeben, und das bei Jugendlichen jeglicherHerkunft.

Sowohl politisches Interesse als auch poli-tische Einstellungen scheinen also mit Ein-schätzungen eigener Zukunftsperspektiven undden Möglichkeiten zu deren Beeinflussungzusammenzuhängen. Zwar sieht laut Shell-Stu-die ein zunehmender Anteil der Jugendlichendie persönliche Zukunft eher als positiv an,aber pessimistische Einstellungen dazu häufensich bei denjenigen, die objektiv schlechtereAusgangsbedingungen haben – Jugendliche mitgeringer Bildung, ein Teil der ostdeutschenJugendlichen, ein Teil der ausländischen Ju-gendlichen – die sogenannten benachteiligtenJugendlichen.

Bei der Zielgruppe der Arbeitsmaterialienin dieser Handreichung, nämlich den Teilneh-mern der berufsvorbereitenden, -orientierendenund -fördernden Maßnahmen, handelt es sich

zum größten Teil um benachteiligte Jugendli-che. Fehlende Berufsreife, Bildungsdefizite, ge-scheiterte Ausbildungsplatzsuche oder Arbeits-losigkeit sind die Gründe für ihre Teilnahmean den Kursen. Viele von ihnen hatten schuli-sche Schwierigkeiten oder brachen die Schuleab, haben einen schlechten oder gar keinenHauptschulabschluss. Schule und Unterrichtwurden von ihnen als eine Aneinanderreihungvon Scheitern, Resignationen und Demü-tigungen erlebt. Die damit einhergehende Bil-dungsdistanz ist teilweise noch verstärkt durchZwangspausen nach dem Verlassen der Schule,die mit vergeblicher Arbeitssuche und unausge-füllten Wartezeiten verbracht wurden. Häufigkommen soziale Probleme hinzu: etwa schwie-rige familiäre Hintergründe, Wohngebiete mithoher Problemdichte, Migrationshintergründeoder Flüchtlingserfahrungen mit sprachlichenSchwierigkeiten. Durch Schulbildung und dassoziale Umfeld erworbenes Wissen über poli-tische Zusammenhänge kann bei diesen Ju-gendlichen nur begrenzt vorausgesetzt werden.Sie sind in der Regel bildungsungewohnt undmit herkömmlichen Materialien für die politi-sche Bildung in der Schule oder Erwachsenen-bildung nicht erreichbar.

Benachteiligung ist das Merkmal, das denTeilnehmern in den Maßnahmen gemeinsam ist,auch wenn die Zusammensetzung der Kurseregional sehr unterschiedlich ist. Vor allem inden westdeutschen Großstädten sind die Grup-pen multikulturell besetzt, hier ist der Anteiljunger Migranten und Migrantinnen aus vielenKulturen und Nationen, mit deutschem Passoder ohne, relativ hoch, während er in ostdeut-schen Berufsbildungszentren verschwindendgering ist.

Für den politischen Unterricht relevant istzudem die Zusammensetzung der Lerngruppenhinsichtlich politischer Orientierungen. Zwarsind es „nicht immer die schwierigen sozialenVerhältnisse, sondern – neben Frust, Lange-weile und Imponiergehabe – oftmals der Man-gel an sozialer wie ethischer Orientierung undzu geringe aufklärerische Bildung, die jungeMenschen anfällig werden lassen für rechtsex-tremistisches Gedankengut und darauf aufbau-endes Verhalten“ (Rita Süssmuth im Geleitwortzu M. Büttner, Braune Saat in jungen Köpfen).

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Dennoch werden in der Kombination von fami-liären, sozialen und ökonomischen ProblemenUrsachen für rechte Orientierungen gesehen,vor allem wenn als vierter Faktor die Zugehö-rigkeit zu einer Clique, in der rechte Gesinnungpropagiert und durch die Attraktivität der Cli-que aufgewertet wird, hinzukommt, wie Prof.Dr. Hajo Funke auf einer Tagung zum Thema„Grenzen und Möglichkeiten der Pädagogik inder Auseinandersetzung mit dem Rechtsextre-mismus“ im Juni 2001 in Frankfurt a.M. sagte.Geht man somit davon aus, dass benachteiligteJugendliche gefährdeter sind, in die rechteSzene abzurutschen, kommt den Maßnahmender beruflichen Bildung, in denen letztendlichein Teil dieser Jugendlichen versammelt ist,verstärkt die Aufgabe präventiver und gegen-steuernder Arbeit zu.

Unterteilt man (nach Jochen Sonntag in:U. Hirschfeld, U. Kleinert, Zwischen Aus-schluß und Hilfe) die Jugendlichen nach fol-genden Blöcken:

I. rechtsextrem organisierten, II. rechtsextrem orientierten, III. rechts orientierten, IV. politisch nicht festgelegten und V. demokratisch engagierten Jugendlichen,

so ist die Mehrzahl der Jugendlichen in denBerufsbildungszentren sicherlich bei den poli-tisch nicht festgelegten einzuordnen, wie Prakti-ker des IB bestätigten. Rechtsextrem orientiertsind einzelne Teilnehmer; der Anteil rechtsOrientierter variiert, nimmt aber einen zweitenSchwerpunkt ein, während demokratisch Enga-gierte nur selten in den Kursen zu finden sind(die in der Klassifizierung fehlenden linksextre-men Jugendlichen spielen in den BBZ keineRolle). Zur Unterscheidung der Blöcke II undIII: Der Identifikationsgrad mit Bruchstückenrechtsextremer Ideologien ist in Block III nichtso hoch wie in dem durch zusätzliche Bereit-schaft zu rechter Gewalt gekennzeichnetenBlock II (vgl. Sonntag, ebenda). Nach Sonntagist eine Arbeit politischer Aufklärung und Er-ziehung zur Demokratie ab Block III aufstei-gend in zunehmendem Maße möglich und sinn-voll. Auf diese Gruppen konzentriert sich dievorliegende Zusammenstellung von Arbeitsma-terialien.

■ Didaktische Bemerkungen

Keine Didaktik – für sich allein – reicht aus,um mit Erfolg auch die Jugendlichen zu er-reichen, die mit rechtem Gedankengut infiziertoder ausländerfeindlich, geschweige dennins rechte Lager abgeglitten sind, formuliertManfred Büttner in seiner Einführung zu„Braune Saat in jungen Köpfen“, dem aktuel-len Standardwerk für Unterricht und Erzie-hung gegen Rechtsextremismus und Gewalt.Aber er fordert, besonders von Schulen undanderen Bildungseinrichtungen sowie der So-zialpädagogik, wenigstens einen Anfang zumachen.

In diesem Sinne versteht sich dieses Kon-zept als ein Beitrag zur stärkeren Verankerungpolitischer Inhalte, die Ausländerfeindlichkeitund Rechtsextremismus thematisieren, in denMaßnahmen der beruflichen Bildung. Es stellteinen Anfang dar, insofern es mit kleinenSchritten die Auseinandersetzung mit diesenThemen aufnimmt, unkompliziert einsetzbareUnterrichtseinheiten liefert, die sowohl dieLernbedingungen benachteiligter Jugendlicherberücksichtigen als auch der Tatsache Rech-nung tragen, dass die Unterrichtenden in derRegel keine politischen Bildner sind. Die Leh-rerinnen und Lehrer in Berufsvorbereitungs-und Stützkursen, gegebenenfalls auch Sozialpä-dagogen und Ausbilder, sollen mit Hilfe derHandreichung auch ohne entsprechende Lehr-erfahrungen die Themen aufgreifen und dieMaterialien einsetzen können. Die Basismateri-alien wollen zur vertiefenden Weiterarbeit her-ausfordern; Möglichkeiten dazu sind jeweilsaufgezeigt, können individuell ergänzt werdenoder durch Nachlieferung erweiterter Materia-lien komplettiert werden. Auch die Form derHandreichung als erweiterbare Blattsammlungentspricht dem Vorhaben, einen Anfang zumachen; Fortsetzung ist intendiert.

Bei dem Teil Jugendlicher in den Maßnah-men, die rechten Einstellungen zustimmen, sollebenfalls ein Anfang bewirkt werden. Mit denUnterrichtseinheiten dieser Handreichung kön-nen sicherlich keine rechten Orientierungen indemokratisches Bewusstsein gewandelt wer-den, aber es wäre schon ein Erfolg, wenn beidiesen Jugendlichen hinter den Ausrufezeichen

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am Ende verinnerlichter rechter Parolen einFragezeichen erscheinen würde.

Die Zielsetzung ist jedoch je nachZusammensetzung der Teilnehmergruppen weit-reichender. „Die politische Bildung kann dieUrsachen von Rechtsextremismus, Rassismusund Gewalt nicht beseitigen, aber darüber auf-klären und so einen wichtigen Beitrag zurWeiterentwicklung der politischen Kultur leis-ten“, schreibt Christoph Butterwegge, einer derführenden Rechtsextremismusforscher (in:„Braune Saat in jungen Köpfen“, S. 188). Undweiter: „Trotz verbreiteter Zweifel an ihrerRealisierung sollten kritisches Denken, Kon-fliktfähigkeit und -bereitschaft, solidarischesVerhalten, Möglichkeiten demokratischer Parti-zipation, Perspektiven gesellschaftlicher Eman-zipation und Maßnahmen zur Integration von(ethnischen) Minoritäten ins Zentrum politi-scher Bildung rücken, die rationale Aufklärungbetreiben und die bestehende Gesellschaft ver-ändern will“ (ebenda, S. 189). Daraus abgeleitetwird hier eine aktive gedankliche Auseinander-setzung mit gesellschaftlichen Fakten undHintergründen sowie Positionen und Ausprä-gungen rechten Gedankenguts für notwendigerachtet, die Gegenargumente entwickelt. Diezusammengestellten Materialien wollen mitargumentativ-rationalen wie sinnlich-emotiona-len Zugängen die Wertschätzung demokrati-scher Strukturen und Prozesse, die Achtung vordem Leben und solidarisches Denken und Han-deln erzielen. Ziel ist weder eine unkritischeFremdenfreundlichkeit noch eine Toleranzgegenüber Fremden, die im Sinne des Wortes(tolerare = dulden) als Duldung durch Höherste-hende verstanden wird, sondern eine Einstel-lung der Gleichwertigkeit aller Menschen.

Diese Ziele sollen exemplarisch anhand derBearbeitung folgender Themen verfolgt wer-den: ❚ Vorurteile und Diskriminierung, ❚ Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, ❚ Ausländer in Deutschland, ❚ Flucht und Asyl, ❚ Rechtsextremismus heute, ❚ Nationalsozialismus in Deutschland.

Zu den ersten fünf Themen (zum letzten nurbedingt) haben die Jugendlichen unserer Ziel-

gruppe durchweg Berührungspunkte. Sie sindin ihrem Alltag in unterschiedlichen Rollen –als Jugendliche ausländischer Herkunft oder alsDeutsche – konfrontiert mit Diskriminierung,Ausländerfeindlichkeit, Rassismus, Rechtsex-tremismus und Gewalt. Diese Erscheinungenkommen aus der Mitte der Gesellschaft, werdenaber bei Jugendlichen besonders auffällig (vgl.„Braune Saat in jungen Köpfen“, Einführung).Von daher tangieren diese Themen die Jugend-lichen, und es gibt persönliche Erfahrungen undErlebnisse, die im Sinne von Subjektorientie-rung politischer Bildung mit politischen Inhal-ten verbunden werden können.

Ein Ansatzpunkt dazu ist auch die Teilnahmean den jeweiligen Maßnahmen der beruflichenIntegration. Da diese auf Abbau von Benachtei-ligungen angelegt sind, Chancen für persönli-che Perspektiven eröffnen, befinden sich dieTeilnehmer in einem Prozess neuer und positi-verer Beschäftigung mit ihrer Zukunft. Hierbietet sich auch eine Zugangsmöglichkeit fürReflexion von politischen Kategorien. Eine vor-teilhafte Rahmenbedingung dafür ist ebenfallsdie feste, über einen längeren Zeitraum beste-hende Gruppenstruktur in den Maßnahmen, diegegenseitiges Kennen bedingt, Einschätzungenvon Eingangsverhalten wie Gruppenprozessenermöglicht und individuellen Spielraum für dieEinbettung der vorliegenden Unterrichtsreihenin die Maßnahmen bietet.

Weniger einfach als bei den ersten fünf The-menblöcken ist die Beschäftigung mit der Ver-gangenheit, die im sechsten Thema beabsich-tigt ist, denn insbesondere unsere Zielgruppeneigt dazu, Geschichte als Aneinanderreihungzusammenhangloser Ereignisse zu sehen. Wenneine Verengung von Zukunft empfunden wird,stellt sich Zeit als eine Abfolge von Gegenwar-ten dar; Geschichtsbewusstsein geht so verlo-ren, referierte Prof. Dr. Heitmeyer auf der obenerwähnten Tagung in Frankfurt. Für dieBeschäftigung mit den gegenwärtigen Erschei-nungsformen des Rechtsextremismus ist jedocheine Auseinandersetzung mit dem real existie-renden Nationalsozialismus in der deutschenVergangenheit unerlässlich. Die aktuelle Rele-vanz wird bereits dadurch deutlich, dass dasWort „Nazi“ ebenso wie „Jude“ zu einergebräuchlichen Vokabel in Jugendkreisen

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geworden ist, aber in der Regel ohne histori-schen Bezug und differenziertes Hintergrund-wissen verwendet wird.

Als am Ende stehendes Thema wird derNationalsozialismus in dieser Handreichungals Annäherung an die Anfänge des DrittenReichs und die Judenverfolgung aufgegriffen.Dies geschieht zum einen über den Erwerb vonWissen über die Alltagsgeschichte des Natio-nalsozialismus unter Einbeziehung individuel-ler Erfahrungsschilderungen und Wechsel vonPerspektiven, zum anderen über Vergleiche mitaktuellen Erscheinungsformen, somit durchTransfer von Inhalten vorheriger Unterrichts-reihen.

In allen Unterrichtssequenzen ist besondererWert darauf gelegt, dass den Jugendlichen posi-tive Präsentationsmöglichkeiten eröffnet wer-den. Gerade die schulischen Vorerfahrungenvon benachteiligten Jugendlichen, für die Bil-dung oft mit Scheitern und Demütigungenverbunden war, erfordern eine Unterrichtsge-staltung, die Erfolgserlebnisse nicht nur ermög-licht, sondern provoziert. Dies bedeutet nicht,dass Sachverhalte vereinfacht werden, sie sol-len vielmehr veranschaulicht werden. Es gilt,die Motivation und das Interesse der Jugend-lichen zu wecken, um eine Bereitschaft zuselbstständiger Weiterbeschäftigung mit denInhalten zu fördern und diesbezügliches Enga-gement zu initiieren. In diesem Zusammenhangkommt der Methodenwahl eine tragendeBedeutung zu.

Zwar ist die Förderung von Engagement,Einmischung und Beteiligung besonders imFalle benachteiligter Jugendlicher ein hochgestecktes Ziel, dennoch soll es trotz der Nie-drigschwelligkeit der Lernreihen verfolgt wer-den. Ob am Ende des Themas „Fremdenfeind-lichkeit und Rassismus“ das Aushandeln vonRegeln für den Sprachgebrauch in der Gruppesteht oder am Ende der Beschäftigung mit„Flucht und Asyl“ eine Collage, ein Aushangoder eine Unterschriftenliste zur Solidaritätsbe-kundung im Eingangsbereich der Einrichtungausgehängt wird, hängt natürlich von der jewei-ligen Lerngruppe und dem spezifischen Verlaufdes Unterrichts ab. Aber Anregungen dazu sindin der Handreichung zu finden und sollten

ernsthaft verfolgt werden. Da Jugendliche lautErgebnis von Studien am ehesten bereit sind,sich in ihrem persönlichen Umfeld zu engagie-ren, bieten das Berufsbildungszentrum und einedort angesiedelte Mitgestaltung Ansatzpunktefür demokratische Beteiligungsformen.

■ Methodische Bemerkungen

Um die zuvor benannten Ziele zu erreichen,sind in der Methodik die Auswahl und Ausrich-tung nach den zielgruppenspezifischen Erfor-dernissen benachteiligter, bildungsungewohnterJugendlicher ausschlaggebend. Das bedeutetan erster Stelle, dass die „Textlastigkeit“, diein herkömmlichen Unterrichtskonzepten zumThema immer noch vorherrscht, vermiedenwerden muss. Umfangreiche Textarbeit über-fordert die Teilnehmer nicht nur von ihremsprachlichen Vermögen, ihrer Konzentrations-fähigkeit, den Anforderungen an abstraktesDenken u.a., sondern demotiviert sie zudemdurch die Besetzung mit negativen schulischenErfahrungen. Das Lesen spielt bei ihnen alsAneignungsform in der Lebensbewältigung eineuntergeordnete Rolle. Gleiches gilt für ununter-brochenes Zuhören etwa bei langatmigen Leh-rervorträgen. Methodische Gleichförmigkeit imLernprozess schlechthin bringt die Jugendlichendazu, schneller abzuschalten bzw. sich ander-weitig abzulenken.

Die Methodenwahl dieser Handreichungachtet deshalb auf Methodenvielfalt und -wechsel. Sie will die Jugendlichen zum Redenbringen, Diskussionen provozieren und demUnterrichtsgespräch Vorrang geben, die Lehrer-dominanz abbauen. Die Planung ist offen ge-staltet und soll von den Unterrichtenden auchso gehalten werden, damit auf Gesprächsbe-dürfnisse, Fragen und Emotionen der Jugend-lichen eingegangen werden kann. Die Materia-lien sind so aufgebaut, dass kognitives undaffektives Lernen sich ergänzen, unterschiedli-che Fähigkeiten und Sinne angesprochen wer-den, um entsprechend individueller Stärkenoder Präferenzen Erfolgserlebnisse zu ermög-lichen, so das Selbstbewusstsein als Lernenderzu stärken und schlichtweg Spaß am Lernenzu fördern. Nur so können in der Zielgruppe

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Selbsttätigkeit, aktives Lernen und Handlungs-bereitschaft wie -kompetenz erzielt werden.

Das Spiel als Methode wird vor allem inden Motivationsphasen benutzt, und zwarsowohl als Rollen- oder Simulationsspiel alsauch in der Variante des Quiz- und Gesell-schaftsspiels. So ist als Einstieg in die Gesamt-thematik das „Spiel vom Sich-kennen undSich-fremd-Sein“ entwickelt worden, das dieJugendlichen nicht nur subjektorientiert auf diefolgenden politischen Inhalte einstimmt, son-dern sie für die Auseinandersetzung mit sichund anderen als (politisch) Handelnde und Ent-scheidende sensibilisiert. Es wurde in Anleh-nung an das Quiz „Zwischen Müllfahrer undManager“, das die Erfurter Brücke e.V. fürSchulabgänger und Berufseinsteiger herausgab,entworfen und hat schon von der Spielideeder gegenseitigen Verhaltenseinschätzung imWettbewerbsmodus motivierenden Charakter.Es provoziert unmittelbar Meinungsäußerun-gen, Fragen und Diskussionen zu politischenInhalten aus den sechs Themenkomplexen,leitet zu diesen über und kann auch zu späterenZeitpunkten an Schnittstellen wiederholtwerden.

Die Arbeitsmaterialien versuchen so weitwie möglich auf schriftliche Texte zu verzich-ten. Ersatzweise werden Bilder, Fotos, Zeich-nungen, Karikaturen, Grafiken, Diagramme undSchaubilder in den Erarbeitungsphasen heran-gezogen. Wenn Textarbeit unumgänglich ist,wurde darauf geachtet, dass die Texte kurz ge-halten sind und nicht allein bearbeitet werden,sondern in Partner- oder Gruppenarbeit. Textein Dialogform, Musiktexte, die zunächst gehörtund dann gelesen werden, Bildergeschichtenoder – bei Möglichkeit – Texte aus dem Internetwollen attraktive Alternativen zu „Bleiwüsten“darstellen.

Die Wichtigkeit des Unterrichtsgesprächsgerade in der politischen Bildung mit möglichstbreiter Beteiligung der Jugendlichen wurdebereits herausgestellt. Diskussionen werdendurch Spiele, Materialien mit unerwartetenAussagen oder provozierenden Inhalten sowieFragen aufwerfenden Gegenüberstellungenforciert, in Rollenspielen auch in strukturierterForm eingeübt. Ergebnissicherung soll nichtnur durch die Unterrichtenden und auf der

Wandtafel, sondern auf Folien, Karten, Wand-zeitungen erfolgen.

Entsprechend vielfältig soll der Medien-einsatz sein. Je nach Ausstattung kommenneben Arbeitsblättern und Tafel auch Overhead-Projektor, Musikanlage, PC, Spielmaterialien,Videogerät und Filmprojektor zum Einsatz.

Die Methoden und ein häufiger Methoden-wechsel wollen insgesamt mit Abwechslungs-reichtum die Konzentrationsbereitschaft und -fähigkeit der Teilnehmer stärken, Interessenwecken, argumentativ-rationale mit sinnlich-emotionalen Unterrichtsformen verbinden undAktivität fördern. Falls möglich sollten Gele-genheiten zur räumlichen Abwechslung genutztwerden, etwa das Hinausgehen ins Freie, wie esdas Rollenspiel „Wie im richtigen Leben“ er-fordert. Aber auch Besuche, Begegnungen undGespräche außerhalb der Einrichtung – hierwären Expertenbefragungen oder Meinungsum-fragen denkbar – können individuell eingebautwerden. Verweise auf Möglichkeiten dazu, wiezum Einsatz von Filmen, zu anschließendenAktionen oder Projekten, befinden sich in dendidaktisch-methodischen Empfehlungen zu denjeweiligen Unterrichtsreihen.

■ Hinweise zur Benutzung derHandreichung

Das nachfolgende Einstiegsspiel sollte aufjeden Fall zu Beginn gespielt werden, da esauf die Gesamtthematik einstimmt; es kannjedoch an anderen Stellen wiederholt werden.Die Abfolge der sechs Themen wie auch inner-halb der Unterrichtsreihen stellt einen praktika-blen Vorschlag dar, der je nach Lerngruppen-bedürfnis auch abgewandelt werden kann.

Die Einbettung der Lerneinheiten in dieMaßnahmen wird je nach Kurs und Lehrplanvariieren. Denkbar wäre ein Einsatz in derOrientierungsphase, fortlaufend im Sozialkun-deunterricht, sofern dafür ein Stundenkontin-gent besteht, aber auch fächerübergreifend, ineingeschobenen Blöcken oder bei aktuellenAnlässen, etwa Konfrontationen mit Fremden-feindlichkeit und rechtsextremen Einstellungenin der Gruppe.

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Von den Unterrichtenden wird in diesemZusammenhang Fingerspitzengefühl erwartet,die Platzierung individuell zu gestalten. DieMaterialien sind so dargeboten und kommen-tiert, dass sie in der Regel unmittelbar benutztwerden können und die Unterrichtsplanung fürdie Lehrenden stark erleichtern, so dass beiBedarf Zeit für eine fachlich-inhaltliche Vorbe-reitung verbleibt. Zu diesem Zweck ist eineLiteraturliste mit ausgewählten Titeln angefügt.Es wird jedoch davon ausgegangen, dass sichdie inhaltlichen Zusammenhänge aus der Mate-rialzusammenstellung selbst erschließen. Vor-aussetzung für die Lehrenden ist dagegen einekritische Selbstreflexion eigener Positionen zuden Themen; eine demokratische Überzeugungist Grundbedingung für die pädagogischeArbeit gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeitund Rechtsextremismus.

Die Handreichung ist so aufgebaut, dasssich innerhalb der sechs Unterrichtsreihendie didaktisch-methodischen Empfehlungenjeweils vor den Arbeitsmaterialien befinden.

Die Materialien sind so präsentiert, dass siedirekt als Kopiervorlagen nutzbar sind. Diedidaktisch-methodischen Empfehlungen ent-halten Hinweise zur Vorbereitung und zumAblauf, Tipps für die Unterrichtenden undVerweise auf ergänzende Materialien, Anre-gungen zur Weiterarbeit sowie für möglicheAnschluss-Aktionen oder -Projekte. Sie sindin Einstieg, Arbeitsschritte und Weiterarbeituntergliedert.

Nach den Literaturempfehlungen, ganz amEnde der Handreichung, ist ein Fragebogenangefügt, auf dem die Teilnehmer Rückmel-dung zum Unterricht geben können. DieserBogen könnte am Ende einzelner Themenkom-plexe eingesetzt werden, um dem Unterrichten-den Aufschlüsse über die individuelle Wirkungdes Unterrichts und damit Anhaltspunkte fürdie weitere Planung zu geben.

Die Handreichung ist auf Ergänzung undErweiterung angelegt; daher sind Rückmeldun-gen jeglicher Art erwünscht.

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Das Einstiegsspiel 2

Das Einstiegsspiel

Das Spiel vom Sich-kennen und Sich-fremd-Sein will

in Quizform auf die folgenden Unterrichtsreihen

einstimmen und für die Auseinandersetzung mit sich

selbst und anderen sowie politischen Fragen und

Einstellungen sensibilisieren.

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Das Einstiegsspiel 2

Vorbereitung: Die 28 Fragekarten werdenauseinander geschnitten und vom Unterrichten-den auf Papp- oder Karteikarten geklebt. DieSpieler erhalten je drei leere, gleichfarbigeKarten, die erste beschriften sie mit einem gro-ßen A, die zweite mit einem B und die drittemit einem C. Die Namen aller Spieler werdenaufgelistet. Danach werden die Fragekartengemischt und mit der Rückseite nach oben indie Mitte gelegt.

Spielablauf: Alle Jugendlichen spielen mit; dieLehrerin oder der Lehrer leitet das Spiel undführt die Punkteliste. Der Spieler, der amAbend zuvor am spätesten ins Bett gegangenist, fängt an. Er zieht eine Karte vom Stapelund liest die Frage und die drei Antworten lautvor. Dann überlegt er sich, welche Antwort aufihn am ehesten zutrifft, und legt entsprechendder Antwort seine A-, B- oder C-Karte verdecktauf den Tisch. Die Mitspieler müssen nun über-legen, wie sich der Gefragte entschieden hat,und legen die Karte mit ihrem Tipp (A, B oderC) verdeckt vor sich ab. Wenn alle Karten lie-gen, werden sie aufgedeckt. Der Gefragte erhältfür jede Übereinstimmung einen Punkt. JederMitspieler, der ihn richtig eingeschätzt hat,erhält ebenfalls einen Punkt. Anschließend istder im Uhrzeigersinn nächste Spieler an derReihe und nimmt eine neue Karte vom Stapelund so weiter.

Spielende: Je nach Zeit, Gruppengröße undLänge der Zwischendiskussionen kann dieSpieldauaer eine oder mehrere Runden umfas-sen. Jeder Spieler muss aber gleich oft Gefrag-

ter gewesen sein. Der oder die Spieler mit denmeisten Punkten hat/haben gewonnen. Je nachLerngruppe und Entscheidung des Unterrich-tenden könnte(n) der oder die Gewinner einenPreis erhalten.

Ziele des Spieles und Empfehlungen zurSpielleitung: Das Spiel ist ein Einstiegsspielund soll die Lernenden auf die folgenden The-menkomplexe einstimmen. Es macht denJugendlichen in der Regel Spaß und motiviertsie zur Beschäftigung mit den Themen. Gleich-zeitig sensibilisiert es für eine Auseinanderset-zung mit sich selbst und den anderen. Es sollFragen aufwerfen, unterschiedliche Einstellun-gen beleuchten und Diskussionen auslösen.Auch mittendrin, zwischen den Fragen, darfund soll gelegentlich in Kurzform ein Aus-tausch stattfinden (kann vom Lehrer durchgezielte Fragen auch provoziert werden). DieInhalte größeren Diskussionsbedarfs können ander Wandtafel festgehalten werden, um nachSpielende ausführlicher diskutiert zu werden.Davon lässt sich dann gut zu den anschließen-den Lerneinheiten überleiten.

Das Spiel kann – auch mit den Schülern –um Fragekarten ergänzt werden und lässt sichauch zu späteren Zeitpunkten im Laufe derUnterrichtsreihen wiederholen.

Die Spielidee basiert auf dem Spiel „Zwi-schen Müllfahrer und Manager“, einem Quizfür Schulabgänger und Berufseinsteiger, dasvon der Erfurter Brücke e.V. herausgegebenwurde.

Das Spiel vom Sich-kennen und Sich-fremd-Sein

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Das Einstiegsspiel 2

Glaube ich, dass arbeitslose Jugendliche selbstdaran schuld sind, wenn sie keine Stelle fin-den?

A Ja, denn „jeder ist seines GlückesSchmied“.

B Nein, die Politiker sind daran schuld.C Für einige trifft das zu, die kümmern sich zu

wenig.

Wie reagiere ich, wenn im Supermarkt die Ver-käuferin an der Käsetheke eine Ausländerinbeschimpft, weil sie nicht schnell genug sagenkann, was sie wünscht?

A Ich tue, als ob ich nichts gehört hätte.B Ich schimpfe mit, weil ich so lange warten

muss.C Ich bin der Kundin behilflich und übersetze

so gut ich kann.

Wo möchte ich am liebsten leben?

A In einer interessanten Großstadt mit vielenbunten Menschen.

B In einer gemütlichen Kleinstadt, wo ich diemeisten Leute kenne.

C Auf dem Lande, wo noch viel Natur ist.

Die neuen Wohnungsnachbarn sind Marokka-ner und haben mich zu einem Einstand einge-laden.

A Ich glaube, ich lasse mir eine Entschuldi-gung einfallen. Ich weiß ja gar nicht, wie ichmich da verhalten soll.

B Da gehe ich auf jeden Fall hin, denn daswird bestimmt eine spannende Sache.

C Mit denen will ich nichts zu tun haben.

Im Betrieb ist der Radiorecorder aus dem Pau-senraum geklaut worden. Der Chef beschuldigtden türkischen Kollegen.

A Ich finde das ungerecht und vorschnell undsage das dem Chef auch.

B Wird schon stimmen, dem traue ich das zu.C Solange er mich nicht beschuldigt, ist mir

das egal.

Der neue Mitschüler ist echt uncool gekleidet.Lade ich ihn trotzdem zu meiner nächstenParty ein?

A Bestimmt nicht, da blamiere ich mich ja beiden anderen Gästen.

B Warum nicht? Vielleicht steckt hinter ihmmehr, als man denkt.

C Vielleicht gebe ich ihm mal einen Tipp, wasfür Klamotten besser aussähen.

Was tue ich, wenn ich sehe, dass in meinerNähe ein Mädchen belästigt wird?

A Gar nichts, was geht mich fremdes Elendan.

B Na sofort einmischen, so was kann mandoch nicht zulassen.

C Andere Leute oder notfalls die Polizei umMithilfe bitten.

In meiner Stammdisco ist ein Farbiger vomTürsteher nicht hereingelassen worden.

A Da gehe ich auch nicht mehr hin, und ichwerde allen Freunden sagen, dass wir unseinen anderen Laden suchen.

B Das kann ich verstehen, denn das hättebestimmt Ärger gegeben.

C Schade, den hätte ich gern mal tanzengesehen.

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Das Einstiegsspiel 2

Im Bus sind nur noch 3 Sitzplätze frei. Ich setzemich ...

A neben die junge Asiatin.B neben meinen Lehrer.C neben eine Rentnerin.

Wo würde ich am liebsten meinen nächstenUrlaub verbringen?

A Möglichst weit weg, ich will was von derWelt sehen.

B In meinem Heimatland.C Am Mittelmeer, auf einem Campingplatz

direkt am Strand.

Als Motto passt zu mir am ehesten:

A Man braucht gute Freunde, der Rest istnicht so wichtig.

B Geld und Macht, darauf kommt es an imLeben.

C Neugierig bleiben auf alles Unbekannte undAbwechslungsreichtum machen das Lebenlebenswert.

Meine Clique und ich haben Langeweile. MeinVorschlag könnte sein:

A irgendwo ein Video zu gucken.B was Sportliches zu machen, Fußball oder

Basketball spielen, Schwimmen gehen.C Ich schlage gar nichts vor; wenn wir einfach

draußen abhängen, passiert vielleichtirgendwas.

Wenn ich ein Zimmer zu vermieten hätte, wemwürde ich es geben?

A Einem Kriegsflüchtling aus dem ehemaligenJugoslawien.

B Einem Computerspezialisten aus Indien.C Einem afrikanischen Studenten aus Nigeria.

Ich fühle mich von meinem Chef ungerechtbehandelt.

A Ich versuche, mit ihm in Ruhe darüber zureden und eine Lösung zu finden.

B Ich rege mich fürchterlich auf und zieheüber ihn her.

C Ich bin der Meinung, dass man nichts dage-gen tun kann.

Auf meinem Heimweg liegt ein Asylbewerber-Wohnheim.

A Ich nehme lieber einen kleinen Umweg inKauf, damit ich nicht daran vorbei muss.

B Ich gucke schon neugierig hin, wer da lebtund wie die leben.

C Ich gehe daran lang wie an jedem anderenHaus auch.

Was halte ich von meinem Mitschüler, der füreinen Ausbildungsplatz in eine ziemlich weitentfernte Stadt ziehen will?

A Schön blöd, für eine Ausbildung verlässtman doch nicht alles, was einem etwasbedeutet hat.

B Ganz schön mutig, was da wohl alles aufihn zukommt.

C Am liebsten würde ich mit ihm tauschen.

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Das Einstiegsspiel 2

An der Ecke zu meiner Straße stehen 3Jugendliche, die ich nicht kenne und noch niehier gesehen habe. Ich bin allein.

A Die wollen bestimmt Ärger mit mir anfan-gen. Besser ich wechsele die Straßenseite.

B Na und, hier kann schließlich jeder stehen.C Ich mache mich etwas größer und demon-

striere irgendwie Stärke, das kann nichtschaden.

Die Musik auf dem Fest ist echt gut, aber alsich auf den Text achte, höre ich rechte Parolenraus.

A Der Text interessiert mich nicht. Haupt-sache, es kommt gute Stimmung rüber.

B Da habe ich keinen Bock drauf. Ichschnappe mir meine Freunde und gehe.

C Ich spreche den DJ drauf an und schlageihm vor, was anderes aufzulegen.

In meiner Clique werden Witze erzählt. Einererzählt einen Judenwitz.

A Da hört der Spaß auf. Was den Juden pas-siert ist, sollte man nicht veralbern.

B Na und, es werden doch auch Witze überTürken oder auch Deutsche, z.B. die Ost-friesen, erzählt.

C Ich sage demjenigen, dass er sich wie einNazi verhält.

Wie finde ich einen Jugendaustausch miteinem anderen Land?

A Nicht besonders, aber besser als der All-tagstrott.

B Grässlich, da muss man vielleicht auchnoch Englisch sprechen.

C Das würde mir Spaß machen.

Würde mich die Mitarbeit in einem Jugendpar-lament in der Kommune reizen?

A Klar doch, dann könnte ich mich für dieInteressen von jungen Leuten einsetzen.

B Da werde ich mit meiner Meinung dochsowieso nicht ernst genommen.

C Das Gerede da würde mich bestimmt totallangweilen.

Wenn mir der Ausbilder komisch kommt, knalleich ihm dann die Klamotten vor die Füße?

A Das ist das wenigste, was ich machenwürde.

B Ich bleibe cool und sage ihm, dass ich dieSache anders sehe.

C Ich schlucke meine Wut erst mal runter,aber danach sollte mich besser niemandansprechen.

„Alle Deutschen sind ordentlich und fleißig, Ita-liener dagegen reden lieber, als dass sie arbei-ten.“ Diesen Spruch finde ich ...

A einfach falsch, das sind doch nur Vorurteile.B zu verallgemeinernd. Wenn Einzelne so sind,

muss das nicht für alle gelten.C richtig, denn das haben Erfahrungen bewie-

sen.

Zufällig habe ich mitbekommen, wie eineGruppe Jugendlicher einen Fremden, der ganzallein war, verprügelt hat.

A Ich würde sofort zur Polizei gehen und eineAussage machen.

B Da halte ich mich raus. Wer weiß, was sonstan Scherereien auf mich zukommt.

C Ich berate mich mit Freunden, wie ich michverhalten soll.

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Das Einstiegsspiel 2

Ich darf bei der nächsten Kommunalwahlwählen.

A Ich versuche, mich so gut wie möglich dar-über zu informieren, was die Parteien undKandidaten vorhaben.

B Ich weiß jetzt schon genau, welche Parteimeine Stimmen kriegt.

C Ich würde nicht zur Wahl gehen.

Welche Unterrichtsfächer interessieren micham meisten?

A Sport und Englisch.B Mathe und andere Naturwissenschaften.C Deutsch und Geschichte.

Welche Arbeitsstelle würde ich auf keinen Fallannehmen?

A In einem Betrieb, zu dem ich fast eineStunde Arbeitsweg habe.

B Die, wo mir schon bei der Vorstellung derVorgesetzte und die Kollegen unsympa-thisch waren.

C Eine Stelle mit unregelmäßigen Arbeitszei-ten, die auch am Wochenende liegen kön-nen.

AC

Worauf könnte ich zukünftig am ehesten ver-zichten?

A Auf ein Handy.B Auf einen Hund.C Auf ein Auto.

B

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Vorurteile und Diskriminierung 3

Unterrichtsreihe 1

Vorurteile und Diskriminierung

Diese Lernreihe fragt nach dem Wesen und der

Funktion des Vorurteils, will Gegenargumente zu

bestehenden Vorurteilen aufzeigen, die Ausein-

andersetzung mit Diskriminierungen fördern und

Argumentationsmuster beleuchten.

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■ Einstieg

Den Einstieg bildet das Spiel „Was bin ich?Deutsch oder nicht deutsch?“ (M 1.1). JederLernende bekommt eine Kopie der 16 Fotosund kreuzt alleine seine Tipps an. Die Auswer-tung erfolgt gemeinsam (evtl. foliengestützt perOverhead-Projektor), und die Punkteverteilungwird an der Tafel/auf der Flipchart o.ä. für allesichtbar notiert. Nach der Siegerehrung wirddarüber gesprochen, wie jeder vorgegangen ist,an welchen Äußerlichkeiten er seine Entschei-dungen festgemacht hat, was er für typischdeutsch hält. Bei welchen Fotos haben sichbesonders viele falsch entschieden und warum?Das Unterrichtsgespräch wird auf das Thema„Vorurteile“ gelenkt (z.B.: Hat man sich vonersten Eindrücken, Verallgemeinerungen oderVorurteilen lenken lassen?) und leitet über zum1. Arbeitsschritt.

1. Arbeitsschritt

Der Fragebogen „Ist das ein Vorurteil?“(M 1.2) wird ausgeteilt. Die Teilnehmer füllenin Kleingruppen (3 – 4 Personen) in Ruhe denFragebogen aus. Im anschließenden Unter-richtsgespräch sollen die verschiedenen Mei-nungen zum Thema „Vorurteil“ offen gelegtund erste Elemente einer Definition des schwerzu fassenden Begriffs herausgearbeitet und ander Wand festgehalten werden. Eröffnungs- undStrukturierungsfragen können sein: ❚ Bei welchen Aussagen fiel die Beurteilung

besonders leicht?❚ Welche Aussagen sind eindeutig vorurteils-

voll, welche nicht?❚ Worauf gründet sich das Urteil?❚ Warum fällt die Beurteilung mancher Aussa-

gen schwer?

2. Arbeitsschritt

Den ersten Definitionsversuchen folgt einegenauere Bestimmung mit Hilfe des Textes„Urteil – Vorausurteil – Voraburteil – Vorur-

teil“ (M 1.3), der in Partnerarbeit, jeweils zuzweit, bearbeitet wird. Die Ergebnisse zuArbeitsauftrag 1 werden gemeinsam auf Folieoder an der Wand gesichert. Nach Besprechungder Arbeitsaufträge 2 und 3 werden die Aussa-gen des Fragebogens (M 1.2) erneut aufgegrif-fen, um mit Hilfe der neuen Erkenntnisse klarerbeurteilt zu werden. 2 Aussagen werden darauf-hin für die weitere Arbeit detaillierter betrachtetund mit nötigen Hintergrundinformationen ge-füllt.

3. Arbeitsschritt

Zuerst wird der Text „BMW-Fahrer drän-geln“ (M 1.4) in Gruppenarbeit bearbeitet,dann die Aussage „Die Ausländer in Deutsch-land sind krimineller als die Deutschen“ unter-sucht. Dies erfolgt anhand eines foliengestütz-ten Vortrags (M 1.5 – M 1.7), der deutlichmachen soll, wie schnell eine zunächst statis-tisch belegbare Feststellung zum Vorurteil wird.(Es geht nicht darum, das Ausmaß der von Aus-ländern begangenen Straftaten klein zu rechnenoder zu verharmlosen, sondern es soll aufge-zeigt werden, dass man zu falschen, Vorurteilebestärkenden Schlussfolgerungen kommt, wennman einen unzulässigen Vergleich aufstellt.)

„Kriminalität in Deutschland im Ver-gleich“ (M 1.5) wird auf Folie kopiert präsen-tiert, wobei der untere Teil zunächst mit einemBlatt Papier verdeckt wird; die Statistik stelltden unzulässigen Vergleich grafisch dar. DieGründe dafür, dass der Vergleich hinkt, werdendann Punkt für Punkt aufgedeckt und bespro-chen. Zur Erläuterung von Punkt 3 werden die2 Grafiken von M 1.6 vergrößert und auf eigeneFolien kopiert. Der Ausländeranteil nachAltersgruppen und die Deutschen Tatver-dächtigen nach Altersgruppen werdenzunächst einzeln besprochen und dann überein-ander gelegt. Es wird deutlich, dass der Auslän-deranteil an der Wohnbevölkerung in jenenAltersgruppen besonders hoch ist, in denen sichauch für die Deutschen besonders hohe Tatver-dächtigenzahlen ergeben.

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Vorurteile und Diskriminierung 3

Didaktisch-methodische Empfehlungen

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Die Grafik M 1.7 zeigt abschließend, wiesich der Anteil der Nichtdeutschen an denTatverdächtigen verringert, wenn man diegenannten Verzerrungsfaktoren schrittweise ausder Kriminalstatistik herausrechnet und nur dasmiteinander vergleicht, was wirklich vergleich-bar ist. Dies reduziert schon den ursprünglichenWert von 28 % auf nahezu die Hälfte, nämlich15 %. Darüber hinaus müssten noch weitereFaktoren berücksichtigt werden, die sich aller-dings kaum statistisch erfassen lassen. Diesewerden vom Unterrichtenden als Input vorge-tragen:

❚ Es ist zu vermuten, dass Ausländer von derdeutschen Bevölkerung schneller angezeigtund von der Polizei stärker beobachtet wer-den.

❚ Der Anteil der Ausländer an den Verurteiltenist in der Regel niedriger als ihr Anteil anden Tatverdächtigen. Nicht jeder Verdächtigeist schuldig.

❚ Es müssten soziale Faktoren wie Wohnum-feld, Großstadteinflüsse, Arbeitslosigkeit etc.berücksichtigt werden. Unter Ausländern istder Anteil arbeitsloser junger Männer, die inGroßstädten leben, höher als unter Deut-schen. Diese Gruppe wird insgesamt schnel-ler straffällig.

4. Arbeitsschritt

Könnte es sich bei der Aussage vom kriminelle-ren Ausländer also um ein reines Vorurteil han-deln? Die abschließende Diskussion wird miteiner weiteren Folie eröffnet, die den Verfrem-dungseffekt nutzt. M 1.8 zeigt mit derselbenLogik, mit der die hohe Ausländerkriminalitätvermeintlich nachgewiesen wird, die besondershohe Berlinerkriminalität. Die Gegenargu-mente haben die Teilnehmer sicher leicht parat:dass man einen Stadtstaat nicht mit Flächen-staaten vergleichen kann; dass gerade in Groß-städten besonders viele Straftaten begangenwerden, und dies auch von Personen, die nichtzur Wohnbevölkerung zählen; dass man dieSozialstruktur und die Höhe der Arbeitslosig-keit berücksichtigen müsse etc. Kaum einerkäme auf die Idee, die hohe Kriminalitätsratedes Landes Berlin mit der Mentalität, der Kul-tur oder gar der Veranlagung der Berliner zu

erklären. Warum werden diese Größen nicht beiden Berlinern, aber bei den Ausländern heran-gezogen?

5. Arbeitsschritt

Mit der Geschichte vom andorranischenJuden (M 1.9) werden die Wirkungsweisen undFolgen sozialer Vorurteile angesprochen. DerText wird in Partnerarbeit bearbeitet. Dafür undebenso für die Besprechung der Ergebnissesollte genügend Zeit eingeräumt werden. ImUnterrichtsgespräch sollte der Begriff „Diskri-minierung“ eingeführt und definiert werden.Die Lernenden sollen aktuelle Beispiele vonDiskriminierungen in Deutschland finden. Wäh-rend der Diskussion über diese Beispiele sollauch die Frage erörtert werden, wie man sichselbst verhalten kann, wenn man Zeuge vonvorurteilsvollen Zuweisungen oder Diskrimi-nierungen wird.

6. Arbeitsschritt

Den Abschluss der Unterrichtsreihe bildet einRollenspiel, das die Lernenden wiederum unterNutzung des Verfremdungseffekts in die Rollenvon Vorurteilenden und von Gegenargumentie-renden schlüpfen lässt und so entsprechendeVerhaltensmuster erlebbar macht. Der Text„Briefträger“ (M 1.10), ein Beitrag von Köl-ner Kabarettisten, wird zunächst vom Lehrervorgelesen/vorgetragen. Die Gruppe soll danneine Diskussion spielen, in der sich die Gegnerder Briefträger mit den Verteidigern der Brief-träger auseinander setzen. Dazu bilden die Ler-nenden in freier Wahl 2 Gruppen, die den Textausgehändigt bekommen und sich auf die Dis-kussion vorbereiten, indem sie Argumente sam-meln. Gruppe A sammelt Vorwürfe und „Fak-ten“ gegen die Briefträger; Gruppe B sammeltArgumente und Punkte gegen die Anfeindungvon Briefträgern.

Nach der Vorbereitungszeit darf Gruppe Adie Diskussion eröffnen, in die der Lehrer nichteingreift, sie aber beendet, wenn sie sich leerläuft. Danach werden die Teilnehmer zunächstgefragt, wie sie sich in ihrer Rolle gefühlthaben. Auswertungsfragen könnten sein: Wel-

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Vorurteile und Diskriminierung 3

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che Gruppe hat es in der Diskussion leichtergehabt? Welche Gruppe ist sachlicher geblie-ben? Hat eine der beiden Gruppen die andereüberzeugen können? Warum fiel es Gruppe Bschwer, auf bestimmte Argumente zu reagie-ren? Was hätte B anders machen können? Wel-che Argumentationsmuster waren jeweilserkennbar?

Auf jeden Fall sollte am Ende eine Übertra-gung der Ergebnisse auf reale Vorurteile gegenGruppen und Diskriminierungen erfolgen. DieTeilnehmer sollen dahinter stehende Argumen-tationsmuster erkennen und Anregungen füreigenes Verhalten in der Konfrontation mit sol-chen Mustern gewinnen. Empfehlenswertes

Verhalten ist in den „Tipps zum Umgang mitStammtischparolen“ (M 1.11) aufgelistet,die vom Unterrichtenden als Inputs in das Ab-schlussgespräch eingebracht werden können.

■ Weiterarbeit

Anregung für eine weitere und vertiefende Ar-beit zu diesem Themenblock könnte die Erstel-lung einer Wandzeitung sein, auf der währendder Unterrichtsreihe und danach Fakten gegenverschiedene bestehende Vorurteile gesammeltwerden. Diese Wandzeitung müsste ständigaushängen, so dass sie von den Teilnehmernkontinuierlich weitergeführt werden kann.

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Vorurteile und Diskriminierung 3

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Vorurteile und Diskriminierung 3M 1.1

Was bin ich?

Deutsch oder nicht deutsch? Das große Strandspiel.

So funktioniert es: Die 16 folgenden Fotos sind auf Mallorca gemachtworden. Darauf sind genau 8-mal deutsche Urlauber abgebildet, 8-malUrlauber aus anderen Ländern. Es gibt auf den Fotos keine gemischtenGruppen, die aus verschiedenen Nationalitäten bestehen.

Ziel des Spiels ist zu erkennen, wer die Deutschen sind. Jeder gibt pro Bildseinen Tipp ab und bekommt für jeden richtigen Tipp einen Punkt – imbesten Fall also 16 Punkte. Gewinner ist, wer am Ende die meisten Punktehat.

(Das Spiel und die Fotos wurden freundlicherweise zur Verfügung gestelltvon der Süddeutschen Zeitung. Aus: Süddeutsche Zeitung, SZ Magazin vom13. 7. 2001, Fotos: Ingo Robin)

Auflösung

1 Jeroen Frans aus Holland2 Veronica, Javi, Jasabel und Paco aus Spanien3 Barbara und Manuela aus Deutschland4 Rui Miguel und Tania aus Portugal5 Bob aus England6 Peter und Horst aus Deutschland7 Abel Silva, Maria Fernanda mit Tochter Franciska aus Portugal8 Katie aus England9 Dirk und Heiko aus Deutschland

10 Alice und Veronica aus Tschechien11 Joachim und Michael aus Deutschland12 Melanie und Maike aus Deutschland13 Olaf aus Deutschland14 Marion aus Deutschland15 Ralf, Hildegard, Lotti und Sabine aus Deutschland16 Celine und Laura aus Frankreich

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Ist das ein Vorurteil?

Bitte kreuzen Sie jeweils an, ob es sich Ihrer Meinung nach um ein Vorurteil handelt oder nicht.

Das ist ein Vorurteil. Das ist kein Vorurteil.

Lehrer sind ungerecht. � �

Die Franzosen verstehen es, gut zu leben. � �

Straßenverkäufer sind Betrüger. � �

BMW-Fahrer sind Angebertypen � �

und drängeln auf der Autobahn.

Die Deutschen sind tüchtiger als die meisten � �

anderen Nationen und werden aus Neid kritisiert.

Ältere Leute haben eine größere Lebenserfahrung. � �

Bei „Haustürgeschäften“ sollte man besonders � �

vorsichtig sein.

Türken sind irgendwie anders als Deutsche. � �

Die Ausländer in Deutschland sind krimineller � �

als die Deutschen.

Dicke Menschen sind gemütlich. � �

Die Jugend wird immer gewalttätiger. � �

Frauen achten beim Autokauf nur auf die Farbe. � �

nach: Klaus Ahlheim, Bardo Heger: Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit, Schwalbach/Ts. 1999

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Vorurteile und Diskriminierung 3M 1.2

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Urteil – Vorausurteil – Voraburteil – Vorurteil

Jeder kennt das: Man trifft einen Menschen oder sieht ein Foto und schließt von wenigen Ein-zelheiten auf die gesamte Person. Einstellungen und Einschätzungen, die ohne großes Nach-denken vorab getroffen werden, gehören zum Alltag dazu. Sie sind sogar hilfreich. Wie icheinen Kunden einschätze und bediene, ohne eine umständliche Denkpause einzulegen, hängtvon einem Vorausurteil ab. Solche sozialen Wahrnehmungen sind harmlos, da sie dem einennutzen, ohne dem anderen zu schaden. Sie können außerdem zurückgenommen werden,wenn man mehr über den Betreffenden erfährt.

Anders ist dies beim Vorurteil, das immer mit negativen Gefühlen anderen gegenüber verbun-den ist. Von Vorurteilen spricht man bei falschen oder einseitigen Bewertungen von Personen.Wenn ein Lehrer bei schwachen Schülern mehr Fehler findet als bei guten Schülern, beruhtdies auf Vorurteilen, die er hat.

Besonders problematisch sind Vorurteile gegenüber Gruppen von Menschen und deren ein-zelne Mitglieder. Sie nennt man soziale Vorurteile, weil sie das Zusammenleben in der Gesell-schaft beeinflussen. Sie sind stets mit Ablehnung, Feindlichkeit und sogar Hass verbunden undstempeln eine Gruppe als negativ ab. Soziale Vorurteile werden in der Regel nicht selbst gebil-det, sondern übernommen. Sie sitzen tiefer als bloße Meinungen und lassen sich nur schwerkorrigieren.

Es gibt viele Definitionen des Vorurteils. Die kürzeste stammt von Gordon W. Allport und lautet:„Von anderen ohne ausreichende Begründung schlecht denken.“

Arbeitsaufträge:

1. Tragen Sie die Merkmale der sozialen Wahrnehmung und des Vorurteils in folgende Liste ein.

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Vorurteile und Diskriminierung 3M 1.3

2. Wodurch unterscheiden sich die beiden?

3. Nennen Sie Beispiele für soziale Vorurteile.

Soziale Wahrnehmung (Soziales) Vorurteil

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Arbeitsauftrag:

Wie beurteilen Sie die Aussage „BMW-Fahrer sind Angebertypen und drängeln auf der Autobahn“ nach demLesen des obigen Zeitungsartikels?

Handelt es sich um ein Vorurteil oder keins?

Kann man die Aussage so stehen lassen, oder muss man sie verändern?

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Vorurteile und Diskriminierung 3M 1.4

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Warum der Vergleich „hinkt“

❚ Gegen 30 Prozent der nichtdeutschen Tatverdächtigen wurde wegeneines Verstoßes gegen das Ausländer- oder das Asylverfahrens-gesetz ermittelt. Diese Delikte können Deutsche gar nicht begehen.

❚ 31 Prozent der nichtdeutschen Tatverdächtigen werden von derBevölkerungsstatistik nicht erfasst (z.B. Touristen, Stationierungs-streitkräfte und deren Angehörige, „Illegale“).

❚ Unter Ausländern sind solche Altersgruppen stärker vertreten, dieauch unter Deutschen häufiger Straftaten begehen.

Quelle: Klaus Ahlheim, Bardo Heger: „Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit“, Schwalbach/Ts. 1999

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Kriminalität in Deutschland im Vergleich

Quelle: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes und der Polizeilichen Kriminalstatistik

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Quelle: Klaus Ahlheim, Bardo Heger: „Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit“, Schwalbach/Ts. 1999

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Quelle: Klaus Ahlheim, Bardo Heger: „Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit“, Schwalbach/Ts. 1999

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Quelle: Klaus Ahlheim, Bardo Heger: „Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit“, Schwalbach/Ts. 1999

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Die Geschichte vom andorranischen Juden

Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch hat das Buch „Andorra“ geschrie-ben, das so beginnt: „In Andorra lebte ein junger Mann, den man für einen‚Juden’ hielt.“ Die Andorraner sagen ihm Eigenschaften nach, die nach ihrerMeinung für einen Juden „typisch“ sind: „einen ausgeprägten Geschäfts-sinn, das Streben nach Geld, einen scharfen, kalten Verstand, die fehlendeVaterlandsliebe“ usw.

Der junge Mann wehrt sich gegen diese Unterstellungen, die die Andorranerihm immer wieder zuschreiben. Er möchte genauso akzeptiert werden wiedie anderen jungen Leute um ihn herum. Doch beharrlich und zunehmendsehen die anderen in ihm den Juden. Im Laufe der Zeit wird er immer unsi-cherer und entdeckt mehr und mehr die ihm nachgesagten Eigenschaften ansich selbst. Schließlich wird er so, wie ihn die anderen sehen und immergesehen haben.

Er wird immer stärker verachtet und abgelehnt. Die Feindlichkeit ihm gegen-über gipfelt darin, dass er getötet wird. Nach seinem Tod stellt sich heraus,dass er gar kein Jude war, sondern ein Findelkind, dessen Eltern man späterentdeckt hat. Er war ein Andorraner wie all die anderen.

nach: Zeitlupe 33, „Vorurteile“, Bundeszentrale für politische Bildung

Arbeitsaufträge:

1. Gegen wen werden in der Geschichte überhaupt Vorurteile gerichtet?2. Welche Folgen von Vorurteilen werden beschrieben? Listen Sie die Auswirkungen der

Reihe nach auf.3. Welche Gründe könnten die Andorraner für ihr Verhalten gehabt haben?4. Was hätte passieren müssen oder getan werden können, damit die Geschichte

anders ausgeht? Notieren Sie Ideen dafür.

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Vorurteile und Diskriminierung 3M 1.9

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Vorurteile und Diskriminierung 3M 1.10

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Tipps zum Umgang mit „Stammtischparolen“

❚ In der Konfrontation mit „Stammtischparolen“ ist immer der bzw. die in der Defen-sive, der/die sich von diesen Parolen abgrenzen will.

❚ Es ist ausgesprochen schwierig, eine Gegenargumentation zu vertreten, denn imGegensatz zu den zugespitzten Schlagworten und Parolen, die in den „Stammtisch-parolen“ stecken, sind die angesprochenen Themen bzw. Inhalte wesentlich komple-xer und differenzierter.

❚ Vor allem sind die Ebenen verschieden, auf denen sich der „Stammtischparolen“schwingende Mensch und der dagegen Argumentierende begegnen. Die Ebenen lau-ten:– Emotionalität vs. Rationalität und – Schlagworte vs. Differenziertheit.

❚ Aber Logik und direktes Nachfragen können wirkungsvolle Gegenstrategien sein.

❚ Allerdings ist die Überzeugungskraft von richtigen Informationen teilweise zu bezwei-feln, denn auf Grund der kognitiven Dissonanz zwischen eigener Überzeugung undGegenargument werden die gegebenen Gegeninformationen unter Umständen nichtwahrgenommen, sondern einfach umgedreht und passend gemacht.

❚ Vorsicht mit Belehrungen, diese schaffen Abwehr.

❚ Ebenso provozieren pathetisch oder moralisierend vorgetrageneGegenbeispiele/Gegenargumente Abwehr.

❚ Außerdem muss jede Form von Überheblichkeit vermieden werden.

❚ Im Gespräch sollten die Lebensumstände der Gesprächspartner berücksichtigt wer-den und eine Rolle spielen.

❚ Beim Gespräch sollte immer nur eine Argumentationslinie durchgespielt werden.

❚ Beim Gespräch sollte auch auf Kooperationspartner geachtet werden, auf eventuelleVerbündete.

❚ Entscheidender als der Kontrahent, der „Stammtischparolen“-Schwingende, könnenunter Umständen die unentschiedenen anderen Anwesenden sein. Sie können even-tuell einfacher überzeugt werden.

Siehe ausführlicher in: Klaus-Peter Hufer, „Argumentationstraining gegen Stammtischparolen“,

Wochenschau Verlag, 2. Auflage 2001

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Vorurteile und Diskriminierung 3M 1.11

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Fremdenfeindlichkeit und Rassismus 4

Unterrichtsreihe 2

Fremdenfeindlichkeit und Rassismus

Diese Lernreihe zeigt Erscheinungsformen von Fremden-

feindlichkeit auf, fragt nach der Bedeutung von Rassismus

und seinen Ausprägungen und will die Auseinandersetzung

mit Verhaltensweisen von Achtung und Akzeptanz gegen-

über dem Anderen eröffnen.

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■ Einstieg

Zum Einstieg bekommen die Teilnehmer je eineKopie der Bilder von Personen (M 2.1) vorge-legt. Sie sollen sich je eine Person aussuchen,die sie sympathisch finden und mit der sie gernKontakt aufnehmen möchten, sowie eine Per-son, mit der sie nichts zu tun haben möchtenund die sie unsympathisch finden. Die Entschei-dungen werden dann zusammengetragen (Bilderevtl. als Folie visualisieren), und die einzelnenTeilnehmer sollen Gründe für ihre Entscheidungangeben. Im Anschluss daran erfolgt die Aus-wertung mit der Frage „Wovon haben wir unsbei der Entscheidung leiten lassen?“. Die Frage,welche Rolle das fremde Aussehen mancherPersonen dabei gespielt hat, leitet zum Themahin.

1. Arbeitsschritt

Die Witze auf M 2.2 werden auf Folie kopiertund per Overheadprojektor einer nach demanderen präsentiert. Es handelt sich bei allendreien um Türkenwitze, die verfremdet wurdenund durch das Einsetzen anderer Nationalitätenkeinen Sinn mehr ergeben. Nach Spontanäuße-rungen der Teilnehmer wird die Frage gestellt,warum die Witze nicht lustig sind und was je-weils nicht stimmt. Wie müssten die Franzosen,Bayern, Schweden sein, damit ein Witz darauswürde? Diese Eigenschaften werden aber Ange-hörigen einer anderen Nationalität unterstellt –welcher und warum? Die entstehende Diskus-sion soll Fremdenfeindlichkeit thematisieren.Ausländerwitze sind eine Ausdrucksform vonFremdenfeindlichkeit; weitere enthalten dieMaterialien M 2.3 bis M 2.5.

2. Arbeitsschritt

Die Texte „In Bus und Bahn“ (M 2.3) und„Wohnungssuche“ (M 2.4) werden arbeitstei-lig bearbeitet. Die Hälfte der Gruppe widmetsich in Partnerarbeit M 2.3, die andere Hälfte

bearbeitet ebenfalls zu zweit den Text M 2.4.Anschließend schildern sich die Gruppenzunächst gegenseitig die in ihren Textenbeschriebenen Erlebnisse von Fremden, dannwerden die Ergebnisse der Arbeitsaufträge ander Tafel oder Flipchart gesammelt und bespro-chen. Der Besprechung der Ergebnisse zuArbeitsauftrag 3 sollte viel Zeit eingeräumtwerden, bevor M 2.5 auf Folie präsentiert wird.Die Tabelle „Fremdenfeindliche Straftatenin 1998“ liefert die aktuellsten zugänglichenZahlen zu strafbaren Handlungen aus fremden-feindlichen Motiven als extremster Ausdrucks-form von Fremdenfeindlichkeit. Sie wird imoffenen Unterrichtsgespräch bearbeitet.

3. Arbeitsschritt

Die folgenden Materialien (M 2.6 bis M 2.13)beruhen auf dem Buch „Papa, was ist einFremder?“, einem Bestseller des aus Marokkostammenden, französischen Literaten TaharBen Jelloun. Die Idee zu dem Buch entstand,als dessen zehnjährige Tochter begann, ihmFragen nach Fremdenfeindlichkeit und Rassis-mus zu stellen, die er für die Tochter verständ-lich beantworten musste. Dieser Hintergrundsoll den Teilnehmern gesagt werden, bevor siesich selbst in die Rolle eines Elternteils verset-zen sollen. Wie würden sie ihrer eigenen zehn-jährigen Tochter antworten? M 2.6 wird aufFolie präsentiert, und zunächst wird nur dieFrage „Was ist ein Fremder?“ aufgedeckt. DieSchüler entwerfen dann eigene Antworten,bevor die Antwort von Tahar Ben Jelloun auf-gedeckt und besprochen wird.

4. Arbeitsschritt

Gleichfalls auf Folie werden dann 5 weitereFragen (M 2.7) präsentiert. Die Teilnehmerdürfen sich aussuchen, welche der fünf Fragensie ausführlicher bearbeiten wollen. Es solltenaber alle Fragen und möglichst jeweils zu zweitbearbeitet werden. Je nach Entscheidung wer-

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Fremdenfeindlichkeit und Rassismus 4

Didaktisch-methodische Empfehlungen

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den die Antworten (M 2.8 bis M 2.12) an dieZweiergruppen verteilt, die sich in der Part-nerarbeit darauf vorbereiten, der gesamtenGruppe mit eigenen Worten die Antworten vor-zutragen. Der Unterrichtende sollte für dieAuswertungsphase Zeit, zusätzliche Erklärun-gen und Diskussionsspielraum einplanen.

5. Arbeitsschritt

Abschließend wird wiederum auf Folie dieFrage „Was kann ich denn tun gegen Frem-denfeindlichkeit und Rassismus?“ (M 2.13)eingeblendet. Auch hier sammeln die Lernen-den zuerst eigene Ideen und Vorschläge, die ander Wand festgehalten werden, bevor die Ant-wort auf der Folie aufgedeckt und gemeinsambesprochen wird.

■ Weiterarbeit

Die Diskussion über die Frage der eigenenHandlungsmöglichkeiten könnte je nach Lern-gruppe in eine weiterführende Aktivität mün-den, mit der die Gruppe einen eigenen Beitraggegen Fremdenfeindlichkeit setzt. Hierbei sollteman an die zuvor gesammelten Ideen der Teil-nehmer anknüpfen. Als Vorschlag sei eine Mög-lichkeit benannt: die Aufstellung von Regelnfür einen Sprachgebrauch ohne die Benutzungfremdenfeindlich besetzter Wörter oder Zusam-menhänge. Diese Regeln könnten z.B. enthal-ten: die Vermeidung von „Killwörtern“ wie Asy-lant, Wirtschaftsflüchtling etc.; die Vermeidungvon Schimpfwörtern mit rassistischem Hinter-grund wie Jude, Vergasung etc.; die Unterlas-sung von Verallgemeinerungen über eine Natio-nalität; die Überprüfung von Sprüchen, Witzeno.ä. auf Fremdenfeindlichkeit usw.

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Fremdenfeindlichkeit und Rassismus 4

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Fremdenfeindlichkeit und Rassismus 4M 2.1

Quelle: Evangelisches Jugendbüro & katholisches Jugendamt Bonn (Hrsg.): Endlich Farbe bekennen. Bonn o.J., S. 51

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Fremdenfeindlichkeit und Rassismus 4M 2.2

Witze?

Frage: Warum stellt die Stadt jetzt gläserne Mülltonnen auf?

Antwort: Damit die Franzosen auch einmal einenSchaufensterbummel machen können.

Frage: Die Bayern haben vier hohe Feiertage, welche?

Antwort: Ramadan, Winterschlussverkauf,Sommerschlussverkauf und Sperrmüll.

Frage: Woran erkennt man ein schwedischesVerkehrsflugzeug?

Antwort: Am Dachgepäckträger.

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Fremdenfeindlichkeit und Rassismus 4M 2.3

Arbeitsaufträge:

1. Worin besteht in den beiden Beispielen die Fremdenfeindlichkeit?

2. Welche Ursachen sehen Sie für diese Fremdenfeindlichkeit, und welche Auswirkun-gen hat sie auf die Betroffenen?

3. Welche anderen Beispiele von Fremdenfeindlichkeit kennen Sie aus dem Alltag?Haben Sie derartige Vorfälle schon einmal selbst erlebt oder beobachtet?

In Bus und Bahn

DARMSTADT. „Einmal saß ich im Bus, ich habe michnach vorne gesetzt. Der Busfahrer hat mich gesehen undzu mir gesagt, ich muss nach hinten gehen, mich hinten hin-setzen. Damals habe ich geweint. Ich habe die ganze Zeitgeweint, weil ich viel darüber nachdenken musste, warum.Vielleicht durfte ich nicht vorne sitzen, weil ich schwarzbin“ – das ist einer Frau aus Sierra Leone im Bus zwischenMessel und Darmstadt passiert.

Von seinen Erlebnissen in der Straßenbahn erzählt ein Gha-naer: „Da gibt es diese gegenüberliegenden Sitze, vier Leutekönnen da sitzen. Gerne würde ich mit drei anderen Leutenzusammen dort sitzen. Aber selbst wenn die Straßenbahntotal voll ist, sind die Plätze neben und gegenüber von mirimmer leer.“

Zwei Geschichten von vielen, die zeigen, dass es vor allemdiese täglichen „Kleinigkeiten“ sind, die Menschen andererNationen oder Hautfarbe das Leben in Deutschland Tag fürTag schwer machen – in öffentlichen Verkehrsmitteln, aufder Straße, am Arbeitsplatz, bei der Wohnungssuche, inFlüchtlingsunterkünften oder Behörden.

aus: Frankfurter Rundschau vom 17.10.1996

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Fremdenfeindlichkeit und Rassismus 4M 2.4

Arbeitsaufträge:

1. Worin besteht in dem Beispiel die Fremdenfeindlichkeit?

2. Welche Ursachen sehen Sie für diese Fremdenfeindlichkeit, und welche Auswirkun-gen hat sie auf die Betroffenen?

3. Welche anderen Beispiele von Fremdenfeindlichkeit kennen Sie aus dem Alltag?Haben Sie derartige Vorfälle schon einmal selbst erlebt oder beobachtet?

Wohnungssuche

HANNOVER. Abby A. ist in Nigeria geboren, in London aufgewach-sen und britische Staatsbürgerin. Sie lebt seit drei Jahren bei Bekanntenin Hannover, hat einen festen Job, nette Kollegen und Bekannte. Dannwill Abby, die als EDV-Administratorin bei einem großen hannover-schen Unternehmen arbeitet, sich eine eigene Wohnung suchen und be-ginnt Wohnungsanzeigen in der Zeitung zu sichten.

Erster Versuch: eine Zwei-Zimmer-Altbauwohnung im Stadtteil List.Der Vermieter ist am Telefon sehr freundlich und lädt die 28-Jährigezum Besichtigungstermin ein. Dass sie farbig ist, erzählt sie nicht. „Ichhabe gar nicht darüber nachgedacht.“ Als Abby dem Mann schließlichgegenübersteht, mustert er sie von oben bis unten. Ob sie wirklich dieDame sei, mit der er telefoniert habe? Und dann erklärt er plötzlich:„Tut mir leid, die Wohnung ist schon weg.“ Zu Hause sei sie in Tränenausgebrochen, erinnert sich die Diplom-Informatikerin. „Er hat nur aufmeine Hautfarbe geschaut. Ich hatte keine Chance, mich selbst, meinePerson vorzustellen.“

Der zweite Versuch läuft ähnlich. Nachdem der Vermieter erklärt hat,die Wohnung sei vergeben, ruft ein Bekannter von Abby nochmals an –und bekommt einen Termin, um die Räume anzuschauen.

Fortan stellt Abby, die sehr gut Deutsch spricht, schon am Telefon klar,dass sie Schwarze ist. Mindestens 50 Wohnungen sieht sie sich an –ohne Erfolg. „Es gab drei Reaktionen“, berichtet sie. „Manche erklärtensofort, dass sie nicht an Farbige vermieten. Andere sagten, das sei nichtso gut, aber man könne sich ja mal treffen. Die Letzten betonten, siehätten kein Problem damit.“ Aber „als sie mich sahen, haben sie es sichschnell anders überlegt“. Letztendlich findet sie eine kleine Wohnung inder Neustadt, in einem hässlichen Nachkriegsbau. „Es ist eine Bleibe,mehr nicht. Und die Vermieterin hat natürlich auch deutlich zu verste-hen gegeben, dass sie an Schwarze ja eigentlich nicht vermiete.“

nach: Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 29.10.1997

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Fremdenfeindlichkeit und Rassismus 4M 2.5

Straftaten 1998

Versuchte Tötungsdelikte 9

Körperverletzungen 384

Brandanschläge/Brandstiftungen 23

Weitere fremdenfeindliche Straftaten 2.228

Insgesamt 2.644

Fremdenfeindliche Straftaten in 1998

Quelle: Bundesministerium des Innern

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Hör mal Mama, hör mal Papa, was ist einFremder?

Der Wortstamm „fremd“ bedeutet sowohl „von weit her“als auch „nicht dazugehörig“. Ein Fremder kommt alsoaus der Ferne, aus einem anderen Land, manchmal auchnur aus einer anderen Stadt oder einem anderen Dorf.Und ein Fremder ist kein Angehöriger der Familie, desKlans oder des Stammes.

Wenn heute jemand sagt, dass ihm etwas „fremd“ sei,dann meint er damit, dass es sehr anders ist als das, wasman jeden Tag sieht, dass es demnach irgendwie unge-wöhnlich ist, aus der Reihe fällt.

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Fremdenfeindlichkeit und Rassismus 4M 2.6

aus: Tahar Ben Jelloun: „Papa, was ist ein Fremder?“, Hamburg 2000

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Fremdenfeindlichkeit und Rassismus 4M 2.7

Fragen einer zehnjährigen Tochter

Hör mal Mama, hör mal Papa,warum gibt es so gut wie überall Fremden- und Ausländerfeindlichkeit?

Hör mal Mama, hör mal Papa,was ist Rassismus?

Hör mal Mama, hör mal Papa,gibt es eine Rasse, die besser ist als die anderen?

Hör mal Mama, hör mal Papa,was ist ein Sündenbock und ist ein Getto ein Gefängnis?

Hör mal Mama, hör mal Papa,kann auch ein Jude Rassist sein?

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Hör mal Mama, hör mal Papa,warum gibt es so gut wie überall Fremden- undAusländerfeindlichkeit?

„Eine Katze steckt zuerst ihr Gelände ab. Wenn eine andere Katze oderein anderes Tier ihr die Nahrung stehlen will oder ihren Jungen zu nahekommt, verteidigt die Katze ihr Territorium und ihre Jungen mit allen Kräften.Der Mensch ist auch so. Er will sein Haus, seinen Boden, seine Besitztümerhaben und kämpft, um sie zu behalten. Das ist normal; auch jedes Tierkämpft und verteidigt sich, wenn es angegriffen wird.

Der Fremdenfeind aber glaubt, dass jeder Fremde ihm seinen Besitz weg-nehmen will. Er denkt gar nicht darüber nach, ob das stimmt, sondern isteinfach immer argwöhnisch gegenüber Fremden. Dieser Argwohn geht soweit, dass manche Leute einen Fremden angreifen, ohne dass der ihnenirgendetwas getan hat oder etwas wegnehmen wollte.

Dieses Verhalten ist uralt und auch heute noch ziemlich verbreitet undalltäglich, aber deshalb ist es noch lange nicht richtig! Was uns Menschenvon den Tieren unterscheidet, ist doch, dass wir nicht nur von der Natur,sondern auch von der Kultur geprägt sind. Wir reagieren nicht nur unüberlegtund instinktiv, sondern wir können auch nachdenken und dann vernünftighandeln. Weil wir nicht alleine auf der Welt sind, brauchen wir die Kultur. Sielehrt uns friedlich mit anderen Völkern zusammenzuleben und dass andereTraditionen und andere Lebensweisen genauso viel wert sind wie unsereeigenen.“

aus: Tahar Ben Jelloun: „Papa, was ist ein Fremder?“, Hamburg 2000

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Fremdenfeindlichkeit und Rassismus 4M 2.8

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Fremdenfeindlichkeit und Rassismus 4M 2.9

Hör mal Mama, hör mal Papa,was ist Rassismus?

„Rassismus ist ein ziemlich verbreitetes Verhalten, das es in jedem Landgibt und das in manchen Ländern leider so alltäglich geworden ist, dass esvielen schon gar nicht mehr auffällt. Dieses rassistische Verhalten bestehtdarin, anderen Menschen zu misstrauen, sie zu verachten und ungerecht zubehandeln, und zwar nicht, weil sie uns etwas Schlimmes angetan hätten,sondern einzig und allein, weil sie anders aussehen oder aus einer anderenKultur stammen als wir.“

„Nur weil du einem Fremden misstraust, bist du noch kein Rassist. Deinanfängliches Misstrauen ist ganz natürlich, es ist ein Schutzinstinkt, denn duweißt ja noch nichts über die Absichten des anderen, vielleicht will er dichbestehlen oder zusammenschlagen, da bist du besser vorsichtig. Aber diesesMisstrauen wird sich meist in Vertrauen verwandeln, wenn du den anderenkennen lernst. Zum Rassisten wirst du erst, wenn du glaubst, dass derFremde weniger wert ist als du und deshalb weniger gut behandelt werdensollte. Ein Rassist ist jemand, der sich anderen überlegen fühlt (...), er ver-rennt sich in die Idee, dass es verschiedene Rassen gibt, und sagt sich:‚Meine Rasse ist edel und gut, die anderen sind hässlich und bestialisch.‘“

aus: Tahar Ben Jelloun: „Papa, was ist ein Fremder?“, Hamburg 2000

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Hör mal Mama, hör mal Papa,gibt es eine Rasse, die besser ist als die anderen?

„Nein. Im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert wollten zwar einigeHistoriker beweisen, dass es eine weiße Rasse gäbe, die der so genanntenschwarzen Rasse körperlich und geistig überlegen sei. Damals glaubte man,die Menschheit sei in verschiedene Rassen unterteilt. Der Historiker ErnestRenan zum Beispiel, der im neunzehnten Jahrhundert lebte, listete sogar dieMenschengruppen auf, die er als ‚minderwertige Rassen‘ betrachtete: dieafrikanischen Schwarzen, die australischen Ureinwohner und die Indianer.Für ihn verhielt sich ‚der Schwarze zum Menschen wie der Esel zum Pferd‘,das hieß, er war ‚ein Mensch ohne Intelligenz und Schönheit‘!

Heute jedoch wissen wir, dass das alles ein Irrglaube war. Die Wissenschafthat mittlerweile erkannt, dass reine Rassen in der Natur nicht vorkommenund höchstens künstlich, das heißt im Labor, erzeugt werden können, zumBeispiel bei Mäusen. Studien haben ferner ergeben, dass es zwischen einemChinesen, einem Malier und einem Franzosen mehr soziokulturelle als gene-tische Unterschiede gibt.“

aus: Tahar Ben Jelloun: „Papa, was ist ein Fremder?“, Hamburg 2000

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Fremdenfeindlichkeit und Rassismus 4M 2.10

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Hör mal Mama, hör mal Papa,was ist ein Sündenbock und ist ein Getto ein Gefängnis?

„Die Bezeichnung (Sündenbock) rührt von einer Geschichte her, die imdritten Buch Mose erzählt wird. Die Gemeinschaft der Israeliten wählte da-mals einen Bock aus und behaftete ihn symbolisch mit all ihren Sünden.Danach wurde der Bock in die Wüste gejagt. Wenn seitdem jemand seineFehler einem anderen aufbürdet, sagt man, er mache den anderen zuseinem Sündenbock.

Für viele Fremdenfeinde (...) sind die Ausländer die Sündenböcke. Sieverbreiten die Lüge, die Ausländer seien schuld an der Wirtschaftskrise.Jemand, der unglücklich und zornig ist, weil er seine Arbeit verloren hat,braucht einen Schuldigen, an dem er seine Wut abreagieren kann, unddafür ist er bereit, jedwede Dummheit zu glauben. Es ist so viel einfacher,die Ausländer aller Übel und Schandtaten zu bezichtigen, als sich mit deneigentlichen Problemen und den tatsächlich dafür Verantwortlichen aus-einander zu setzen.

,Getto‘ war ursprünglich der Name einer kleinen italienischen Insel vor Vene-dig. Im Jahr 1516 bestimmte man, dass die venezianischen Juden nichtmehr in der Stadt wohnen durften, und schickte sie auf diese Insel.

Wenn man Menschen mit bestimmten Merkmalen (z.B. gleiche Hautfarbe,Religion oder Behinderung) dazu zwingt, sich zu einer Gruppe zusammen-zuschließen und isoliert von allen anderen zu leben, schafft man ein sogenanntes Getto. Das Getto ist eine Art Gefängnis. Es ist in jedem Fall eineDiskriminierung.“

aus: Tahar Ben Jelloun: „Papa, was ist ein Fremder?“, Hamburg 2000

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Fremdenfeindlichkeit und Rassismus 4M 2.11

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Hör mal Mama, hör mal Papa,kann auch ein Jude Rassist sein?

„Ein Jude kann Rassist sein, genau wie ein Araber, ein Armenier, ein Zigeuner,ein Schwarzer ... In jeder Gruppe kann es Leute geben, die rassistischeGefühle und Verhaltensweisen entwickeln d.h. Fremde verachten, mit Feind-lichkeit begegnen und schlechter als andere behandeln). Wer Unrecht erlei-det, wird dadurch nicht unbedingt gerecht. Genauso ist es mit dem Ras-sismus. Ein Mensch, der zum Opfer des Rassismus geworden ist, kann unterUmständen selber der Versuchung des Rassismus erliegen. Es gibt wederrassistische noch nichtrassistische Völker. Unter allen Völkern gibt es Men-schen, die Fremde hassen, und solche, die Fremden freundlich und mitAchtung begegnen.“

aus: Tahar Ben Jelloun: „Papa, was ist ein Fremder?“, Hamburg 2000

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Fremdenfeindlichkeit und Rassismus 4M 2.12

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Hör mal Mama, hör mal Papa,was kann ich denn tun gegen Fremdenfeindlichkeitund Rassismus?

„Ich meine, wir müssen versuchen, die anderen kennen zu lernen, bevor wirsie ablehnen und nichts mehr mit ihnen zu tun haben wollen, bevor wir eineGrenze zwischen uns und den anderen errichten, bevor wir sie ausgrenzen,ja, uns gar vor ihnen ekeln. Zuerst muss man die Achtung vor den anderenlernen. Die Achtung ist wesentlich. Die Fremden fordern ja nicht, dass wir sielieben, sondern dass wir ihre menschliche Würde achten. Jemanden achtenbedeutet, sein Anderssein anzuerkennen und darauf Rücksicht zu nehmen.Das heißt auch zuhören lernen.

Zu Anfang aber solltest du dich vor vorschnellen Urteilen hüten. Andersgesagt: Meide jegliches Vorurteil. Denn vorgefertigte Meinungen über fremdeVölker und Kulturen bilden die Grundlage von Rassismus, Ausländerfeind-lichkeit und Fremdenhass.

Lass mich dir weitere Beispiele für dumme Verallgemeinerungen dieser Artgeben: Schotten sind geizig, Ostfriesen sind dämlich, Zigeuner stehlen,Asiaten sind heimtückisch und so weiter. Jede Verallgemeinerung ist dummund führt in die Irre.“

aus: Tahar Ben Jelloun: „Papa, was ist ein Fremder?“, Hamburg 2000

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Fremdenfeindlichkeit und Rassismus 4M 2.13

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Ausländer in Deutschland 5

Unterrichtsreihe 3

Ausländer in Deutschland

Diese Lernreihe bearbeitet Aspekte und Hintergründe

der Zuwanderung von Ausländern in die Bundesrepublik,

will Einsichten in die Lebenslage von Zuwanderern ver-

mitteln und die Auseinandersetzung mit der Perspektive

einer multikulturellen Gesellschaft bewirken.

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■ Einstieg

Zum Einstieg wird das auf Folie kopierte Fotovon der Begrüßung des einmillionsten Gast-arbeiters (M 3.1) per Overheadprojektor ein-geblendet. Nach Spontanäußerungen der Teil-nehmer soll das Bild beschrieben werden.Fragen zum Hintergrund dieser überschwäng-lichen Begrüßung (die im Gegensatz zu heuteexistierenden Forderungen nach Ausweisungo.ä. steht) leiten über zum nächsten Arbeits-schritt.

1. Arbeitsschritt

Der Text „Die Geschichte der Gastarbeiter“(M 3.2) wird verteilt. Er wird gemeinsam ge-lesen und nach der Klärung von Verständnis-fragen von den Teilnehmern in Partnerarbeitbearbeitet. Die Ergebnisse zu Arbeitsauftrag 1werden im Unterrichtsgespräch gesammeltund zu Arbeitsauftrag 2 an der Wandtafel oderFlipchart festgehalten und gemeinsam interpre-tiert. Zur Besprechung des 2. Absatzes desTextes, in dem die Herkunftsländer aufgezähltsind, wäre es sinnvoll, eine Europakarte auf-zuhängen und die Länder geographisch einzu-ordnen.

2. Arbeitsschritt

In Quiz-Form bearbeiten die Lernenden dieKarte der Bundesrepublik Deutschland(M 3.3) und tragen in Einzelarbeit die Bundes-länder ein. Die Ergebnissicherung findet folien-gestützt statt, wobei Punkte für richtige Ein-tragungen und Zusatzpunkte für das richtigeNennen der Hauptstädte der Bundesländervergeben werden können. Dies stellt die Vor-bereitung für das nächste Arbeitsblatt dar,„Ausländische Bevölkerung in den Bundes-ländern“ (M 3.4), das die Teilnehmer in Part-nerarbeit bearbeiten. Zur Beantwortung desArbeitsauftrags 2 muss dabei auf den Text zurGeschichte der Gastarbeiter zurückgegriffenwerden.

3. Arbeitsschritt

Es schließt sich das Rollenspiel „Wie im rich-tigen Leben“ (M 3.5) an (mit ausführlicher Be-schreibung im Materialteil), das hervorragendzur Erarbeitung der Lebenslage von Zuwan-derern (M 3.6) überleitet. Diesen Text bearbei-ten die Teilnehmer wiederum in Partnerarbeit.Die Ergebnisse zu Arbeitsauftrag 1 werdenanschließend gemeinsam schriftlich gesammelt,zu Arbeitsauftrag 2 und 3 mündlich bespro-chen.

4. Arbeitsschritt

Die Karikatur „Ausländer raus“ (M 3.7)kann nun eingesetzt werden, um die Textarbeitaufzulockern und zur Fiktion „Ausländer raus – was dann?“ (M 3.8) überzuleiten. Die-ses Arbeitsblatt wird vom Lehrer vorgelesen.Nach der Klärung von Verständnisfragen,wobei vor allem die Prozentangaben veran-schaulicht werden sollten, wird es arbeitsteiligin 3 Gruppen mit unterschiedlichen Fragestel-lungen bearbeitet. Für diese Gruppenarbeitsollte ausreichend Zeit eingeplant werden,damit die Gruppen besonders beim 3. Arbeits-auftrag nicht in Zeitdruck geraten. Gleichesgilt für Ergebnissammlung, Auswertung undAbschlussdiskussion.

5. Arbeitsschritt

Die Frage, wie unsere Gesellschaft das Zusam-menleben mit Ausländern besser gestaltenkann (denn ohne Ausländer geht es nicht, vgl.oben), leitet über zur Beschäftigung mit einerPerspektive „Multikulturelle Gesellschaft“(M 3.9). Die Lernenden teilen sich in zweiGruppen auf, die sich mit dem Text auf einePro-Contra-Diskussion zum Thema „Multi-kulturelle Gesellschaft“ vorbereiten. DieseDiskussion soll dann in der strukturierten Formeiner amerikanischen Debatte geführt wer-den. Dabei sitzen sich die zwei Gruppen inzwei Reihen gegenüber; der Lehrer als Diskus-

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Ausländer in Deutschland 5

Didaktisch-methodische Empfehlungen

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sionsleiter sitzt an der Kopfseite, eröffnetdie Diskussion und gibt dem ersten Diskutan-ten auf einer Seite das Wort. Dieser wie jederweitere Redner hat jeweils 1 Minute Zeit(Stoppuhr!). Im Zickzack läuft die Diskussionzwischen Pro- und Contra-Seite hin und herund innerhalb der Seiten von Teilnehmer zuTeilnehmer. Wenn jeder einmal an der Reihewar – oder hin und zurück zweimal – ist dieDiskussion beendet. Im Anschluss erfolgt eineAuswertung, in der nochmals über die Argu-mente und deren Stichhaltigkeit nachgedachtwird. Am Ende wird in geheimer Wahl überdas Pro oder Contra abgestimmt.

■ Weiterarbeit

Eine vertiefende Weiterarbeit zu dem Themakönnte anhand von M 3.10 die Beschäftigungmit den Voraussetzungen einer multikulturellenGesellschaft oder auch eine Auseinanderset-zung mit dem geplanten neuen Zuwanderungs-gesetz sein.Als Aktivität im Anschluss an die Unterrichts-reihe könnte der Entwurf eines Plakates gegenAusländerfeindlichkeit bzw. für ein gutes Zu-sammenleben verschiedener Nationalitäten ste-hen, gegebenenfalls auch die Veröffentlichungdieses Plakates.

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Ausländer in Deutschland 5

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Ausländer in Deutschland 5M 3.1

1964 wurde der einmillionste Gastarbeiter, Armado Sa. Rodriguesaus Portugal, mit einem Blumenstrauß und einem Moped als Geschenkbegrüßt.

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Die Geschichte der „Gastarbeiter“

Mitte der 50er-Jahre setzte in der Bundesrepublik das so genannte Wirtschaftswunder ein.Das war ein enormer wirtschaftlicher Aufschwung, der die Zahl der Beschäftigten enorm stei-gen ließ. Zunächst konnte der Arbeitskräftebedarf noch mit heimkehrenden Kriegsgefangenen,Vertriebenen aus den ehemaligen Ostgebieten und Flüchtlingen aus der DDR abgedeckt wer-den. Aber schon früh erkannten deutsche Firmen und die Bundesanstalt für Arbeit einen kom-menden Arbeitskräftemangel.

Deshalb wurden mit verschiedenen Staaten Abkommen über die Anwerbung und Vermittlungvon Arbeitskräften abgeschlossen: Italien (1955), Spanien und Griechenland (1960), Türkei(1961), Marokko (1963), Portugal (1964), Tunesien (1965), Jugoslawien (1968). Zuerst wurdennur männliche Arbeitskräfte für die schweren Tätigkeiten etwa im Baugewerbe oder in derMetallindustrie gesucht. Bald danach wurden auch Frauen für körperlich leichtere Tätigkeitenim Dienstleistungsbereich und in der Produktion angeworben.

Im November 1973 wurde ein Anwerbestopp erlassen, da sich in der Bundesrepublik eineWirtschaftskrise mit drohender Arbeitslosigkeit abzeichnete. Von diesem Anwerbestopp warenaber Arbeitnehmer aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft ausgeschlossen.Auch der Nachzug von Familienangehörigen der in Deutschland lebenden „Gastarbeiter“ warnatürlich weiterhin möglich.

Von 1955 bis 1973 waren rund 14 Millionen ausländische Arbeitnehmer ins Bundesgebietgekommen, rund 11 Millionen davon kehrten wieder zurück. Zunächst stellten die Italiener dengrößten Teil der ausländischen Arbeitskräfte, heute sind es die Arbeitskräfte aus der Türkei.Von den zur Zeit rund 7,4 Millionen Ausländern in Deutschland leben viele schon in der 2. und3. Generation in der Bundesrepublik. Mehr als die Hälfte der 7,4 Millionen leben länger als10 Jahre hier; ein Fünftel sogar länger als 25 Jahre.

Arbeitsaufträge:

1. Nennen Sie die Gründe für die Anwerbung so genannter Gastarbeiter.Warum wurde der einmillionste Gastarbeiter 1964 mit Geschenken, Presse und viel Öffentlichkeitbegrüßt?

2. Wie und in welchen Phasen entwickelte sich zahlenmäßig die ausländische Bevölkerung in Deutschland?

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Ausländer in Deutschland 5M 3.2

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Tragen Sie die folgenden Bundesländer in die Karte ein:

Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen,Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen,Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen

Welche Länder sind die alten und welche die neuen Bundesländer?

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Ausländer in Deutschland 5M 3.3

Die 16 Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland

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18,2

14

13,9

12,3

12,2

11,2

9,2

7,5

7,4

6,1

5,2

2,3

1,9

1,8

1,4

1,3

59

Ausländer in Deutschland 5M 3.4

Ausländische Bevölkerung in den BundesländernAnteil an der Gesamtbevölkerung Ende 1997 in Prozent

Hamburg

Berlin

Hessen

Baden-Württemberg

Bremen

Nordrhein-Westfalen

Bayern

Rheinland-Pfalz

Saarland

Niedersachsen

Schleswig-Holstein

Brandenburg

Sachsen

Sachsen-Anhalt

Mecklenburg-Vorpommern

Thüringen

Zahlen-Quelle: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Datenreport 1999, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2000

Arbeitsaufträge:

1. Übertragen Sie die Prozentwerte in die Karte der Bundesländer.

2. Wie erklären Sie sich die räumliche Verteilung?

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Ausländer in Deutschland 5M 3.5

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Ausländer in Deutschland 5M 3.5

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Ausländer in Deutschland 5M 3.5

Rollenkärtchen

Ein 18-jähriger marokkanischer Hilfs-arbeiter mit Hauptschulabschluss

Eine 35-jährige ledige deutscheKrankenschwester

Eine 19-jährige türkische Abiturientinmit traditionell muslimischem Hinter-grund

Ein 26-jähriger ghanaischerAsylbewerber, ledig

Der 32-jährige deutsche Inhaber einesFriseursalons

Eine 20-jährige Telekom-Mitarbeiterin,nach der Ausbildung nicht über-nommen

Ein 32-jähriger türkischer Kfz-Mechaniker, arbeitslos

Ein 42-jähriger Spätaussiedler ausKasachstan, früher Lehrer, jetzt in derAltenpflege tätig

Eine 42-jährige ledige philippinischeKrankenschwester

Ein 30-jähriger verheirateter deutscherFacharbeiter mit Festanstellung

Eine 18-jährige deutsche Handels-schülerin mit guten Noten

Die 28-jährige thailändische Ehefraueines deutschen Omnibusfahrers

Ein 17-jähriger Azubi als Holzmechaniker aus Thüringen

Eine 19-jährige Punkerin, jobbt in derKneipe

Eine 20-jährige ledige Schwangere, dieals Aushilfskellnerin arbeitet

Eine 29-jährige deutsche System-elektronikerin in Teilzeit, mit berufstä-tigem Ehemann und einem Kind

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Die Lebenslage von Zuwanderern

Untersuchungen haben ergeben, dass die Chancen auf dem Arbeitsmarkt fürZuwanderer wesentlich schlechter sind als für die einheimische Bevölke-rung. 1998 gab es mit über einer halben Million die bis dahin meistenbeschäftigungslosen Zuwanderer in Deutschland. Die Zahl aller versiche-rungspflichtig Beschäftigten ging von 1994 bis 1998 insgesamt zurück, beiden ausländischen Beschäftigten aber in doppelter Höhe.

Die Zuwanderer haben in der Regel sprachliche Anpassungsprobleme imgastgebenden Land. Sie sind im Durchschnitt niedriger qualifiziert und neh-men häufiger niedrigere Beschäftigungen auf als die Einheimischen.

Zuwanderer werden in unterschiedlichster Weise von Teilen der einheimi-schen Bevölkerung benachteiligt. Die Diskriminierungen reichen vom Vorur-teil bis zur kriminellen Handlung gegen Ausländer. Auch konnten Studienbelegen, dass Arbeitgeber zu einem hohen Grad Migranten bei der Einstel-lung benachteiligen.

Derartige Diskriminierungen behindern die beruflichen und kulturellen Ein-gliederungschancen der Zuwanderer und führen dazu, dass sie in ihrennationalen Gruppen eher unter sich bleiben. Die unterschiedlichen Ausgren-zungen bewirken häufig, dass Migranten die Motivation verlieren, sich vonsich aus um ihre berufliche Zukunft zu kümmern. Sie entwickeln Perspektiv-losigkeit.

Arbeitsaufträge:

1. Welche Benachteiligungen von Zuwanderern werden im Text benannt?2. Nennen Sie weitere Benachteiligungen aus eigenen Beobachtungen oder

Erfahrungen.3. „Früher hat man Arbeitskräfte geworben, aber es kamen Menschen.“

Erläutern Sie diesen Satz.

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Ausländer in Deutschland 5M 3.6

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Ausländer in Deutschland 5M 3.7

Karikatur:Surrey

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Ausländer raus – was dann?

Stellt euch vor: „Stunde Null – die Ausländer verlassen die Stadt Düssel-dorf.“ Das ist natürlich Fiktion. Aber was wäre, wenn? Die nordrhein-westfä-lische Landeshauptstadt Düsseldorf untersuchte, was passieren würde,wenn die Ausländer wegziehen würden.

Von 576.000 Einwohnern Düsseldorfs sind 79.700 Ausländer, das entspricht13,8 % der Bevölkerung. Knapp 33.000 davon zahlen als sozialversiche-rungspflichtige Arbeitnehmer rund 20 Millionen Mark Lohnsteuer und 18Millionen Mark Rentenversicherungsbeiträge im Jahr. Ohne die Ausländerwürden nicht nur diese staatlichen Einnahmen ausfallen, sondern auch ihreKonsumausgaben in der heimischen Wirtschaft. Es entstünde ein Kaufkraft-verlust von mindestens 50 Millionen Mark jährlich, von dem alle Branchenin der Stadt betroffen wären. Weniger Konsumenten bedeuten Umsatzrück-gänge.

Aber auch als Produzenten würden die fehlenden Ausländer eine großeLücke hinterlassen, da sie überwiegend in der Fertigung beschäftigt sind.Der Ausländeranteil beträgt in der Grundstoffverarbeitung 28 %, in der Kon-sumgüterherstellung 21 % und in den Bauberufen 18 %. Würden all dieseBeschäftigten fehlen, könnten ihre Stellen nur unzureichend mit derzeitarbeitslosen Deutschen besetzt werden. Denn ein einfacher Austausch wäremeist nicht möglich, da es neuen Bewerbern am notwendigen Spezialwissenfehlt. In der Metallbearbeitung bleiben z.B. viele Stellen unbesetzt, obwohles genügend Bewerber gibt, die in diesem Beruf eine Anstellung suchen.

Auch Busse und Bahnen würden in der „Stunde Null“ vielfach nicht mehrverkehren, denn die Rheinbahn Düsseldorf beschäftigt viele ausländischeArbeiter im Fahrdienst. Die Müllabfuhr käme zum Erliegen, und viele Bürosund Hotelzimmer würden nicht mehr sauber gemacht. Von den 10.114Beschäftigten der Reinigungsberufe sind 30 % Ausländer. Auch in Kranken-häusern und den Altenheimen würde akuter Personalmangel herrschen.

Schließlich würde die Stadt auch viel von ihrer Gastlichkeit verlieren. Dennein Viertel des Hotelpersonals und mehr als ein Drittel der Kellner sind Aus-länder.

nach: Die Zeit Nr. 7/1992

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Ausländer in Deutschland 5M 3.8

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Arbeitsaufträge für die Gruppenarbeit zum Text „Ausländer raus – was dann?“

Gruppe A: Welche Folgen benennt der Text für die staatlichen und privaten Kassen?

Welche weiteren Auswirkungen ergeben sich daraus für die Stadt?

Malen Sie sich ein Bild aus von Ihrem persönlichen Alltagsleben in der Stadtohne Ausländer. Machen Sie sich Notizen dazu, damit Sie es den anderenGruppen schildern können.

Gruppe B: Welche Folgen benennt der Text für die Industrie?

Was bedeutet das für die weitere Entwicklung der Industrie?

Malen Sie sich ein Bild aus von Ihrem persönlichen Alltagsleben in der Stadtohne Ausländer. Machen Sie sich Notizen dazu, damit Sie es den anderenGruppen schildern können.

Gruppe C: Welche Folgen benennt der Text für den Dienstleistungssektor?

Welche Auswirkungen hat das für die restlichen Bewohner der Stadt?

Malen Sie sich ein Bild aus von Ihrem persönlichen Alltagsleben in der Stadtohne Ausländer. Machen Sie sich Notizen dazu, damit Sie es den anderenGruppen schildern können.

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Ausländer in Deutschland 5M 3.8

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Die Perspektive? Multikulturelle Gesellschaft?

Das Modell der multikulturellen Gesellschaft sieht so aus, dass Menschenverschiedener Herkunft, Religion, Sprache und Hautfarbe, mit unterschied-lichen Lebensstilen und Wertmaßstäben gleichberechtigt und friedlichzusammen in der Bundesrepublik leben. Sie profitieren gegenseitig von ihrerkulturellen Vielfalt. Spannungen und Konflikte werden durch ständigengemeinsamen Austausch und Zusammenarbeit gelöst.

Kritiker werfen ein, dass die Konflikte in einer solchen Gesellschaft zuneh-men werden, da viele Menschen nicht dazu bereit sind, sich auf ein Zusam-menleben unterschiedlichster Kulturen einzulassen. Die Menschen hättenAngst davor, weil alles zu unübersichtlich wird. Die Vielfalt bringt das ver-traute Leben durcheinander. Sie sagen weiter, dass die Grundrechte wieMeinungsfreiheit, Gleichberechtigung von Mann und Frau, das Recht auf dieWürde des Einzelnen und auch die Menschenrechte keineswegs in allenKulturen akzeptiert sind. Ein besonders drastisches Beispiel ist der Aufrufislamischer Fundamentalisten, den Schriftsteller Salman Rushdie wegenangeblicher Beleidigung des Korans zu töten. Dies widerspricht den Grund-sätzen der rechtsstaatlichen Demokratie und wird in Deutschland nicht tole-riert.

Die Befürworter stellen fest, dass Deutschland ein Einwanderungsland istund sowieso eine multikulturelle Bevölkerung hat. Deshalb gehe kein Wegdaran vorbei, die Voraussetzungen für eine multikulturelle Gesellschaft zuschaffen, als Schritt in eine friedliche und menschliche Zukunft. Die kultu-relle Vielfalt bereichert nicht nur das tägliche Leben, sondern die Menschenverschiedener Kulturen können auch viel voneinander lernen. Unser Staatentwickelt sich so weiter zu einer modernen und offenen Gesellschaft. WennMehrheiten und Minderheiten wirklich gleichberechtigt sind, lassen sichKonflikte leichter regeln. Ohne Ausländer, sagen sie, wäre unsere Gesell-schaft nicht harmonischer. Deshalb sei der umgekehrte Weg viel besser, denMenschen ausländischer Herkunft die Chance einzuräumen, in Deutschlandeine neue Heimat zu finden.

Gruppe A sammelt aus dem Text Argumente für eine multikulturelle Gesellschaft undergänzt sie mit eigenen Überlegungen.

Gruppe B sammelt aus dem Text Argumente gegen eine multikulturelle Gesellschaftund ergänzt sie mit eigenen Überlegungen.

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Ausländer in Deutschland 5M 3.9

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Voraussetzungen für eine multikulturelle Gesellschaft

Um eine multikulturelle Gesellschaft in Deutschland zu ermöglichen, sind verschiedene Vor-aussetzungen zu schaffen, die sowohl die Menschen als auch die Politik betreffen. Wer zurmultikulturellen Gesellschaft beitragen will, muss überlegen, wo er in dem unten stehendenSchema ansetzen will und kann.

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Ausländer in Deutschland 5M 3.10

Notwendige Einstellungs-änderungen bei den Deutschen:❚ einschneidende Änderungen

von Lebensgewohnheiten❚ Anerkennung von Gleichwertig-

keit❚ Bereitschaft zum Teilen der

wirtschaftlichen, politischenund gesellschaftlichen Macht

Notwendige Voraussetzungen beiden Nichtdeutschen:❚ einschneidende Änderungen von

Lebensgewohnheiten❚ Anerkennung gemeinsamer gesell-

schaftlicher und rechtlicher Normen❚ Überwindung selbst gewählter Abge-

schlossenheit und Bereitschaft zurÖffnung für die Gesamtgesellschaft

Notwendige Umorientierungenin der Politik:❚ Änderungen der Migrations-

politik, um die Gründe für Fluchtund Migration in den Heimat-ländern zu beseitigen

❚ Änderungen in der Integrations-politik, um den Zuwandererndas Einleben zu ermöglichen

❚ Änderungen der Minderheiten-politik, um die politische, recht-liche und kulturelle Gleichstel-lung zu fördern und abzusichern

nach: Uli Jäger, „Rechtsextremismus und Gewalt“, Verein für Friedenspädagogik Tübingen e.V., März 1993

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Flucht und Asyl 6

Unterrichtsreihe 4

Flucht und Asyl

Diese Lernreihe fragt nach der aktuellen Flüchtlings-

situation, den Fluchtgründen und -zielen. Sie will

die Probleme von Flüchtlingen in der neuen Heimat

klären und Lösungsmöglichkeiten erörtern.

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■ Einstieg

Den Einstieg bildet die Aktivität „Fluchtge-päck“ (M 4.1), mit der den Teilnehmern einGefühl dafür vermittelt werden soll, wie es istzu fliehen. Ablauf und Auswertung sind imMaterialteil detailliert beschrieben. Zur Ergän-zung der Auswertungsphase ist bei entsprechen-der Zugangsmöglichkeit ein Ausflug ins Internetempfehlenswert. Um die Fragen zu dem Asylge-berland Ghana zu beantworten, könnten die Ler-nenden sich die Informationen selbst aus demInternet beschaffen. Dies kann entweder überdie Arbeit mit einer Suchmaschine oder einfa-cher über die Seite www.erdkunde-online.de(dort über Inhaltsverzeichnis Schulen, Länderin-formationen, Länderliste) erfolgen. Falls keinInternet-Zugang besteht, sollte der Lehrer dieentsprechenden Informationen mit einem Inputeinbringen.

1. Arbeitsschritt

Ein Arbeitsblatt mit kurzen Texten zu denStichwörtern Migration und Flucht (M 4.2)liefert erste Informationen zu Wanderungsbe-wegungen und der aktuellen Flüchtlingssitua-tion. Die Inhalte sollten in Partnerarbeit heraus-gearbeitet, gemeinsam besprochen und mit demzusätzlichen Input von Artikel 1 der Menschen-rechtserklärung diskutiert werden.

2. Arbeitsschritt

Dieser Arbeitsschritt widmet sich der Frage,warum Menschen überhaupt aus ihrer Heimatfliehen. Die Weltkarte mit den Fluchtgrün-den (M 4.3) wird auf Folie per Overheadpro-jektor präsentiert. Die Gründe werden gemein-sam herausgearbeitet (schriftlich festgehalten)und mit Beispielen gefüllt. Die Auflistung derhauptsächlichen Herkunftsländer der Flücht-linge, welche durch Punktierung auf der Welt-karte grob markiert werden können, lässt

Schlüsse über die globale Anordnung derFluchtgebiete zu.

3. Arbeitsschritt

Anschließend wird mit dem Text „Die Aufnah-meländer“ (M 4.4) untersucht, welche Staatenund Kontinente die Hauptziele von Flüchtlin-gen sind. Dieser Text sollte von den Teilneh-mern wiederum zu zweit analysiert werden.Das Einblenden der Grafik M 4.5 auf Folieverdeutlicht zusätzlich, dass das Verhältnisvon Flüchtlingen zur einheimischen Bevölke-rung in den afrikanischen Staaten um ein Viel-faches höher ist als in den europäischen unddass Deutschland selbst im europäischen Ver-gleich nicht an der Spitze steht.

4. Arbeitsschritt

Die Grafik „Zuflucht in Deutschland“(M 4.6) gibt die Gesamtzahl ausländischerFlüchtlinge mit 1,6 Millionen an. Auch siewird auf Folie präsentiert, um die etwasschwierigere Untergliederung der Flüchtlingegemeinsam zu erarbeiten. Dabei sollte auchauf den diskriminierenden Begriff „Wirtschafts-flüchtlinge“ eingegangen werden (warumwerden Einwanderer aus Armutsregionen sobezeichnet, statt deutsche Multimillionäre wieBeckenbauer, Schreinemakers oder MichaelStich, die ihren Wohnsitz ins Ausland verlegthaben, so zu nennen?).

5. Arbeitsschritt

Das Arbeitsblatt „Probleme in der neuenHeimat“ (M 4.7) benennt die Schwierigkeitenvon Flüchtlingen im Aufnahmeland. Die Teil-nehmer bearbeiten es in Einzelarbeit; bei derErgebnissammlung an der Tafel/Flipchart wer-den die einzelnen Probleme detaillierter be-

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Flucht und Asyl 6

Didaktisch-methodische Empfehlungen

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sprochen. Die aus dem zweiten Arbeitsauftragresultierende Diskussion soll in die Fragemünden, wie Flüchtlingen geholfen werdenkann.

6. Arbeitsschritt

Der Text „Wie ein Dorf im Allgäu seine Asyl-bewerber schützt“ (M 4.8) zeigt ein Beispieldafür auf, wie Politiker und Bevölkerung fürAsylbewerber aktiv werden können. Nach Ana-lyse und Besprechung des Textes sollten Ideendafür gesammelt werden, was die Teilnehmerselbst beitragen könnten. Ein umsetzbares Bei-spiel liefert der Zeitungsartikel über eineAktion in Hannover, „Namenszüge in Haupt-bahnhöfen“ (M 4.9). Eine solche Aktionkönnte von der Gruppe zum Abschluss derUnterrichtsreihe durchgeführt werden: der Ent-wurf einer Tafel/Wandzeitung o.ä., die zurUnterschriftensammlung im Eingangsbereichdes Berufsbildungszentrums aufgehängt wird.

■ Weiterarbeit

Eine Möglichkeit zu einer vertiefenden Arbeitwäre der Einsatz eines Filmes. Hier zwei Vor-schläge:

Kurzspielfilm „Das Fenster“

Die letzte Station eines Asylverfahrens. SerkanA. und sein Anwalt sitzen einem fünfköpfigenVerwaltungsgericht gegenüber. Während dieJuristen in sachlichem Ton ihre Positionen ein-ander zur Kenntnis bringen, löst die alles ent-scheidende Verhandlung bei Serkan eine Flutvon Erinnerungen aus: Kindheit, Verfolgung,Misshandlung und Flucht ziehen in Bildern anihm vorüber. In seinen Ohren klingt die langeGeschichte seines Gangs durch die Instanzendes Asylverfahrens nach. Als am Ende der Ver-handlung die Abschiebung droht, weiß derBewerber nur einen Ausweg …Farbe – 10 Minuten – ab 16 Jahre – 1991,Video-Verleih z.B. bei der Diözesan-Medien-stelle Erfurt, Tel.: (03 61) 6 57 23 65.

Video-Reportage „Essen à la Karton“

Neben einer kurzen Erklärung zum Thema „Ess-pakete“ kommentieren Flüchtlinge die Situationnach der Änderung des Asylbewerberleistungs-gesetzes. Eine dreiteilige, gespielte Satire illus-triert den Paketinhalt und die Unmöglichkeit,sich davon zu ernähren. Das Video ist parteilichgegen die Zwangsverpflegung von Flüchtlingenund ihre Ausgrenzung aus der Sozialhilfe.7 Minuten – erhältlich bei: Hex/JugendclubCourage, Tel.: (02 21) 52 09 36.

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Flucht und Asyl 6

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Flucht und Asyl 6M 4.1

aus: DGB-Jugend Nord (Hrsg.), „Demokratie macht Schule“, Hamburg 2000

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Flucht und Asyl 6M 4.1

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Migration – Wanderung

Das Wort „migrare“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet wandern.

Die Geschichte der Menschheit ist auch eine Geschichte von Völkerwande-rungen. Schon immer haben sich Menschen auf den Weg gemacht, umwoanders ihre Lebenssituation zu verbessern.

Manche begaben sich freiwillig auf die Wanderung, andere waren dazugezwungen, weil sie flüchten mussten.

Wanderer trafen nie auf eine menschenleere neue Heimat, sondern immerauf Menschen, die schon dort lebten und ihnen misstrauisch oder feindlichbegegneten. Meist dauerte es Generationen, bis Einheimische und Zugewan-derte wirklich zusammenlebten.

Flucht

In diesem Moment befinden sich ca. 49 Millionen Menschen auf der Flucht.26 Millionen gelten als „Vertriebene innerhalb der Grenzen ihres Heimatlan-des“. 23 Millionen haben gerade ihr Herkunftsland verlassen. Die meistenvon ihnen leben nun in Flüchtlingslagern an der Grenze ihrer Nachbarländer,vor allem in Afrika und Asien. 700.000 Menschen „schaffen“ es nach Europa(EU). Flüchtlinge sind unfreiwillige Migranten, die durch Umstände, auf diesie keinen Einfluss haben, zum Verlassen ihrer Herkunftsländer gezwungenwerden. Flüchtlinge werden heute meist als Bedrohung wahrgenommen, alsFremde, die ihre Aufnahme in den reichen Ländern erzwingen, erbitten odererschleichen.

aus: „Demokratie macht Schule“, DGB Landesbezirk Nord, Hamburg 2000

Artikel 1 der Menschenrechtserklärung (UNO)

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sindmit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüder-lichkeit begegnen. (1948)

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Flucht und Asyl 6M 4.2

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Flucht und Asyl 6M 4.3

aus: Uli Jäger, „Rechtsextremismus und Gewalt“, Verein für Friedenspädagogik, Tübingen 1993

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Flucht und Asyl 6M 4.4

aus: Uli Jäger, „Rechtsextremismus und Gewalt“,

Verein für Friedenspädagogik, Tübingen 1993

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Flüchtlinge im Verhältnis zur einheimischen Bevölkerung

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Flucht und Asyl 6M 4.5

Quelle: Das IGL-Buch, Klett, Leipzig 1997

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Flucht und Asyl 6M 4.6

In Sicherheit

In vielen Ländern herrscht Krieg, werden Menschen auf Grund ihrer politischen oderreligiösen Überzeugungen verfolgt, gefoltert und getötet. Angst um Leib und Lebentreibt Tausende von Menschen dazu, aus ihrer Heimat in Länder zu flüchten, indenen sie sich sicher fühlen können. Insgesamt 1,6 Millionen ausländische Flücht-linge haben in Deutschland eine vorübergehende Zuflucht gefunden. Knapp einDrittel davon sind De-Facto-Flüchtlinge, die kein Asyl erhalten, aber aus humani-tären, politischen oder rechtlichen Gründen nicht in ihre Heimatländer abgeschobenwerden. 170 000 Menschen haben Asyl erhalten und leben mit ihren rund 130 000Familienangehörigen zeitweise in Deutschland.

Statistische Angaben: Ausländerbeauftragte der Bundesregierung

Quelle: Globus Kartendienst, 53. Jg., 26.01.1998

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Flucht und Asyl 6M 4.7

aus: DGB-Jugend Nord (Hrsg.), „Demokratie macht Schule“, Hamburg 2000

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Flucht und Asyl 6M 4.8

aus: Bernd Janssen, „Gewalt gegen Ausländer“, NLPB, Hannover 2001

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Flucht und Asyl 6M 4.9

Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 19. 9. 2000

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Rechtsextremismus heute 7

Unterrichtsreihe 5

Rechtsextremismus heute

Diese Lernreihe zeigt am Beispiel der rechten Musik-

szene Entwicklungen im aktuellen Rechtsextremismus

auf, will Einblicke in Struktur und Erscheinungsformen

des rechten Spektrums vermitteln. Sie fragt nach den

Ursachen und ideologischen Hintergründen rechter

Gewalt und will Handlungsmöglichkeiten und Engage-

ment gegen den Rechtsextremismus diskutieren.

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■ Einstieg

Den Einstieg in die Reihe bilden Auszüge ausSkinhead-Songs (M 5.1), die auf Folie kopiertper Overheadprojektor eingeblendet werden(nicht an die Lernenden austeilen!). Die Teil-nehmer sollen sich spontan dazu äußern, Fra-gen aufwerfen, über die rechte Musikszenediskutieren.

1. Arbeitsschritt

Diese Szene soll dann mit dem Text „Skin-head-Szene und Skinhead-Musik“ (M 5.2)untersucht werden. Es werden Gruppen gebil-det (à 3 bis 4 Teilnehmer), die mit ausreichendZeit die Arbeitsaufträge bearbeiten. Nach derErgebnissammlung und der Auseinanderset-zung mit dem Donaldson-Zitat wird die Grafikzur Entwicklung der Skinhead-Musikszene(M 5.3) auf Folie eingeblendet, um die enormeVermehrung von Bands, Vertrieben und Kon-zerten aufzuzeigen. Es soll deutlich werden,dass die Entwicklung rechter Musik ein Indika-tor für zunehmende Einflüsse rechten Gedan-kenguts in der Jugendszene ist.

2. Arbeitsschritt

Anschließend wird das rechte Spektrum, dasja nicht nur aus Skinheads besteht, näher be-leuchtet. Die Grafik „Das rechte Spektrum“(M 5.4) wird wiederum als Folie eingeblendetund gemeinsam bearbeitet. Einige Zusatzinfor-mationen sind unter der Grafik notiert, weitereHintergründe vor allem zur NPD und ihremUmfeld sollten vom Unterrichtenden einge-bracht werden. Diese Informationen enthaltender Text und die Grafik auf einem Lehrer-Info-blatt (M 5.5). Der Umfang mündlicher Lehrer-Inputs aus diesen Materialien hängt von derjeweiligen Lerngruppe ab; auch der Einsatzeines Dokumentarfilms über die rechte Szenewäre an dieser Stelle denkbar.

3. Arbeitsschritt

Im nächsten Arbeitsschritt soll das Ausmaßrechter Gewalt aufgezeigt und analysiert wer-den. Die Teilnehmer bekommen die Liste rech-ter Gewalt (M 5.6) ausgehändigt. Ihr schrift-licher Arbeitsauftrag ist, herauszufinden, gegenwelche Gruppen sich die Gewalttaten richten.Nach der Stillarbeitsphase wird zunächst dieDeutschland-Karte (M 5.7) als Folie aufgelegt,und die Jugendlichen ordnen reihum die untenstehenden Bundesländer zu. Dann trägt jederTeilnehmer für das von ihm benannte Bundes-land die Anzahl von tödlichen Gewalttaten ein.Dies vermittelt einen Eindruck vom Ausmaßund von der räumlichen Verteilung rechter Ge-walt. Anschließend werden die Ergebnisse zuden Gruppen der Opfer (Arbeitsauftrag vonM 5.6) an der Wand gesammelt. Mit der Grafik„Rechte Gewalt“ (M 5.8) wird nun die Anzahlder Gewalttaten mit rechtsextremistischemHintergrund je 100 000 Einwohner in den ein-zelnen Bundesländern den Ausländeranteilen ander Bevölkerung dieser Bundesländer gegenübergestellt. Diese Grafik wird wieder auf Folie ein-geblendet und gemeinsam interpretiert. Es wirddeutlich, dass rechte Gewalt dort am umfang-reichsten ist, wo die wenigsten Ausländer (alsHauptgruppe der Opfer) leben.

4. Arbeitsschritt

Spätestens in dieser Phase stellt sich die Fragenach dem Warum, nach den Gründen fürRechtsextremismus und rechte Gewalt. EineAnnäherung findet mit drei verschiedenenArbeitsmaterialien statt. An dieser Stelle solltedie Lerngruppe binnendifferenzierend in dreiGruppen aufgeteilt werden, die je nach Leis-tungsvermögen arbeitsteilig die ArbeitsblätterM 5.9 bis M 5.11 bearbeiten. Gruppe A unter-sucht den Text „Gerhard – ein typischerRechtsradikaler?“ (M 5.9) auf Gründe fürrechtsextreme Einstellungen und gewalttätigesVerhalten. Gruppe B interpretiert die Karika-tur (M 5.10) und formuliert Antworten auf die

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Rechtsextremismus heute 7

Didaktisch-methodische Empfehlungen

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Frage im Untertitel. Gruppe C bearbeitet denText „Merkmale des Rechtsextremismus“(M 5.11), der recht anspruchsvoll, aber unver-zichtbar ist. Deshalb sollte der Unterrichtendein dieser Gruppe umfangreiche Hilfestellungenanbieten. Arbeitsziel dieser Gruppe ist es,die Grundelemente der rechtsextremistischenIdeologie in eigenen, für alle verständlichenWorten zu formulieren. Die so herausgear-beiteten Gründe und Ursachen auf verschiede-nen Ebenen sollen dann gesammelt, den ande-ren Gruppen verdeutlicht und ausführlichbesprochen sowie bewertet werden. Ergänzun-gen und ausführlichere Diskussionen sindgestattet.

5. Arbeitsschritt

Als „Belohnung“ nach dieser anstrengendenArbeitsphase wird Musik gehört. „Willkommenin Deutschland“ (M 5.12) ist ein Titel derRockgruppe „Die Toten Hosen“ von der CD„Kauf mich“ (1993) und wird zunächst ohneAusteilung des Textes eingespielt. Die Teilneh-mer sollen danach zusammentragen, was sieverstanden haben. Danach wird der Text ausge-teilt und der Song nochmals gespielt. Nun wer-

den die Aussagen Strophe für Strophe bespro-chen, diskutiert, bewertet. Wer würde die letzteZeile „Komm, wir zeigen, es leben auch andreMenschen hier“ befürworten? Wie könnte mandas zeigen, und was kann man tun? Diese Fra-gen eröffnen die abschließende Sammlung vonIdeen, Handlungsmöglichkeiten und Engage-ment gegen Rechtsextremismus, die in Formeiner Collage zusammengestellt werden könnte.Die Teilnehmer sollten dabei gefragt werden,unter welchen Bedingungen sie bereit wären,sich diesbezüglich zu engagieren. Ließe sicheine der Ideen von der Gruppe oder einem Teildavon umsetzen?

■ Weiterarbeit

Eine weiterführende Arbeit wäre in verschie-dene Richtungen denkbar. Der Einsatz desFilmes „Die Welle“, der als Medienpaket mitausführlichen Informationen beim Landesfilm-dienst sowie bei den meisten Kreisbildstellenzu erhalten ist, würde die Anfälligkeit der Men-schen für rechtsextreme Mechanismen beleuch-ten. Ein Transfer zum Rechtsextremismus inder deutschen Geschichte wäre mit der Bilder-gegenüberstellung in M 5.13 zu leisten.

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Rechtsextremismus heute 7

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„Ich mag Adolf und sein Reich,alle Juden sind mir gleich.

Ich mag Skinheads und SA,Türken klatschen ist doch klar.

Ich mag Fußball auf dem Rasen,die SS, wenn sie gasen.

All das mag ich, und ganz doll NSDAP.“

„Ich will, ich will nur ’ne weiße HeimatIch will, ich will keine Alis sehnLasst uns, lasst uns vor Türkenasche tretenLasst uns, lasst uns den Rassekrieg angehnja den Rassekrieg angehn.“

„Keine Lust mit Dreck zu redenwill Türken nur in Särgen seh’npurer Hass, purer Hass

Punk und Ratte kein UnterschiedMein Knüppel hat sie beide liebPurer Hass ...“

Auszüge aus Skinhead-Songs

Quelle: Bundesamt für Verfassungsschutz, Köln 2000

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Rechtsextremismus heute 7M 5.1

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Skinhead-Szene und Skinhead-Musik

Die Skinhead-Szene entwickelte sich gegen Ende der 60er-Jahre in den Arbeiterviertelngroßer englischer Städte als Protestbewegung gegen soziale Missstände und steigendeArbeitslosigkeit. Die zunächst unpolitische Jugendbewegung, die sich durch szenetypi-sche Kleidung („Doc-Martens“-Stiefel, Bomberjacken etc.) abgrenzte, geriet Anfang der80er-Jahre zunehmend in den Einfluss rechtsextremistischer Organisationen.

Heute gibt es verschiedene Strömungen in der Skinhead-Szene. Neben den unpoliti-schen „Oi-Skins“ und den linken „SHARP-Skins“ und „Red-Skins“ machen aber dierechtsextremistischen Skins den größten Teil aus. Sie bilden seit Anfang der 90er-Jahredie zahlenmäßig größte Gruppe der weit über 8.000 gewaltbereiten Rechtsextremistenin Deutschland. Sie treten immer wieder durch spontane Gewalttaten, Aggressivität undrechte, zum Teil volksverhetzende Musik in Erscheinung.

Die Liedtexte der Skinhead-Musik drücken meist eine gewalttätige, menschenverach-tende Einstellung aus. Die Songs propagieren Rassismus, Antisemitismus und ein über-steigertes Nationalbewusstsein, oft verherrlichen sie den Nationalsozialismus und die„weiße Rasse“. Die provozierenden Inhalte bilden für viele Jugendliche einen Einstieg indie rechtsextreme Szene. Die Musik wirkt hier als Einstiegsdroge, spielt aber auch eineRolle für den Zusammenhalt rechtsextremer Gruppen. Die Konzerte stärken als TreffenGleichgesinnter das Gemeinschaftsgefühl.

Der 1993 verstorbene Neonazi und Sänger der englischen Skinband „Skrewdriver“ IanStuart Donaldson erkannte bereits früh die Möglichkeit, Musik als Mittel zur Verbreitungneonazistischer Ideologien, insbesondere bei Jugendlichen, zu nutzen:

„Sie berührt die jungen Leute, die von den Politikern nicht erreicht werden. Viele findendie Politik, parteipolitisch gesehen, langweilig, was teilweise stimmt. Es ist doch vielangenehmer, mit anderen ein Konzert zu besuchen und Spaß zu haben, als in eine poli-tische Versammlung zu gehen.“

nach: Bundesamt für Verfassungsschutz, „Skinheads, Bands und Konzerte“, Köln 2000

Arbeitsaufträge:

1. Beschreiben Sie die Rolle der Musik in der rechtsextremen Szene.2. Kennen Sie Skinhead-Musik und Bands? Wenn ja, welche persönlichen Eindrücke haben

Sie davon?3. Nehmen Sie Stellung zu dem Zitat von Ian Stuart Donaldson.

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Rechtsextremismus heute 7M 5.2

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Rechtsextremismus heute 7M 5.3

Die Skinhead-Musikszene

Quelle: Bundesamt für Verfassungsschutz, Köln 2000

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Skinheads: Die meisten Skinheads sind nicht in Gruppen/Kameradschaften organisiert.Eine der insgesamt 3 Organisationen ist „Blood and Honor (B + H)“, die miteinem harten Kern von ca. 240 Mitgliedern besonders aktiv in der Musik-szene ist. Die Zahl der gewaltbereiten Skinheads insgesamt stieg im Jahr2000 auf 9700 Personen an.

Neonazis: Diese sind meist in Gruppierungen oder Kameradschaften organisiert. 1999existierten mindestens 49, 2000 dann 60 solcher Organisationen.

Parteien: Die Mitgliederzahl der Republikaner ist in den letzten Jahren leicht rück-läufig, die der DVU bleibt konstant, während die der NPD zunimmt.

Sonstige: Darunter sind Organisationen zu finden, die vielfach der NPD nahe stehen(vgl. Infoblatt).

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Grafik: Sabine Kühmichel 2001

Lehrer-Infoblatt

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Rechtsextremismus heute 7M 5.6

Die Liste rechter Gewalt

Schleswig-Holstein

1 Flensburg: 19.03.1992Zigeuner zusammengeschlagen, ertränkt2 Mölln: 23.11.1992Türk. Familie im Haus verbrannt3 Kiel: 03.02.1997Kurde von Neonazi erschossen4 Roseburg: 23.03.1997Polizist erschossen

Niedersachsen

1 Göttingen: 31.12.199021-jähriger Linker erstochen2 Hannover: 11.01.1992Flüchtlingsheim-Bewohner getötet3 Gifhorn: 04.03.199223-Jähriger stirbt an Gehirnverletzungen4 Buxtehude: 18.03.199253-Jähriger erschlagen5 Eschede: 09.08.1999Obdachloser von zwei Skins erschlagen

Nordrhein-Westfalen

1 Hörstel: 04.04.1992Deutscher stirbt bei Brandstiftung2 Wuppertal: 13.12.1992Jude angezündet3 Wülfrath: 21.11.1992Halbjude (92) von Altnazi (89) getötet4 Siegen: 15.12.1992Behinderter Arbeiter totgetrampelt5 Mülheim/Ruhr: 09.03.1993Türke stirbt nach Scheinhinrichtung6 Solingen: 29.05.1993Türkische Familie im Haus verbrannt7 Marl: 06.07.1993Obdachloser von 18-Jährigem erschlagen8 Velbert 05.02.1995Obdachloser erstochen9 Duisburg: 17.03.199958-jähriger Rentner zu Tode getreten10 Dortmund/Waltrop: 14.06.2000Drei Polizisten bei Kontrolle erschossen

Brandenburg

1 Eberswalde: 25.11.1990Angolaner erschlagen2 Hohenselchow: 03.12.199130-Jähriger bei Schlägerei getötet3 Senftenberg: 12.12.199129-Jähriger ausgeraubt und erschossen4 Gransee: 05.01.199218-Jähriger von 15 Skins erschlagen5 Neuruppin: 01.07.1992Obdachloser misshandelt und erstochen6 Zossen: 07.11.1992Obdachloser angezündet und getötet7 Guben: 13.02.1999Asylbewerber verblutet nach Hetzjagd

Saarland

1 Saarlouis: 19.09.1991Ghanaer verbrannt

Baden-Württemberg

1 Friedrichshafen: 16.06.1991Angolaner erstochen2 Ostfildern-Kemnat: 08.07.1992Jugoslawe erschlagen

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Rechtsextremismus heute 7M 5.6

Sachsen

1 Leisnig: 23.02.1991Afghane stirbt nach Überfall2 Dresden: 31.03.199128-Jähriger erschlagen3 Leipzig: 23.10.199630-jähriger Türke erstochenLeipzig: 05.07.1998Portugiesischer Bauarbeiter erschlagen4 Meuro: 12.12.1991LKW-Fahrer bei Raubüberfall erschossen5 Hoyerswerda: 19.02.1993Fahrer einer Heavy-Metal-Band getötet

Rheinland-Pfalz

1 Hachenberg: 28.12.1990Kurde erstochen2 Bad Breisig: 01.08.1992Obdachloser erstochen3 Koblenz: 24.08.1992Obdachloser bei Feier erschossen

Berlin

1: 16.06.199119-jähriger Türke erschlagen2: 29.08.1992Vietnamese gequält und erstochen3: 24.04.1992Obdachloser misshandelt und getötet4: 19.10.1992Peruaner geschlagen und erstochen5: 21.11.1992Linker Hausbesetzer erstochen

Sachsen-Anhalt

1 Magdeburg: 07.02.199717-jähriger Punk von Skinhead erstochen2 Dessau: 11.06.2000Mosambikaner erschlagen

Bayern

1 München: 10.12.1991Rumäne nach Überfall gestorben2 Kolbermoor: 15.08.1999Mosambikaner totgeschlagen

Hessen

1 Lampertheim: 31.01.1992Familie aus Sri Lanka verbrannt

Mecklenburg-Vorpommern

1 Saal: 15.03.1992Rumäne im Flüchtlingsheim getötet2 Greifswald: 24.06.2000Obdachloser von Jugendlichen erschlagen3 Wismar: 09.07.2000Obdachloser zu Tode getreten4 Ahlbeck: 27.07.2000Obdachloser zu Tode getreten

Thüringen

1 Stotternheim: 03.08.1992Pole erschlagen2 Erfurt: 15.01.1993Parkwächter getötet3 Arnstadt: 22.01.1993Zwei Obdachlose verbrannt

nach: www.schule-fuer-toleranz.de, Unterrichtsreihen, Baustein 1

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Rechtsextremismus heute 7M 5.7

Die 16 Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland

Tragen Sie die folgenden Bundesländer in die Karte ein:

Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen,Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen,Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen

Welche Länder sind die alten und welche die neuen Bundesländer?

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Rechtsextremismus in Deutschland

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Rechtsextremismus heute 7M 5.10

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1. Die Grundidee von einer „natürlichenUngleichheit der Menschen“

Dazu gehören:

a) Die Vorstellung von einer biologisch„höher stehenden“ deutschen (bzw. nord-europäischen) „Rasse“ und den demzu-folge „minderwertigen“ anderen „Ras-sen“. Dabei wird den „höher stehenden“zugestanden, die Rechte und die Freiheitder „minderwertigen“ Menschen ein-schränken zu können. Dazu gehört aucheine rassistische Fremdenfeindlichkeit.

b) Die Idee von einer „natürlichen Ungleich-heit“, die nur durch genetische Erbanla-gen entsteht, auch innerhalb der eigenen„Rasse“. Demzufolge gibt es eine unver-änderliche Ungleichheit zwischen denMenschen einer Gesellschaft und unter-schiedliche Rollen von Frauen und Män-nern.

2. Die Grundidee der Gewalt

Dazu gehören:

a) Die Idee vom „Recht des Stärkeren“ imalltäglichen Lebenskampf. Der Stärkeresetzt sich danach durch; es wird abge-lehnt, dass Konflikte zwischen Menschenoder auch Staaten demokratisch undfriedlich geregelt werden.

b) Aus dieser Idee folgt auch die Ablehnungdemokratischer Strukturen wie die Wil-lensbildung in gewählten Parlamenten.Stattdessen wird eine Staatsform vertre-ten, die auf dem „Führertum“ oder derHerrschaft einer „natürlichen Elite“ auf-baut.

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Rechtsextremismus heute 7M 5.11

Merkmale des Rechtsextremismus

Die rechtsextreme Ideologie orientiert sich an zwei Grundideen, die die Vorstellungen von eineranderen Ordnung in Staat und Gesellschaft prägen:

nach: Rechtsextremismus in Deutschland, hrsg. von der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung,

Hannover 1994

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Willkommen in Deutschland

Dies ist das Land, in dem man nicht verstehtDass FREMD kein Wort für FEINDLICH istIn dem Besucher nur geduldet sindWenn sie versprechen, dass sie bald wieder gehn.

Es ist auch mein ZuhausSelbst wenn’s ein Zufall istUnd irgendwann fällt es auch auf mich zurückWenn ein Mensch aus einem andren LandOhne Angst hier nicht mehr leben kannWeil täglich immer mehr passiertWeil der Hass auf Fremde eskaliertUnd keiner weiß, wie und wannMan diesen Schwachsinn stoppen wird

Es ist auch mein Land:Und ich kann nicht so tun, als ob es mich nichts angehtEs ist auch dein Land:Und du bist schuldig, wenn du deine Augen davor verschließt

Dies ist das Land, in dem so viele schweigenWenn Verrückte auf die Straßen gehenUm der ganzen Welt und sich selbst zu beweisenDass die Deutschen wieder die Deutschen sindDiese ProvokationSie gilt mir und dirDenn auch du und ichWir kommen von hierKein Ausländer, der uns dabei helfen kannDieses Problem geht nur uns allein was anIch hab keine Lust noch länger zuzusehnIch hab’s satt, nur zu reden und rumzustehnVor diesem Feind werde ich mich nicht umdrehn

Es ist auch mein Land:Und ich will nicht, dass ein viertes Reich draus wirdEs ist auch dein Land:Steh auf und hilf, dass blinder Hass es nicht zerstörtEs ist auch mein Land:Und sein Ruf ist sowieso schon ruiniertEs ist auch dein Land:Komm wir zeigen, es leben auch andre Menschen hier

Die Toten Hosen, CD „Kauf mich“, 1993

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Rechtsextremismus heute 7M 5.13

Rechtsextremismus – früher und heute

29. Januar 2000: Neonazis demonstrieren grölend mit schwarz-weiß-roten Fahnen, auf denen dasEiserne Kreuz prangt – der erste legale Marsch von Rechtsextremisten durch das Brandenburger Torseit Kriegsende.

Die Bilder gleichen sich: Am 30. Januar 1933, dem Tag der Machtergreifung Hitlers, zogen seinebraunen Horden mit Fackeln und Fahnen durch das Tor – der Aufmarsch war Auftakt der Verfolgunginnerer und äußerer Gegner.

Quelle: Foto oben: Herfort, Foto unten: Ullstein

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Nationalsozialismus in Deutschland 8

Unterrichtsreihe 6

Nationalsozialismus in Deutschland

Diese Lernreihe will anhand der Thematisierung von

Diskriminierung, Verfolgung und Vernichtung der

Juden eine Annäherung an die Geschichte des National-

sozialismus in Deutschland erzielen. Ein Transfer zu

aktuellen Erscheinungsformen und vorangegangenen

Lernergebnissen soll die heutige Relevanz aufzeigen und

aktuelle Gefahren rechten Gedankenguts diskutieren.

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■ Einstieg

Den Einstieg in das Thema Nationalsozialis-mus bildet die Bildergeschichte „Der Bär, derkeiner war“ (M 6.1), die die Lernenden fürFragen der Fremdwahrnehmung, Fremdzu-schreibung, Zugehörigkeit und Ausgrenzungsensibilisiert, damit eine Voraussetzung fürdie Annäherung an den Holocaust schafft. DieBildergeschichte handelt von einem Bären,der sich beim Erwachen aus seinem Winter-schlaf inmitten einer Fabrikanlage wiederfin-det. Er wird von seiner Umwelt nicht als Bär,sondern als „fauler, unrasierter Mann im Pelz-mantel“ betrachtet. Es will ihm nicht gelingen,die Anerkennung seiner wahren Identität alsBär durchzusetzen; schließlich akzeptiert erdie Fremdwahrnehmung und Fremdzuschrei-bung.

Die Geschichte wird komplett ausgeteilt undabwechselnd reihum laut vorgelesen, wobei dieBilder auf Folie kopiert und per Overheadpro-jektor an den entsprechenden Stellen visuali-siert werden sollten. Anschließend werden dieBilder nochmals in Ruhe betrachtet und be-sprochen. Wie sieht der Bär aus, und wie hater sich jeweils verändert? Wie sehen die Mana-ger, die Zoo- und Zirkusbären aus?

Dann wird über die Veränderungen für denBären gesprochen: Was irritiert den Bären?An welcher Stelle gerät sein Selbstbild insWanken? Wann übernimmt er das Bild, das dieanderen von ihm haben? Warum fällt es demBären schwer, sich selbst treu zu bleiben?

Das Gespräch zu der Frage, welche Bezie-hung jeweils zwischen dem Bären und denMenschen, den Zirkusbären und den Zoobärenbesteht, leitet über zu einem Klärungsversuchdazu, welchen Einfluss die Gesellschaft aufden Einzelnen hat. Annäherungsfragen dazukönnten sein: Welchen Gruppen gehören wiran, und was bedeutet uns ein Gefühl der Dazu-gehörigkeit? Welche Erwartungen müssen wirerfüllen, um dazuzugehören? Was bedeutet es,sich selbst aufzugeben, um dabeizusein? Was

bedeutet es, ein Außenseiter zu sein? WelcheRolle spielt die Gesellschaft bei Zuweisungen?

Haben die Jugendlichen selbst Erfahrungenmit Fremdzuweisung? Die folgende Arbeit wid-met sich zwei Personenporträts aus der Zeit desNationalsozialismus.

1. Arbeitsschritt

Bei den beiden Porträts handelt es sich zumeinen um den Boxer Johann Trollmann(M 6.2), dem als Sinto 1933 der Meistertitelaberkannt wird, zum anderen um ein jüdischesMädchen (M 6.3), das im Zweiten Weltkrieggetarnt in einer christlichen Familie lebt. Diebeiden Texte werden arbeitsteilig in Kleingrup-pen bearbeitet.

Zunächst soll nach dem individuellen Lesenin den Kleingruppen über die jeweilige Persongesprochen werden. Dann stellen die Gruppensich gegenseitig die Personen vor. Bei dieserGelegenheit werden Verständnisfragen geklärtund erste Fragen zum historischen Hintergrundder Porträts besprochen. Bei der Ergebnissamm-lung zu den Arbeitsaufträgen 2 und 3 kann aufdie Bildergeschichte des Bären zurückgegriffenwerden.

Die Frage nach dem gesellschaftlichen Kon-text der Porträts, wozu in den Texten bereitsviele Hinweise enthalten sind, leitet über zurStellung der Juden in der nationalsozialistischenGesellschaft.

2. Arbeitsschritt

Der Text „Die Juden in der Gesellschaftdes nationalsozialistischen Deutschlands“(M 6.4) knüpft an die vorherigen Ergebnissezu Einzelfällen an und zeigt wichtige Elementeder Ausgrenzung und Diskriminierung derJuden im Dritten Reich auf.

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Didaktisch-methodische Empfehlungen

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Das Arbeitsblatt wird in Partnerarbeit bear-beitet; Fragen werden gemeinsam geklärt. Wäh-rend der Ergebnissammlung sollte auf dieBegriffe „Propaganda“, „Sündenböcke“ und„Rassenlehre“ ausführlicher eingegangen wer-den. Vorwissen der Jugendlichen kann und sollhier einfließen, um zur Behandlung derGeschichte der Judenverfolgung und -vernich-tung überzuleiten.

3. Arbeitsschritt

Dokumente und Informationen zur Judenverfol-gung und -vernichtung bieten die Arbeitsblät-ter M 6.5 bis M 6.7.

Die Arbeitsblätter M 6.5 und M 6.6 solltenin chronologischer Form gemeinsam gelesen,besprochen und interpretiert werden. DiesemUnterrichtsgespräch soll genügend Zeit einge-räumt werden, und die Lernenden sollen Ge-legenheit haben, mit ihrem Vorwissen (ausSchule, Erzählungen, Filmen etc.) die Ergeb-nisse zu ergänzen, zu kommentieren und zudiskutieren.

4. Arbeitsschritt

M 6.7 wird anschließend auf Folie präsentiert.Der untere Teil, bis einschließlich der Antwort,wird zunächst verdeckt. Jeder Teilnehmer sollauf die Frage mit seiner Schätzung antworten.In der Regel wird der Anteil der jüdischenBevölkerung in den Grenzen des DeutschenReichs von 1933 (nicht nur von Schülern) sehrviel höher geschätzt. Der tatsächliche Anteilvon 0,78 % wird nun aufgedeckt und wird ver-blüffende Wirkung haben. Wie konnten ganze0,78 Prozent Juden von den Nazis für allesSchlechte verantwortlich gemacht werden?(Schon an dieser Stelle wäre ein Transfer zuraktuellen Ausländerfeindlichkeit in Deutsch-land zulässig!) Wie kommen dann die 6 Millio-nen Opfer zusammen? Der jetzt aufgedeckteFolienteil gibt Aufschluss darüber und zeigtgleichzeitig das Ausmaß der Länder unternationalsozialistischer Herrschaft im ZweitenWeltkrieg auf.

■ Weiterarbeit

An dieser Stelle wäre zur vertiefenden Weiter-arbeit der Einsatz des Filmes „Das Leben istschön“ von Roberto Benigni (Italien, 1997 – inFilmbildstellen ausleihbar) geeignet. DieserSpielfilm, der (in Italien spielend) vom Holo-caust in komödiantischer und grotesker Formerzählt, bietet einen neuartigen Zugang zu demThema.

5. Arbeitsschritt

Als Transfer in die heutige Zeit werden nunEinstellungen zu Juden und zum Holocaust1994 (M 6.8) untersucht. Die Grafiken werdenauf Folie kopiert eingeblendet. Aussage fürAussage wird aufgedeckt, wobei die LernendenVermutungen über die prozentuale Höhe derZustimmung anstellen sollen, bevor die Umfra-geergebnisse präsentiert werden.

Die Ergebnisse sollen dann in ihrer Gesamt-aussage, aber auch unter dem Altersaspektbesprochen und interpretiert werden (ein Rück-bezug auf die Unterrichtsreihe „Vorurteile undDiskriminierung“ wäre hier möglich).

6. Arbeitsschritt

Die aktuelle Relevanz wird mit dem Arbeits-blatt „Antisemitische Bedrohung Jugend-licher“ (M 6.9) aufgezeigt. Es handelt sich umeinen Vorfall aus dem Jahre 2000. Der Zei-tungsartikel wird von den Jugendlichen zuzweit in Partnerarbeit bearbeitet. Die Bespre-chung der Ergebnisse zu den beiden Arbeits-aufträgen leitet die abschließende Diskussionein. Die Vervollständigung des „aber heutzu-tage ...“ (2. Arbeitsauftrag) eröffnet einenRückbezug auf die vorangegangenen Unter-richtsreihen, vor allem aber auf die Reihe„Rechtsextremismus heute“. Ein Vergleich vonhistorischen und aktuellen Ausprägungen desRechtsextremismus sowie der dahinter stehen-den ideologischen Ansätze kann durch erneuteVerwendung der Folie „Rechtsextremismus –früher und heute“ (M 5.13 der vorangegange-

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nen Reihe) forciert werden. In diesem abschlie-ßenden und ausführlichen Unterrichtsgesprächsollen durch Wiederholung und Transfer dieLernerfolge gefestigt werden.

■ Weiterarbeit

Als anschließendes Projekt wären Interviewsmit Zeitzeugen des Nationalsozialismus in

einem Altenheim denkbar. Die Teilnehmerkönnten die Interviews in Kleingruppen mitden sie interessierenden Fragestellungen vorbe-reiten und durchführen. Die gemeinsame Aus-wertung könnte in eine Dokumentation mün-den. Ein solches Projekt wäre nicht nur für dieJugendlichen eine eindrucksvolle Erfahrung,sondern auch die Alteneinrichtungen und derenBewohner stehen in der Regel einem derartigenVorhaben sehr aufgeschlossen gegenüber.

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Der Boxer

Johann „Gipsy“ Trollmann, ein Sinto, war ein Star. Wenn er in den Ring stieg, klingeltendie Kassen, waren die Box-Arenen ausverkauft. In den Zeitungen machte er Schlag-zeilen, Frauen umschwärmten ihn, die Prominenz der großen Städte besuchte seineKämpfe. Die Fachpresse lobt seinen besonderen Stil, seine Beinarbeit, seine Schnellig-keit und Intelligenz. Johann Trollmann steht auf dem Höhepunkt seines Ruhmes, alsdie Nazis 1933 an die Macht kommen.

Danach wird alles anders. Mit dem Machtantritt werden die Deutschen zur „Herren-rasse“ erhoben, und die Sportverbände spielen eine Vorreiterrolle: unverzüglich beginntdie „Säuberung“ des Sports von Juden, Sinti und Roma, die von den Nationalsozialistenals „artfremd“ abgestempelt wurden.

Als Trollmann am 9. Juni 1933 den Kampf um die deutsche Meisterschaft gewinnt,wird er von seiner großen Fan-Gemeinde weiterhin umjubelt, aber die Box-Funktionäreschäumen vor Wut. Der „Zigeuner“ habe in einem deutschen Ring nichts zu suchen,heißt es. Er habe undeutsch gekämpft und keinen Kampfeswillen gehabt. Es startet eineregelrechte Kampagne gegen Trollmann: seine überlegene Technik wird jetzt als thea-tralisch und „artfremd“ bezeichnet; man nennt ihn einen „aalglatten Ringclown“; Spott-gedichte und hämische Karikaturen werden veröffentlicht. Nach acht Tagen wird ihmvon den Nazifunktionären der Meistertitel aberkannt.

Eigentlich hätte Trollmann jetzt in der Versenkung verschwinden müssen, doch er ver-abschiedet sich in einem weiteren großen Kampf auf seine Weise. Die Zuschauer trauenihren Augen nicht. Aus „Gipsy“ Trollmann ist ein blonder Hans geworden. Er hat sichdie schwarzen Haare gefärbt und seinen Kampfstil total geändert. Er steppt und tänzeltnicht mehr, sondern steht festgewurzelt als „deutsche Eiche“ in der Mitte des Ringsund geht keinem Schlag aus dem Weg. In der fünften Runde taumelt er, geht zu Bodenund wird endgültig ausgezählt. Ob ihn Wut, Ironie oder Verzweiflung bestimmt haben,weiß man nicht. Aber fest steht: Trollmann hatte den Mut, seiner Karriere selbst denSchlusspunkt zu setzen – und zwar mit einer Demonstration in aller Öffentlichkeit.

nach: G. Kößler, P. Mumme, Konfrontationen – Bausteine für die pädagogische Annäherung an Geschichte und Wirkung

des Holocaust, Heft 1: Identität, Fritz Bauer Institut, Frankfurt am Main 2000

Arbeitsaufträge:

1. Besprechen Sie den Text in Ihrer Gruppe so, dass Sie den Boxer und seine Geschichte denanderen Gruppen vorstellen können.

2. Wie wird der Boxer mit Fremdzuweisung konfrontiert?3. Wie schätzen Sie das Verhalten Trollmanns ein? Hat er sich selbst aufgegeben?

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Das jüdische Mädchen

Nechama wurde 1931 in Lublin (Polen) als Kind einer jüdischen Familie geboren. EinJahr nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges musste die Familie in das Ghetto in Lublinumziehen. 1942 wurde Nechama von ihren Eltern getrennt, um als Christin getarnt beieiner christlichen Familie im Versteck zu leben. Nechama war blond, hatte blaue Augenund konnte so als „Verwandte“ ausgegeben werden. Sie nahm einen christlichenNamen an, besuchte die christliche Schule und überlebte so den Krieg.

Nechama erinnert sich, wie ihre damaligen Freunde Witze über Juden machten oderauch eine dieser Geschichten erzählten, in denen Juden Kinder fangen, töten und aufes-sen. Sie war entsetzt über diese Lügen, erinnerte sich aber, dass ihr Vater ihr gesagthatte: „Verteidige niemals die Juden, sonst werden sie denken, du bist eine Jüdin.“Trotzdem fragte sie einmal ihre Freundin, ob sie wirklich glaube, dass solche Geschich-ten wahr seien. Aber die Freundin reagierte so heftig und schaute sie so eindringlich an,dass Nechama fürchterliche Angst bekam. Sie hatte noch lange Angst, dass die Freun-din zur Polizei gehen und sie denunzieren würde. Immer wenn es an der Haustürklopfte, dachte sie, man käme sie abholen.

Glücklicherweise passierte aber gar nichts. Das Leben ging weiter, und sie wurde immerunempfindlicher gegenüber judenfeindlichen Äußerungen. Schließlich fühlte sie sich wieeine Christin, wie eine Schauspielerin, die so in ihre Rolle schlüpft, bis sie beginnt, sichzu fühlen wie die gespielte Rolle. Aber sie fühlte sich auch wie eine Verräterin, die sichselbst und ihr Volk betrügt. Denn sie war nicht mehr traurig und irritiert, wenn die ande-ren Witze über Juden machten, sondern sie lachte sogar mit.

nach: G. Kößler, P. Mumme, Konfrontationen – Bausteine für die pädagogische Annäherung an Geschichte und Wirkung

des Holocaust, Heft 1: Identität, Fritz Bauer Institut, Frankfurt am Main 2000

Arbeitsaufträge:

1. Besprechen Sie den Text in Ihrer Gruppe so, dass Sie Nechama und ihre Geschichte den anderenGruppen vorstellen können.

2. In welchen Konflikt gerät Nechama?3. Wie beurteilen Sie Nechamas Verhalten? Hat sie sich selbst aufgegeben?

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Die Juden in der Gesellschaft des nationalsozialistischen Deutschland

Die Nationalsozialisten sprachen von einem übermäßigen Einfluss der Juden in allenBereichen, von einer Vorherrschaft der Juden in Kultur und Gesellschaft sowie einer„Überfremdung“ der Wirtschaft durch die Juden. Die sich dagegen wehrenden Judenversuchten vielfach, ihre Leistungen für ihr deutsches Vaterland zu betonen. Sie wolltenzeigen, dass es oft die Juden waren, die der deutschen Kultur zu Weltgeltung verhalfen,dass deutsche Juden als Schriftsteller, Musiker und Wissenschaftler Höchstleistungenerbrachten. Beide Seiten, die Antisemiten und die angegriffenen Juden, gingen also vonder gleichen Annahme aus: einem überdurchschnittlichen Einfluss der Juden, der dann– je nach Standpunkt – negativ oder positiv ausgelegt wurde.

So fiel es der NS-Propaganda leicht, die Juden als reiche und wuchertreibende FeindeDeutschlands darzustellen. Sie wurden als Sündenböcke für alle möglichen Übel undMissstände verantwortlich gemacht. Alles, was nicht den Vorstellungen der National-sozialisten entsprach, wurde den Juden in die Schuhe geschoben. Personen, derenTaten, Ideen oder Schriften den nationalsozialistischen Zielen entgegenstanden, wurdeneinfach als Juden bezeichnet, auch wenn sie keine waren.

Nach der nationalsozialistischen Rassenlehre waren die Menschen nicht gleich, sondern„höherwertig“, „minderwertig“ oder „wertlos“. Die Deutschen, die nun „Arier“ genanntwurden, bildeten danach die höchste Rasse, die Juden die niedrigste. Auch die Sinti undRoma wurden als „artfremd“ eingestuft.

Arbeitsaufträge:

1. Nennen Sie Gründe dafür, dass es den Nationalsozialisten leicht fiel, die Juden als größte FeindeDeutschlands darzustellen.

2. Mit welchen Mitteln wurden die Juden ausgegrenzt?

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Nationalsozialismus in Deutschland 8M 6.4

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Nationalsozialismus in Deutschland 8M 6.5

!April 1933Boykott jüdischer Geschäfte. Jüdi-sche Lehrer und Lehrerinnen, Richterund andere im Staatsdienst werdenentlassen. Der Besuch von weiterfüh-renden Schulen und Hochschulenwird für Juden eingeschränkt.15. September 1935»Nürnberger Gesetze«: Eheschlie-ßungen zwischen Juden und Nichtju-den werden verboten; Hausgehilfin-nen unter 45 Jahren dürfen injüdischen Haushalten nicht mehrbeschäftigt werden.

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Nationalsozialismus in Deutschland 8M 6.6

!1939Juden müssen zu ihrem Vornamenzusätzlich den Namen »Sara« bzw.»Israel« führen.September 1941Alle jüdischen Menschen über sechsJahre müssen auf ihrer Kleidungeinen »Judenstern« tragen.1941–1945Verschleppung (Deportation) derJuden in Konzentrationslager. Etwasechs Millionen werden dort er-mordet.

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Über 6 Millionen Juden wurden Opfer der Judenver-nichtung im Nationalsozialismus.

In den Grenzen Deutschlands lebten 1933 insgesamtgut 64 Millionen Menschen.

Wie viele davon waren Juden?

Antwort: 500.000Das entspricht 0,78 Prozent.

Die meisten Opfer wurden von den National-sozialisten in anderen Ländern ermordet:

Deutsches Reich 165.000Österreich 65.000Frankreich und Belgien 32.000Niederlande 102.000Luxemburg 1.200Italien 7.600Griechenland 60.000Jugoslawien 55.000–60.000Tschechoslowakei 143.000Bulgarien 11.000Albanien 600Norwegen 735Dänemark 50Ungarn 502.000Rumänien 211.000Polen 2.700.000Sowjetunion 2.100.000–2.200.000

Zahlenquelle: Wolfgang Benz (Hrsg.), Legenden, Lügen, Vorurteile, dtv, 5. Aufl. 1994

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Nationalsozialismus in Deutschland 8M 6.7

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Nationalsozialismus in Deutschland 8M 6.8

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Nationalsozialismus in Deutschland 8M 6.9

Antisemitische Bedrohung Jugendlicher

Quelle: Allgemeine Zeitung Ingelheim vom 1.11. 2000

Arbeitsaufträge:

1. Wie beurteilen Sie die Bedrohung durch die Skinheads?

2. Was meint Sarahs Mutter damit, dass sie solches Verhalten lange nicht ernst genommen habe,„aber heutzutage ...“?

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■ Sachliteratur

Wolfgang Benz (Hrsg.): „Legenden, Lügen,Vorurteile. Ein Wörterbuch zur Zeitgeschichte,Deutscher Taschenbuch Verlag, München,5. Auflage 1994

In 91 Artikeln werden wissenschaftlich ab-gesicherte Informationen und Fakten denLegenden zur Verharmlosung des National-sozialismus entgegengestellt. Das Buch gibtHintergrundinformationen, Argumente undBeweise zum Gebrauch in politischen Dis-kussionen.Das Taschenbuch kostet 14,90 DM, kann von Multi-plikatoren der politischen Bildung kostenlos beiden Landeszentralen für politische Bildung bezogenwerden.

Manfred Büttner (Hrsg.): „Braune Saat injungen Köpfen – Grundwissen und Konzeptefür Unterricht und Erziehung gegen Neona-zismus und Rechtsgewalt“, Bd. 1 und 2,Schneider Verlag, Hohengehren 1999

Dies ist das aktuelle Standardwerk fürUnterricht und Erziehung gegen Rechtsex-tremismus und Gewalt. Band 1 enthält eineumfassende neue Didaktik gegen Rechtsge-walt mit ausführlichem Grundlagenwissenfür Lehrer, Sozialpädagogen etc.; Band 2stellt unterschiedliche Konzepte von Prakti-kern vor.Die beiden Bände sind zum Preis von zusammen 60,– DM im Buchhandel erhältlich.

Beauftragte der Bundesregierung fürAusländerfragen (Hrsg.): „Daten und Faktenzur Ausländersituation“, Bonn 1999

Eine Zusammenstellung von Tabellen mitErläuterungen zur Ausländersituation aufder Basis von Bundesstatistiken.Kostenlose Herausgabe der Beauftragten der Bundes-regierung für Ausländerfragen, Postfach 14 02 80,53107 Bonn

Christoph Butterwegge, Georg Lohmann(Hrsg.): „Jugend, Rechtsextremismus undGewalt – Analysen und Argumente“, Leske +Budrich, Opladen 2000

Das Buch verbindet analytische Erkennt-nisse zum aktuellen Rechtsextremismus mitstrategischen Ratschlägen, Hinweisen aufmögliche Gegenmaßnahmen und Literatur-empfehlungen.

Bundesamt für Verfassungsschutz (Hrsg.):Rechtsextremistische Skinheads – Entwicklung– Musik-Szene – Fanzines“, Köln 1998

Das Heft gibt in knapper Form einen gutenÜberblick über die Skinhead-Szene und ent-hält Grafiken und Abbildungen, die sichauch zum Unterrichtseinsatz eignen. Kostenlose Publikation des Bundesamtes fürVerfassungsschutz, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit,Merianstr. 100, 50765 Köln

Bundesamt für Verfassungsschutz (Hrsg.):„Skinheads – Bands & Konzerte“, Köln 2000

Die Broschüre gibt in kompakter Form Infor-mationen zur rechten Musikszene mit Text-beispielen.Kostenlose Publikation des Bundesamtes fürVerfassungsschutz, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit,Merianstr. 100, 50765 Köln

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Literaturempfehlungen 9

Literaturempfehlungen

Die folgende Literaturauflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern bein-haltet Bücher und Materialien, die zur Erarbeitung der vorliegenden Handreichung heran-gezogen wurden und die den Nutzern der Handreichung zur Vertiefung von Sachkenntnis-sen bzw. zur weiterführenden Arbeit empfohlen werden können. Einige Titel lassen sich inmehrere der Rubriken einordnen und sind deshalb mehrfach aufgeführt.

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Deutsche Shell-Verlag (Hrsg.): „Jugend 2000“,13. Shell-Jugendstudie, Leske + Budrich, Opla-den 2000“

Gemessen an der Zahl der befragten Jugend-lichen ist die 13. die umfangreichste aller Shell-Jugendstudien. In Deutschlandlebende ausländische Jugendliche wurdenerstmalig einbezogen. Die inhaltlichenSchwerpunkte der Studie sind Zukunftssich-ten, Lebenskonzepte und biografische Per-spektiven.Die Studie kann für 3,– DM zuzüglich Versandkostenbei der Bundeszentrale für politische Bildung in Bonnbestellt werden.

Hessische Landeszentrale für politische Bil-dung: „Recht gegen Rechts, Infos – Fallbei-spiele – Ratschläge“, Dezember 2000

An Fällen und Beispielen wird aufgezeigt,was strafbar ist und welche rechtlichenMöglichkeiten bestehen, gegen rechtsextremeTatbestände vorzugehen. Die Broschüre willHilfestellungen in Alltagssituationen gebenund lässt sich auch in der Arbeit mit Jugend-lichen verwenden.Kostenloser Bezug für Besteller mit Wohnsitz in Hes-sen über die Hessische Landeszentrale für politischeBildung, Rheinbahnstraße 2, 65185 Wiesbaden.

Klaus-Peter Hufer: „Argumentationstraininggegen Stammtischparolen“, Wochenschau-Ver-lag, Schwalbach/Ts. 2000

Dies ist ein Trainingsbuch sowohl für dieBildungsarbeit als auch zum Selbststudium,das Anleitungen bietet, Konfrontationen mit„Stammtischparolen“ besser zu meistern. Eswerden sinnvolle Verhaltensweisen und rhe-torische Gegenstrategien für Begegnungenetwa mit fremdenfeindlichen und diskrimi-nierenden Sprüchen entwickelt.Kostenloser Bezug für Besteller mit Wohnsitz in Hes-sen über die Hessische Landeszentrale für politischeBildung, Rheinbahnstraße 2, 65185 Wiesbaden.

Markus Tiedemann: „In Auschwitz wurde nie-mand vergast. 60 rechtsradikale Lügen und wieman sie widerlegt“, Verlag an der Ruhr 1996

Das Buch widerlegt thematisch geordnet60 in neonazistischen Kreisen gebräuchlicheLügen oder Halbwahrheiten über den Na-

tionalsozialismus. Es ist nicht nur eineArgumentationshilfe, sondern auch ein Ge-schichtsbuch. Einzelne Lügen und dazuge-hörige Widerlegungen lassen sich im Unter-richt einsetzen.Das Buch ist für 24,80 DM beim Verlag an der Ruhr(Tel.: 02 08/49 50 40) zu bestellen.

■ Fachdidaktische Literatur

Manfred Büttner (Hrsg.): „Braune Saat in jun-gen Köpfen – Grundwissen und Konzepte fürUnterricht und Erziehung gegen Neonazismusund Rechtsgewalt“, Bd. 1 und 2, Schneider Ver-lag, Hohengehren 1999

Dies ist das aktuelle Standardwerk fürUnterricht und Erziehung gegen Rechtsex-tremismus und Gewalt. Band 1 enthält eineumfassende neue Didaktik gegen Rechtsge-walt mit ausführlichem Grundlagenwissenfür Lehrer, Sozialpädagogen etc.; Band 2stellt unterschiedliche Konzepte von Prakti-kern vor.Die beiden Bände sind zum Preis von zusammen 60,– DM im Buchhandel erhältlich.

Gottfried Kößler, Petra Mumme: „Konfrontatio-nen – Bausteine für die pädagogische Annähe-rung an Geschichte und Wirkung des Holo-caust, Heft 1: Identität“, Fritz Bauer Institut,Frankfurt am Main 2000

Das Heft enthält einen Teil mit didaktischenund methodischen Grundlagen sowie einKonzept für eine Annäherung an die Ge-schichte des Nationalsozialismus im Lern-prozess. Dabei wird ein Zugang überIdentitätsfragen und -erfahrungen der Ju-gendlichen einerseits und von Menschen derEpoche des Nationalsozialismus anderer-seits gewählt. Obwohl die Materialien teil-weise sehr anspruchsvoll sind, ist der Ansatzmit entsprechenden Materialänderungen fürdie berufliche Bildung geeignet.Kostenloser Bezug für Mittlerinnen und Mittler derpolitischen Bildung mit Wohnsitz in Hessen über die Hessische Landeszentrale für politische BildungRheinbahnstraße 2, 65185 Wiesbaden

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Literaturempfehlungen 9

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Ralf-Erik Posselt/Klaus Schumacher: „Projekt-handbuch: Gewalt und Rassismus“, Verlag ander Ruhr, 1993, veränderte Neuauflage 2001

Das Buch enthält zahlreiche Beispiele,Erfahrungen, Konzepte etc. aus der Arbeitgegen Gewalt und Rassismus. Es bietet eineFülle an Dokumenten zum Thema, inhalt-lichen Klärungen und Vorschlägen für diepädagogische Praxis und politische Pro-jekte. Es ist eine Fundgrube auch für Pro-jekt- und Unterrichtsplanung in der beruf-lichen Bildung.Das Buch ist für 19,80 DM zuzüglich Versandkostenzu bestellen bei: Amt für Jugendarbeit der EkvW,Postfach 5020, 58225 Schwerte.

Jochen Sonntag: „Soziale Arbeit mit rechtsex-trem orientierten Jugendlichen“, in: UweHirschfeld, Ulfrid Kleinert: „Zwischen Aus-schluss und Hilfe – Soziale Arbeit und Rechts-extremismus“, Evangelische Verlagsanstalt,Leipzig 2000

In dem Aufsatz werden Ziele, Wege, Grenzender Arbeit mit Jugendlichen mit rechtenOrientierungen dargestellt. Die enthalteneKlassifizierung ist sehr hilfreich, um dieeigene Zielgruppe einschätzen und dieArbeit entsprechend abstimmen zu können.

■ Materialien/Bausteine/Konzepte

Klaus Ahlheim/Bardo Heger: „Vorurteile undFremdenfeindlichkeit – Handreichungen für diepolitische Bildung“, Wochenschau Verlag,Schwalbach/Ts., 1999

Eine hervorragende Materialiensammlungzum Thema „Vorurteile und Fremdenfeind-lichkeit“, die nicht nur Materialien, sondernauch didaktische Aufbereitungen und Grund-lagentexte enthält. Sie ist als Vorbereitungs-buch für Lehrende konzipiert.Das Buch ist zum Preis von 34,– DM beim Wochen-schau Verlag zu bestellen. Mittlerinnen und Mittler derpolitischen Bildung mit Wohnsitz in Hessen können eskostenlos über die Hessische Landeszentrale für poli-tische Bildung beziehen.

Tahar Ben Jelloun: „Papa, was ist ein Frem-der?“, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg2000

Tahar Ben Jelloun spricht in dem Buch mitseiner zehnjährigen Tochter über Rassismusund Fremdenfeindlichkeit und erklärt ihrdabei in einfachen Worten die Bedeutungvon Diskriminierung, Rassismus, Kolonia-lismus, Getto, Antisemitismus etc. oderbespricht Fragen wie „Kann man Belgier-witze erzählen, ohne deshalb fremdenfeind-lich zu sein?“ Die Fragen und Antwortenlassen sich hervorragend im Unterrichtbearbeiten.Das Taschenbuch ist für 12,90 DM im Buchhandelerhältlich oder für Besteller mit Wohnsitz in Hessenüber die Hessische Landeszentrale für politischeBildung, Rheinbahnstraße 2, 65185 Wiesbaden zu be-ziehen.

Manfred Büttner (Hrsg.): „Braune Saat in jun-gen Köpfen – Grundwissen und Konzepte fürUnterricht und Erziehung gegen Neonazismusund Rechtsgewalt“, Bd. 1 und 2, Schneider Ver-lag, Hohengehren 1999

Dies ist das aktuelle Standardwerk fürUnterricht und Erziehung gegen Rechtsex-tremismus und Gewalt. Band 1 enthält eineumfassende neue Didaktik gegen Rechtsge-walt mit ausführlichem Grundlagenwissenfür Lehrer, Sozialpädagogen etc.; Band 2stellt unterschiedliche Konzepte von Prakti-kern vor.Die beiden Bände sind zum Preis von zusammen 60,– DM im Buchhandel erhältlich.

Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.):„Argumente gegen den Hass – Arbeitshilfenfür die politische Bildung“, 2 Bände, Bonn,4. Nachdruck 1999

Die Arbeitshilfen geben Anregungen undpraxisnahe Hilfen für Unterricht und Bil-dungsarbeit. Band I enthält neun Bausteinemit konkreten Hinweisen für Planung, Vor-bereitung und Durchführung von Seminarenoder Unterricht. Band II bietet mit einerTextsammlung die theoretische Grundlage.Die Arbeitshilfen sind für 3,– DM zuzüglich Versand-kosten bei der Bundeszentrale für politische Bildungin Bonn zu bestellen.

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Literaturempfehlungen 9

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Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): „Zeitlupe 33, Vorurteile“, Bonn 1996

„Zeitlupe“ ist eine Schülerzeitschrift für dieSekundarstufe I aller Schularten. Das Heft„Vorurteile“ enthält Materialien und Anre-gungen zur Überprüfung eigener Verhaltens-weisen, über Mechanismen und Wirkungs-weisen von Vorurteilen. Das Heft ist kostenlos bei der Bundeszentrale fürpolitische Bildung in Bonn zu bestellen.

DGB-Bildungswerk Thüringen e.V. (Hrsg.): „Baustein zur nicht-rassistischen Bildungs-arbeit“, Erfurt 1998

Der Baustein ist kein weiteres Seminarkon-zept, sondern sein Ziel ist, Nicht-Rassismuszum Prinzip aller Seminare zu machen. Erenthält viele inhaltliche und methodisch-didaktische Materialien, die sich gut in„Normalseminare“ integrieren lassen. Vieleslässt sich für den Unterricht in der beruf-lichen Bildung nutzen.Der Ordner ist zur Zeit leider vergriffen, aber eineNeuauflage ist geplant. Sein gesamter Inhalt ist aberim Internet unter www.baustein.dgb-bwt.de zu finden.

DGB-Jugend Nord (Hrsg.): „DEMOKRATIE MACHT SCHULE“,Hamburg, Februar 2000

Neben anderen enthält dieser Ordner dieThemenschwerpunkte Gewalt und Migration.Dazu beinhaltet er eine Vielzahl von Multi-plikatoren-Materialien für den Einsatz imUnterricht.Der Ordner ist kostenlos beim DGB-Landesbezirk Nord, Abteilung Jugend in Hamburg (Tel.: 0 40/2 85 82 25) zu bestellen.

Uli Jäger, „Rechtsextremismus und Gewalt –Materialien, Methoden Arbeitshilfen“, Vereinfür Friedenspädagogik Tübingen e.V., 1993

Eine Zusammenstellung von Texten undMaterialien zu verschiedenen Aspekten vonRechtsgewalt. Die Materialien sind wegenihrer Abstraktheit nur bedingt für die Ziel-gruppe dieser Handreichung verwendbar,aber als Lehrerinformationen sehr geeignet.Das Heft ist für 10,– DM zuzüglich Versandkostenbeim Verein für Friedenspädagogik in Tübingen (Tel.: 0 70 71/2 13 12) zu bestellen.

Bernd Janssen: „Gewalt gegen Ausländer.Didaktisch-Methodisch aufbereitete Anregun-gen für politische Lernprozesse“, NLPB,Hannover 2001

Das Heft enthält sehr gut geeignete Materia-lien für folgende 4 Unterrichtsphasen:1. Gewalt hat viele Gesichter, 2. Gewaltgegen Ausländer – zur Situation, 3. Gewaltgegen Ausländer – Hintergründe, 4. Gewaltgegen Ausländer – Lösungsansätze. Das Heft ist in der Reihe „Informativ und Aktuell“ beider Niedersächsischen Landeszentrale für politischeBildung erschienen.

Gottfried Kößler, Petra Mumme: „Konfrontatio-nen – Bausteine für die pädagogische Annähe-rung an Geschichte und Wirkung des Holo-caust, Heft 1: Identität“, Fritz Bauer Institut,Frankfurt am Main 2000

Das Heft enthält einen Teil mit didaktischenund methodischen Grundlagen sowie einKonzept für eine Annäherung an dieGeschichte des Nationalsozialismus imLernprozess. Dabei wird ein Zugang überIdentitätsfragen und -erfahrungen derJugendlichen einerseits und von Menschender Epoche des Nationalsozialismus ande-rerseits gewählt. Obwohl die Materialienteilweise sehr anspruchsvoll sind, ist derAnsatz mit entsprechenden Materialände-rungen für die berufliche Bildung geeignet.Kostenloser Bezug für Mittlerinnen und Mittler derpolitischen Bildung mit Wohnsitz in Hessen über dieHessische Landeszentrale für politische Bildung,Rheinbahnstraße 2, 65185 Wiesbaden.

Landeszentrale für politische Bildung Rhein-land-Pfalz (Hrsg.): „Nein zur Gewalt – Rechts-extremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemi-tismus, Rassismus“, Wochenschau Verlag,Schwalbach/Ts. 2001

Die Handreichung liefert sachanalytischeTexte und Materialien, um den Rechtsex-tremismus in Schule, Jugend- und Erwach-senenbildung in all seinen Erscheinungs-formen analytisch zu diskutieren, inGruppenarbeiten zu durchleuchten oderin Rollenspielen die Mechanismen derAusgrenzung zu zeigen.Der Ordner kann von Landeskindern kostenlos bei derLandeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalzin Mainz bestellt werden.

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Literaturempfehlungen 9

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Ralf-Erik Posselt/Klaus Schumacher: „Projekt-handbuch: Gewalt und Rassismus“, Verlag ander Ruhr, 1993, veränderte Neuauflage 2001

Das Buch enthält zahlreiche Beispiele,Erfahrungen, Konzepte etc. aus der Arbeitgegen Gewalt und Rassismus. Es bietet eineFülle an Dokumenten zum Thema, inhalt-lichen Klärungen und Vorschlägen für diepädagogische Praxis und politische Pro-jekte. Es ist eine Fundgrube auch für Pro-jekt- und Unterrichtsplanung in der beruf-lichen Bildung.Das Buch ist für 19,80 DM zuzüglich Versandkostenzu bestellen bei: Amt für Jugendarbeit der EkvW,Postfach 5020, 58225 Schwerte.

■ Schulbücher

Folgende Schulbücher enthalten Kapitel zu denThemen Gewalt, Migration, Ausländerfeind-lichkeit, Rechtsextremismus und Nationalsozia-lismus. Sie bieten gute Materialien, die für dieZielgruppe dieser Handreichung gut geeignetsind.

Das IGL-Buch 3, Gesellschaftslehre anGesamtschulen, Ernst Klett Schulbuchverlag,Leipzig 1997

Bernd Janssen, Günter Tegtmeyer (Hrsg.):„Schlüssel zur Politik – Ein Arbeitsbuch fürberufsbildende Schulen“, Cornelsen Verlag,Berlin 1996

Prof. Dr. Peter Weinbrenner (Hrsg.): „Anstöße 3 – Ein Arbeitsbuch für den Politik-unterricht“, Ernst Klett Verlag, Stuttgart 1996

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Literaturempfehlungen 9

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Fragen zum Unterricht 10

Fragen zum Unterricht

Thema:

1. Hat dich das Thema des Unterrichts interessiert? ja � nein �

2. Hast du dich vorher schon einmal mit dem Thema beschäftigt? ja � nein �

Wenn ja, womit genau?

3. Welche Arbeitsphasen haben dir gut gefallen?

Welche weniger?

4.Welche Unterrichtsformen haben dir gut gefallen?

Welche weniger?

5. Wie hast du nach deiner eigenen Einschätzung mitgearbeitet?eher besser als sonst �wie immer �eher schlechter als sonst �

6. An welchen Stellen fandest du den Unterricht zu schwierig, was hast du nicht verstanden?

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7. Was hat dir Spaß gemacht?

8. Was war langweilig?

9. Welchen Aussagen zum Ergebnis des Unterrichts könntest du zustimmen? (Mehrere Kreuze sind möglich, gar kein Kreuz auch)

� Ich habe persönlich etwas dabei gelernt.

� Der Unterricht hat mich zum Nachdenken gebracht.

� Ich habe meine Meinungen zu dem Thema neu überdacht.

� Ich werde mich künftig anders verhalten, wenn ich mit dem Thema in Berührung komme.

� Mein Interesse an Politik hat sich vergrößert.

10. Würdest du gern mehr Unterricht dieser Art mit ähnlichen Themen haben?

ja � nein �

Vielen Dank für das Ausfüllen!

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Fragen zum Unterricht 10