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IFLW Berlin – Institut für integratives Lernen und Weiterbildung Christine Falk-Frühbrodt Kleinmachnow b. Berlin Ausbildung zur Lerntherapeutin IFLW Mathematische Denkentwicklung in der frühen Kindheit – Früherkennung und Frühförderung von Rechenschwäche ABSCHLUSSARBEIT vorgelegt von Dipl.-Psychologin Steffi Schönebaum Kontakt: [email protected] Magdeburg, September 2005

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IFLW Berlin – Institut für integratives Lernen und Weiterbildung Christine Falk-Frühbrodt

Kleinmachnow b. Berlin

Ausbildung zur Lerntherapeutin IFLW

Mathematische Denkentwicklung in der frühen Kindheit –

Früherkennung und Frühförderung von Rechenschwäche

ABSCHLUSSARBEIT

vorgelegt von

Dipl.-Psychologin Steffi Schönebaum

Kontakt: [email protected]

Magdeburg, September 2005

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Mathematische Denkentwicklung in der frühen Kindheit – Früherkennung und

Frühförderung von Rechenschwäche

1. Einleitung – Das Phänomen Rechenschwäche auf dem Vormarsch ............................................... 2

2. Rechenschwäche................................................................................................................................... 4 2.1. Begriff und Definition .................................................................................................................... 4 2.2. Symptome....................................................................................................................................... 7 2.3. Ursachen....................................................................................................................................... 10 2.4. Diagnostik .................................................................................................................................... 13

3. Entwicklung mathematischer Fertigkeiten...................................................................................... 17 3.1. Kognitive Entwicklung in der Kindheit ....................................................................................... 17 3.2. Entwicklung des mathematischen Verständnisses ....................................................................... 20

3.2.1. Grundlegende Bausteine mathematischen Denkens ............................................................. 21 3.2.2. Vorläuferfunktionen für den Erwerb des Zahlverständnisses............................................... 24 3.2.3. Erwerb der Zahlwortreihe und des Zahlverständnisses im Vorschulalter............................. 26

3.3. Entwicklung mathematischen Wissens in der Grundschule......................................................... 29 3.3.1. Mathematisches Vorwissen der Schulanfänger .................................................................... 29 3.3.2. Rechnen lernen in der Grundschule...................................................................................... 30

4. Früherkennung mathematischer Störungen ................................................................................... 32 4.1. Früherkennungshinweise im vorschulischen Bereich .................................................................. 33 4.2. Früherkennungshinweise im 1. Schuljahr .................................................................................... 34 4.3. Früherkennungshinweise im 2. Schuljahr .................................................................................... 35

5. Fördermöglichkeiten.......................................................................................................................... 36 5.1. Frühförderung im Vorschulalter................................................................................................... 36

5.1.1. Basales Funktionstraining..................................................................................................... 37 5.1.2. Förderung pränumerischer Fertigkeiten und des Zahlerwerbs.............................................. 38

5.2. Förderung mathematischen Verständnisses im Grundschulalter.................................................. 44 5.3. Gestaltung des Mathematikunterrichts ......................................................................................... 47

5.3.1. Wie lernen leistungsschwache Kinder Mathematik? ............................................................ 47 5.3.2. Ansprüche an den mathematischen Anfangsunterricht......................................................... 48

5.4. Hilfen durch die Eltern ................................................................................................................. 50 5.4.1. Was Eltern unterlassen sollten .............................................................................................. 51 5.4.2. Tipps für die Übungssituation zu Hause ............................................................................... 53

6. Fazit – Auf dem Weg zur Prävention einer Rechenschwäche ....................................................... 55

Literaturverzeichnis .............................................................................................................................. 56

Testverzeichnis ....................................................................................................................................... 59

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1. Einleitung – Das Phänomen Rechenschwäche auf dem Vormarsch

Das Phänomen Rechenschwäche ist – obwohl seit Jahrzehnten bekannt (vgl. Thiel,

2001) – erst seit einigen Jahren als Störungsbild mit praktischem Handlungsbedarf in das

Bewusstsein der verschiedenen Bereiche der Wissenschaft gedrungen. Und auch Lehrer

und Eltern beschäftigen sich zunehmend damit. Dies scheint angesichts steigender Zahlen

erkannter Rechenschwächefälle und einer größeren Zahl betroffener Kinder mit einer

Rechenschwäche denn mit einer Legathenie (Lorenz & Radatz, 1993) dringend geraten,

zumal Diagnostik, Erforschung der Ursachen und Erprobung hilfreicher Therapieangebote

noch immer in den Kinderschuhen stecken, auch wenn es inzwischen eine Menge Literatur

zu dem Thema gibt. Doch Quantität ist nicht gleich Qualität, und nur zu oft beschäftigen

sich die verschiedenen beteiligten Disziplinen wie (Sonder-)Pädagogik, (Neuro-

)Psychologie oder Mathematikdidaktik mit für die notwendige Förderung der betroffenen

Kinder (bzw. Erwachsenen) wenig nützlichen Begriffs-, Definitions- und Theoriedebatten.

Eine „Gleichberechtigung“ hinsichtlich Anerkennung, Erkennung und Förderung mit

dem für den Schriftsprachbereich analogen Störungsbild der Legasthenie ist noch lange

nicht erreicht. Man ist auch vorsichtig geworden, da man aus dem „Legasthenie-Boom“

gelernt hat und Schüler nicht voreilig als „Dyskalkuliker“ stigmatisieren will (vgl. Lorenz

& Radatz, 1993). Ein weiterer Grund für den zögernden Umgang mit der Rechenschwäche

liegt darin, dass die Erfassung einer mathematischen Lernstörung offenbar große

Schwierigkeiten bereitet und nicht wie bei der Legasthenie ein anerkanntes Testverfahren

vorliegt. Außerdem spielen „geringe Leistung[en] im Mathematikunterricht ... nicht jene

gesellschafts-politische Rolle, die die LRS innehat, so daß [sic] sich daraus kein Druck aus

der Eltern- oder Lehrerschaft für geeignete Maßnahmen ergibt“ (Lorenz & Radatz, 1993,

S. 15). Rechenschwierigkeiten gelten nach wie vor als relativ „normal“, besonders bei

Mädchen, denn ein großes Vorurteil in der Gesellschaft lautet, für Mathematik hätte man

eine natürliche Begabung – oder eben nicht (vgl. Hoffmann et al., 1999).

Therapiemaßnahmen für all jene Kinder, die im elementaren Mathematikunterricht

auffallen, würden darüber hinaus nicht unerhebliche finanzielle und organisatorische

Bemühungen im Rahmen der Grundschule nach sich ziehen, wenn man den Anspruch auf

individuelle Förderung der betroffenen rechenschwachen Kinder anerkennt.

Von den Grundschülern sollen 6% eine gravierende und 15% eine förderbedürftige

Rechenschwäche aufweisen (Lorenz & Radatz, 1993). Viele Fälle bleiben noch immer

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unentdeckt oder werden erst (zu) spät erkannt, zumal die Betroffenen oft

Kompensationsstrategien entwickeln, die über Jahre erfolgreich sein können und

beispielweise erst in der Sekundarstufe zu plötzlichen Leistungseinbrüchen in Form von

schlechten Zensuren führen. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Früherkennung

mathematischer Störungen von grundlegender Bedeutung. Neuere Studien und

Überlegungen (Gaupp et al., 2004; Krajewski, 2003; Barth, 1997) zeigen, dass bereits im

Vorschulalter Anzeichen für eine sich in der Grundschulzeit manifestierende

Rechenschwäche vorhanden sind und erkannt werden können, sodass eine Frühförderung

möglich ist. Diese hat bereits Piaget (vgl. Stendler-Lavatelli, 1976) für die Vorschulzeit

gefordert. Natürlich ist es nicht möglich, jegliche Fälle drohender Rechenschwäche bereits

im Kindergarten zu erkennen, weswegen auch der Diagnostik in der Grundschule,

besonders in den ersten beiden Schuljahren, und selbstverständlich der Förderung im

Grundschulalter tragende Rollen zukommen. Doch die Bildung im Kindergarten gewinnt

(wieder) zunehmend an Bedeutung, wahrscheinlich auch nicht zuletzt, weil PISA den

deutschen Schulen extreme Mängel im mathematischen wie auch im Bereich des Lesens

und Schreibens bescheinigt und ein elementares Problem im späten Beginn der Bildung

sieht. Deshalb stellen Kindertagesstätten als vorschulische Bildungseinrichtungen einen

wichtigen Ansatzpunkt für die Prävention von Rechenschwierigkeiten dar.

Diese Arbeit konzentriert sich aufgrund des notwendigen Handlungsbedarfes auf die

Früherkennung mathematischer Schwierigkeiten sowie deren Frühförderung. Zu Beginn

wird auf die Definitionslage, Symptome, Ursachen und die Diagnostik der

Rechenschwäche (Kap. 2) eingegangen, bevor die Entwicklung mathematischer

Fertigkeiten im Vor- und Grundschulalter (Kap. 3) aufgezeigt wird. Daraus abgeleitet

werden dann Möglichkeiten der Früherkennung im Kindergarten bzw. den ersten

Schuljahren (Kap. 4). Schließlich folgen Ansätze der (Früh-)Förderung (Kap. 5), wobei

auch auf Ansprüche an die Unterrichtsgestaltung und Möglichkeiten der Eltern

eingegangen wird.

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2. Rechenschwäche

2.1. Begriff und Definition

Für das Störungsbild Rechenschwäche gibt es unterschiedliche Begriffe, die in dieser

Arbeit synonym gebraucht werden. So spricht man auch von Arithmasthenie, Dyskalkulie

oder Rechenstörung.

Während es hinsichtlich einer genauen Definition von Rechenschwäche sowie deren

Nutzen je nach Disziplin und Ziel der (wissenschaftlichen) Arbeit teilweise große

Diskrepanzen, Widersprüche und Diskussionen gibt (vgl. Brühl et al., 2003; vgl.

Wehrmann, 2003), ist man sich doch darin einig, dass sich Dyskalkulie auf Probleme beim

Erwerb der Rechenfertigkeiten im Grundlagenbereich der Mathematik bezieht. Die Rolle

der Intelligenz ist dabei einer der umstrittensten Faktoren. Fraglich ist jedoch auch, „wie

häufig und wie hartnäckig bestimmte Fehler auftreten müssen, um auf eine

Rechenschwäche schließen zu dürfen“ (Thiel, 2001, S. 11).

Bei einer Rechenschwäche fehlen fundamentale arithmetische Einsichten, sodass

darauf aufbauende mathematische Gedanken nicht verstanden werden können. Vielfach

basieren die Schwierigkeiten auf Defiziten beim Erwerb basaler Einsichten im vorzahligen

Bereich sowie beim Aufbau eines verständigen Mengen- und Zahlbegriffs (Brühl et al.,

2003). Die Betroffenen folgen in der Bearbeitung mathematischer Sachverhalte ihrer

eigenen, subjektiven Logik, die systematisch nachweisbare Fehlertypen aufweist

(Wehrmann, 2003).

Rechenschwäche wird oft als Teilleistungsstörung gesehen, die aufgrund der Störung

basaler Funktionen wie visueller und akustischer Wahrnehmung, räumlichen

Vorstellungsvermögens oder Motorik zustande kommt. Allerdings haben basale

Funktionstrainings allein keinen Erfolg, die Rechenschwäche zu beheben (vgl. Brühl et al.,

2003), weswegen diese Sichtweise mehr und mehr in Frage gestellt wird.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ordnet in der ICD-10 (Dilling et al., 2004)

Rechenschwäche den umschriebenen Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten zu

und definiert sie unter F81.2 als Rechenstörung folgendermaßen:

„Diese Störung beinhaltet eine umschriebene Beeinträchtigung von

Rechenfertigkeiten, die nicht allein durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder eine

eindeutig unangemessene Beschulung erklärbar ist. Das Defizit betrifft die Beherrschung

grundlegender Rechenfertigkeiten wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division,

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weniger die höheren mathematischen Fertigkeiten, die für Algebra, Trigonometrie,

Geometrie und Differential- sowie Integralrechnung benötigt werden.“

Eine Rechenstörung wird nach diesen Richtlinien nur diagnostiziert, wenn die

Intelligenz des Kindes mindestens durchschnittlich ausgeprägt sowie die Rechenleistungen

unter dem Durchschnittsbereich und mit einer signifikanten Diskrepanz unter dem Niveau,

das aufgrund der allgemeinen Intelligenz erwartet wird, liegen. Abgegrenzt werden nach

dieser WHO-Definition Kinder mit Rechenstörungen im Zusammenhang mit einer

allgemeinen Lernschwäche sowie bei Intelligenzminderung, mit einer erworbenen

Rechenstörung, mit Rechenschwierigkeiten bei Lese- und Rechtschreibstörungen sowie

Rechenschwierigkeiten infolge einer unangemessenen Beschulung.

Umstritten ist diese Definition aus verschiedenen Gründen. Zum einen gibt es keine

geeigneten, ausreichend differenzierenden standardisierten Tests wie für den Lese-

Rechtschreib-Bereich, mit denen das Niveau der Rechenleistungen quantitativ erfasst und

zu dem mit einem standardisierten Intelligenztest erfassten Intelligenzquotienten in

Beziehung gesetzt werden kann. Die Kopplung der Rechenschwäche an den IQ ist

problematisch, da allein der Begriff der Intelligenz und die Anwendung von

Intelligenztests umstritten ist. Außerdem werden mit den meisten Intelligenztests (z.B.

HAWIK-III, K-ABC) auch die Fähigkeiten bei mathematischen Aufgaben geprüft und in

das Ergebnis des Gesamt-IQ miteinbezogen. Rechenschwache Kinder erzielen allein

deshalb niedrigere Ergebnisse. Darüber hinaus ist fraglich, welchen Nutzen diese

Definition für die Förderung hat, denn es ist nicht vertretbar, Kinder allein aufgrund ihrer

Intelligenz von Fördermaßnahmen auszuschließen, die darüber hinaus unabhängig vom

Intelligenzquotienten erfolgreich sein können (Brühl et al., 2003).

So nützlich die ICD-10-Definition angesichts der Anerkennung der Rechenschwäche

als eigenständige Störung und der Bereitstellung eines Maßes für die quantitative

Festlegung ist, kann nicht geleugnet werden, dass es neben den auf diesem Wege

diagnostizierten Kindern auch solche gibt, die gravierende Schwierigkeiten im

mathematischen Grundlagenbereich aufweisen, jedoch die Kriterien der durchschnittlichen

Intelligenz, der Diskrepanz oder fehlender komorbider Störungen nicht erfüllen.

Ganz im Gegenteil treten Rechenprobleme sogar häufig gekoppelt mit Störungen in

anderen Bereichen, wie z.B. des Lesens und Schreibens auf (Barth, 1997). Und selbst bei

allgemein lernschwachen Kindern gibt es signifikante Unterschiede zwischen den

mathematischen und den sonstigen Leistungen des Kindes (Brühl et al., 2003). Aus diesem

Grund macht es Sinn, auch Kinder jenseits der von der WHO vorgegebenen Standards in

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die Definition einer Rechenschwäche und erst recht in die Förderung einzubeziehen.

Deshalb „sollte nicht eine arithmetische Minderleistung bei mindestens durchschnittlicher

Intelligenz, sondern eine relative Minderleistung auf jeder Intelligenzstufe angenommen“

(Brühl et al., 2003, S. 26) bzw. die mathematischen Leistungen in Relation zu den

Schulleistungen der anderen Fächer gesetzt werden (Thiel, 2001). Wehrmann (2003)

verwehrt sich hingegen gegen jegliches Ins-Verhältnis-Setzen der mathematischen

Leistungen „zu anderen Schulleistungen, zur Intelligenz, zu Leistungserwartungen oder

anderen kognitiven bzw. affektiven Bezugsgrößen“ (S. 72), da ihn „die Schwierigkeiten als

solche interessieren, unabhängig davon, in welchem kognitiven und psychischen Kontext

oder Lernumfeld sie auftreten“ (S. 72). Auch Thiel (2005) spricht sich für eine

phänomenologische Sichtweise der Rechenschwäche als „Schwierigkeiten im Erlernen von

Mathematik, die prinzipiell jeder zeitweise bekommen kann“ aus.

Da sich in jedem Fall die Fehlertypen bei Kindern mit Rechenproblemen nicht von

denen ohne Rechenschwäche unterscheiden (Brühl et al., 2003; Hoffmann et al., 1999;

Thiel, 2001; Wehrmann, 2003), ist es sinnvoll zur Gruppe rechenschwacher Kinder über

die WHO-Definition hinaus auch folgende zu zählen:

Kinder mit Rechenschwierigkeiten einhergehend mit Problemen im Lesen

und/oder Schreiben (Barth, 1997) bzw. anderen komorbiden Störungen (z.B.

AD(H)S) bei durchschnittlicher Intelligenz,

Rechenschwierigkeiten bei Intelligenzminderung (Barth, 1997),

Rechenschwierigkeiten im Zusammenhang mit einer allgemeinen Lernschwäche

(Barth, 1997) sowie

Rechenschwierigkeiten als Folge unangemessener Beschulung.

Wichtig und notwendig erscheint lediglich die Unterscheidung zwischen diesen

Kindern mit einer mathematischen Lernstörung, die nur durch Therapie oder

Einzelfallarbeit angegangen werden kann, und Kindern mit Schwierigkeiten im

Mathematiklernen, die fast jeder Schüler irgendwann in seiner Schullaufbahn haben kann

und die durch Nachhilfe beseitigt werden können. Doch auch hier gibt es noch keine klaren

Standards, wo die Grenze zu ziehen ist.

Für eine ausführlichere Argumentation hinsichtlich des Für und Wider von

Definitionen sowie die Bewertung wissenschaftlicher Ansätze sei auf Brühl et al. (2003),

Wehrmann (2003) sowie Thiel (2001) verwiesen.

Aber letztendlich gilt: „Viel wichtiger als Definitionsdebatten und Richtlinien –

sowohl für die Hilfe bei rechenschwachen Kindern/Jugendlichen als auch um das

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Phänomen zu erfassen – ist das Begreifen der praktischen Verlaufsform in all ihren

Facetten und Nuancierungen sowie der Folgewirkungen“ (Brühl et al., 2003, S. 15). Denn

schließlich gibt es „nicht die Rechenschwäche, sondern so viele verschiedene

Rechenschwächen, als es rechenschwache Kinder gibt“ (Schilling & Prochinig, 1995,

zitiert nach Plack, 2002). Deshalb kommt den Symptomen und spezifischen Fehlertypen

der Kinder weitaus mehr praktische Bedeutung hinsichtlich der Förderung zu.

2.2. Symptome

„Die Symptomatik einer Rechenschwäche ist systematisierbar und dies deutet darauf

hin, dass grundlegende Fehlvorstellungen des Kindes (z.B. bei der Entwicklung des

Zahlbegriffs) zu Kompensationsstrategien führen, die rechenschwache Kinder alle in

ähnlicher Weise entwickeln (z.B. das zählende Rechnen). ... An der Oberfläche einer

Rechenschwäche ergibt sich ... eine für rechenschwache Kinder typische Symptomlage“

(Brühl et al., 2003, S. 29). „Rechenschwache Kinder erfinden keine neuen Fehler, die im

Schulalltag nicht längst bekannt wären“ (Hoffmann et al., 1999, S. 27). Diese Fehler sind

vielmehr bei etlichen Kindern „immer dann zu beobachten, wenn neue mathematische

Inhalte erlernt werden“ (Thiel, 2001, S. 12). Da rechenschwache Kinder aber auf Basis

ihrer eigenen subjektiven Algorithmen, die einer falschen, nur den betroffenen Kindern

selbst bekannten Logik gehorchen und durchaus eine Systematik aufweisen, rechnen, sind

die Art und der Grund der Fehler selten klar ersichtlich. „Rechenschwache Kinder

erkennen [außerdem] ihre Fehler nicht; schließlich haben sie ja etwas gerechnet“

(Hoffmann et al., 1999, S. 27).

Verschiedene Quellen (Brühl et al., 2003; Hoffmann et al., 1999; Ortner & Ortner,

1997) enthalten gute Übersichten der Symptome einer Rechenschwäche, sodass an dieser

Stelle nur einige Beispiele für typische Fehler gegeben werden sollen. Sogenannte

Symptomfragebögen oder Symptomauflistungen finden sich auch auf den Internetseiten

verschiedener Institute zur Rechenschwäche-Therapie (z.B. Zentrum zur Therapie der

Rechenschwäche (ZTR), Institut für mathematisches Lernen Braunschweig (IML),

Osnabrücker Zentrum für mathematisches Lernen, Rechenschwäche-Institut RESI).

Häufig beobachtete Fehler, die rechenschwache Kinder bei mathematischen

Aufgaben machen, lassen sich grob drei Phänomen zuordnen (Wehrmann, 2003):

(1) Nominalismus: unausgebildete kognitive Verinnerlichung der Stoffinhalte, d.h.

die Zuordnung von Zahlname zu Ziffer/Symbol erfolgt ohne ausgebildeten

Zahlbegriff (Quantitäten der Zahlnamen werden beim Zählen nicht mitgedacht)

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• zählendes Rechnen der Aufgaben

• Verwechslung von Vorgänger und Nachfolger von Zahlen

• kein oder nur lückenhafter Mengenbegriff

• kein kardinaler und/oder ordinaler Zahlbegriff

• falsches Verständnis der Null

• kein Beherrschen des Umgangs mit Relativattributionen (z.B. groß/klein,

mehr/weniger)

• Verrechnung um einen Einer/Zehner/Hunderter

• Zahlendreher (z.B. 76 statt 67)

• kein Benennen bzw. Verwechslung der Stellenwerte (Einer/Zehner/Hunderter

etc.)

• Schwierigkeiten bei Zahlendiktaten größerer Zahlen

(2) Mechanismus: unverstandene Umgangsweise mit den Rechenverfahren, d.h.

mathematische Aufgaben werden unreflektiert, mechanisch bewältigt, ohne dass

die zu Grunde liegenden Verfahrenstechniken verstanden werden

• Duldung widersprüchlicher Ergebnisse nebeneinander

• kein Erkennen offensichtlich falscher Lösungen

• keine Strategien zur Ergebnisprüfung (Probe)

• Verwechslung der Rechenarten

• kein Verständnis für Platzhalter-Aufgaben und/oder Umkehroperationen

• wahllose Verknüpfung von Größenangaben

• kein Erkennen von Rechenerleichterung (z.B. dass man bei 21-19 besser

auffüllt, statt zu subtrahieren)

• kein Gelingen dekadischer Transformationen (z.B. 4+5=9, 4+15 oder 40+50

werden erneut gerechnet)

• Probleme bei Textaufgaben

• ständiges Vergessen der 1x1-Reihen

(3) Konkretismus: „Verhaftetsein“ des Schülers am Veranschaulichungsmaterial

sowie unreflektierter Einsatz von Veranschaulichungsmaterialien, d.h. der

handelnde Umgang mit dem Mittel wird für das eigentliche Rechnen gehalten

• Berechnungen sind ohne Material nicht möglich (z.B. Finger)

• Klammern an vorgestellte oder gegenständliche Zählhilfen

• unökonomische/kontralogische Verwendung von Veranschaulichungsmitteln

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Rechenschwache Kinder zeigen in Bezug auf mathematische Inhalte darüber hinaus

Auffälligkeiten im Lernverhalten:

• Geübtes wird schnell wieder vergessen,

• keine Verbesserung durch beständiges Üben,

• enorme Gedächtnis- und Konzentrationsleistungen,

• lange Rechenzeiten,

• hohe Anstrengung und schnelle Erschöpfung,

• kein Wissen über Inhalte der letzten Mathematikstunde,

• es wird viel Zeit zum Erledigen der Mathematikhausaufgaben benötigt,

• verzweifelte Suche nach einem Rechenschema,

• Regeln werden stur auswendig gelernt und

• Ratlosigkeit bei wechselndem Aufgabentyp.

Auch im alltäglichen Bereich fallen Kinder mit einer Rechenschwäche auf:

• psychosomatische Beschwerden, wie Kopf- und Bauchschmerzen, Übelkeit

(Dies ist jedoch typisch für eine Lernstörung an sich, da sich die Belastung

durch das Nichtbewältigenkönnen des Schulstoffes auf die Psyche

niederschlägt.),

• sinkendes Interesse an der Schule, Schulunlust, Schulangst (ebenfalls typisch

für Lernstörungen),

• Angst vor dem Mathematikunterricht und insbesondere Mathematikarbeiten,

• Probleme beim Rechnen mit Geld,

• Schwierigkeiten beim Rechnen und Umgang mit Größen (cm, m, kg, g, ml, l

etc.) und

• Probleme beim Lesen der Uhr und/oder beim Abschätzen von Zeitspannen.

Teilweise stellen die Symptome einer Rechenschwäche im alltäglichen Bereich

gleichzeitig die Folgen dar, weil sie erst im Zusammenhang mit dieser Lernstörung

auftreten. Als Auswirkungen einer Dyskalkulie im psychischen und sozialen Bereich sind

insbesondere zu nennen:

• sinkendes bzw. geringes Selbstwertgefühl,

• motorische Unruhe,

• Unkonzentriertheit, geringe Ausdauer, schnelle Ermüdung,

• Leistungsverweigerung, Leistungsängste, Furcht vor Misserfolg, Schulunlust,

Schulangst, sinkende Schulmotivation,

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• bei mathematischen Aufgaben: verstärktes Suchen nach Hilfe oder völlige

Ablehnung von Hilfestellungen,

• Außenseiterrolle,

• Verhaltensauffälligkeiten („Klassenkasper“ vs. Rückzug),

• Wutanfälle und aggressive Äußerungen, wenn das Rechnen nicht gelingt.

2.3. Ursachen

Da Mathematik als Entwicklungsprozess zu sehen ist, in dessen Rahmen psychische,

physische und soziale Faktoren des Schülers, aber auch die komplexen Bedingungen des

Bildungs- und Erziehungsprozesses zusammenwirken, können Lernschwierigkeiten keine

Eigenschaften des Schülers sein (Thiel, 2001). Da sie unter bestimmten Voraussetzungen

in konkreten Situationen auftreten, müssen sie auch in diesen Situationen analysiert und

charakterisiert werden. Die Ursachen für eine Rechenschwäche sind demnach nie allein

nur im Schüler selbst zu suchen; stets ist auch das Lernumfeld des Schülers zu

berücksichtigen, d.h. sein häusliches Umfeld, die Schulsituation, speziell der

Mathematikunterricht, die sozialen Beziehungen des Kindes zu Eltern, Geschwistern,

Lehrern etc. sowie persönliche Einstellungen, Erwartungen und Vorerfahrungen (Nestle,

2004).

Rechenschwäche ist immer multifaktoriell bedingt, wobei man „allerdings oft nicht

feststellen [kann], welche Faktoren in welchem Umfang beteiligt“ (Nestle, 2004, S. 30)

und eindeutige Zuordnungen zwischen Symptomen und Ursachen nicht möglich sind.

In der Literatur findet man verschiedene Gruppierungen von Ursachen (vgl. Nestle,

2004; vgl. Plack, 2002). Thiel (2001) bezieht sich zunächst auf fünf von Grissemann

(1989) umfassend dargestellte Ursachenkategorien, bevor er sein eigenes

Ursachenkonzept, das der „ungenügende[n] Passung“ (S. 26), darstellt. Nach Grissemann

(1989) sind die Ursachen wie folgt zu untergliedern:

(1) Kongenitale Ursachen,

(2) Neuropsychologische Ursachen,

(3) Soziokulturelle und familiäre Bedingungen,

(4) Schulische Ursachen und

(5) Neurotisch-psychogene Ursachen.

Genetische Ursachen sind heute heftig umstritten, da sie für die Therapie kaum

relevant, weil nicht beeinflussbar, und diagnostisch schwer nachweisbar sind.

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Zu den neuropsychologischen Ursachen zählen die sogenannten

Teilleistungsschwächen, also Funktionsdefekte bzw. Störungen basaler Funktionen, wie

z.B. visuelle Wahrnehmungsstörungen, räumliches Vorstellungsvermögen,

Speicherungsschwierigkeiten und Automatisierungsschwierigkeiten. Doch auch wenn die

einzelnen Funktionen intakt sind, kann es zu Störungen der Funktionsintegration kommen.

Variablen, die Hinweise auf die soziokulturellen und familiären Bedingungen geben,

sind nach Grissemann (1989) mangelnde Leistungsmotivation, impulsiver Kognitionsstil,

Arbeitshaltung, Ausdauer und sprachliche Schwierigkeiten. Diese sind jedoch eher als

Folgen widriger Lebensumstände der Kinder zu sehen. Nestle (2004) listet an dieser Stelle

konkreter auf: Familienkonflikte, belastende Trennungen, kulturelle Diskrepanzen,

Erfahrungsdefizite und ungünstige Lebensverhältnisse. Hinzuzufügen wären außerdem:

Gewalt in der Familie, Vernachlässigung der Kinder sowie mangelnde Förderung und

intellektuelle Anregung.

Schulische Ursachen sind solche, die erst durch die Schulsituation wirken. Einige

Autoren schreiben der Schule eine große Verantwortung bei der Verursachung der

Rechenschwäche zu (z.B. Nestle, 2004). Steeg (2000) geht soweit zu behaupten,

Rechenschwäche sei „eine schulinduzierte Kognitionsstörung“ (S. 77). „Gerster (1997)

meint ..., dass Lernschwierigkeiten von Schülern immer Lehr-Lernschwierigkeiten sind“

(Thiel, 2005). Nestle (2004) zählt bei den schulisch bedingten Ursachen auf:

• didaktisch-methodische Mängel,

• schulorganisatorische Mängel,

• zu schneller Übergang zur Abstraktion,

• unpassende Lernmittel,

• Abwertung gegenständlicher Arbeitsmittel,

• missratene Zahlbegriffsbildung (z.B. über die Ziffer, aber diese stellt nur das

Symbol der Zahl dar und ist demzufolge nicht mit ihr identisch),

• große Klassen (> 20 Kinder),

• unzureichende Ausstattung der Schulen,

• zu wenig Möglichkeiten der Differenzierung und individuellen Förderung,

• stofforientierte Leistungsbeurteilung (eine minimale Verbesserung

rechenschwacher Schüler kann sich in der Zensur nicht wiederspiegeln) und

• Bewertungsfehler (z.B. Halo-Effekt, schichtspezifische Werthaltungen,

Perseveration, sich selbst erfüllende Prophezeiungen).

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Bei Thiel (2001) finden sich darüber hinaus:

• Lücken in den Basisoperationen durch Qualitätsmängel des Unterrichts,

• mangelnde operative Flexibilität infolge Drillrechnens,

• erhöhte schulische Misserfolgsängstlichkeit,

• Lernhindernisse bei der Informationsaufnahme (z.B. Verwendung

unbekannter oder schwer deutbarer Elemente, fehlende Stabilität) und

• Lernhindernis bei der Informationsverarbeitung (z.B. fehlende Erklärungen,

zu große Komplexität, fehlende Vorbereitung auf den Gebrauch von

Hilfsmitteln und das Auftreten von Fehlern, Einbau unnötiger

Schwierigkeiten).

Bei den neurotisch-psychogenen Ursachen oder, wie Nestle (2004) sie nennt,

emotionalen Problemen finden sich als Unterpunkte: Ängstlichkeit,

Angstabwehrmechanismen, Aggression, Apathie, Komplexbezüge zum Rechnen und Ich-

Störung (z.B. fehlendes Selbstvertrauen).

Das von Thiel (2004) postulierte eigene Konzept der „ungenügende[n] Passung“ (S.

26) bezieht sich darauf, dass Lernstörungen erst auftreten und sich verfestigen, wenn die

Voraussetzungen des Schülers nicht ausreichen, um die Lernanforderungen zu erfüllen. Zu

den Voraussetzungen des lernenden Kindes gehören:

biologische Komponenten (funktionsfähiges Zentralnervensystem, intaktes

Sinnessystem),

psychische Komponenten (kognitive Faktoren: Intelligenz, Fähigkeiten der

Informationsaufnahme und -verarbeitung, Konzentration, Gedächtnis u.a.;

nicht-kognitive Faktoren: Motivation, Einstellungen, Werte, Arbeitsverhalten,

Selbstkonzept u.a.) und

soziale Komponenten (Lernumwelt, Gestaltung und Wirkung familiärer und

schulischer Sozialisationsprozesse).

Die Lernanforderungen stellen u.a. das Curriculum, die fachliche und didaktische

Kompetenz des Lehrers, Lernmaterialien, Klassengröße und Anzahl der Stunden dar.

Die einzelnen Faktoren der Voraussetzungen des Kindes sowie der

Lernanforderungen decken sich im Großen und Ganzen mit den von Grissemann (1989)

und größtenteils auch Nestle (1997) in den Punkten (1) bis (5) genannten Ursachen. Thiels

(2001) Konzept erscheint jedoch kompakter und in sich schlüssiger, da die

Zusammenwirkung der Ursachen beschrieben und das Erlernen der Mathematik als

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Entwicklungsprozess angesehen wird. Damit wird es einem Person-Umwelt-

Interaktionsansatz gerecht. Aus diesem Grund ist diese Annahme zu bevorzugen, denn es

kann nie von einer Monokausalität der Rechenschwäche ausgegangen werden und

Schwierigkeiten im mathematischen Lernen treten stets erst durch die Nicht-Erfüllung von

Anforderungen auf.

2.4. Diagnostik

Ähnlich umstritten wie die Definitionsfrage sind die Möglichkeiten der Diagnostik

einer Rechenschwäche. Diese verfolgt zunächst einmal das Ziel, die Lernausgangslage des

Schülers festzustellen. Man kann grob zwischen zwei Kategorien unterschieden:

(1) Quantitative Diagnostik und

(2) Qualitative Diagnostik.

Mittels quantitativer Diagnostik erhält man anhand von standardisierten Tests ein

objektives Maß zur Einschätzung des Vorliegens einer Rechenschwäche. Die Vorteile

liegen zum einen in der Messbarkeit des Störungsbildes und zum anderen in der

Vergleichbarkeit verschiedener Kinder zu einem Messzeitpunkt (interpersonell) sowie

eines Kindes zu verschiedenen Messzeitpunkten (intraindividuell). Leider funktioniert

dieses Vorgehen nicht analog zur Legasthenie, da (noch) keine anerkannten, geeigneten,

ausreichend differenzierenden und die Fähigkeiten des Kindes wiederspiegelnden

Testverfahren zur Erfassung mathematischer Fertigkeiten für alle Altersstufen vorliegen.

Die Tests, die es gibt (z.B. MT 2, DRE 3, ZAREKI), scheinen eine Lernstörung in

Mathematik nicht eindeutig erfassen zu können. Anlass zu Hoffnung gibt aber der von

Krajewski et al. (2002, 2004) neu entwickelte Deutsche Mathematiktest für die 1. sowie 2.

Klasse (DEMAT 1+, 2+), der theoretisch fundiert, in Studien erprobt sowie auch für die

Klassen 3 bis 6 in Planung ist. Gegen diese Schulleistungstests ist außerdem einzuwenden,

dass sie ergebnis- und schulstofforientiert sind, d.h. es zählt nur die Fehleranzahl, die Art

der Fehler bleibt unberücksichtigt, und sie orientieren sich an den Lehrplänen der

Bundesländer und erheben mathematische Fähigkeiten in Abhängigkeit der Klassenstufe,

die das Kind besucht. Da rechenschwache Kinder aber in der Regel dem Schulstoff bereits

meilenweit hinterherhinken und darüber hinaus ein individuelles Fehlerprofil (Wehrmann,

2003) aufweisen, lassen sich allein aus der Fehleranzahl keine gezielten Fördermaßnahmen

ableiten. Qualitative Veränderungen werden unter Umständen nicht sichtbar, da das Kind

möglicherweise nach etlichen Monaten Therapie noch genauso viele Fehler macht, aber

dafür andere.

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Deshalb scheint eine qualitative Diagnostik, die die Art der Fehler des Kindes

eruiert, angebracht. Auf diesem Wege ist es möglich, gezielte Fördermaßnahmen

abzuleiten und mit dem Kind dort zu beginnen, wo es aktuell steht. Auch das Erkennen

von Ressourcen bzw. dem, was das Kind schon kann, fällt oft leichter. Unproblematisch ist

aber auch diese Vorgehensweise nicht, da sie wenig objektiv und von der Person des

Therapeuten, seiner Fragetechnik sowie seinen Vorstellungen von mathematischem

Wissen und der kognitiven Entwicklung des Kindes abhängig ist. Außerdem gibt die

qualitative Diagnostik kein Maß wieder, auf dessen Basis die Grenze zwischen dem

Vorliegen und Nichtvorliegen einer Rechenschwäche gezogen werden kann. Objektiv

messbare Verbesserungen sind darüber hinaus nur mit quantitativen Angaben der

gemachten Fehler möglich.

Günstig erscheint ein diagnostisches Vorgehen, das sowohl den quantitativen als

auch den qualitativen Aspekt berücksichtigt, um die Nachteile gegenseitig auszugleichen.

Ein solches Instrument liegt jedoch nicht vor.

Da Ziele einer Diagnostik auf alle Fälle das Ermitteln eines greifbaren Lernstandes

des Kindes sowie das Ableiten konkreter Fördermaßnahmen sein sollten, sind

förderdiagnostische Ansätze (Brühl et al., 2003; Hoffmann et al., 1999; Wehrmann, 2003)

zu begrüßen.

Die Förderdiagnostik stellt eine spezielle Variante der pädagogischen Diagnostik dar

(vgl. Kornmann, 1999) und erfolgt unter qualitativen Gesichtspunkten. Sie muss einem

großen Anspruch gerecht werden, da ermittelt werden soll, auf welcher kognitiven

Grundlage die mathematischen Leistungen erbracht werden und nicht nur, wie viele

Aufgaben richtig gelöst wurden. Aus diesem Grund verlangt eine solche Diagnostik viel

Fingerspitzengefühl, Erfahrung und genaues Wissen um die verschiedenen

Fehlertypologien rechenschwacher Kinder (Brühl et al., 2003). Ziel ist die Bestimmung des

Grades der begrifflichen Verinnerlichung mathematischer Inhalte. Typische

Fragestellungen können sein (Brühl et al., 2003):

Sortieren und Vergleichen: Kann das Kind mit Relationsbeschreibungen

(größer/kleiner, mehr/weniger) umgehen?

Pränumerische Abstraktionen: Hat das Kind einen Begriff der „reinen Anzahl“

entwickelt, d.h. kann es von den mächtigkeitsirrelevanten Eigenschaften einer

Menge abstrahieren?

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15

Arithmetische Transferleistungen: Wie sieht das Operationsverständnis des

Kindes im Kontext kardinaler/dekadischer Transferleistungen (7+8=15 => Wie

rechnet das Kind 7+9?) aus?

Gleichungen mit Platzhaltern: Welches Verständnis hat das Kind von den

einzelnen Operationen, dem Zusammenhang der Grundrechenarten und dem

Gleichungsbegriff?

Grundverständnis des dekadischen Positionssystems: Welches Verständnis hat

das Kind von der Stellenwertveranschaulichung über zehn?

Bei Lorenz und Radatz (1993) findet sich im Kapitel 7 eine umfassende Sammlung

diagnostischer Aufgabensätze.

Die Förderdiagnostik soll individuell differenzieren und ist deshalb streng

subjektorientiert, d.h. im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht das Kind mit seinen

individuellen Voraussetzungen, Ressourcen und Problemen, an denen sich das Vorgehen

des Diagnostikers orientiert. Deshalb kann es hierfür keine standardisierbaren

Prozessabläufe geben. Das Vorgehen richtet sich grundsätzlich nach dem individuellen

Rechenstand der Kinder. „Die konkreten Schwierigkeiten im mathematischen

Grundlagenbereich [werden] daraufhin [untersucht], welche inhaltlichen Stoffgebiete

davon betroffen sind, sowie deren individuelles Ausmaß und konkrete

Erscheinungsformen. ... Eine so ermittelte Standortbestimmung der Kinder im

‚mathematischen Gebäude’, die Konstatierung ihrer jeweiligen Lernausgangslage, ist die

zentrale Grundlage für eine im Anschluss daran zu entwickelnde lerntherapeutische

Förderkonzeption“ (Brühl et al., 2003, S. 161).

Wehrmann (2003) setzt sich in seinem Konzept der qualitativen Fehleranalyse für die

Annahme einer allgemeinen Förderungswürdigkeit und -fähigkeit aller Schüler sowie die

Vermeidung einer Pathologisierung ein. Seine qualitative Diagnostik, die sowohl dem

Aufstellen einer Eingangsdiagnose als auch einer in den Förderprozess integrierten

Verlaufsdiagnose dient, soll folgende Schwerpunkte erfüllen:

Rekonstruktion der Denk- und Handlungspläne des Schülers,

Erforschung der individuellen Wissenskonstrukte beim Schüler,

Ermittlung der Fehlstrategien, der subjektiven Logik und der Idiosynkrasien,

Systematisierung der Fehler hinsichtlich der kognitiven Grundlagen und

Feststellung der individuellen mathematischen Lernausgangslage.

Für vorgelagerte bzw. begleitende Problematiken, wie Störungen basaler Funktionen

oder emotionale Auffälligkeiten, muss der Diagnostiker sensibel sein, Wehrmann (2003)

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maßt sich jedoch nicht an, diesbezüglich Diagnosen zu stellen. „Deuten sich beim

Probanden Anhaltspunkte für Defizite in diesen Bereichen an, sollten die entsprechenden

Fachpersonen konsultiert werden, die nach einer Diagnose ggf. angemessene Maßnahmen

einleiten“ (Wehrmann, 2003, S. 75). Als Methoden kommen im Rahmen der qualitativen

Fehleranalyse diagnostische Gespräche als Form des klinischen Interviews, die Methode

des lauten Denkens sowie die Untersuchung des Umgangs mit

Veranschaulichungsmaterialien zum Einsatz. Die Verhaltensbeobachtung sollte darüber

hinaus Teil jeder Fördereinheit sein.

Hypothesen bezüglich der speziellen mathematischen Schwierigkeiten des Kindes

ergeben sich erst während der Untersuchung und müssen gleichzeitig durch geeignete

Fragen und Aufgaben verifiziert oder verworfen werden. Dabei muss das rechenschwache

Kind zum lauten Denken über seine Rechenstrategien angeregt werden, ohne dass

allerdings Suggestivfragen gestellt werden. Die Lösungen und Lösungsbegründungen des

Klienten werden während des diagnostischen Gespräches vom Interviewer schriftlich

festgehalten und im Anschluss daran analysiert und qualitativ ausgewertet, um die

Lernausgangslage des Kindes so genau wie möglich wiederzugeben und anzugeben, in

welchem Grad welche elementaren Schwierigkeiten vorliegen. „Um eine adäquate

Förderung zu gewährleisten, muss eine anschließende Lerninterventionsplanung auf dieser

Analyse aufbauen“ (Brühl et al., 2003, S. 162).

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3. Entwicklung mathematischer Fertigkeiten

Die Entwicklung mathematischen Verständnisses ist Teil der kognitiven

Entwicklung, weswegen zunächst auf die Denkentwicklung in der Kindheit eingegangen

wird, bevor die Herausbildung elementarer mathematischer Fertigkeiten im Vorschul- und

Grundschulalter geschildert wird.

3.1. Kognitive Entwicklung in der Kindheit

Piaget (vgl. Flammer, 1996; Krenz & Rönnau, 1995; Piaget & Inhelder, 1986;

Stendler-Lavatelli, 1976) hat die kognitive Entwicklung des Kindes umfassend untersucht

und nimmt in seiner Entwicklungstheorie qualitativ unterschiedliche, altersbezogene

Stufen der Entwicklung der Denkprozesse an, wobei er der Eigenaktivität des Kindes für

den Aufbau von Erkenntnisleistungen große Bedeutung beimisst. „Piaget geht ... davon

aus, daß [sic] das Erkennen und Begreifen, das Folgern und die Abstraktionen, das

Problemlösen und Urteilen sich ausschließlich in solchen Situationen bilden, in denen sich

aus dem Verhalten oder den Handlungen Wiedersprüche, Schwierigkeiten oder Probleme

ergeben: Aus der Interaktion der Kinder mit der Umwelt entstehen Strukturen in ihren

Handlungs- und Wissensabläufen. Ergeben sich aus der Wahrnehmung der Kinder

Unterschiede (Diskrepanzen) zwischen der sich bereits gebildeten und der neuen Vielfalt

der Realität, so verändern sich diese Strukturen“ (Krenz & Rönnau, 1995, S. 83).

Kontinuierliche Veränderungen dieser Strukturen stellen eine gleichbleibende

Aufeinanderfolge geistiger Entwicklungsschritte dar, die sich lediglich in ihrer

Geschwindigkeit interindividuell unterscheiden. „... gemäß Piaget (Hervorhebung im

Original) durchläuft das Denken eines jeden Kindes dieselben Entwicklungsstadien, und

dies im allgemeinen auf ähnlichen Altersstufen“ (Stendler-Lavatelli, 1976, S. 32).

Piaget postuliert vier Entwicklungsstufen:

(1) die sensumotorische,

(2) die präoperatorische,

(3) die konkret-operatorische und

(4) die formal-operatorische Stufe.

Die sensumotorische Stufe

Die sensumotorische Stufe erstreckt sich ungefähr über die ersten beiden

Lebensjahre des Kindes. „Die Denkabläufe in diesem Alter sind sprachlich noch nicht

gebunden. Sie äußern sich in ganz konkreten Handlungen“ (Krenz & Rönnau, 1995, S. 84)

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und sind eng an die Wahrnehmung gekoppelt. Wesentliche Entwicklungsgewinne bestehen

im Erwerb von Konstanzen (z.B. Größenkonstanz), Identitäten (z.B. Wiedererkennen der

Mutter) und Objektpermanenz (z.B. Vermissen einer abwesenden Person). Diese erste

Stufe besteht aus sechs Stadien:

(1) Reflexstadium: Anpassung angeborener Schemata/Reflexe durch ihren Gebrauch

(1. Monat)

(2) Primäre Kreisreaktionen: Entwicklung erster Gewohnheiten (1. – 4. Monat)

(3) Sekundäre Kreisreaktionen: Wiederholen von Handlungen mit angenehmem

Effekt (4. – 10. Monat)

(4) Koordination der Handlungsschemata: Herstellen und Erproben intelligenter

Mittel-Zweck-Verbindungen (10. – 12. Monat)

(5) Tertiäre Kreisreaktionen: Aktives Experimentieren (12. – 18. Monat)

(6) Übergang zur Vorstellung: Erfinden neuer Handlungsmuster durch innerliches

Vorerproben (18. – 24. Monat)

Die präoperatorische Stufe

„Nach Piaget beginnt die eigentliche Entwicklung des Denkens im Sinne eines

verinnerlichten und abstrakten Handelns erst mit der Entstehung der ersten Symbole und

der damit verknüpften allmählichen Trennung von der völligen Wahrnehmungs- und

Handlungsgebundenheit“ (Krenz & Rönnau, 1995, S. 85). Auf dieser voroperatorischen

Stufe unterscheidet Piaget die Stadien des symbolischen Denkens (2. – 4. Lebensjahr) und

des anschaulichen Denkens (4. – 7. Lebensjahr).

Symbolisches Denken meint, dass das Kind im Gedächtnis Symbole für bestimmte

Dinge bildet und damit bereits eine Vorstellung von Dingen, die aktuell nicht vorhanden,

bzw. von Abläufen, die jetzt nicht real sind, hat. Die Symbole sind noch eindeutig

handlungsbezogen und werden erst allmählich in Form von bildhaften Vorstellungen und

Worten verinnerlicht. Die Vorstellungswelt und das Erleben des Kindes sind in dieser

Phase der Denkentwicklung noch völlig egozentrisch.

Auf der anschließenden Stufe des anschaulichen Denkens sind „schon recht

komplizierte denkerische Kombinationen [möglich], die aber durch eine variable und oft

‚unangemessene’ Logik gesteuert sind“ (Flammer, 1996, S. 127).

Das Denken eines Kindes auf der präoperationalen Stufe ist folgendermaßen

charakterisiert:

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19

Das Kind orientiert sich an seiner sinnlichen Wahrnehmung, es geht vom äußeren

Bild der Dinge aus. Dies kann zu Fehlurteilen führen, z.B. wenn die Anzahlen

zweier ungleich angeordneter Mengen von Objekten verglichen werden sollen.

Das Kind konzentriert sich auf nur eine Variable, in der Regel auf diejenige, die

optisch am stärksten hervortritt; es kann verschiedene Merkmale von Objekten

nicht koordinieren, um z.B. die Masse zweier Objekte ungleicher Form zu

vergleichen.

Das Kind versteht nur schwer, dass ein Gegenstand mehrere Eigenschaften

besitzen und deshalb verschiedenen Klassen zugeordnet werden kann.

Die konkret-operatorische Stufe

Erst durch das Auftreten geistiger Operationen wird das Denken des Kindes

logischer und von seiner Wahrnehmung unabhängiger. Das Kind beginnt, mit den ihm

zugänglichen Daten geistig zu operieren, um sich ein Urteil zu bilden. In diesem konkret-

operatorischen Stadium (7. – 11. Lebensjahr) werden die Operationen der Masse-,

Mengen- und Volumeninvarianz möglich. Kinder auf dieser Entwicklungsstufe

koordinieren bei ihrer Urteilsbildung wenigstens zwei Dimensionen richtig, während sie

vorher nur eine Dimension herangezogen haben.

„Eine sehr wesentliche geistige Operation, die auf dieser Stufe auftritt, ist die

Reversibilität (Hervorhebung im Original), das heißt die Fähigkeit, einen Vorgang im

Geiste zurückzuverfolgen und zum Ausgangspunkt zu gelangen, um ihn mit dem

gegenwärtigen Zustand zu vergleichen“ (Stendler-Lavatelli, 1976, S. 39). Weitere logische

Operationen, die sich in diesem Alter entwickeln, sind die Fähigkeit, aus Teilen ein Ganzes

zu bilden und zu erkennen, dass die Teile zusammengesetzt oder auf verschiedene Art und

Weise miteinander kombiniert werden können, um ein Ganzes zu bilden, sowie die

Fähigkeit zu entscheiden, ob es sich um die gleichen Dinge handelt oder nicht.

Die formal-operatorische Stufe

Die formal-operatorische Stufe beginnt nach Piaget im 11. oder 12. Lebensjahr und

hat als Ziel die Fähigkeit der Abstraktion der Realität, wobei allerdings fraglich ist, ob alle

erwachsenen Menschen diese Stufe vollenden. Piagets Theorie trifft dazu keine Aussagen.

Da er selbst jedoch von der Notwendigkeit stets neuer Gleichgewichtsanpassungen

zwischen Individuum und Umwelt im Erwachsenenalter spricht, ist von einem Prozess des

lebenslangen Lernens auszugehen, bei dem die kognitive Entwicklung nicht mit dem

Eintritt in das Erwachsenenalter abgeschlossen ist.

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3.2. Entwicklung des mathematischen Verständnisses

„Rechnen ist ... abstraktes, symbolisches Handeln“ (Hettwer, 2003, S. 1). Dabei wird

mit Zahlen hantiert, die als Zeichen für in der Vorstellung durchgeführte Handlungen mit

Mengen oder Größen stehen. „Eine Vorstellung von Mengen und Größen erwirbt das Kind

bereits sehr früh, lange bevor es Zahlen kennenlernt“ (Hettwer, 2003, S. 1).

„Verständnis für Mathematik muss vom Kind in einer aktiven Auseinandersetzung

mit Quantitäten und Zahlen (und anderen mathematischen Zeichen) erworben werden, in

deren Verlauf das Kind (Hervorhebung im Original) mathematische Bedeutungen und

Zusammenhänge schafft und verändert“ (Gerster & Schultz, 2004, S. 43). Mathematisches

Lernen sollte demnach wie Lernen überhaupt in komplexen Problemsituationen erfolgen,

die für das Kind bedeutsam sind, damit es zu aktiven Sinnkonstruktionen (Gerster &

Schultz, 2004, S. 36) angeregt wird. Erwerb von Wissen muss als aktive Leistung

verstanden werden, die der Lernende in seiner Interaktion mit der Umwelt selbst zu

erbringen hat, denn nur so können Verbindungen zwischen neuen Wissenselementen und

bereits Gelerntem hergestellt werden. Um das Kind zu eigener Aktivität anzuregen, ist es

notwendig, seine natürliche Tendenz zum Erforschen und Erkunden zu nutzen.

Die Rechenfähigkeit entwickelt sich nach Aebli (1981, zitiert nach Hettwer, 2003) in

vier Phasen:

(1) Effektiver Vollzug einer Handlung: Auf dieser ersten Stufe vollzieht sich das

Handeln mit Objekten konkret anschaulich. Das Kind gewinnt aufgrund des

Greifens und Hantierens mit Gegenständen Einsicht in die mathematische

Bedeutung von Objekten, z.B. Höhe, Tiefe, Entfernungen, Größe, Menge.

(2) Bildhafte Darstellung von Mengen: „Die Operationen werden in und durch

Gegenstände bildhaft repräsentiert“ (Hettwer, 2003, S. 2).

(3) Zeichenmäßige Darstellung in Ziffernform: Auf dieser Ebene wird mit abstrakten

Zahlen gerechnet, die die Bedeutung von Mengen haben und damit Gegenstände

vertreten.

(4) Automatisierung: Durch die vorangegangenen Prozesse hat das Kind gelernt,

automatisch zu rechnen, sodass es mit Zahlen schnell und sicher umgehen kann.

Rechenschwache Kinder durchlaufen diese Phasen ganz genau wie normal rechnende

Kinder, mit dem Unterschied, dass sie häufig eine Stufe zu schnell oder ungenügend

erfassen; oft brauchen sie einfach viel mehr Übungszeit mit Anschauungsmaterialien, auf

die sie ganz von selbst verzichten, wenn sie automatisiert rechnen können (Hettwer, 2003).

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3.2.1. Grundlegende Bausteine mathematischen Denkens

„Rechnen ist Denken, bei dem Prozesse der Wahrnehmung, Vorstellung, Motorik

und Speicherung aufs engste miteinander verflochten sind“ (Barth, 1997, S. 137). Neben

der sensorischen Integration, d.h. der Fähigkeit zur Aufnahme und Verarbeitung von

Informationen, als Voraussetzung für die Denkentwicklung im Allgemeinen und die

mathematische Begriffsbildung im Besonderen zählen zu den wesentlichen Bausteinen des

mathematischen Lernprozesses folgende:

visuelle, insbesondere visuell-räumliche Wahrnehmung,

taktil-kinästhetische Wahrnehmung,

vestibuläre Wahrnehmung,

sprachliche Verarbeitungsprozesse,

auditive Wahrnehmung sowie

Gedächtnisprozesse.

Visuelle Wahrnehmung

Über das visuelle Wahrnehmungssystem, insbesondere die Entwicklung der visuell-

räumlichen Orientierung, ist es den Kindern möglich, Objekte zu sehen,

Größenunterschiede zu erkennen sowie Mengenanordnungen aufzufassen und

wiederzuerkennen. Auf der Basis der dadurch möglich werdenden Fähigkeit zur

Reihenbildung kann sich später der logische Zahlbegriff herausbilden. Die räumliche

Orientierung ist außerdem wichtig für die korrekte Erfassung des Stellenwertsystems, die

Unterscheidung von Ziffern, die Orientierung am Zahlenstrahl sowie das Erlernen des

schriftlichen Rechnens.

Einen enormen Beitrag leistet die visuell-räumliche Orientierung auch für die

Entwicklung der Handlungsplanung. Diese ist von großer Bedeutung, da Rechnen

verinnerlichtes Handeln ist. Über selbst ausgeführte Handlungen entwickeln die Kinder

Handlungsschemata, die sie nach und nach verinnerlichen. Nur wenn die Kinder visuell

operieren, d.h. ihre Handlungen gedanklich planen und gestalten können, ist es ihnen

möglich, visuelle Vorstellungsbilder zu entwickeln, die für den Aufbau mathematischer

Operationen notwendig sind.

Eine intakte Augenmuskelkontrolle, die eng mit dem vestibulären System

zusammenhängt, ist für die Auge-Hand-Koordination bzw. die visuomotorische

Koordination notwendig. Diese ermöglicht den Kindern das Vergleichen, Ordnen und

Zuordnen von Objekten, da diese mit den Augen fixiert und abgetastet werden müssen.

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Große Bedeutung hat die Auge-Hand-Koordination auch für das Erlernen des Zählens,

weil die Kinder zunächst die Anzahl einer Menge bestimmen, indem sie beim Aufsagen

der auswendig gelernten Zahlwortreihe synchron zum Zahlwort ein Objekt nach dem

anderen antippen müssen.

Die Fähigkeit zur Figur-Grund-Unterscheidung ermöglicht es den Kindern, Mengen

vom Hintergrund abzuheben, Mengenbilder exakt wahrzunehmen und Mengen gliedernd

zu erfassen. Dadurch werden nicht nur Zahlvorstellungen aufgebaut, sondern das Kind

lernt auch, graphisch gestellte Aufgaben zu bearbeiten.

Die visuelle Wahrnehmungskonstanz befähigt die Kinder, geometrische

Grundformen unabhängig von ihrer Raumlage, Farbe oder Größe als identisch zu

erkennen. Damit wird es den Kindern möglich, Gruppen nach bestimmten Aspekten zu

bilden, was ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur Ausbildung des logischen Zahlbegriffs

leistet. Außerdem wird dadurch die Herausbildung von Mengen-, Flächen- und

Volumeninvarianz möglich.

Taktil-kinästhetische und vestibuläre Wahrnehmung

Eine gut funktionierende taktil-kinästhetische sowie vestibuläre Wahrnehmung ist

Voraussetzung für die Entwicklung des Körperschemas, das wiederum wesentlich für die

Entwicklung der visuellen, speziell der visuell-räumlichen Wahrnehmung und

visuomotorischen Koordination ist.

Über die taktil-kinästhetische Wahrnehmung erlangt das Kind Informationen über

die Beschaffenheit, Form und Größe von Gegenständen. Dies hilft zunächst, Formen

kennenzulernen, sich diese einzuprägen und wiederzuerkennen. Später wird dadurch die

Fähigkeit der Kinder, Gegenstände nach bestimmten Kriterien zu ordnen, aufgebaut.

„Durch den spielerischen Umgang mit Materialien erlernen die Kinder in anschaulicher

Weise die Prinzipien des Zu- und Abnehmens, des Mehr- oder Wenigerwerdens sowie das

Prinzip des Zusammenfügens von Teilen zu einem Ganzen“ (Barth, 1997, S. 141). Mit

Hilfe dieser taktil-kinästhetischen Informationen eignen sich die Kinder den Zahlbegriff an

und erkennen die Grundsätze des Addierens und Subtrahierens.

Sprachliche Verarbeitungsprozesse und auditive Wahrnehmung

Die Entwicklung mathematischen Denkens hängt eng mit den Prozessen von

Sprachverständnis und Sprachgedächtnis zusammen (Schinköthe, 2000; vgl. Stendler-

Lavatelli, 1976). Die Kinder müssen in der Lage sein, bestimmte Begriffe, wie

„kleiner/größer“, „gleich“, „ordnen“ oder „dazunehmen“ zu verstehen, um die

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entsprechenden logischen Operationen durchführen zu können. Sie müssen sprachliche

Lautsymbole für ihre Zahlerfassung, Zahlvorstellungen und Zahloperationen entwickeln

und tun dies in der Regel auch bereits im Vorschulalter. Ein korrektes Sprachverständnis

ist notwendig, um Handlungsaufträge ausführen und z.B. Textaufgaben bearbeiten zu

können. Außerdem müssen die Kinder sprachliche Anweisungen im Gedächtnis behalten,

um sie ausführen zu können.

Die auditive Figur-Grund-Wahrnehmung wird spätestens in der Schule von großer

Bedeutung, da die Kinder in der Lage sein müssen, die signifikante Stimme der Lehrperson

vor den unwichtigen Hintergrundgeräuschen wahrzunehmen. Dadurch werden sie befähigt,

ihre Aufmerksamkeit auf die wichtigen Informationen, die durch den Lehrer oder

Schülerantworten übermittelt werden, zu lenken.

Ebenso wichtig ist die Fähigkeit zur phonematischen Differenzierung bzw.

Lautdiskriminierung klangähnlicher Worte. Um die Zahlvorstellungen korrekt aufbauen zu

können und das Kopfrechnen zu erlernen, müssen die Kinder ähnlich klingende Zahlwörter

unterscheiden können.

Gedächtnisprozesse

Man unterscheidet verschiedene Gedächtnisfunktionen auf einem zeitabhängigen

Kontinuum: (1) das Ultrakurzzeitgedächtnis mit einer Speicherzeit von 200 – 300 msec,

(2) das Kurzzeitgedächtnis mit einer Speicherzeit von 20 sec und (3) das

Langzeitgedächtnis für die langfristige Speicherung von Gedächtnisinhalten.

Speziell für das mathematische Denken ist ein gut funktionierendes

Kurzzeitgedächtnis notwendig, damit das Kind mehrteilige Kopfrechenaufgaben lösen,

sich Zahlen, Zwischenergebnisse und erforderliche Rechenoperationen merken sowie den

richtigen Rechenablauf überwachen und planen kann. Das Langzeitgedächtnis hingegen ist

für die Speicherung der Ergebnisse der automatisierten Grundaufgaben und des Wissens

über die Vorgehensweise bei den jeweiligen Rechenarten zuständig.

Die Gedächtnisleistungen fallen für unterschiedliche Inhalte und Anforderungen

unterschiedlich aus. Für den mathematischen Bereich ist besonders die Speicherkapazität

für auditive Reize von Bedeutung, da sie entscheidend die serielle Verarbeitung von

Informationen und die Speicherung der Informationen im Langzeitgedächtnis bestimmt.

Dadurch wird beeinflusst, wie gut ein Kind automatisierte Aufgaben wie das 1x1 lernt,

klassifizieren kann, die Zahlwortreihe erwirbt, komplexe Zahlwörter aufnimmt und

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verarbeitet, Textaufgaben und Anweisungen erfasst sowie neue Informationen zu bereits

bestehenden integriert.

3.2.2. Vorläuferfunktionen für den Erwerb des Zahlverständnisses

„Mathematisches Denken ist Denken in Räumen“ (Barth, 1997, S. 149). Bei

Zahlen(räumen), bei den vier Grundrechenarten, beim Zerlegen oder Bilden von Mengen,

beim Messen geht es stets um Beziehungen im Raum. Räumliches Denken und Operieren

bildet somit die Voraussetzung für das Verständnis mathematischer Operationen. Der

Erwerb des Zahlverständnisses ist von der Entwicklung folgender Vorstellungen abhängig,

die sich als logische Prozesse in der frühen Kindheit herausbilden (Barth, 1997; Schulamt

für den Kreis Unna, 2001; vgl. Stendler-Lavatelli, 1976):

(1) Gruppenbildungsfähigkeit (Klassifikation),

(2) Reihenbildungsfähigkeit (Seriation) und

(3) Vorstellungen von Raum und Zahl (inklusive der Fähigkeit zur 1:1-Zuordnung

sowie zur Mengen-, Flächen- und Volumeninvarianz).

Gaupp et al. (2004) sprechen sich dafür aus, unter die numerischen

Basiskompetenzen Zahlbegriff, Mengenbegriff und Zählfertigkeit zu fassen, wobei die

ersten beiden in der Entwicklung oben genannter Vorstellungen enthalten sind. Krajewski

(2003) hat die Vorhersage von Rechenschwäche untersucht und fünf Prädiktoren für die

mathematischen Leistungen in der Grundschulzeit gefunden: die Fähigkeit zur Seriation,

die Fähigkeit zum Mengenvergleich, die Zählfertigkeit, das Zahlenwissen und erste

Rechenfertigkeiten. Ich halte Zählfertigkeit, Zahlenwissen und erste Rechenfertigkeiten

nicht für Vorläuferfunktionen, sondern bereits für elementare Bestandteile mathematischen

Denkens. Das Zählen, das Wissen um die Zahlen wie auch das zählende Rechnen stellen

für mich erste numerische Kompetenzen und damit den ersten Schritt zur Entwicklung

konkreten mathematischen Verständnisses dar, auch wenn sie sich zu großen Teilen bereits

im Vorschulalter entwickeln. Deshalb gehe ich an dieser Stelle nur auf die Entwicklung der

oben genannten drei logischen Prozesse ein und behandle den Erwerb der Zahlwortreihe

sowie des Zahlverständnisses separat.

Die Fähigkeit zur Klassifikation beinhaltet, dass das Kind Gleichheit, Ähnlichkeit

und Unterschiede zwischen Gegenständen erkennt und entsprechend zu ordnen weiß.

Damit wird die Grundlage zum Verständnis des mathematischen Gleichheitszeichens

sowie des Begriffs „gleich viele“ vorbereitet. Die Entwicklung dieser Fertigkeit erfolgt

nach Piaget (vgl. Stendler-Lavatelli, 1976) in fünf aufeinander aufbauenden Schritten: (1)

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Beim einfachen Sortieren fasst das Kind Dinge nach einem einzigen, sinnlich

wahrgenommenen Kriterium zusammen. Da diese Handlung lediglich auf der bloßen

Wahrnehmung beruht und keine logischen Operationen notwendig sind, spricht man noch

nicht von einer wirklichen Klassifikationshandlung (Schinköthe, 2000). (2) Erst wenn das

Kind in der Lage ist, eine gemeinsame Eigenschaft aus einer Klasse von Objekten zu

abstrahieren und diese Eigenschaft auch bei anderen Objekten dieser Klasse festzustellen,

ist es zu einer echten Klassifikationshandlung fähig. (3) Die Fähigkeit zur multiplen

Klassifikation entwickelt sich anschließend, wenn das Kind ein Objekt nach mehreren

Kriterien klassifizieren kann und erkennt, dass dieses Objekt damit auch mehreren Klassen

gleichzeitig angehören kann. (4) Dann ist das Kind in der Lage, die Alle-einige-Relation zu

verstehen. Es kann zwischen Eigenschaften, die alle Elementen einer Klasse gemein haben,

und solchen, die nur einige Elemente dieser Klasse besitzen, unterscheiden. (5) Bei der

Fähigkeit zum Klasseneinschluss kann das Kind schließlich Unterklassen von bestimmten

Objekten bilden und diese Unterklassen in eine größere Klasse einordnen.

Bei der Reihenbildung wird die Fähigkeit verlangt, Gegenstände entsprechend einer

spezifischen Regel in eine Ordnungsreihe zu bringen oder verschieden große Objekte in

der Vorstellung miteinander in Beziehung zu setzen. Dadurch entwickeln die Kinder ein

Verständnis von Zahlen als Ausdruck der Mächtigkeit und der Ordnung. Bezüglich der

Fähigkeit zur Seriation unterscheidet Piaget (vgl. Stendler-Lavatelli, 1976) vier

Entwicklungsstufen. (1) Zunächst kann das Kind Gegenstände nach einem Aspekt

anordnen und dabei alle Objekte miteinbeziehen. (2) Komplexer wird es, wenn das Kind

sich gleichzeitig zwei Beziehungen vorstellen und Objekte in zwei aufeinander im

umgekehrten Verhältnis bezogenen Reihen ordnen kann. (3) Das Kind lernt dann, die zu

einer Reihe zusammengestellten Gegenstände zu zeichnen und dies später bereits vor der

Reihenbildung zu tun. (4) Schließlich kann das Kind auch geometrische Figuren nach

zunehmendem Flächeninhalt und zunehmender Seitenzahl ordnen.

Durch die Entwicklung der logischen Denkprozesse im Zusammenhang mit Raum

und Zahl lernen Kinder die Beziehungen „gleich viele/nicht gleich viele“ sowie „mehr

als/weniger als“. Gleichzeitig entwickeln sie Einsichten in die mathematischen

Operationen der Addition und Subtraktion sowie eine Vorstellung über die mit Zahlen

verbundenen Quantitäten. Die Entwicklung in diesem Bereich beginnt ebenfalls zunächst

wahrnehmungsgeleitet (1) als Fähigkeit des Kindes, eine physische Entsprechung von

Objekten auf einer 1:1-Basis herzustellen, indem es auf Grund einer visuellen

Entsprechung zwei gleiche Reihen von Gegenständen bildet. (2) Eine Weiterentwicklung

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stellt deshalb die Fähigkeit des Kindes dar, im Falle einer gestörten physischen

Entsprechung eine 1:1-Beziehung zu erkennen, d.h. auch ohne Raumentsprechung die

Gleichheit zweier Reihen von Objekten festzustellen. (3) Das Kind entwickelt in diesem

Zusammenhang die Operation der Mengenerhaltung, d.h. es erkennt, dass eine Menge

gleich bleibt, auch wenn sie ihren Ort oder ihre Form wechselt. (4) Anschließend

entwickelt sich die Einsicht, dass das Ganze erhalten bleibt, auch wenn die einzelnen Teile

in veränderter Form zusammengesetzt werden. (5) Das Kind begreift dann auch die

Flächenerhaltung, d. h. eine Fläche bleibt erhalten, auch wenn sie ihr Aussehen verändert.

(6) Schließlich entwickelt das Kind die Fähigkeit zur Transformation der Perspektive: Es

kann sich vorstellen, wie ein Objekt von einem anderen Blickpunkt aus betrachtet oder

nach einer Transformation im Raum aussehen würde.

3.2.3. Erwerb der Zahlwortreihe und des Zahlverständnisses im Vorschulalter

Der Erwerb der Zahlwortreihe beginnt oft bereits um das 2. Lebensjahr herum, wobei

es große interindividuelle Unterschiede zwischen den Kindern gibt (vgl. Padberg, 1992).

Ab einem Alter von etwa dreieinhalb Jahren haben die meisten Kinder die Zahlwortfolge

bis zehn auswendig gelernt und sind in der Lage, die Zahlwortreihe bis 20 zu erwerben.

Zwischen viereinhalb und sechseinhalb Jahren gewinnen sie die Einsicht in die

gleichförmigen Bildungsgesetze der Zahlwortfolge innerhalb der einzelnen Dekaden

zwischen 20 und 100. Beim Gebrauch der Zahlwortreihe können die Kinder recht sicher

zwischen Zahlwörtern und Nicht-Zahlwörtern unterscheiden, d.h. es treten z.B. kaum

Verwechslungen mit Buchstaben auf.

Während des Erwerbs der Zahlwortfolge lassen sich jeweils im „beherrschten“

Bereich drei Teilabschnitte unterscheiden:

(1) eine stabile, korrekte Zahlwortfolge am Anfang,

(2) eine stabile, nicht korrekte weitere Folge von Zahlwörtern (meist unter

Auslassung einzelner Zahlwörter) und

(3) eine weitere Folge nicht stabiler Zahlwörter.

Bei der Aneignung der Zahlwortreihe kommen folgende Zählprinzipien zum Einsatz

(vgl. Padberg, 1992):

(1) Das Eindeutigkeitsprinzip: Jedem zu zählenden Gegenstand wird genau ein

Zahlwort zugeordnet.

(2) Das Prinzip der stabilen Ordnung: Die Reihe der Zahlnamen hat eine feste

Ordnung.

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27

(3) Das Kardinalzahlprinzip: Das zuletzt genannte Zahlwort beim Zählprozess gibt

die Anzahl einer Menge an.

(4) Das Abstraktionsprinzip: Die vorgenannten Zählprinzipien können auf jede

beliebige Menge angewandt werden.

(5) Das Prinzip der Irrelevanz der Anordnung: Die Anordnung der zu zählenden

Gegenstände ist für das Zählergebnis irrelevant.

Bereits in einem Alter von zweieinhalb bis drei Jahren beachten Kinder die ersten

drei Zählprinzipien implizit. Bewusst werden ihnen diese Prinzipien mit vier bis sechs

Jahren. Dann bildet sich über die auswendig gelernte Zahlwortreihe die Fähigkeit, die

Anzahl der Elemente einer Menge zu benennen heraus. Dazu müssen die Nennung des

Zahlwortes und das Antippen des gezählten Gegenstandes zunächst synchron verlaufen,

damit die Kinder das einsichtige Zählen lernen. Die Zählfertigkeit verfestigt und verbessert

sich jeweils innerhalb des erworbenen Zahlenraumes durch die Zunahme der

Zählgeschwindigkeit und die Überwindung von Koordinationsfehlern zwischen der

Zahlwortreihe und den zu zählenden Objekten.

Die Entwicklung des Zahlverständnisses kann anhand dessen, was das Kind zählt,

den sogenannten Zählitems, nachvollzogen werden. Steffe und Cobb (1988, zitiert nach

Gerster & Schultz, 2004) unterscheiden dabei:

(1) Perceptual unit items: Das Kind nimmt unmittelbar wahrnehmbare Elemente als

solche wahr. Damit entwickelt sich die Erkenntnis, dass eine Menge von

Objekten begrenzt und damit abzählbar ist.

(2) Figural unit items: Das Kind zählt nicht sichtbare bzw. vorgestellte Objekte. Es

hat die Zahlwörter mit der Vorstellung einer Menge von Dingen verbunden, die

man zählen kann.

(3) Motor unit items: Die motorische Komponente des Zählvorganges

(Zeigebewegungen oder Strecken einzelner Finger) wird abstrahiert, d.h.

losgelöst von den figuralen und perzeptuellen Items. Das Kind erzeugt selbst

Items als Ersatz für wahrnehmbare oder vorstellbare Objekte, z.B. indem es beim

Zählen für jedes Objekt auf eine Stelle tippt.

(4) Verbal unit items: Das Kind zählt, indem es nur die Zahlwörter sagt.

(5) Abstract unit items: Das Kind hat Zähleinheiten im abstrakten Sinn erschaffen,

wenn es jedes der oben beschriebenen sensomotorischen Zählitems zum Zählen

heranziehen oder eine Folge von Zählakten selbst zu Gegenständen des Zählens

machen kann.

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28

Über das Zählen werden die einzelnen Aspekte des Zahlbegriffs miteinander

verbunden. Kinder haben bereits im Vorschulalter eine Ahnung von den verschiedenen

Zahlaspekten, entwickeln einen umfassenden Zahlbegriff, der alle Aspekte integriert aber

erst in der Schulzeit. Folgende Zahlaspekte können unterschieden werden:

Kardinalzahlaspekt (Anzahlen),

Ordinalzahlaspekt (Reihenfolge innerhalb einer Reihe),

Maßzahl-/Skalenaspekt (Bezeichnung von Größen),

Operatoraspekt (Vielfachheit einer Handlung),

Rechenzahlaspekt (Verwendung zum Rechnen) und

Kodierungsaspekt (Benennen und Unterscheiden von Dingen).

Bei der Verwendung der Zahlwortreihe durch die Kinder lassen sich fünf

Entwicklungsniveaus unterscheiden (Fuson, Richards & Briards, 1982, zitiert nach

Padberg, 1992), die den zunehmend differenzierten Einsatz der Zahlwortreihe bzw. eines

ständig wachsenden Abschnittes dieser wie auch die fortschreitende Entwicklung des

Zahlbegriffs mit der zunehmenden Erarbeitung und Integration der einzelnen Aspekte

wiederspiegeln. Dabei ist es möglich, dass sich das Kind zu einem Zeitpunkt hinsichtlich

verschiedener Abschnitte der Zahlwortreihe auf unterschiedlichen Niveaus befindet.

(1) String level: Die Kinder können die Zahlwortreihe nur unstrukturiert als Ganzes

einsetzen, sodass einzelne Zahlwörter nur durch Aufsagen der gesamten

Zahlwortreihe angegeben werden können. Dieses Niveau kann keinen wirklichen

Beitrag zum Zählen leisten, da die Kinder das Eindeutigkeitsprinzip nicht sicher

beherrschen.

(2) Unbreakable chain level: Einzelne Zahlwörter können klar unterschieden und

damit zum tatsächlichen Zählen eingesetzt werden. Allmählich kann damit ein

Beitrag zum Kardinal-, Ordinal- und Maßzahlaspekt geleistet werden. Einfache

Additionsaufgaben sowie Größer-/Kleiner-Relationen sind für die Kinder in

Ansätzen lösbar. Ein Weiterzählen von größeren Zahlen der Zahlwortreihe aus ist

noch nicht möglich.

(3) Breakable chain level: Die Kinder können inzwischen auch rückwärts zählen.

Außerdem können sie von einer Zahl n aus bis zu einer anderen Zahl m vorwärts

wie auch rückwärts zählen. Additions- und Subtraktionsaufgaben werden durch

effektiveres Rechnen einfacher, genauso wie Aussagen über Größer-/Kleiner-

Relationen schneller erfolgen können.

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(4) Numerable chain level: Die Kinder können nun nicht nur Objekte zählen,

sondern auch Zahlwörter, d.h. sie können um eine vorgegebene Zahl n von a aus

weiterzählen oder bestimmen, um wie viel von a nach b weitergezählt wurde. Ab

etwa dem 7. Lebensjahr klappt dies auch analog beim Rückwärtszählen.

(5) Bidirectional chain level: Die Kinder sind in der Lage, von jedem bekannten

Zahlwort aus schnell vorwärts oder rückwärts zu zählen. Es fällt ihnen leicht, die

Zählrichtung flexibel zu ändern.

3.3. Entwicklung mathematischen Wissens in der Grundschule

3.3.1. Mathematisches Vorwissen der Schulanfänger

Untersuchungen (vgl. Schmidt, 1982a, 1982b, 1982c; Schmidt, 1983; Schmidt &

Weiser, 1982, 1986) belegen, dass „Schulanfänger nicht nur beim Kardinal- und

Zählzahlaspekt, sondern auch beim Maßzahlaspekt über beachtliche Vorkenntnisse

(Hervorhebung im Original) verfügen“ (Padberg, 1992, S. 21). Sie sind sich darüber hinaus

der Funktion der Zahlen zum Ordnen, Rechnen und Kodieren bewusst.

Kenntnisse der Zahlwortreihe (Zählzahlaspekt) und Ziffernkenntnis

Nach Padberg (1992) kann etwa die Hälfte der Schulanfänger bis 29 zählen,

immerhin 97% sind sicher in der Zahlwortreihe bis zehn. Typische Fehler, die in dieser

Altersgruppe auftreten, sind das Weiterzählen mit der falschen Zehnerzahl (z.B. 38, 39, 20,

21), unkonventionelle Zahlwortbildungen (z.B. neunundzwanzig, zehnundzwanzig), das

Weiterzählen ab 20 nur noch mit Zehnern und die Verwechslung der Endsilben „zehn“ und

„zig“ zwischen zehn und 20.

Der Schulanfänger kann im Durchschnitt fünf bis sechs Ziffern schreiben und neun

Ziffern lesen. Dreiviertel der Kinder können sogar alle zehn Ziffern lesen. Typische Fehler

sind an dieser Stelle eine falsche Schreibrichtung der Ziffern sowie die Verwechslung von

9 und 6.

Kardinalzahlaspekt

Schulanfänger haben erhebliche Kenntnisse im Gebrauch der natürlichen Zahlen als

Kardinalzahlen, dabei gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen der

Zifferndarstellung und dem gesprochenen Zahlwort.

Wenn eine Plättchenmenge vorgegeben ist und die Kinder die Anzahl durch

Zifferndarstellung angeben sollen, sind bei zwei Plättchen 93% und bei 15 immerhin noch

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43% der Schulanfänger in der Lage dazu. Bei der Bestimmung einer Plättchenmenge durch

das gesprochene Zahlwort, sind bei fünf Plättchen 91% und bei 14 Plättchen 45% der

Kinder erfolgreich. Wenn eine Zifferndarstellung vorgegeben ist und die Kinder die

entsprechende Anzahl Plättchen legen sollen, schaffen dies 92% der Kinder bei der Ziffer 5

und 63% bei der Ziffer 13. Wird ein gesprochenes Zahlwort vorgegeben, können beim

Zahlwort vier 96% und beim Zahlwort sechzehn 60% der Schulanfänger die korrekte

Anzahl an Plättchen legen.

Techniken der Anzahlbestimmung sind zum Zeitpunkt des Schulbeginns:

bei kleinen Anzahlen das Zählen mit den Augen und

bei größeren Anzahlen und zur Fehlerkorrektur das Zählen mit Berührung

(Antippen), das Zählen mit Wegnehmen sowie das laute Zählen.

Beim Größenvergleich von Mengen zeigt sich, dass 95% der Schulanfänger Mengen

von fünf bzw. sechs Plättchen und 80% Mengen von 13 bzw. 14 Plättchen korrekt

vergleichen können. Angewandte Strategien beim Größenvergleich sind das Auszählen der

Mengen, der globale Gesamteindruck (sehr fehlerbehaftet) und die paarweise Zuordnung

(sehr selten).

Maßzahlaspekt

Etwa die Hälfte der Schulanfänger kann bei den Maßen Länge und Geldwerte ohne

Anleitung messen. Bei den Gewichten und Zeitspannen hingegen verfügt kaum ein Kind

über die Idee des Messens.

Das Ordnen von Längen, Geldwerten, Gewichten und Zeitspannen wird von fast

allen Kindern beherrscht. Die Addition von Maßzahlen löst die Mehrzahl der Kinder

richtig.

3.3.2. Rechnen lernen in der Grundschule

Wehrmann (2003) fasst die stoffdidaktischen Kernpunkte der Grundschulmathematik

wie folgt zusammen:

(1) Zahlbegriff,

(2) dekadisches Stellenwertsystem und

(3) Rechenoperationen,

wobei allmählich eine Erweiterung des Zahlenraumes bis zur Menge der natürlichen

Zahlen erfolgt.

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Zunächst müssen die Grundschüler einen kardinalen Zahlbegriff entwickeln, sofern

dies nicht bereits im Vorschulalter geschehen ist. Dabei ist es von Bedeutung, dass sich bei

den Kindern die Erkenntnis durchsetzt, dass natürliche Zahlen eine Vorstellung von der

Anzahl wiederspiegeln und das Gemeinsame in einem Vielfachen der 1 liegt.

Weiterführendes Ziel ist es, im Laufe der Grundschulzeit einen umfassenden Zahlbegriff,

der die verschiedenen Aspekte von Zahlen integriert, zu entwickeln.

Um die Kinder auf das operationale Verständnis vorzubereiten, müssen sie

Kenntnisse über Zahlzerlegungen, Zahlbeziehungen durch Zahlvergleiche sowie

Zehnerzerlegungen erlangen.

Das dekadische Stellenwertsystem kann erst eingeführt werden, wenn die Zahlen null

bis zehn in ihrer Bedeutung bekannt sind, da die Kinder es als Ordnungssystem der

anwachsenden Zahlen mit der Basis der Anzahl zehn begreifen müssen. Stoffdidaktisch ist

es sinnvoll, zunächst folgende Zahlenmengen einzugrenzen: 0 bis 10, 0 bis 100 und

schließlich den gesamten Zahlenraum der natürlichen Zahlen.

Bei den Rechenoperationen werden zunächst die Grundoperationen der ersten Stufe

eingeführt, Addition und Subtraktion. Dabei ist das Beherrschen des kardinalen

Zahlbegriffs Voraussetzung. Die Addition erfahren die Grundschüler als Zusammenfassen

von Anzahlen, die Subtraktion hingegen als ihre Umkehrung, also die Verminderung von

Anzahlen. Lernziel des 1. Schuljahres ist die Beherrschung von Additions- und

Subtraktionsaufgaben bis 20 ohne Hilfsmittel; zum Ende des 2. Schuljahres sollen die

Schüler im Zahlenraum bis 100 addieren und subtrahieren können (Barth, 1997). Als

Erweiterung werden schließlich die aggregierten Operationen der zweiten Stufe behandelt.

Die Multiplikation kann als fortgesetzte Addition gleicher Summanden verstanden werden,

während die Division als Umkehrung der Multiplikation gilt. Im 2. Schuljahr sollen die

Grundschüler das Einmaleins und die Umkehrfunktion Dividieren erlernen.

Probleme in diesen drei stoffdidaktischen Kernpunkten der Grundschulzeit werden

als elementare Rechenschwierigkeiten bezeichnet und kennzeichnen eine

Rechenschwäche, da sich bei den Kindern kein grundlegendes Verständnis der Mathematik

aufbaut.

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4. Früherkennung mathematischer Störungen

Probleme rechenschwacher Kinder liegen häufig bereits im pränumerischen Bereich,

in den Fertigkeiten, die bereits in der Vorschulzeit entwickelt werden sollten (Brühl et al.,

2003). Eine Früherkennung mathematischer Lernstörungen ist wichtig, weil die Kluft

zwischen Kenntnisstand und Anforderungen stets größer wird, je weiter im Schulstoff

vorangeschritten wird. Außerdem sind Fördermaßnahmen umso erfolgversprechender, je

früher sie begonnen werden können. Nicht zu unterschätzen sind darüber hinaus die

Begleiterscheinungen und Störungen in der emotionalen und Persönlichkeitsentwicklung

der betroffenen Kinder, wenn eine Rechenschwäche nicht oder erst spät erkannt wird.

Begrüßenswert ist deshalb bereits eine Überprüfung der Kinder hinsichtlich

numerischer Basiskompetenzen im letzten Kindergartenjahr, die verlässliche Ergebnisse

zur Vorhersage der Herausbildung einer Rechenschwäche liefern kann (Krajewski, 2003;

Gaupp et al., 2004). Im Anfangsunterricht sollte davon unabhängig eine gezielte

Beobachtung der Schüler mit folgenden Schwerpunkten erfolgen (Brühl et al., 2003;

Schulamt für den Kreis Unna, 2001):

Farbkenntnisse

Formunterscheidung/Formbenennung

Wahrnehmung räumlicher Beziehungen und Rechts-Links-Orientierung

(Raumlage)

Ordnen:

• Erkennen von Merkmalen einer Menge

• Sortieren/Klassifizieren/Reihenbildung

Mengenbegriff:

• 1:1-Zuordnungen/Quantitätsvergleiche

• Umgang mit Relationen

• Mengenkonstanzproben

Zahlbegriff:

• Zählproben (vorwärts, rückwärts)

• Simultanerfassung kleiner Mengen

• kardinaler und ordinaler Zahlaspekt

Zahlaufbau im Zahlenraum bis zehn:

• Strukturierung über die Zahl 5

• kardinale Nutzung von Anschauungsmaterial

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Operationsverständnis:

• Zählt das Kind lediglich ab?

• Löst sich das Kind vom Anschauungsmaterial?

• Kann das Kind Differenzen zwischen Zahlen nicht zählend berechnen?

Bei der Beobachtung der Kinder darf es dabei nicht allein um die Feststellung

richtiger oder falscher Ergebnisse gehen. Der Schwerpunkt muss auf der Analyse der

Rechenstrategien der einzelnen Schüler liegen, denn rechenschwache Kinder entwickeln

häufig Kompensationsstrategien und fallen hinsichtlich der Korrektheit der Ergebnisse erst

spät oder gar nicht auf.

4.1. Früherkennungshinweise im vorschulischen Bereich

Da am Aufbau des mathematischen Lernprozesses unterschiedliche Basisfunktionen

wie visuelle und auditive Wahrnehmung, sprachliche Verarbeitungsprozesse und

sensorische Integration beteiligt sind, kommen Störungen in diesen Bereichen für die

Früherkennung einer (drohenden) Rechenschwäche bereits im Vorschulalter große

Bedeutung zu. Denn „Funktionsschwächen in den Bereichen auditiv-sprachlicher und

körperschematisch-räumlicher Beziehungen stören bereits die Vorstufenprozesse des

mathematischen Denkens“ (Barth, 1997, S. 153).

Als Früherkennungshinweise, die zu mathematischen Lernstörungen führen und in

unterschiedlicher Ausprägung und Kombination auftreten können, nennt Barth (1997):

Beeinträchtigungen im Bereich der taktil-kinästhetischen Wahrnehmung,

fehlende Orientierung am eigenen Körper (Körperschemastörung),

Raumorientierungsschwächen/Schwierigkeiten mit Raumlagezuordnungen,

Schwierigkeiten in der Handlungsplanung (Vermeidung von Spielen wie

Memory, Puzzeln, Lego),

Schwierigkeiten bei der Imitation von Bewegungen,

keine ausgeprägte Lateralität/kein Gelingen des Überkreuzens der

Körpermittellinie,

Schwierigkeiten in Grob- und Feinmotorik, Auge-Hand-Koordination,

Augenmuskelkontrolle,

Beeinträchtigungen im visuellen Erinnern (kein Gelingen des Nachbauens oder

Nachzeichnens geometrischer Figuren aus dem Gedächtnis),

Beeinträchtigung der auditiven Gedächtnisspanne,

unzureichend ausgeprägte Begriffe räumlicher und zeitlicher Beziehungen,

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34

unrealistische Vorstellungen von Größen und Entfernungen/Schwierigkeiten

beim Erfassen von Größenverhältnissen und -beziehungen,

mangelnde Fähigkeiten der Klassifikation und Seriation,

kein Gelingen simultaner Mengenerfassung,

kein Gelingen logischer Reihenbildung (Fortsetzung von Mustern),

kein Verständnis für Relationsbegriffe (mehr/weniger, kleiner/größer, gleich),

mangelnde Koordination beim Zählen zwischen Zählrhythmus und Motorik,

Schwierigkeiten in der Zahlwortunterscheidung,

Schwierigkeiten, eine 1:1-Zuordnung herzustellen und

Beeinträchtigungen des kardinalen und ordinalen Zahlbegriffs.

Gemäß Krajewski (2003) treten im letzten Kindergartenjahr darüber hinaus bereits

Probleme beim Zahlenwissen (Kenntnis der Zahlbilder bis zehn sowie Zuordnen von

Zahlbildern zu gesprochenen Zahlwörtern), bei der Zählfertigkeit (vorwärts und rückwärts

zählen sowie Bestimmung von Vorgänger und Nachfolger) und bei ersten

Rechenfertigkeiten im Umgang mit konkretem Material auf. Mit Hilfe einer Testbatterie

(Krajewski, 2003) ist eine frühzeitige Vorhersage des Risikos einer Rechenschwäche

schon bei Kindergartenkindern möglich.

4.2. Früherkennungshinweise im 1. Schuljahr

Rechenschwache Grundschüler fallen am Ende des 1. Schuljahres global durch das

Nichterreichen des Klassenziels (Addition und Subtraktion im Zahlenraum bis 20) auf.

Barth (1997) listet eine Reihe spezifischer Schwächen auf, die als Früherkennungshinweise

im 1. Schuljahr gelten und natürlich in unterschiedlicher Ausprägung und Kombination bei

den einzelnen Kindern auftreten können:

beeinträchtigte Merkfähigkeit für Zwischenergebnisse,

Schwierigkeiten bei der Einhaltung der Reihenfolge von Lösungsschritten,

gekreuzte Lateralität,

kein Verständnis für die Mengen-Invarianz,

rein mechanisches Beherrschen der Zahlwortreihe,

mangelnde Fähigkeit des Rückwärtszählens,

unsichere Bestimmung von Vorgänger und Nachfolger einer Zahl,

Schwierigkeiten bei Gleichheits- und Ordnungsrelationen,

Schwierigkeiten beim Verständnis mathematischer Zeichen (plus, minus, kleiner

als, größer als),

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fehlende oder unsichere Kopplung von Menge, Zahlwort und Ziffer,

Schwierigkeiten beim Schreiben und Lesen von Zahlen (Verwechslung der

Stellenwerte, seitenverkehrte Schreibung der Ziffern),

Schwierigkeiten in der Beherrschung von Addition und Subtraktion im

Zahlenraum bis zehn sowie

Unverständnis für Stellenwert und Zahlenaufbau.

4.3. Früherkennungshinweise im 2. Schuljahr

Zu den Schwierigkeiten, die das Kind aus dem 1. Schuljahr mitbringt und in der

Regel nicht bzw. nicht vollständig abbauen kann, während es krampfhaft versucht, dem

weiteren Schulstoff zu folgen, treten natürlich in der 2. Klasse weitere Probleme hinzu.

Barth (1997) zählt zu den Früherkennungshinweisen, die sich aus dem Nichterfüllen des

Lernziels des 2. Schuljahres ergeben:

kein Aufgeben des Rechnens mit Anschauungsmaterialien (Fingerrechnen),

zählendes Rechnen,

keine Automatisierung bei Additions- und Subtraktionsaufgaben im Zahlenraum

bis 20,

Schwierigkeiten beim Lesen mehrstelliger Zahlen und im Verständnis des

Stellenwertes von Ziffern,

keine Automatisierung des Einmaleins,

Schwierigkeiten in der Zahlzerlegung,

fehlendes Transferverständnis (z.B. 2+4 = 4+2),

fehlendes Analogieverständnis beim Zahlenaufbau im dekadischen System

(12+1=13 22+1=23) sowie

mangelndes Verständnis für Textaufgaben bzw. Schwierigkeiten bei der

Ableitung der Rechenoperationen aus den Sachinformationen.

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5. Fördermöglichkeiten

Im vorangegangenen Kapitel konnte deutlich gemacht werden, dass sich Kinder mit

einem erhöhten Risiko für die Herausbildung einer Rechenschwäche bereits im

Vorschulalter und erst recht zu Beginn der Grundschulzeit, wenn es gilt, die

Anforderungen des Unterrichts zu erfüllen, durch besondere Schwierigkeiten und

Auffälligkeiten auszeichnen. Da die Vorhersage einer Rechenschwäche möglich ist

(Krajewski, 2003), können und müssen diese Erkenntnisse für die Prävention genutzt und

bereits Fördermöglichkeiten im Vorschulalter angeboten werden. Damit kann dem Kind

nicht nur ein Leidensweg erspart werden, vielmehr fallen die Erfolgsaussichten positiver

und die Kosten geringer aus, je früher mit einer Förderung begonnen wird. Deshalb ist es

sinnvoll, mit einer (präventiven) Förderung der mathematischen Grundlagenkenntnisse

bereits im Rahmen des Kindergartens zu beginnen und vorschulische Bildungsprogramme

(wieder) einzuführen. Auch zu Beginn der Grundschulzeit, vor allem in der 1. und 2.

Klasse, ist es noch nicht zu spät, dem Kind eine individuell auf seine Bedürfnisse

zugeschnittene Förderung zukommen zu lassen mit dem Ziel, die Rechenschwäche

(weitgehend) zu überwinden. Zu diesem Zeitpunkt wird es selbstverständlich gleichsam

schwieriger, da eine Balance zwischen den aktuellen Erfordernissen des Unterrichts und

der bereits existierenden Kluft zwischen Kenntnissen und Anforderungen gefunden werden

muss. Um bisher nicht erkannte oder auffällige Kinder als potentiell rechenschwach zu

identifizieren und ihnen sofort, bereits im Rahmen der Schule zu helfen, kommt der

Gestaltung des mathematischen Anfangsunterrichts große Bedeutung zu. Darüber hinaus

haben natürlich auch die Eltern ihren Beitrag zu leisten, indem sie im Rahmen ihrer

Möglichkeiten, dem Kind Hilfestellung geben.

5.1. Frühförderung im Vorschulalter

Um der Ausbildung einer Rechenschwäche vorzubeugen, ist es von großer

Bedeutung, die Kinder bereits vor der Schule mit Zahlen, Mengen und räumlichen

Beziehungen vertraut zu machen. Dazu gehört es zum einen, die Voraussetzungen für die

Entwicklung mathematischen Denkens, die im Bereich der Sinneswahrnehmungen liegen,

zu schaffen. Im Normalfall genügt es, eine anregende, abwechslungsreiche Umgebung

bereitzustellen und die Kinder zum aktiven Agieren und Ausprobieren anzuregen. Zeigen

sich jedoch Defizite in den basalen Funktionen, ist eine spezifische Förderung angebracht,

um die Kinder auf dem Weg des mathematischen Lernprozesses nicht zu behindern. Zum

anderen muss bereits im Vorschulalter die Basis für das Verständnis konkreter

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mathematischer Inhalte gelegt werden, wozu die Entwicklung sogenannter

Vorläuferfunktionen und der Zahlerwerb zählen, denn Einschüler sollten bereits bestimmte

grundlegende Kenntnisse, wie z.B. sicheres Zählen bis zehn, Formenkenntnisse,

Mengenverständnis oder die Fähigkeit zur Reihenbildung, mitbringen, um den Anschluss

in der Grundschule nicht zu verpassen.

5.1.1. Basales Funktionstraining

Da grundlegende Bausteine mathematischen Denkens im Bereich der

Sinneswahrnehmungen liegen (vgl. Kap. 3.2.1), kann es nur förderlich sein, Defizite in

diesen sogenannten basalen Funktionen mit entsprechenden Trainings bereits im

Vorschulalter auszugleichen. Gleichzeitig muss man sich jedoch bewusst sein, dass

Übungen zur Verbesserung der einzelnen Teilleistungen „nur gewisse Voraussetzungen für

Fortschritte im Mathematikunterricht“ (Nestle, 2004, S. 52) leisten können, einer

(drohenden) Rechenschwäche kann allein mit einem solchen Training nicht wirksam

begegnet werden.

„Störungen der Wahrnehmung werden in der Regel therapiert durch

Wahrnehmungstraining [sic] mit inhaltsneutralen [bzw. inhaltsübergreifenden,

unspezifischen] Programmen in der Annahme, dass die Verbesserung der Grundfunktionen

wie Wahrnehmung und Motorik die mathematischen Lernprozesse verbessert“ (Nestle,

2004, S. 50). Dazu ist es natürlich ersteinmal notwendig, dass Defizite in den basalen

Funktionen erkannt werden, um diese gezielt anzugehen. Hinweise zur Diagnose dafür

geben Lorenz und Radatz (1993). Für den mathematischen Lernprozess sind von

besonderer Wichtigkeit die Förderung der Figur-Grund-Wahrnehmung, des visuellen und

auditiven Gedächtnisses, der Sprachbeherrschung, des Körperschemas und der

Raumlageorientierung. Einzelne Übungen dazu dürften relativ leicht in den

Kindergartenalltag zu integrieren sein. Wenn es nicht möglich ist, einzelne betroffene

Kinder spezifisch zu fördern, bietet sich die Möglichkeit an, mit der gesamten Gruppe ein

Wahrnehmungstraining durchzuführen oder Förderspiele (z.B. Papierfalten, Puzzles,

Memory, Bauklötze, Nachmalen, Suchbilder) anzuwenden, da diese in keinem Fall

schaden und Lernfähigkeit sowie Leistungs- und Problemlöseverhalten auch in anderen

Bereichen, wie z.B. des Lesens und Schreibens, positiv vorbereiten. Selbstverständlich

können Übungen zur Verbesserung der Sinneswahrnehmungen auch von interessierten und

bemühten Eltern zu Hause durchgeführt werden, zumal sie in die Spielhandlung mit dem

Kind integriert werden können bzw. sollten.

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Von großer präventiver Bedeutung und positivem Einfluss auf die Entwicklung der

Sinneswahrnehmungen ist es, wenn dem Kind die Möglichkeit gegeben wird, seinen

Bewegungsdrang auszuleben sowie mit unterschiedlichen Objekten zu hantieren. Dadurch

werden die besten Voraussetzungen für eine optimale Entwicklung des kindlichen

Zentralnervensystems und damit der basalen Sinnesfunktionen geschaffen, weil das Kind

über Bewegung und die Erfahrungen mit unterschiedlichen Formen, Farben und

Materialien verschiedene taktil-kinästhetische, visuelle, räumliche und körperbezogene

Eindrücke und Erkenntnisse sammeln kann, die für die Entwicklung der fundamentalen

Bedingungen mathematischen Denkens notwendig sind.

Kopp-Duller und Duller (2002) stellen in ihrem Buch umfangreiche Materialien für

das Training der Sinneswahrnehmungen mit Vorschulkindern dar, um der Ausbildung

einer Dyskalkulie oder Legasthenie vorzubeugen. Lorenz und Radatz (1993) gehen auf

einzelne Wahrnehmungsbereiche ein, geben Anregungen und stellen verschiedene

Wahrnehmungstrainings, z.B. das Förderprogramm zur Verbesserung der visuellen

Wahrnehmungsfähigkeit von Frostig (1972), ansatzweise vor.

5.1.2. Förderung pränumerischer Fertigkeiten und des Zahlerwerbs

Um die Vorläuferfunktionen mathematischen Denkens wie Klassifikation, Seriation

und Vorstellungen von Zahl und Raum (vgl. Kap. 3.2.2) zu fördern, kommt dem praktisch-

gegenständlichen Handeln eine besondere Bedeutung zu. Quantitative Beziehungen,

insbesondere Zahlen, müssen, damit sie für die Kinder fassbar gemacht werden können,

durch sinnlich wahrnehmbare Objekte konkretisiert werden. Mit diesen können die Kinder

handeln und praktisch operieren. Da Vorschulkinder weder lesen noch schreiben können,

sind sie auf verbale Belehrungen durch ältere Kinder und Erwachsene und auf das

Gewinnen eigener Erfahrungen angewiesen. Diese sind umso reicher und nachhaltiger, je

aktiver das Kind an der Gestaltung des Lebens teilnimmt und je interessanter und

abwechslungsreicher seine Umwelt gestaltet ist. Die Erzieher im Kindergarten sollten

deshalb alle im Alltag des Kindergartens auftretenden Situationen, wie z.B. Spiel, Basteln,

Bauen, Tischdecken, nutzen, um die mathematischen Vorstellungen des Kindes zu

entwickeln, da die realen Lebenserfahrungen und Lebensumwelten den höchsten

Motivationsgrad auf und damit den größten Nutzen für die Kinder haben. Eltern sind

analog natürlich im häuslichen Umfeld ebenso in der Pflicht. Der natürliche

Entdeckerdrang des Kindes sollte unbedingt genutzt und angeregt werden, weil die Kinder

nur über das eigene aktive Handeln neue Erkenntnisse hinzugewinnen können (vgl. Gerster

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& Schultz, 2004; Schinköthe, 2000; Stendler-Lavatelli, 1976). Über das praktisch-

gegenständliche Handeln stellen die Kinder Sachverhalte fest und verändern Vorhandenes.

Auf diese Art und Weise bauen sie allmählich Vorstellungen über Objekte und

Gesetzmäßigkeiten auf, eignen sich erste Zusammenhänge an und erkennen die Beziehung

zwischen Ursache und Wirkung. Dazu sind sie gemäß der kognitiven Entwicklungsstufen

nach Piaget (vgl. Stendler-Lavatelli, 1976) ab einem Alter von etwa 4 Jahren in der Lage.

„Der erkenntnisfördernde Wert der praktisch-gegenständlichen Tätigkeit, besonders wenn

sie von lautsprachlichen Äußerungen begleitet wird, erwächst nicht zuletzt daraus, daß

[sic] fast alle Sinne des Kindes daran beteiligt sind“ (Schinköthe, 2000, S. 21).

Zentraler Bestandteil der Entwicklung pränumerischer Fertigkeiten im Vorschulalter

ist das Handeln mit Mengen sowie das Vergleichen von Objekten hinsichtlich ihrer

Ausdehnungen, weil dadurch die Fähigkeiten zur Klassifikation und Seriation sowie

Zahlvorstellungen entwickelt werden (Schinköthe, 2000).

Handeln mit Mengen

Übungen mit Mengen sollten folgende Handlungen umfassen:

das Bilden von Mengen,

das Auffassen von Mengen,

das Zerlegen von Mengen,

das Vereinigen von Mengen und

das Vergleichen von Mengen.

Diese Handlungen können nicht getrennt voneinander betrachtet werden, da sie sich

teilweise gegenseitig bedingen bzw. Umkehrhandlungen voneinander darstellen. Deshalb

müssen sie simultan geübt werden, um die Zusammenhänge zwischen ihnen zu

verdeutlichen, zumal Aufgaben zu den einzelnen Handlungen in ihrem Schwierigkeitsgrad

variiert werden können.

Als eine Menge wird zunächst einmal die Zusammenfassung von bestimmten, von

anderen abgrenzbaren Objekten zu einem Ganzen bezeichnet. Ein Objekt ist dabei ein

Element der Menge.

Das Bilden von Mengen meint, dass Objekte nach gegebenen Gesichtspunkten, z.B.

Merkmalen oder Merkmalen und Anzahlen, ausgewählt und zu einer Menge

zusammengefasst werden. Dabei kann ein Rest übrig bleiben, weswegen das Sortieren

keine Form der Mengenbildung ist, da keine Restobjekte vorhanden sind. Das Auffassen

von Mengen ist als Umkehrung der Mengenbildung zu verstehen: Vorgegebene Mengen

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werden hinsichtlich des mengebildenden Merkmals oder der Mächtigkeit erkannt und

benannt. Hierbei ist eine höhere sprachliche Aktivität der Kinder gefordert, weil die Kinder

die Bezeichnung für die Mengen selbst finden müssen. Beim Zerlegen von Mengen werden

unter bestimmten Gesichtspunkten aus den Elementen einer gegebenen Menge disjunkte

Teilmengen gebildet. Dies kommt der Handlung des Sortierens oder Aufteilens gleich, da

kein Rest entsteht. Die Umkehrhandlung ist das Vereinigen von Mengen, bei dem zu

bekannten Artbegriffen ein Oberbegriff gefunden werden muss, unter den die Teilmengen

zusammengefasst werden können. Wenn zwei Mengen miteinander verglichen werden,

geschieht dies auf Basis ihrer Mächtigkeit, d.h. es werden Beziehungen zwischen den

Anzahlen zweier Mengen hergestellt.

Der Zahlerwerb im Kindergarten erfolgt im Zusammenhang mit Wahrnehmungen

und Vorstellungen von Gegenständen. Die Wahrnehmung der Mengen von Objekten ist

über verschiedene Sinneskanäle möglich:

optisch: z.B. Gegenstände, Abbildungen, Bewegungen, Lichtsignale

akustisch: z.B. Klopfzeichen, Händeklatschen

taktil: z.B. verborgene Gegenstände, angetippt werden

motorisch: Tupfen, Klatschen, Klopfen, Bewegungen.

Der Zahlerwerb stellt einen Abstraktionsprozess dar, in dessen Verlauf das Kind die

Anzahl als grundlegende Eigenschaft aller Mengen, unabhängig von der Art der Objekte,

erkennt. Das Zählen wird zunächst an Objekte gebunden eingeführt, wobei es wichtig ist,

dem Kind verschiedene Objekte zum Zählen bereitzustellen, um von Beginn an die

Unabhängigkeit der Anzahl von der Art der Elemente zu verdeutlichen. Das Kind übt, die

zuvor auswendig gelernte Zahlreihe einer Menge von Objekten eindeutig zuzuordnen.

Dabei muss darauf geachtet werden, dass es jedem Element der Menge nur ein Zahlwort

zuordnet, dass es mit der Zahl 1 zu zählen beginnt und dass die Zahlwörter in der richtigen

Reihenfolge gebraucht werden. Beim wiederholten Üben verbessert das Kind nicht nur

seine Zählfertigkeit, sondern erschließt sich auch die Bedeutung der Zahl als Kardinalzahl

und später als Ordinalzahl. Mengen bis zu vier Elementen sollte das Kind simultan

erfassen können, während ab einer Mächtigkeit von vier das Zählen eingeführt wird. Dabei

übt das Kind zunächst das Zählen mit Weiterrücken der Objekte, gefolgt vom Zählen durch

Antippen und durch das Zeigen ohne Berührung und schließlich das Zählen ohne jegliche

Bewegung.

Als Umkehrhandlung zum zählenden Erfassen der Mächtigkeit einer vorgegebenen

Menge wird teilweise simultan dazu das Bilden von Mengen gemäß einer vorgegebenen

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Mächtigkeit geübt. Damit werden Zahlen durch Mengen konkretisiert. Die Schwierigkeit

liegt darin, dass das Kind sich das Zahlwort merken und das Zählen stoppen muss, sobald

es dieses erreicht hat, obwohl noch Objekte vorhanden sind. Der Grad der Genauigkeit der

Mengenbildung kann abgewandelt werden, indem:

die Anzahl der Elemente durch eine absolute Größe angegeben wird,

die Mächtigkeit als Kombination von Zahl und Relation (z.B. < 5) angegeben

wird oder

die Bildung zweier Mengen nach einem vorgegebenem Mächtigkeitsunterschied

erfolgt.

Übungen zur Mengenbildung und Mengenauffassung können in ihrem

Schwierigkeitsgrad variiert werden nach:

der Art der Objekte (was nur geringe Anforderungen an das

Differenzierungsvermögen der Kinder stellt, sodass hiermit begonnen wird),

der Art der Merkmale (z.B. Farbe, Form, Größe, Funktion, Material),

dem Grad der Auffälligkeit des Merkmalsunterschieds und

der Anzahl der Merkmale.

Gleichzeitig zur Verbesserung der Zählfertigkeit leisten Aufgaben zum Bilden und

Auffassen von Mengen natürlich ihren Beitrag zur Förderung der Fähigkeiten zur

Klassifikation, weil das Kind nach gleichen und unterschiedlichen Merkmalen

differenzieren muss, um Objekte z.B. zu einer Menge zusammenzufassen.

Beim Zerlegen von Mengen in Teilmengen bestimmter Mächtigkeiten lernen die

Kinder, dass eine Menge in unterschiedliche Teilmengen zerlegt werden kann und dass

jede entstandene Teilmenge weniger Elemente als die Ausgangsmenge hat. Dabei sollten

von den Kindern zunächst Teilmengen ohne Mächtigkeitsangabe bzw. lediglich unter

Angabe der Relation (größer/kleiner/gleich) gebildet werden. Die Schwierigkeit der

Aufgabe kann dann gesteigert werden, indem die Anzahl der Elemente der zu bildenden

Teilmengen bzw. die Anzahl der Elemente, um die sich die Teilmengen unterscheiden

sollen, angegeben wird. Entsprechend können ein Kriterium für die Bildung von

Teilmengen natürlich auch Merkmale der Elemente sein. Die Schwierigkeit der Aufgaben

kann hier gesteigert werden, indem der Erzieher ein Merkmal für die Mengenzerlegung

nennt bzw. das Kind dieses selbst erkennen muss oder indem die Anzahl der zu

beachtenden Merkmale zunimmt. Damit wird ein großer Beitrag für die

Klassifikationsfähigkeit des Kindes geleistet.

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In Kombination mit dem Zerlegen von Mengen sollte die Umkehrhandlung des

Vereinigens von Mengen geübt werden, damit die Kinder den Zusammenhang zwischen

beiden Handlungen begreifen und das Schlussfolgern lernen (z.B. dass die Menge vor dem

Zerlegen gleich der Menge nach dem Vereinigen ist). Die Kinder lernen dabei, dass die

vereinte Menge stets mehr Elemente als jede Teilmenge hat, dass das Ergebnis unabhängig

von der Reihenfolge der zusammengeführten Mengen ist und dass es einfacher ist, mit der

größeren Menge zu beginnen und von dort aus weiterzuzählen, bis alle Mengen

zusammengefasst sind. Außerdem entwickelt das Kind so die Fähigkeit zur

Mengeninvarianz. Das sprachliche Ausdrucksvermögen wird gefördert, indem die Kinder

Oberbegriffe für die zusammengefassten Mengen finden müssen.

Unabdingbare Voraussetzung für den Zahlerwerb ist das Vergleichen von Mengen,

wodurch unter anderem die Erarbeitung der Folge natürlicher Zahlen, das Erfassen von

Zahlbeziehungen und die Abstraktionsfähigkeit gefördert werden. Der Mengenvergleich

sollte im Kindergarten in folgenden Etappen eingeführt und geübt werden:

(1) grober Vergleich (der allein auf den Mächtigkeitsrelationen

„kleiner/größer/gleich“ basiert) zweier Mengen beliebiger Mächtigkeit durch die

Zuordnung ihrer Elemente (1:1-Zuordnung),

(2) Einführung der Zahl 3 über den groben Vergleich mehrerer Dreiermengen,

(3) Mengenvergleich bei gleichzeitiger Einführung der Zahlen vier bis zehn,

(4) genauer Mengenvergleich (der auf der Anzahl der Elemente, durch die sich zwei

Mengen unterscheiden, basiert) und

(5) Mengenvergleich durch Abzählen der Elemente beider Mengen.

Nachdem dem Kind über die o.g. Handlungen der Kardinalaspekt der Zahl

verdeutlicht wurde, kann man es auch mit dem Ordinalzahlaspekt vertraut machen. In der

Regel wird die Reihenfolge eines Objektes nach seiner räumlichen Stellung bestimmt,

wobei das Kind lernt, dass ein Element einer Menge den Rangplatz erhält, dessen Zahl

beim Abzählen der Menge bei diesem Element genannt wird. Die Schwierigkeit kann

gesteigert werden, indem die Zuordnung der Ordinalzahlen nach zwei Gesichtspunkten,

z.B. der räumlichen Stellung und der Größe des Objektes, erfolgt. Durch die Anordnung

der Objekte z.B. nach der Größe wird gleichzeitig die Fähigkeit zur Seriation gefördert.

Vergleichen von Objekten

Beim Vergleichen einzelner Objekte hinsichtlich ihrer Ausdehnungen und Abstände

zueinander kann man zwischen dem groben Vergleich über Relationen (länger/höher/

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breiter/größer) sowie dem genauen Vergleich über einfache Maße (Messen) unterscheiden.

Die Reihenfolge des Erlernens sollte sich dabei wie folgt darstellen:

(1) grobe Vergleiche auf einer Dimension (Größe/Länge/Breite/Höhe),

(2) grobe Vergleiche hinsichtlich zweier Ausdehnungen und

(3) Messen,

wobei ich Schinköthes (2000) Empfehlung, das Messen bereits im Vorschulalter

einzuführen, ablehne, da hierzu nicht nur der verbale, sondern auch der schriftliche

Gebrauch der Zahlen nötig ist. Gerade Kinder mit einem Risiko für die Ausbildung einer

Rechenschwäche könnten hier überfordert sein, was dann bereits zu ungleichem Vorwissen

beim Schuleintritt führen würde.

Anfangs sollten nur zwei Objekte miteinander verglichen sowie die Dimensionen,

auf denen verglichen wird, einzeln eingeführt werden. Das Kind hat zuerst nur zwischen

gleich lang (groß/breit/hoch) und nicht gleich lang (groß/breit/hoch) zu unterscheiden und

beginnt erst in einem weiteren Schritt bei Ungleichheit zu bestimmen, welches Objekt die

größere und welches die geringere Ausdehnung hat. Wichtig ist natürlich, dass das Kind

über die entsprechenden Begriffe (größer/kleiner, länger/schmaler etc.) verfügt, um

korrekte Aussagen treffen zu können. Erst wenn der Vergleich zweier Objekte hinsichtlich

einer Ausdehnung gelingt, kann man dazu übergehen, zwei Objekte auf zwei Dimensionen

zu vergleichen. Schließlich kann die Anzahl der zu vergleichenden Objekte erhöht werden.

Dadurch lernen die Kinder auch die Relativität der Ausdehnungsbezeichnungen kennen, da

ein Gegenstand A z.B. größer als B, aber kleiner als C sein kann. Dadurch kann das Kind

gleichzeitig üben, die Objekte in eine Reihenfolge in Abhängigkeit der Ausdehnung zu

bringen, was die Fähigkeit zur Seriation fördert.

Bezüglich spezieller Aufgaben zur mathematischen Frühförderung im Vorschulalter

gibt es inzwischen eine Reihe von Literaturbeiträgen. Bei Stendler-Lavatelli (1976) findet

man Ideen und Vorschläge für die mathematische Früherziehung auf Basis der von Piaget

postulierten Entwicklungsstufen. Schinköthe (2000) bezieht sich auf das DDR-

Bildungsprogramm im Kindergarten und gibt wertvolle Anregungen zur kindlichen

Entwicklung und der Umsetzung der daraus abgeleiteten vorschulischen Bildungsziele.

Preiß (2004a, 2004b, 2005) hat mit seinen „Entdeckungen im Zahlenland“ ein Projekt zur

frühen mathematischen Bildung entwickelt, das stark sinnesorientiert ist. Ein alternatives

Konzept des aktiv-entdeckenden Lernens vertreten Müller und Wittmann (2002, 2004) im

Rahmen des Projektes „mathe 2000“.

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5.2. Förderung mathematischen Verständnisses im Grundschulalter

Je nach Ausprägungsgrad der Schwierigkeiten und dem Zeitpunkt der Diagnose kann

die Förderung rechenschwacher Schüler in der Schule erfolgen, entweder direkt im

Mathematikunterricht (vgl. Lorenz & Radatz, 1993) oder in einzelnen separaten

Förderstunden. Sind die Probleme im mathematischen Lernprozess jedoch extrem

ausgebildet und/oder werden sie erst spät, im Laufe der 2. Klasse, erkannt, ist es sinnvoll,

wenn nicht gar notwendig, das Kind im Rahmen einer Einzelfalltherapie bei einem speziell

dafür ausgebildeten Dyskalkulie-Therapeuten fördern zu lassen.

Auch im Grundschulalter kann die Förderung basaler Sinnesfunktionen (vgl. Kap.

5.1.1) Bedeutung haben, wenn hier (noch) Defizite zu erkennen sind und der Prozess des

mathematischen Lernens durch diese behindert wird. In der Regel ist dies der Fall, da das

Risiko für eine Rechenschwäche selten bereits im Vorschulalter erkannt wird.

Zentral muss aber die Entwicklung eines grundlegenden mathematischen

Verständnisses sein, d.h. die Arbeit an konkreten mathematischen Inhalten, die auf die

spezifischen Probleme des betroffenen Kindes abgestimmt sind. Je nach

Entwicklungsstand muss dazu eventuell noch auf der Stufe der Vorläuferfunktionen

mathematischen Denkens angesetzt werden (vgl. Kap. 5.1.2). „Das Zählen ist [darüber

hinaus] eine wichtige Tätigkeit und Fähigkeit, die im Laufe der Grundschulzeit immer

wieder angewandt, geübt und perfektioniert werden muß [sic]“ (Lorenz & Radatz, 1993, S.

117). Möglichkeiten hierbei sind z.B.:

das gliedernde Zählen geordneter und ungeordneter Mengen,

das Zählen von Klatschlauten, Tönen, Klopfzeichen oder kurzen Bewegungen,

das rhythmische Zählen und Abzählen nach Zählversen,

das Vorwärtszählen/Rückwärtszählen von einer bestimmten Zahl aus oder

das Vorwärtszählen/Rückwärtszählen in Schritten.

Das zählende Rechnen, das als natürliches Verfahren von vielen Schulanfängern

mitgebracht wird, darf hingegen nicht verfestigt werden bzw. „die einzige Lösungstechnik

bei arithmetischen Operationen“ (Lorenz & Radatz, 1993, S. 117) darstellen. Deshalb

gehört es zu den wichtigsten Aufgaben des Lehrers im 1. Schuljahr, zählende Rechner zu

erkennen, zu beobachten und ihnen mittels Übungen zum Ordnen, Vergleichen und

Gliedern von Anzahlen darüber hinwegzuhelfen. Fördermöglichkeiten für zählende

Rechner in der 2. oder 3. Klasse sind dagegen sehr aufwendig und kaum über schulische

Hilfsangebote bereitzustellen.

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Bei rechenschwachen Kindern ist es in der Regel auch von Bedeutung, das Schreiben

der Ziffern und Zahlen zu üben, damit die Ziffern sauber und ordentlich und damit gut

lesbar und die mehrstelligen Zahlen übersichtlich und in der korrekten Ziffernreihenfolge

geschrieben werden. Empfehlenswert ist beim ersten Üben des Ziffernschreibens, die

Ziffern vorher kneten zu lassen, sofern die Kinder noch keine Erfahrungen aus dem

Kindergarten mitbringen.

Bei vielen rechenschwachen Kindern ist insbesondere die Entwicklung der folgenden

Bereiche wichtig (vgl. Schulz, 1995, zitiert nach Thiel, 2005):

(1) Zahlvorstellungen,

(2) Handlungsvorstellungen zu Rechenoperationen und

(3) effektive Rechenstrategien.

Zahlvorstellungen

Um Zahlvorstellungen zu entwickeln, ist es notwendig, dass die Schüler lernen, sich

im Zahlenraum zu orientieren. Damit ein Kind die Strukturen des Zahlenraums erkennen

lernt, wird der Zahlenraum in Abschnitten ganzheitlich erarbeitet. Begonnen wird in der

Regel mit dem Zahlenraum bis zehn, dem Zahlenraum bis 20 und dem Zahlenraum bis

100.

Für den Zahlenraum bis zehn stellen die Finger das wichtigste Arbeitsmittel dar.

Dabei werden alle Finger mit einbezogen und statisch, nicht dynamisch benutzt, d.h. das

Kind klappt nicht wie beim Zählen sukzessive die Finger auf, sondern zeigt Anzahlen, die

mittels der Fünferstruktur der Finger simultan erfasst werden können. Diese sogenannte

„Kraft der Fünf“ kann auch bei anderen Anschauungsmaterialien, z.B. einer Legekette mit

verschiedenfarbigen Perlen oder Würfelbildern, genutzt werden. „Würfelbilder

[beispielsweise] ... [können] von den Kindern nicht nur gemalt, sondern auch mit

Holzklötzchen gespürt, gelegt und verändert“ (Thiel, 2005) werden.

Wenn man die Anzahlen bis zehn verdoppelt, erschließt sich der Zahlenraum bis 20,

wodurch die Kinder erste Einblicke in die dekadische Struktur erhalten. Die Analogie der

Zahlen 11 bis 20 zu den Zahlen eins bis zehn werden in der Regel auch von

rechenschwachen Kindern rasch erkannt.

„Beim Aufbau des Zahlbegriffs und bei der Erweiterung des Zahlenraumes spielen

die didaktischen Arbeits- und Anschauungsmittel eine wichtige Rolle“ (Lorenz & Radatz,

1993, S. 120). Der Zahlenraum bis 100 kann über aus Zehnerstreifen zusammengesetzten

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Hundertertafeln, über die „Russische Rechenmaschine“ oder über Mehrsystemblöcke

(Dienes-Blöcke) erschlossen werden (vgl. Lorenz & Radatz, 1993).

Handlungsvorstellungen zu Rechenoperationen

Ziel sollte es bei rechenschwachen Grundschülern immer sein, das zählende Rechnen

zu überwinden, weil dieses auf Dauer der Verfestigung einer Rechenschwäche dienen

kann. Dazu ist es nötig, dass die Rechenoperationen mit Handlungen verknüpft werden, die

aus dem Alltag stammen und auf die dann die effektiven Rechenstrategien aufgebaut

werden können. An dieser Stelle ist es sehr hilfreich, wenn die Eltern den

Therapeuten/Lehrer bei seiner Arbeit unterstützen könnten, indem sie ihrem Kind in

vielfältigen Alltagssituationen zeigen, wie diese als Addition, Subtraktion, Multiplikation

oder Division gedeutet werden können.

Effektive Rechenstrategien

Erst durch die vorherige Erarbeitung von Handlungsvorstellungen können effektive

Rechenstrategien aufgebaut werden, um das zählende Rechnen rechenschwacher Kinder zu

überwinden. Dabei können strukturierte Arbeitsmittel und Zahlvorstellungen helfen,

operative Zusammenhänge zu erkennen, wobei stets bedacht werden muss, dass ein

rechenschwaches Kind in der Regel nicht in der Lage ist, den für sich günstigsten Weg zu

finden. Deshalb sollte man es dabei unterstützen, eine effektive und immer anwendbare

Rechenstrategie zu entdecken, wie z.B. die Ergänzung zum Zehner oder die „Kraft der

Fünf“.

Auf dem Weg zu mentalen Operationen kann man in Anlehnung an Aebli (1981,

zitiert nach Hettwer, 2003) folgende Schritte fortschreitender Verinnerlichung und

wachsender Schwierigkeit unterscheiden (Lorenz & Radatz, 1993; Thiel, 2005), wobei die

Kinder unterschiedlich lange für die einzelnen Stufen benötigen:

(1) Das Kind führt die komplette Handlung mit konkretem Material aus und

beschreibt danach mit eigenen Worten, was es getan hat. Dazu muss es eine

innere Rekonstruktion der Handlung vornehmen, die sich auf die Wahrnehmung

des konkreten Ergebnisses stützt.

(2) Nun wird lediglich die Ausgangssituation mit Material dargestellt, woraufhin das

Kind die Handlung mit eigenen Worten beschreibt, ohne sie auszuführen. Dazu

muss es zunächst die Handlung in Gedanken voraussehen.

(3) Das Kind beschreibt die Handlung wiederum mit eigenen Worten, diesmal

jedoch mit verbundenen Augen. Es führt die Operation nur noch in Gedanken

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aus, während der Therapeut die Handlung entsprechend der kindlichen

Anweisungen konkret nachvollzieht.

(4) Der letzte Schritt dieses Prozesses umfasst die lediglich mentale Ausführung der

Handlung ohne jegliche materielle Unterstützung sowie die Beschreibung der

Handlung mit eigenen Worten.

Konkrete Anregungen und Materialien zur Förderung rechenschwacher Schüler

finden sich u.a. bei Lorenz und Radatz (1993), bei Schulz et al. (2000), bei Schulz (2001,

2002, 2004) sowie bei Wittmann und Müller (2004, 2005a, 2005b, 2005c).

5.3. Gestaltung des Mathematikunterrichts

5.3.1. Wie lernen leistungsschwache Kinder Mathematik?

Leistungsschwache Kinder lernen Mathematik nicht anders als normal lernende

Kinder. Sie durchlaufen ebenfalls die oben dargestellten Stadien der Entwicklung der

Rechenfähigkeiten vom konkreten Handeln mit Materialien über die Verinnerlichung bis

zur Automatisierung der Rechenoperationen, und sie machen dieselben Fehler.

Unterschiede gibt es lediglich in der Anzahl der Fehler und in der Verweildauer auf den

einzelnen Stufen; so brauchen rechenschwache Kinder oft einfach längere Zeit mit

Anschauungsmaterialien, damit ihnen die Übergänge zu den weiteren Stadien gelingen

können.

Separate Förderung ist deshalb aber nicht unbedingt in jedem Fall erforderlich. „Statt

Umschulung, Nachhilfe und Therapie sind die Schwierigkeiten dort anzugehen, wo sie sich

manifestieren: Im Mathematikunterricht der Grundschule, vor allem in den ersten beiden

Schuljahren“ (Nestle, 2004, S. 45). Körperliche Einschränkungen, psychische Belastungen,

organisch bedingte Aufmerksamkeitsstörungen oder andere Begleitstörungen müssen

allerdings berücksichtigt werden und können besondere Anforderungen an den Lehrer und

seinen Unterricht stellen oder eine Einzelfalltherapie notwendig werden lassen.

Ein großes Problem stellt ein Unterricht dar, der schont anstatt zu fordern. Damit

wird den Kindern eine komplexe Lernsituation vorenthalten, die nachweislich förderlich,

wenn nicht sogar vonnöten ist, damit sich mathematisches Verständnis entwickeln kann

(Gerster & Schultz, 2004). Sich selbst erfüllende Prophezeiungen sind die Folgen: Den

rechenschwachen Kindern wird nicht zugetraut, dass sie mathematisches Verständnis

entwickeln können; demzufolge passt der Lehrer den Unterricht an die angeblichen

„Bedürfnisse“ des Kindes an, gibt eine einfache Lernsituation, womöglich einen

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belehrenden Unterricht, mit stofflicher Reduktion und kleinschrittigen Zielen vor,

woraufhin das Kind tatsächlich scheitert, da sein Denken nicht herausgefordert wird.

Besonders rechenschwache Kinder brauchen die Möglichkeit des aktiv-entdeckenden

Lernens, denn sie haben keine Probleme mit dem Lernen an sich, sondern mit dem

Belehrtwerden (Gerster & Schultz, 2004). Sie benötigen genauso wie normal lernende

Kinder eine Lernumgebung, die ihnen Raum zum eigenständigen Entdecken und Handeln

lässt, weil sich nur so Erkenntnis beim Kind entwickeln kann (Piaget, vgl. Stendler-

Lavatelli, 1976).

5.3.2. Ansprüche an den mathematischen Anfangsunterricht

„Für den Lernerfolg im Mathematikunterricht ist ein schülerorientiertes Lernkonzept

und ein positives Lernklima von großer Bedeutung“ (Nestle, 2004, S. 38). Die Inhalte,

Arbeitsformen und das Lerntempo sollten sich an den Bedürfnissen und Fähigkeiten der

Schüler orientieren und nicht strikt vorgegeben werden. Die Alltagserfahrungen der Kinder

mit Zahlen und Größen sowie ihre mathematischen Kenntnisse im pränumerischen Bereich

stellen Ressourcen dar, an die angeknüpft werden sollte. Es ist wichtig, dass der Lehrer

versucht zu begrreifen, wie die Schüler mathematische Inhalte verstehen. Dazu ist es

natürlich notwendig, dass er die Kinder bei ihrem Handeln beobachtet. Dies ist wiederum

nur möglich, wenn den Kindern Raum für eigenständiges Handeln und aktives

mathematisches Lernen gegeben wird, indem ihnen Aufgaben gestellt werden, zu deren

Lösung ihre bisherigen Operationen nicht mehr ausreichen und die Kinder dadurch

angeregt werden, ihre Operationen zu modifizieren. „Es kann kontraproduktiv sein, ihnen

Rechenfertigkeiten beizubringen und dadurch ihr wachsendes Verständnis (Hervorhebung

im Original) überflüssig zu machen. ... Wir sollten ... Lernumgebungen gestalten, welche

auf die Arbeitsweisen der Kinder und auf die Bedeutungen abgestimmt sind, die diese

ihren (Hervorhebung im Original) Handlungen geben“ (Gerster & Schultz, 2004, S. 39).

Den Kindern sollte zugestanden werden, so lange beim gegenständlichen Handeln zu

verweilen, bis sie Vorstellungen und Begriffe genügend sicher aufgebaut haben, um mit

Ziffern rechnen zu können. Oft wird einfach nur zu schnell zur Abstraktion übergegangen,

sodass manche Kinder den Anschluss verpassen und gezwungen sind, Aufgaben lediglich

auswendig zu lernen, ohne Einsicht für die dahinterstehenden Rechenoperationen

entwickelt zu haben und in der Folge entwickeln zu können. Denn „Schüler zögern,

vertraute Strategien aufzugeben, besonders dann, wenn sie die Strategie nicht verstehen“

(Gerster & Schultz, 2004, S. 40). Eine nachträgliche Entwicklung von Einsicht und

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Verständnis ist dann höchst unwahrscheinlich, weil „Schüler, welche bereits Routinen und

Prozeduren beherrschten, ... keine Bereitschaft mehr [zeigten], mit Hilfe konkreter

Materialien Verständnis für die gelernten Regeln zu entwickeln“ (Gerster & Schultz, 2004,

S. 40).

Auch wenn gegenständliche Arbeitsmittel nicht abgewertet werden sollten, darf eine

multisensorische Anschauung nicht oberstes Ziel sein (Gerster & Schultz, 2004), denn es

ist wenig sinnvoll, den Kindern ständig neue Anschauungsmaterialien für gleiche

Sachverhalte anzubieten (Hoffmann et al., 1999), erst recht, wenn die Schüler mit bereits

angewandtem Material verständlich arbeiten können. Nichtsdestotrotz ist es absolut

notwendig, die Klassen ausreichend mit qualifizierten Arbeitsmitteln und Materialien zu

versorgen.

„Die Tendenz, quantitative Vorstellungen und geschriebene Symbole nicht genügend

zu vernetzen, scheint ein Haupthindernis, ein Stolperstein in der Schulmathematik, zu sein“

(Gerster & Schultz, 2004, S. 41). Deshalb sollten die verschiedenen Handlungsformen (mit

Objekten, mit Bildern und Graphiken, mit Symbolen) im Prozess der Aneignung von

Rechenfertigkeiten nicht nacheinander abgearbeitet, sondern miteinander verzahnt und als

gleichwertig verstanden werden. So kann sichergestellt werden, dass die Kinder den

Zusammenhang zwischen allen drei Formen besser begreifen können.

Die Lehrer müssen darin geschult werden, den eigenen Unterricht wie auch das

Lernverhalten der Schüler differenziert zu reflektieren. Ihr didaktisch-methodisches

Repertoire ist so auszubauen, dass es einem differenzierten Mathematikunterricht gerecht

werden kann. Denn „Differenzieren und Fördern ist in den ersten beiden Grundschuljahren

und in der Unterstufe der Sonderschule besonders wichtig und im Hinblick auf das Lernen

in den späteren Schuljahren besonders effektiv“ (Nestle, 2004, S. 47). Gerade

differenzierte Lernangebote und individuelle Lernbeobachtungen sind aber in großen

Klassen nahezu unmöglich. Deshalb sollte die Klassenstärke maximal 20 Schüler betragen.

Ein weiteres wichtiges Problemfeld im Zusammenhang mit leistungsschwachen

Schülern stellen die Leistungsbewertungen dar. „Schlechte Beurteilungen und schlechte

Noten vor allem in Deutsch und Mathematik haben meist verheerende Auswirkungen auf

die Kinder. Sie entmutigen und zerstören das Selbstbewusstsein, das Interesse am

Unterricht und die Lernmotivation“ (Nestle, 2004, S. 43). Beurteilungen erfolgen in der

Regel ergebnisorientiert, d.h. es wird nach falschen und richtigen Ergebnissen geschaut.

Zensuren stellen damit lediglich stofforientierte Leistungsnormen dar und haben bezüglich

der Entwicklung rechenschwacher Kinder kaum Aussagekraft, da sich ihre Noten auch

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nicht verbessern, wenn sie Fortschritte gemacht haben, da sie dem Schulstoff dennoch

drastisch hinterherhinken. Deshalb ist es neben den eindeutig lösbaren Aufgaben mit

entweder richtigen oder falschen Ergebnissen unbedingt erforderlich, offene Aufgaben zu

stellen und die individuelle Leistung der Kinder zu beachten. Auch ein rechenschwaches

Kind wird nicht alle Aufgaben komplett falsch bearbeiten, auch wenn die Ergebnisse

allesamt falsch sind. Bemühungen und korrekte Denkansätze müssen vom Lehrer honoriert

werden, um dem Kind Mut zu machen und es nicht in einem Selbstbild des kompletten

Versagens zu belassen.

5.4. Hilfen durch die Eltern

„Eltern können ihren Kindern nur helfen, wenn sie das Problem ihres Kindes in

seiner Tragweite verstehen und akzeptieren, sowie einen gewissen Abstand dazu aufgebaut

haben. Druck, Frustration und schlechtes Gewissen gefährden eine erfolgreiche

Zusammenarbeit“ (Bundesverband für Legasthenie und Dyskalkulie e.V., o.J.). Eltern

sollten im Sinne ihrer Kinder sehr genau einschätzen, ob sie sich als (Co)-Therapeuten

eignen. Dazu müssen sie nicht nur die notwendige Zeit aufbringen und Kenntnis von der

Materie bzw. die Möglichkeit, sich diese zu beschaffen, haben. Sie müssen auch über die

Energie verfügen, eine in der Regel berufsfremde Pflicht zu übernehmen. Und sie müssen

Geduld mit dem eigenen Kind haben, was in einer solchen zeitaufwendigen, belastenden

Übungssituation nicht leicht ist. Gleichzeitig muss die Eltern-Kind-Beziehung stabil genug

sein, um die Belastung einer (therapeutischen) Lernsituation unbeschadet zu überstehen.

Es ist nicht notwendig, dass unbedingt die Eltern Übungen zu Hause mit dem Kind

durchführen. Oftmals ist es sogar besser, diese Aufgabe ganz in die Hände Außenstehender

zu legen, vor allem, wenn die mathematischen Schwierigkeiten bereits seit längerer Zeit

existieren, die Geduld der Eltern durch die Hausaufgabensituation überstrapaziert worden

ist, die Eltern aus Schuldgefühlen heraus mit dem Kind üben wollen oder die

Leistungsmotivation des Kindes erschöpft ist.

Unabhängig davon, ob Eltern sich dafür oder dagegen entscheiden, (täglich) mit

ihrem Kind zu Hause zu üben, gehört es zweifelsfrei zu den elterlichen Pflichten, dem

Kind in der Familie Rückhalt und Zuwendung zu geben, es wertzuschätzen sowie ihm zu

zeigen, dass es geliebt und angenommen wird, egal, ob es in Mathematik gravierende

Schwierigkeiten hat oder nicht. Misserfolge dürfen nicht fokussiert werden, damit dem

Kind das Gefühl ständigen Versagens genommen wird. Es ist wichtig, dem Kind seine

Dyskalkulie zu erklären, Vorurteile (z.B. Wer Mathematik nicht kann, ist dumm.)

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auszuräumen und realistische Erfolgsaussichten aufzubauen. Die Eltern sollten sich

gemeinsam mit dem Kind an Erfolgen und Stärken des Kindes orientieren, um ihm ein

neues Selbstvertrauen und die Fähigkeit, selbstbewusst mit seiner Dyskalkulie umzugehen,

zu geben.

Ein unterstützendes, liebe- und verständnisvolles Elternhaus ist der beste Garant

dafür, dass sich das Kind trotz seiner Rechenschwäche in seiner Persönlichkeit optimal

entwickeln kann. Dazu gehört auch, dass die Eltern sich in der Schule für das Kind stark

machen, das Gespräch mit den Lehrern suchen und Hilfen für das Kind einfordern, um

diesem die Lernsituation zu erleichtern. So können z.B. Sonderregelungen für die

Hausaufgaben wie eine Zeitlimit vereinbart werden oder dass das Kind nur freiwillig zum

Vorrechnen an die Tafel geht. Wenn die Hilfen in der Schule (z.B. Förderunterricht) nicht

ausreichend sind, dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn die Rechenschwäche

bereits längere Zeit persistiert, sollten Eltern sich natürlich um eine außerschulische

Therapie in einem auf Rechenschwäche spezialisierten Lerntherapieinstitut bemühen, um

dem Kind die Möglichkeit zu geben, den Prozess des Mathematiklernens noch einmal von

vorn zu beginnen, grundlegende Verständnisprobleme aus der Welt zu schaffen und

schließlich den Anschluss an den Schulstoff zu erreichen.

5.4.1. Was Eltern unterlassen sollten

Es gibt einige Dinge, die Eltern im Interesse ihres rechenschwachen Kindes lieber

unterlassen sollten, auch wenn sie es im Grund genommen nur gut meinen (vgl. Hoffmann

et al., 1999).

Zum einen sollten sie sich nicht zu sehr an der Mathematiknote orientieren. Auch

wenn Mathematik zu den Kernfächern gehört und für den Schulerfolg ausschlaggebend

sein kann, sollte der Fokus nicht allein auf der Zensur liegen. Die Kinder werden lediglich

unter Druck gesetzt, ohne dass ihnen damit geholfen wäre, über die mathematischen

Schwierigkeiten hinwegzukommen. Die Note gibt keine Auskunft über die tatsächliche

Leistung des Kindes, weswegen es viel wichtiger ist, sich das mathematische Verständnis

des Kindes an einzelnen Aufgaben zu verdeutlichen anstatt lediglich nach richtigen oder

falschen Ergebnissen zu unterscheiden. Außerdem schlagen sich Leistungsverbesserungen

rechenschwacher Kinder in der Regel erst bedeutend später in der Zensur nieder, da sie,

bevor sie den aktuellen Schulstoff erfolgreich bearbeiten und bessere Noten bekommen

können, erst die Grundlagen verstehen müssen.

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Deshalb ist es auch von enormer Wichtigkeit, dass die Eltern das Bemühen und nicht

die Lösungen der Kinder honorieren, denn in der Regel wollen rechenschwache Kinder

Mathematik verstehen und strengen sich mächtig an, um gute Noten zu bekommen – und

sei es „nur“, um den Eltern zu gefallen. Eltern dürfen sich nicht dazu hinreißen lassen,

unbedacht zu schimpfen, z.B. wenn die Hausaufgaben wieder Stunden gedauert oder die

Kinder am nächsten Tag schon wieder alles „vergessen“ haben, was am Tag zuvor mit

großer Anstrengung geübt wurde. „In jedem Fall mögen Eltern sich hüten, die psychische

Wirkung einer schlechten Schulnote zu verstärken“ (Hoffmann et al., 1999, S. 78). Die

pädagogische Absicht, die hinter dem Schimpfen über schlechte Zensuren steht, kann an

dieser Stelle keine Wirkung haben, weil das rechenschwache Kind für sein Scheitern nichts

kann, da ihm fundamentale mathematische Einsichten fehlen, ohne die der weiter

fortgeschrittene Schulstoff nicht erfolgreich bearbeitet werden kann. Es ist ja auch nicht so,

dass das Kind dumm wäre, oft ist das genaue Gegenteil der Fall. Genauso dürfen Eltern

sich nicht dazu verleiten lassen, mit uneinsehbaren Konsequenzen zu drohen, z.B. dass das

Kind nur diesen oder jenen Beruf ausüben können wird, wenn es in Mathematik nicht

endlich besser würde. An dieser Stelle wird eindeutig die Wirkung der Drohung verfehlt,

weil das Kind den Zusammenhang zwischen seinen Schulleistungen und bestimmten

Berufen bzw. anderen Konsequenzen, die nur Erwachsenen aufgrund ihrer

Denkentwicklung klar sind, oft gar nicht erfassen kann.

Wenig förderlich für die kindliche Motivation, sich trotz schlechter Noten und einem

ständigen Versagen in Mathematik, mit diesem Fach weiter zu beschäftigen, ist die

Androhung von Sanktionen, z.B. Fernsehverbot, Verordnung zusätzlichen Übens oder

Stubenarrest. Denn das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Wenn das Kind erlebt, dass

es positive Dinge, wie z.B. seine Aktivität im Verein, nur erreichen kann, wenn es noch

mehr Mathe paukt, wird es sich zwar anstrengen, auch wenn der nötige Erfolg ausbleibt,

aber dieses Fach noch mehr hassen und womöglich eine allgemeine Schulunlust

entwickeln. Außerdem ist es bei rechenschwachen Kindern so, dass viel üben nicht

unbedingt viel hilft. Eltern üben eher oft zu viel mit ihren Kindern. Durch die

Erfolglosigkeit dieses Übens wird jedoch nur die Eltern-Kind-Beziehung, Kinderwille und

-motivation und das Selbstvertrauen des Kindes strapaziert. Letzen Endes hält das Kind

sich selbst für unbegabt und dumm, was der Verbesserung mathematischer Leistungen nur

kontraproduktiv sein kann.

Eltern sollten sich davor hüten, eine mangelnde Willensbereitschaft ihrer Kinder,

Mathematik zu lernen, anzunehmen. Sicherlich kommen rechenschwache Kinder

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irgendwann an den Punkt, an dem sie nicht mehr wollen, doch in der Regel stellt sich der

Zusammenhang so dar, dass sie nicht mehr wollen, weil sie nicht können, weil sie keine

Lust haben, ohne sichtbaren Erfolg zu pauken, weil sie sich einfach hilflos fühlen. Ähnlich

sieht es mit der scheinbaren Konzentrationslosigkeit aus, mit der rechenschwache Kinder

Mathematikaufgaben bearbeiten. Eltern machen diese für den Misserfolg verantwortlich.

Sicher gibt es rechenschwache Kinder, bei denen tatsächlich eine Konzentrationsschwäche

vorliegt, doch diesen kann mit entsprechenden Trainingsprogrammen (vgl. Krowatschek et

al., 2004; Lauth & Schlottke, 2002) geholfen werden. Ansonsten erscheint das

rechenschwache Kind lediglich konzentrationslos, „weil es nicht weiß, worauf es seine

Konzentration eigentlich richten soll“ (Hoffmann et al., 1999).

5.4.2. Tipps für die Übungssituation zu Hause

Wenn Eltern sich dafür entscheiden, mit dem Kind zu Hause zu üben, sollte

selbstverständlich eine Absprache mit dem Fachlehrer (bzw. wenn Förderunterricht

gegeben wird, auch mit dem Förderlehrer) sowie bei Durchführung einer außerschulischen

Einzelfalltherapie mit dem Therapeuten erfolgen. Denn ein unkoordiniertes Üben mit

unterschiedlichen Materialien, Instruktionen und Erklärungen wird das Kind mehr

verwirren als dass es ihm hilft. Darüber hinaus gibt es einige Tipps, wie Eltern und Kind

sinnvoll miteinander üben und dadurch die Erfolgsaussichten verbessern können

(Bundesverband für Legasthenie und Dyskalkulie e.V., o.J.; Hettwer, 2003; Hoffmann et

al., 1999):

eine entspannte, angstfreie Situationen für Übungsprozesse schaffen,

die tatsächlichen Defizite des Kindes erkennen,

die kindlichen Denkvorgänge/die subjektive Mathematikwahrnehmung des

Kindes nachvollziehen,

die Bedeutung einer Aufgabe und den Rechenweg ausführlich besprechen,

das Kind beim Rechnen laut denken lassen,

beim Erklären auf sprachliche Formulieren achten und ggf. Wortwahl wechseln,

zwischen den Übungen und nach dem Üben über das Geübte verbalisieren,

von der Wiedergabe persönlicher Enttäuschung und Betroffenheit absehen,

Eselsbrücken vermeiden,

vorhandenes Wissen nutzen/mit Aufgaben, die das Kind beherrscht, beginnen,

praktische Rechenanlässe anbieten,

Geduld bewahren

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nicht über mangelnden Willen oder ungenügende Konzentration schimpfen,

in überschaubaren Stoff- und Zeiteinheiten lernen,

bei der besseren Organisation des Lernens helfen,

Farben zum Hervorheben, Strukturieren und Kennzeichnen verwenden,

üben, sauber zu schreiben,

Aufgabenstellungen durch das Kind mit eigenen Worten wiederholen lassen, um

Aufgabenverständnis sicherzustellen,

alle Sinneskanäle nutzen (Sehen, Hören, Sprechen, Schreiben),

neben konkreten Rechenfertigkeiten auch basale Funktionen der Wahrnehmung

trainieren, z.B. Gedächtnis, auditive und visuelle Wahrnehmung,

gleichbleibende Anschauungsmaterialien sparsam verwenden, z.B. Zahlen- und

Mengenbilder für die Veranschaulichung von Vergleichen und

Rechenoperationen sowie

regelmäßig die mathematischen Grundsystematiken, den Aufbau der Zahlen, das

Aufstellen von Zahlenreihen, das Einmaleins und die räumliche Erfassung von

Zahlen (z.B. Nachbarn, Schätzen, Größer-/Kleiner-Relationen) trainieren.

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6. Fazit – Auf dem Weg zur Prävention einer Rechenschwäche

Bereits im Vorschulalter entwickeln Kinder sich speziell im kognitiven Bereich

rasant (vgl. Kap. 3.1). Hier werden unter anderem die Grundlagen für die Herausbildung

mathematischer Fertigkeiten in der Grundschule gelegt (vgl. Kap. 3.2), sodass der

vorschulischen Bildung und Erziehung ein großer Stellenwert in der Prävention von

Lernstörungen zukommt. Die Schaffung der basalen Voraussetzungen in Bedeutung der

Sinnesfunktionen sowie die Entwicklung der Vorläuferfunktionen mathematischen

Denkens, der sogenannten pränumerischen Fähigkeiten, liegen von der Natur des Kindes

aus im vorschulischen Bereich (vgl. Stendler-Lavatelli, 1976), weswegen Defizite in

diesen Bereichen Aufschluss über das Risiko der Herausbildung einer Rechenschwäche in

der Grundschule geben (vgl. Kap. 4). Eine mathematische Lernstörung selbst kann erst in

der Schule diagnostiziert werden (vgl. Kap. 2), wenn das Kind den Lernanforderungen der

ersten Schuljahre nicht gerecht werden kann. Trotzdem muss und darf eine Förderung

nicht erst im Schulalter beginnen. Auf die Früherkennung von Störungen des

mathematischen Lernprozesses hin sollte eine (präventive) Förderung schon in der

Vorschulzeit, z.B. im Kindergarten, erfolgen (vgl. Kap. 5.1). An dieser Stelle kommt der

vorschulischen Bildungsarbeit große Bedeutung zu, da es sinnvoll erscheint, alle Kinder an

einem strukturierten Bildungsprogramm teilhaben zu lassen. Auf diese Art und Weise

können vorschulische Defizite verhindert bzw. gemindert und annähernd gleiche

Zugangsvoraussetzungen beim Schuleintritt für alle Kinder geschaffen werden, was letzten

Endes die Schulbildung effektiver gestalten würde. Außerdem kann, wenn

Lernschwierigkeiten im Vorschulalter bzw. im 1. Schuljahr früh erkannt werden, durch

eine Frühförderung im Rahmen des Kindergartens bzw. durch Hilfen im mathematischen

Anfangsunterricht (vgl. Kap. 5.2, Kap. 5.3) ein großer Beitrag zur frühzeitigen

Überwindung der (potentiellen) Rechenschwäche geleistet werden. Dadurch können nicht

nur separate zeit- und finanzaufwendige Therapien umgangen werden, das Kind wird vor

allem psychisch entlastet, entwickelt keine komorbiden Störungen wie Schulunlust und

wird auf seinem Weg der gesunden Persönlichkeitsentwicklung nicht behindert (vgl. Kap.

2.2). Hat sich eine Rechenschwäche ersteinmal verfestigt, ist der Weg hin zu einer

normalen psychischen Entwicklung des Kindes zwar nicht unmöglich, aber doch schwer.

Deshalb gilt: Früherkennung, Prävention und Frühförderung sollten im Bereich der

kindlichen Denkentwicklung und der schulischen Fertigkeiten oberstes Gebot sein.

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