Mathe, Märkte und Millionen || »Habe ich richtig zu rechnen gelernt?« Warum Herr Dr. X. aus...

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22 Mathe, Märkte und Millionen 7 »Habe ich richtig zu rechnen gelernt?« Warum Herr Dr. X. aus Gifhorn irrte Aus einem (etwas älteren) Leserbrief an ein Fondsjournal, in dem es um Vermögensbildung mittels Aktienfonds ging: »Sie berichten über deutsche Aktienfonds, die in den vergan- genen zehn Jahren einen Gewinn von 230 % erzielten. Ande- rerseits berichten Sie über Vermögensbildung mittels deutscher Aktienfonds durch regelmäßiges Sparen von 100DM im Monat, was nach zehn Jahren auf 23 294 DM führte. Habe ich in der Schule richtig zu rechnen gelernt? Die Einzahlungen betragen 100 ×12 ×10 = 12 000 DM, sodass ein Gewinn von 11 294 DM verbleibt, was ›nur‹ 94,1 % entspricht.« Dr. X., Gifhorn Hat Herr Dr. X. recht? Legt man ein Anfangskapital der Höhe K 0 (beispielsweise 1 000 Euro) verzinslich an, so bedeutet ein Gewinn von 230 %, dass man nach zehn Jahren das 2,3-Fache (also 2300 Euro) erwirtschaftet hat, was bedeutet, dass man zusammen mit dem Startkapital auf das 3,3-Fache (d. h. 3 300 Euro) kommt: K 10 =3,3 · K 0 . Entsprechend Grundformel (5), der Endwertformel der Zinseszins- rechnung, ergibt sich aus der Gleichung K 10 = K 0 · (1 + i) 10 ! =3,3 · K 0 B. Luderer, Mathe, Märkte und Millionen, DOI 10.1007/978-3-658-02774-2_7, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

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22 Mathe, Märkte und Millionen

7 »Habe ich richtig zu rechnen gelernt?«Warum Herr Dr. X. aus Gifhorn irrte

Aus einem (etwas älteren) Leserbrief an ein Fondsjournal, in demes um Vermögensbildung mittels Aktienfonds ging:

»Sie berichten über deutsche Aktienfonds, die in den vergan-genen zehn Jahren einen Gewinn von 230% erzielten. Ande-rerseits berichten Sie über Vermögensbildung mittels deutscherAktienfonds durch regelmäßiges Sparen von 100DM im Monat,was nach zehn Jahren auf 23 294DM führte. Habe ich in derSchule richtig zu rechnen gelernt? Die Einzahlungen betragen100×12×10 = 12 000 DM, sodass ein Gewinn von 11 294DMverbleibt, was ›nur‹ 94,1 % entspricht.«

Dr. X., Gifhorn

Hat Herr Dr. X. recht?

Legt man ein Anfangskapital der Höhe K0 (beispielsweise 1 000 Euro)verzinslich an, so bedeutet ein Gewinn von 230 %, dass man nachzehn Jahren das 2,3-Fache (also 2 300 Euro) erwirtschaftet hat, wasbedeutet, dass man zusammen mit dem Startkapital auf das 3,3-Fache(d. h. 3 300 Euro) kommt:

K10 = 3,3 ·K0.

Entsprechend Grundformel (5), der Endwertformel der Zinseszins-rechnung, ergibt sich aus der Gleichung

K10 = K0 · (1 + i)10!= 3,3 ·K0

B. Luderer, Mathe, Märkte und Millionen, DOI 10.1007/978-3-658-02774-2_7, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

Zinsen, Kurse und Renditen 23

nach Division durch K0 und Ziehen der zehnten Wurzel das Resultat

1 + i = 10√

3,3 = 1,1268.

Somit beträgt die gesuchte jährliche Rendite

i = 1,1268− 1 = 0,1268 = 12,68%.

Andererseits führt regelmäßiges monatliches (vorschüssiges) Sparenbei der berechneten Rendite unter Beachtung der Grundformel (3)auf folgenden Wert am Jahresende:

R=r · (12 + 6,5 · i)=100 · (12 + 6,5 · 0,1268)=1 282,42 [DM].

Dieser Wert wird Jahresersatzrate genannt und ersetzt die zwölf »klei-nen« Monatszahlungen durch eine am Jahresende fällige »große« Zah-lung. Berechnet man nun mithilfe der Grundformel (9) den Endwertder nachschüssigen Rente, indem man die Jahresersatzrate R einsetzt,kommt man auf einen Wert von

E10 = 1282, 42 · 1,126810 − 1

0,1268= 23 258 [DM].

Nein, es gibt keinen Widerspruch. Die unbedeutenden Abweichungensind lediglich »Peanuts« und beruhen auf Rundungsfehlern.

Herr Dr. X. hat falsche Überlegungen angestellt, indem er den FaktorZeit nicht beachtete und gedanklich alle Einzahlungen auf den Zeit-punkt null legte. In Wahrheit aber erfolgen die Einzahlungen gleich-mäßig verteilt über die zehn Jahre. Die erste erfolgt sofort, die letzteeinen Monat vor Ablauf des Sparplans. Damit werden natürlich dieEinzahlungen unterschiedlich lange und insbesondere die letzten nurüber sehr kurze Zeiträume verzinst. Um daher auf den im Brief ge-nannten Wert von 23 294 DM zu kommen, muss der Zinssatz entspre-chend hoch sein.