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Mathematik 1 Skript zur Vorlesung an der Hochschule Heilbronn 1 (Stand: 9. März 2021) Prof. Dr. V. Stahl 1 Der Inhalt dieses Skripts ist teilweise wörtlich oder sinngemäß aus den im Literaturver- zeichnis genannten Quellen entnommen. Es handelt sich um keine wissenschaftliche Veröffent- lichung.

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Mathematik 1

Skript zur Vorlesung an der Hochschule Heilbronn 1

(Stand: 9. März 2021)

Prof. Dr. V. Stahl

1Der Inhalt dieses Skripts ist teilweise wörtlich oder sinngemäß aus den im Literaturver-zeichnis genannten Quellen entnommen. Es handelt sich um keine wissenschaftliche Veröffent-lichung.

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INHALTSVERZEICHNIS 2

Inhaltsverzeichnis1 Terme 3

2 Mengen 4

3 Tupel 5

4 Kartesische Produkte und Relationen 6

5 Funktionen 7

6 Schaubilder von reellen Funktionen 9

7 Rechengesetze elementarer Funktionen 10

8 Umformen von Gleichungen 11

9 Folgen 13

10 Grenzwert von Funktionen 19

11 Stetigkeit 20

12 Differentialrechnung 21

13 Taylor Polynome 24

14 Integralrechnung 26

15 Berechnung einer Stammfunktion 27

16 Flächenberechnung und bestimmtes Integral 31

17 Komplexe Zahlen 33

18 Fundamentalsatz der Algebra 36

19 Rationale Funktionen, Partialbruchzerlegung 37

20 Vektoren 41

21 Geometrie 43

22 Spannräume (Untervektorräume) 44

23 Lineare Gleichungssysteme, Gauß Algorithmus 45

24 Matrizen 48

25 Lineare Funktionen 56

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1 TERME 3

1 Terme• Einfachste Terme: Konstantensymbole, Variablensymbole

• Mit Hilfe eines n-stelligen Funktionssymbols f kann aus Termen t1, . . . , tnein neuer Term

f(t1, . . . , tn)

zusammengebaut werden.

• Infix Notation bei zweistelligen Funktionssymbolen, z.B. 4+x statt +(4, x)

• Notation für spezielle Funktionssymbole, z.B.√x, ex, 7!, x2

• Terme können als Bäume dargestellt werden. An den Knoten stehen Funk-tionssymbole. Die Anzahl der Nachfolger eines Knotens ist gleich der Stel-ligkeit des Funktionssymbols. An den Blättern des Baums stehen Konstanten-und Variablensymbole.

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2 MENGEN 4

2 MengenEine Menge M ist eine Zusammenfassung von Objekten. x ∈M bedeutet, dassx Element von der Menge M ist. Die Elementen einer Menge sind ungeordnet,d.h. die Menge legt keine Reihenfolge fest. Eine Menge hat keine “mehrfachen”Elemente.

• Teilmenge A ⊆ B falls jedes Element von A auch Element von B ist.

• Mengengleichheit A = B. Zwei Mengen sind gleich, wenn sie die gleichenElemente haben. Insbesondere legt eine Menge keine Reihenfolge für ihreElemente fest.

A = B genau dann wenn A ⊆ B ∧B ⊆ A.

• Schnittmenge A∩B: Menge aller Elemente, die sowohl in A als auch in Bsind.Vereinigungsmenge A∪B: Menge aller Elemente, die in A oder in B sind.Mengendifferenz A \ B: Menge aller Elemente, die in A und nicht in Bsind.

A ∩B = {x |x ∈ A ∧ x ∈ B}A ∪B = {x |x ∈ A ∨ x ∈ B}A \B = {x |x ∈ A ∧ x 6∈ B}

• Menge aller Objekte, für die eine Aussagen zutrifft:

{x |Aussage, in der x vorkommt}

• Leere Menge ∅ oder {}.

• Mächtigkeit (oder Kardinalität) einer endlichen Menge: Anzahl ihrer Ele-mente.

• Zahlenmengen: N,N0,Z,Q,R

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3 TUPEL 5

3 Tupel• Paar (a, b): Geordnete Zusammenfassung von zwei Objekten a und b. Un-

terschied zu Mengen:

– Reihenfolge ist relevant, d.h. (a, b) 6= (b, a). Von einem Paar ist dahereindeutig festgelegt, was die erste und die zweite Komponente ist.

– Die beiden Komponenten eines Paars können gleich sein, d.h. (a, a)ist ein Paar mit erster und zweiter Komponente a.

• Zwei Paare sind gleich genau dann wenn sie die selben Komponenten ha-ben, d.h. (a, b) = (u, v) genau dann wenn a = u und b = v.

• Geordnete Zusammenfassung von 3 Objekten mit Hilfe von (geschachtel-ten) Paaren:

(a, b, c) =((a, b), c

)• n-Tupel (a1, a2, . . . , an): Geordnete Zusammenfassung von n Objekten.

Ein n-Tupel ist ein Paar, dessen erste Komponente ein n− 1 Tupel ist.

(a1, a2, . . . , an) = (

n − 1-Tupel︷ ︸︸ ︷(a1, a2, . . . , an−1), an)︸ ︷︷ ︸

Paar

.

• Ergänzung: Geordnete zusammenfassung eines Objektes heißt 1-Tupel undist gleich dem Objekt selbst.

(a1) = a.

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4 KARTESISCHE PRODUKTE UND RELATIONEN 6

4 Kartesische Produkte und Relationen• Kartesisches Produkt A × B: Menge aller Paare (a, b) wobei a ∈ A undb ∈ B.

A×B = {(a, b) | a ∈ A ∧ b ∈ B}.

• n-faches Kartesisches Produkt An: Menge aller n-Tupel mit Komponentenaus A.

An = An−1 ×AA1 = A.

• Eine Relation ist eine Menge von Paaren, z.B.

≤ = {(1, 1), (1, 2), . . . , (5, 7), . . .}

• R heißt Relation auf A wenn

R ⊆ A×A.

• Umkehrrelation von R

R−1 = {(a, b) | (b, a) ∈ R}

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5 FUNKTIONEN 7

5 FunktionenEine Funktion f ist eine Zuordnung von Elementen aus A zu Elementen aus B.Die Zuordnung wird durch eine Relation R ⊆ A × B festgelegt: Man schreibtf(a) = b genau dann wenn (a, b) ∈ R, d.h. der Funktionswert von f an derStelle a ist b. R heißt Graph von f .

Formal ist eine Funktion somit ein Tripel f = (A,B,R) wobei

• R ⊆ A×B

• Zu jedem a ∈ A existiert genau ein b ∈ B so dass (a, b) ∈ R.

Hierdurch wird garantiert, dass der Funktionswert f(a) für jedes a ∈ A existiertund eindeutig ist.

• A→ B: Menge aller Funktionen von A nach B.

• f ∈ A → B bedeutet f ist Funktion von A nach B. In der Literaturschreibt man oft f : A→ B.

Funktionsterme Funktionen können unter Verwendung von Termen definiertwerden, z.B.

f ∈ R→ R, f(x) = x2 + 3.Sehr viel Verwirrung stiftet die Frage, ob man eine Funktion mit f oder mit f(x)bezeichnen soll. Die klare Antwort ist, dass die Funktion f heißt. Mit f(x) wirdder Funktionswert von f an der Stelle x bezeichnet. Ist also f ∈ R → R, dannbezeichnet f(x) ein Element von R und ist damit keine Funktion! Dummerweiseist es aber in der Literatur sehr verbreitet, Funktionen mit f(x) zu bezeichnen.Passen Sie also gut auf, was mit f(x) im konkreten Fall gemeint ist!

Komposition von Funktionen Ist g ∈ A → B und f ∈ B → C, dann istdie Komposition f ◦ g (gelesen f nach g) die Hintereinanderausführung von fund g:

f ◦ g ∈ A→ C, (f ◦ g)(x) = f(g(x)).

• Wichtig: Auf das Argument x wird zuerst die Funktion g angewandt unddanach die Funktion f .

• Der Ausdruck f(x)◦g(x) macht kein Sinn! Mit ◦ wird aus zwei Funktionenf und g eine neue Funktion f ◦ g gemacht. Es werden also nicht die Funk-tionswerte f(x) und g(x) miteinander verknüpft sondern die Funktionenf und g!

Eigenschaften von Funktionen

• f ∈ A → B heißt injektiv, wenn f für unterschiedliche Eingabewerte im-mer unterschiedliche Funktionswerte liefert, d.h. wenn aus a1 6= a2 immerf(a1) 6= f(a2) folgt.

• f ∈ A → B heißt surjektiv, wenn jedes b ∈ B als Funktionswert von fherauskommen kann, d.h. wenn zu jedem b ∈ B ein a ∈ A existiert mitf(a) = b.

• f heißt bijektiv, wenn f sowohl injektiv als auch surjektiv ist.

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5 FUNKTIONEN 8

Umkehrfunktion Ist f ∈ A → B bijektiv, dann existiert zu jedem b ∈ Bgenau ein a ∈ A mit f(a) = b:

• Da f surjektiv ist, existiert zu jedem b ein a.

• Da f injektiv ist, kann es zu einem b nicht mehr als ein a geben.

Die Zuordnung von b ∈ B zu a ∈ A so dass f(a) = b ist, heißt Umkehrfunktionvon f .

f−1 ∈ B → A, f−1(b) = a genau dann wenn f(a) = b

Die Komposition einer Funktion und ihrer Umkehrfunktion ergibt die Identi-tätsfunktion, d.h.

f−1 ◦ f ∈ A→ A, f−1(f(a)) = a

f ◦ f−1 ∈ B → B, f−1(f(b)) = b.

Mehrstellige Funktion f ∈ An → B heißt n-stellige Funktion auf A. DieFunktion f nimmt als Eingabewerte somit n-Tupel mit Komponenten aus A.Statt

f((a1, a2, . . . , an))

schreibt man einfachf(a1, a2, . . . , an).

So ist z.B. die Addition reeller Zahlen eine Funktion + ∈ R2 → R, die jedemPaar von reellen Zahlen (a1, a2) ∈ R2 die Summe seiner Komponenten a1 +a2 ∈R zuordnet.

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6 SCHAUBILDER VON REELLEN FUNKTIONEN 9

6 Schaubilder von reellen Funktionen• Bild von

g(x) = f(x) + c

ist Bild von f(x) um c Einheiten nach oben verschoben.

• Bild vong(x) = f(x+ c)

ist Bild von f(x) um c Einheiten nach links verschoben.

• Bild vong(x) = af(x)

ist Bild von f(x) um a Einheiten in y-Richtung gestreckt.

• Bild vong(x) = f(ax)

ist Bild von f(x) um a Einheiten in x-Richtung gestaucht.

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7 RECHENGESETZE ELEMENTARER FUNKTIONEN 10

7 Rechengesetze elementarer FunktionenPotenzrechnen

ax+y = axay

(ax)y = axy = ayx = (ay)x

a−x = 1ax

a1/x = x√a

Wurzelrechnen Da√x = x1/2 kann eine Wurzel immer durch eine Potenz

dargestellt werden. Damit sind alle Rechengesetze der Potenzrechnung anwend-bar. Besonders nützlich sind folgende Gleichungen:

√xy =

√x√y falls x, y ≥ 0

√x2 = |x|√xn =

(√x)n

Logarithmus

loga(xy) = loga(x) + loga(y)loga(x/y) = loga(x)− loga(y)loga(1/x) = − loga(x)loga(xy) = y loga(x)

loga(x) = ln(x)ln(a)

Trigonometrische Funktionen

sin2(x) + cos2(x) = 1

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8 UMFORMEN VON GLEICHUNGEN 11

8 Umformen von GleichungenEine Gleichung

`(x) = r(x)besteht aus zwei Termen `(x) und r(x), in denen ein gemeinsames Variablen-symbol x auftritt. Die Lösungsmenge der Gleichung ist die Menge aller Wertevon x, für die `(x) = r(x) gilt, d.h.

L = {x ∈ D | `(x) = r(x)}.

Die Menge D ist dabei die Menge aller x, für die `(x) und r(x) definiert sind.Um eine Gleichung zu lösen, versucht man diese so lang umzuformen, bis x

allein auf einer Seite steht. Dies erreicht man dadurch, dass man auf beiden Sei-ten eine beliebige Funktion f anwendet und Rechengesetze zur Termumformungausnutzt. Bei den Umformungsschritten muss man auf zwei Dinge aufpassen:

• f(`(x)) und f(r(x)) muss für alle x ∈ D definiert sein. Vorsicht also, wennf eine Funktion ist, die nicht auf ganz R definiert ist wie z.B Wurzel oderLogarithmus. Häufig ist dann eine Fallunterscheidung erforderlich.

• Die Lösungsmenge von

`(x) = r(x) undf(`(x)) = f(r(x))

muss gleich sein.

Im Folgenden wird angenommen, dass die erste Bedingung erfüllt ist. Fürjede Funktion f gilt, dass wenn

`(x) = r(x),

auch

f(`(x)) = f(r(x))

ist, da gleiche Argumente von f gleiche Funktionswerte von f liefern. Ist x alsoLösung der ursprünglichen Gleichung, dann ist x auch Lösung der umgeformtenGleichung, d.h.

{x ∈ D | `(x) = r(x)} ⊆ {x ∈ D | f(`(x)) = f(r(x))}.

Durch Anwenden von f auf beiden Seiten geht also keine Lösung “verloren”.Es kann aber durchaus passieren, dass Lösungen dazukommen, d.h. dass ein

bestimmtes x Lösung der umgeformten Gleichung

f(`(x)) = f(r(x))

ist, aber nicht Lösung der ursprüngliche Gleichung, d.h.

`(x) 6= r(x).

Hierzu ein triviales Beispiel: Wenn f die konstante Nullfunktion ist, dann giltfür jedes x ∈ D

f(`(x)) = f(r(x)) = 0

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8 UMFORMEN VON GLEICHUNGEN 12

auch wennn

`(x) 6= r(x).

Um dies auszuschließen, muss man beim Umformen von Gleichungen daraufachten, dass f injektiv ist. Injektivität von f besagt ja gerade, dass wenn

`(x) 6= r(x)

auch

f(`(x)) 6= f(r(x)).

Ist f eine injektive Funktion, gilt somit

{x ∈ D | `(x) = r(x)} = {x ∈ D | f(`(x)) = f(r(x))},

d.h. die Lösungsmenge der ursprünglichen Gleichung und der umgeformten Glei-chung sind identisch.

Beliebte injektive Funktionen beim Umformen von Gleichungen sind z.B.

• f(x) = x + c, d.h. auf beiden Seiten den selben Wert c addieren (odersubtrahieren)

• f(x) = ax mit a 6= 0, d.h. beide Seiten mit dem selben Faktor multiplizie-ren (oder dividieren)

Möchte man beide Seiten quadrieren muss man aufpassen, da die Quadratfunk-tion nicht injektiv ist. So hat z.B. die Gleichung

x = 2

genau eine Lösung,

x2 = 4

hat jedoch zwei Lösungen x = 2 und x = −2. Wenn man beim Umformen nichtinjektive Funktionen anwendet, muss man die berechneten Lösungen der umge-formten Gleichung durch Einsetzen in die ursprüngliche Gleichung verifizieren.

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9 FOLGEN 13

9 FolgenEine reelle Folge ist eine Funktion von N nach R. Notation: xn statt x(n). VonInteresse ist das Verhalten einer Folge xn wenn n gegen unendlich geht. Hiergibt es drei Fälle:

• Konvergente Folge. xn nähert sich immer mehr einer reellen Zahl x an.Die Folge xn heißt dann konvergent mit Grenzwert x. Man schreibt

limn→∞

xn = x

oderxn → x für n→∞.

Beispiel:xn = n+ 1

n, lim

n→∞xn = 1.

• Bestimmt divergente Folge. xn läuft gegen ∞ oder gegen −∞. DieFolge xn heißt dann bestimt divergent mit uneigentlichem Grenzwert ∞oder −∞. Man schreibt

limn→∞

xn =∞ oder limn→∞

xn = −∞.

Beispiel:xn = − n!

2n , limn→∞

xn = −∞.

• Unbestimmt divergente Folge. Folgen, die weder konvergent noch be-simmt divergent sind, heißen unbestimmt divergent, z.B.

xn = (−1)n oder xn = n sin(n).

Am wichtigsten sind für unsere Zwecke die konvergenten Folgen. Als ein-facher Spezialfall werden zunächst Nullfolgen betrachtet. Dies sind Folgen mitGrenzwert Null, z.B.

xn = sin(n)n

.

Nachdem intuitiv klar ist, was gemeint ist wenn man sagt, dass sich eine Folgeimmer mehr der Zahl Null annähert, wird nun eine exakte Beschreibung ge-geben. Wie in Bild 9.1 dargestellt, wird von einer Nullfolge xn gefordert, dassfür jedes beliebig kleine ε > 0 eine Stelle N ∈ N existiert, ab der die Folge xnzwischen −ε und ε bleibt.

Definition 9.1 (Nullfolge)Eine Folge xn heißt Nullfolge wenn gilt:

für jedes ε ∈ R+

gibt es ein N so dassfür alle n > N gilt, dass

|xn| < ε

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9 FOLGEN 14

"

"�" n

n�"N

xn

xn

N

Abbildung 9.1: Beispiel einer Nullfolge. Egal wie eng der ε-Streifen ist, es gibtimmer ein N ab dem die Glieder der Folge in dem ε-Streifen bleiben.

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9 FOLGEN 15

n

xn

Nx− ε

x+ ε

x

Abbildung 9.2: Konvergente Folge xn mit Grenzwert x.

Betrachten wir nun den allgemeinen Fall einer konvergenten Folge xn mitGrenzwert x. Wie in Bild 9.2 dargestellt, ist hier die Forderung analog zurNullfolge, dass für jedes beliebig kleine ε > 0 eine Stelle N ∈ N existiert, ab derdie Folge xn zwischen x− ε und x+ ε bleibt.

Definition 9.2 (Konvergente Folge mit Grenzwert x)Eine Folge xn heißt konvergent mit Grenzwert x wenn gilt:

für jedes ε ∈ R+

gibt es ein N so dassfür alle n > N gilt, dass

|xn − x| < ε

Die Bedingung |xn − x| < ε ist gleichbedeutend mit

xn < x+ ε und xn > x− ε

und bedeutet anschaulich, dass der Abstand von xn zu x kleiner als ε ist.

Rechengesetze für konvergente Folgen Es gibt ein paar Rechengesetze,mit deren Hilfe man entscheiden kann, ob eine Folge konvergent ist und gege-benenfalls ihren Grenzwert berechnen kann.

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9 FOLGEN 16

Theorem 9.3 (Rechenregeln für Grenzwerte konvergenter Folgen)Seien xn und yn konvergente Folgen mit xn → x und yn → y und c ∈ R.Dann gilt

xn + yn → x+ y

xn − yn → x− yc xn → cx

xnyn → xy

xn/yn → x/y falls y 6= 0 und yn 6= 0 für alle n.

Grafisch läßt sich Theorem 9.3 durch ein kommutatives Diagramm für denFall der Addition wie folgt darstellen:

xn, yn+−−−−→ xn + yn

limy ylim

x, y −−−−→+

x+ y

Beispiel 9.4 Gegeben ist die Folge

xn = 2n − 33n + 1 .

Man wäre versucht, an dieser Stelle Theorem 9.3 auf die Folgen 2n−3 und3n+ 1 anzuwenden. Das klappt aber nicht, weil beides keine konvergentensondern bestimmt divergente Folgen sind und man auf den undefiniertenAusdruck ∞/∞ stoßen würde. Der Trick ist, zuerst Zähler und Nennerdurch 3n zu dividieren:

2n − 33n + 1 = (2/3)n − 1/3n−1

1 + 1/3n .

In diesem Term treten überall konvergente Folgen auf. Es gilt

(2/3)n → 01/3n−1 → 0

1/3n → 0

Wiederholte Anwendung von Theorem 9.3 ergibt nun

(2/3)n − 1/3n−1 → 0− 0 = 01 + 1/3n → 1 + 0 = 1

(2/3)n − 1/3n−1

1 + 1/3n → 0− 01 + 0 = 0

1 = 0.

Komposition einer Folge und einer Funktion. Die Komposition einerFolge x ∈ N→ R und einer Funktion f ∈ R→ R ergibt wieder eine Folge:

f ◦ x ∈ N→ R, (f ◦ x)(n) = f(x(n)) = f(xn).

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9 FOLGEN 17

Wir nehmen nun an, dass x eine konvergente Folge mit Grenzwert x ist, d.h.

limn→∞

xn = x.

Es stellt sich nun die Frage, ob auch f(xn) eine konvergente Folge ist und obwie zu Erwarten gilt

limn→∞

f(xn) = f(x).

Diese Gleichung wird durch das folgende Diagramm ausgedrückt:

xnf−−−−→ f(xn)

limy ylim

x −−−−→f

f(x)

In “einfachen” Fällen ist dies tatsächlich zutreffend, d.h. es ist egal ob man

• zuerst die Funktion f anwendet und dann den Grenzwert von f(xn) be-rechnet oder

• zuerst den Grenzwert x berechnet und darauf die Funktion f anwendet.

Beispiel 9.5 Sei

xn = 2 + 1n

f(x) = x2.

Dann ist

x = 2f(x) = 4

f(xn) =(

2 + 1n

)2= 4 + 2

n+ 1n2

limn→∞

f(xn) = 4

und tatsächlich giltlimn→∞

f(xn) = f(x).

Es gibt jedoch auch Fälle, in denen dies nicht gilt:

Beispiel 9.6 Sei

xn = 1n

f(x) = sign(x) =

1 falls x > 00 falls x = 0−1 falls x < 0

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9 FOLGEN 18

Dann ist

x = 0f(x) = 0f(xn) = sign(1/n) = 1

limn→∞

f(xn) = 1

und somitlimn→∞

f(xn) 6= f(x).

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10 GRENZWERT VON FUNKTIONEN 19

10 Grenzwert von Funktionen

Definition 10.1 (Grenzwert einer Funktion)Eine Funktion f ∈ D→ R hat an der Stelle x den Grenzwert G, wenn

für jede Folge xn mit• limn→∞ xn = x

• xn ∈ D und xn 6= x für alle n ∈ Ngilt, dass

limn→∞ f(xn) = G.

Notation:limx→x

f(x) = G.

Theorem 10.2 (Rechenregeln für Grenzwerte von Funktionen)Seien f, g ∈ D→ R, x ∈ R und

limx→x

f(x) = F

limx→x

g(x) = G

mit F,G ∈ R. Dann gilt

limx→x

(f(x) + g(x)

)= F +G

limx→x

(f(x)− g(x)

)= F −G

limx→x

(f(x)g(x)

)= FG

limx→x

(f(x)/g(x)

)= F/G falls G 6= 0

limx→x

cf(x) = cF für alle c ∈ R.

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11 STETIGKEIT 20

11 Stetigkeit

Definition 11.1 (Stetigkeit)f ∈ D→ R ist stetig an der Stelle x wenn

• f(x) definiert ist, d.h. x ∈ D.• f(x) einen Grenzwert bei x hat.• Der Grenzwert von f bei x gleich dem Funktionswert von f bei x,

ist, d.h.limx→x

f(x) = f(x).

��

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Abbildung 11.1: In allen Fällen hat f an der Stelle x den Grenzwert G. Imlinken Bild ist f an der Stelle x stetig, im mittleren und rechten Bild nicht.

�� �� ������� ������������� �����������������

Abbildung 11.2: Beispiele wo f an der Stelle x keinen Grenzwert oder nur einenuneigentlichen Grenzwert hat und folglich auch nicht stetig ist.

Theorem 11.2 (Stetigkeitssatz)Sind f(x) und g(x) stetig an der Stelle x, dann auch

f(x) + g(x),f(x)− g(x),f(x)g(x),f(x)/g(x) falls g(x) 6= 0.

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12 DIFFERENTIALRECHNUNG 21

12 DifferentialrechnungAbleitung. Steigung der Sekante der Funktion f zwischen x und x+ ∆x:

f(x+ ∆x)− f(x)∆x .

Die Sekantensteitung geht in die Tangentensteigung über falls ∆x sehr klein ist.Man betrachtet daher die Sekantensteitung als Funktion von ∆x, wobei x festist:

s(∆x) = f(x+ ∆x)− f(x)∆x .

Die Tangentensteigung von f bei x wird als Ableitung von f bei x bezeichnetund ist der Grenzwert der Sekantensteitung s(∆x) bei ∆x = 0. Da die Se-kantensteigung für ∆x = 0 nicht definiert ist, muss man den Klimmzug mitGrenzwerten machen.

f ′(x) = lim∆x→0

s(∆x)

= lim∆x→0

f(x+ ∆x)− f(x)∆x .

Differentialnotation. Um die lim Notation zu vereinfachen führt man Dif-ferentiale ein. Diese kann man sich als “unendlich kleine” Zahlen vorstellen undkennzeichnet sie durch den Buchstaben d, also z.B. dx. Damit gilt

f ′(x) = f(x+ dx)− f(x)dx

.

Der Zähler ist ebenfalls eine unendlich kleine Zahl, die mit

df(x) = f(x+ dx)− f(x)

abgekürzt wird. Damit giltf ′(x) = df(x)

dx.

Man kann mit Differentialen genauso rechnen wie mit normalen Zahlen, solltesich aber bewusst sein, dass es sich nicht um Zahlen sondern um Grenzwertehandelt.

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12 DIFFERENTIALRECHNUNG 22

Ableitung von Standard Funktionen

f(x) = k f ′(x) = 0f(x) = xa f ′(x) = axa−1, a ∈ Rf(x) = sin(x) f ′(x) = cos(x)f(x) = cos(x) f ′(x) = − sin(x)f(x) = tan(x) f ′(x) = 1 + tan(x)2

f(x) = ex f ′(x) = ex

f(x) = ln(x) f ′(x) = 1/x

f(x) = arcsin(x) f ′(x) = 1√1− x2

f(x) = arccos(x) f ′(x) = − 1√1− x2

f(x) = arctan(x) f ′(x) = 11 + x2

Ableitungsregeln

• Summenregel

(f(x) + g(x))′ = f ′(x) + g′(x)

• Konstanter Faktor

(af(x))′ = af ′(x)

• Produktregel

(f(x)g(x))′ = f ′(x)g(x) + f(x)g′(x)

• Quotientenregel (f(x)g(x)

)′= f ′(x)g(x)− f(x)g′(x)

g(x)2

• Kettenregel (äußere Ableitung mal innere)

(f(g(x)))′ = f ′(g(x)) g′(x)

Herleitung der Kettenregel. Als Beispiel für die Vorteile der Differential-notation wird die Kettenregel hergeleitet. Sei

h(x) = f(g(x)).

Dann ist

h′(x) = h(x+ dx)− h(x)dx

= f(g(x+ dx))− f(g(x))dx

.

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12 DIFFERENTIALRECHNUNG 23

Da

g′(x) = g(x+ dx)− g(x)dx

= dg(x)dx

gilt

g(x+ dx) = g(x) + dg(x).

Somit ist

h′(x) = f(g(x) + dg(x))− f(g(x))dx

.

Um die Notation zu vereinfachen, nehmen wir an, dass x fest ist und ersetzeng(x) durch g und dg(x) durch dg. Da dg eine unendlich kleine Zahl ist, gilt

f ′(g) = f(g + dg)− f(g)dg

f(g + dg) = f(g) + f ′(g)dg.

Damit gilt

h′(x) = f(g(x)) + f ′(g(x))dg(x)− f(g(x))dx

= f ′(g(x))dg(x)dx

= f ′(g(x))g′(x).

Linearisierung Die Tangente von f(x) an der Stelle x wird als Linearisierungvon f bei x bezeichnet:

`(x) = f(x) + f ′(x)(x− x).

Die Linearisierung `(x) ist eine gute Approximation an f(x) falls x in der Nähevon x ist.

Höhere Ableitungen

• Die Ableitung von f ′(x) wird mit f ′′(x) bezeichnet und heißt zweite Ab-leitung von f(x).

• Die n-te Ableitung f (n)(x) erhält man indem man f(x) n Mal ableitet.

Extremwerte

• Wenn f ein lokales Extremum bei x hat, dann gilt f ′(x) = 0.

• Wenn f ′(x) = 0 ist und f ′′(x) < 0, dann hat f bei x ein lokales Maximum.

• Wenn f ′(x) = 0 ist und f ′′(x) > 0, dann hat f bei x ein lokales Minimum.

• x ist n-fache Nullstelle von f wenn f(x) = f ′(x) = . . . = f (n−1)(x) = 0und f (n)(x) 6= 0.

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13 TAYLOR POLYNOME 24

13 Taylor Polynome

Definition 13.1 (Polynom.)Eine Funktion f ∈ R → R heißt Polynom vom Grad n, wenn es Kon-stanten a0, a1, . . . , an ∈ R mit an 6= 0 gibt so dass für alle x ∈ R gilt

f(x) = a0 + a1x+ . . .+ anxn.

Die Konstanten a0, . . . , an heißen Koeffizienten des Polynoms, an heißtführender Koffizient.

Die Koeffizienten eines Polynoms sind eindeutig, d.h. ist f ein Polynom, danngibt es genau ein n ∈ N und genau ein Satz von Koeffizienten a0, a1, . . . , an ∈ Rso dass für alle x ∈ R gilt

f(x) = a0 + a1x+ . . .+ anxn und an 6= 0.

Zwei Polynome sind somit gleich genau dann wenn ihre Koeffizienten gleich sind.In vielen Anwendungen hat man eine Funktion f(x) gegeben und inter-

essiert sich für ihr Verhalten in der Nähe eines bestimmten Punktes x. Häufigvereinfacht sich die Problemstellung erheblich, wenn man f(x) durch ein Poly-nom p(x) vom Grad n approximiert. Damit das Polynom p eine gute Approxi-mation an f in der Umgebung von x ist, fordert man, dass die Funktion unddas Polynom an der Stelle x gleich sind und die gleichen ersten n Ableitungenhaben, d.h. un

p(x) = f(x)p′(x) = f ′(x)

...p(n)(x) = f (n)(x).

Dies sind n + 1 Bedingungen, mit denen man die n + 1 Koeffizienten von pberechnen kann. Das Ergebnis heißt Taylor Polynom n-ten Grades von f zumEntwicklungspunkt x:

p(x) = f(x) + f ′(x)(x− x) + f ′′(x)2! (x− x)2 + . . .+ f (n)

n! (x)(x− x)n

=n∑i=0

f (i)(x)i! (x− x)i

Für n = 1 ist p nichts anderes als die Linearisierung von f bei x. Von einemTaylor Polynom erwartet man, dass gilt

p(x) ≈ f(x) für alle x in der Nähe von x,

d.h. solange man sich nur für x-Werte in der Nähe von x interessiert, kannman f(x) näherungsweise durch p(x) ersetzen. Der Vorteil ist, dass man mitPolynomen leichter rechnen kann als mit allgemeinen Funktionen.

Für viele Funktionen konvergiert das Taylor Polnom p vom Gradn n fürn gegen unendlich gegen f , d.h.

limn→∞

p(x) = f(x) für alle x.

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13 TAYLOR POLYNOME 25

Speziell erhält man für x = 0 die Taylor Entwicklung von einigen wichtigenFunktionen:

ex = 1 + x+ x2

2! + x3

3! + . . .

sin(x) = x− x3

3! + x5

5! −x7

7! + . . .

cos(x) = 1− x2

2! + x4

4! −x6

6! + . . .

Diese Eigenschaft gilt jedoch nicht für alle Funktionen. Das Taylor Polynomvon ln(x) zum Entwicklungspunkt x = 1 konvergiert z.B. gegen ln(x) nur falls0 < x ≤ 2.

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14 INTEGRALRECHNUNG 26

14 IntegralrechnungStammfunktion.

• F (x) ist eine Stammfunktion von f(x) wenn F ′(x) = f(x).

• Ist F (x) Stammfunktion von f(x), dann ist auch F (x)+C Stammfunktionvon f(x) für jede beliebige Konstante C.

• Ist F (x) eine Stammfunktion von f(x), dann haben alle Stammfunktionenvon f(x) die Form F (x)+C. Die Stammfunktionen von f(x) unterscheidensich also nur um eine additive Konstante. Vorausgesetzt ist hierbei, dassder Definitionsbereich von f(x) ein zusammenhängendes Intervall ist.

• Die Menge aller Stammfunktionen von f(x) heißt unbestimmtes Integralvon f(x) und wird mit∫

f(x)dx = {F (x) + C |C ∈ R}

bezeichnet, wobei F (x) eine beliebige Stammfunktion von f(x) ist. Häufigwird dies vereinfacht geschrieben als∫

f(x)dx = F (x) + C.

Stammfunktionen von Standard Funktionen.

f(x) = k F (x) = kx

f(x) = xn F (x) = xn+1

n+ 1 , n 6= −1

f(x) = 1x

F (x) = ln(|x|)

f(x) = sin(x) F (x) = − cos(x)f(x) = cos(x) F (x) = sin(x)f(x) = ex F (x) = ex

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15 BERECHNUNG EINER STAMMFUNKTION 27

15 Berechnung einer StammfunktionDie Berechnung einer Stammfunktion ist schwieriger als die Berechnung derAbleitung. Es gibt Funktionen, deren Stammfunktionen nicht durch Terme mitden üblichen Funktionssymbole beschrieben werden können. Ein Beispiel ist dieFunktion e(x2). Das bedeutet natürlich nicht, dass e(x2) keine Stammfunktionhat!

• Summenregel∫(f(x) + g(x))dx =

∫f(x)dx+

∫g(x)dx

Anwendung: Eine Summe integriert man, indem man die Summandenseparat integriert und das Ergebnis addiert.

Herleitung: Da

(F (x) +G(x))′ = F ′(x) +G′(x)= f(x) + g(x)

ist F (x)+G(x) Stammfunktion von f(x)+g(x). Die Summenregel für dieIntegration folgt damit aus der Summenregel für die Ableitung.

Beispiel: ∫(x2 + sin(x))dx = 1

3x3 − cos(x) + C.

• Konstanter Faktor ∫af(x)dx = a

∫f(x)dx

Anwendung: Einen konstanten Faktor kann man aus dem Integral her-ausziehen.

Herleitung: Da

(aF (x))′ = aF ′(x)= af(x)

ist aF (x) Stammfunktion von af(x). Die Regel für einen konstanten Fak-tor für die Integration folgt damit aus der gleichen Regel für die Ableitung.

Beispiel: ∫(3 cos(x))dx = 3 sin(x) + C.

• Produktintegration∫f(x)g′(x)dx = f(x)g(x)−

∫f ′(x)g(x)dx

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15 BERECHNUNG EINER STAMMFUNKTION 28

Anwendung: Das Problem der Integration von f(x)g′(x) wird reduziertauf die Integration von f ′(x)g(x). Ist also f(x) eine Funktion, die beimAbleiten “einfacher” wird, kann die Produktregel hilfreich sein. Bei derIntegration eines Produktes hat man die Freiheit zu entscheiden, welchenFaktor man mit f(x) und welchen mit g′(x) bezeichnet.

Herleitung: Aus der Produktregel der Differentialrechnung

(f(x)g(x))′ = f ′(x)g(x) + f(x)g′(x)

folgt durch Subtraktion von f ′(x)g(x) auf beiden Seiten

f(x)g′(x) = (f(x)g(x))′ − f ′(x)g(x).

Nimmt man auf beiden Seiten die Stammfunktionen, hat man die Pro-duktregel für die Integration.

Beispiel: ∫(x cos(x))dx = x sin(x)−

∫sin(x)dx

• Integration durch Substitution∫f(g(x))g′(x)dx = F (g(x)) + C

Anwendung: Substitution kann immer dann hilfreich sein, wenn man dieStammfunktion einer zusammengesetzten Funktion berechnen muss. DieFunktion muss ggf. durch Umformen in die Gestalt f(g(x))g′(x) gebrachtwerden.

Herleitung: Mit der Kettenregel der Differentialrechnung gilt

F (g(x))′ = F ′(g(x))g′(x)= f(g(x))g′(x).

Beispiel: ∫cos(x2) 2x dx = sin(x2)

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15 BERECHNUNG EINER STAMMFUNKTION 29

Durchführung der Integration durch Substitution. Berechnet werdensoll ∫

h(x)dx

wobei die Funktion h(x) durch einen Term gegeben ist. Die Substitutionsregelkann nur dann funktionieren, wenn

h(x) = f(g(x))g′(x)

für bestimmte Funktionen f und g, die natürlich erst bestimmt werden müssen.Ist z.B.

h(x) = x√x2 + 1,

dann ist zunächst unklar was f und was g ist. Folgende Vorgehensweise ist indieser Situation empfehlenswert.

• Wähle durch Raten einen Term g(x) – häufig ist dies ein Teilterm vonh(x).

• Berechne die Ableitungdg

dx= g′(x).

• Löse nach dx aufdx = 1

g′(x)dg.

• Ersetze dx durch 1g′(x)dg im ursprünglichen Integral.∫

h(x)dx =∫h(x) 1

g′(x)dg

Wenn nun tatsächlichh(x) = f(g(x))g′(x)

gilt, erhält man ∫h(x) 1

g′(x)dg =∫f(g(x))dg.

Ersetzt man g(x) durch g, verschwinden alle x und es bleibt∫f(g)dg.

• Betrachte g als Variable und berechen eine Stammfunktion von F (g) vonf(g).

• Ersetze g durch g(x) in F (g) und erhalte F (g(x)).

Beispiel 15.1 Zu berechnen ist∫x√x2 + 1dx.

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15 BERECHNUNG EINER STAMMFUNKTION 30

Substitution:

g(x) = x2 + 1, dg

dx= 2x, dx = 1

2xdg.

Damit gilt ∫x√x2 + 1dx =

∫x√g

12x dg

= 12

∫√g dg

= 12

23g

3/2 + C

= 13√x2 + 1

3+ C

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16 FLÄCHENBERECHNUNG UND BESTIMMTES INTEGRAL 31

16 Flächenberechnung und bestimmtes IntegralIst F (x) eine beliebige Stammfunktion von f , und ist f im Intervall [a, b] stetig,dann ist der orientierte, vorzeichenbehaftete Flächeninhalt zwischen der x-Achseund f(x) ∫ b

a

f(x)dx = F (b)− F (a).

Dieser Ausdruck heißt bestimmtes Integral von f zwischen a und b.

Substitution. Wird bei der Berechnung eines bestimmten Integrals die Sub-stitutionsregel angewandt, kann man sich die Rücksubstitution sparen wennman die Integrationsgrenzen anpasst:∫ b

a

f(g(x))g′(x)dx =[F (g(x))

]ba

=[F (g)

]g(b)g(a)

=∫ g(b)

g(a)f(g)dg.

In Beispiel 15.1 gilt ∫ 3

2x√x2 + 1 dx = 1

2

∫ 10

5

√gdg

Unstetigkeitsstellen. Bei der Berechnung eines bestimmten Integrals mussman aufpassen, dass man nicht über Bereiche wegintegriert, in denen f(x) nichtstetig ist.

Beispiel 16.1 Der Flächeninhalt zwischen der x-Achse und der Funktionf(x) = 1/x2 zwischen x = −1 und x = 1 ist offensichtlich positiv. Ande-rerseits gilt ∫ 1

−1

1x2 dx =

[− 1x

]1

−1= −2

Hier wurde nicht berücksichtigt, dass f(0) gar nicht definiert ist.

Integrationsregeln für bestimmte Integrale.

• Vertauschen der Integrationsgrenzen∫ b

a

f(x)dx = −∫ a

b

f(x)dx

• Zerlegung ∫ b

a

f(x)dx =∫ c

a

f(x)dx+∫ b

c

f(x)dx

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16 FLÄCHENBERECHNUNG UND BESTIMMTES INTEGRAL 32

Uneigentliche Integrale. In manchen Fällen liegen eine oder beide Integra-tionsgrenzen im Unendlichen. Man geht dann so vor, dass man den unendlichenWert durch eine Variable a ersetzt und anschließend den Grenzwert a → ∞berechnet. Dabei kann es natürlich vorkommen, dass der Grenzwert nicht exi-stiert.

Beispiel 16.2 ∫ ∞1

1x2 dx = lim

a→∞

∫ a

1

1x2 dx

= lima→∞

−[

1x

]a1

= lima→∞

1− 1a

= 1

Beispiel 16.3 ∫ ∞0

cos(x)dx = lima→∞

∫ a

0cos(x)dx

= lima→∞

[sin(x)]a0= lim

a→∞sin(a)

Der Grenzwert existiert nicht.

Ähnlich geht man vor, wenn man den Flächeninhalt unter einer Funktionberechnen möchte, die an einzelnen Stellen nicht definiert ist.

Beispiel 16.4 ∫ 1

0

1√xdx = lim

ε→0

∫ 1

ε

1√xdx

= limε→0

2[√x]1ε

= limε→0

2− 2√ε

= 2

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17 KOMPLEXE ZAHLEN 33

17 Komplexe ZahlenKartesische Koordinaten.

• Einführung einer “neuen” Zahl j mit der Eigenschaft j2 = −1. Darausfolgt j 6∈ R.

• Erweiterung der reellen Addition und Multiplikation auf komplexe Zahlenso dass die bekannten Rechengesetze (Kommutativgesetz, Assoziativge-setz, Distributivgesetz) erhalten bleiben. Durch das Gesetz j2 = −1 kannsomit jeder arithmetische Ausdruck mit j auf die Form

a+ jb

gebracht werden, z.B.3j + 4j(1− 2j) = 3j + 4j − 8j2 = 8 + 7j.

• Menge der komplexen ZahlenC = {a+ jb | a, b ∈ R}

• Realteil, Imaginärteil. Für z = a+ jb heißtre(z) = a Realteil von z

im(z) = b Imaginärteil von z

• Arithmetik(a1 + jb1) + (a2 + jb2) = a1 + a2 + j(b1 + b2)

(a1 + jb1)(a2 + jb2) = a1a2 − b1b2︸ ︷︷ ︸re re−im im

+j(a1b2 + a2b1︸ ︷︷ ︸re im−im re

)

• Konjugiert komplexe Zahl, Rechengesetze:a+ jb = a− jbz1 + z2 = z1 + z2

z1z2 = z1 z2

zz = a2 + b2

12(z + z) = a = re(z)12j (z − z) = b = im(z)

• Betrag von komplexen Zahlen

|z| =√a2 + b2 =

√zz

• Division wird wie im Reellen durch Multiplikation mit Kehrwert definiert.Kehrwertberechnung durch Erweiterung mit konjugiert komplexem Nen-ner.

1a+ jb

= a− jb(a+ jb)(a− jb) = a− jb

a2 + b2

Damit giltz1

z2= z1z2

|z2|2

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17 KOMPLEXE ZAHLEN 34

Polarkoordinaten.

• Komplexe Zahlenebene: Darstellung einer komplexen Zahl z = a + jb alsPunkt in der komplexen Ebene mit Koordinaten (a, b).

• Angabe eines Punktes in der komplexen Ebene durch Abstand vom Ur-sprung r und Winkel ϕ zur reellen Achse.

a = r cos(ϕ)b = r sin(ϕ)

bzw.

r =√a2 + b2 = |z|

ϕ = arctan 2(b, a) = ^(z)

• Komplexe e-Funktion (Euler Gleichung)

ejϕ = cos(ϕ) + j sin(ϕ).

Rechengesetze wie im Reellen, z.B.

ea+jb = eaejb = ea(cos(b) + j sin(b)).

Komplexe e-Funktion ist 2π periodisch

ej(ϕ+2π) = ejϕ.

• Umrechnen in Polarkoordinaten:

a+ jb = r cos(ϕ) + jr sin(ϕ)= r(cos(ϕ) + j sin(ϕ)= rejϕ

• Schnelle Multiplikation, Potenzieren und Division in Polarkoordinaten:

r1ejϕ1 r2e

jϕ2 = r1r2ej(ϕ1+ϕ2)

1rejϕ

= 1re−jϕ(

rejϕ)n = rnejnϕ

√rejϕ =

√r ejϕ/2

Multiplikation von komplexen Zahlen bedeutet Multiplikation ihrer Beträ-ge und Addition ihrer Winkel. Bei der komplexen Wurzel muss man daraufachten, dass −π < ϕ ≤ π, sonst ist der Funktionswert nicht eindeutig (vgl.±-Problematik bei der reellen Wurzel).

• Konjugiert komplexe Zahl in Polarkoordinaten:

rejϕ = re−jϕ

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17 KOMPLEXE ZAHLEN 35

• Rechengesetze, die sich leicht mit Polarkoordinaten zeigen lassen:

z1 z2 = z1 z2

z1/z2 = z1/z2

zn = zn

• Für jedes y ∈ C \ {0} hat die Gleichung

xn = y

n komplexe Lösungen

|x| = n√|y|, ^(x) = ^(y) + 2πk

n, k = 0, 1, . . . , n− 1.

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18 FUNDAMENTALSATZ DER ALGEBRA 36

18 Fundamentalsatz der AlgebraEin Polynom f(x) kann erweitert werden zu einer Funktion f ∈ C→ C, indemman für x komplexe Werte zulässt.

• z ∈ C heißt Nullstelle von f wenn f(z) = 0.

• z ∈ C heißt k-fache Nullstelle von f wenn

f(z) = f ′(z) = . . . = f (k−1)(z) = 0 und f (k)(z) 6= 0.

Theorem 18.1 (Fundamentalsatz der Algebra.)Ein Polynom vom Grad n hat genau n komplexe Nullstellen, wobei mehr-fache Nullstellen gemäß ihrer Vielfachheit gezählt werden.

Hat das Polynom f(z) reelle Koeffizienten, dann gilt f(z) = f(z).

f(z) = a0 + a1z + . . .+ anzn

= a0 + a1z + . . .+ anzn da zi = zi

= a0 + a1 z + . . .+ an zn da ai ∈ R= a0 + a1z + . . .+ anzn

= a0 + a1z + . . .+ anzn

= f(z).

Hieraus folgt, dass wenn z eine Nullstelle eines Polynoms mit reellen Koeffizi-enten ist, auch z eine Nullstelle ist. Nullstellen treten also immer in konjugiertkomplexen Paaren auf. Vorsicht: Dies gilt nicht wenn f komplexe Koeffizientenhat!

Theorem 18.2 (Faktorisierung)Sei

f(z) = a0 + a1z + . . .+ anzn

ein Polynom vom Grad n mit Nullstellen zi mit Vielfachheit ki. Dannlässt sich f(z) in faktorisierter Darstellung schreiben als

f(z) = an∏i

(z − zi)ki .

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19 RATIONALE FUNKTIONEN, PARTIALBRUCHZERLEGUNG 37

19 Rationale Funktionen, Partialbruchzerlegung

Definition 19.1 (Rationale Funktion)Eine Funktion f heißt rationale Funktion, wenn es Polynome p und qgibt so dass für alle x ∈ R mit q(x) 6= 0 gilt

f(x) = p(x)q(x) .

Eine rationale Funktion f(x) ist also ein Bruch zweier Polynome p(x) undq(x). An den Nullstellen des Nennerpolynoms q(x) ist f(x) undefiniert.

Polynomdivision. Falls der Zählergrad größer oder gleich dem Nennergradist, kann man eine rationale Funktion durch Polynomdivision auf die Form

g(x) + p(x)q(x)

bringen, wobei g, p, q Polynome sind und nun der Grad von p kleiner als derGrad von q ist. Das Verfahren ist analog zur Division von natürlichen Zahlen.

Beispiel 19.2 Gegeben sei die rationale Funktion

f(x) = 2x4 − 4x3 − x2 − x+ 2x2 + x+ 1 .

Polynomdivision liefert

2x4 − 4x3 − x2 − x+ 2 : x2 + x+ 1 = 2x2 − 6x+ 3 Rest 2x− 12x4 + 2x3 + 2x2

−6x3 − 3x2 − x+ 2−6x3 − 6x2 − 6x

3x2 + 5x+ 23x2 + 3x+ 3

2x− 1

Folglich giltf(x) = 2x2 − 6x+ 3 + 2x− 1

x2 + x+ 1 .

Um rationale Funktionen integrieren zu können, müssen diese noch weiterumgeformt werden. Dank der Polynomdivision können wir uns nun auf denSpezialfall

f(x) = p(x)q(x)

konzentrieren, wobei das Zählerpolynom p(x) einen kleineren Grad hat als dasNennerpolynom q(x). Weiterhin kann man immer erreichen, dass der führendeKoeffizient von q(x) gleich eins ist, indem man Zähler- und Nennerpolynomfurch den führenden Koeffizienten des Nennerpolynoms dividiert.

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19 RATIONALE FUNKTIONEN, PARTIALBRUCHZERLEGUNG 38

Partialbruchzerlegung. Mit der Methode der Partialbruchzerlegung kannman eine rationale Funktion als Summe von sehr einfachen Brüchen darstellen.Die Summanden ergeben sich dabei aus den Nullstellen von q(x) wie folgt. Seizi die i-te Nullstelle von q(x).

• Hat zi die Vielfachheit 1, dann führt dies zum Summandenci

x− zi.

• Hat zi die Vielfachheit ki, dann führt dies zum Summanden

c(1)i

x− zi+ c

(2)i

(x− zi)2 + . . .+ c(ki)i

(x− zi)ki.

Nachdem alle Summanden aufgestellt sind, können die Konstanten im Zählerdurch Koeffizientenvergleich berechnet werden. Am einfachsten wird dies an-hand einiger Beispiele klar.

Beispiel 19.3 Sei

f(x) = 2x+ 3x2 + 2x.

Zunächst wird das Nennerpolynom faktorisiert:

f(x) = 2x+ 3x(x+ 2) .

Damit gilt

2x+ 3x(x+ 2) = c1

x+ c2x+ 2 .

Um die Konstanten c1 und c2 zu berechnen, multipliziert man beide Seitenmit dem Nennerpolynom.

2x+ 3 = c1(x+ 2) + c2x

= x(c1 + c2) + 2c1.

Da beide Polynome gleich sind, müssen ihre Koeffizienten gleich sein. Folg-lich gilt

c1 + c2 = 22c1 = 3.

Die Lösung ist c1 = 3/2 und c2 = 1/2. Damit ist

x+ 3x2 + 2x = 3/2

x+ 1/2x+ 2 .

Beispiel 19.4 Sei

f(x) = x− 4x2 + 4

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19 RATIONALE FUNKTIONEN, PARTIALBRUCHZERLEGUNG 39

Zunächst wird das Nennerpolynom q(x) faktorisiert:

f(x) = x− 4(x+ 2j)(x− 2j)

Damit gilt

x− 4x2 + 4 = c1

x+ 2j + c2x− 2j .

Um die Konstanten c1, c2 zu berechnen, multipliziert man beide Seitenmit q(x) und erhält

x− 4 = c1(x− 2j) + c2(x+ 2j)= x(c1 + c2) + 2j(c2− c1).

Da beide Polynome gleich sind, müssen sie die gleichen Koeffizienten ha-ben. Koeffizientenvergleich ergibt also

c1 + c2 = 12j(c2− c1) = −4.

Aus der ersten Gleichung folgt c1 = 1− c2. Einsetzen in die zweite ergibtc2 = 1/2 + j und damit c1 = 1/2− j. Damit gilt

x− 4x2 + 4 = 1/2− j

x+ 2j + 1/2 + j

x− 2j .

Beispiel 19.5 Sei

f(x) = 3x+ 1(x+ 2)3

Da z1 = −2 eine dreifache Nullstelle ist, gilt der Ansatz

3x+ 1(x+ 2)3 = c

(1)1

x+ 2 + c(2)1

(x+ 2)2 + c(3)1

(x+ 2)3

Um die Konstanten c(1)1 , c

(2)1 , c

(3)1 zu berechnen, multipliziert man beide

Seiten mit q(x) und erhält

3x+ 1 = c(1)1 (x+ 2)2 + c

(2)1 (x+ 2) + c

(3)1

= x2c(1)1 + x(2c(1)

1 + c(2)1 ) + 4c(1)

1 + 2c(2)1 + c

(3)1 .

Koeffizientenvergleich ergibt

c(1)1 = 0

2c(1)1 + c

(2)1 = 3

4c(1)1 + 2c(2)

1 + c(3)1 = 1.

Daraus folgt c(1)1 = 0, c(2)

1 = 3 und c(3)1 = −5. Folglich ist

f(x) = 3(x+ 2)2 −

5(x+ 2)3 .

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19 RATIONALE FUNKTIONEN, PARTIALBRUCHZERLEGUNG 40

Integration. Die einzelnen Summanden der Partialbruchzerlegung könnenleicht integriert werden.

• Für Nullstellen der Vielfachheit 1 benutzt man∫c

x− zdx = c ln(|x− z|) +K

• Für Nullstellen der Vielfachheit k > 1 benutzt man∫c

(x− z)k dx = − c

k − 1(x− z)k−1 +K

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20 VEKTOREN 41

20 Vektoren• Ein n-Tupel von reellen Zahlen wird als Vektor bezeichnet. Zahlen wer-

den als Skalare bezeichnet. Rn ist die Menge aller n-stelliger Vektoren.Tatsächlich ist der Begriff Vektor viel allgemeiner, siehe später.

• Notation:

~x =

x1...xn

• Darstellung von Vektoren in einem Koordinatensystem.

– Pfeildarstellung: Richtung und Länge, nicht ortsgebunden.– Punktdarstellung: Angabe eines Ortes.– Zusammenhang: Punktdarstellung erhält man aus der Pfeildarstel-

lung, indem man den Pfeil im Koordinatenursprung aufhängt undden Endpunkt des Pfeils nimmt.

• Rechenoperationen auf Vektoren.

– Addition und Subtraktion ~x+~y, ~x−~y komponentenweise. Darstellung:Hintereinandersetzen von Pfeilen, Verschieben von Punkten.

– Skalare Multiplikaiton a~x. Jede Komponenten von ~x mir a multipli-zieren. Darstellung: Strecken von Pfeilen.

– Skalarprodukt. ~x ◦ ~y = x1y1 + . . .+ xnyn

– Euklidische Norm. Darstellung: Länge eines Pfeils, Abstand einesPunktes vom Ursprung.

‖~x‖ =√x2

1 + . . .+ x2n =√~x ◦ ~x

Folglich gilt ~x◦~x ≥ 0 für alle ~x und ~x◦~x = 0 genau dann wenn ~x = ~0.– ~x und ~y sind orthogonal genau dann wenn ~x ◦ ~y = 0.– Winkel zwischen Vektoren

cos(α) = ~x ◦ ~y‖~x‖ ‖~y‖

– Kreuzprodukt von Vektoren ~x, ~y ∈ R3

~x× ~y =

x2y3 − x3y2x3y1 − x1y3x1y2 − x2y1

• Rechengesetze fast gleich wie Gesetze für Zahlen. Interessant sind die Fälle,

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20 VEKTOREN 42

wo Vektoren und Skalare miteinander verknüpft werden.

~x+ ~y = ~y + ~x

(a+ b)~x = a~x+ b~x

a(b~x) = (ab)~xa(~x+ ~y) = a~x+ a~y

~x ◦ ~y = ~y ◦ ~xa(~x ◦ ~y) = (a~x) ◦ ~y

~x ◦ (~y + ~z) = ~x ◦ ~y + ~x ◦ ~z‖a~x‖ = |a|‖~x‖

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21 GEOMETRIE 43

21 Geometrie• Vektoren ~x, ~y orthogonal (Pfeile senkrecht), wenn ~x ◦ ~y = 0.

• Ursprungsgerade im Rn mit Richtungsvektor ~r 6= ~0

G = {a~r | a ∈ R}

• Affine Gerade im Rn mit Ortsvektor ~p und Richtungsvektor ~r 6= ~0

G = {~p+ a~r | a ∈ R}

• Ursprungsebene im R3 mit Richtungsvektoren ~r,~s 6= ~0 und ~r,~s nicht kol-linear

E = {a~r + b~s | a, b ∈ R}

• Affine Ebene im R3 mit Ortsvektor ~p und Richtungsvektoren ~r,~s 6= ~0 und~r,~s nicht kollinear

E = {~p+ a~r + b~s | a, b ∈ R}

• Normalenvektor einer Ebene durch Kreuzprodukt (Vektorprodukt) ~r × ~s.

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22 SPANNRÄUME (UNTERVEKTORRÄUME) 44

22 Spannräume (Untervektorräume)• Spannraum (Untervektorraum), der von ~a1, . . . ,~an ∈ Rm aufgespannt

wird:L(~a1, . . . ,~an) = {x1~a1 + . . .+ xn~an |x1, . . . , xn ∈ R}

Verallgemeinerung von Ursprungsgeraden bzw. Ursprungsebenen mit nRichtungsvektoren.

• Eine gewichtete Summe von Vektoren ~a1, . . . ,~an heißt Linearkombinationvon ~a1, . . . ,~an. Damit gilt

L(~a1, . . . ,~an) = Menge aller Linearkombinationen von ~a1, . . . ,~an.

• Lineare Unabhängigkeit: ~a1, . . . ,~an heißen linear unabhängig wenn keinervon ihnen Linearkombination der anderen ist. Äquivalente Bedingungen:

– ~0 ist nur auf triviale Weise als Linearkombination von ~a1, . . . ,~an dar-stellbar.

– Jeder Vektor ~b ∈ L(~a1, . . . ,~an) ist auf genau eine Weise als Linear-kombination von ~a1, . . . ,~an darstellbar.

• ~a1, . . . ,~an heißt Basis eines Spannraums M wenn

– ~a1, . . . ,~an linear unabhängig und– L(~a1, . . . ,~an) = M .

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23 LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME, GAUß ALGORITHMUS 45

23 Lineare Gleichungssysteme, Gauß Algorith-mus

Lineare Gleichungssysteme.

• Eine Gleichung heißt linear, wenn sie auf die Form

a1x1 + a2x2 + . . .+ anxn = b

gebracht werden kann, wobei a1, . . . , an ∈ R Koeffizienten, x1, . . . , xn dieUnbekannten und b die rechte Seite ist.

• Einfachster Fall n = 1: ax = b.

– Genau eine Lösung x = b/a falls a 6= 0.– Keine Lösung falls a = 0 und b 6= 0.– Unendlich viele Lösungen falls a = 0 und b = 0.

• Lineares Gleichungssystem (LGS) mitmGleichungen und n Unbekannten:

a11x1 + a12x2 + . . .+ a1nxn = b1

a21x1 + a22x2 + . . .+ a2nxn = b2...

am1x1 + am2x2 + . . .+ amnxn = bm

• Notation: Weglassen der Unbekannten:

a11 a12 . . . a1n b1a21 a22 . . . a2n b2...

.... . .

......

am1 am2 . . . amn bm

bzw. (A |~b)

A heißt Koeffizientenmatrix, ~b heißt rechte Seite.

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23 LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME, GAUß ALGORITHMUS 46

Zeilenstufenform. Ein LGS hat Zeilenstufenform, wenn es folgende Gestalthat:

1

1

1

x3 x4x2x1 x5

1

Koeffizient beliebig

Koeffizient Null

Koeffizient Eins

A ~b

Die Lösung eines LGS in Zeilenstufenform erhält man durch Rückwärts-einsetzen:

• Hat A eine Zeile mit lauter Nullen und ist die zugehörige rechte Seiteungleich Null, dann hat das LGS keine Lösung.

• Andernfalls können Variablen, in deren Spalte keine führende Eins steht,beliebig gewählt werden. Falls es solche Variablen gibt, hat das LGS un-endlich viele Lösungen.

• Die Werte der anderen Variablen erhält man durch Rückwärtseinsetzen:Die Zeilen mit führender Eins werden von unten nach oben bearbeitet. Injedem Schritt wird der Wert der zugehörigen Variablen ermittelt, indemalles außer der Variablen auf die rechte Seite gebracht wird.

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23 LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME, GAUß ALGORITHMUS 47

Äquivalenzumformungen. Um ein beliebiges LGS auf Zeilenstufenform zubringen, sind Umformungsschritte erlaubt, die die Lösungsmenge des LGS nichtverändern.

• Eine Zeile mit einem beliebigen Faktor ungleich Null multiplizieren.

• Zwei Zeilen vertauschen.

• Zu einer Zeile ein beliebiges Vielfaches einer anderen Zeile addieren.

Gauß Algorithmus

• Von links beginnend erste Spalte j suchen, die nicht komplett Null ist.

j

• Falls oberstes Element in dieser Spalte (d.h. a1j) Null ist, vertausche ersteZeile mit einer Zeile i, in der aij 6= 0. Erste Zeile hat nun die Form

6= 0

• Dividiere erste Zeile durch a1j . Erste Zeile hat nun die Form

1

• Ausräumen der j-ten Spalte. Subtrahiere von der k-ten Zeile das akj-facheder ersten Zeile für alle k = 2, 3, . . .. Hierdurch wird die gesamte j-te Spalteaußer dem ersten Element a1j zu Null.

1

j

• Verfahren rekursiv auf die Teilmatrix anwenden, die durch Streichen derersten Zeile entsteht bis die Zeilenstufenform erreicht ist.

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24 MATRIZEN 48

24 Matrizen• Eine m × n Matrix ist ein rechteckiger Block von reellen Zahlen mit m

Zeilen und n Spalten, d.h.

A =

a11 a12 . . . a1na21 a22 . . . a2n...

.... . .

...am1 am2 . . . amn

Für Matrizen werden Großbuchstaben verwendet.

• Die Komponente in der i-ten Zeile und j-ten Spalte einer Matrix A wirdmit aij bezeichnet. Der erste Index einer Komponente ist somit der Zei-lenindex, der zweite der Spaltenindex.

• Die Spalten von A werden mit ~a1,~a2, . . . ,~an bezeichnet und sind Vektorenmit je m Komponenten. Eine m× n Matrix kann daher auch als n-Tupelvon Vektoren mit jeweils m Komponenten betrachtet werden, d.h.

A =(~a1 ~a2 . . . ~an

), ~ai =

a1ia2i...ami

∈ Rm, i = 1, 2, . . . , n.

Die Klammern um die Vektoren werden hierbei weggelassen.

• Die Menge aller m×n Matrizen ist damit (Rm)n, was mit Rm×n agekürztwird. Um auszudrücken, dass A eine m× n ist, schreibt man A ∈ Rm×n.

• Die n× n Einheitsmatrix ist

E =

1 0 . . . 00 1 . . . 0...

.... . .

...0 0 . . . 1

=(~e1 ~e2 . . . ~en

).

Der Vektor ~ei heißt i-ter kanonischer Basisvektor und hat in der i-tenKomponente eine Eins und sonst lauter Nullen.

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24 MATRIZEN 49

Arithmetische Operationen auf Matrizen.

Die Rechenoperationen auf Matrizen sind ähnlich definiert wie die Rechen-operationen auf Vektoren. Insbesondere wird gezeigt, wie man die Matrix Ope-rationen durch entsprechende Vektor Operationen realisieren kann, indem mandie Matrix in ihre Spalten zerlegt.

Definition 24.1 (Matrix Addition.)

+ ∈ Rm×n × Rm×n → Rm×n, (A+B)ij = aij + bij

Matrizen werden also addiert, indem man die entsprechenden Komponentenaddiert. Die Addition ist nur für Matrizen mit gleichen Abmessungen definiert.

Man kann die Addition von Matrizen auf die Addition von Vektoren zurück-führen, indem man die Matrizen spaltenweise addiert:

A+B =(~a1 ~a2 . . . ~an

)+(~b1 ~b2 . . . ~bn

)=

(~a1 +~b1 ~a2 +~b2 . . . ~an +~bn

)Definition 24.2 (Matrix Skalare Multiplikation.)

· ∈ R× Rm×n → Rm×n, (cA)ij = caij

Eine Matrix wird mit einem Skalar multipliziert, indem jede Komponenteder Matrix mit dem Skalar multipliziert wird.

Man kann die skalare Multiplikation einer Matrix auf skalare Multiplikatio-nen von Vektoren zurückführen, indem man die Matrix spaltenweise betrachtet:

cA = c(~a1 ~a2 . . . ~an

)=

(c~a1 c~a2 . . . c~an

)

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24 MATRIZEN 50

Matrix-Vektor Multiplikation.

Definition 24.3 (Matrix Vektor Multiplikation.)

· ∈ Rm×n × Rn → Rm, (A~x)i =n∑j=1

aijxj

Das Produkt aus einer m × n Matrix A und einem n-stelligen Vektor ~x istein m-stelliger Vektor. Die i-te Komponente des Vektors erhält man, indem mandas Skalarprodukt aus der i-ten Zeile von A und dem Vektor ~x berechnet (Zeilemal Spalte Regel):

i =

i

A ∈ Rm×n A~x ∈ Rm~x ∈ Rn

aij

xj

Die Matrix Vektor Multiplikation ist nur dann definiert, wenn die Anzahl derSpalten von A gleich der Anzahl Komponenten von ~x ist – sonst würde dasSkalarprodukt aus den Zeilen von A und ~x nicht aufgehen.

Darstellung eines LGS durch Matrix Vektor Multiplikation. Das LGS

a11x1 + a12x2 + . . . a1nxn = b1

a21x1 + a22x2 + . . . a2nxn = b2...

am1x1 + am2x2 + . . . amnxn = bm

lässt sich durch eine Matrix Vektor Multiplikation darstellena11 a12 . . . a1na21 a22 . . . a2n...

.... . .

...am1 am2 . . . amn

x1x2...xn

=

b1b2...bm

bzw. kompakt durch

A~x = ~b.

Multiplikation durch Linearkombination der Spalten. Die Matrix Vek-tor Multiplikation A~x kann auch durch eine Linearkombination der Spalten vonA berechnet werden, wobei die Komponenten von ~x die Gewichte sind:

A~x =(~a1 ~a2 . . . ~an

)

x1x2...xn

= x1~a1 + x2~a2 + . . .+ xn~an.

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24 MATRIZEN 51

Theorem 24.4

c(A+B) = cA+ cB

E~x = ~x

(A+B)~x = A~x+B~x

A(~x+ ~y) = A~x+A~y

(cA)~x = c(A~x) = A(c~x)

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24 MATRIZEN 52

Matrix-Matrix Multiplikation.

Definition 24.5 (Matrix Matrix Multiplikation.)

· ∈ Rm×k × Rk×n → Rm×n, (AB)ij =k∑`=1

ai`b`j

Das Produkt aus einer m × k Matrix A und einem k × n Matrix B isteine m × n Matrix C. Die Komponente cij von C erhält man, indem man dasSkalarprodukt aus der i-ten Zeile von A und der j-ten Spalte von B berechnet(Zeile mal Spalte Regel):

i

A ∈ Rm×k B ∈ Rk×n AB ∈ Rm×n

i=

jj

Die Matrix Multiplikation ist nur dann definiert, wenn die Anzahl der Spaltenvon A gleich der Anzahl Zeilen von B ist – sonst würde das Skalarprodukt auseiner Zeile von A und einer Spalte von B nicht aufgehen.

Spaltenweise Berechnung der Matrix Multiplikation. Die Matrix Ma-trix Multiplikation AB kann durch Matrix Vektor Multiplikationen berechnetwerden, indem man die Matrix B in ihre Spalten zerlegt:

AB = A(~b1 ~b2 . . . ~bn

)=(A~b1 A~b2 . . . A~bn

)Theorem 24.6

c(AB) = (cA)B = A(cB)(AB)~x = A(B~x)

(A+B)C = AC +BC

(AB)C = A(BC)AE = A = EA

Vorsicht: Die Matrix Multiplikation ist nicht kommutativ, d.h. im Allgemei-nen gilt

AB 6= BA,

selbst wenn AB und BA definiert sind.

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24 MATRIZEN 53

Inverse Matrix.

Definition 24.7 (Matrix Inversion.)Eine Matrix X ∈ Rn×n heißt inverse Matrix von A ∈ Rn×n wenn

AX = E.

• Die inverse Matrix ist nur für quadratische Matrizen definiert.

• Es gibt quadratische Matrizen, für die keine Inverse existiert.

• Wenn A eine inverse Matrix hat, ist diese eindeutig und wird mit A−1

bezeichnet.

• Invertierbare Matrizen heißen regulär, nicht invertierbare singulär.

• A ∈ Rn×n ist genau dann regulär wenn die Spalten von A linear unabhän-gig sind.

Berechnung der inversen Matrix von A durch Lösen der Matrix Gleichung

AX = E

bzw. spaltenweise

A(~x1 ~x2 . . . ~xn

)=

(~e1 ~e2 . . . ~en

)(A~x1 A~x2 . . . A~xn

)=

(~e1 ~e2 . . . ~en

).

Es müssen also n lineare Gleichungssysteme

A~x1 = ~e1, A~x2 = ~e2, . . . , A~xn = ~en

gelöst werden, die alle die selbe Koeffizientenmatrix A haben. Die Lösungen~x1, . . . , ~xn sind dann die Spalten von X bzw. von A−1. Diese werden mit einerErweiterung des Gauß Algorithmus berechnet. Statt einer rechten Seite ~b hatman n rechte Seiten ~e1, . . . , ~en. Die linke Seite A wird durch Gauß Schritte indie Einheitsmatrix transformiert. Auf der rechten Seite entsteht hierbei A−1:

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24 MATRIZEN 54

1 0 . . . 00 1 . . . 0.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

0 0 . . . 1

1 0 . . . 00 1 . . . 0.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

0 0 . . . 1

A

E

E

A−1

Äquivalenzumformungen(Gauß Elimination)

Theorem 24.8

AA−1 = A−1A = E(A−1)−1 = A

(AB)−1 = B−1A−1

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24 MATRIZEN 55

Transponierte Matrix.

Definition 24.9 (Transponierte Matrix.)AT heißt transponierte Matrix von A. Die Komponenten von AT sinddefiniert durch

(AT)ij = aji.

• Ist A ∈ Rm×n dann ist AT ∈ Rn×m.

• Die i-te Zeile von AT ist die i-te Spalte von A (gedreht um 90 Grad).

• Eine n× n Matrix A heißt symmetrisch wenn AT = A.

A = AT =m n. . .

.

.

.

nm

Theorem 24.10

(AT)T = A

(A+B)T = AT +BT

(cA)T = cAT

(AB)T = BTAT

(A−1)T = (AT)−1

Man kann Vektoren ~x ∈ Rn als n × 1 Matrizen betrachten. Damit ist dieVektor Addition und die skalare Multiplikation von Vektoren ein Spezialfall derentsprechenden Matrix Operation. Auch das Skalarprodukt von Vektoren kanndurch eine Matrix Multiplikation beschrieben werden:

~x ◦ ~y = x1y1 + x2y2 + . . .+ xnyn = ~xT~y.

Auf der rechten Seite steht die Multiplikation einer 1×n Matrix mit einer n×1Matrix.

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25 LINEARE FUNKTIONEN 56

25 Lineare FunktionenLineare Funktionen.

• Eine Funktion f ∈ Rn → Rm heißt linear wenn für alle ~x, ~y ∈ Rn undu ∈ R gilt

f(~x+ ~y) = f(~x) + f(~y)f(u~x) = uf(~x)

• f ∈ Rn → Rm ist linear genau dann wenn es ~a1, . . . ,~an gibt so dass

f(~x) = x1~a1 + . . .+ xn~an für alle ~x ∈ Rn

• Kanonischen Basisvektoren ~e1, . . . , ~en des Rn. Es gilt

~x = x1~e1 + . . .+ xn~en.

• Ist f linear, dann gilt

f(~x) = f(x1~e1 + . . .+ xn~en)= f(x1~e1 + . . .+ xn~en)= x1f(~e1) + . . .+ xnf(~en).

Kennt man also die Bilder der kanonischen Basisvektoren f(~e1), . . . , f(~en),dann kann man f(~x) für beliebiges ~x berechnen.

• Ist f linear, dann gilt mit ~a1 = f(~e1), . . . ,~an = f(~en) dass

f(~x) = x1~a1 + . . .+ xn~an für alle ~x ∈ Rn

Matrizen für lineare Funktionen. Eine Matrix ist eine kompakte Dar-stellung einer linearen Funktion. Wie oben erwähnt, ist eine lineare Funktionf ∈ Rn → Rm vollständig bekannt, wenn man ihre Funktionswerte der kanoni-schen Basisvektoren

~a1 = f(~e1), . . . , ~an = f(~en)

kennt. Diese n Vektoren mit je m Komponenten werden zu einer m× n Matrixzusammengefasst.

A = (f(~e1), . . . , f(~en))= (~a1, . . . ,~an)

=

a11 a12 . . . a1na21 a22 . . . a2n...

.... . .

...am1 am2 . . . amn

Die Matrixdarstellung von f ∈ Rn → Rm ist daher eine Matrix A ∈ Rm×n mitm Zeilen und n Spalten. Alles was man bisher mit linearen Funktionen gemachthat, kann man nun viel einfacher mit ihrer Matrix Darstellung bewerkstelligen.

Page 57: Mathematik1 - hs-heilbronn.demitarbeiter.hs-heilbronn.de/~vstahl/mathe1/skript.pdfMathematik1 Skript zur Vorlesung an der Hochschule Heilbronn 1 (Stand: 25. September 2020) Prof. Dr.

25 LINEARE FUNKTIONEN 57

• Matrix Darstellung der Identitätsfunktion f(~x) = ~x ist die Einheitsmatrix

E = (~e1, . . . , ~en).

• Funktionsauswertung von f(~x) entspricht Matrix Vektor MultiplikationA~x, d.h. f(~x) = A~x.

• Komposition von linearen Funktionen f ◦ g entspricht der Matrix MatrixMultiplikation. Ist f(~x) = A~x und g(~x) = B~x dann gilt

(f ◦ g)(~x) = f(g(~x)) = A(B~x) = (AB)~x.

Die Komposition von Funktionen ist nicht kommutativ, entsprechend istauch die Multiplikation von Matrizen nicht kommutativ.

• Matrix Darstellung der Umkehrfunktion von f ∈ Rn → Rn ist die inverseMatrix A−1. Die i-te Spalte ~xi von A−1 kann durch Lösen des LGS A~xi =~ei berechnet werden. Für A,B ∈ Rn×n gilt AB = E genau dann wennA und B inverse Matrizen voneinander sind. Da nur bijektive Funktioneneine Umkehrfunktion haben, haben auch nur die Matrizen zu bijektivenFunktionen eine inverse Matrix. Invertierbare Matrizen heißen regulär.

• A ∈ Rn×n heißt orthogonal wenn die Spalten von A paarweise orthogonalsind und Norm 1 haben. Die Inverse einer orthogonalen Matrix ist gleichihrer Transponierten, d.h. für orthogonale Matrizen gilt

A−1 = AT.

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Literatur[1] Arens, T. ; Hettich, F. ; Karpfinger, C. ; Kockelkorn, U. ; Lichte-

negger, K. ; Stachel, H.: Mathematik. Spektrum, 2010

[2] Burg ; Haf ; Wille: Höhere Mathematik für Ingenieure, Band 2. Teubner,1992

[3] Burg ; Haf ; Wille: Höhere Mathematik für Ingenieure, Band 1. Teubner,1997

[4] Glatz ; Grieb ; Hohloch ; Kümmerer: Brücken zur Mathematik Band5, Differential- und Integralrechnung 2. Cornelsen, 1993

[5] Glatz ; Grieb ; Hohloch ; Kümmerer: Brücken zur Mathematik Band4, Differential- und Integralrechnung 1. Cornelsen, 1994

[6] Hohloch ; Kümmerer: Brücken zur Mathematik Band 2, Lineare Algebra.Cornelsen, 1993

[7] Hohloch ; Kümmerer: Brücken zur Mathematik Band 3, Vektorrechnung.Cornelsen, 1993

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