Mazzetti, Mark - Killing Business - Irwish

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Transcript of Mazzetti, Mark - Killing Business - Irwish

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Die wichtigsten Personen

Prolog: Der andere Krieg

1. Genehmigung zum Töten

2. Eine Ehe zwischen Spionen

3. Meuchelmörder

4. Rumsfelds Spione

5. Der böse Vogel

6. Ein wahrer Paschtune

7. Konvergenz

8. Stellvertreterkriege

9. Der Stützpunkt

10. Spiele ohne Grenzen

11. Der Alte kehrt zurück

12. Die Schneide des Skalpells

13. Der Run auf Afrika

14. Wieder frei

15. Der Doktor und der Scheich

16. Feuer vom Himmel

Epilog: Ein Spion im

Rentnerparadies

Dank

Bildanhang

Zu den Quellen

Anmerkungen

Bibliografie

Bildnachweis

Register

Mehr über unsere Autoren und Bücher:www.berlinverlag.de

Für Lindsay und Max

Übersetzung aus dem Amerikanischen vonHelmut Dierlamm und Thomas Pfeiffer

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Berlin Verlagerschienenen Buchausgabe1. Auflage 2013

Die Originalausgabe erschien 2013 unter demTitelThe Way of the Knife bei Penguin Press, NewYorkCopyright © Mark Mazzetti, 2013

All rights reserved

Für die deutsche Ausgabe© Berlin Verlag in der Piper Verlag GmbH, Berlin2013Alle Rechte vorbehaltenUmschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur,MünchenDatenkonvertierung: Greiner & Reichel, KölnISBN 978-3-8270-7687-8

VORWORT ZURDEUTSCHEN AUSGABE

Der Hörsaal der National DefenseUniversity in Washington, D.C. warbrechend voll, als Präsident BarackObama an einem Tag Ende Mai2013 das bekannt gab, was dasWeiße Haus einen maßgeblichenKurswechsel in der Führung vonAmerikas geheimenSchattenkriegen nannte. Der Druckauf den Präsidenten, imZusammenhang mit dem

Drohnenkrieg für Transparenz zusorgen und die Verantwortlichkeitenoffen zu legen, war permanentgestiegen. Es ging um eben jenenKrieg, den er persönlich in seinerAmtszeit beträchtlich ausgeweitethatte und den er hinter einemSchleier der Geheimhaltungweiterhin betrieb. In den Wochenvor der Rede hatten Offizielle desWeißen Hauses verlauten lassen,die CIA wolle sich ganz aus demKilling Business zurückziehen unddiesen Bereich vollständig demMilitär übertragen. Die Zeit sei reif,

hieß es, um endlich Ordnung zuschaffen bei diesem unbedachtenExperiment, das schon mehr alszehn Jahre andauerte.

»Amerika steht an einemScheideweg«, erklärte Obama inseiner Ansprache vom 23. Mai. Dergrenzenlose Krieg gegen denTerrorismus müsse eines Tages einEnde finden.« Dieser Krieg muss,wie alle Kriege, enden«, verkündeteer. »Das ist es, was uns dieGeschichte lehrt. Das ist es, was dieDemokratie von uns verlangt.«

Doch die Realität hinter der

erhabenen Rhetorik sah düstereraus. Es würde keine grundlegendeRevision der geheimen Kriegführunggeben, nur marginale Änderungenund das vage Versprechen auf einekonsequentere Reform irgendwannin der Zukunft. So hatte sich dieObama-Regierung etwaentschieden, paralleleDrohnenkriege der CIA und desPentagon im Jemen zu beendenund die Operationen schrittweisevollends dem Militär zuüberantworten. Aber derDrohnenstützpunkt der CIA in der

südlichen Wüste Saudi-Arabiensexistiert noch immer, undamerikanische Offizielle habenbisher mit keiner Silbe erklärt, wanngenau die CIA mit ihrenTötungsaktionen im Jemenaufzuhören gedenke.

In Pakistan bleibt die CIAweiterhin federführend bei gezieltenTötungsoperationen, und dieRegierung Obama plantkeineswegs, dies zu ändern,solange amerikanische Truppen imNachbarland Afghanistan stationiertsind. Die Zuständigkeit der CIA in

Pakistan lässt dem Weißen Hausauch zukünftig freie Hand bei derDurchführung der umstrittenensogenannten »signature strikes« –Drohnenangriffen, die nur aufVerhaltensmustern von Personenberuhen und ohne genaue Kenntnisder Identität der Ziele angeordnetwerden.

Weniger als eine Woche nachObamas Rede feuerten CIA-Drohnen eine Raketensalve auf einHaus in Miranshah, demgeschäftigen Zentrum der ProvinzNord-Waziristan. Bei dem Angriff

wurden fünf Personen getötet,darunter Wali ur-Rehman, der Vize-Kommandeur der pakistanischenTaliban.

Auch das Versprechen aufgrößere Transparenz ist bisher nichteingelöst worden: In den Wochennach Obamas Ansprache kam es zueiner Reihe weitererDrohnenschläge in Pakistan. Inallen Fällen verweigerten sowohldas Weiße Haus wie auch diepakistanische Regierung jedeAuskunft darüber, was tatsächlichgeschehen war.

Mark Mazzetti, im Juli 2013

DIE WICHTIGSTENPERSONEN

Central Intelligence Agency (CIA)

Charles Allen, Assistant Director,Collection, 1998–2005J. Cofer Black, Director,Counterterrorist Center (Zentrumfür Terrorismusbekämpfung, CTC),1999–2002Dennis Blair, Associate Director,Military Support, 1995–1996;Director of National Intelligence,

2009–2010Richard Blee, Chef von Alec Station(Bin-Laden-Abteilung des CTC),1999–2001William Casey, CIA-Direktor, 1981–1987Duane »Dewey« Clarridge, CIA-Führungsoffizier, Gründer des CTCRaymond Davis, CIA-Mitarbeiter,2011 in Pakistan verhaftetPorter Goss, CIA-Direktor, 2004–2006Robert Grenier, CIA-Stationschef,

Islamabad, 1999–2002; Direktordes CTC, 2004–2006*Michael Hayden, CIA-Direktor,2006–2009Stephen Kappes, StellvertretenderCIA-Direktor, 2006–2010Art Keller, Führungsoffizier inPakistan, 2006Mike**, Direktor des CTC, seit 2006Ross Newland, Führungsoffizier inLateinamerika und Osteuropa;später Spitzenbeamter im CIA-Hauptquartier

Leon Panetta, CIA-Direktor, 2009–2011James Pavitt, Deputy Director,Operations, 1999–2004David Petraeus, CIA-Direktor,2011–2012; Kommandeur desUnited States Central Command,2008–2010Enrique Prado, CIA-Beamter imCTC, später bei BlackwaterJose Rodriguez, Direktor des CTC,2002–2004; DeputyDirector, Operations, 2004–2007George Tenet, CIA-Direktor, 1997–

2004

Streitkräfte

Robert Andrews, Acting AssistantSecretary of Defense for SpecialOperations and Low-IntensityConflict, 2001–2002Stephen Cambone, Under Secretaryof Defense for Intelligence, 2003–2007Michael Furlong, Beamter desVerteidigungsministeriums imBereich US-freundliche Information,

anschließend Gründer und Leitereines privatenSpionageunternehmensRobert Gates,Verteidigungsminister, 2006–2011(CIA-Direktor von 1991–1993)General Stanley McChrystal,Kommandeur des Joint SpecialOperations Command (JSOC),2003–2008Admiral William McRaven,Kommandeur des JSOC, 2008–2011Admiral Michael Mullen,Vorsitzender des Vereinigten

Generalstabs, 2007–2011Thomas O’Connell, AssistantSecretary of Defense for SpecialOperations and Low-IntensityConflict, 2003–2006Leon Panetta,Verteidigungsminister, 2011–2013Donald Rumsfeld,Verteidigungsminister, 2001–2006

Weißes Haus

John Brennan, StellvertretenderNationaler Sicherheitsberater für

Innere Sicherheit und Anti-Terrorismus und Berater desPräsidenten, 2009–2013Richard Clarke, Koordinator derTerrorismusbekämpfung, 1998–2001

Pakistan

Shakil Afridi, pakistanischer Arzt,von der CIA als Informant engagiertGeneralleutnant Mahmud Ahmed,Generaldirektor des Inter-ServicesIntelligence (ISI), 1999–2001

Generalleutnant Ali Jan Aurakzai,pakistanischer Militärkommandeur,verantwortlich für die Operationenin den Federally Administered TribalAreas (Stammesgebiete unterBundesverwaltung, FATA)Raymond Davis, Geheimagent derCIA, 2011 in Lahore verhaftetGeneralleutnant Ehsan ul-Haq,Generaldirektor des ISI, 2001–2004Jalaluddin Haqqani, Führer eineskriminellen Netzwerks in denpakistanischen Stammesgebieten,verantwortlich für Angriffe gegen

amerikanische Truppen inAfghanistanGeneral Ashfaq Parvez Kayani,Generaldirektor des ISI, 2004–2007; Generalstabschef der Armeeseit 2007Baitullah Mehsud, Führer derpakistanischen Taliban nach demTod von Nek Muhammad WazirBrigadegeneral Asad Munir, ISI-Stationschef in Peschawar, 2001–2003Cameron Munter, Botschafter derVereinigten Staaten in Islamabad,

2010–2012Generalleutnant Ahmad ShujaPasha, Generaldirektor des ISI,2008–2012Hafiz Muhammad Saeed, Führer vonLashkar-e-Taiba (»Armee derReinen«)Nek Muhammad Wazir, Führer derTaliban in den pakistanischenStammesgebieten

Jemen

Ibrahim al-Asiri, wichtigster

Bombenbauer von al-Qaida auf derArabischen Halbinsel (AQAP)Abdulrahman al-Awlaki, Sohn vonAnwar al-AwlakiAnwar al-Awlaki, radikaler Predigerund Mitglied der AQAP,amerikanischer StaatsbürgerAli Abdullah Saleh, Staatspräsident,1990–2012

Somalia

Aden Hashi Farah Ayro, frühererFührer von al-Shabaab

Scheich Hassan Dahir Aweis, Führerder Union islamischer GerichteMichele »Amira« Ballarin,amerikanische Geschäftsfrau undRegierungsbeauftragteSaleh Ali Saleh Nabhan,kenianisches Mitglied derostafrikanischen Zelle von al-Qaida,getötet 2009Alliance for the Restoration ofPeace and Counter-Terrorism(Allianz für die Wiederherstellungdes Friedens und gegen denTerrorismus, ARPCT), Gruppe CIA-

finanzierter somalischer Warlordsal-Shabaab (»Die Jugend«),bewaffneter Arm der Unionislamischer Gerichte

* Das CTC wurde 2005 in Counterterrorism Centerumgetauft.

** Mike ist bis heute im aktiven Dienst und seineIdentität geheim. Deshalb wird hier nur derVorname angegeben.

PROLOG

DER ANDERE KRIEG

»Gute Arbeit für den Nachrichtendienst,hatte Control immer gepredigt, sei

Schritt für Schritt und auf die sanfte Tourzu erledigen. Die Skalpjäger waren die

Ausnahme von seiner eigenen Regel. Siearbeiteten weder Schritt für Schritt noch

auf die sanfte Tour …«John le Carré, Dame, König, As, Spion

Die pakistanischen Polizisten

führten den bulligenamerikanischen Spion in einüberfülltes Verhörzimmer. Über dasGeklingel der Handys und dasStimmengewirr aus Urdu, Punjabiund Englisch hinweg versuchte derfür den Amerikaner zuständigeErmittler die grundlegenden Faktenzu klären.

»Amerika. Sie sind ausAmerika?«

»Ja.«»Sie sind aus Amerika und

gehören zur amerikanischenBotschaft?«

»Ja«, übertönte die besorgteStimme des Amerikaners den Lärm.

»Mein Pass, ich hab ihn demPolizisten dort gezeigt … Ich weißnicht, wo er ist. Er istverschwunden.«

Auf der verwackeltenVideoaufnahme vom Verhör greiftDavis unter sein kariertesFlanellhemd und zieht ein ganzesBündel von Ausweisen hervor, dieer an einem Band um den Halsträgt. Die ID-Karten gehörten zuden wenigen Dingen, die ihm nachder chaotischen Szene auf der

Straße noch geblieben waren.»Das ist ein alter Ausweis. Aus

Islamabad.« Er zeigte ihn demMann hinter dem Schreibtisch. Dannstreckte er ihm einen neuerenentgegen, der ihn als Mitarbeiterdes amerikanischen Konsulats inLahore identifizierte.

Ein Telefon klingelte; einer derBeamten griff nach dem Hörer undfertigte den Anrufer kurz ab. »Wirhaben einen Mann von derBotschaft festgenommen. Ich rufeSie zurück.« Das Verhör gingweiter.

»Sie arbeiten für dasGeneralkonsulat in Lahore?«

»Ja.«»Als was?«»Als … als Berater.«»Berater?« Der Mann hinter dem

Schreibtisch klang unverkennbarskeptisch. Er machte einen MomentPause, dann fragte er einenanderen Beamten auf Urdu: »Undwie war der Name?«

»Raymond Davis«.»Raymond Davis, genau«,

bestätigte der Amerikaner. »Kannich mich setzen?«

»Ja, natürlich«, antwortete derBeamte. »Wollen Sie Wasser?«

»Haben Sie eine Flasche?«,fragte Davis. »Eine Flasche mitWasser?«

Ein anderer Polizist im Raumlachte. »Sie wollen Wasser?«,fragte er. »Kein Geld, kein Wasser.«

In diesem Moment betrat einweiterer Polizist hinter Davis denRaum. Ob es schon etwas Neuesgebe, wollte er wissen.

»Versteht er alles? Und er hatgerade zwei Menschenumgebracht?«

Ein paar Stunden zuvor hatteRaymond Allen Davis, einst Star imFootball- und Ringerteam seinerHighschool in West Virginia, späterGreen Beret bei der US-Army,danach eine Zeitlang Söldner für dieprivate Sicherheitsfirma BlackwaterUSA und nun Geheimagent der CIAin Pakistan, seinen massigen Körperin den Fahrersitz eines weißenHonda Civic gequetscht und dasAuto durch den dichten Verkehr vonLahore manövriert. Die einst vonden Moguln, dann von den Sikhsund schließlich von den Briten

beherrschte Stadt ist die kulturelleund intellektuelle MetropolePakistans, und sie gehört seit guteinem Jahrzehnt zum Randgebietdes geheimen Kriegs, den die USAin Pakistan führen.

Bis 2011 hatte sich die Landkarteder islamistischen Militanz inPakistan jedoch deutlichverschoben. Rebellengruppen, diezuvor kaum Kontakt miteinanderhatten, schmiedeten neueBündnisse, um den Drohnenkriegder CIA in den BergenWestpakistans zu überstehen.

Gruppen, die ihre Kräfte bisdahin vor allem auf die Planung vonblutigen Anschlägen gegen Indienkonzentriert hatten, näherten sichimmer mehr der al-Qaida undanderen Organisationen an, die denglobalen Dschihad propagierten.Einige dieser Gruppen waren inLahore stark verwurzelt, unddeswegen hatten Raymond Davisund ein CIA-Team in einem SafeHouse eine Operationsbasiseingerichtet.

Nun jedoch saß Davis auf einemPolizeirevier in Lahore, weil er zwei

junge Männer erschossen hatte. Siehatten sich auf einem schwarzenMotorrad mit gezogenen Waffenseinem Wagen genähert, als er aufeiner von Autos, Fahrrädern undRikschas verstopften Straßedahinschlich. Davis jagte mit seinerhalbautomatischen Glock eineHandvoll Kugeln durch diesplitternde Windschutzscheibe undtraf den einen Mann in den Bauch,in den Arm und an weiteren Stellen.Der zweite wollte davonrennen,aber Davis stieg aus und schoss ihmmehrmals in den Rücken.

Danach funkte er dasamerikanische Konsulat um Hilfean, und Minuten später kam einToyota Land Cruiser in Sicht, dereine Einbahnstraße gegen dieFahrtrichtung entlangraste. Dochder Toyota erfasste einen jungenpakistanischen Motorradfahrertödlich und raste wieder davon. UmDavis herum waren einige rechtbizarre Utensilien verstreut,darunter eine schwarze Maske,hundert Patronen und ein StückTuch mit aufgedruckteramerikanischer Flagge. Auf der

Kamera in Davis’ Wagen warenheimlich aufgenommene Fotos vonpakistanischen Militäreinrichtungengespeichert.

Wenige Tage nach dem Debakelbelog der Direktor der CIA den Chefdes pakistanischen Geheimdienstssowohl bei einem Telefongesprächals auch bei einem persönlichenTreffen, indem er bestritt, dassDavis für die CIA arbeitete.Präsident Barack Obama ließ aufeiner Pressekonferenz im Unklaren,welche Rolle Davis in Pakistangespielt hatte, und forderte die

Freilassung »unseres Diplomaten inPakistan«. Der CIA-Stationschef vonIslamabad, der nur wenige Tagevor der Schießerei in Pakistanangekommen war, hatte einenoffenen Konflikt mit demamerikanischen Botschafter inPakistan, denn er bestand darauf,dass die Vereinigten Staatenkeinerlei Zugeständnisse oderTauschgeschäfte machten, umDavis freizubekommen. Das Spiel inPakistan habe sich geändert, sagteer. Die Zeit der freundlichenBeziehungen zwischen der CIA und

dem pakistanischen Geheimdienstsei vorbei.

Von jetzt an würde man nachden Moskauer Regeln verfahren,dem ungeschriebenen, gnadenlosenGesetz, das bei der Spionage imKalten Krieg gegolten hatte.

Die ganze blutige Affäre schienauf einen Schlag sämtlicheVerschwörungstheorien zubestätigen, die in Pakistan sowohlim Gewühl der Basare als auch inden Korridoren der Machtkursierten. Demnach hätten dieUSA eine riesige Geheimarmee

nach Pakistan geschickt, Männer,die im Rahmen eines geheimenamerikanischen Kriegs Chaos undVerderben brächten. In der festenÜberzeugung, dass der Mörder ihresMannes niemals zur Rechenschaftgezogen würde, schluckte die Fraueines von Davis’ Opfern einetödliche Dosis Rattengift.

Doch der Davis-Skandal erzähltnoch eine größere Geschichte. Derfrühere Green Beret, den die CIA fürdie Menschenjagd in Pakistanengagiert hatte, war das neueGesicht eines amerikanischen

Geheimdiensts, der sich angesichtsvon Konflikten, die weit entferntvon erklärten Kriegszonenstattfanden, verändert hatte. DieCentral Intelligence Agency istheute kein traditionellerGeheimdienst mehr, der anderenStaaten ihre Geheimnisse stiehlt,sie ist zu einer Tötungsmaschinegeworden, einer Organisation, diesich vollends der Menschenjagdverschrieben hat.

Aber nicht nur die CIA hat sichverändert. Während sie immermehr Aufgaben übernahm, die

traditionell dem Militär zugeordnetwerden und bei denen sich Spionein Soldaten verwandeln, passiertebeim amerikanischen Militär dasGegenteil: Es wurde in dieGrauzonen der amerikanischenAußenpolitik hineingezogen undführt heute mitKommandoeinheitenSpionageeinsätze durch, denenWashington in den Jahren vor dem11. September 2001 nicht einmalim Traum zugestimmt hätte. Vordem Terrorangriff betrieb dasPentagon kaum Spionage mit

menschlichen Quellen – und die CIAwar nicht befugt, Menschen zutöten. Danach jedoch haben beideInstitutionen viel von dem getan,was sie vorher nicht taten. Und esist ein militärisch-geheimdienstlicher Komplexentstanden, mit dem eine neueamerikanische Art des Kriegsgeführt wird.

Die historischen Konturen derKriege in Afghanistan und im Iraksind inzwischen wohlbekannt. Aberseit mehr als einem Jahrzehnt wirdparallel dazu ein weiterer Krieg

geführt, ein dunkles Spiegelbild der»großen Kriege«, die Amerika nachden Angriffen des 11. Septemberbegann. In einem auf dem ganzenErdball geführten Schattenkriegverfolgen die USA ihre Feinde mitKillerdrohnen undSpezialeinsatzkräften. Sie bezahlenPrivatunternehmen, damit diesegeheime Spionagenetzwerkeaufbauen, und sie stützen sich auflaunische Diktatoren,unzuverlässige ausländischeGeheimdienste und buntzusammengewürfelte

Stellvertreterarmeen. In Regionen,wo sie keine Bodentruppeneinsetzen können, haben plötzlichseltsame Figuren das Sagen. Soführte ein kettenrauchenderPentagonbeamter zusammen miteinem CIA-Mann, der bei der Iran-Contra-Affäre eine gewisse Rollegespielt hatte, eine geheimeSpionageoperation in Pakistandurch, und eine reiche Erbin ausdem ländlichen Virginia entwickelteeine Obsession für Somalia undüberzeugte das Pentagon, sie dortbei der Jagd auf Qaida-Kämpfer zu

unterstützen.Der Krieg hat sich auf mehrere

Kontinente ausgedehnt, von denBergen Pakistans bis zu den Wüstendes Jemen und Nordafrikas, vondem von Stammeskriegenzerrissenen Somalia bis zumundurchdringlichen Dschungel derPhilippinen. Die Grundlagen für dengeheimen Krieg wurden von einemkonservativen republikanischenPräsidenten gelegt und von einemliberalen demokratischenPräsidenten übernommen. Obamalernte das Vermächtnis seines

Vorgängers schnell zu schätzen,weil es eine Alternative bot zu denkomplizierten und kostspieligenKriegen, durch die Regierungengestürzt werden und die einejahrelange Besatzung durchamerikanische Truppen erforderlichmachen. Oder, um mit JohnBrennan zu sprechen, einem derengsten Berater Obamas, der vondiesem im März 2013 zum CIA-Chefgemacht wurde: Statt mit dem»Hammer« zuzuschlagen, setztAmerika jetzt das »Skalpell« an.

Das Bild vom Skalpell suggeriert,

dass die neue Art des Kriegs ohneFehler und unnötige Kostenvonstatten geht – wie eineOperation ohne Komplikationen.Doch das ist falsch. Sie schafftgenauso schnell neue Feinde, wiesie die früheren vernichtet. Sieschürt Hass bei alten Verbündetenund wirkt manchmaldestabilisierend, obwohl sieeigentlich Ordnung ins Chaosbringen soll. Sie hat die tradiertenMechanismen außer Kraft gesetzt,nach denen das amerikanische Volkin den Krieg zieht, und den US-

Präsidenten zum letzten Richterdarüber erhoben, ob bestimmteMenschen in weit entferntenLändern leben dürfen oder sterbenmüssen. Diese neue Art von Krieghat Erfolge gebracht – am Endesogar die Tötung Osama Bin Ladensund seiner treuesten Anhänger.Aber sie hat auch die Schwelle derGewaltanwendung gesenkt unddazu geführt, dass die USA heuteleichter als jemals zuvor in denfernsten WeltregionenTötungsoperationen durchführenkönnen. Dieses Buch handelt von

einem Experiment, das seit mehrals einem Jahrzehnt andauert – undvon seinen Folgen.

Sir Richard Dearlove war esvergönnt, nur wenige Wochen nachden Angriffen des 11. Septembereinen Blick in die Zukunft zu werfen.Der Chef des britischenAuslandsgeheimdiensts MI6 kammit anderen führenden britischenGeheimdienstbeamten in die USA,um Solidarität mit dem engstenVerbündeten seines Landes zudemonstrieren. Er besuchte das

Hauptquartier der CIA in Langley,Virginia, um persönlich dieBotschaft zu überbringen, dass derbritische Geheimdienst der CIA denkostbaren Zugang zu allen Aktendes MI6 über Mitglieder der al-Qaida gewähren würde.

Die Briten hatten die Amerikanerwährend des Zweiten Weltkriegsdie schwarze Kunst der Spionagegelehrt, aber sie hatten das Spiellange nach anderen Regeln gespieltals die USA. »Der amerikanischeCharakter strebt nach schnellen,spektakulären Erfolgen, während

die britische Methode imAllgemeinen langsam und mühseligist«, sagte ein Mitglied vonChurchills Special OperationsExecutive im Jahr 1943. DerEngländer verwies auf die Gefahrender Strategie, die das Office ofStrategic Services (OSS), derVorläufer der CIA, verfolgte, wennes auf die Sprengung vonMunitionsdepots, dasDurchschneiden vonTelefonleitungen und dieVerminung feindlicherNachschublinien setzte. Die

Amerikaner hätten mehr Geld alsVerstand, sagte er, und das Bündniskönne leicht in Schwierigkeitengeraten, weil das OSS »so gerneCowboys und Indianer« spiele.

Dearlove war in der klassischenbritischen Spionagetraditionaufgewachsen. Er hatte am Queens’College der University ofCambridge, einem traditionellenRekrutierungsfeld der britischenGeheimdienste, seinen Abschlussgemacht, und auf Posten in Afrika,Europa und Washington gedient.Wie seine Vorgänger unterzeichnete

auch er alle internen Memos mitdem Codenamen »C«, traditionellstets mit grüner Tinte.

Kurz nachdem sein Flugzeug mitdem Rufzeichen Ascot-1 inWashington gelandet war, saß er imCounterterrorist Center der CIA inLangley. Auf einem großenBildschirm schauten sich CIA-Beamte ein Video an, das einenweißen Mitsubishi-Kleinlasterzeigte, der in Afghanistan eineStraße entlangfuhr. Dearlove warbekannt, dass die USA die Fähigkeitentwickelt hatten, per

Fernbedienung Krieg zu führen,aber er hatte noch nie einePredator-Drohne in Aktion gesehen.

Mehrere Minuten vergingen, derLastwagen geriet ins Fadenkreuzauf der Mitte des Bildschirms. Dannwurde der ganze Bildschirm durcheine gewaltige Explosion weiß.Sekunden später klärte sich das Bildwieder und gab den Blick auf daszerfetzte, brennende Wrack desKleinlasters frei.

Dearlove wandte sich an eineGruppe CIA-Beamter, zu der auchRoss Newland gehörte, ein

Geheimdienstveteran, der Monatezuvor zu der Gruppe gestoßen war,die das Predator-Programm leitete– und sagte mit einemsarkastischen Lächeln:

»Fast ein bisschen unsportlich,nicht wahr?«

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GENEHMIGUNG ZUMTÖTEN

»Sie sind hier, um Terroristen zu töten,nicht, um sich Feinde zu machen.«

Der pakistanische StaatspräsidentPervez Musharraf zu US-Botschafterin

Wendy Chamberlin, 14. September2001

Das Licht im Situation Room desWeißen Hauses wurde gedämpft,

und die CIA-Beamten begannen mitihrem Diavortrag. Die Bilder warenhastig aufgenommen, grobkörnigund unscharf. Einige zeigtenMänner, die in ein Auto stiegenoder eine Straße hinuntergingen.Die Szene in dem verdunkeltenRaum hätte aus einem Mafiafilmstammen können, in dem FBI-Beamte Kaffee trinkend Fotos vonMafiabossen sichten. In diesem Falljedoch waren es Bilder vonMännern, deren Tötung die CentralIntelligence Agency vorschlug.

Vollzählig um den Tisch

versammelt waren die wichtigstenMitarbeiter des Vizepräsidenten,darunter Rechtsberater DavidAddington und Stabschef I. LewisLibby, ein Washingtoner Veteranmit dem Spitznamen »Scooter«. AmKopf des Tischs betrachteteVizepräsident Dick Cheney dieSchurkengalerie mit größtemInteresse. Draußen war es kalt,Spätherbst 2001. Wenige Wochenzuvor hatte George W. Bush einegeheime Direktive erlassen, die derCIA wieder jene Genehmigung zumTöten erteilte, die sie in den

1970er-Jahren verloren hatte.Damals hatte das Weiße Haus nacheiner Serie von Enthüllungen übergrausige und manchmal auchlächerliche Mordversuche der CIAverboten, Feinde der USA zu töten.Nun, an diesem Tag im SituationRoom, erstattete die CIA demWeißen Haus darüber Bericht, wiesie die wiedererworbene Lizenz zumTöten zu nutzen gedachte.

Jose Rodriguez und EnriquePrado, die beiden CIA-Beamten, diedie Präsentation leiteten, erklärtenihren Zuhörern, dass das

Counterterrorist Center für einstreng geheimes neues ProgrammCIA-Beamte rekrutiere: KleineTeams von Attentätern sollten inandere Länder geschleust werden,um dort Menschen, die dieRegierung Bush tot sehen wollte,aufzuspüren und zu töten. Eine derFotografien zeigte MamounDarkazanli, einen Syrer, von demdie CIA glaubte, dass er dieAnschläge des 11. September mitorganisiert hatte, und der legal inDeutschland lebte. Auch ein Bildvon Dr. Abdul Qadeer Khan gehörte

zur Sammlung. Er galt in Pakistanals Held, weil er an der Entwicklungder pakistanischen Atombombemitgewirkt hatte, aber für denWesten war er ein Bösewicht, weiler heimlich Atomtechnologie an denIran, Libyen und andereSchurkenstaaten geliefert hatte.Dadurch, dass die CIA alle Fotosaus nächster Nähe aufgenommenhatte, machte sie eine Tatsacheunmissverständlich klar: Wirkommen nahe genug an die Leuteheran, um Fotos von ihnen zuschießen, also kommen wir auch

nahe genug heran, um sie zu töten.Doch das kühne Projekt warf

ungelöste Fragen auf. Wie solltensich die Todesschwadronen der CIAunbemerkt in Deutschland, Pakistanoder andere Länder einschleichen?Konnte eine Gruppe amerikanischerAttentäter tatsächlich einÜberwachungsnetz aufbauen unddann, zum vorgesehenen Zeitpunkt,ihrem Zielobjekt eine Kugel in denKopf schießen? Der Geheimdiensthatte die erforderliche Logistik nochgar nicht entwickelt, aber Rodriguezund Prado waren nicht ins Weiße

Haus gekommen, um detaillierteFragen über geplante Operationenzu beantworten. Sie wollten nurallgemein grünes Licht.

Und Cheney erklärte, sie solltensich an die Arbeit machen.

Präsident George W. Bush, der Sohneines früheren Director of CentralIntelligence***, dem zu Ehren derGeheimdienst sein Hauptquartier inLangley umbenannt hatte, hatteeinen geschrumpften unddemoralisierten Geheimdienstgeerbt – nur noch einen Schatten

jener Institution, die die CIAwährend des Kalten Kriegs gewesenwar. Doch in den letzten Monatendes Jahres 2001 hatte Bush die CIAmit einer weltweiten Menschenjagdbeauftragt. Und mit ihrerDurchführung hatte der Dienst einneues Selbstbild gewonnen: alsflexible Organisation, die für dieAnforderungen desOberbefehlshabers äußerstempfänglich war – ganz imGegensatz zum schwerfälligen undbürokratischen Pentagon.

Die CIA führte jetzt einen

geheimen Krieg unter der Leitungdes Weißen Hauses, und das einststräflich missachteteCounterterrorist Center war zumfieberhaft agierenden Befehlsstanddieses Kriegs geworden. Es warlange eine Art Nebenabteilung derCIA gewesen, die viele alsAbstellgleis für alte Fanatikerbetrachteten, die anprestigeträchtigeren Aufgabengescheitert waren. Nach dem11. September jedoch erlebte esdie massivste Expansion seinerGeschichte und sollte sich im Lauf

eines Jahrzehnts zum Herz der CIAentwickeln.

Hunderte von Geheimagentenund Analysten wurden aus denAbteilungen Asien und Russlandabgezogen und verschwanden ineinem Labyrinth hastig gebauterZellenbüros, das in dieOperationszentrale des CTCgezwängt wurde. Bald war es soverzweigt, dass die LeuteSchwierigkeiten hatten, ihreKollegen zu finden. Straßennamenauf Pappschildern wurdenangebracht, damit man die Büros

an der »Usama bin Lane« und dem»Zawahiri Way« leichter erkannte.Über dem Haupteingang desZentrums hing irgendwann einSchild mit der Aufschrift HEUTE ISTDER 12. SEPTEMBER 2001. Esdiente als ständige Mahnung, dassseit dem Angriff auf die TwinTowers und das Pentagon jederzeitmit einem Terroranschlag innerhalbder nächsten Tage oder garMinuten zu rechnen war.

In den ersten Monaten desgeheimen Kriegs war J. Cofer BlackChef des expandierenden

Unternehmens, ein exzentrischerFührungsoffizier, von der Jagd aufOsama Bin Laden besessen, seit erin der sudanesischen HauptstadtKhartum CIA-Stationschef gewesenwar, während der Terroristenführerim Sudan im Exil gelebt hatte. Blackpflegte bei der CIA ein Image, dasihn als eine Mischung ausverrücktem Wissenschaftler undGeneral George Patton auswies. Am11. September, als die Befürchtungbestand, das letzte der entführtenFlugzeuge könnte vielleicht Langleyansteuern, verbot er den CTC-

Mitarbeitern, zusammen mit demRest des Personals dasHauptquartier zu evakuieren.

In den Monaten darauf erschienCIA-Direktor George Tenet fast nurnoch mit Black an seiner Seite imWeißen Haus. Und es entstand derMythos, dass Black festentschlossen sei, möglichst vieleQaida-Mitglieder zu töten. Bei einerBesprechung im Oval Office zweiTage nach den Angriffen fragtePräsident Bush ihn, ob die CIA ihrerneuen Aufgabe gewachsen sei,Afghanistan mit paramilitärischen

Teams zu infiltrieren und imBündnis mit afghanischen Warlordsdie Taliban zu bekämpfen. Blackentgegnete, dass Bin Laden undseinen Brüdern »Fliegen auf denAugäpfeln herumkrabbeln« würden,wenn die CIA mit al-Qaida fertigsei. Das war genau die Antwort, dieGeorge W. Bush hören wollte, under schloss den prahlerischen Chefder Terrorismusbekämpfung insHerz. Einigen Mitgliedern seinesKabinetts jedoch schauderte es beidem blutrünstigen Geschwätz, undsie nannten ihn von da an nur den

»Fliegen-auf-den-Augäpfeln-Typ«.Dass Black bei den

entscheidenden Leuten im WeißenHaus ein so grenzenloses Ansehengenoss, führte zu Spannungeninnerhalb der CIA und zu ständigenKonflikten mit seinem Boss JamesPavitt, den Black für schwach undfantasielos hielt. Pavitt führte dasCommand of Operations, dieAbteilung des Geheimdiensts, diefür alle Spionageeinsätze undverdeckten Operationen im Auslandzuständig war, und er hielt Black füreinen Angeber und cowboyhaften

Draufgänger. Seiner Ansicht nachwar der Chef des CTC viel zu sehrdarauf bedacht, die CIA wieder injene Abenteuer in Übersee zustürzen, die ihr zuvor schon massiveProbleme bereitet hatten. Auchhatten die beiden in den Jahren vordem 11. September erbittertdarüber gestritten, ob die CIA sichbewaffneter Predator-Drohnenbedienen sollte, um Bin Laden inAfghanistan zu jagen.

Doch die Erfolge, welche die CIAEnde 2001 mit ihrer ursprünglichenStrategie in Afghanistan erzielte,

waren ein Sieg für Black und dasCounterterrorist Center. AuchKritiker des Geheimdiensts sahensie als Beweis dafür, dass es seineVorteile hatte, wenn ein kleinerKader von CIA-Beamten gegen einediffuse Organisation wie al-Qaidakämpfte. Teams von CIA-Paramilitärs, später ergänzt durchGreen Berets der Army, hatten auseinem bunten Haufen afghanischerMilizen ein siegreiches Heergeformt. Auf dem Rücken vonPferden und mit verrostetenPanzerfahrzeugen aus der

Sowjetära hatte die Nordallianz dieTaliban aus Kabul und Kandaharvertrieben.

Der seltsame neue Konflikt hatteauch die herkömmliche Art der US-amerikanischen Kriegführung aufden Kopf gestellt. Die traditionelleBefehlskette in Kriegszeiten verliefvom Weißen Haus über denVerteidigungsminister zu einemkommandierendenViersternegeneral, der mit einemStab aus Hunderten vonMitarbeitern einen Kriegsplanerstellte und ausführte. Diese

Befehlskette wurde nunstillschweigend umgangen. Der CIA-Direktor war zu einemMilitärkommandeur geworden, dermit einem extrem kleinen Stab undweitgehend unkontrolliert einenweltweiten geheimen Krieg führte.Tenet begann, auf die Verstärkungder paramilitärischen Teams derCIA in Afghanistan zu drängen. Under machte dem Weißen Haus einProgramm schmackhaft, bei demTerroristen festgenommen, inGeheimgefängnissen weggesperrtund einem orwellschen

Schreckensregime brutalerVerhörmethoden unterworfenwurden. Nur Bush und Cheney undeine kleine Gruppe im Weißen Hauskontrollierten die Entscheidung, werfestgenommen, wer getötet undwer verschont werden sollte.

Dies war eine radikaleVeränderung für Tenet, der vor dem11. September gegenüber seinemVorgesetzten im Weißen Hausgerne betont hatte, dass sich CIA-Beamte aus der Politik heraushaltensollten. Er hatte ein fastmönchisches Bild von den Spionen

in Langley gezeichnet, dienachrichtendienstliche Analysenproduzierten, während die Politiker»auf der anderen Seite des Flusses«im Weißen Haus und im Kongressauf Grundlage dieser Analysen ihreEntscheidungen trafen. JamesPavitt sollte später vor derUntersuchungskommission zu denAnschlägen des 11. Septemberaussagen, es sei eine der Lehrenaus der Iran-Contra-Affäre der1980er-Jahre gewesen, »dass wir[in Langley] keine Politik machen …und sie auch nicht wollen, dass wir

das tun«.War dieser Gedanke auch vorher

schon eher ein nützlicher Mythosgewesen, so konnte die CIA Ende2001 jedenfalls nicht mehrbehaupten, sich aus schwierigenEntscheidungen über Krieg undFrieden herauszuhalten. Bushverlangte, dass Tenet jeden Tagzum Daily Brief im Oval Officeaufschlug. Zum ersten Mal seit derGründung des Geheimdiensts kamnicht nur ein weniger hochrangigerAnalyst, sondern der CIA-Direktorpersönlich für den täglichen Bericht

ins Weiße Haus. Wie schon seineVorgänger wusste auch Tenet denpersönlichen Zugang zumPräsidenten sehr zu schätzen, undso erschienen er und Cofer Blackjeden Morgen mit einem ganzenKatalog terroristischerVerschwörungen und Verschwörerund schilderten dem fasziniertenPublikum alle Schritte, die die CIAzum Schutz der Nation unternahm.Die täglichen Sitzungen mit demPräsidenten machten Tenet und dieCIA im Weißen Haus unentbehrlich,wo der Hunger nach Informationen

über jede Art von Bedrohungenschier unvermesslich schien.

Doch die Aufmerksamkeithöchster Stellen begann sichnegativ auf die Analysen der CIAauszuwirken: Sie wurdenkleinteiliger und stärker taktischorientiert. Hunderte von CIA-Analysten waren mit dem ThemaTerrorismus beschäftigt – durchausverständlich nach einem Angriff, derfast 3000 Amerikaner das Lebengekostet hatte. Doch den Analystenwurde auch schnell klar, dass beider CIA Karriere machte, wer in der

Terrorismusbekämpfung arbeiteteund nach Möglichkeit irgend etwasproduzierte, das eines Morgens demPräsidenten im Oval Officevorgelesen würde. Was aber dasWeiße Haus forderte, warenHinweise auf den Aufenthaltsortbestimmter Qaida-Mitglieder, nichtjedoch tiefer schürfende Analysenetwa über das Ausmaß derUnterstützung, die al-Qaida in dermuslimischen Welt genoss, oderüber die Auswirkungen, dieamerikanische Militär- undGeheimdienstoperationen auf eine

neue Generation bewaffneterRebellen haben konnten. Die CIAsetzte den gewünschtenSchwerpunkt.

Selbst die Terminologie ändertesich mit der Zeit. Früher hatten dieFührungsoffiziere und Analysten derCIA den Begriff »targeting« benutzt,wenn es darum ging, bei welchemausländischen Regierungsvertreterman Informationen beschaffen oderwelchen Ausländer man alsInformanten gewinnen konnte. Nunjedoch bekam »targeting« für dieAnalysten, die in das

Counterterrorist Center wechselten,eine ganz neue Bedeutung: nämlicheine Person, die als Bedrohung fürdie USA eingestuft wurde,aufzuspüren und sie gefangen zunehmen oder zu töten.

Die Konflikte zwischen CoferBlack und James Pavitt wurdenheftiger, und Anfang 2002 verließBlack den Geheimdienst und nahmeine Stelle im Außenministerium an.Sein Nachfolger wurde JoseRodriguez, einer derSpitzenbeamten desCounterterrorist Center und ein

gemäßigter Gegenpol zu Black.Dieser verfügte überNahosterfahrung, und er hatte zuder Handvoll CIA-Beamter gehört,die ein solides Wissen über dasTerrornetz Osama Bin Ladensbesaßen. Rodriguez dagegen hattenie in der muslimischen Weltgedient und sprach kein Arabisch.Doch er verstand sich gut mitPavitt, und einige Geheimagentenhegten sogar den Verdacht, dass erursprünglich in das CounterterroristCenter versetzt worden war, umBlack in dessen Auftrag zu

überwachen. Der in Puerto Ricogeborene Sohn eines Lehrers undeiner Lehrerin war Mitte der1970er-Jahre nach seinemJuraexamen an der University ofFlorida zum Geheimdienstgekommen. Seine Laufbahn alsGeheimagent hatte er hauptsächlichin der Lateinamerikaabteilungabsolviert, die in den 1980er-Jahrenfür die Abenteuer der CIA inNicaragua, El Salvador undHonduras verantwortlich war.Damals war er freilich noch so jung,dass er es vermeiden konnte, in die

Ermittlungen wegen der Iran-Contra-Affäre verwickelt zu werden,die die Abteilung auf Jahre hinausbeschädigten.

Rodriguez war beliebt unterseinen Kollegen, hatte sich aber nieals besonders begabterFührungsoffizier erwiesen. Er dientein einer Reihe von CIA-Stationen inLateinamerika, darunter Bolivienund Mexiko, und er erwarb sicheinen Ruf als Querdenker, der denBürokraten in Langley ordentlich dieMeinung sagte, weil sie seinerAnsicht nach die Operationen vor

Ort zu autoritär und zu penibelsteuerten. Außerdem war er einleidenschaftlicher Reiter. In seinerZeit als Stationschef in Mexikotaufte er sein Lieblingspferd»Business« und instruierte seineUntergebenen, sie sollten sagen, ersei »on Business«, wenn sich dieBosse in Langley nach seinemVerbleib erkundigten.

Die Lateinamerikaabteilung warwieder einmal in der Krise, als ersie 1995 übernahm. John Deutch,Clintons zweiter CIA-Direktor, hattegerade eine Reihe von

Führungsoffizieren wegen einesFehlverhaltens gefeuert, das manbei der CIA euphemistisch als»enge und kontinuierliche Kontaktemit Ausländern« bezeichnet. Mitanderen Worten: Die Männer hattenin Lateinamerika außerehelicheAffären, und es bestand dieBefürchtung, dass sie erpressbarsein könnten. Bald schon bekamRodriguez selbst Schwierigkeiten.Ein Jugendfreund von ihm wurde inder Dominikanischen Republikwegen eines Drogendeliktsverhaftet, und er intervenierte,

damit der Freund in derUntersuchungshaft nicht von derPolizei geschlagen wurde. Ein klarerInteressenkonflikt für den Chef derLateinamerikaabteilung der CIA.Der Generalinspekteur desGeheimdiensts mahnte ihn ab, weiler einen »bemerkenswerten Mangelan Urteilsvermögen« gezeigt habe,und er verlor seinen Posten.

Bis 2001 jedoch hatte Rodriguezdiesen Rückschlag überwunden undwar zusammen mit mehrerenweiteren Lateinamerikanern, etwaseinem Freund Enrique Prado,

maßgeblich daran beteiligt, denneuen Krieg der CIA zu führen. Erwurde ein regelmäßiger Teilnehmerder Gruppe, die sich jeden Tag um17 Uhr an Tenets Konferenztischversammelte, um als ranghohe CIA-Beamte die neuesten Informationenüber die Operationen in Afghanistanund anderswo zu erhalten. Auf einerdieser Sitzungen machte Rodriguezeine beiläufige Bemerkung, die zueiner der folgenschwerstenEntscheidungen der Regierung Bushführen sollte.

Die CIA-Beamten befassten sich

gerade mit der Frage, was mit allden Talibankämpfern zu geschehenhabe, die in Afghanistan vonamerikanischen Soldaten und CIA-Beamten gefangen genommenwurden: Wo konnte man sielangfristig internieren? Die Beamtenveranstalteten eine ArtBrainstorming und nannten Länder,die vielleicht bereit waren, dieGefangenen aufzunehmen. Einerder CIA-Beamten schlug dasGefängnis von Ushuaia in derargentinischen Tierra del Fuego vor,eine trostlose Einrichtung in der

südlichsten Stadt der Welt. Einanderer brachte die karibischenCorn Islands ins Spiel, zwei winzigeFleckchen Land vor der KüsteNicaraguas. Aber alle Vorschlägewurden als unrealistisch verworfen.Schließlich sagte Rodriguez halb imScherz: »Wir könnten sie ja nachGuantánamo Bay schaffen.«

Alle am Tisch lachten bei derVorstellung, wie sich Fidel Castroärgern würde, wenn die USA dieGefangenen aus ihrem neuen Kriegauf einem amerikanischenMilitärstützpunkt in Kuba

internierten. Aber je mehr siedarüber nachdachten, desto mehrkamen sie zu der Überzeugung,dass Guantánamo tatsächlich Sinnmachte. Der Stützpunkt war eineamerikanische Einrichtung, undseine Funktion als Gefängnis wärenicht wie in anderen Länderndadurch gefährdet, dass dieamerikanischen Gefangenen nacheinem Regierungswechsel vielleichtnicht mehr beherbergt würden.Außerdem vermuteten die CIA-Beamten, dass ein Gefängnis inGuantánamo Bay nicht der

Jurisdiktion amerikanischer Gerichteunterliegen würde. Es war offenbarein perfekter Standort.

Kuba wurde von der CIA alsbester Ort für das neueamerikanische Gefängnisempfohlen, und schon bald sollteder Geheimdienst in einer Ecke derHaftanstalt in Guantánamo seineigenes Geheimgefängnis bauen –eine Hochsicherheitseinrichtung,der die CIA-Beamten irgendwannden Spitznamen Strawberry Fieldsverpassten, weil die Gefangenen,wie die Beatles sangen, »forever«

dort bleiben würden.

Auf einem chaotischen Schlachtfeld11000 Kilometer von Washingtonentfernt entpuppte sich der ersteKrieg des 21. Jahrhunderts als sehrviel schwieriger, als es im Labyrinthder Bürozellen von Langley oder inden perfekten PowerPoint-Präsentationen in denholzgetäfelten Büros der oberenStockwerke des Pentagonsausgesehen hatte. Anfang 2002tobte in Afghanistan weder einheißer Krieg mit täglichen

Gefechten, noch herrschte einhoffnungsvoller Friede. Vielmehrgab es einen schwelenden Konflikt,der von Konkurrenz und Misstrauenzwischen Soldaten und Spionengeprägt war. AmerikanischeEinsätze wurden oft auf derGrundlage bruchstückhafterErkenntnisse durchgeführt, die ausunzuverlässigen Quellen stammten.So zum Beispiel, als Dutzende vonNavy SEALs und Marines acht Tagelang in einem Höhlenkomplex beiZhawar Kili im Osten AfghanistansLeichen ausgruben, weil es hieß,

Osama Bin Laden seimöglicherweise bei einem kurzzuvor erfolgten Luftschlag gegenden Qaida-Stützpunktumgekommen. Man hoffte, seineLeiche zu finden. Dann hätte maneinen Grund gehabt, denAfghanistankrieg schon nach dreiMonaten wieder zu beenden. DieSEALs exhumierten eine HandvollLeichen, aber die gesuchte warnicht darunter.

Manchmal hatte die schlechteKommunikation zwischen CIA undMilitär auch tödliche Folgen. Am

23. Januar unternahmen GreenBerets, eine Spezialeinheit der US-Army, im Schutz der Nacht einenAngriff auf zwei Anwesen in HazarQadam, 160 Kilometer östlich vonKandahar. Sie bestanden ausmehreren Gebäuden, die am Hangeines Hügels lagen. Während überihnen ein AC-130 Schlachtflugzeugkreiste, stürmten zwei Teamsgleichzeitig die Wohnanlagen.

Als sie Löcher in die Außenwändeder Gebäude sprengten, wurden dieGreen Berets von Feuerstößen ausKalaschnikows empfangen. Sie

erwiderten das Feuer unddurchkämmten die Häuser Raum fürRaum, wobei sie die mutmaßlichenTaliban zum Teil Mann gegen Mannniederkämpften. Als der Einsatzbeendet war, hatten sie mehr alsvierzig Männer getötet, und die AC-130 hatte die Gebäude in einRuinenfeld verwandelt.

Erst als die Soldaten wieder aufihrem Stützpunkt waren, erfuhrensie, dass die CIA die Bewohner deszerstörten Anwesens einige Tagezuvor umgedreht und sie überzeugthatte, nicht mehr für die Taliban,

sondern für die andere Seite zukämpfen. Tatsächlich hing in einemder Häuser die Flagge der neuen,von Hamid Karzai geführtenRegierung Afghanistans. Die CIAhatte die Spezialeinsatzgruppe niedarüber informiert, dass die Männerin den Anwesen jetzt ihreVerbündeten waren.

Die Unordnung in Afghanistanberuhte zum Teil auf den normalenWirren des Kriegs, aber sie hatteauch damit zu tun, dass die CIA unddas Pentagon um dieVormachtstellung in dem neuen

amerikanischen Konflikt kämpften.Verteidigungsminister DonaldRumsfeld war darüber erbost, dassparamilitärische Teams der CIA alsErste in Afghanistan operierten.Wenngleich die Green Berets durchschlechtes Wetter und Probleme mitdem Zugang zu Stützpunkten inAfghanistan aufgehalten wordenwaren, war die Sache nicht nur einlogistisches Problem. Vielmehrwurde die Invasion tatsächlichzunächst von der CIA geplant undgeführt, und das Militär hatte nureine unterstützende Funktion. Dass

die CIA schneller handeln konnteals das Pentagon, obwohl sie nurüber einen Bruchteil von dessenBudget und Personal verfügte,ärgerte Rumsfeld, und er befahleine Generalüberholung derPentagonbürokratie, damit das niewieder passierte.

Er gab sich alle Mühe, denMilitärapparat aufzupolieren, derseiner Ansicht nach engstirnig undviel zu sehr von denPartikularinteressen derTeilstreitkräfte geprägt war, dieihre ganze Energie daran

verschwendeten, den Bestand ihrerheißgeliebten Waffensysteme zusichern. Rumsfeld war in derRegierung Ford schon einmalVerteidigungsminister gewesen undnun nach einem erfolgreichenAusflug in die Privatwirtschaft in dasMinisterium zurückgekehrt. Er hattebei dem Pharmaunternehmen G.D.Searle, das unter seiner Leitung denSüßstoff NutraSweet und dasAbführmittel Metamucil orange aufden Markt brachte, ein Vermögengemacht, und als er nun erneutVerteidigungsminister wurde, wollte

er den aufgeblähten Militärapparatnach den Regeln derPrivatwirtschaft umstrukturieren.

Der 69-Jährige sollte schon baldder älteste Verteidigungsminister inder Geschichte der USA sein, undseine häufigen Klagen über dieVerschwendung bei denStreitkräften hörten sich manchmalein bisschen so an, als ob Großvatervom spartanischen Leben währendder Weltwirtschaftskrise erzählt.Seine Anstrengungen zurUmgestaltung des Pentagonsbrachten ihm sofort den Vergleich

mit Robert McNamara ein, demVerteidigungsminister unterKennedy und Johnson, der mitseinen »genialen« Whiz Kids ausdem Ford-Konzern die Kultur desPentagons hatte verändern wollen.Einige Generäle, denen RumsfeldsAnsatz nicht passte, bezeichnetendie Gruppe älterer Geschäftsleute,die Rumsfeld mitgebracht hatte, umdie verschiedenen Teilstreitkräftezu führen, als Wheeze(»keuchende«) Kids. Zu demZeitpunkt, als der American AirlinesFlug 77 am Morgen des

11. September 2001 in dieWestfassade des Pentagonskrachte, hatten die Militärs schonmehrere von Rumsfeldsehrgeizigeren Versuchen, teureWaffensysteme aus der Zeit desKalten Kriegs abzuschaffen,erfolgreich abgeschmettert. Und inWashington wurde offen spekuliert,ob der Verteidigungsminister alserstes führendes Mitglied derRegierung Bush zurücktreten würde.Stattdessen sollte er im Lauf desfolgenden Jahres zumexponiertesten und populärsten

Kabinettsmitglied werden. BisDezember 2001 vertrieben dieVereinigten Staaten die Taliban ausden afghanischen Städten, undzwar mittels eines innovativenKriegsplans, für den Rumsfeldöffentliche Anerkennung bekam,und er wurde durch seineunverblümten Äußerungen aufseinen höchst beliebtenPressekonferenzen zurVerkörperung der Rache, mit derdie Regierung Bush auf dieterroristischen Angriffe reagierte.Rumsfeld nahm kein Blatt vor den

Mund, und er verfiel nicht in einenschwer verständlichen Militärjargon,wenn er über die Ziele des Kriegssprach. Es ging darum, »Taliban zutöten«.

Auch war er sich früh darüber imKlaren, dass ein Großteil des neuenKriegs in abgelegenen Weltregionengeführt werden würde, weit wegvon den erklärten Kampfzonen. Derneue Krieg würde ganz andersaussehen als die Infanteriegefechtedes 19. Jahrhunderts, derGrabenkrieg des Ersten Weltkriegsoder die Panzerschlachten des

Zweiten. Das Pentagon mussteSoldaten an Orte schicken, wo,nach Recht und Tradition, bishernur Spione hatten operieren dürfen.Zum Beispiel besaßen dieStreitkräfte zunächst noch keineseparate Abteilung fürTerrorismusbekämpfung wie dasCounterterrorist Center der CIA,aber nur wenige Wochen nach dem11. September machte sichRumsfeld daran, eine solcheaufzubauen. Nur größer sollte siesein. In einem Memorandum fürCIA-Direktor Tenet schrieb der

Verteidigungsminister: »Nach allem,was ich höre, ist das CTC zu klein,um sieben Tage die Woche rund umdie Uhr zu arbeiten«. Und erschickte dem CIA-Direktor seinenVorschlag für die Gründung einerJoint Intelligence Task Force forCombating Terrorism (JIFT-CT),einer ganz neuenTerrorismusbekämpfungsorganisation, mit der das Pentagonmöglicherweise die Kontrolle überden neuen Krieg erringen würde.

Vier Tage nachdem er seinenVorschlag an Tenet geschickt hatte,

formulierte er seine Gedanken überdas Ausmaß des neuen Kriegs ineinem streng geheimenMemorandum für George W. Bush.Der Krieg müsse global geführtwerden, schrieb er, und dieVereinigten Staaten müssten inBezug auf seine Endziele offen undehrlich sein. »Wenn der Krieg diepolitische Landkarte der Welt nichtbeträchtlich verändert«, schriebRumsfeld an den Präsidenten,»werden die USA ihr Ziel nichterreichen.«

Das Pentagon verfügte noch

nicht über die Maschinerie, umdiesen neuen Krieg zu führen.Rumsfeld wusste das so gut wiejeder andere. Es gab viel zu tun.

In einer klaren Nacht AnfangFebruar 2002 sprangen dreiafghanische Männer und ein kleinerJunge aus einem weißenKleinlaster. Ihre Gewänderbauschten sich, als die Rotoreneines amerikanischenMilitärhubschraubers um sie herumStaub aufwirbelten. Sie hobenabwehrend die Hände, als eine

amerikanische Spezialeinheit mitden Gewehren im Anschlag auf siezukam.

Fünfundsechzig Kilometer weiternördlich, in einer improvisiertenEinsatzzentrale neben demzerbombten Abfertigungsgebäudedes Flughafens von Kandahar,beobachteten amerikanischeSpezialeinsatzkräfte auf derVideoübertragung einer CIA-Drohnedas Geschehen. Der Kommandeurder Elitesoldaten Navy CaptainRobert Harward griff zu einemabhörsicheren Telefon und rief

seine Vorgesetzten in Kuwait an,um sie über die Gefangenen zuinformieren. Mullah KhairullahKhairkhwa, der Talibanführer, denalle suchten, sei geradefestgenommen worden.

Am anderen Ende der Leitungtrat eine lange Pause ein. Dannendlich sagte Lt. General PaulMikolashek:

»Und wenn es nicht die richtigenLeute sind, können Sie sie dannwieder zurückbringen?«

Harward warf den anderenOffizieren in der Kommandozentrale

einen irritierten Blick zu. Er holtetief Luft, bis er seine Wut unterKontrolle hatte. Dann versicherte erdem General, dass er dieGefangenen, die man gerade mitHandschellen gefesselt in einenHelikopter geschoben hatte, derzum Stützpunkt in Kandaharzurückkehrte, durchaus an den Ortihrer Festnahme zurückbringenkönne – wenn nötig.

Mikolashek hatte geradeerfahren, dass Mullah Khairkhwaund seine Helfer keineswegs in demHubschrauber saßen. Khairkhwa,

der ehemalige Innenminister derTaliban, befand sich in einemanderen weißen Kleinlaster, dergerade die Grenze nach Pakistanüberquert hatte. Und die CIAwusste es.

Der Afghanistankrieg währtedamals vier Monate. In Kabul wargerade eine neue Regierunginstalliert worden, und es kamenimmer mehr amerikanischeSoldaten ins Land. MullahKhairkhwa hatte tagelang mit demHalbbruder des Präsidenten, AhmedWali Karzai, darüber verhandelt,

sich zu ergeben und ein Informantder CIA zu werden. Ahmed Walistand selbst auf der Gehaltsliste derCIA (eine Verbindung, die Jahrespäter zu Spannungen zwischen derCIA und dem Militär in Kabul führensollte), und amerikanische Agentenhatten dem Mullah die Botschaftübermittelt, dass er als Informantseiner Verhaftung und einemlangen Aufenthalt in dem neuerbauten Gefängnis in GuantánamoBay entgehen könne.

Auch nach mehrtägigenVerhandlungen war sich Khairkhwa

jedoch nicht sicher, ob er denAmerikanern trauen konnte. Ertelefonierte mit einem anderenKommandeur der Taliban undinformierte ihn, dass er nachPakistan fliehen wolle. DasTelefonat wurde von Beamten desmilitärischen Geheimdienstsabgehört. Sie informiertenMikolashek, und dieser befahlCaptain Harward in Kandahar, denMinister der Taliban gefangen zunehmen, bevor er es über dieGrenze schaffte. Ein Hubschrauberstartete und flog nach Süden, um

sich Khairkhwa zu schnappen.Seinem weißen Kleinlaster folgteeine Predator-Drohne der CIA, diedem Helikopter den Weg wies.

Doch die CIA verfolgte einenanderen Plan. Der Krieg inAfghanistan hatte denGeheimdienst zu einem engenBündnis mit dem pakistanischenNachrichtendienst Directorate forInter-Services Intelligence (ISI)gezwungen, und bei der CIA hoffteman, pakistanische Spione würdenKhairkhwa festnehmen und ihndazu ermutigen, ein Informant zu

werden. Außerdem würde dieFestnahme eines Talibanführers inPakistan der Regierung inIslamabad vielleicht ein gewissesWohlwollen in Washingtoneinbringen.

Kurz nachdem der Hubschrauberdes Militärs in Kandahar gestartetwar, brach die Drohne der CIA dieVerfolgung von KhairkhwasKleinlaster ab, sodass die Soldatenin dem Helikopter nicht mehrwussten, wo sich ihr Ziel befand.Die Offiziere desMilitärgeheimdiensts in der

Kommandozentrale derSpezialeinsatzkräfte brülltenwutentbrannt in ihre Telefone undforderten die CIA auf, dieDrohnenüberwachung sofort wiederaufzunehmen. Es dauerte mehrereMinuten, bis eine zweite CIA-Drohne eintraf – aber einen ganzanderen weißen Kleinlasterverfolgte.

Die CIA führte die Soldaten indem Hubschrauber zum falschenZiel, während Mullah Khairkhwa undseine Leute bei Spin Boldak dieWüstengrenze nach Pakistan

passierten. Tage später stürmtenpakistanische Sicherheitskräfte nachweiteren fruchtlosenVerhandlungsrunden mit Khairkhwadas Haus in dem Dorf Chaman, woer sich versteckt hielt. PakistanischeGeheimdienstbeamte übergabenden Talibanführer im pakistanischenQuetta an CIA-Kollegen, und derMullah trat seine lange Reise nachGuantánamo an. Er wurde einer derersten Insassen des neuenGefängnisses auf der Insel.

Die drei Männer und der kleineJunge, die von den

Spezialeinsatzkräften verhaftet undin ein Internierungszentrum inKandahar gebracht worden waren,wurden wieder in einenHubschrauber geladen und65 Kilometer nach Süden geflogen.Der Kleinlaster stand immer nochan derselben Stelle, wo ihn dieAmerikaner gestoppt hatten. DieAfghanen konnten ihren Wegfortsetzen, nun jedoch mitmehreren Pappkartonsamerikanischer Militärrationen imGepäck. Aus Rücksicht auf ihrenGlauben hatte man die Mahlzeiten

mit Schweinefleisch aus denKartons entfernt.

*** Vor 2005 hatte der CIA-Direktor den offiziellenTitel Director of Central Intelligence oder DCI.

2

EINE EHE ZWISCHENSPIONEN

»Pakistan hat solche Dinge schon immerschwarz oder weiß gesehen.«

Generalleutnant Mahmud Ahmed, Chefdes pakistanischen Geheimdiensts

Inter-Services Intelligence,12. September 2001

Generationen von CIA-Beamten, dieauf der »Farm«, dem

Ausbildungszentrum desGeheimdiensts im Marschland vonVirginia, ausgebildet wurden,lernten dabei die erste Lektion desSpionagehandwerks: Es gibt keinenbefreundeten Geheimdienst. DieGeheimdienste anderer Nationenhat man gefälligst zu infiltrieren,und ihre Spione müssen»umgedreht« werden, damit siezukünftig für die VereinigtenStaaten arbeiten und ihre eigenenLänder ausspähen. AusländischeGeheimdienste können fürgemeinsame Operationen zwar

nützlich sein, ganz trauen sollteman ihnen aber nie. Je mehr mansich bei einer Operation aufverbündete Geheimdienste verlässt,umso größer ist die Gefahr, dass siescheitert.

Diese Philosophie funktionierteganz gut während des KaltenKriegs, als die wichtigste Aufgabeder CIA darin bestand, dieGeheimnisse der Sowjetunion undihrer Satellitenstaaten zu stehlen –traditionelle Auslandsspionage. DieFührung in Langley wusste, dass dieSowjets mit den Vereinigten

Staaten genau das Gleiche tunwollten, und sie wusste, dassMoskau seine eigenen Spione inausländischen Nachrichtendienstenhatte, um sich besseren Zugang zuamerikanischen Geheimnissen zuverschaffen. Der wichtigste Grund,einem ausländischen Spionnahezukommen, warGegenspionage: herauszufinden,wie stark ein andererAuslandsgeheimdienst die CIAinfiltriert hatte, und Maulwürfe zufangen, bevor sie zu tief gruben.

Doch durch die Erfordernisse des

neuen Kriegs veränderten sich dieRegeln des Spionagehandwerksrapide. Die wichtigste Priorität derCIA war nicht mehr die Beschaffungvon Nachrichten über andereRegierungen und deren Länder,sondern die Menschenjagd. Beidieser neuen Aufgabe galt es nunvor allem, detaillierte Informationenüber ganz bestimmte Personen zubekommen, und es kam kaumdarauf an, wie dieses Materialbeschafft wurde. Die Folge war,dass sich die CIA von Anfang an aufandere Geheimdienste stützte, die

schon jahrelang Dossiers überTerrororganisationen angelegthatten. Auf ihrer verzweifeltenSuche nach Informationen zurVerhinderung des nächsten Angriffswar die CIA bei der Auswahl ihrerFreunde nicht wählerisch. In denersten Jahren nach dem11. September intensivierte sie ihreBeziehungen zu Geheimdiensten,die eine ausgesprochen brutaleGeschichte hatten – darunter derägyptische Muchabarat, das GeneralIntelligence Directorate inJordanien und sogar der

Geheimdienst Muammar al-Gaddafis.

Für einige Führer dieser Länderwar es ein Hochgenuss, dieVereinigten Staaten über dasschmutzige Geschäft derTerroristenjagd zu belehren. Beieinem Dinner in Kairo AnfangOktober 2001 sagte der ägyptischePräsident Hosni Mubarak zu DonaldRumsfeld, dass Bomben in demneuen amerikanischen Krieg wenigausrichten würden und dieVereinigten Staaten »ihr Geldbesser dazu verwenden sollten, sich

in Afghanistan am BodenVerbündete zu kaufen«. Mubarak,ein moderner Pharao, der seineMacht unter anderem durch diebrutale Unterdrückung derislamistischen Bewegungen inseinem Land gefestigt hatte, warsich zweifellos bewusst, dass erdurch eine robuste Partnerschaftmit einem Amerika, das nach einerneuen Strategie für dieTerrorismusbekämpfung suchte, vielzu gewinnen hatte. Also erklärte erRumsfeld mit viel Pathos, dass derKampf gegen den Terrorismus nötig

sei, »um den Planeten zu retten«.Keine Beziehung jedoch war für

die inzwischen kriegführende CIAwichtiger als die zumpakistanischen Directorate for Inter-Services Intelligence (ISI). Leiderwar diese Beziehung schon seitJahren durch die schlimmstenEigenschaften einer zerrütteten Ehegekennzeichnet: Beide Partnerhatten schon lange das Vertrauenzueinander verloren, aber keinerkonnte sich jemals eine Trennungvorstellen.

Das Verhältnis zwischen beiden

Geheimdiensten war ein Abbild derBeziehung zwischen beiden Ländernen miniature. Die enge Verbindungvon CIA und ISI in den 1980er-Jahren, als amerikanische undpakistanische Agenten Waffen nachAfghanistan schmuggelten undMudschahedin darin ausbildeten,sowjetische Hubschrauberabzuschießen, hatte sich in den1990er-Jahren verschlechtert, alsdie USA am postsowjetischenAfghanistan das Interesse verlorenund Pakistan für sein geheimesAtomwaffenprogramm mit

schweren Sanktionen belegten.Pakistan reagierte, indem es alsGegengewicht zu den Gruppen derNordallianz, die schon lange vonIndien unterstützt wurden, eineGruppe halb analphabetischerpaschtunischer Stammeskrieger ausdem Süden Afghanistans förderte,die Taliban.

Der ISI betrachtete sie alspaschtunische Verbündete, die zwarseltsame Fanatiker waren, aberverhindern konnten, dass dieNordallianz Afghanistan übernahmund an der pakistanischen

Westgrenze einen, wie der ISIfürchtete, indischen Satellitenstaatgründete. Die pakistanischeMilitärführung hatte außerdem dasGefühl, so viel für die Vertreibungder Sowjets aus Afghanistan getanzu haben, dass sie nun das Rechthabe, in der afghanischenRegierung die Strippen zu ziehen.

Die amerikanischen Vertreter inIslamabad mussten in den 1990er-Jahren feststellen, dass sie keineDruckmittel besaßen, als sie den ISIaufforderten, die Talibanregierungin Kabul zur Auslieferung Bin

Ladens zu bewegen. Denn währendder pakistanische Geheimdienst dieTaliban durch Geld undmilitärstrategische Beratungunterstützte, hatten die USAPakistan den Geldhahn zugedreht.Auch als al-Qaida 1998 gleichzeitigBombenanschläge auf dieamerikanischen Botschaften inKenia und Tansania verübt hatteund die Amerikaner ihre Forderungmit mehr Nachdruck erhoben, bliebder pakistanische Geheimdienstunbeeindruckt. Die amerikanischenVertreter in Pakistan schickten eine

ganze Kette von Telegrammen nachWashington, in denen sie ihreMisserfolge detailliert schilderten.Ein im Dezember 1998 an dasAußenministerium gerichtetesTelegramm aus Islamabad hattedie sarkastische Überschrift:»Osama Bin Laden: Pakistan istoffenbar nicht geneigt, hilfreich zusein.« Als ein amerikanischerDiplomat in einem Gespräch mitGeneral Ehsan ul-Haq, einemspäteren Chef des ISI, den NamenBin Laden erwähnte, reagiertedieser gereizt und knurrte: »Ich

verstehe nicht, warum ihrAmerikaner euch solche Sorgen umAfghanistan macht.«

Am Morgen des 11. September2001 befand sich der Chef des ISI,General Mahmud Ahmed, geradebei einem Treffen mitAbgeordneten in einemabhörsicheren Raum des HousePermanent Select Committee onIntelligence in Washington. Derkleine, stämmige Mann mit dembuschigen weißen Schnurrbart, derbis zur Mitte beider Wangen reichte,war Geheimdienstchef, seit General

Pervez Musharraf 1999 durch einenMilitärputsch an die Machtgekommen war, und er gab sichkeine Mühe, seine Sympathien fürdie Taliban zu verhehlen. Er hattefrüher einmal einen pakistanischenMilitäranalystenzusammengestaucht, weil dieser zuMusharraf sagte, die Taliban-Politikwirke sich negativ auf PakistansVerhältnis zu anderen Ländern aus.»Die Taliban«, hatte der Chef desISI erklärt, »sind die ZukunftAfghanistans.«

An jenem Morgen auf dem

Capitol Hill hatte Ahmed einfreundliches Gespräch mit demführenden republikanischenAbgeordneten imGeheimdienstausschuss PorterGoss, in dem er mit seinem Wissenüber obskure Fakten desAmerikanischen Bürgerkriegsbrillierte. Goss hatte ein Buch überden Bürgerkrieg als Geschenkverpackt, das er Ahmed überreichenwollte, doch der Austausch vonHöflichkeiten wurde unterbrochen,als Referenten des Ausschusses inden Raum stürmten und den

Abgeordneten und demGeheimdienstchef mitteilten, dassgerade ein zweites Flugzeug in dasWorld Trade Center hineingerastwar. »Mahmud wurde aschfahl imGesicht«, erinnert sich Goss. Derpakistanische Geheimdienstchefverabschiedete sich hastig undsprang in das Auto der Botschaft,das auf ihn wartete. Das Buch bliebeingepackt liegen.

Am folgenden Morgen wurdeAhmed in das Büro desVizeaußenministers RichardArmitage bestellt, dem nicht nach

diplomatischer Korrektheit zumutewar. In der Nacht zuvor hattePräsident Bush bekannt gegeben,dass die USA zwischen den Täternund ihren Hintermännern keinenUnterschied machen würden, undArmitage nahm kein Blatt vor denMund, was das Dilemma des ISIbetraf.

»Pakistan steht vor einerschwierigen Wahl: Entweder es istfür oder gegen uns«, sagteArmitage zu dem pakistanischenGeheimdienstchef, und er fügtehinzu, er müsse sich für schwarz

oder weiß entscheiden, ohneZwischentöne.

Beleidigt ob Armitages brutalerOffenheit, antwortete Ahmed,Pakistan werde zwar schon langebeschuldigt, mit den Terroristen»im Bett zu sein«, aber nichts liegeder Wahrheit ferner. Sein Landwerde die Vereinigten Staaten ohneZögern unterstützen, sagte er, under versicherte: »Pakistan hat solcheDinge schon immer schwarz oderweiß gesehen.« Armitage warnteAhmed, dass die USA eine Liste mitForderungen für Pakistan

vorbereiteten, die in Islamabadwahrscheinlich »eine tiefgreifendeSelbstprüfung« auslösen werde.

Die Bedingungen für die Ehezwischen der CIA und dem ISIwurden am folgenden Tagdiskutiert. Armitage sagte Ahmed,dass die USA uneingeschränktenZugang zum pakistanischenLuftraum haben und innerhalbPakistans Geheimdienstoperationendurchführen wollten. Außerdemfordeten sie Zugang zu den Häfendes Landes, seinen Start- undLandebahnen und seinen

Stützpunkten entlang der Grenze zuAfghanistan. Auch bestand erdarauf, dass der ISI alleInformationen, die er über al-Qaidabesaß, an die CIA weitergab.

Ahmed versicherte Armitage,dass er die Liste an Musharrafweiterleiten werde, forderte aberals Gegenleistung, dass Pakistan fürseine Hilfe im Krieg gegen al-Qaidaentschädigt würde. Wenn sichPakistan gegen die Taliban wendeund einem Krieg an seinerWestgrenze zustimme, müsse esdafür belohnt werden.

Die Prämissen der gestörtenBeziehung zwischen Amerika undPakistan in der Ära nach dem11. September waren damitgesetzt: Die Vereinigten Staatenwollten das Recht, in Pakistan einengeheimen Krieg zu führen, undIslamabad nahm dafür Geld.Präsident Musharraf hatte nichtallen Forderungen Washingtonszugestimmt. Zum Beispiel schränkteer die Bewegungsfreiheitamerikanischer Flugzeuge impakistanischen Luftraum ein, weil erbefürchtete, dass die Vereinigten

Staaten Aufklärungsflüge überpakistanische Atomanlagen machenkönnten. Auch verweigerte er denAmerikanern den Zugang zu denmeisten Militärstützpunkten. Nurauf Luftwaffenstützpunkten durftensie Militärpersonal stationieren: inShamsi, das in der RegionBelutschistan im Südwesten desLandes liegt, und in Jacobabad inder nördlichen Provinz Sindh. AmEnde hatten sowohl Islamabad alsauch Washington bei derErneuerung ihrer Treueschwüre dasGefühl, mehr gegeben als

bekommen zu haben, ein Umstand,der Jahre später zu Vorwürfen undRessentiments führen sollte.

Washington hatte an seinerHaltung keinen Zweifel gelassen,und Musharraf war sich über dieBedeutung der amerikanischenPosition voll im Klaren. Er hatte seinganzes Berufsleben beim Militärverbracht und kalkulierte seineMöglichkeiten wie bei einemmilitärischen Planspiel. Späterschrieb er in seinen Memoiren,wenn er sich dafür entschiedenhätte, die Taliban zu schützen,

hätten die USA Pakistan alsterroristischen Staat betrachtet.Dann hätten sie das Landhöchstwahrscheinlich angegriffen,sein Militär vernichtet und seinAtomwaffenarsenal beschlagnahmt.Indien hatte damals schonangeboten, seine Stützpunkte fürden Afghanistankrieg zur Verfügungzu stellen, und Musharrafvermutete, dass die Amerikanerschon bald einen Stützpunkt imnordwestindischen Amritsar genutzthätten, um Kampfeinsätze zufliegen. Die Bomber hätten auf

ihrem Weg nach Afghanistan undauf dem Rückweg, wenn sie ihretödliche Last abgeworfen hätten,pakistanisches Gebiet überflogen.Schlimmer noch, die Inder hättendie Gelegenheit ergreifen und mitamerikanischer Zustimmung eineOffensive in Kaschmir eröffnenkönnen. Das strategischeGleichgewicht in Südasien, daslange von einem Bündnis zwischenPakistan und den USA gegen Indienund dessen historischenVerbündeten Russland geprägtgewesen war, hätte sich für immer

verändert, und Pakistan wäre zueinem zerrütteten, verarmtenPariastaat geworden.

Am Abend des 19. Septembererklärte Musharraf dempakistanischen Volk, wie er auf dieWashingtoner Forderungen reagierthatte. Er trug eine eleganteMilitäruniform, aber sein Gesichtwirkte abgehärmt und gezeichnetvon den endlosen Besprechungenmit Generälen, Politikern, religiösenFührern und amerikanischenDiplomaten. Seine Rede, die imFernsehen übertragen wurde,

enthielt keine Anklage gegen al-Qaida oder die Taliban, und erverurteilte die Angriffe auf dasWorld Trade Center und dasPentagon nicht ein einziges Mal.Stattdessen begründete er seineEntscheidung, Amerika zu helfen,ausschließlich mit nationalistischenArgumenten: Indien habeWashington bereits seine volleUnterstützung zugesagt, und eswolle unbedingt dafür sorgen, »dassin Afghanistan eineantipakistanische Regierung an dieMacht kommt, falls dort ein

Regierungswechsel stattfindet«. Ersagte, Pakistan habe vierPrioritäten: die Sicherheit seinerGrenzen; das Kaschmirproblem; dieWiederbelebung der Wirtschaft undschließlich den Schutz seiner»strategischen Aktivposten«.

Der letzte Punkt bezog sich nichtnur auf das Atomwaffenarsenal, mitdem Pakistan Indien zerstörenkonnte. Pakistans Militär verfügtenoch über weitere »strategischeAktivposten«. Bis 2001 hatten sichdie afghanischen Taliban und dasNetzwerk von Guerillagruppen, das

von Jalaluddin Haqqani geführtwurde, zu wichtigen Elementen derpakistanischen Verteidigungentwickelt, und Musharraf machtein seiner Rede klar, dass er dieTaliban immer noch als Bollwerkgegen Indien betrachtete. Auchwenn er dazu neige, Mullah Omardie Auslieferung Bin Ladens zuempfehlen, verfolge er dieStrategie, die Krise zu überwinden,»ohne den Taliban oder Afghanistanzu schaden«.

Tatsächlich waren die Dingenicht schwarz oder weiß. Eine

Woche nach den Angriffen des11. September und eine Wochebevor Bush bei einer gemeinsamenSitzung beider Kammern desKongresses die Taliban der»Beihilfe zum Mord« beschuldigte,hoffte Musharraf immer noch, dassdie Taliban an der Macht bleibenkönnten. Washington hatte sich derIllusion hingegeben, dass Musharrafausschließlich auf die RegierungBush gesetzt hatte. Tatsächlichjedoch entschied er sich für einedeutlich differenziertere Strategie,die vielen amerikanischen

Regierungsvertretern auch nachzehn Jahren Afghanistankrieg einRätsel sein sollte.

Der ISI hoffte immer noch, einenweiteren blutigen Krieg inAfghanistan vermeiden zu können,insbesondere wenn dabei dieTaliban durch die Tadschiken undUsbeken der Nordallianz ersetztwerden würden. Nach seinerRückkehr flehte Ahmed dieamerikanische Botschafterin WendyChamberlin an, keinen Krieg ausRache zu beginnen. Ein wirklicherSieg in Afghanistan sei nur durch

Verhandlungen zu erreichen. »Wenndie Taliban eliminiert werden«,sagte Ahmed, »fällt Afghanistanwieder den Warlords in die Hände.«

Der Geheimdienstchef lieh sichvon der CIA ein Flugzeug und flogdamit nach Kandahar, um denTalibanführer Mullah MohammedOmar von der Auslieferung BinLadens zu überzeugen. Omar, einfrüherer Kommandeur derMudschahedin, der im Krieg gegendie Sowjetunion ein Auge verlorenhatte, verhöhnte seinenlangjährigen Wohltäter als

Laufburschen der USA, lehnte seineForderungen ab und entließ ihn miteiner scharfen Zurechtweisung: »Siewollen den Amerikanern gefallen,und ich will Gott gefallen.«

Über die Afghanistanstrategie hattees in der CIA von Anfang anKonflikte gegeben, wobei esinsbesondere zwischen denBeamten in Langley und denen inder CIA-Station in Islamabad zuZerwürfnissen kam. CTC-Chef CoferBlack drängte darauf, sofort dieNordallianz zu bewaffnen und nach

Süden Richtung Kabul vorzustoßen.Doch Robert Grenier, derStationschef in Islamabad, wandtesich gegen diesen Plan. Er warnte,jeder Versuch, eine von Indien undRussland unterstützte Miliz zubewaffnen, werde die Beziehungenzu Pakistan sofort wieder zerstören,die sich nach jahrelangemgegenseitigem Misstrauen geradewieder verbessern würden. DieseinternenMeinungsverschiedenheiten wurdendrei Wochen nach dem11. September einem breiteren

Publikum bekannt, als CIA-Beamteim Pentagon an einer Telekonferenzzwischen Washington, Islamabadund dem Hauptquartier des UnitedStates Central Command in Tampateilnahmen.

Während der Konferenz sagteGrenier, eine Bodenoffensive unterBeteiligung der Nordallianz dürfeerst stattfinden, wenn der ISI mehrZeit gehabt habe, um die Taliban zueiner Auslieferung Bin Ladens zubewegen. Wenn man dieNordallianz unterstütze, könne dieszu einem weiteren blutigen

afghanischen Bürgerkrieg führen.Ein Einsatz der amerikanischenLuftwaffe werde vorläufigausreichen, um die Taliban an denVerhandlungstisch zu bringen. HankCrumpton, ein Beamter des CTC,den Cofer Black ausgewählt hatte,um den Krieg der CIA inAfghanistan zu führen, hieltGreniers Position für naiv. Er gebelediglich die Position des ISI wiederund leide unter einem schweren Fallvon »Clientitis« [übertriebeneLoyalität eines Diplomatengegenüber dem Gastland, A.d.Ü.].

Nach der Sitzung sagte Crumptonzu Rumsfeld, seiner Ansicht nachläge Grenier völlig falsch.

Gut möglich, dass Grenierwirklich Befürchtungen des ISIweitergab, aber diese Bedenkenwaren keineswegs irrational.Vertreter des ISI warnten damalsschon seit Wochen ihre CIA-Kollegen in Islamabad, dass einKrieg in Afghanistan völlig außerKontrolle geraten könne. Er werdedas empfindliche Gleichgewicht inder Region stören und vielleichtsogar zu einem ausgewachsenen

indisch-pakistanischenStellvertreterkrieg aufafghanischem Boden führen.

Als sich die Verhandlungendahinschleppten und auf denSeptember der Oktober folgte,begann die CIA in aller Stilleparamilitärische Teams nachAfghanistan zu entsenden. Siesollten mit den WarlordsVerbindung aufnehmen, die unterdem Banner der Nordallianzkämpften. Unterdessen wurde dasTerrorismusbekämpfungszentrumder CIA weiterhin von einer Flut

bedrohlicher Informationen aus CIA-Stationen im Nahen Osten und inSüdasien überschwemmt. Am5. Oktober, zwei Tage bevor dieUSA über Afghanistan die erstenBomben abwarfen, schickteArmitage ein höchst geheimesTelegramm an Wendy Chamberlin,in dem er sie aufforderte, sichsofort mit General Ahmed zutreffen. Armitage wollte, dassMullah Omar eine einfacheBotschaft erhielt, und dass Ahmedsie übermittelte. Wenn ein weitererTerrorangriff nach Afghanistan

zurückverfolgt werden könne,schrieb Armitage, werde dieamerikanische Reaktion fürchterlichsein: »Jede Stütze desTalibanregimes wird zerstört.«

Einen Tag nach dem Beginn desamerikanischen Kriegs inAfghanistan löste Musharraf GeneralAhmed als Chef des ISI ab.Führende CIA-Beamte inWashington hatten auf AhmedsEntlassung gedrängt, und die Wahlseines Nachfolgers stieß aufallgemeine Zustimmung. GeneralEhsan ul-Haq, ein weltgewandter

Militärkommandeur, der damals dasArmeekorps in Peschawarbefehligte, hatte zu dem Kreisführender Militärs gehört, der 1999Musharraf an die Macht brachte,und er hatte im Gegensatz zuAhmed keine offensichtlichenSympathien für die Taliban. Schonwenige Wochen nach seinerErnennung saß er an MusharrafsSeite bei den Vereinten Nationen,wo sich der pakistanische Präsidentund Bush zum ersten Mal seit dem11. September trafen und über dieamerikanischen Pläne in

Afghanistan redeten.Zur Vorbereitung auf das Treffen

hatte Außenminister Colin Powellfür den Präsidenten eineDenkschrift verfasst. Darin lobte erMusharraf und kam zu demeindeutigen Schluss, dass diepakistanische Regierung »dieTaliban aufgegeben« habe.»Präsident MusharrafsEntscheidung, nach dem11. September trotz erheblicherpolitischer Risiken voll mit denVereinigten Staaten zu kooperieren,gab unserer stagnierenden

Beziehung plötzlich eine neueWendung«, begann die Denkschrift.Rückblickend war Powells Analysenaiv. Sie gab wieder, was dieamerikanischen Regierungsbeamtenhören und glauben wollten.Musharraf hatte nicht so sehr derpakistanischen Außenpolitik einegrundsätzlich neue Richtunggegeben, als vielmehr ein altesAbkommen wieder aufleben lassen,das sein Vorgänger Zia-ul-Haq alspakistanischer Präsident in den1980er-Jahren mit den Amerikanerngeschlossen hatte: Er würde den

Vereinigten Staaten helfen, ihreZiele in Afghanistan zuverwirklichen, und Pakistan würdeordentlich dafür bezahlt werden.

Musharraf hatte den Krieg nichtverhindern können, aber er wollte,dass die Vereinigten Staaten soschnell wie möglich wieder ausseiner Nachbarschaftverschwanden. Diese Botschaftvermittelte er Bush bei denVereinten Nationen: Tun Sie, wasSie tun müssen, um Bin Laden undseine Gefolgsleute aus Afghanistanzu vertreiben, aber die Vereinigten

Staaten sollten auf keinen Falljahrelang im Land bleiben.

Wie sich herausstellte, hatten diePakistaner die Amerikaner genausoschlimm missverstanden wieumgekehrt. In den Monaten nachdem 11. September schickte dasISI-Hauptquartier eine Serie vonTelegrammen an die pakistanischenBotschaften in Washington undanderswo. Die Analysten desGeheimdiensts waren zu derÜberzeugung gelangt, dass dieVereinigten Staaten sich über dieAusschaltung von al-Qaida hinaus

nicht langfristig in Afghanistanengagieren wollten, ein Schluss,den sie daraus zogen, dassWashington unmittelbar nach demRückzug der Sowjetunion ebenfallsdas Interesse an Afghanistanverloren hatte. So jedenfallsverstand Asad Durrani die Positiondes Geheimdiensts. Derpakistanische Generalleutnant a.D.hatte den ISI in den 1990er-Jahrengeleitet und war pakistanischerBotschafter in Saudi-Arabien, alsder ISI Ende 2001 seineTelegramme an die pakistanischen

Botschaften verschickte.Über den neuen amerikanischen

Krieg in Afghanistan sollte DurraniJahre später sagen: »Es sah ganzdanach aus, als werde es sich umeine Angelegenheit von sehr kurzerDauer handeln.«

Die Mitglieder des pakistanischenGeheimdiensts versuchten immernoch, für ein schnelles Kriegsendezu sorgen. Deshalb hielten sie imNovember und Dezember eineReihe geheimer Treffen mit Führernder Taliban ab, um herauszufinden,wie viele Anhängerschichten sich

vom fanatischen harten Kern derBewegung abschälen ließen. Einedieser Besprechungen fand inIslamabad zwischen dem neuen ISI-Chef Ehsan ul-Haq und JalaluddinHaqqani statt. Ul-Haq hatteHaqqani in die Hauptstadt gebeten,um herauszufinden, welcher Seiteder knorrige alte Guerillaführerzuneigte. Dieser war im Krieggegen die Sowjetunion der größteVerbündete der CIA in Afghanistangewesen, aber in den Jahrendanach hatte er sich zu al-Qaidabekannt und in der Region um

seinen Stützpunkt in Miranshah inNord-Waziristan ein wucherndeskriminelles Imperium aufgebaut.

Bei dem Treffen wurde klar, dasser sich nicht umdrehen ließ. Dieamerikanische Invasion inAfghanistan, sagte er zu ul-Haq, seigenau das Gleiche wie Jahre zuvordie sowjetische. Mit erschreckenderWeitsicht prophezeite er, dass derneue Krieg genauso ausgehenwürde wir der alte. Er sagte, erkönne die amerikanischen Bombernicht aufhalten, aber am Endemüssten die USA große Mengen an

Bodentruppen schicken. Und wenndas passiere, werde er denAmerikanern ebenbürtig sein.

Sie könnten alle Städte besetzen,aber sie könnten nicht alle Bergebesetzen, fuhr der Guerillaführerlaut ul-Haq fort. »Also gehen wir indie Berge und leisten Widerstand.Genau wie wir es gegen dieSowjetunion getan haben.«

Die Nachricht, dass der berühmteGuerillaführer in Islamabadgewesen war, erreichte schnell dieamerikanische Botschaft, und CIA-Stationschef Robert Grenier suchte

sofort ul-Haq auf, um sich über dasGespräch zu informieren. Diesergab zu, dass Haqqani in der Stadtgewesen war und er mit ihmgesprochen hatte. Er habe Greniernur deshalb nicht informiert, weilbei dem Treffen nichts Positivesherausgekommen sei.

»Ich glaube nicht, dass er unsvon Nutzen sein wird«, sagte ul-Haq.

Musharraf hatte zwar einen neuenISI-Chef eingesetzt, aberkeineswegs alle Islamisten aus dem

Militär entfernt. Als ul-Haq denGeheimdienst übernahm, ernannteMusharraf Generalleutnant Ali JanAurakzai, einen engen Freund undlangjährigen Sympathisanten derTaliban, zu ul-Haqs Nachfolger alsKommandeur des Armeekorps inPeschawar.

Die blühende HandelsstadtPeschawar ist die Hauptstadt vonPakistans North-West FrontierProvince, einem Territorium, dasdie Briten so nannten, weil es fürsie am äußeren Rand der»besiedelten« Gebiete lag.**** Mit

dem Posten in Peschawarübernahm General Aurakzai auchdie Aufsicht über die»Stammesgebiete unterBundesverwaltung«, eine raueGebirgsregion, die von denkriegerischen Stämmen der Waziriund der Mehsud beherrscht wurdeund in der die Zentralregierung nurwenig zu sagen hatte.

Die Briten hatten bei derZähmung der Stammesgebiete, diezu Britisch-Indien gehörten, kaumErfolg gehabt und sie schließlichaufgegeben. Winston Churchill war

1897 als 23-jähriger Journalist inIndien gewesen und hatte sechsWochen bei der britischen MalakandField Force geweilt. Er schickteTelegramme an den DailyTelegraph, in denen er die Bergedes Landes beschrieb, die»Gebirgszug für Gebirgszug wie dielangen Wogen des Atlantiksaussehen. Und in der Ferne lässtirgendein glitzernder Schneegipfeleinen weiß gekrönten Brechervermuten, der höher ist als derRest.«

»Der heftige Regen, der jedes

Jahr fällt«, fuhr Churchill fort, »hatdie Erde auf den Berghängenfortgespült, sodass sie durchzahllose Wasserläufe seltsamgezeichnet sind und überall dasschwarze Urgestein frei liegt.«Diese Landschaft hatte sich seitChurchills Besuch kaum verändert,und die Menschen in denStammesgebieten waren nochimmer extrem misstrauischgegenüber Fremden. DieStammesgebiete seien ein Ort,schrieb Churchill, wo »jeder dieHand gegen jeden erhebt und alle

gegen den Fremden«.General Aurakzai hatte Musharraf

seine Loyalität dadurch bewiesen,dass er an dem Putsch von 1999teilnahm. Berichten zufolge war esAurakzai, der mit gezogener Waffeim Haus des damaligen PräsidentenNawaz Sharif erschien und ihmmitteilte, dass das Militär inPakistan die Macht übernehme. Derstattliche Mann war in denStammesgebieten aufgewachsenund hatte genug Zeit in den Bergenverbracht, um zu wissen, dass dieregulären pakistanischen Truppen

für die Aufgabe nicht ausgebildetwaren, die sie übernehmen sollten.Er sagte zu Musharraf, er habeZweifel, dass viele ausländischeKämpfer von al-Qaida über dieGrenze nach Pakistan kommenwürden.

Doch die CIA-Beamten inIslamabad waren anderer Ansicht.Wenige Monate nachdem PakistanSoldaten in den Stammesgebietenstationiert hatte, versorgte die CIAden ISI kontinuierlich mit Berichtenüber die Ankunft arabischerKämpfer in den Bergen, aber

Aurakzais Militärpatrouillen fandennichts. Grenier, der CIA-Stationschefin Islamabad, sagte, Aurakzai undandere pakistanische Offizielle, mitdenen er im Gespräch sei, hättendie Befürchtung, dass es leicht zueinem Aufstand der Stämmekommen könne, wenn pakistanischeSoldaten durch die Bergdörferpolterten. Die pakistanischenRegierungsvertreter wollten einfachnicht glauben, dass al-Qaida inPakistan eine neue Basis aufgebauthätte, keine 150 Kilometer von denStützpunkten in Afghanistan

entfernt, wo sie die Angriffe des11. September geplant hatte. Das,so Grenier, sei eine »unbequemeTatsache«.

Aurakzai hatte bis zu seinerPensionierung im Jahr 2004 dasKommando in Peschawar, und ersollte noch jahrelang behaupten,dass es in den Stammesgebietenkeine arabischen Kämpfer gebe. ImJahr 2005 sagte er zu einemReporter: Die Vorstellung, dass sichBin Laden in Pakistan versteckenkönnte, sei eine reine Vermutung.Er habe nie Beweise dafür

gefunden, dass arabische Kämpferin den Stammesgebietenoperierten. Es sei sinnlos, inPakistan Jagd auf Bin Laden und al-Qaida zu machen.

Andere wussten es besser.Brigadegeneral Asad Munir hattegerade seinen Posten als ISI-Stationschef in Peschawarübernommen, als die Angriffe des11. September stattfanden, und esdauerte nicht lange, bis dieAmerikaner in die Stadt kamen.Anfangs waren es nur wenige, nicht

mehr als ein Dutzend, die dort einbefestigtes Konsulat einrichteten.Es war Ende 2001, und sie warengekommen, um gemeinsam mitihren pakistanischen KollegenQaida-Kämpfer zu jagen, die vorden Kämpfen in Afghanistan nachPakistan geflohen waren. Sie warengekommen, um mit Asad Munirzusammenzuarbeiten.

»Ich hatte nie zuvor einen CIA-Beamten getroffen«, erinnerte sichdieser und zog so heftig an seinerBenson & Hedges, dass sein Gesichtmit den zerknitterten Zügen eines

alternden Bollywoodstars manchmalfast gänzlich hinter denRauchwolken verschwand. Erdachte wehmütig an die erstenJahre nach dem 11. Septemberzurück, als die amerikanischen unddie pakistanischen Spione noch dengleichen Feind zu bekämpfenschienen.

»Wir waren einfach wieFreunde.«

Die Amerikaner, die von einemCIA-Beamten namens Keith geführtwurden, standen Munir und fastallen anderen Mitarbeitern des ISI

anfangs misstrauisch gegenüber.Aber schon nach zwei Wochen wardas Misstrauen laut Munir verflogen.Peschawar war die westlichsteStadt, in der die CIA einen großenStützpunkt einrichten konnte, undbis Mitte 2002 hatte derGeheimdienst das amerikanischeKonsulat in ein ausgewachsenesSpionagezentrum verwandelt. Aufdem Dach wurden Antennenmontiert, neue Computer installiert,oberflächlich getarnte Agententrafen ein. Das Konsulat war einGeheimdienstbüro, das sich als

diplomatischer Vorposten ausgab.Wie sich Munir erinnert, kam

noch eine zweite Sorte vonAmerikanern in die Stadt, »dieTechniker«. Er wusste es nicht, aberdiese Männer gehörten zu dergeheimnisumwitterten MilitäreinheitGray Fox, einer Spezialtruppe derUS-Army mit der offiziellenBezeichnung Intelligence SupportActivity, deren Hauptquartier sich inFort Belvoir in Virginia befand. Siesetzte auf der ganzen WeltGeheimagenten ein, die mit einerSpezialausrüstung

Kommunikationsmittelüberwachten. Nach ihrer Ankunftvergrößerte sich die Datenbank mitverdächtigen Handynummern, diedas amerikanisch-pakistanischeTeam angelegt hatte, dramatisch.Sie wurde zum Aufspüren vonQaida-Kämpfern benutzt, die sich inder Umgebung von Peschawar undin den Stammesgebieten aufhielten.Aus zwölf Nummern wurdenhundert und aus hundert wurden1200. Namen von Algeriern,Libyern, Saudis und Männernunbekannter Nationalität, die weder

die CIA noch der ISI je zuvor gehörthatten, kamen hinzu, und die »Listewuchs wie verrückt«, wie Munirsagte. Die meisten der Ausländer,die Munir und die Amerikanerjagten, waren vor denamerikanischen Luftangriffen aufTora Bora und das Shahi-Kot-Tal imOsten Afghanistans geflohen undzwischen Dezember 2001 und April2002 nach Pakistan gekommen. Siewaren Araber oder Usbeken oderTschetschenen oder stammten ausanderen zentralasiatischen Ländern.Einige wollten nur in die arabischen

Staaten am Persischen Golfzurückkehren. Andere suchtenschlicht nach einer neuen Heimatund schlugen Wurzeln, indem siepaschtunische Frauen aus derGegend heirateten.

Jeden Tag brüteten die Beamtendes ISI und der CIA über einemdicken Stapel von Transkriptenabgehörter Gespräche. Dannnutzten sie ihre Erkenntnisse, umRazzien gegen Verdächtige in undum Peschawar zu planen. DieErkenntnisse aus denAbhöraktionen waren sehr

begrenzt. Doch gerade mit diesembegrenzten Blick auf den Krieghatten die Agenten in Peschawarmanchmal Fahndungserfolge, diesie mit mehr Informationenvielleicht nie gemacht hätten. Soverfolgten Agenten im Juni 2003das Handy des Algeriers Adil Hadial-Jazairi in ein großes öffentlichesSchwimmbad in der Nähe vonPeschawar. Als sie ankamen, warenmehr als hundert Männer imBecken. Ohne ein Foto konnten sieden Gesuchten unmöglichidentifizieren. Doch einer der

Agenten des ISI wählte dieNummer, die vermutlich zu al-Jazairis Handy gehörte, und schonschwamm ein bärtiger Mann zueinem klingelnden Handy amBeckenrand. Ein Team vonPolizisten aus Peschawar eilteherbei und nahm den Mann intropfender Badehose fest.

Zufällig hatten sie jedoch einenDoppelagenten verhaftet. Siewussten nicht, dass al-Jazairi dembritischen Geheimdienst MI6Informationen über al-Qaidageliefert hatte. Der Algerier wurde

nach Guantánamo verfrachtet, undder britische Geheimdienst hatteeinen Informanten weniger.

Auch Jahre nach den Ereignissenbehält Munir noch vieleAgentenstorys für sich, befolgteinen Kodex, von dem er erwartet,dass ihn auch seine amerikanischenPartner beachten. Er denkt dabei andie Achtung, die sich die beidenGeheimdienste damalsentgegenbrachten, einen Respekt,der fast an Vertrauen grenzte. Essei eine »wirklich angenehme Zeit«gewesen, sagt er, und ein

historischer Augenblick, von dem erweiß, dass er wegen der Jahre desMisstrauens, die auf ihn folgten, niewiederkehren wird.

Dank dem Erfolg der von AsadMunir und den CIA-Beamten in derRegion Peschawar durchgeführtenOperationen und der Festnahmevon hochrangigen Helfern BinLadens wie Chalid ScheichMohammed und Ramzi Binalshibh inanderen pakistanischen Städtenglaubten viele führende Mitgliederder Regierung Bush, dass diePartnerschaft funktionierte. Die in

Pakistan gefangenen Qaida-Mitglieder wurden aus dem Landgeschmuggelt und nachAfghanistan, Thailand, Rumänienund in andere Länder gebracht, dieder CIA die Einrichtung vonGeheimgefängnissen auf ihremBoden erlaubten. Die CIA zahlteMillionen Dollar an den ISI, als dieRechnungen für die UnterstützungIslamabads fällig wurden. Solukrativ war das Arrangement fürdie Pakistaner geworden, dass inIslamabad der Witz kursierte, fürjeden Terroristen, den der ISI zu

fangen helfe, müssten zwei neuegeschaffen werden, damit das Geldweiter fließe.

Laut Asad Munir entwickelte sichdas vage Interesse, das der ISI2001 an der Aufrechterhaltungseiner Verbindungen mit denafghanischen Taliban und demHaqqani-Netzwerk hatte, in denJahren 2003 und 2004 zu einersorgfältig konzipierten Strategie.Islamabad wollte beide Gruppennutzen, um Nachkriegsafghanistanzu seinem eigenen Vorteil zugestalten. Seine ursprüngliche

Analyse hatte sich als falscherwiesen: Der Krieg war nicht vonkurzer Dauer. Außerdem war dieEntscheidung der Regierung Bush,im Jahr 2003 in den Irakeinzumarschieren, für vielepakistanische Militärs undGeheimdienstbeamte der Beweis,dass Washington an Afghanistandas Interesse verloren hatte unddort abermals einen chaotischenRückzug antreten würde. Alsowürde Pakistan sich selbst schützenmüssen.

»Die Amerikaner kamen ohne

einen umfassenden Plan nachAfghanistan. Sie hatten keineAntworten auf die Frage: ›Wiegehen wir rein, und wie gehen wirwieder raus?‹«, sagte Munir. »Sieinteressierten sich damals nicht fürdie Taliban, sondern waren auf al-Qaida konzentriert.«

»Die Pakistaner«, fuhr er fort,»nahmen stillschweigend an, dassdiese Leute, die Amerikaner,Afghanistan nicht sichern würden.Wir dachten: ›Sie werden wiedergehen, und wir werden mit denAfghanen leben müssen.‹«

Er machte eine Pause und zog anseiner Zigarette.

»Wir haben unsere eigenenInteressen und unsere eigenenSicherheitsbedürfnisse.«

**** Die pakistanische Regierung sollte das Gebietspäter in Khyber Pakhtunkhwa umbenennen.

3

MEUCHELMÖRDER

»Auf keinen Fall brauchen wir einRegiment von Meuchelmördern, die sich

ihre Orden – und tatsächlich auch ihreBeförderungen – mit der Planung neuer

Taten auf der ganzen Welt verdienen.Sie betreiben ein Geschäft, das seine

eigene Existenz perpetuiert.«Senator Frank Church, 1976

Es ist noch gar nicht lange her, dass

die CIA aus dem Killing Businessausgestiegen war.

Als Ross Newland in den späten1970er Jahren bei der CIA anfing,suchte der Geheimdienst nicht nachSchlachten, die er im Auslandschlagen konnte. Newland kamfrisch von der Uni, und die CIAtaumelte noch von den schwerenSchlägen, die sie einsteckenmusste, als Kongressausschüsse dieverdeckten Operationenuntersuchten, die sie seit ihrerGründung im Jahr 1947durchgeführt hatte. Der Kongress

verschärfte seine Kontrollegeheimer Aktivitäten, und diekasteiten CIA-Führer konzentriertensich wieder auf die Beschaffunggeheimer Informationen imAusland, also auf traditionelleSpionage und nicht mehr auf denSturz von Regierungen oder dieTötung von Regierungschefs.

Jimmy Carter hatte sich imWahlkampf für eine Beendigung derCIA-Abenteuer in Überseeeingesetzt und Admiral StansfieldTurner zum neuen Chef von Langleyernannt. Turner sollte einen

Geheimdienst wieder unterKontrolle bringen, der nach CartersAnsicht Amok gelaufen war.Newland und eine ganze Generationneuer Führungsoffiziere, die damalszur CIA kamen, lernten, dass sichdie CIA nur in Schwierigkeitenbringen würde, wenn sie dasGeschäft des Tötens wiederaufnehmen würde. Am Ende seinerBerufslaufbahn erlebte Newlandjedoch, dass der Dienst in Bezugauf die Anwendung tödlicher Gewaltwieder zu seinem Ausgangspunktzurückkehrte. Und er hatte seine

Zweifel, ob es weise war, dass sichdie CIA erneut als willigerScharfrichter der Feinde Amerikaszur Verfügung stellte.

Der Geheimdienst war mit einemrelativ simplen Auftrag gegründetworden: Beschaffung und Analysevon Nachrichten, damit sich dieamerikanischen Präsidenten jedenTag über die verschiedenenBedrohungen informieren konnten,mit denen die USA konfrontiertwaren. Truman hatte nicht gewollt,dass die CIA sich zu Amerikasgeheimer Armee entwickelte, aber

eine verschwommene Klausel imNational Security Act von 1947ermächtigte die Agency, »imZusammenhang mit ihrengeheimdienstlichen Aufgaben auchandere Funktionen und Pflichtenwahrzunehmen, die die nationaleSicherheit betreffen«.Amerikanische Präsidenten habendiese Ermächtigung zu »verdecktenAktionen« genutzt, um die CIA mitSabotageaktionen,Propagandakampagnen,Wahlfälschungen undMordanschlägen zu beauftragen.

Von Anfang an bezweifeltenKritiker, dass die USA überhaupteinen vomVerteidigungsministeriumgetrennten Auslandsgeheimdienstbrauchten. Wenn die Direktoren derCIA die Unabhängigkeit ihresDiensts verteidigen, weisen sie gerndarauf hin, was sie haben und wasdas Pentagon nicht bieten kann:einen Kader von Agenten, dergeheime Missionen in Überseedurchführen kann, bei denen dieUrheberschaft der USA verborgenbleibt. Der Dienst ist direkt dem

Präsidenten unterstellt und kanndessen Befehle schneller undunauffälliger ausführen als dasMilitär. Das Weiße Haus hat inHunderten von Fällen auf verdeckteOperationen zurückgegriffen unddies oft bedauert. Doch die Leutehaben ein kurzes Gedächtnis. Allevier oder acht Jahre kommt einneuer Präsident ins Weiße Haus,und so hat sich in der zweitenHälfte des 20. Jahrhunderts einvertrauter Zyklus eingeschlichen:Ein Präsident stimmt aggressivenCIA-Operationen zu. Der Kongress

veranstaltet unschöneUntersuchungen, wenn Detailsdieser Operationen bekanntwerden. Die CIA übtSelbstbeschränkung undSelbstkritik. In der Folge wird sie alsrisikoscheu kritisiert, was dienächste Periode aggressiververdeckter Operationen einleitet.Manchmal begann der Zyklus gleichzu Beginn einer Präsidentschaft.John F. Kennedy erklärte schon inder ersten Woche seiner Amtszeitseinen Beratern, dass die CIA inVietnam nicht aggressiv agiere. Und

er begann einen geheimen Krieggegen Hanoi, der sich zur größtenund kompliziertesten verdecktenOperation seiner Zeit entwickelnsollte.

Die Ambivalenz der CIA, was dieDurchführung von Attentatenbetraf, war schon für ihrenVorlaufer, das Office of StrategicServices (OSS) kennzeichnend. Der1942 unter der Regie seinesgrimmigen Chefs William J.Donovan gegründete Dienst war zuallererst eine paramilitärischeOrganisation und erst in zweiter

Linie ein Geheimdienst. Donovans»glorreiche Amateure« verbrachteneinen Gutteil des ZweitenWeltkriegs mit der Sabotage vonBahnlinien, dem Sprengen vonBrücken und der Bewaffnung desantinationalsozialistischenWiderstands auf dem gesamteneuropäischen Kriegsschauplatz.Trotzdem bekam selbst Donovanam Ende des Kriegs kalte Füße, alses um ein Programm zur Tötungführender Nationalsozialisten ging.Bis 1945 hatte der OSS etwahundert Deserteure der Wehrmacht

dafür ausgebildet, führende Naziszur Strecke zu bringen, wobei nichtnur Hitler und Göring auf derAbschussliste standen, sondern alleMitglieder der SS mit einemhöheren Rang alsHauptsturmführer. Für dieseorganisierten Tötungen sollten dieAgenten, die für das »CrossProject« arbeiteten, 200 Dollar imMonat bekommen. Doch die Teamswurden nie nach Deutschlandgeschickt; Donovan schrieb anseine Mitarbeiter, dass ein solchesProgramm der »summarischen

Tötung … den OSS nur inSchwierigkeiten bringen« könne.Statt die führenden Nazis zu töten,wollte sie Donovan nur nochkidnappen und zurNachrichtenbeschaffung verhörenlassen. Doch der Krieg war zu Ende,bevor die erste Entführung hättestattfinden können.

Jahrzehnte später hatte ein vonFrank Church aus Idaho geführterSenatsausschuss eigentlich nur dieAbsicht, inländischeGesetzesverstöße, etwa illegaleAbhörmaßnahmen, zu untersuchen.

Anfang 1975 ließ Gerald Fordjedoch gegenüber Journalisten diebeiläufige Bemerkung fallen, dassdie Ermittler womöglich auf eineReihe versuchter Mordanschläge derCIA gegen ausländische Staatschefsstoßen würden, wenn sie nur tiefgenug gruben. Als diese Äußerungan die Öffentlichkeit kam, machteder Ausschuss diese Attentate zumwichtigsten Schwerpunkt seinerAnhörungen.

Sechs Monate lang hörten dieSenatoren Aussagen über Pläne fürdie Tötung Patrice Lumumbas im

Kongo oder die Platzierung einerexplodierenden Muschel an jenemOrt, wo der kubanische DiktatorFidel Castro mit Vorliebeschnorchelte. Das prägendste Bildvon den Anhörungen entstand, alsdie Mitglieder des Ausschusses einePistole herumgehen ließen, die dieCIA zum Verschießen von Giftpfeilengebaut hatte, und als Senator BarryGoldwater mit der Waffe einimaginäres Ziel in der Luftanvisierte. CIA-Direktor WilliamColby versuchte klarzumachen, dassdie Waffe nie zum Einsatz

gekommen war, doch das Bild bliebim kollektiven Gedächtnis haften.Schon bevor der Ausschuss seineArbeit beendet hatte, erließPräsident Ford eine Anordnung, diees dem Staat verbot,Mordanschläge auf ausländischeStaatchefs oder andereausländische Politiker zu verüben.

Wenn Ford mit seinem Verbotüberhaupt einen praktischen Zweckverfolgte, dann den, seineNachfolger im Oval Office davor zubewahren, allzu leicht in verdeckteOperationen verwickelt zu werden.

Der von Church geleitete Ausschusswies darauf hin, dass es bei all denfragwürdigen Aktionen der CIA inden ersten Jahrzehnten ihrerGeschichte immer das Weiße Hausgewesen war, das den Dienst zuskrupellosen Operationen wiePutschversuchen und derErmordung ausländischerStaatschefs ermuntert hatte. DieCIA arbeitete geheim, undGeheimhaltung war füramerikanische Präsidenten schonimmer verführerisch gewesen.

»Sobald die Fähigkeit zu

verdeckten Operationen besteht«,schrieb Senator Church imAbschlussbericht seinesAusschusses, »gerät der Präsidentunter immensen Druck, sie auch zunutzen.« Church bezweifelte, dassAmerika die CIA überhauptbenötigte. Anstatt dem Präsidentenein »Regiment vonMeuchelmördern« zur Verfügung zustellen, solle lieber dasAußenministerium auf den Plantreten: Dieses war nach ChurchsAnsicht durchaus in der Lage,nötigenfalls verdeckte Operationen

durchzuführen, was es aber nur imFall schlimmer Katastrophen tunsollte – etwa »um einen nuklearenHolocaust abzuwenden oder eineZivilisation zu retten«.

Church konnte die Abschaffung derCIA nicht durchsetzen, aber als RossNewland in den späten 1970er-Jahren am Trinity College inConnecticut seinen Abschlussmachte, war die CIA gründlich in dieSchranken gewiesen worden.Newland hatte als Sohn einesinternationalen Geschäftsmanns

den größten Teil seines Lebens inLateinamerika und Spanienverbracht und sprach fließendSpanisch. Aufgrund diesesWerdegangs und weil er sich fürinternationale Angelegenheiteninteressierte, meinte Newland, erkönnte zu einer diplomatischenKarriere berufen sein, beschlossaber, zuerst an der London Schoolof Economics einen Master zuerwerben.

Bei einer glanzvollenGeburtstagsparty in der Residenzdes amerikanischen Botschafters in

Madrid wurde er dann für dasSpionagehandwerk rekrutiert. Erwar von London in die spanischeHauptstadt geflogen, um seineEltern zu besuchen, die dort lebten,und auf der Party sprach ihn einMann Anfang fünfzig an und stelltesich als Mitarbeiter der Botschaftvor. Nach fünfzehn MinutenSmalltalk auf Englisch und Spanischmachten die beiden einenSpaziergang durch den Garten desAnwesens und führten ein längeresGespräch unter vier Augen.

Der Mann war Nestor Sanchez,

Stationschef der CIA in Madrid, undein altgedienter Geheimagent,dessen sagenumwobene CIA-Karriere sich ihrem Ende näherte.Der leidenschaftlicheAntikommunist war schon kurz nachder Gründung zu dem Geheimdienstgekommen und hatte im Zentrumvieler verdeckter Operationengestanden, die von ChurchsSenatsausschuss untersucht wordenwaren. So hatte er 1954 geholfen,in Guatemala den erfolgreichenPutsch gegen Jacobo ÁrbenzGuzmán vorzubereiten, und einem

kubanischen Agenten eine als Füllergetarnte giftgefüllte Spritzeübergeben, mit der Castro hattegetötet werden sollten.

Sanchez sagte zu Newland, erhabe das Zeug zu einem guten CIA-Führungsoffizier, und gab derLondoner CIA-Station seinenNamen.

Drei Monate später saß Newlandin einem kahlen Raum im CIA-Hauptquartier und wartete aufseinen psychologischen Test. EinMann kam herein, nahm Platz undstellte Newland nur zwei Fragen.

»Sie sind also in Mexikoaufgewachsen?«

»Ja.«»Was ist der Unterschied

zwischen einer Enchilada und einerTostada?«

Newland war über die Frageverblüfft, erklärte aber trotzdemden Unterschied zwischen denbeiden Gerichten. Nach einer kurzenUnterhaltung über mexikanischesEssen sagte er ganz ruhig zuseinem Gegenüber, dass sie nun ambesten mit der Überprüfungbeginnen sollten, weil er bald zu

seinem nächsten Gespräch müsse.»Und der sagte: ›Nein, wir sind

fertig‹«, erinnert sich Newland.Ross Newland war bei der CIA.

Er beendete sein Studium an derLondon School of Economics undfing am 5. November 1979 offiziellbeim Geheimdienst an – genaueinen Tag nachdem iranischeStudenten die amerikanischeBotschaft in Teheran gestürmthatten, und sechs Wochen bevorsowjetische Fallschirmjäger in Kabullandeten – als Vorhut von mehrerenHunderttausend Soldaten, die in

den Monaten danach in Afghanistaneinmarschieren sollten. BeideEreignisse erschütterten das CIA-Hauptquartier und insbesondere diedreiundfünfzig Angehörigen vonNewlands Jahrgang. Die Führungdes Geheimdiensts befahl, alleneuen Agenten nach ihrerAusbildung in den Nahen Ostenoder nach Zentralasien zu schicken,es sei denn, sie beherrschten eineFremdsprache, die in dermuslimischen Welt nichtgesprochen wurde.

Weil Newland Spanisch konnte,

gehörte er zu dem DutzendNeulinge, das von dieser»Einberufung« nicht betroffen war.Als er seine Ausbildung alsFührungsoffizier abgeschlossenhatte, war Ronald Reagan Präsidentgeworden, und die CIA hatte einneues Interesse an Lateinamerikaentwickelt. Kokain strömte aus demSüden in die USA, und dieRegierung Reagan war zutiefstbesorgt über die wachsende Machtlinker Guerillabewegungen inMittelamerika. Newlands MentorNestor Sanchez hatte Madrid

inzwischen verlassen und dieLateinamerikaabteilung der CIAübernommen. Auf seinem Posten imHauptquartier konnte er Newlandsfrühe Karriere beeinflussen undplatzierte ihn im Zentrum desGeschehens.

Zunächst wurde er nach Bolivienentsandt – damals der größteKokainlieferant der Welt – undsollte dort Informanten in denDrogenkartellen anwerben. Erverbrachte viel Zeit imbolivianischen Tiefland, wo er sichals amerikanischer Geschäftsmann

ausgab und versuchte, unter denDrogenschmugglern in Santa CruzFreunde zu gewinnen. Er trank mitihnen, wettete bei Hahnenkämpfen,lernte ihre Frauen und Geliebtenkennen und fuhr mit ihnen hinausaus der Stadt, um in baufälligenBungalows an einer Straße, die inden Dschungel führte, Ente mitMango und Ananas zu essen.

Wenn er nicht in Santa Cruzweilte, war er in der bolivianischenHauptstadt La Paz und wartete aufden nächsten Putschversuch. DieCIA-Station in Bolivien war stolz

darauf, dass sie noch jeden Putschvorausgesagt hatte, und ihreBeamten wollten sich ihremakellose Erfolgsbilanz nichtruinieren. Newland erlitt allerdingseinen heilsamen Schock, was dieinternationale Relevanz seinesEinsatzorts betraf, als der einzigeerfolgreiche Militärputsch währendseiner Zeit in Bolivien der New YorkTimes nur eine kleine Erwähnungirgendwo im Innenteil wert war. Dievier Putschversuche zuvor hatten esnicht einmal in die Zeitunggeschafft.

Die Regierung Reagan glaubte inder bolivianischen Regierung eineVerbündete in ihrem Krieg gegendie Drogen zu besitzen. Aber alsNewland die Netzwerke desbolivianischen Drogenhandelsinfiltrierte, schrieb erGeheimdienstberichte über die wildwuchernde Korruption unter denSpitzenbeamten in La Paz, vondenen viele auf der Gehaltsliste derKartelle standen. Der Innenministerschützte die Drogenbosse vorStrafverfolgung, und sie bezahltenihn mit Farmen, Schmuck und

Bargeld. Solche Berichte warenjedoch so gar nicht nach demGeschmack des amerikanischenBotschafters in La Paz.

Durch die Erfahrung in Boliviengewann Newland einen erstenEindruck, wie es den langfristigenInteressen der USA schaden konnte,wenn Washington im Namen eineseinzigen Ziels (in diesem Fall desKriegs gegen die Drogen) korrupteRegierungen stützte. Außerdemfragte er sich, ob es wirklich Sinnmachte, dass die CIA für den Krieggegen die Drogen zuständig war,

oder ob sich die Regierung Reagannur deshalb des Geheimdienstsbediente, weil man schmutzigeKriege am besten heimlich führt.Zwei Jahrzehnte später sollteNewland sich ähnliche Fragen inBezug auf die Rolle der CIA im Krieggegen den Terrorismus stellen.

Die Lateinamerikaabteilung warnoch eine relativ schläfrige Ecke imDirectorate of Operations, der fürGeheimoperationen zuständigenAbteilung der CIA, als Newlandnach Bolivien ging. Sie sollte jedoch

schon bald ins Zentrum des CIA-Universums rücken, vor allemaufgrund personellerVeränderungen, die sich weitoberhalb von NewlandsGehaltsstufe abspielten. Im Juni1981 verließ Nestor Sanchez denDienst und ging zum Pentagon. SeinNachfolger wurde Duane R.Clarridge, ein Gin trinkender,aggressiver Spion alter Schule,genau aus dem Holz geschnitzt, dasRonald Reagans neuer CIA-ChefWilliam J. Casey zu schätzenwusste. Clarridge, der allgemein

»Dewey« genannt wurde, war ineiner streng republikanischenFamilie in New Hampshireaufgewachsen (seinen Spitznamenverdankte er dem GouverneurThomas E. Dewey von New York)und hatte Abschlüsse an der BrownUniversity und der ColumbiaUniversity gemacht, bevor er 1955zur CIA ging. Er brannte darauf, anallen geheimen Fronten des KaltenKriegs gegen die Sowjetunion zukämpfen. Bis 1981 hatte er inNepal, Indien, der Türkei undItalien als Geheimagent gedient.

Dabei gab er sich oft alsGeschäftsmann aus und verwendetePseudonyme wie Dewey Maroneoder Dax Preston LeBaron. Mitseiner kraftvollen Persönlichkeit undseiner Vorliebe für weiße Anzügeund Einstecktücher erwarb er sichbald eine Anhängerschaft unterjungen Geheimagenten. Er sprachgern davon, dass der Geheimdienst»für den Präsidenten marschiert«,aber mit seinem Drängen aufaggressive Geheimoperationenerregte er manchmal den Zorn derDiplomaten des Außenministeriums.

Sein Chef in Rom, der US-Botschafter Richard Gardner,bezeichnete ihn als »geistlos undhinterhältig«.

Clarridge bekam sofort einenguten Draht zu Casey, als er 1981nach Washington zurückkehrte. AmTag nach seiner Rückkehr in dasCIA-Hauptquartier beorderte Caseyihn in sein Büro und informierte ihnüber Reagans Sorge, dass Kuba unddie sandinistische Regierung inNicaragua »die Revolution« nachganz Mittelamerika, insbesonderejedoch nach El Salvador

»exportieren« könnten. Schon eineWoche darauf meldete sichClarridge mit einem Plan zurück:

Tragt den Krieg nach Nicaragua.Fangt an, Kubaner zu töten.

Casey, ein früherer OSS-Mann, warbegeistert. Er ließ Clarridge einegeheime Direktive formulieren, mitder der Präsident einen verdecktenKrieg in Mittelamerika genehmigensollte. Es war noch sehr früh inReagans Regierungszeit, doch derPräsident verstärkte bereits die

Geheimoperationen sowohl inLateinamerika als auch inAfghanistan, wo er dieUnterstützung für die Mudschahedinim Kampf gegen die Sowjetunionerhöhte. Reagan leitete einenneuen Zyklus ein: Die»risikoscheue« CIA führte erneutgeheime Kriege im Ausland.

Clarridge war genau der richtigeMann für die lateinamerikanischeFront. Er benutzte einenReptilienfonds der CIA, umGewehre, Munition, Maultiere undschwere Waffen für die Contras zu

kaufen, die in Nicaragua gegen dieRegierung kämpften. Er arbeiteteeng mit den Spezialeinsatzkräftendes Pentagons und mitOberstleutnant Oliver North, einemBerater des NationalenSicherheitsrats im Weißen Haus,zusammen. Ihr Ziel war es, aus denContras eine Guerillaarmee zumachen, welche die sandinistischeRegierung beschäftigen und sie sodaran hindern sollte, ihren Einflussim US-amerikanischen Hinterhof zuvergrößern. Das Budget der CIA fürNicaragua war klein; Clarridge und

die mit Lateinamerika befasstenCIA-Beamten pflegten zu scherzen,dass der Abfall, den die U.S. Navyan einem einzigen Morgen vonihren Flugzeugträgern schiebe,mehr wert sei, als die Summe, diedie CIA in einem ganzen Jahr fürNicaragua ausgeben könne.

Für Ross Newland und vielegleichrangige Kollegen bei der CIAwaren die Konflikte in Mittelamerikagenau das, was der Geheimdiensthätte vermeiden sollen. Trotzdemgeriet Newland mit seiner Arbeit in

der Lateinamerikaabteilung 1985ins Zentrum der geheimen Kriegeder Reagan-Ära. Er kam nach CostaRica, nur wenige Monate nachdemdie heimliche Verminung dernicaraguanischen Häfen durch dieCIA im Kongress einen Sturm derEntrüstung ausgelöst hatte. DiesesEreignis veranlasste den Kongressletztlich dazu, neue Regeln darüberzu verabschieden, wann dieGeheimdienstausschüsse von Senatund Repräsentantenhaus überverdeckte Operationen der CIAinformiert werden mussten.

Die Verminungsaktion, dieDewey Clarridge seiner eigenenAussage nach bei einem Glas Ginund einer Zigarre ausgebrütethatte, kostete ihn seinen Job alsChef der Lateinamerikasektion. Erwurde innerhalb des Directorate ofOperations querversetzt undübernahm die Führung derEuropaabteilung.

In Costa Rica machte Newlandseine eigenen Erfahrungen mit demKrieg, den Dewey Clarridgeangezettelt hatte. CIA-Beamte inCosta Rica betreuten die südliche

Front des Contra-Kriegs; dieOperationen im Norden wurden vonHonduras aus gesteuert. DerKongress hatte der Reagan-Administration inzwischen verboten,die Rebellen in Nicaragua zuunterstützen, aber Joe Fernandez,der CIA-Stationschef in Costa Rica,organisierte zusammen mit OliverNorth weiterhinNachschublieferungen für dieContras.

Newland hatte die Aufgabe, dieRegierung in Managua zu infiltrierensowie die Pläne und Absichten

führender nicaraguanischer Politikerund Militärs in Erfahrung zu bringen– traditionelle Spionagearbeit. Ertraf sich mit Agenten und schriebBerichte über die Strategie dersandinistischen Regierung, die er inden Strom geheimer Telegrammemit einspeiste, der zurück nachLangley floss.

Bizarr war jedoch, dass auch dieCIA-Beamten, die die Contrassteuerten, Berichte schrieben.AmerikanischeGeheimdienstbeamte entschieden,welche sandinistischen Ziele die

Contras als Nächstes angreifensollten, und dann schrieben sieBerichte, in denen sievoraussagten, welche Zieleangegriffen würden. DieseTelegramme gingen nachWashington, und natürlich warensie fast immer korrekt. Mit anderenWorten, die CIA produzierte ihreeigenen Nachrichten.

»Ich fand das total verrückt«,erinnerte sich Newland. »So hattenwir es nicht gelernt. Aber so verhältman sich in einer paramilitärischenSituation.«

Das amerikanische Engagementin Nicaragua geriet immer mehr ausden Fugen, während bekanntwurde, dass die Regierung HAWK-Raketen an den Iran verkauft undaus dem Erlös Geld für die Contrasabgezweigt hatte. Die Lieferung derRaketen hatte Oliver Northvermittelt, um die Freilassungamerikanischer Geiseln in Beirut zuerreichen. Newland erlebte, wie dieIran-Contra-Ermittlungen langsamauf seine alten und neuenVorgesetzten übergriffen. JimAdkins, sein Stationschef in

Bolivien, der nach Hondurasgegangen war, um die Contra-Operationen im Norden zu steuern,musste seinen Hut nehmen, alsherauskam, dass erHubschrauberflüge mit Nachschubfür die Contras in Nicaraguaorganisiert hatte. Joe Fernandezsah sich am 20. Juni 1988 mit einerAnklage wegen Behinderung derJustiz und Falschaussagenkonfrontiert; allerdings wurde dieAnklage am Ende fallengelassen.Nestor Sanchez, Newlands ersterMentor bei der CIA, geriet in den

Verdacht, sich als Angestellter desPentagons an den illegalenOperationen beteiligt zu haben,wurde jedoch nie eines Verbrechensangeklagt.

Das Contra-Debakel war eineeinschneidende Erfahrung fürNewland. Er hatte zwar vielesabgelehnt, was er in Mittelamerikabeobachtet hatte, doch er warzornig darüber, dass seine CIA-Kollegen den Kopf hinhaltenmussten, während hoheRegierungsbeamte im Weißen Hausder Bestrafung entgingen. Er zog

jedoch eine Lehre aus denEreignissen, die er Jahre späterbeherzigen sollte, als George W.Bush nach den Angriffen am11. September die CIA zur größtenverdeckten Operation ihrerGeschichte ermächtigte. Sielautete: Lass dir alles schriftlichgeben.

»Als wir in solche Dinge wieTötungsermächtigungen undInternierungsmethoden unddergleichen verstrickt wurden,sorgte ich dafür, dass das alles inder Pennsylvania Avenue

abgezeichnet wurde«, erinnert ersich. »Warum? Weil ich das allesschon einmal erlebt hatte.«

Es sollte weitere fünf Jahre dauern,bis die Ermittler in der Iran-Contra-Affäre Dewey Clarridge auf die Spurkamen und ihn wegen Meineidsanklagten. Zuvor jedoch überredeteer Casey zu einer radikalenUmstrukturierung der CIA, um sicheiner Bedrohung zu widmen, an dieweder der Geheimdienst noch dasPentagon bis dahin groß Gedankenverschwendet hatten: den

islamistischen Terrorismus.In einem Zeitraum von zwei

Jahren ab 1983 begingenterroristische Gruppen, derenNamen den meisten Amerikanernunbekannt waren, eine beispielloseinternationale Mordserie. DieAngriffe begannen mit einemBombenanschlag auf dieamerikanische Botschaft in Beirut,bei dem 63 Angestellte, darunteracht CIA-Beamte, ums Lebenkamen. Noch im selben Jahr wurden241 Marines in ihrer Kaserne inBeirut durch einen mit Sprengstoff

vollgepackten Lastwagen im Schlafgetötet. Dieser Angriff wurde vonder Bewegung Islamischer Dschihad(damals ein Deckname derHisbollah) begangen, um gegen die(zweifellos unkluge) Stationierungamerikanischer Soldaten im Libanonzu protestieren. Im Juni 1985töteten libanesische Terroristen beider Entführung von TWA-Flug 847einen Taucher der US-Navy, und imOktober 1985 entführte derpalästinensische Terrorist AbuAbbas das Kreuzfahrtschiff AchilleLauro und ließ den 69-jährigen

Touristen Leon Klinghoffer tötenund über Bord werfen.

Die Reagan-Regierung wollte fürdie Anschläge unbedingt Vergeltungüben und erwog, die CIA zur Tötunglibanesischer Terroristen durchlokale Killerkommandos zuermächtigen. Oliver North verfassteden Entwurf einer Präsidialdirektive,welche die CIA autorisiert hätte,feindliche Kämpfer durch denEinsatz tödlicher Gewalt zu»neutralisieren«.

Casey war von der Ideefasziniert, libanesische Killer

einzusetzen, aber sein StellvertreterJohn McMahon war entsetzt. Ihnverfolgten noch immerschmerzhafte Erinnerungen an dieErmittlungen des Kongresses in den1970er-Jahren, er hatte CaseysAbenteuer satt, und er war wütend,als er von dem Plan erfuhr.Außerdem war er sich sicher, dassder Aufbau von Todesschwadronendas von Ford verhängteTötungsverbot verletzte. »WissenSie, was diese Leute unterNachrichtenbeschaffungverstehen?«, fragte er Casey in

Bezug auf die Regierungsbeamtenim Weißen Haus. »Bomben werfen.Menschen in die Luft sprengen.«Überdies würden die negativenAuswirkungen der Entscheidung,Terroristen zu töten, nicht dasWeiße Haus, sondern die CIAtreffen. »Für den Rest der Welt«,warnte er Casey, »ist es nicht diePolitik der Regierung und nicht eineIdee des Nationalen Sicherheitsrats,es sind diese verrücktenSchweinehunde von der CIA!«

Casey jedoch ließ sich durchMcMahons Einwände nicht

überzeugen und unterstützte NorthsVorschlag. Im November 1984ermächtigte Reagan durch einegeheime Direktive die CIA und dasJoint Special Operations Commanddes Pentagons, mit dem Trainingder libanesischen Killer zubeginnen. Doch der Plan wurde nieausgeführt, und Reagan hob dieDirektive schließlich wieder auf, alssich im Außenministerium und inder alten Garde der CIAvehementer Widerstand regte.Selbst der frühere CIA-DirektorRichard Helms meldete sich aus

dem Ruhestand und warnte einenBerater von Vizepräsident GeorgeH.W. Bush, das israelische Modellzu übernehmen und »Terrorismusmit Terrorismus zu bekämpfen«.

Casey hatte gehofft, dass derSpuk des Terrorismus genausoschnell wieder enden würde, wie erbegonnen hatte. Doch mehrere CIA-Beamte dachten damals, dass erdie neue Bedrohung einfach nichtverstand, und tatsächlich machte anWeihnachten 1985 ein blutigerAngriff an den Schaltern derisraelischen Fluggesellschaft El Al in

Wien und Rom jede Hoffnung aufein schnelles Verebben derTerrorwelle zunichte. MitAmphetaminen gedoptepalästinensische Terroristenerschossen auf den beidenFlughäfen insgesamt neunzehnMenschen. Die Grausamkeit derAttentate wurde den Amerikanerndurch den Tod des elfjährigenamerikanischen Mädchens NatashaSimpson bewusst. Ein Terroristerschoss sie aus nächster Nähe inden Armen ihres Vaters.

Kurz nach den Angriffen in Wien

und Rom legte Clarridge Caseyseinen Plan für eine neue CIA-Kampagne gegen denislamistischen Terrorismus vor. Erfand, dass der Geheimdienst zusehr in die Defensive geraten war,und er bekam den Segen desDirektors für einen expansivenneuen Krieg.

Clarridge schlug vor, innerhalbder CIA eine separate Gruppe zubilden, die sich ausschließlich mitdem internationalen Terrorismusbefassen sollte. Gedacht war sie als»Schmelztiegel«, in dem

Geheimagenten eng mit Analystenzusammenarbeiten würden, umHinweise auf möglicheBedrohungen zusammenzusetzenund die notwendigen Informationenzur Gefangennahme oder Tötungterroristischer Führer zu beschaffen.Was sich heute wie die normaleUmstrukturierung einer Bürokratieanhört, war damals ziemlichumstritten. In der CIA herrschttatsächlich eine fragmentierte, vonCliquenbildung geprägte Kultur, diemehr den Verhältnissen an einerstaatlichen Highschool gleicht, als

es viele Mitarbeiter des Dienstszugeben wollen. DurchtrainierteParamilitärs wollen gewöhnlichnichts mit schmalbrüstigenAnalysten zu tun haben, währenddiese die Paramilitärs als primitiveGrobiane betrachten. An der Spitzeder Pyramide stehen dieFührungsoffiziere – die Spione, diein die Welt hinausgehen. Sieglauben, dass sie bei der CIA diewirkliche Arbeit machen, und gebengern damit an, dass sie sich nichtan die Befehle derSchreibtischhengste im

Hauptquartier halten.Von den Geheimagenten mit

Nahosterfahrung kam sofortWiderstand gegen Clarridges Idee.Sie fürchteten, dass das Zentrummit Beamten besetzt würde, die dieFeinheiten der islamischen Weltnicht verstanden und Schädenanrichten würden, welche die inÜbersee stationierten Beamtenausbügeln müssten. DieTerroristenjagd war ihrer Ansichtnach Polizeiarbeit und bessergeeignet für das FBI als für die CIA.Außerdem hatten viele von ihnen

schlicht und einfach kein Vertrauenin Clarridge und glaubten, dass ersich mit dem Zentrum sein eigenesImperium innerhalb der CIAaufbauen wollte. DasCounterterrorist Center entstandalso in einem ähnlichenSpannungsfeld, wie es in der CIAnach dem 11. September herrschensollte. Nach den Anschlägen im Jahr2001 waren es die Spannungenzwischen Mitarbeitern des CTC inLangley und den Führungsoffizierenin Islamabad – zwischen denBefürwortern unilateraler

Operationen im Zentrum und ihrenGegnern im Auslandsdienst, diedavor warnten, dass solcheOperationen die empfindlichenBeziehungen zu anderenGeheimdiensten zerstören könnten.

Casey hörte nicht auf dieinternen Einwände, sondernstimmte Clarridges Vorschlag zu,und das Counterterrorist Centernahm am 1. Februar 1986 seineArbeit auf. Die Geburtsgeschichtedes CTC klingt recht vertraut: DasWeiße Haus kämpfte mit einemProblem, für das es keine Lösung

fand, also wandte es sich an dieCIA, und die kümmerte sich gerndarum.

Die Gründung des CTC war auchdeshalb wichtig, weil dessenBeamte von Anfang an eng mitmilitärischen Spezialeinsatzkräftenzusammenarbeiteten und dasMilitär bei Geheimoperationen zumPartner der CIA machten. DasSpecial Operations Command desPentagons wurde ein Jahr nach demCTC gegründet, und die Akteurebeider Organisationen betrachteteneinander als Geistesverwandte in

der Tradition von Bill DonovansOSS. Im Gegensatz zu anderenTeilen der CIA fühlte das CTC sichdem Militär nicht überlegen. DieTerroristenjäger des CTC hatten zuden Mitgliedern der militärischenSpezialeinheiten einpartnerschaftliches Verhältnis.

Als das CTC mit seiner Arbeitbegann, gab es noch keinefortlaufenden verdecktenOperationen gegen internationaleterroristische Gruppen, und esarbeitete mit militärischenSpezialeinheiten wie der Delta

Force zusammen, als es dieOrganisation Abu Nidals und dieHisbollah infiltrierte. Anwälteverfassten geheimeRechtsgutachten für PräsidentReagan, in denen sie zu demSchluss kamen, dass das Aufspürenund Töten von Terroristen dasAttentatsverbot von 1976 nichtverletze, ganz ähnlich wie andereJuristen später die Maßnahmen derPräsidenten George W. Bush undBarack Obama rechtfertigen sollten.Terroristische Gruppen plantenAnschläge auf amerikanische

Staatsbürger, argumentierten dieAnwälte – ihre Mitglieder zu tötenwar somit Selbstverteidigung undnicht Mord.

Doch die Zustimmung derJuristen bedeutet noch keineGarantie dafür, dass auch die Politikbestimmte tödliche Operationenabsegnet. In den ersten Jahren desCounterterrorist Center besaß dasWeiße Haus kaum noch daspolitische Kapital, um den Kongresszu überzeugen, dass es notwendigwar, heimlich Terroristen zu töten.Die Ermittlungen im Iran-Contra-

Skandal hatten die Falken in derReagan-Regierung viel Energiegekostet und Leuten wie demNationalen Sicherheitsberater ColinPowell und Außenminister GeorgeShultz, die sich scharf gegenweitere Abenteuer in Überseewandten, mehr Gewicht verschafft.Es habe der Mumm für einenweiteren Kampf gefehlt, erinnertesich Fred Turco, damals DeweyClarridges Stellvertreter am CTCund später sein Nachfolger.»Reagan konnte nichts mehrbewegen.«

Ross Newland hatte für dieVerheerungen, die der Iran-Contra-Skandal im operativen Dienst derCIA angerichtet hatte, nur nochZynismus übrig. Aber im Gegensatzzu seinen Vorgesetzten war er nichtin die Affäre verwickelt gewesenund wurde sogar befördert, als eraus den Dschungeln Mittelamerikaszurückkehrte. Er und mehrereandere Agenten seiner Generationerhielten Posten als Stationschefs inOsteuropa – Stellen, auf denen siedie Operationen des Geheimdienstsin verschiedenen Satellitenstaaten

der Sowjetunion leiteten. Newlandwurde mit Anfang dreißig derjüngste Stationschef in derGeschichte der für Osteuropa unddie Sowjetunion zuständigen CIA-Abteilung. Im Jahr 1988 sah mandas bei der CIA nicht als großesRisiko an.

»Sie schickten uns dahin, weil sieziemlich sicher waren, dass dortnichts passieren würde«, sagteNewland. »Aber lieber Mann, dalagen sie verdammt falsch.«

Innerhalb eines Jahres war dieBerliner Mauer gefallen und die

Revolution hatte sich in ganzOsteuropa ausgebreitet. Alshöchster Vertreter der CIA inRumänien hatte Newland dieAufgabe, die Regierung Bush überden Zusammenbruch des Regimesvon Nicolae CeauŞescu auf demLaufenden zu halten. Dieser floh inder Woche vor Weihnachten 1989,als die Massen auf die Straßenströmten, mit seiner Frau Elena ausBukarest. Am erstenWeihnachtsfeiertag befand sich dasEhepaar im Gewahrsamrumänischer Fallschirmspringer, und

Newland versuchte die Offiziere derEinheit davon zu überzeugen, diebeiden nicht hinzurichten, ohne siewenigstens auf irgendeine Art vorGericht zu stellen. Zumindest hattenseine Vorgesetzten in Langley ihmaufgetragen, in diesem Sinne aufdie rumänischen Soldateneinzuwirken. »Also zwangen wir sie,einen Prozess zu machen, und derdauerte vielleicht zwanzigMinuten«, berichtete er. Als dieseFormalität erledigt war, suchte derZugführer drei Freiwillige für einErschießungskommando. Doch als

der rumänische Diktator und seineFrau mit auf den Rückengefesselten Händen an die Wandgestellt wurden, eröffnete derganze Zug das Feuer.

Mit dem Ende des Kalten Kriegsexistierte der Gründungsauftrag derCIA nicht mehr. Der Kampf gegendie Ausbreitung des Kommunismuswar der Leitstern desGeheimdiensts gewesen und hattejahrzehntelang als Rechtfertigungfür breit gefächerte Einsätze inLateinamerika, dem Nahen Ostenund Europa gedient. Die

Haushaltskürzungen bei Pentagonund CIA in den 1990er-Jahrentrafen den operativen Geheimdienstder CIA besonders hart: Stationenwurden geschlossen und die Zahlder Führungsoffiziere radikalzusammengestrichen. Insgesamtwurden die Ausgaben für dieNachrichtenbeschaffung durchmenschliche Quellen im Laufe desJahrzehnts um 22 Prozent gekürzt.Bill Clinton, der erste Babyboomer,der US-Präsident wurde, hatte einstgegen den Vietnamkriegdemonstriert und stand der CIA

naturgemäß misstrauischgegenüber. Er widmete seinenGeheimdienstchefs während seinerRegierung kaum Zeit. Laut R. JamesWoolsey jr., Clintons erstem CIA-Direktor, schenkte der PräsidentGeheimdienstangelegenheiten nurwenig Aufmerksamkeit und traf sichnur einmal im Jahr mit seinemobersten Geheimdienstler. »Wirhatten offen gesagt nur wenigZugang«, berichtete Woolsey.Nachdem er die CIA verlassenhatte, sagte er im Scherz, derMann, der im September 1994 mit

einer gestohlenen Cessna auf demSouth Lawn des Weißen Hausesabstürzt sei, habe in Wirklichkeitnur eine Audienz beim Präsidentenzu bekommen versucht.

Der Dienst wurde damals nochfür die aggressiven Operationen zurRechenschaft gezogen, die in den1980er-Jahren unter Führung vonDewey Clarridge in Lateinamerikastattgefunden hatten. Im Jahr 1996brachte einGeheimdienstkontrollausschuss einGutachten heraus, das diezahlreichen

Menschenrechtsverletzungendetailliert aufführte, die CIA-Mitarbeiter mehr als ein Jahrzehntlang in Guatemala begangenhatten. In dem Gutachten hieß es,dass zwischen 1984 und 1986mehrere CIA-Informanten »schwereMenschenrechtsverletzungen wieMord, widerrechtliche Hinrichtung,Folter oder Entführung anordneten,planten oder sich daran beteiligten,während sie V-Leute waren – unddass die CIA damals schon überviele dieser Beschuldigungeninformiert war«. Die Enthüllungen

über Guatemala waren seit Jahrendurchgesickert und hatten CIA-Direktor John M. Deutch bereitsveranlasst, sämtlichenFührungsoffizieren den Umgang mitzwielichtigen Personen zuverbieten. Der Verkehr mit Figurenwie den Drogenbaronen, mit denenRoss Newland einst in Bolivien beiHahnenkämpfen gewettet hatte,war für CIA-Beamte jetzt untersagt,und dasselbe galt auch fürTerroristen, die vielleicht versuchenwürden, Amerikaner zu töten.

Deutch, ein Chemiker, der am

Massachusetts Institute ofTechnology seinen Doktor gemachthatte, kam 1995 vom Pentagonnach Langley, nachdem ClintonWoolsey entlassen hatte. Er wollteSpionagesatelliten undAbhöranlagen in Übersee bauen,statt Geheimagenten aufabenteuerliche Einsätze zuschicken. Er hatte kein Vertrauen inden geheimen operativen Dienstder CIA, und dieser behandelte ihnim Gegenzug wie einen Virus, dereinen Wirt befallen hatte.

Eine seiner Initiativen bestand

darin, auch in anderen Bereichenenger mit dem Militärzusammenzuarbeiten als in derTerrorismusbekämpfung, die bei derCIA in den 1990er-Jahren wiederrecht unwichtig geworden war. Seitdem Ende des Golfkriegs im Jahr1991 hatten sich die Generäle imPentagon beschwert, dass die CIAbei der Infiltrierung von SaddamHusseins Regime vor Ausbruch desKriegs nutzlos gewesen sei undauch bei der Jagd auf irakischeTruppen in der Wüste versagt habe.Deutch ließ CIA-Beamte auf

militärischen Kommandopostenrund um den Erdball dienen, umsicherzustellen, dass derGeheimdienst optimaleErkenntnisse über globaleBedrohungen besaß.

Er hielt die Unterstützung desMilitärs durch die CIA für so wichtig,dass er 1995 den Spitzenposteneines Verbindungsoffiziers zumPentagon schuf, der von einemranghohen Militär bekleidet wurde.In der CIA kursierte der Witz, dieEinbettung von CIA-Agenten inmilitärischen Kommandoposten und

von hohen Offizieren in die CIA seidas bürokratische Äquivalent einesGeiselaustauschs.

Der erste hohe Offizier, der denneuen CIA-Job bekam, war ViceAdmiral Dennis C. Blair, eindrahtiger Nordstaatler aus Kittery inMaine. Er hatte 1968 seinenAbschluss an der Marineakademiegemacht und dann als Rhodes-Stipendiat an der Oxford Universitystudiert, wo er mit dem jungen BillClinton Freundschaft schloss. Blairtraf fast sofort auf Widerstand vonCIA-Beamten, die dem

Dreisterneadmiral eine gehörigePortion Misstrauenentgegenbrachten, weil er über dieLeistungsbilanz der CIA beiverdeckten Operationen nichtgerade erbaut war.

Seiner Ansicht nach sollte sichder Dienst auf die Beschaffung undAnalyse von Nachrichtenkonzentrieren und nicht aufGeheimoperationen, die dieVereinigten Staaten nur inSchwierigkeiten brachten. »Wer aufdie Geschichte der verdecktenOperationen der CIA zurückblickt«,

sollte er Jahre später erklären,»kann, glaube ich, mit einigemRecht sagen, dass wir heute besserund keinesfalls schlechter dastehenwürden, wenn wir ganz auf sieverzichtet hätten.«

Manche in Langley betrachtetenBlair als einen Maulwurf desPentagons. Doch seine Anwesenheitweckte auch die noch schlimmereBefürchtung, dass das Pentagon dieCIA schlucken und sie ihre Stellungals treuer Nachrichtendienst desPräsidenten verlieren könnte. Denndie Männer marschierten für den

Präsidenten, wie Dewey Clarridgegesagt hatte.

Blair geriet schon bald mit demDirectorate of Operations über daswichtigste Thema jener Zeit inKonflikt – den Balkankrieg. Eine derStreitfragen war ein neuesÜberwachungsinstrument, das sichdie CIA für Aufklärungsflüge inBosnien von der Air Forceausgeliehen hatte, ein schlankes,insektenartiges Fluggerät mit derBezeichnung RQ-1 Predator. Die CIAhatte mit der Drohne die Positionenserbischer Truppen ausgespäht, und

hohe Beamte des Geheimdienstsmachten den Vorschlag, im WeißenHaus Bildschirme zu installieren,damit Clinton und seine Berater dieÜbertragung der Drohnen liveverfolgen könnten. Blairbewunderte die Initiative der CIA,was die neuen Einsatzmöglichkeitendes Geräts betraf, hielt es aberdennoch für eine Verschwendungder kostbaren Zeit des Präsidenten,die Aktivität von Drohnen zuverfolgen. Er hatte den Verdacht,dass die Operationsabteilung beiClinton nur mit ihrem neuen

Spielzeug angeben wollte, und ererinnert sich an folgendeAuseinandersetzung:

»›Was soll der Präsident damitanfangen?‹«, fragte ich. Und sieantworteten: ›Das muss ins WeißeHaus, falls der Präsident wissenwill, was in Bosnien vorgeht.‹ Undich sagte: ›Das ist lächerlich! DerPräsident wird doch nicht durchdiesen kleinen Strohhalmschauen!‹«

Am Ende ergriff Deutch für BlairPartei, und die CIA übertrug diePredator-Aufnahmen nicht ins

Weiße Haus. Es war ein dummerStreit, doch für Blair wurde durchdiese Episode und die anderenKämpfe, die er mit dem operativenDienst der CIA austrug, sehrdeutlich, dass das Directorate ofOperations jeden wegbeißen würde,der versuchte, seinen direktenZugang zum Oval Office zublockieren.

Mehr als ein Jahrzehnt spätersollte Blair unter einem anderendemokratischen Präsidenten nocheinmal wagen, sich zwischen dieCIA und das Weiße Haus zu stellen

– mit fatalen Folgen für seineKarriere.

4

RUMSFELDS SPIONE

»Wir haben unsere eigene CIAgeschaffen, aber wie Topsy, ohne

Koordination und Kontrolle.«Der stellvertretende

Verteidigungsminister Frank Carlucci,1982

»Ist es angesichts des Zustands unsererWelt vielleicht denkbar, dass die

Streitkräfte in solchen Situationen nicht

fast gänzlich von der CIA abhängig seinsollten?«

Verteidigungsminister DonaldRumsfeld, 2001

Im November 2001, als Teams vonamerikanische Green Berets, CIA-Agenten und afghanische Warlordsdie Soldaten der Taliban aus Kabulund Kandahar vertrieben, flogDonald Rumsfeld nach Fort Bragg inNorth Carolina, einem weitläufigenStützpunkt in Fayetteville, der seitJahren große Einheitenamerikanischer Spezialeinsatzkräfte

beherbergte. Der Besuch war vorallem als Anerkennung für guteLeistungen gedacht. Rumsfeldwollte sich bei den Kommandeurender Spezialeinsatzkräfte persönlichfür den – bis dahin – erstaunlichreibungslosen Verlauf der Invasionin Afghanistan bedanken.

Nach einem Morgen vollerGlückwünsche und PowerPoint-Präsentationen wurde er zu einemummauerten Gebäudekomplexgefahren, der sich auf dem Geländevon Fort Bragg neben derbenachbarten Pope Air Force Base

erstreckte. Er war der Sitz des JointSpecial Operations Command(JSOC), einer streng geheimenOrganisation, die vor allem ausMitgliedern der Delta Force undMitgliedern der Naval SpecialWarfare Development Groupbestand, die allgemein als SEALTeam Six bezeichnet wurde. DasJSOC war ein kleinerer operativerArm des U.S. Special OperationsCommand, und das Pentagon gabdamals nicht einmal zu, dass esexistierte.

Nun veranstaltete es eine Show

für den Verteidigungsminister. Umseine Fähigkeit zu demonstrieren,unentdeckt fremde Länder mitKommandotruppen zu infiltrieren,sprangen Fallschirmspringer auseinem Flugzeug ab und landetendirekt vor Rumsfeld. Einer von ihnentrug einen Anzug und hatte einenAktenkoffer dabei. Er machte sichvon seinem Fallschirm los undverließ in seinen spitzenHalbschuhen die Landezone.Rumsfeld wurde auch in ein ShootHouse mitgenommen, wo er einerGeiselbefreiungsübung zusehen

durfte, bei der eine Spezialeinheitalle Geiselnehmer »tötete«,während die Geiseln unverletztblieben. Der Minister warhingerissen.

Die Spezialeinsatzkräfte hattenbereits einige Erfahrung mit derPräsentation ihrer Fähigkeiten.Schon 1986 war der Abgeordneteim Repräsentantenhaus DickCheney zu einem eintägigen Treffenmit Kommandeuren der Delta Forcenach Fort Bragg gekommen undhatte sich darüber informierenlassen, wie die Delta Force

Datenbanken verwendete, umInformationen über möglicheterroristische Bedrohungen zugewinnen. Mitten in einerInformationsveranstaltung überLexisNexis – einen heuteallgegenwärtigen elektronischenInformationsdienst, der damalsnoch relativ neu war – bat Cheneyeinen der referierenden Militärs, inder Datenbank nach seinem Namenzu suchen. An erster Stelle kam einArtikel über ein Gesetz imRepräsentantenhaus, das Cheneyeingebracht hatte, und darüber,

dass ein anderer Abgeordnetereinen Tag zuvor gesagt hatte, erwerde dagegen stimmen.

Cheney wurde wild. Er befahldem diensthabenden Offizier, denAbgeordneten ausfindig zu machenund kanzelte ihn dann am Telefonim Operationszentrum lautstark ab.»Wir mussten den Saal räumen«,erinnerte sich Thomas O’Connell,damals ein hochrangigerNachrichtenoffizier beim JSOC. Ersagte, Cheney sei »wie verwandelt«gewesen, als er erkannte, wie manmittels einer Datenbank

Informationen über bestimmtePersonen gewinnen konnte. »Vonda an war Cheney ganz in seinemElement, wenn er mitSpezialeinsatzkräften zu tun hatte.«

Cheneys alter Mentor DonaldRumsfeld bekam ebenfalls dasGefühl, einen Blick in die Zukunft zuerhaschen, als er siebzehn Jahrespäter selbst nach Fort Braggpilgerte. In seiner Begleitung warRobert Andrews, der ihm in denWochen seit dem 11. Septemberfast nicht mehr von der Seitegewichen war. Er diente als

höchster für Spezialeinsatzkräftezuständiger Zivilbeamter imPentagon und führte Rumsfeld wieVergil in Dantes Inferno durch einefinstere Welt, die dramatischgewachsen war, seit sie Rumsfeldals Verteidigungsminister unter Fordzum ersten Mal besucht hatte.

Rumsfeld hätte keinenerfahreneren Führer als Andrewsfinden können. Der gesellige Mannwar in Spartanburg, South Carolina,geboren und hatte 1960 an derUniversity of Florida einenAbschluss in Chemotechnik

gemacht. Bei der Army war eraufgrund eines ROTC-Stipendiumsgelandet, für das er nur zwei Jahredie Uniform hätte tragen müssen.Stattdessen verpflichtete er sich1963 bei den Green Berets undgeriet damit in die Welt derSpezialeinsätze und Geheimdienste,in der er fünf Jahrzehnte bleibensollte. Im Jahr 1964 ging er alsjunger Captain der Special Forcesnach Vietnam zum ersten von zweiEinsätzen bei einer verdecktoperierenden paramilitärischenEinheit, die mit Sabotage,

Attentaten und schwarzerPropaganda einen geheimen Krieggegen Nordvietnam führte. DieGruppe mit der unverdächtigenBezeichnung Military AssistanceCommand, Vietnam – Studies andObservation Group (MACV-SOG),führte die größten undkompliziertestenGeheimoperationen durch, die dieVereinigten Staaten seit den Tagendes OSS unternommen hatten.

Nach seiner Rückkehr ausVietnam schrieb Andrews das BuchThe Village War über die

gewaltigen Geheimdienstnetze, diedie Kommunisten Anfang der1960er-Jahre insüdvietnamesischen Dörfernaufgebaut hatten und die sienutzten, um während des Kriegs diesüdvietnamesischen undamerikanischen Streitkräfteauszumanövrieren. Das Buchstützte sich fast ausschließlich aufVerhörprotokolle gefangenerSoldaten der NordvietnamesischenArmee und des Vietcong sowie aufdie Berichte nordvietnamesischerDeserteure. Es wurde bei der CIA

viel gelesen, und 1975, unmittelbarnach dem Fall Saigons, bekamAndrews das Angebot, in Langleyals Chef eines Teams zu arbeiten,das die geheime CIA-AnalyseVietnams auf den neusten Standbrachte.

»Hauptsächlich ging es um dieSuche nach nachrichtendienstlichenFehlern«, erinnerte sich Andrews,der zu der Erkenntnis gelangt, dassdie Probleme der Amerikaner inVietnam genauso viel mit ihrerradikalen Unkenntnis der Kultur undPsychologie der Vietnamesen wie

mit konkreten militärischen Patzernzu tun hatten. Er blieb fünf Jahrelang bei der CIA, bevor er eineStelle in der Rüstungsindustrieannahm und eine Reihe vonSpionage- und Agententhrillernschrieb, darunter The Towers.Dieses Buch handelt von einemehemaligen CIA-Agenten, derverzweifelt versucht, eineterroristische Verschwörung in denUSA auffliegen zu lassen. Aufseinem Cover ist ein Bild des WorldTrade Centers zu sehen.

Andrews war vierundsechzig, als

er 2001 in das Pentagonzurückkehrte, und er saß am25. September neben Rumsfeld, alsGeneral Charles Holland, der Chefdes U.S. Special OperationsCommand (SOCOM), denVerteidigungsminister erstmalsdarüber informierte, wie das MilitärKrieg gegen al-Qaida führen würde.Rumsfeld hatte Holland befohlen,einen Plan für einen weltweitenFeldzug gegen das Terrornetzwerkjenseits der Qaida-Festung inAfghanistan zu machen, und alsRumsfeld seine Berater um den

Konferenztisch versammelte,rechnete er mit der Aussage, dassdies möglich sein würde.

Die Besprechung fingvielversprechend an: Holland legteeine Karte vor und markierte dieLänder (Afghanistan, Pakistan,Somalia, den Jemen, Mauretanienund sogar Teile Lateinamerikas),von denen das Militär glaubte, dasssich dort Spießgesellen von OsamaBin Laden versteckt hielten.Rumsfeld wurde ganz aufgeregt undunterbrach den General.

»Wann können wir mit den

Operationen in diesen Ländernbeginnen?«, fragte er.

Holland dachte eine Weile überdie Frage nach. Dann gab er genaudie Antwort, die der reizbareVerteidigungsminister nicht hörenwollte: »Also, das wäre schwierig,weil wir keine verwertbarenErkenntnisse haben.«

Es gab noch ein weiteresProblem: Das SOCOM warüberhaupt nicht darauf vorbereitet,einen solchen Krieg zu führen –oder überhaupt einen Krieg. DasKommando hatte nur die Aufgabe,

Soldaten für Spezialeinsätzeauszubilden, sie kampfbereit zumachen und sie an dieunterschiedlichenRegionalkommandos derStreitkräfte im Nahen Osten, imPazifik und anderswo abzuliefern.Die Regionalkommandeure wachteneifersüchtig über ihren jeweiligenFlecken Erde und waren allesandere als begeistert von demGedanken, dass das SOCOM inihrem Revier seine eigenenOperationen durchführen könnte.

Die Stimmung wurde noch

schlechter, als Rumsfeld demGeneral eine weitere Frage stellte,bei der er ebenfalls mit einerakzeptablen Antwort rechnete.Wann würden Spezialeinsatzkräftenach Afghanistan entsandt und dortden Krieg beginnen?

»Wenn wir grünes Licht von derCIA bekommen«, antworteteHolland.

Robert Andrews schaute zuRumsfeld hinüber, der, wie er sicherinnerte, im Begriff war, »an dieDecke zu gehen«. In wenigenMinuten hatte man ihm nicht nur

erklärt, dass seine teurenSpezialeinsatzkräfte keinerleiverwertbare Erkenntnisse über al-Qaida besaßen, sondern auch, dasssie ohne die Erlaubnis von GeorgeTenet und der CIA nicht in dieSchlacht ziehen durften.

Dieser Sachverhalt sollteRumsfeld in den Monaten nach dem11. September noch häufig ärgern,so häufig, dass er im Gespräch mitGeneral Tommy Franks, demKommandeur des U.S. CentralCommand, der für die Planung undDurchführung des Afghanistankriegs

zuständig war, einmal klagte, dassdie Streitkräfte zwar um einVielfaches größer seien als die CIA,aber trotzdem »wie kleine Vögel ineinem Nest hocken und daraufwarten, dass ihnen jemand Fressenin den Schnabel steckt«. EinigeTage nach dem Beginn desAfghanistankriegs schickte er eingalliges Memo an Richard Myers,den Vorsitzenden des VereinigtenGeneralstabs. »Ist es«, schrieb er,»angesichts des Zustands unsererWelt vielleicht denkbar, dass dieStreitkräfte in solchen Situationen

nicht fast gänzlich von der CIAabhängig sein sollten?«

Rumsfeld stand demGeheimdienst schon lange kritischgegenüber. Im Jahr 1998 hatte erals Vorsitzender einerunabhängigen Kommission zurBeurteilung der Bedrohung derVereinigten Staaten durchballistische Raketen in einem Briefan Tenet vernichtende Kritik an derPosition der CIA zum Problemdieser Waffen im Iran und inNordkorea geübt. Nun jedoch,mitten in einem neuen Krieg, wurde

ihm klar, dass er den Geheimdienstum die Fähigkeit beneidete, seineAgenten überall hinschicken zukönnen, ohne vorher um Erlaubnisbitten zu müssen. »Sie können dieVeränderung in der Kriegführungmit einigem Recht auf dieErkenntnis zurückführen, dass wirnicht die notwendigengeheimdienstlichen Informationenbesaßen, um den Krieg zu führen,den wir führen wollten«, sagteAndrews über die Entscheidungenseines Chefs im Jahr nach dem11. September.

Rumsfeld kam zu dem Schluss,dass die einzige Lösung darinbestand, das Pentagon der CIAähnlicher zu machen.

Donald Rumsfelds Probleme warennicht ganz neu. Im Jahr 1980, nacheinem bösen Debakel in derDascht-e Kawir, der GroßenSalzwüste im Iran, hatte dasPentagon schon einmalbeschlossen, dass es mehr eigeneSpione brauchte.

Bei dem geheimen Einsatz zurBefreiung von zweiundfünfzig

Geiseln in der amerikanischenBotschaft in Teheran war vonAnfang an der Wurm drin: Drei deracht an dem Einsatz beteiligtenHubschrauber bekamen auf demWeg zu ihrem Landeplatztechnische Probleme; ein weitererlegte am vereinbarten Treffpunkteine Bruchlandung hin; und kurznach dem Befehl zum Abbruch desEinsatzes stieß ein weitererHubschrauber in einem Sandsturmmit einem Frachtflugzeug desMilitärs zusammen. Es folgte eineExplosion, die den Wüstenhimmel

erleuchtete und bei der achtSoldaten ums Leben kamen.

Dennoch war der vermasselteEinsatz im Iran in den Augen desMilitärs nicht nur auf das tragischeZusammenwirken von naivenAnnahmen, schlechter Planung undnoch schlechterer Umsetzungzurückzuführen. Nach Ansichteiniger beteiligter Soldaten, die ihreFreunde bei der Explosion in derWüste hatten sterben sehen, warOperation Eagle Claw unteranderem auch deshalb gescheitert,weil die CIA nicht genügend

taktische Informationen darübergeliefert hatte, was bei dem Einsatzzu erwarten war.

Schon vor seinem katastrophalenEnde hatte es zwischen der CIA unddem Militär Konflikte in Bezug aufdie Informationsbeschaffung für dasUnternehmen gegeben. DerGeheimdienst hatte bereitsbewiesen, dass er die Dynamik deriranischen Revolution nichtverstand, und CIA-DirektorStansfield Turner jammerte bei denSitzungen des NationalenSicherheitsrats, dass sein Dienst

kaum Quellen in dem Land habeund seine Informationengrößtenteils aus amerikanischenZeitungsberichten und Sendungender BBC beziehe. Der für dieMission verantwortlicheKommandeur der Delta Force trauteden CIA-Beamten nicht, die mit derInformationsbeschaffung für dieOperation beauftragt waren, alsoschickte er den ehemaligen GreenBeret Richard Meadows in den Iran,um das Gelände der Botschaft, inder die Geiseln festgehaltenwurden, auszuspähen. Meadows

reiste mit einem falschen irischenPass, gab seinem West-Virginia-Akzent eine irische Färbung undging als »Richard Keith«, Managereiner europäischen Automobilfirma,durch den Zoll.

Natürlich schafften es dieamerikanischen Soldaten nie nachTeheran, um die Befreiungdurchzuführen. Doch Generäle imPentagon beschwerten sich, dassdas Militär nicht die Fähigkeitbesaß, eigene Leute zurVorbereitung vonKommandounternehmen auf

Spionagemissionen zu schicken. Ineinem Memorandum für den Chefder Defense Intelligence Agencyvom Dezember 1980 wies einMitglied des VereinigtenGeneralstabs im Pentagon auf ein»schwerwiegendes undhartnäckiges Informationsdefizit«und die Notwendigkeit »einerGruppe verlässlicher menschlicherBeobachter« hin. Da das PentagonPläne für einen zweitenBefreiungsversuch im Iran machte,gründete der VereinigteGeneralstab hastig eine Gruppe

solcher Beobachter. Sie erhielt dieBezeichnung Field OperationsGroup.

Die Gruppe hatte dasunglückliche Akronym FOG(»Nebel«) und unternahm kaumetwas. Die Geiseln wurden am Tagvon Reagans Amtseinführung imJanuar 1981 freigelassen, weshalbein weiterer Versuch nicht nötigwar. Aber auch nach der Auflösungvon FOG sah der Generalstabschefdes Heeres Edward Meyer noch dieNotwendigkeit für einenpermanenten Kader von Spionen

des Verteidigungsministeriums, under schrie bei einer Sitzung imPentagon: »Ich will verdammt sein,wenn wir es je noch einmal miteiner Geiselnahme wie im Iran zutun kriegen und nicht herausfindenkönnen, was los ist, oder wo wirnicht in das Land gelangenkönnen.« In der Folge wurde dieIntelligence Support Activity (ISA)des Militärs geboren.

Bei den Programmen aus denfrühen 1980er-Jahren handelte essich nicht um die ersten Versuchedes Pentagons, in das Spiel mit der

Informationsbeschaffung durchmenschliche Quellen einzusteigen.Aber frühere Anläufe waren unteranderem am Widerstand hoherGeneräle und Admiräle gescheitert,die der Ansicht waren, dassSoldaten keine Spione sein sollten.Nun jedoch hatte das Fiasko derOperation Eagle Claw den Kräftenmehr Gewicht verschafft, welche dieZahl der Agenten des Pentagonserhöhen wollten und derenprominentester Vertreter GeneralMeyer war. Die Intelligence SupportActivity machte im Pentagon ein

Büro auf. Sie hatte etwafünfzig Mitarbeiter, aber denehrgeizigen Plan, auf die fünffacheGröße zu wachsen. Das offizielleWappen der Einheit zeigteverschiedene Symbole, die für diegescheiterte iranischeBefreiungsmission standen, und dieInschrift SEND ME, die aus demBuch Jesaja in der Bibel stammt:»Und ich hörte die Stimme desHerrn, dass er sprach: Wen soll ichsenden? Wer will unser Bote sein?Ich aber sprach: Hier bin ich; sendemich!«

Die ISA wurde 1981 mit einemgroßen geheimen Budget undeinem schneidigen, tatkräftigenColonel an der Spitze gegründet,und sie bekam die Erlaubnis,geheime Spionageoperationendurchzuführen, über die sie nichteinmal den Vereinigten Generalstabinformieren musste – genau dierichtigen Zutaten für ein tödlichesRezept. Die Welt derGeheimmissionen ist voll vonaggressiven, vor Selbstbewusstseinstrotzenden Typen, und einegeheime Einheit mit unbegrenzten

Mitteln und einem unklaren Auftragwird das Gesetz fast zwangsläufigsehr großzügig auslegen. Die vonColonel Jerry King geführte ISA warda keine Ausnahme.

King startete fast sofort eineReihe von Geheimoperationen rundum den Erdball. Die zweifellosabenteuerlichste bestand darin,dass sie einen ehemaligen GreenBeret mit Geld und Ausrüstungversorgte, der eine privateBefreiungsmission für angeblich inLaos internierte amerikanischeKriegsgefangene plante. James

»Bo« Gritz hatte, finanziert von demtexanischen Milliardär Henry RossPerot, mehrere Jahre langSüdostasien bereist, umInformationen über möglicheKriegsgefangene zu sammeln.Anfang 1981, kurz nach derGründung der ISA, meinte er,eindeutige Beweise dafür gefundenzu haben, dass Dutzende vonKriegsgefangenen in einem Lager inZentrallaos festgehalten wurden. Erleitete die Information aus einemSatellitenbild ab, das Jahre zuvorvon dem Lager aufgenommen

worden war. Auf ihm waren derBuchstabe B und die Zahl 52 zuerkennen – ein mögliches Signalvon Kriegsgefangenen fürBeobachter aus der Luft.

Gritz plante einenBefreiungseinsatz, dem er sogareinen Codenamen gab: VelvetHammer. Er stellte ein Team ausfünfundzwanzig ehemaligenSoldaten der Special Forceszusammen und trainierte sie ineinem Camp in Florida. Eine zweiteGruppe schickte er nach Thailand,um den Boden für den Einsatz in

Laos zu bereiten. Während dieserVorbereitungen kontaktierten ihnzahlreiche Mitglieder der ISA undboten ihm ihre Unterstützung an.Sie finanzierten eineKameraausrüstung, Funkgeräte undFlüge nach Bangkok im Wert vonmehreren zehntausend Dollar undauch einen Lügendetektor, umherauszufinden, ob einheimischeQuellen logen, die Informationenüber das Kriegsgefangenenlagerlieferten. Die ISA stellte Gritz’ Teamsogar Satellitenfotos und anderegeheimdienstliche Informationen

zur Verfügung.Colonel King hatte mit der

Unterstützung von Gritz begonnen,ohne die Führung des Pentagons zuinformieren. Dies wurde zumProblem, weil auch der VereinigteGeneralstab einenBefreiungseinsatz in genau demgleichen Lager in Laos vorbereitete.Nach dem Plan des Generalstabssollte ein Erkundungsteamlaotischer Söldner von Thailand ausnach Laos gehen, um festzustellen,ob sich tatsächlich amerikanischeKriegsgefangene in dem Lager

befanden. Wenn die SöldnerBeweise für deren Anwesenheitfanden, wollte das Pentagon eineähnliche Befreiungsaktion wie beider iranischen Geiselkrisedurchführen und ein Team derDelta Force in das Camp schicken.

Als ranghohe Mitglieder desPentagons und der CIA erfuhren,dass Gritz eine parallele Operationplante und heimlich von der ISAunterstützt wurde, drohten sie mitder Auflösung der Organisation.Ihrer Ansicht nach hatte Gritz mitseinen privaten Aktivitäten den

offiziellen Befreiungseinsatzgefährdet, und Colonel King hatteseine Kompetenzen überschritten.Am Ende fand in Laos überhauptkeine Aktion statt, und es wurde nieein sicherer Beweis für die Existenzamerikanischer Kriegsgefangener indem Lager gefunden.Verteidigungsminister CasparWeinberger befahl demGeneralinspekteur des Pentagons,sämtliche Operationen der ISA zuuntersuchen. Außer der Geschichtemit Gritz hatte die ISA in Panamaeine verdeckte Operation zur

Überwachung General Noriegasdurchgeführt, und sie war marginalan einem extensiven Netzwerk vonScheinfirmen beteiligt, die auf derganzen Welt für verdecktemilitärische Aktivitäten genutztwurden. Das Netzwerk warBestandteil eines Programms mitder Bezeichnung Yellow Fruit undermöglichte auch einige geheimeGeschäfte im Rahmen der Iran-Contra-Affäre, die erst mehrereJahre später ans Licht kamen.

Der Bericht desGeneralinspekteurs über die ISA

war vernichtend. Er kritisierte dieGruppe als eine Einheit vonHalbstarken mit mangelhafterelterlicher Aufsicht unddokumentierte ihreverschwenderische Ausgabenpolitik.Zu ihren bizarrsten Anschaffungengehörten ein Rolls-Royce, einHeißluftballon und ein Strandbuggy.Sowohl Weinberger als auch seinStellvertreter Frank Carlucci warenüber den Bericht schockiert. Im Mai1982 bezeichnete ihn Carlucci ineinem Memorandum als »extrembeunruhigend«. Er hatte zuvor in

der CIA gedient. Dort hatte er alsAdmiral Stansfield TurnersStellvertreter gearbeitet und selbsterlebt, welch schweren Tribut dieCIA für jahrelange unkontrollierteGeheimoperationen zahlen musste.

»Wir hätten eine Lehre aus den1970er-Jahren ziehen sollen«,kommentierte Carlucci in einemMemorandum den Bericht desGeneralinspekteurs, aberstattdessen »haben wir eineOrganisation aufgebaut, die nichtrechenschaftspflichtig ist.« Er zogeinen Vergleich mit der Figur Topsy

aus Onkel Toms Hütte von HarrietBeecher Stowe, einem jungenSklavenmädchen, von dem niemandwusste, wo es herkam und wie esaufgewachsen war: »Wir habenunsere eigene CIA geschaffen, aberwie Topsy, ohne Koordination undKontrolle.«

Im folgenden Jahr plante das US-Militär ein Kommandounternehmenin Grenada, um eine Gruppeamerikanischer Medizinstudenten zubefreien, die als Geiseln genommenworden waren. Der Kommandeurdes Einsatzes weigerte sich, die ISA

an der Operation zu beteiligen, weiler der Organisation und ihrem ChefColonel King nicht traute. In derFolge irrten die amerikanischenSpezialeinsatzkräfte im Dezember1983 auf der karibischen Inselherum, ohne eine klare Vorstellungvom Aufenthaltsort der Studentenzu haben. »Wir wussten erbärmlichwenig über Grenada«, erinnertesich Dewey Clarridge, der damaligeChef der Lateinamerikaabteilungder CIA. »Wir arbeiteten praktischim Dunkeln.«

Als ob es für die ISA nicht schon

schlecht genug gelaufen wäre,versuchte die CIA nun auch nochihre Operationen zu sabotieren.Den Spitzenbeamten der CIA gefieles gar nicht, dass das Militär eineeigeneNachrichtenbeschaffungsorganisation aufbaute; sie glaubten nicht, dassSoldaten als Spione etwas taugten.Dies hing zum Teil mit einertieferen Unsicherheit zusammen,die man in Langley gegenüber demPentagon empfand. Die CIA warseit ihrer Gründung im Jahr 1947dessen kleine Schwester gewesen,

ein Zwerg im Vergleich zurPersonalstärke des Militärapparatsund zu dessen Gewicht in denWashingtoner Haushaltskriegen.Der CIA-Direktor kontrollierte nichteinmal die meisten großenNachrichtenbeschaffungsprogramme der Vereinigten Staaten; dieSpionagesatelliten und dieweltweiten Horchposten, die80 Prozent der US-amerikanischenAusgaben fürNachrichtenbeschaffungverschlangen, wurden aus demHaushalt des Pentagons finanziert.

Während seiner ersten Amtszeit alsVerteidigungsminister unter Fordhatte Donald Rumsfeld häufigRevierkämpfe mit der CIA und demWeißen Haus ausgefochten, mitdem Argument, dass er dieProgramme auch kontrollierenwolle, wenn er schon für siebezahle.

Wenn es einen Bereich gab, indem die CIA glaubte, gegenüberdem Pentagon im Vorteil zu sein,dann war es das Reich dermenschlichen Spionage. Deshalbbetrachteten viele bei der CIA die

Gründung einer Organisation wieder ISA als eine reale Bedrohung fürdie Existenz des Geheimdiensts.Führende CIA-Beamte flüstertenden Mitgliedern derGeheimdienstausschüsse imKongress ein, dass die Spione desPentagons Amateure seien, die inÜbersee über die Führungsoffiziereder CIA stolperten. VerdeckteOperationen könnten dadurchauffliegen, sagten sie, undGeheimagenten könnten ihr Lebenverlieren.

Die Versuche der CIA, die

Spionageanstrengungen desPentagons zu unterminieren,führten natürlich dazu, dass dieMilitärführung dem Geheimdienstnoch mehr misstraute und erstrecht danach trachtete, ihreeigenen Spionageaktivitätenauszubauen. Bei einer Besprechungim Jahr 1983 zwischen CIA-DirektorWilliam Casey und dem VereinigtenGeneralstab im sogenannten»Tank«, dem abhörsicherenKonferenzraum des Pentagons,beklagte sich General Meyer wieüblich, dass die CIA nie etwas täte,

um dem Militär zu helfen. Caseyversuchte den General mit demHinweis zu besänftigen, dass seinVorgänger Admiral StansfieldTurner selbst ein Militär gewesensei. Doch Meyer wollte nichts davonhören. »Es stimmt schon, was Siesagen, Mr Casey«, meinte er. »Aberdieser Hurensohn hat währendseiner ganzen gottverdammten Zeitbei der CIA nicht das Geringste fürdas Militär getan.«

Obwohl der Bericht desGeneralinspekteurs über Kings

Gruppe verheerend ausgefallen warund Carlucci sie ganz abschaffenwollte, blieb sie erhalten.Tatsächlich wurde sie sogar zueinem zentralen Element beiRumsfelds Bestrebungen, dieSpionageoperationen desPentagons dramatisch auszuweiten.Bis Ende 2001 hatte sich die ISA zueiner geheimen Spionageeinheit mitdem Codenamen Gray Foxentwickelt, die mit Asad Munir undden Agenten des pakistanischenGeheimdiensts in Westpakistanzusammenarbeitete. Gray Fox hatte

seinen Sitz unmittelbar jenseits desWashington Beltway in Fort Belvoir,Virginia, und beschäftigte mehrerehundert Agenten, die verdeckt inÜbersee arbeiteten. Sie waren aufdie Installierung von Abhörgerätenan schwer erreichbaren Ortenspezialisiert, Geräte die mit dengroßen Abhörstationen Verbindungaufnehmen konnten, die dieNational Security Agency (NSA)rund um den Erdball errichtet hatte.

Trotzdem galt die Gruppe im Jahr2001 als so periphere Organisation,dass man ihr den Spitznamen »Die

Geheimarmee von Nordvirginia«verpasste hatte. Als sich Rumsfelderstmals mit dem Kommandeur vonGray Fox traf und Details über dieOperationen der Gruppe erfuhr,sagte er: »Wenn ich vor dem11. September gewusst hätte, dassihr Kerle das alles getan habt, hätteich euch wahrscheinlich alle insGefängnis werfen lassen.« Nunjedoch war er davon besessen, dieeher mageren Spionagefähigkeitendes Pentagons auszubauen undenger zu koordinieren, und befahl,das Budget von Gray Fox zu

erhöhen und seine Arbeit besser mitder des JSOC abzustimmen, dergeheimnisumwittertenKommandoeinrichtung, die ihn beiseinem Ausflug nach Fort Bragg imNovember 2001 so beeindruckthatte. Seit seinem Besuch hatte erdas JSOC immer mehr als genau dieGeheimarmee betrachtet, die erzum Führen eines globalen Kriegsbrauchte.

Doch das JSOC war 2001 weitdavon entfernt, in einemweltumspannenden KonfliktRumsfelds Prätorianergarde spielen

zu können. Die Delta Force undSEAL Team Six waren»Nischenkräfte«. Sie umfasstennicht mehr als ein paar hundertMann und waren nicht in der Lage,Operationen von mehr als zweiTagen Dauer aus eigener Kraftdurchzuhalten. Die Delta Forcetrainierte fast ausschließlich fürGeiselbefreiungsaktionen, und SEALTeam Six war jahrelang dafürausgebildet worden, dasAtomwaffenarsenal der USA zusichern, falls dies je notwendigwerden sollte. Keine der beiden

Einheiten hatte je die Ausbildungoder die Ausrüstung fürweitreichende Operationenbesessen, die Wochen oder garMonate dauerten.

»Rumsfeld bekam ganz einfachden Eindruck, dass [das JSOC] dieFähigkeit hat, überallreinzukommen und alle richtigenLeute zu töten und alle richtigenLeute zu retten – warum sollte mandas nicht ausnutzen?«, sagte RobertAndrews. »Er erkannte bloß nicht,dass es nicht für längerfristigeKampfhandlungen aufgestellt war.«

Doch Rumsfeld fand auch dieUnabhängigkeit des JSOC attraktiv.Es wäre eine Einsatzgruppe, diedirekt dem Verteidigungsministerund dem Präsidenten unterstandund nicht von einemrevierbewussten Viersternegeneralbefehligt wurde. Es wäre wie dasDirectorate of Operations der CIA:unbelastet von einer engstirnigenMilitärbürokratie. Wenn Rumsfelddas Kommando großzügig mit Geldausstattete, damit die Delta Forceund SEAL Team Six ihreMannschaftsstärke erhöhen und

genug Ausrüstung für längerandauernde Auslandseinsätzekaufen konnten, dann, so dachte er,konnte er seine Spezialtruppenpraktisch überall auf der Welteinsetzen.

Aber war es überhaupt legal,wenn er das tat? Die Rechte desPentagons sind in Title 10 desUnited States Code festgelegt, undder Kongress ist traditionellbestrebt, die Aktivitäten derStreitkräfte außerhalb erklärterKriegsschauplätze zu begrenzen.Dies beruht teilweise auf der Sorge,

dass amerikanische Soldaten, dieaußerhalb eines erklärten Kriegsoperieren, gefangengenommen undohne den üblichen Schutz durch dieGenfer Konvention als Spione vorGericht gestellt werden könnten. ImGegensatz dazu kann der Präsidentder CIA (deren Befugnisse in Title50 formuliert sind) befehlen, ihreAgenten an jeden beliebigen Ortder Welt zu schicken. Nach denBestimmungen in Title 50 darf dieamerikanische Regierung bei einemCIA-Beamten jede Kenntnis seinerHandlungen abstreiten und ihn im

Gefängnis verrotten lassen, wenn erin einem feindlichen Land beimSpionieren erwischt wird.

Nach der Iran-Contra-Affäre inden 1980er-Jahren versuchte derKongress in Bezug aufGeheimoperationen sogar nochstärkere Restriktionen zuverhängen. Der IntelligenceAuthorization Act von 1991 schreibtvor, dass alle verdecktenOperationen durch eine schriftlichePräsidialdirektive autorisiert werdenmüssen, in der die Notwendigkeitder Geheimhaltung begründet wird,

und dass das Weiße Haus dieGeheimdienstausschüsse desRepräsentantenhauses und desSenats informieren muss, kurznachdem die CIA die Direktiveerhalten hat. Doch das Gesetz von1991 enthielt auch ein ziemlichgroßes Schlupfloch: Es befreite dasPentagon von den lästigen neuenVorschriften, wenn esGeheimoperationen durchführte, diees als »traditionelle militärischeAktivitäten« betrachtete.

Das Gesetz enthielt kaumHinweise darauf, was unter

»traditionelle militärischeAktivitäten« zu verstehen war, undzwar nicht zuletzt deshalb, weil sichdas Weiße Haus von George H.W.Bush und das Pentagon imKongress erfolgreich für eine vageFormulierung eingesetzt hatten. AmEnde wurden die Aktivitäten sodefiniert, dass sie mit »laufenden«oder »zu erwartenden«Feindseligkeiten in einemZusammenhang stehen mussten.Mit anderen Worten, das Pentagonkonnte die Entsendung von Truppenin jedes beliebige Land der Welt

rechtfertigen, wenn es überzeugenddarlegte, dass die VereinigtenStaaten in diesem Land einen Kriegführten – oder zu irgendeinemkünftigen Zeitpunkt führen würden.

Diese obskuren Bestimmungenwurden ein Jahrzehnt lang kaumdiskutiert und kamen erst wiederins Spiel, als der Kongress in denTagen nach dem 11. SeptemberPräsident Bush mit derumfassenden Vollmacht, überall aufdem Erdball Krieg zu führen,ausstattete. Laut denBestimmungen der Authorization for

Use of Military Force (AUMF)befanden sich die USA nicht mehrmit irgendeinem bestimmten Landim Krieg, sondern sie konnten injedem Land einen Krieg beginnen,in dem al-Qaida operierte. DieseVerfügung verschaffte Rumsfeld dieangestrebte Genehmigung, einenglobalen Krieg zu führen.

Freilich brauchte derVerteidigungsminister noch Zeit, biser seine neue Macht nutzen konnte.Unmittelbar nach dem Fall vonKabul Ende 2001 konzentrierten diewichtigsten Führer im Pentagon ihre

Energie auf die Planung einerInvasion im Irak. Außerdem hattedas Militär zunächst noch Problemeherauszufinden, wo es al-Qaidajagen sollte, wenn man vonbekannten Rückzugsgebieten wiePakistan absah. Im Jargon derTerrorismusbekämpfung ging esdarum, Terroristen zu »finden, (ihreIdentität) abzuklären und sie zuerledigen« (find, fix, and finish).Rumsfeld jedoch sollte Jahre spätereinräumen: »Wir hatten dieFähigkeit, sie zu erledigen, abernicht zum Finden und Abklären.«

Rumsfeld und sein Team waren inder ersten Hälfte des Jahres 2003recht selbstsicher. Die Invasion imIrak schien, zunächst, weitgehendRumsfelds Vision von einer neuenArt des Kriegs zu entsprechen. DerMarsch auf Bagdad hatte kaumeinen Monat gedauert und war miteiner relativ kleinenInvasionsarmee durchgeführtworden – ein positiver Test für diePhilosophie desVerteidigungsministers, dass manmit modernster Technik inKombination mit einem Kriegsplan,

der mehr auf Geschwindigkeit alsauf Stärke setzt, die Kriege des21. Jahrhunderts gewinnen kann.Weil er den Erkenntnissen der CIAmisstraute, hatte er außerdem imJahr vor der Invasion eine kleineAbteilung im Pentagon gegründet,die unter dem Under Secretary ofDefense for Policy Douglas J. FeithNachrichtenmaterial analysierte, umBeweise für ein Bündnis zwischenSaddam Hussein und islamischenTerroristen zu finden. Als dieamerikanischen Truppen Bagdaderreicht hatten, waren viele von

Rumsfelds Beratern überzeugt, dasses nur noch eine Frage der Zeit sei,bis sie einen überzeugenden Beweisfür eine Verbindung zwischenHussein und Osama Bin Ladenfinden würden – was die Invasionim Nachhinein gerechtfertigt hätte.Am Ende fanden dieamerikanischen Truppen keinensolchen Beweis, und die Schlüssevon Rumsfelds kleinerGeheimdienstabteilung waren fastgänzlich diskreditiert.

Trotzdem intensivierte er seinePlanungen für einen weltweiten

Krieg mit Spezialeinsatzkräften, alsSaddam Hussein ausgeschaltet warund innerhalb der Regierungdarüber Uneinigkeit bestand, ob sieSyrien zum nächsten Objekt ihrerStrategie der »Regimewechsel«machen sollte. Robert Andrewshatte das Pentagon inzwischenverlassen, und Rumsfeld ersetzteihn durch Thomas O’Connell, einenweiteren Veteranen derparamilitärischen Kriegführung inVietnam und ehemaligenKommandeur von Gray Fox.O’Connell war 1970 als militärischer

Berater für das UnternehmenPhoenix in Vietnam stationiertworden. Dieses umstrittene, vonder CIA geführte Programm war einVersuch, durch die Gefangennahmeund Tötung von Führern derVietcong eine Wende imVietnamkrieg herbeizuführen.O’Connell hatte den größten Teilseines Erwachsenenlebens in derWelt der Spezialeinsatzkräfte undGeheimdienste verbracht, und erwar der ranghöchsteNachrichtenoffizier beim JSOCgewesen, als der Abgeordnete Dick

Cheney die Kommandoeinrichtung1986 besucht hatte. SeinBewerbungsgespräch bei Rumsfeldwar ausgesprochen gut gelaufen,vor allem weil er über dieBefugnisse des Pentagons und dieRolle der Spezialeinsatzkräftegenau das sagte, was Rumsfeldhören wollte.

»Warum muss ich meine Leuteder CIA unterstellen, wenn wir unsim Kriegszustand befinden?«, fragteRumsfeld gleich zu Beginn desGesprächs.

»Das müssen Sie nicht«,

antwortete O’Connell schnell. »Siehaben die Macht, amerikanischeStreitkräfte auf der ganzen Welt anjeden Ort Ihrer Wahl zu schicken.«

O’Connells Ansicht nach hatte derKongress dem Pentagon für dieFührung eines globalen Kriegs, fürdie Nachrichtenbeschaffung oder fürdie Durchführung vonTötungsoperationen weitgehendeVollmachten gegeben. Er sahParallelen zum Vietnamkrieg, alsNixon heimlich Kambodscha undLaos bombardieren ließ, weil erglaubte, dass diese Länder

feindlichen Kämpfern Zufluchtboten. Doch der Unterschiedbestand seiner Meinung nach darin,dass Rumsfeld sogar noch mehrBefugnisse hatte als Nixon:Immerhin hatte der Kongress demPentagon inzwischen die Erlaubnisgegeben, überall Soldatenhinzuschicken, wo es al-Qaidavermutete.

Rumsfeld versuchte damals inseinen Kämpfen mit der CIA dieOberhand zu gewinnen undbeschloss, all die disparaten undhäufig planlosen

nachrichtendienstlichenOrganisationen des Militärs ineinem einzigen Amtzusammenzufassen. Er machteseinen treuen Berater StephenCambone zu seinem ersten UnderSecretary of Defense forIntelligence und erteilte dem klugenund streitbaren Mannaußerordentliche Vollmachten alsLeiter der Spionageaktivitäten desPentagons. Ja, er änderte sogar dieRangordnung der zivilen Beamtendes Verteidigungsministeriums:Cambone erhielt ein Büro direkt

neben seinem eigenen, und ersollte das Ministerium leiten, fallsRumsfeld und sein Stellvertreterums Leben kamen oderdienstunfähig wurden.

Zu Cambones Stellvertreterernannte Rumsfeld Lt. GeneralWilliam »Jerry« Boykin, einenVeteranen der Delta Force, der1980 bei der gescheitertenOperation zur Befreiung deramerikanischen Geiseln in deriranischen Wüste mit dabeigewesen war. Boykin war einwiedergeborener Christ, der seinen

Glauben gern an die große Glockehängte und gelegentlich inbiblischen Begriffen über den Krieggegen die muslimischenExtremisten sprach. So bezeichneteer ihn oft als Krieg gegen den»Satan«, und in den frühen 1990er-Jahren kam er beim Vergleichseines Glaubens mit dem einessomalischen Warlords zu folgendemSchluss: »Ich wusste, dass meinGott ein wirklicher Gott ist undseiner ein Götze.«

Missionarischen Eifer legteBoykin auch an den Tag, wenn es

darum ging, die gesetzlichenVollmachten des Militärsauszureizen. Seit der Geiselkrisevon Beirut in den 1980ern war erfrustriert, weil die Bürokraten imPentagon davor zurückschreckten,Gruppen wie die Delta Forceeinzusetzen. Genau wie O’Connellbombardierte Rumsfeld auch Boykinbei dessen Bewerbungsgesprächmit Fragen über die Vollmachtendes Verteidigungsministers,Truppen außerhalb von Kriegszoneneinzusetzen. Und Boykin antworteteähnlich wie O’Connell: Sie haben

die Vollmacht, und Sie sollten sienutzen. Sie müssen Ihre Soldatennicht der CIA unterstellen.

Rumsfelds Anstrengungen, seineigenes Reich für unkonventionelleKriegführung aufzubauen, bekamenim Sommer 2004 Auftrieb, als dieUntersuchungskommission zu denAnschlägen des 11. September inihrem Abschlussbericht empfahl, dieCIA all ihrer paramilitärischenFunktionen zu berauben und diegeheime Kriegführung allein demPentagon zu überlassen. DieKommission hatte die CIA für ihre

Unfähigkeit, Bin Laden zu töten,scharf getadelt und war der Ansicht,dass die Geheimoperationen desDiensts nicht ordentlich ausgeführtwürden. Sie empfahl der CIA, ihreNachrichtenbeschaffung zuverbessern und sich dabei wenigerauf ausländische Geheimdienste zustützen. Außerdem sollte sie dieArt, wie sie Analysen durchführte,reformieren und sich auf»nichtmilitärische« verdeckteOperationen wie zum BeispielPropagandakampagnenbeschränken. Geheime Kriege und

Drohnenangriffe waren laut derKommission Aufgabe desPentagons.

»Die Vereinigten Staaten könnenes sich weder finanziell nochpersonell leisten, die Fähigkeit zurDurchführung geheimermilitärischer Operationen, zumgeheimen Einsatz vonAbstandswaffen und zur geheimenAusbildung ausländischermilitärischer oder paramilitärischerKräfte doppelt aufzubauen«, hieß esim Abschlussbericht derKommission, der im Juli 2004

veröffentlicht wurde.Dies entsprach natürlich genau

Rumsfelds Ansicht, und wenigeTage nach der Veröffentlichung desBerichts gab er Tom O’Connell denAuftrag, Näheres darüber inErfahrung zu bringen, was zu derEmpfehlung geführt hatte.O’Connell sprach mit demehemaligen Marineminister JohnLehman, einem Mitglied derKommission, und berichteteRumsfeld, dieser habe den Umgangder CIA mit paramilitärischenOperationen »konfus« gefunden. In

seinem Memo für Rumsfeld schrieber, Lehman habe ihm erzählt, dassdie Kommission über diemangelnde Bereitschaft der CIA,»ein Risiko einzugehen«, bestürztgewesen sei, und auch darüber,dass sie »zögere, den Abzug zudrücken, wenn sich Gelegenheitenergäben«. Wie Lehman zu O’Connellsagte, bestand das größte Problemdarin, dass das Pentagon dieFähigkeiten zum Jagen und Tötenbesitze, aber die CIA dieVollmachten dafür habe.

Rumsfeld beauftragte Cambone

damit, herauszufinden, wie sichdiese Empfehlung umsetzen ließe,und dieser stellte schon bald dieradikalere Frage, ob sich dieOperationen der CIA nicht nochweiter einschränken ließen. EndeSeptember 2004 schrieb er anRumsfeld, er habe Zweifel, ob dieCIA überhaupt Geheimoperationendurchführen sollte, die man ja als»operative Tätigkeit ähnlich dereines Combatant Commander«betrachten könne. Mit anderenWorten: Vielleicht sollte dasPentagon überhaupt die gesamte

Geheimdiensttätigkeit übernehmen.Das Problem, dass die CIA sowohlfür verdeckte Operationen als auchfür Analyse zuständig sei, führepotentiell zu »Verzerrungen«, wenndie Effizienz einer konkretenverdeckten Operation beurteiltwerde. Anders gesagt, die CIA warso konstruiert, dass sie ihre eigeneArbeit benotete.

Das Argument war vielleichteigennützig, doch es traf den Kerneiner noch wichtigeren Frage: Kannein Dienst, der mit einer gezieltenTötungskampagne gegen al-Qaida

betraut ist, objektiv beurteilen,welche Auswirkungen genau dieseKampagne auf die Stärke der al-Qaida hat? Mit genau dieser Fragesollten die Mitglieder der RegierungObama Jahre später konfrontiertsein, als der Geheimdienst seinenDrohnenkrieg in Pakistan eskalierenließ.

Am Ende vertraten sowohlRumsfeld als auch CIA-DirektorPorter Goss gegenüber Bush dieAnsicht, dass die Vollmacht zurDurchführung verdecktermilitärischer Operationen doch nicht

von der CIA auf das Pentagonübertragen werden sollte. Rumsfeldwar zu der Überzeugung gelangt,dass er unter der Flagge»traditionelle militärischeAktivitäten« tun konnte, was erwollte, selbst wenn die CIA paralleldasselbe tat. Goss dagegen hatteseine eigene heimliche Lobbying-Kampagne durchgeführt, um dasRevier der CIA zu verteidigen, unddabei ebenfalls dieRegierungsmitglieder gedrängt, derEmpfehlung der 9/11 Commissionnicht zu entsprechen. Diese

Übereinstimmung zwischenPentagon und CIA war freilich nurvon kurzer Dauer und sollte denKämpfen zwischen den beidenInstitutionen kein Ende setzen.

Schon im Jahr 2004 begannenkleine Spezialeinheiten des JSOC,zu Spionageoperationen rund umden Erdball auszuschwärmen: nachSüdamerika, Afrika, Asien und inden Nahen Osten. Sie gingen auchnach Frankreich, wo sie versuchten,Informationen über militanteislamistische Gruppen zu sammeln,und eines der Teams musste

Paraguay hastig wieder verlassen,weil einer von Rumsfelds Spionenbei einer Wirtshausschlägerei diePistole zog. »Da rannten überalldiese Typen für uns rum, dieversuchten, James Bond zu spielen,und es lief nicht besonders gut«,formulierte es ein frühererPentagonmitarbeiter, der an derLeitung des Programms beteiligtwar.

Einige der Teams hatten dieharmlos klingende BezeichnungMilitary Liaison Elements und warenin Botschaften stationiert. Andere

reisten heimlich in fremde Länderein und informierten dort weder denamerikanischen Botschafter nochden CIA-Stationschef über ihreTätigkeit. Da die ganze Welt jetzteine Kriegszone war, glaubte dasPentagon, dass dieSpezialeinsatzkräfte nur ihrenmilitärischen Vorgesetzten, nichtjedoch dem zivilen Botschafterunterstellt seien.

Eines Nachmittags kam derMilitärattaché der amerikanischenBotschaft in Jordanien in das Bürodes Botschafters Edward W. Gnehm

und legte ihm einen Zettel auf denSchreibtisch. Es war eine Nachrichtdes Pentagons, die direkt an denAttaché gegangen und eigentlichnur für seine Augen bestimmt war.Sie lautete, dass bald ein Team desmilitärischen Geheimdiensts inJordanien eintreffen undInformationen über die Stabilitätdes jordanischen Regimes sammelnwerde. Auf keinen Fall, hieß es inder Nachricht, dürften derBotschafter oder der CIA-Stationschef von den Aktivitätendes Pentagons in Jordanien

erfahren.Der Militärattaché, der nun im

Büro des Botschafters saß, hattediese Anweisung natürlich ignoriert.Nach der Besprechung informierteGnehm sofort den CIA-Stationschef,der, wie Gnehm sich erinnerte, »andie Decke ging«.

5

DER BÖSE VOGEL

»Dies ist ein politischer Krieg, der eindifferenziertes Töten erfordert. Die

beste Waffe zum Töten wäre ein Messer,aber ich fürchte, damit schaffen wir es

nicht. Die schlechteste ist ein Flugzeug.«Lt. Colonel John Paul Vann,

amerikanischer Offizier in Vietnam

Die Beamten in derOperationszentrale des

Counterterrorist Center der CIAsahen in der Videoübertragung, wieder Toyota Land Cruiser in derjemenitischen Provinz Ma’rib, demGeburtsland der legendären Königinvon Saba, auf der Wüstenstraßedurch die Schlaglöcher bretterte. Eswar eine unbequeme Fahrt für diesechs Männer in demstaubbedeckten Allradfahrzeug,aber nichts an dem Geländewagenhätte normalerweise bei derjemenitischen Polizei oder demdortigen Militär Verdacht erregt. Aufder Rückbank des Fahrzeugs jedoch

verriet das Handy von Qaed SalimSinan al-Harethi den Standort desmeistgesuchten Mannes im Jemen.Über dem Geländewagen schwebteeine bewaffnete Predator-Drohneder CIA.

Die Vereinigten Staaten hattenal-Harethi als einen der Drahtzieherdes Bombenanschlags auf die U.S.S.Cole identifiziert, bei dem siebzehnSeeleute umkamen, als das Schiffim Golf von Aden auftankte. Wegendes Angriffs stand al-Harethi fastganz oben auf der von derRegierung Bush erstellten Liste der

zum Abschuss freigegebenen Qaida-Mitglieder, und als im Frühjahr 2002ein Team amerikanischerSpezialeinsatzkräfte im Jemenlandete, wurde die Jagd auf al-Harethi zu seiner Top-Priorität.Doch der Gesuchte hatte schon inden 1980er-Jahren mit denMudschahedin in Afghanistangekämpft, und was er anÜberlebenstechniken im Kampfgegen die Sowjetunion nicht gelernthatte, eignete er sich in demJahrzehnt an, als er sich vor derGeheimpolizei in den Vereinigten

Arabischen Emiraten und vor denloyalen Elitetruppen desjemenitischen Präsidenten AliAbdullah Saleh versteckte. Im Jahr2000 hatte ihn Osama Bin Laden inden Jemen geschickt, um denAnschlag auf die Cole zu planen unddort Trainingslager von al-Qaidaaufzubauen. Al-Harethi hatte Salehmehrfach blamiert, indem eranrückenden jemenitischenTruppen in letzter Minute entkam.

Der geschäftstüchtigejemenitische Präsident hatte soforterkannt, dass es finanzielle Vorteile

brachte, wenn er sich in dem neuenKrieg an die Seite der USA stellte,aber er hatte darauf bestanden,dass die Regierung Bush diesenKrieg zu seinen Bedingungen führte.Er war im Jemen seit den 1970er-Jahren an der Macht, die er trotzblutiger Stammesfehden undschiitischer Separatisten behauptethatte, und nun war er nicht bereit,die Amerikaner ohne Gegenleistungeinen geheimen Krieg in seinemLand führen zu lassen. Auf einerReise nach Washington, zweiMonate nach dem 11. September,

hatte er den USA bei einerBesprechung mit Präsident Bush,Verteidigungsminister Rumsfeld undCIA-Direktor Tenet 400 MillionenDollar abgerungen. Dafür erlaubteer, dass eine kleine Gruppeamerikanischer Spezialeinsatzkräftein den Jemen kam, bestand jedochdarauf, dass sie Waffen nur zurSelbstverteidigung einsetzte. OhneSaleh darüber zu informieren,schickte das Pentagon zusammenmit der Kommandoeinheit auchAbhörtechniker von Gray Fox in dasLand.

Für den Einsatz von Predator-Drohnen war Saleh freilich leicht zugewinnen gewesen.

Im Frühjahr 2002 ersuchteBotschafter Edmund Hull denPräsidenten um ein Gespräch, beidem er seine Zustimmung zumEinsatz der Drohnen in seinem Landerlangen wollte. Er kannte denPräsidenten inzwischen so gut, dasser mit seinen heftigenStimmungsschwankungen vertrautwar, und er wusste, welcheGesprächsthemen dem Anliegen derCIA wahrscheinlich am ehesten

förderlich wären. Wenige Tagezuvor war eine Gruppe von CIA-Beamten aus Langley eingetroffenund hatte einen Laptop mit einemVideo über die Funktionsweise derDrohnen mitgebracht. Das Videozeigte unter anderem Grafiken, wiedie Hellfire-Raketen einer Predator-Drohne Autos und Lehmmauernzerstören. Saleh lächelte, als ihmdas Video vorgeführt wurde, undwar offenbar stolz darauf, dass derJemen nach Afghanistan das ersteLand sein würde, in dem die CIAden Einsatz der Drohne

vorbereitete.Doch die Amerikaner mussten al-

Harethi erst noch finden, der seineVerfolger austrickste, indem er fünfverschiedene Handynummernverwendetete. Das Team von GrayFox hatte mehrere von ihnenidentifiziert, doch al-Harethi warimmer vorsichtig genug, die Handyssparsam einzusetzen. Am4. November jedoch machte dasÜberwachungsnetz seinen erstengroßen Fang.

Das Handy auf der Rückbank desGeländewagens strahlte sein Signal

in den Himmel hinauf, und dieTechniker von Gray Fox schickteneine Blitzmeldung an die Analystenim weitläufigen Hauptquartier derNational Security Agency in FortMeade, Maryland. Unanhängigdavon hatte die CIA auf ihremDrohnenstützpunkt in Dschibutijenseits der Roten Meers gegenüberdem Jemen eine bewaffnetePredator-Drohne gestartet.Während die Drohne über demLand Cruiser in Position ging, hörteein Analyst in Fort Meade al-Harethis Stimme auf dessen Handy,

als dieser dem Fahrer desGeländewagens Anweisungenzurief. Damit hatte die CIA dieBestätigung, dass sich der Qaida-Führer in dem Fahrzeug befand, undwar autorisiert, es mit einer Raketezu beschießen. Die Rakete derDrohne zerstörte denGeländewagen und tötete alleInsassen. Qaed Salim Sinan al-Harethi wurde schließlich an einemcharakteristischen Mal auf seinemabgetrennten Bein identifiziert, dasin den Trümmern gefunden wurde.

Salehs Regierung brachte schnell

eine Tarngeschichte heraus: DerGeländewagen habe eineGasflasche dabeigehabt, die eineExplosion verursacht habe. DieAntiterrorismuskämpfer der CIAwaren sich jedoch sehr wohlbewusst, dass es sich bei demAngriff um ein historisches Ereignishandelte. Es war das erste Mal seitdem 11. September, dass die CIAaußerhalb einer erklärtenKriegszone eine gezielte Tötungdurchgeführt hatte. Mit derumfassenden Vollmacht, die derDienst im September 2001 von

Präsident Bush erhalten hatte,hatten seine Geheimagentensystematisch Informationen über al-Harethis Bewegungen gesammeltund dann sein Fahrzeug kaltblütigmit einer Panzerabwehrraketeabgeschossen.

Zu diesem Zeitpunkt hatten beimGeheimdienst schon vielevergessen, dass die CIA einebewaffnete Drohne nie wirklichgewollt hatte. Sie hatte als plumpesund primitives Tötungswerkzeuggegolten, und viele Mitarbeiter der

CIA waren froh gewesen, dass derGeheimdienst schon lange aus demKilling Business ausgestiegen war.Etwas mehr als ein Jahr vor demPredator-Einsatz im Jemen hattenoch eine erbitterte Debattedarüber getobt, ob es moralischrichtig war, Drohnen für die Tötungvon Terroristen einzusetzen.Charles E. Allen, ein alter CIA-Analyst und leidenschaftlicherBefürworter der Predator-Drohne,beizeichnete die damaligeAuseinandersetzung später als»blutige Schlacht«.

Ende der 1990er Jahre war RossNewlands Generation von CIA-Beamten, die ihre Laufbahn nachden Enthüllungen des Church-Ausschusses und nach Gerald FordsVerbot von politischen Mordenbegonnen hatte, in Langley inführende Positionen aufgestiegen.Ihr Aufstieg hatte direkteAuswirkungen auf die verdecktenOperationen, die die CIA auf derganzen Welt durchführte. Derparamilitärische Zweig des Dienstsverdorrte gleichsam, weil man beider CIA nicht wieder zu den Kriegen

der Vergangenheit zurückkehrenwollte. Sogar in der Frage, ob erdas Recht hatte, Osama Bin Ladenzu töten, war der Dienst gespalten.Ein früherer Chef desCounterterrorist Center sollte spätervor der Untersuchungskommissionzum 11. September aussagen, dasser in den Jahren vor dem Anschlagauf das World Trade Center einendirekten Befehl zur Tötung BinLadens verweigert hätte.

»Die gemeinsame Haltung in derCIA war: ›Wir wollen keineverdeckten Operationen

durchführen‹«, sagte RichardClarke, sowohl unter Bill Clinton alsauch unter George W. Bushoberster Terrorismusexperte imWeißen Haus. »›Und wenn wir esdoch tun, wollen wir, dass sieabsolut sauber sind. Wir wollennicht an der Tötung von Menschenbeteiligt sein, weil wir nicht so sind.Wir sind nicht der Mossad‹«.

Im Jahr 2000, als Newland seineAgententätigkeit im Ausland gegeneine Führungsposition in Langleyeintauschte und Verbindungsmannder CIA zum Pentagon wurde, hatte

Bin Laden schon mehrfachbewiesen, dass er jederzeit überallzuschlagen konnte, etwa durch dieBombenanschläge auf dieamerikanischen Botschaften inKenia und Tansania 1998 oder denAngriff auf die Cole im Jemen zweiJahre später. Die Regierung Clintonhatte kaum einen Plan, wenn esdarum ging, herauszufinden, wosich der al-Qaida-Führer befand undihn zu töten, bevor er den Ortwechselte.

Im Situation Room des WeißenHauses wurden Diskussionen über

Bin Laden zu abstrakten Debattendarüber, mit welcherTötungsmethode das Weiße Hausdas Tötungsverbot von 1976missachten oder nicht missachtenwürde. Clarke erinnerte sich an eineBesprechung, bei derSicherheitsberater Sandy Berger sowütend über die Debatte wurde,dass er alle Anwesenden anschrie.»Er sagte: ›Für Leute wie Sie ist esalso absolut in Ordnung, wenn BillClinton Bin Laden mit einemTomahawk-Marschflugkörper tötet,aber wenn er ihm eine 7,62-

Millimeter-Kugel zwischen dieAugen schießt, ist es schlimm?Können Sie mir mal erklären,welchen Unterschied es macht, ober mit einem Tomahawk odereinem M16 getötet wird?‹«

»Berger war einem Herzinfarktnahe«, sagte Clarke. »Er warschweißgebadet und ganz rot imGesicht, und er schrie die Leutean.«

Präsident Clinton war allesandere als begeistert über denMangel an Optionen. »Wissen Sie«,sagte er einmal zum General Hugh

Shelton, dem damaligen Chef desVereinigten Generalstabs, »al-Qaidawürde sich in die Hose machen vorAngst, wenn sich mitten in ihremLager plötzlich ein Haufenschwarzer Ninjas aus einemHubschrauber abseilen würde.«

Da das Pentagon keine Ninjaszur Verfügung hatte, erklärte essich bereit, zwei U-Boote imArabischen Meer zu stationieren,die mit minimaler VorbereitungszeitTomahawk-Marschflugkörper nachAfghanistan hineinschießenkonnten. Ohne frische Erkenntnisse

über Bin Ladens Aufenthaltsortwaren die Boote jedoch nutzlos,und hohe Admiräle drängten schonbald auf ihre Verlegung.

Die CIA hatte eine Taliban-Quelle, die den AmerikanernInformationen lieferte, aber diesewaren in der Regel vierundzwanzigStunden alt, und deshalb nicht sozuverlässig, dass das Weiße Hauseinen Raketenangriff auf Ziele inAfghanistan genehmigt hätte. Aufihrer verzweifelten Suche nachIdeen trafen sichGeheimdienstbeamte mit Vertretern

der amerikanischenRüstungsindustrie und überlegten,ob man vielleicht Prallluftschiffeoder Heißluftballone bauen könnte,um aus 10000 Metern Höheafghanisches Territorium zufotografieren. Sie verwarfen dieIdee jedoch wieder, als sie an diediplomatischen Verwicklungendachten, wenn Windböen aus demHindukusch eines der Luftschiffevom Kurs gebracht und ein paarHundert Kilometer nach Chinahineingeblasen hätten – womöglichüber ein Atomkraftwerk.

Clarkes Verhältnis zu CIA-Direktor George Tenet und zuJames Pavitt, dem Chef desDirectorate of Operations, waräußerst kühl, also beschloss er,anderswo nach Ideen zu suchen. Sorief er den führenden CIA-AnalystenCharles E. Allen an, der schon seitvier Jahrzehnten für den Dienstarbeitete und damals Mitte sechzigwar. Der kluge und eigensinnigeMann war von früheren Schlachtendes Geheimdiensts gezeichnet;seine Karriere hatte durch die Iran-Contra-Affäre schwer gelitten.

Zugleich genoss er jedoch einenlegendären Ruf unter CIA-Analysten, weil er 1990 allein aufweiter Flur vorausgesagt hatte,dass Saddam Hussein in Kuwaiteinmarschieren würde. Clarke batAllen, ein unabhängiges Gutachtenüber verschiedeneSpionagemöglichkeiten inAfghanistan zu erstellen.

Allen suchte imVerteidigungsministerium nachneuen Einfällen und sprach mitOffizieren, die für den VereinigtenGeneralstab arbeiteten. Sie

diskutierten ausgefallene Ideen,wie zum Beispiel auf einemBerggipfel ein riesiges Fernrohr zuinstallieren und es auf Bin LadensTrainingslager in Derunta beiJalalabad zu richten, wo al-Qaidamit chemischen Waffenexperimentiert hatte. Doch es gabnoch eine weitere, realistischereOption. Allen wurde über eine Seriegeheimer Tests informiert, welchedie Luftwaffe in der Wüstedurchgeführt hatte. Es bestehe dieChance, erklärten AllensGesprächspartner im Pentagon,

dass die CIA Bin Laden mit einerDrohne finden könne.

Im Jahr 2000 war die MQ-1Predator nur einem kleinenexklusiven Kreis vonMilitäringenieuren undNachrichtenanalysten gut bekannt,die in den experimentellenRandbereichen der elektronischenSpionage arbeiteten. Die Drohnewar in den Balkankriegen bereitsmit gewissem Erfolg alsAufklärungsinstrument eingesetztworden, hatte serbischeTruppenkonzentrationen gemeldet

und sich bei der Jagd auf führendebosnische Serben als nützlicherwiesen. Die Piloten, die dieDrohnen steuerten, saßen damalsin einem Hangar in Albanien, dendie CIA für zweiLastwagenladungen Wolldeckengemietet hatte. DieKameraaufnahmen der Drohnenwurden in das Büro von CIA-Direktor R. James Woolsey jr.übertragen, der über eine primitiveE-Mail-Verbindung mit den Pilotenkommunizierte. Woolsey war esgelungen, über Charlie Wilson ein

kleines Budget für die Drohnen zuorganisieren. Derselbe trinkfreudigeAbgeordnete hatte schon in den1980er-Jahren mit ähnlichenHaushaltstricks den Krieg der CIA inAfghanistan finanziert.

Wegen des bergigen Geländesauf dem Balkan war es nichtmöglich gewesen, die Drohnen übereine »Luftlinienverbindung« zusteuern, bei der der Pilot denFlugapparat durch ein direktesFunksignal lenkt. Deshalb hatte dasMilitär in den 1990ern einrevolutionäres Verfahren entwickelt,

bei dem das Signal von einemSatelliten im Weltraum auf die Erdezurückgestrahlt wird. Doch diePredator-Drohne konnte noch keineWaffe tragen. Außerdem sah sieaus wie ein langgestrecktes Insekt,und ihr Triebwerk war so laut, dasssie wie ein fliegender Rasenmäherklang. Im Gegensatz zu denmeisten Flugzeugen waren ihreHöhenflossen nach unten gerichtet,und als eine wichtige Fachzeitschriftihren ersten Artikel über diePredator publizierte, stand das Fotoder Drohne auf dem Kopf. Trotz

alledem erkannte eine Handvollbegeisterter Flieger bei der AirForce das Potenzial unbemannterSysteme und begann, sich für diePredator einzusetzen.

Allen brachte die Drohnen-Ideezurück zu Richard Clarke ins WeißeHaus. Beide vermuteten, dassTenet und Pavitt die Idee ablehnenwürden, also erzählten sie ihnenerst davon, als bereits ein Planbestand, die Drohne nachAfghanistan zu schicken. OhneTenet zu informieren, berief Clarkeim Weißen Haus eine Sitzung ein,

zu der er die größten Befürworterder Drohne einlud: Charlie Allen,CTC-Chef Cofer Black und RichardBlee. Blee leitete im CTC dieEinheit, die Bin Laden jagte undden Codenamen Alec Station hatte.

Er war ein alter Führungsoffizier,der in verschiedenen CIA-Stationenin Afrika gedient hatte. Kurznachdem er 1999 Alec Stationübernommen hatte, reiste er miteinem von Team von CIA-Beamtenin das Panjshir-Tal in Afghanistanund stellte den Kontakt der CIA zuAhmed Schah Massud wieder her,

dem Führer der Nordallianz, den al-Qaida zwei Tage vor dem11. September töten sollte. Bleewar klug und sehr agil, abermanchmal recht mürrisch, weshalbihn manche seiner Kollegen fürarrogant hielten. Er war sozusagenals CIA-Göre aufgewachsen. SeinVater hatte als Chef derSowjetabteilung der CIA heftig mitJames Angleton, dem legendärenChef der CIA-Spionageabwehr, umdie Leitung der verdecktenOperationen gegen die Sowjetunionkonkurriert. Blee hatte sich

durchgesetzt und in den 1970er-Jahren den KGB erfolgreich mitDutzenden hochrangiger Maulwürfeinfiltriert. Nun stand sein Sohn ineinem ganz anderen Krieg der CIAan vorderster Front.

Bis zum Wochenende desMemorial Day im Jahr 2000 warClintons NationalerSicherheitsberater Sandy Berger zuder Ansicht gelangt, dass die CIAschon zu lange wegen der Drohnenherumstritt, und verlangte eineEntscheidung. General John Gordon,der Stellvertretende CIA-Direktor,

berief hastig eine Besprechung inLangley ein, die schnell zu einemheftigen Wortgefecht ausartete.Pavitt, der inzwischen über dieMöglichkeit von Predator-Einsätzeninformiert worden war, wehrte sichheftig dagegen, dass die CIA überAfghanistan Spionageflügedurchführte. »Wo würden dieDrohnen stationiert?«, fragte er,und: »Was wäre, wenn sieabgeschossen würden?« Die CIAsollte nicht mit einer eigenenLuftwaffe operieren, forderte er. DieBesprechung wurde nun »wirklich

hässlich«, wie einer der Teilnehmerspäter berichtete.

Nach der Sitzung rief AllenRichard Clarke an und berichteteihm von Pavitts Widerstand. Clarkefand Pavitts Bedenken lächerlichund meinte, der Plan sei so gut wierisikolos. »Wenn die Predatorabgeschossen wird, geht der Pilotnach Hause und schläft mit seinerFrau«, sagte er zu Allen. »Es istokay. Es gibt in diesem Fall keinKriegsgefangenenproblem.«

Tenet war ebenfalls skeptisch,als er mehrere Tage darauf von der

Predator erfuhr. Und er hatte keinegroße Lust, bei Islom Karimow, demstarken Mann von Usbekistan, dieGenehmigung für die Stationierungvon Drohnen in einem altenSowjetstützpunkt nahe derafghanischen Grenze einzuholen.Die Idee, dass die CIA irgendwo aufder Welt militärartige Stützpunkteeinrichten könnte, wirkte damalsverrückt – und wie eine schwereBelastung für das schmale Budget,das dem Dienst für verdeckteOperationen zur Verfügung stand.

Bis zum Juni jedoch hatte Clarke

den Streit für sich entschieden, unddas Weiße Haus hatte derVerlegung von Predator-Drohnen indie Luftwaffenbasis Karschi-Khanabad in Usbekistanzugestimmt. Doch die CIA hattenoch ein anderes Problem: Wo wareine Satellitenverbindung mitausreichender Bandbreite für dieDrohnenflüge zu bekommen?Ingenieure der Air Force hatteninzwischen eine Methodeentwickelt, wie man die Drohne ausTausenden Kilometern Entfernungfliegen konnte, indem man das

Funksignal über einen Satellitenreflektierte und es durch eineBodenstation in Deutschlandübertrug. Mit dieser Methodekonnte die CIA ihre Predator-Pilotensehr heimatnah stationieren: aufeinem Parkplatz in Langley in einemumgebauten Anhänger für denTransport von Rennwagen. Dochder Geheimdienst musste dafür beieinem kommerziellenSatellitenbetreiber noch eineBreitbandverbindung mieten. Da dieNachrichtenagenturen alleBreitbandverbindungen für die

Berichterstattung über dieOlympischen Spiele in Sydneyaufkauften, wäre dasDrohnenprojekt fast abgestürzt,wenn die CIA nicht doch noch einSatellitenunternehmen mitausreichend freierTransponderkapazität gefundenhätte.

Die Spionageflüge begannen imSeptember 2000, und die CIA flogim Herbst mehr als ein DutzendDrohneneinsätze über Afghanistan,bis die Winterstürme in den Bergendas empfindliche Flugwerk der

Predator zu sehr durchschütteltenund die Flüge zu riskant wurden.Clarke fuhr mehrmals nach Langleyund sah sich in dem Anhänger aufdem Parkplatz eineVideoübertragung an. »Es war diereinste Science Fiction, einfachunglaublich«, sagte er. Bei einemFlug über Bin LadensAusbildungslager Tarnak Farm beiKandahar entdeckte die Predatoreinen Fahrzeugkonvoi, der geradein das Lager einfuhr. Aus einem derWagen stieg ein Mann in einemlangen weißen Gewand. Das Video

war grobkörnig, aber alle, die beider CIA vor dem Bildschirmstanden, waren überzeugt, dass dieKamera der Drohne auf Bin Ladengerichtet war.

Die CIA-Analysten alarmiertenhastig das Pentagon und das WeißeHaus, um grünes Licht für denAbschuss der Tomahawks auf denU-Booten zu bekommen. Doch dieRegierungsbeamten im NationalenSicherheitsrat wollten wissen, obBin Laden mindestens sechsStunden in dem Lager bleibenwürde. So lange würde es dauern,

bis die Marschflugkörper startbereitgemacht und von ihrem U-Boot imArabischen Meer nachSüdafghanistan geflogen waren. DieCIA hatte keine Antwort auf dieseFrage, und so weigerten sich SandyBerger und sein Stab, den Angriff zugenehmigen. Die CIA hatte nur zweiMöglichkeiten: Sie musste BinLadens Aufenthaltsort sechsStunden im Voraus kennen odereine Waffe auftreiben, die denQaida-Führer aufspüren und soforttöten konnte.

Indian Springs Air Force AuxiliaryField war damals ein kleinerverfallender Stützpunkt etwa56 Kilometer nordwestlich von LasVegas. Er gehörte zu der Myriadenutzloser Vorposten, die dasPentagon während des ZweitenWeltkriegs bauen ließ und dannvergaß. In den 1950er- und 1960er-Jahren war der Stützpunkt einNachschubzentrum für die in derNähe durchgeführten unterirdischenAtomtests gewesen, und in IndianSprings stationierte Hubschrauberhatten gelegentlich die Testgelände

bei Mercury und Yucca Flatsüberflogen und die dort freigesetzteRadioaktivität gemessen. Außergelegentlichen Übungen derThunderbirds, der Kunstflugstaffelder US-Luftwaffe, war IndianSprings trostlose Provinz.

Der Stützpunkt hatte außerdemein Vogelproblem. Der Himmel überIndian Springs war voller Vögel, unddie Air Force hatte die Zahl derFlugzeugstarts auf der Basisbeschränkt, weil die Tiere in dieTriebwerke der Kampfflugzeugegesaugt werden und tödliche

Abstürze verursachen konnten. AlsTestgelände für Drohnen jedochwar Indian Springs ideal, denn derFlugapparat flog kaum schneller alsein Vogel. So kam es, dass einekleine Gruppe von Testpiloten inIndian Springs versuchte, diePredator-Drohne von einem Jäger ineinen Killer zu verwandeln.

Die Unterkünfte auf demStützpunkt sollten abgerissenwerden, weil die Wände derBungalows mit Asbest verseuchtwaren. Deshalb kam das Predator-Team jeden morgen aus

Mietshäusern in den Vorstädten vonLas Vegas zu seinemKommandoposten, der in einerehemaligen Kirche von IndianSprings eingerichtet war. CurtHawes, einer der Predator-Pilotenauf dem Stützpunkt in den Jahren2000 und 2001, erinnert sich, dassseine Gruppe die vage Vorstellunghatte, die Drohnentests seienintensiviert worden, weil die CIA diePredator unbedingt zur Tötung BinLadens einsetzen wolle. Doch diemeisten Details der in Washingtongeführten Debatte blieben den

Testpiloten unbekannt.Finanziert wurde das Projekt von

dem sogenannten »Big-Safari-Büro«der Air Force, einer geheimenAbteilung, deren Standort derLuftwaffenstützpunkt Wright-Patterson in Dayton, Ohio, war unddie geheimeNachrichtenbeschaffungsprogramme für das Militär entwickelte. DieFunktion von Big Safari bestanddarin, die Bürokratie des Pentagonsauszumanövrieren, damitbestimmte Waffensysteme schnellerals üblich vom Zeichenbrett ins

Gefecht gelangten, was manchmalauch bedeuten konnte, dass sie beiihren ersten Einsätzen noch nichtganz ausgereift waren. Dies warauch bei den frühen Modellen derPredator der Fall. IhreFernsteuerung war so schlechtkonstruiert, dass Piloten sie miteiner schlecht zusammengebautenMr-Potato-Head-Puppe verglichen.Einer ihrer krassesten Mängelbestand darin, dass der Knopf, mitdem man den Antrieb der Drohneabstellte, nur etwa einen halbenZentimeter von dem entfernt war,

mit dem man eine Hellfire-Raketeabschoss – eine Fehlerquelle mitpotenziell tödlichen Folgen.

Das größere Problem bestandjedoch darin, dass niemand so rechtwusste, wie die Drohne auf denStart der Rakete reagieren würde.Würde ihr Abschuss das Flugwerkbeschädigen oder der Drohnemitten im Flug die Flügel abreißen?Im Januar 2001 wurde in derHochwüste von China Lake inKalifornien ein Test durchgeführt,um genau dies herauszufinden. DreiTage nach der Amtseinführung von

Präsident Bush ketteten Ingenieureder Air Force eine Predator an einenBetonsockel auf dem Gipfel eineskleinen Bergs und starteten eineauf die Drohne montierte Hellfire-Rakete. Die Rakete traf den Panzer,den sie treffen sollte, und dieDrohne blieb unversehrt. DieFlugtests konnten beginnen.

Mehrere Stunden vorTagesanbruch am 16. Februar 2001verließ Curt Hawes denKommandoposten in derehemaligen Kirche in Indian Springsund fuhr 30 Kilometer in die Wüste

hinein. Am Abend vorher war er dieCheckliste für die Flugvorbereitungin seinem Zimmer in Las Vegasmental noch einmaldurchgegangen. Dann hatte er mitgeschlossenen Augen dieHandbewegungen geübt, die nötigwaren, um die Drohne mit demJoystick zu steuern und eine Raketeabzufeuern.

Vielleicht zum ersten Mal in derGeschichte der amerikanischenFliegerei hatte der Stress vor einembahnbrechenden Test nichts damitzu tun, dass der Pilot sein Leben

riskierte. Curt Hawes wachte amMorgen des 16. Februar ganzanders auf als Chuck Yeager, derhoffte, dass er nicht der letzteTestpilot sein würde, als er sich indas Cockpit der Bell X-1 quetschteund versuchte, die Schallmauer zudurchbrechen. Hawes warüberhaupt keinem Risikoausgesetzt, aber genau deshalb warder Test ein solcher Meilenstein:Die Vereinigten Staatenentwickelten eine neue Kriegswaffe,mit der niemand mehr in den Kriegziehen musste.

Der Test sollte am frühenMorgen stattfinden, wenn in derWüste am wenigsten Wind weht.Kurz nach Sonnenaufgangübernahm Hawes die Kontrolle vondem Team, das die Drohne auf derStartbahn in Indian Springsgestartet hatte. Er ließ sie langsamauf 600 Meter heruntergehen, diegrößte Höhe, aus der je eineHellfire-Rakete gestartet wordenwar. Dann nahm er mithilfe einesLaserstrahls, den ein Mann amBoden auf einen Panzer in derWüste richtete, den Panzer ins

Visier, und drückte den Knopf, derdie Rakete startete.

Was Hawes im Gedächtnis blieb:die Stille, in der sich die ganzeOperation abspielte. Er war derPilot, aber er war viele Kilometervon seinem Flugzeug entfernt. Erkonnte weder den Antrieb derRakete hören, noch den Ruckspüren, der bei ihrem Start durchdie Drohne ging. Das Bild aufseinem Schirm flackerte wegen desheißen Schweifs der Rakete, und ersah, wie sie auf den Panzer zurasteund einen Volltreffer landete.

Die Ingenieure hatten sich gegendie Verwendung eines scharfenSprengkopfs entschieden, also gabes keine Explosion. Die ladungsloseRakete traf den Turm des Panzers15 Zentimeter rechts der Mitte,schlug eine Delle in die Panzerungund drehte den Turm um 30 Grad.Der Test wurde zu einem vollenErfolg erklärt. Um 7 Uhr morgenswar er beendet, und das Predator-Team traf sich in einem kleinenKasino neben dem Stützpunkt vonIndian Springs und feierte dasEreignis mit einem Frühstück.

Die Führung der Air Force war sostolz auf den Erfolg, dass sie beimzweiten Test dafür sorgte, dasseine Gruppe von Generälen imPentagon den Abschuss der Raketeauf einer Videoübertragungverfolgen konnte. Dieses Mal flogHawes die Predator unterVerwendung eines Satelliten,wodurch zwischen seinenBewegungen am Joystick und dentatsächlichen Bewegungen desFlugobjekts eine Verzögerung vonzwei Sekunden entstand. DieDrohne war auf diese Weise

schwerer zu kontrollieren, aber dieRakete erzielte dennoch einenVolltreffer. Dieses Mal hatte sieeinen scharfen Sprengkopf, und alssie ihr Ziel traf, stieg ein kleinerFeuerball in den Morgenhimmel.

Ohne großes Trara hatte dasZeitalter des ferngesteuertenbewaffneten Konflikts begonnen.Die Air Force veröffentlichte eineknappe Presseerklärung, die einenkurzen Artikel in einem Lokalblattvon Las Vegas zur Folge hatte. EinKongressabgeordneter aus Nevadarief an und gratulierte dem

Predator-Team, aber die Ingenieureund Piloten waren enttäuscht, weilCNN zwar angeblich über den Testhatte berichten wollen, aber keinKamerateam schickte. Die CIA-Führung hatte das ganze Projektgeheim halten wollen und warschon erbost darüber, dass die AirForce überhaupt einePresseerklärung herausgab. CNNdurfte den Stützpunkt nie betreten.

Curt Hawes kannte all dieseDetails nicht. Er hörte nur, dass»andere Parteien« intervenierthätten, um seine Arbeit geheim zu

halten.

Doch diese »anderen Parteien«konnten sich nicht entscheiden, wassie mit der bewaffneten Drohneanstellen sollten. Auch nach demerfolgreichen Raketentest war dieCIA-Führung noch in der Fragegespalten, ob sie für die Jagd aufBin Laden bewaffnete Predator-Drohnen nach Afghanistan schickensollte. Pavitt, der Leiter desgeheimen operativen Diensts derCIA, argumentierte mit derEloquenz eines kompletten

griechischen Chors gegen dieÜbernahme des Drohnenprogrammsdurch die CIA. Er wollte seingeheimes Budget für die Einstellungweiterer Führungsoffiziere und nichtfür den Kauf von Drohnenverwenden. Immer wieder stellte ereine Frage, die heute geradezudrollig erscheint, nachdem imGefolge des 11. SeptemberMilliarden in dieTerrorismusbekämpfung gepumptworden sind: Werden die zweiMillionen Dollar pro Predator vonder CIA oder aus dem Haushalt des

Pentagons stammen?Doch er brachte noch eine

wichtigere Frage vor, die auchandere Mitglieder von Tenets Stabumtrieb: Was genau werden dieFolgen sein, wenn die CIA wiederAttentate verübt? »Man kann garnicht unterschätzen, was für einekulturelle Veränderung mit derVollmacht zum Töten verbundenist«, sagte John McLaughlin, damalsStellvertretender Direktor der CIA.»Wenn die Leute zu mir sagen:›Das ist doch keine große Sache‹,sage ich zu ihnen: ›Haben Sie schon

mal jemand umgebracht?‹ Es isteine große Sache. Man fängt an,anders über die Dinge zu denken.«

Außerdem rügten die USA andereLänder für genau die Taten, die sienun selbst in Erwägung zogen. Alsdie israelische Regierung währendder zweiten palästinensischenIntifada in den Jahren 2000 und2001 Führer der Hamas tötete,sagte Martin Indyk, der US-amerikanische Botschafter in Israel,dass »sich die Vereinigten Staatenklar und deutlich gegen gezielteTötungen ausgesprochen haben…

Es handelt sich umaußergerichtliche Tötungen, unddas unterstützen wir nicht.«

George Tenets Haltung warzwiespältig. Er erklärte wiederholt,seiner Ansicht nach müsse es dasMilitär und nicht die CIA sein, dasbei einer Kriegswaffe auf den Abzugdrücke. Während einer Diskussionüber die Frage, ob ein CIA-Beamterdie Vollmacht haben sollte,Predator-Schläge zu autorisieren,erboten sich sowohl Charles Allenals auch Alvin »Buzzy« Krongard,der dritthöchste Beamte der CIA,

selbst auf den Abzug zu drücken.Tenet war darüber fuchsteufelswild.Er kritisierte die beiden später vorder Untersuchungskommission zum11. September und sagte, siehätten nicht die Befugnis gehabt,eine Hellfire-Rakete abzuschießenund er auch nicht.

Lt. General John Campbell, derbei allen Debatten über diePredator in George Tenets Nähesaß, fühlte sich ein bisschen wie einAnthropologe, der die Kampfritualeeines fremden Stammesbeobachtet. Er hatte seine

Offizierslaufbahn bei der Air Forceabsolviert, war im Sommer zuvornach Langley gekommen und hattebei der CIA den Posten desDirektors für militärischeUnterstützung übernommen. Er wardamals ganz entschieden dafür,dass die CIA die Predatorübernahm, aber wenn er heute überdie Konflikte um bewaffneteDrohnen nachdenkt, die im Sommer2001 in der CIA tobten, ist ihm klar,dass der Geheimdienst damals mitgrundsätzlichen Fragen rang, derenBeantwortung darüber entschied,

was er sein wollte.»Wer beim Militär einen

rechtmäßigen Befehl befolgt – undvon einem Offizier wird erwartet,dass er einen rechtmäßigen Befehlbefolgt –, der ist auf lange Sichtfast gänzlich davor geschützt,persönliche Verantwortung für seineTaten übernehmen zu müssen«,sagte Campbell. »Bei der CIA istdas anders. Sie genießt viel wenigerSchutz. Sie kann gemäß einerPräsidialdirektive arbeiten. Das istein Stück Papier mit der Unterschriftdes Präsidenten, auf dem steht:

›Ich erteile die Vollmacht, das unddas zu tun.‹ Und dann kommt dienächste Regierung ins Amt, und dasJustizministerium entscheidet, dassdie Präsidialdirektive fragwürdigund vielleicht sogar illegal war. Undwas dann? Die Kerle werden fürihre Taten persönlich verantwortlichgemacht.«

»Ein Ding wie die Predator«, fuhrCampbell fort, »mit dem man ganzbestimmte Einzelpersonen aufsKorn nimmt, wirft eine ganzeMenge Fragen bezüglich künftigerFolgen auf.«

Campbells Stellvertreter wardamals Ross Newland. Er saß beiden Auseinandersetzungen über diePredator in der ersten Reihe undkonnte in den Sitzungen denNeubeginn des vertrauten Zyklusbeobachten: Wieder einmal wurdeeine »risikoscheue« CIA dazugebracht, sich in einen geheimenKrieg zu verstricken. Auch Newlandwar für das Predator-Programm undfand, dass die Regierung Bush essobald wie möglich zur Tötung BinLadens einsetzen sollte. Doch ermusste auch an seine Zeit als

Rauschgiftbekämpfer in Boliviendenken. Eine nicht daraufvorbereitete CIA hatte damals dieAufgabe bekommen, Drogenkurierezu jagen, weil es sonst niemand tunwollte. Zwei Jahrzehnte späterkonnte Newland dasselbe beimTerrorismus beobachten.

Wenige Wochen später kamenbei den Angriffen des11. September fast 3000Amerikaner ums Leben, und lästigeFragen über Attentate, verdeckteOperationen und die richtigeVerwendung der CIA bei der Jagd

auf Amerikas Feinde wurden schnellbeiseite geschoben. Schon wenigeWochen später begann derGeheimdienst, in AfghanistanDutzende von Drohnenangriffendurchzuführen.

Mit der bewaffneten Predator-Drohne hatten die USA die idealeWaffe für den geheimen Krieggefunden: ein Werkzeug, das inaller Stille tötete und nicht derRechenschaftspflicht oblag, diesonst bei einer bewaffnetenAuseinandersetzung gilt.Bewaffnete Drohnen sollten es

amerikanischen Präsidentenermöglichen, Schläge gegen weitabgelegene Dörfer und Lager in derWüste anzuordnen, wo Journalistenund unabhängigeBeobachtergruppen nicht hinkamen.Die Drohnenschläge wurden kaumje von einem Sprecher auf einemPodium öffentlich thematisiert, abersie wurden privat von vielenPolitikern aus beiden Parteiengutgeheißen. Sie hofften, Amerikakönnte seine Muskeln spielenlassen, ohne das Leben vonAmerikanern zu riskieren.

Technologien, die das Gesichtdes Kriegs verändern, sind selten.In der ersten Hälfte des letztenJahrhunderts wurde die Art, wie dieWelt ihre Schlachten schlug, durchPanzer und Flugzeuge verändert.Die darauf folgenden fünfzig Jahrewaren von Atomsprengköpfen undICBMs dominiert, Waffen von einerderart schrecklichenZerstörungskraft, dass eine neueDoktrin entwickelt wurde, um ihrenEinsatz zu verhindern. Durch dieEntwicklung der bewaffnetenDrohne verkehrte sich dieses Kalkül

in sein Gegenteil: Krieg war wiedermöglich, gerade weil er so risikoloszu sein schien. Die Latte für denKrieg hing jetzt niedriger, dasZeitalter der Fernsteuerung hattebegonnen und die Killerdrohnenwurden in der CIA zu einemFaszinosum.

Im Sommer 2002 besuchte RossNewland den kleinen Souvenirladenim CIA-Hauptquartier. Er wollte einpaar Geschenke für Freunde kaufenund ging die Regale entlang, diemit Bechern, Fleecejacken und T-Shirts gefüllt waren, auf denen das

CIA-Logo prangte. Dann machte ereine unerwartete Entdeckung: einGolfhemd mit einer kleinenaufgestickten Drohne auf der linkenSeite. Die Predator war immer nocheines der geheimsten Programmeder CIA, und doch verscherbeltediese bereits Souvenirs mit ihremAbbild.

Noch im selben Jahr bewies dieTötung von al-Harethi im Jemen,dass die CIA in Zusammenarbeit miteinem nachgiebigen Verbündetenweit jenseits aller Kriegszonen

Krieg führen konnte. Mitglieder derRegierung Bush waren so erfreutüber den Schlag, dass Details überden Angriff schnell durchsickertenund die vom Jemen gestreuteTarngeschichte ad absurdumführten. Der stellvertretendeVerteidigungsminister PaulWolfowitz pries den Schlag sogarauf CNN.

Präsident Saleh war außer sichvor Wut, als er von Wolfowitz’Äußerungen erfuhr. Er und seineRegierung waren öffentlich zuNarren und Lügnern gemacht

worden. Er bestellte dieamerikanischen Spione undDiplomaten sofort zu sich. DaWashington kein Geheimnisbewahren könne, werde dergeheime Krieg im Jemenheruntergefahren, sagte er undbefahl die sofortige Einstellung derPredator-Einsätze.

Und sie wurden tatsächlicheingestellt, fast neun Jahre lang.Erst 2011, als im Jemen das Chaosausbrach und Saleh Schritt fürSchritt die Macht verlor, befahl einanderer Präsident, die bewaffneten

Drohnen wieder in den Himmelüber dem Jemen aufsteigen zulassen. Zu diesem Zeitpunkt konnteSaleh der Maßnahme praktischkeinen Widerstand mehrentgegensetzen.

6

EIN WAHRER PASCHTUNE

»In Pakistan fallen laufend Dinge vomHimmel runter.«

Pervez Musharraf

»Warum folgt mir dieser Vogel?«Umgeben von seinen

Gefolgsleuten, saß Nek MuhammadWazir in einem Lehmhaus irgendwoin Süd-Waziristan und unterhieltsich per Satellitentelefon mit einem

BBC-Reporter. Gerade eben hatteder junge Kommandeur mit demlangen, pechschwarzen Haardraußen vor dem Fenster etwas inder Luft schweben sehen, etwas,das in der Sonne glitzerte, und nunwollte er von einem seinerLeutnants wissen, was es mitdiesem glänzenden Metallding daam Himmel über ihnen auf sichhatte.

Nek Muhammad hatte kurz zuvordie pakistanische Armee vorgeführt– und seitdem die CIA auf denFersen. Seit er im Frühjahr 2004

eine Armee zum Kampf gegen dieRegierungstruppen aufgestellt undIslamabad an denVerhandlungstisch gezwungenhatte, war er der unumstritteneRockstar der pakistanischenStammesgebiete. Und diepakistanischen Führer, die seinrasanter Aufstieg unvorbereitetgetroffen hatte, wollten ihn jetzt totsehen.

Mit seinen neunundzwanzigJahren gehörte Nek Muhammad zurzweiten Generation derpakistanischen Mudschahedin, einer

Generation Gotteskrieger, diekeinen Grund für irgendeineLoyalität gegenüber dem ISI sahen,der ihren Vätern im Kampf gegendie Sowjets beigestanden hatte.Viele Pakistaner in denStammesgebieten verachtetenPräsident Musharraf für die Allianz,die er nach den Anschlägen vom11. September 2001 mitWashington eingegangen war, undsahen keinen großen Unterschiedzwischen dem pakistanischen Militärund dem der Amerikaner, die inihren Augen nicht anders als die

Sowjets viele Jahre zuvor einenAngriffskrieg gegen Afghanistanführten. Nek Muhammad gab derpakistanischen Regierung denersten Vorgeschmack darauf, wassich in den folgenden Jahren zueinem immer größeren Problemauswachsen sollte: auf einemilitante Opposition, die ihreReichweite über das westlicheBergland hinaus auf die dichtbesiedelten Regionen des Landesausweiten sollte, in dieunmittelbare Nachbarschaft dergrößten und wichtigsten Städte

Pakistans. Eine militanteBewegung, die zu kontrollierenIslamabad irgendwann nicht mehrin der Lage sein sollte.

In Wana, dem Geschäfts- undVerwaltungszentrum von Süd-Waziristan, geboren, wurde NekMuhammad schon in jungen Jahrenauf eine der Religionsschulengeschickt, die hier in 1980er-Jahrenaufgebaut worden waren, um deranalphabetischen Jugend in denunter Bundesverwaltung stehendenStammesgebieten (FATA) etwasBildung angedeihen zu lassen. Nach

fünf Jahren hatte er die Schulegeschmissen und sich in den frühen1990er-Jahren als Schmalspur-Autodieb und später alsLadenbetreiber auf dem Basar vonWana durchgeschlagen. Seinewahre Berufung entdeckte er 1993,als er rekrutiert wurde, um imdamals in Afghanistan tobendenBürgerkrieg auf Seiten der Talibangegen Ahmed Schah MassudsNordallianz zu kämpfen.

In der Militärhierarchie derTaliban stieg Nek Muhammad, dembald der Ruf vorauseilte, niemals

eine Schlacht verloren zu geben,selbst wenn seine Kommandeureihm den Rückzug befahlen, raschauf. Mit seinem langen, schmalenGesicht, seinem wild bis zu denWangenknochen hinauf wucherndenBart und seinem unter einemweißen Turban hervorquellendenlangen schwarzen Haar gab er aufdem Schlachtfeld eine imposanteErscheinung ab und erinnerteweniger an den typischenabgewetzten Stammeskrieger, alsvielmehr an eine paschtunischeAusgabe von Che Guevara.

Und als sich die Gelegenheit bot,übernahm Nek Muhammad die Rolledes Gastgebers für die arabischenund tschetschenischen Qaida-Kämpfer, die 2001 und 2002 auf derFlucht vor dem amerikanischenDauerbombardement in Afghanistannach Pakistan strömten. Die lokalenStammesführer erachteten es zwarals ihre religiöse Pflicht, denKämpfern Unterschlupf zugewähren, was sie mitunter abernicht daran hinderte, daraus auchKapital zu schlagen und denAusländern für die geschützten

Unterkünfte in Wana und Shakai,einer bäuerlichen Region mitausladenden Bäumen und tiefeingeschnittenen Tälern,Wuchermieten abzuknöpfen.Obwohl auch Nek Muhammad darineine Chance erblickte, schnell zuGeld zu kommen, sah er eineweitere Verwendungsmöglichkeitfür die ins Land strömendenausländischen Kämpfer. Mit ihrerHilfe führte er in den folgendenbeiden Jahren eine ganze Serie vonAngriffen auf Einrichtungen despakistanischen Frontier Corps sowie

amerikanischer Abschussbasenjenseits der Grenze in Afghanistan.

CIA-Beamte in Islamabaddrängten ihre pakistanischenKollegen, die wazirischenStammesführer unter Druck zusetzen, damit diese die arabischenund tschetschenischen Kämpferauslieferten, aber einen solchenVerrat ließen die paschtunischenStammestraditionen nicht zu.Widerwillig schickte Musharraf seineTruppen mit dem Auftrag in diegefährliche Bergregion, dieausländischen Dschihadisten und

Nek Muhammads Männer zu jagenund zur Strecke zu bringen. Es warnicht der erste Vorstoß despakistanischen Militärs nachWaziristan, aber dieses Mal hatteMusharraf ein stärkeres Interessean einem Erfolg: Ende 2003 hatteder zweite Mann in der Qaida-Hierarchie, Aiman al-Sawahiri, eineFatwa ausgesprochen, in der er dieErmordung des pakistanischenPräsidenten wegen seinerZusammenarbeit mit denAmerikanern befahl. Nachdem es imDezember 2003 Attentätern gleich

zwei Mal um ein Haar gelungenwäre, die Fatwa zu vollstrecken,hoffte Musharraf, mit einemraschen, harten Militärschlag in denBergen den Anschlägen aufpakistanischem Boden ein Endebereiten zu können.

Tatsächlich aber was dies nur derAnfang. Im März 2004 nahmenpakistanische Kampfhubschrauberund Artillerie Wana und dieumliegenden Dörfer unter schwerenBeschuss. Regierungstruppenfeuerten auf Pickups, in denenZivilisten aus dem Kampfgebiet

flohen, und zerstörten die Anwesenvon Stammesmitgliedern, die sie imVerdacht hatten, Ausländer zubeherbergen. Einer von ihnenberichtete später einem Reporter,die pakistanischen Soldaten hätten,als sie sein Haus plünderten, nichtnur seine Kleider, sondern auch alleKopfkissenbezüge und seinSchuhputzzeug mitgehen lassen.Generalleutnant Safdar Hussain, derden Einsatz befehligte, erklärte dieOperation zu einemuneingeschränkten Erfolg. Siehätten, verkündete er, eine Basis

der Militanten und dazu noch einganzes Tunnelnetzwerk vollerhochmodernerKommunikationseinrichtungenausradiert.

In Wahrheit aber hatte diepakistanische Regierung bei demFeldzug einen herben Rückschlaghinnehmen müssen – und dieeigenen Verluste waren weitaushöher als erwartet ausgefallen.Allein bei einem Gefecht am16. März, als die Armee eine vonNek Muhammad und zwei anderenhochrangigen Dschihadisten

gehaltene Festung einzunehmenversuchte, waren fünfzehn Soldatendes Frontier Corps und ein Soldatder reguläreren pakistanischenStreitkräfte ums Leben gekommen.Vierzehn weitere Soldaten waren inGefangenschaft geraten undmehrere Dutzend Armeelastwagen,Geschütze und gepanzerteMannschaftstransporter zerstörtworden. In Islamabad hattenGeistliche an der einflussreichen LalMadjid-Moschee die Menschen inSüd-Waziristan dazu aufgerufen,sich der Offensive der Armee

entgegenzustemmen und dengefallenen pakistanischen Soldatenein islamisches Begräbnis zuverweigern – mit der Folge, dassmanche Eltern sich weigerten, dieLeichen ihrer getöteten Söhneentgegenzunehmen. DieStammesangehörigen in Waziristan,die generell eine Stationierung vonTruppen in ihrem Gebiet ablehnten,waren empört über denunterschiedlosen Angriff auf Wana.Die Zahl der Attacken aufStellungen des Frontier Corps nahmzu, und in Islamabad dachte man

vor allem darüber nach, wie maneinigermaßen heil aus der Sachewieder herauskommen konnte.

Begrüßt von Paschtunen, die imKreis tanzten und auf Trommelnschlugen, betraten am 24. April2004 Präsident MusharrafsMilitärgesandte das Gelände einerKoranschule unweit von Wana, inder Nek Muhammad mit seinenLeuten auf sie wartete. GeneralHussain höchstpersönlich wargekommen, ein Zeichen dafür, wieverzweifelt Musharraf auf einenFrieden aus war. Die

Stammeskrieger überreichten denMilitärs AK-47-Gewehre, einetraditionelle Geste des Friedens,General Hussain seinerseitsumarmte Nek Muhammad undhängte ihm eine bunteBlumengirlande um den Hals. Diebeiden Männer saßennebeneinander und tranken Tee,während Fotografen undKameraleute das Ereignisfesthielten.

Nachdem man die Formalitätenhinter sich gebracht hatte, wandtesich der General an die mehreren

hundert Männer, die – gekleidet inweiten Salwar Kamiz und dentypischen flachen Pakol-Mützen aufdem Kopf – mit untergeschlagenenBeinen auf der Erde saßen und ihnanschauten. Die USA, erklärte derGeneral den versammeltenMännern, hätten mit ihrem Angriffauf Afghanistan einen schwerenFehler begangen. »Wie vieleafghanische Piloten waren denn anBord, als das World Trade Center inAmerika von einem Flugzeuggetroffen wurde?«, fragte Hussain.»Wenn es aber keine afghanischen

Piloten gab, warum haben wir danndiese Situation in Afghanistan?«

Mit der Aushandlung desFriedensvertrags schütze, führte eraus, die pakistanische Regierungdie Menschen in Süd-Waziristan vorden amerikanischen Bomben.

»Hätte die pakistanischeRegierung keine so weiseEntscheidung gefällt, dann wärendie Amerikaner, ebenso wie im Irakund in Afghanistan, in dieStammesgebiete einmarschiert«,rief er, eine Feststellung, die dieMenge mit lautem Gejohle

quittierte.Auch Nek Muhammad sprach von

Frieden. »Was immer geschehenist, ist geschehen«, sprach er in dievor ihm aufgestellten Mikrofone.»Ob es nun unser Fehler war oderder der Armee, ab heute werdenwir nicht mehr gegeneinanderkämpfen.«

Welche Seite hier von einerPosition der Stärke aus verhandelte,war nicht zu übersehen. NekMuhammad sollte sich später damitbrüsten, die Regierung zu einemTreffen in einer religiösen Medresse

gezwungen zu haben, statt, wie esfür Stammestreffen traditionell Ususist, an einem öffentlichen Ort.»Nicht ich bin zu ihnen gegangen,nein, sie sind zu mir gekommen«,prahlte er. »Das sollte jedemdeutlich vor Augen führen, wer sichhier wem gebeugt hat.«

Nach den Bedingungen desWaffenstillstands zu urteilen, hatteer damit recht. Die Regierungverpflichtete sich, Reparationen fürdas Blutbad zu leisten, das sie inSüd-Waziristan angerichtet hatte,und alle Gefangenen freizulassen,

die sie während der Offensivefestgenommen hatte. Denausländischen Kämpfern in denBergen wurde eine Amnestiegewährt, vorausgesetzt, dass siekeine Angriffe auf pakistanischeTruppen und Überfälle aufafghanisches Territorium mehrunternahmen – eine Klausel, die inder Praxis so gut wieundurchsetzbar war. NekMuhammad und seine Anhängerversprachen zwar, keinepakistanischen Truppen mehranzugreifen, nicht aber, auf Angriffe

in Afghanistan zu verzichten. Späterlegte Nek Muhammad noch nachund gelobte, den Dschihad inAfghanistan so lange fortzuführen,bis das Land frei von ausländischenBesatzern sei.

Innerhalb der pakistanischenRegierung war der Deal mit denDschihadisten keineswegsunumstritten. Asad Munir, der demISI den Rücken gekehrt hatte, warseit 2004 Zivilverwalter inPeschawar und zuständig für dieSicherheit und Entwicklung in denStammesgebieten. Als der

ehemalige ISI-Stationschef, der2002 und 2003 eng mit der CIAzusammengearbeitet hatte, vonden Überlegungen derpakistanischen Generale erfuhr,Verhandlungen mit Nek Muhammadaufzunehmen, warnte er davor,dass ein Zugehen auf die militantenStammeskrieger nur dazu beitragenwürde, ihre Reichweite auf die dichtbesiedelten Regionen des Landesauszuweiten. Die Anfang 2004 inden Stammesgebietenausgehandelten Friedensverträgewaren, wie Munir inzwischen glaubt,

mitverantwortlich für den Aufstiegeiner ebenso mächtigen wietödlichen Gruppierung in Pakistan,die als die pakistanischen Taliban –Tehrik-i-Taliban Pakistan – bekanntwerden sollte.

»Wenn sie [die pakistanischenTruppen] die Operation 2004einfach durchgezogen hätten, undzwar in Nord- und in Süd-Waziristan«, hätten sich die Talibanniemals bis in viel näher anIslamabad gelegene Gebieteausbreiten können. »Mit jedemFriedensvertrag haben sie an Stärke

gewonnen und mehr Gebiete unterihre Kontrolle gebracht und habendie Menschen, weil der Staat sichnicht einmischte, begonnen, inihnen die eigentlichen Machthaberzu sehen.«

In Islamabad brüstete sichderweil die Regierung, mit demFriedensvertrag einen Keil zwischendie pakistanischen Militanten einer-und die Qaida-Kämpfer andererseitsgetrieben zu haben. NekMuhammad bestritt denn auchweiterhin öffentlich jeglicheAnwesenheit von Qaida-

Angehörigen in denStammesgebieten. »Hier gibt eskeine al-Qaida«, beteuerte er.»Gäbe es hier auch nur eineneinzigen Qaida-Kämpfer, hätte dieRegierung ihn inzwischen dochlängst geschnappt.«

Das Friedensabkommen vonShakai mehrte Nek MuhammadsRuhm ganz enorm. Nachdem erpraktisch im Alleingang dieRegierung in Islamabad in die Kniegezwungen hatte, sah er sich schonin einer Reihe mit den legendärenwazirischen Stammeskriegern

stehen, die die Briten einstmals ausden Bergen verjagt hatten. Dervermeintliche Frieden entpupptesich denn auch binnen wenigerWochen als Schwindel. NekMuhammad nahm die Angriffe aufpakistanische Truppen wieder auf –und Musharraf befahl seiner Armee,die Offensive in Süd-Waziristanfortzusetzen.

In Islamabad hatten CIA-Beamteseit Monaten auf eine Freigabe fürPredator-Einsätze in denStammesgebieten gedrängt, undmit der neuerlichen Demütigung der

pakistanischen Armee durch NekMuhammad hatten sich ihreChancen deutlich verbessert. DerCIA-Stationschef in Islamabadstattete Generalleutnant Ehsan ul-Haq einen Besuch ab undunterbreitete dem ISI-Generaldirektor ein Angebot: Wenndie CIA Nek Muhammad tötete,würde der ISI den Amerikanerndann regelmäßige Drohnen-Flügeüber die Stammesgebietegestatten? Nek Muhammad hattedie Pakistaner offenbar richtig sauergemacht, erinnerte sich der

Stationschef später, denn dieAntwort lautete: »Wenn Ihre Leuteihn finden können, dann sollen siesich ihn schnappen.«

Aber an die Freigabe warenBedingungen geknüpft. Derpakistanische Geheimdienstbestand darauf, dass ihm jedereinzelne Drohnenangriff vorab zurGenehmigung vorgelegt wurde undsicherte sich somit eine umfassendeKontrolle über die Kill-Liste derAmerikaner. In den intensivgeführten Verhandlungen über denDrohneneinsatz setzte der ISI

zudem eine Beschränkung auf engbegrenzte »Flugzonen« innerhalbder Stammesgebiete durch – einumfangreicherer Zugang hätte derCIA Gelegenheit gegeben, sich auchin Gegenden umzuschauen, dieIslamabad vor den Augen derAmerikaner verborgen wissenwollte: etwa die pakistanischenAtomanlagen oder die Camps dermilitanten Gruppen im Bergland vonKaschmir, wo sie für Angriffe gegenIndien trainiert wurden.

Darüber hinaus bestanden siedarauf, dass sämtliche

Drohneneinsätze in Pakistan alsverdeckte CIA-Operationenauszuführen seien – mit anderenWorten, die Vereinigten Staatenwürden sich niemals offiziell zu denRaketenangriffen bekennen undPakistan entweder die Lorbeerenfür einzelne Tötungen überlassenoder einfach Stillschweigenbewahren. Präsident Musharraf warüberzeugt, dass das Arrangementniemals auffliegen würde, undirgendwann während derVerhandlungen meinte er zu einemCIA-Offiziellen: »In Pakistan fallen

laufend Dinge vom Himmel runter.«Aber auch ohne die ihr von den

Pakistanern auferlegtenEinschränkungen wäre die CIA zuder Zeit gar nicht in der Lagegewesen, eine umfangreichereTötungskampagne in denpakistanischen Stammesgebietenaufzuziehen. Sie verfügte wederüber nennenswerteGeheimdienstquellen in dem Gebietnoch über halbwegs zuverlässigeInformationen darüber, wo sich BinLaden oder einer der anderenQaida-Führer versteckt halten

könnte. CIA-Analysten vermutetenBin Laden und Aiman al-Sawahirizwar irgendwo in denStammesgebieten, aber vageVerdächtigungen und diffuseBerichte aus dritter Hand taugtenkaum als Grundlage für erfolgreichePredator-Einsätze. Und der ISI warauch nicht viel besser aufgestellt.Der pakistanische Spionagedienstverfügte zwar über ein dichtgesponnenes Netzwerk von Quellenin den Städten, die es ihmermöglichten, Qaida-Größen wieChalid Scheich Mohammed

aufzuspüren. Aber in Süd-Waziristanund den anderen Stammesgebietenunter Bundesverwaltung fehlte esauch dem ISI an zuverlässigenKontakten.

Zum Glück sowohl deramerikanischen wie derpakistanischen Spione war NekMuhammad nicht sonderlich tiefabgetaucht, und ebensowenig ließer es sich nehmen, immer wiederInterviews für die paschtunischenKanäle westlicher Medien zu geben,in denen er damit angab, wie er diemächtige pakistanische Armee in

die Schranken verwiesen hatte.Diese per Satellitentelefongeführten Interviews machten ihnzu einem leichten Ziel für dieamerikanischen Lauscher, undspätestens ab Mitte Juni 2004waren die Amerikaner über seineBewegungen bestens im Bilde.Weniger als vierundzwanzigStunden nachdem sich NekMuhammad in einem Interview mitder BBC laut über den eigenartigenVogel geäußert hatte, der ihm dafolgte, nahm eine Predator-Drohneseine Position ins Visier und feuerte

eine Hellfire-Rakete auf dasAnwesen ab, in dem er sichaufhielt. Nek Muhammad war soforttot – die Explosion hatte ihm daslinke Bein und die linke Handabgerissen. Als der pakistanischeJournalist Zahid Hussain einigeTage später nach Sahakai kam,hatte sich das Lehmgrab NekMuhammads bereits in einePilgerstätte verwandelt. EineInschrift auf dem Grab verkündete:ER LEBTE UND STARB WIE EINWAHRER PASCHTUNE.

Nach einer Diskussion darüber,

wie man die Nachricht vom Tod NekMuhammads gegenüber derÖffentlichkeit handhaben sollte,einigten sich die CIA- und ISI-Beamten darauf, den Pakistanerndie Anerkennung für die Tötung desMannes zu überlassen, der ihrMilitär vorgeführt hatte. Und sonahm einen Tag nach NekMuhammads Tod eine Scharadeihren Anfang, die viele Jahrehindurch fortgeführt werden sollte.Generalmajor Shaukat Sultan, deroberste Sprecher despakistanischen Militärs, erklärte auf

Voice of America, der »Qaida-Unterstützer« Nek Muhammad undvier weitere militante Islamistenseien bei einem Raketenangriffpakistanischer Truppen ums Lebengekommen.

Vier Monate nach der Drohnen-Attacke übernahm ein General mittraurigen, müden Augen undgebeugten Schultern die Kontrolleüber den ISI. Abgesehen von dengrundlegenden biografischen Datenwussten die amerikanischen Spionekaum etwas über den

phlegmatischen KettenraucherAshfaq Parvez Kayani, Sohn einerFamilie mit langer militärischerTradition und aufgewachsen imDistrikt Jhelam, einer unfruchtbarenRegion in der Provinz Punjab.Kayani trat seinen Dienst in derArmee 1971 an, dem Jahr, in demdie pakistanische Armee nacheinem dreizehn Jahre währendenKrieg mit Indien besiegt wurde undPakistan das Territorium verlor, ausdem später Bangladesch werdensollte. Wie die meistenpakistanischen Offiziere glaubte

Kayani, dass sein Land in einenunablässigen Kampf um seinnacktes Überleben verstrickt warund auf militärischem Gebiet keineEntscheidungen treffen durfte, ohnenicht vorab darüber nachgedacht zuhaben, wie sich dieseEntscheidungen auf seine Fähigkeitzur Verteidigung gegen denmächtigen Nachbarn im Ostenauswirken würden.

Dabei behielt Kayani einenkühlen Kopf in Situationen, in denenandere zu Hitzköpfigkeit neigten.Als 2001 militante Islamisten von

Pakistan aus einen tödlichenAnschlag auf das indischeParlament in Neu-Delhi ausführtenund es einen Moment lang ganzdanach aussah, als käme es zueinem Krieg zwischen den beidenNuklearmächten, erwarb sichKayani, der für die pakistanischenTruppen entlang der Grenze zuIndien zuständig war, in Pakistanhohes Ansehen für die Art undWeise, wie er die angespannteSituation handhabte und inständigem Kontakt mit denindischen Militärs verhindert hatte,

dass der schwelende Konflikt ineinen Atomkrieg mündete. ZweiJahre später gewann er als Leiterder Ermittlungen zu denAttentatsversuchen auf denPräsidenten vom Dezember 2003das Vertrauen von GeneralMusharraf.

Es dauerte nicht lange, bis sichKayani nach seiner Berufung an dieSpitze des ISI im CIA-Hauptquartierden gleichwohl widerwilligzugestandenen – und durchaus alsKompliment zu verstehenden – Rufeines Meisters der Manipulation und

eines Mannes erworben hatte, derseine wahren Absichten stetsverborgen zu halten wusste. InMeetings saß er oft lange Zeiteinfach da, ohne ein einziges Wortzu sagen, sodass man fast schonmeinte, er sei eingeschlafen. Wurdedann aber ein Themaangeschnitten, das ihm wichtigerschien, fuhr er auf, hielt einemehrminütige leidenschaftlicheRede und verfiel anschließendwieder in seinenhalbschlafähnlichen Zustand. Er warein besessener Golfspieler und

ebenso besessener Raucher, undwohin er ging, zog er unweigerlicheine Wolke aus Zigarettenrauchhinter sich her.

Kayani sprach nur selten übersich selbst, und wenn er es docheinmal tat, konnte man ihn wegenseiner Neigung zum Nuscheln kaumverstehen. Im Gegensatz zuGeneral ul-Haq, seinem stetselegant und stilvoll auftretendenVorgänger an der Spitze des ISI,legte Kayani keinen sonderlichenWert auf seine äußere Erscheinung.Wann immer er nach Washington

D.C. kam, bestand er darauf, dassder Chauffeur seiner Limousine ihnzu einer Filiale der Discounter-Bekleidungskette Marshalls brachte,wo er sich dann mit Anzügen undKrawatten eindeckte. Vor allemaber konnte er mit großer Gedulddarauf warten, bis er bekam, was erwollte. Ein amerikanischerSpitzenagent erinnerte sich an einlanges Treffen mit Kayani, bei demder General eine halbe Stunde langmit größter Hingabe eine Zigarettezwischen den Fingern hin- undherrollte, um sie dann, als er sie

endlich anzündete, nach nur einemZug mit ebenso großer Sorgfaltwieder auszudrücken.

General Kayani übernahm dasRuder beim ISI zu einer Zeit, als diepakistanische Führung zusehendsder Verdacht beschlich, denAmerikanern sei die Lust an ihremKrieg in Afghanistan abhandengekommen. Der Irakkrieg hatte dasAugenmerk Washingtons vonAfghanistan abgelenkt, und inIslamabad waren Soldaten, Spioneund Politiker gleichermaßenüberzeugt, dass es nur noch eine

Frage der Zeit sei, bis diezunehmende Gewalt in ihremwestlichen Nachbarland diepakistanische Regierung in Gefahrbringen würde. Nach Auskunftmehrerer damals ranghoherpakistanischer Beamter traf der ISIin dieser Zeit die Entscheidung, sichverstärkt in Sachen afghanischerTaliban zu engagieren und aufdiese Weise Afghanistan in eine fürIslamabad annehmbare politischeZukunft zu steuern.

Kayani war von derVergangenheit besessen und

verstand nur zu gut, dass dieblutige Geschichte Afghanistans derProlog zu Amerikas Krieg in demNachbarland war. Der General, derAfghanistan über Jahrzehntehinweg studiert hatte, kannte sichbestens aus in den Dynamiken, diees den afghanischen Aufständischenin den 1980er-Jahren ermöglichthatten, eine Supermacht zudemütigen. 1988 hatte Kayani, derals junger pakistanischerArmeeoffizier in Fort Leavenworth,Kansas, studierte, eine »Stärkenund Schwächen der afghanischen

Widerstandsbewegung« betitelteMagisterarbeit über densowjetischen Krieg in Afghanistanvorgelegt. Zu dem Zeitpunkt hattedie Sowjetunion bereits knapp einJahrzehnt Krieg in Afghanistanhinter sich und der sowjetischeGeneralsekretär MichailGorbatschow schon damitbegonnen, die ersten Truppen vomHindukusch abzuziehen. Auf 98Seiten examinierte Kayani darin ineiner klaren und stringentenSprache, wie die afghanischeWiderstandsbewegung die

ruhmreiche Sowjetarmee schwerzur Ader gelassen und »die Kostender sowjetischen Präsenz inAfghanistan« massiv in die Höhegetrieben hatte.

Im Prinzip hatte Kayani damalseine Art Lehrbuch dafür verfasst,wie Islamabad in Afghanistan auchwährend der Besetzung desNachbarlands durch eineausländische Armee die Fäden inder Hand halten konnte. Pakistankönnte, schrieb Kayani,Stellvertretermilizen einsetzen, umdas Land zu verheeren, aber auch

um die dortigenWiderstandsgruppen zu steuern undauf diese Weise einer direktenKonfrontation mit derBesatzungsmacht aus dem Weg zugehen.

Da Afghanistan ein Land ohnenationale Identität war, kam es,argumentierte Kayani weiter,entscheidend darauf an, dieUnterstützung der Stämme zugewinnen und auf dieser Grundlagedie Zentralregierung in Kabulschrittweise zu schwächen. WasPakistan anging, war Kayani

überzeugt, dass Islamabad wenigLust auf einen »Kollisionskurs« mitder Sowjetunion verspürte oderzumindest keinen Wert darauflegte, sich vom afghanischenWiderstand auf einen solchen Kursdrängen zu lassen. Deshalb sei es,schrieb er, für die SicherheitPakistans unerlässlich, dieSchlagkraft des afghanischenWiderstands zu »managen«.

Als Kayani 2004 das Ruder beimISI übernahm, wusste er, dass derKrieg in Afghanistan nicht vonSoldaten in Bergfestungen

entschieden werden würde, sondernvon Politikern in Washington, diesich sehr genau der begrenztenToleranz der Amerikaner für nochmehr Jahre Blutvergießen bewusstwaren. Er wusste das, weil er sichin seiner Magisterarbeit eingehenddamit befasst hatte, wie es denSowjets in Afghanistan ergangenwar. »Was am aktuellensowjetischen Militäreinsatz ambemerkenswertesten ist, sind diesich verdichtenden Hinweise darauf,dass er gar nicht darauf ausgelegtist, eine rein militärische Lösung zu

erzwingen, etwa durch dieZerschlagung der afghanischenWiderstandsbewegung.

»Und dahinter dürfte«, schrieb erweiter, »aller Wahrscheinlichkeitnach die Erkenntnis stehen, dasseine derartige militärische Lösungnicht erreichbar ist, ohne dafür sehrhohe und möglicherweise sogaruntragbare Truppenverluste sowiewirtschaftliche und politischeFolgekosten in Kauf zu nehmen.«

Im Jahr 2004 setzte KayanisMagisterarbeit in der Bibliothek vonFort Leavenworth Staub an,

zusammen mit stapelweise anderengleichermaßen ignoriertenForschungsaufsätzen ausländischerOffiziere, die nach Kansasgekommen waren, um zu lernen,wie die United States Army ihreKriege führt. Der jungepakistanische Offizier aber, der dieArbeit zwei Jahrzehnte zuvorverfasst hatte, war nun der obersteSpion seines Landes und damit inder denkbar besten Position, diedarin formuliertenSchlussfolgerungen in die Tatumzusetzen.

7

KONVERGENZ

»Die Möglichkeit, alles abstreiten zukönnen, ist mit eingebaut und dürfte ein

großer Pluspunkt sein.«Enrique Prado

Es war ein kalter NachmittagAnfang 2005. CIA-Direktor PorterGoss nahm auf der »Farm«, demAusbildungslager der Agency inCamp Peary im Süden von Virginia,

an der Abschlusszeremonie einesLehrgangs für Führungsoffiziere teil.Es gehörte zur Tradition, dass sichder jeweilige CIA-Chef zumAbschluss der Prüfungen auf denWeg hinunter in das Camp begab,und den Absolventen gewährten dieZeremonien einen kurzenAugenblick der Normalität, bevorsie in ihr neues, von verdecktenIdentitäten, Lügen,Täuschungsmanövern und –mitunter – extremer Gefahrgeprägtes Leben eintauchten.Zunächst verlief alles wie gewohnt,

doch als einer von Goss’ Assistentenzu ihm eilte und eine dringendeNachricht überbrachte, wurde dieVeranstaltung abgebrochen. Einpaar Minuten später saß der CIA-Direktor mit seinen Leibwächternan Bord eines Black-Hawk-Hubschraubers und war RichtungNorden unterwegs. Aber statt nachLangley zurückzukehren, flog Gossdirekt zum Pentagon, um sich mitDonald Rumsfeld zu treffen: einamerikanischer Militärschlaginnerhalb Pakistans standunmittelbar bevor.

Ein für die CIA tätigerpakistanischer Agent hatte denAmerikanern einen heißen Tippgegeben: In Bajaur, einem deröden Stammesgebiete imNordwesten von Pakistan, würdeein Treffen hochrangiger Qaida-Mitglieder stattfinden. Der Agenthatte sich an Abu Faraj al-Libigehängt, die Nummer drei in derQaida-Hierarchie, der gelegentlichbei Fahrten auf einem auffälligenroten Motorrad durch die Bergdörferin den Stammesgebieten gesehenworden war. Wie der Informant

seinen CIA-Führungsagentenberichtete, sollte nicht nur al-Libi andem Treffen teilnehmen, sondernmöglicherweise auch die Nummerzwei von al-Qaida, Bin LadensStellvertreter Aiman al-Sawahiri.

Daraufhin hatte man rasch einenAngriffsplan entworfen, den Gossund Rumsfeld nun auf seine Risikenhin abwogen. Drei Dutzend NavySEALs sollten per Fallschirm auseinem C-130-Frachtflugzeugabspringen und in einer Landezoneunweit des Orts niedergehen, wodas Treffen stattfinden sollte. Die

SEALs würden das Anwesenstürmen, so viele der Anwesendenwie nur möglich gefangen nehmenund sich mit ihnen auf den Weg zueinem festgelegten Sammelplatzmachen, von wo aus man sie mitHubschraubern über die Grenzenach Afghanistan bringen würde.Goss drängte darauf, dass dasMilitär die Operation durchführte,was ganz im Sinne vonGeneralleutnant Stanley McChrystalwar, einem spindeldürren undhochkonzentrierten Asketen, der2003 die Leitung des Joint Special

Operations Command übernommenhatte.

Aber Rumsfeld und sein obersterGeheimdienstberater, StephenCambone, legten Einspruch ein. DerPlan sei, sagten sie, zu riskant, undRumsfeld bestand darauf, dieMission um etliche Dutzend ArmyRangers aufzustocken, die für denFall, dass etwas schiefgehen sollte,die SEALs herausholen würden.Damit schwoll die Eingreiftruppe aufüber hundertfünfzig Mann an unddie Operation erreichte einenUmfang, der es nach Meinung

Rumsfelds unmöglich machte, sievor Präsident Musharraf zuverheimlichen. Auch der CIA-Stationschef in Islamabad, den manmitten in der Nacht aus dem Schlafgerissen und davon in Kenntnisgesetzt hatte, dass eineansehnliche Streitmacht von bis andie Zähne bewaffnetenAmerikanern drauf und dran war,ohne Wissen der pakistanischenRegierung eine Operation im Landdurchzuführen, äußerte schwereBedenken. »Stan, das ist eineabsolut hirnrissige Idee«, meinte

der Stationschef zu McChrystal, derihn angerufen hatte. »Klar würdenwir vielleicht ein paar Qaida-Leuteerledigen, aber das wäre die Sachenicht wert. Ebenso gut könnten wirgleich in Pakistan einmarschieren.«

Unterdessen saßen die SEALs inder C-130 auf dem Flugfeld derBagram Air Base und wartetendarauf, dass Washington grünesLicht für die Mission erteilte. Siewarteten noch mehrere Stunden,dann kam schließlich der Befehlzum Abbruch des Einsatzes.

Rumsfelds Bedenken gegen die

Operation gründeten hauptsächlichauf der geheimdienstlichenInformationslage. Sie hatten nur dieAussagen einer einzigen CIA-Quelle,keinerlei sonstige unterstützendeInformation, und für eine höchstriskante Mission in denschneebedeckten BergenWestpakistans erschien das demVerteidigungsminister eine reichlichunsichere Basis. Abgesehen davon,dass er der CIA sowieso nicht allzuviel zutraute, tat sich die AgencyAnfang 2005 generell schwer,irgendjemanden – geschweige denn

Rumsfeld – von der Zuverlässigkeitihrer Geheimdienstanalysen zuüberzeugen.

Die amerikanischenGeheimdienste hatten immer nochschwer unter dem Irak-Debakel zuleiden, als sie zu dem Urteil gelangtwaren, dass die Iraker auf einemganzen Arsenal an biologischen undchemischen Waffen saßen. Danachwurde CIA-Lagebeurteilungen aufmehrere Jahre hinaus erst einmalgenerell misstraut. Sosehr Goss derAusgang der Diskussionen über dieBajaur-Operation auch missfiel, es

gab nichts, was er deswegen hätteunternehmen können. Selbst dieEinschätzung der CIA, dass al-Sawahiri mit 80-prozentigerWahrscheinlichkeit bei dem Treffenzugegen sein würde, konnteRumsfeld nicht umstimmen, und erwar derjenige, der das Sagen hatte.»Es war«, beschrieb einer von Goss’Beratern die Situation, »wie wenndein Dad dir verkündet, dass du denWagen dieses Wochenende nichthaben kannst.«

Aber über die Frage nach derQualität der

Geheimdienstinformationen hinausunterstrich die Episode, dass auchmehrere Jahre nach den Anschlägenvom 11. September 2001 der Krieggegen die internationalenTerrorgruppen chaotisch undplanlos geführt wurde. Weder dieCIA noch das Pentagon verfügtenüber eine klare Strategie, wie diegeheimen Kriege der USA außerhalbdes Iraks und Afghanistans zuführen seien. Beide Behördenhatten sich in einen Wettbewerbdarum verstrickt, dem Weißen Hauszu beweisen, warum es ihr und

nicht der anderen die Oberaufsichtüber die globale Jagd auf Qaida-Mitglieder übertragen sollte. Undbeide neigten dabei immer mehrdazu, sich gegenseitig zu kopieren:Nach dem erfolgreichen Schlaggegen Nek Muhammad in Pakistanverwandelte sich die CIA zusehendsin eine paramilitärischeTötungsmaschine, während dasPentagon seine Spionageaktivitätenmit dem Ziel intensivierte, mitseinen Spezialeinheiten auf eigeneFaust agieren zu können. KlareEinsatzregeln gab es nicht mehr.

Wenn – wie im Fall derInformationen über das Qaida-Treffen in Bajaur – einunvorhergesehenes Ereignis auftrat,fehlte es an einem fertigausgearbeiteten Plan, nach demman hätte handeln können.

Wenn es eine Sache gab, die dieCIA dazu brachte, sich inzunehmendem Maß aufTötungsoperationen zukonzentrieren, dann war das dieVorlage eines vomGeneralinspekteur der Agency

verfassten und für die Spioneverheerenden internen Berichts imMai 2004. Der 109 Seiten zählendeBericht John Helgersons fegte dieGrundlagen des Inhaftierungs- undVerhörprogramms der CIA hinwegund warf die Frage auf, ob CIA-Beamte nicht wegen der in denGeheimgefängnissen der Agencypraktizierten brutalenVerhörmethoden strafrechtlichbelangt werden konnten. WieGeneralinspekteur Helgerson indem Bericht ausführte, sprächeeiniges dafür, dass Verhörmethoden

wie Waterboarding, Schlafentzugoder die gezielte Ausnutzung vonPhobien der Gefangenen – etwaindem man sie mit Geziefer in einerengen Kiste einsperrte – einenVerstoß gegen dieAntifolterkonvention der VereintenNationen darstellen, die »Folter undandere grausame, unmenschlicheoder erniedrigende Behandlungoder Strafe« verbietet. Die CIAhatte mehrere Häftlinge demWaterboarding unterzogen – eineProzedur, bei der der Gefangene aufeiner Holzplanke fixiert, ihm eine

Stoffhaube über den Kopf gezogenund dann Wasser über das Gesichtgeschüttet wird, was einunmittelbares Gefühl des Ertrinkenshervorruft –, und allein ChalidScheich Mohammed, der Chefplanerder Anschläge vom 11. September,war der Prozedur innerhalb einesMonats 183 Mal unterzogenworden.

Waterboarding gehörte zu einerReihe von Verhörmethoden, dievom US-Justizministeriumautorisiert worden waren, aberHelgerson ging in seinem Bericht

auch ausführlich auf die in den»Black Sites« – denGeheimgefängnissen außerhalb derUSA – praktiziertenunkonventionellen Methoden ein,den, wie er sie nannte,»unautorisierten, verschärften,unmenschlichen und nichtdokumentierten« Haft- undVerhörtechniken. In manchen Fällenhatten die Vernehmer mitScheinhinrichtungen versucht, dieHäftlinge zum Sprechen zu bringen,und einmal hatte ein CIA-Verhörexperte einem Gefangenen

eine laufende Bohrmaschine an denKopf gehalten.

Das geheimeGefängnisprogramm der CIA, dasanfangs aus einer einzigen,spartanischen Einrichtung in derthailändischen Hauptstadt Bangkokbestand, hatte sich zu einemwahren Archipel von über die ganzeWelt verstreut gelegenenGeheimgefängnissenausgewachsen. Jose Rodriguez, derDirektor des CounterterroristCenter, hatte mit dem Netz ausGeheimgefängnissen eine

dauerhafte Alternative zu derAnlage in Thailand schaffen wollen,die – ursprünglich unter demDecknamen »Cat’s Eye«(Katzenauge) geführt – späterumbenannt worden war, nachdemmehrere CIA-Beamte dieBezeichnung als rassistisch kritisierthatten. Eben dort hatte die CIA ihreersten beiden Geheimgefangenenfestgehalten, Abu Zubaydah undAbdel al-Rahim al-Nashiri. Doch alsdie Agency und ihre Partnerdienstein Afghanistan, Pakistan undanderen Ländern dutzendweise

Gefangene machten, kamenRodriguez und seine CTC-Kollegenzu dem Schluss, dass die CIAdeutlich mehr geheime Zellenflächebenötige.

Das Inhaftierungs- undVerhörprogramm der CIA sollte sichzum berüchtigtsten undumstrittenen Aspekt der von derRegierung Bush gegen al-Qaidagefahrenen Strategie entwickeln,doch die Art und Weise, wie die CIAdie Einrichtung derGeheimgefängnisse in Angriff nahm,war ziemlich prosaisch. Rodriguez

erteilte einem Team desCounterterrorist Center den Befehl,mit Ingenieuren und externenAuftragnehmernzusammenzuarbeiten, und sobaldein Gefängnis kurz vor derVollendung stand, heuerte die CIAeinen kleinen Lieferanten an, derToiletten, Sanitäranlagen,Ohrstöpsel und sonstigeGefängnisutensilien besorgte. Dieexternen Auftragnehmer besorgtensich ihr Material zum Teil beiDiscountketten wie Target undWalmart und schafften es per

Flugzeug zu den Gefängnissen:eines davon in einemunscheinbaren Gebäude an einerviel befahrenen Straße in derrumänischen Hauptstadt Bukarest,ein anderes irgendwo in Litauen.Die Vorrichtungen für dasWaterboarding wurden vor Orthergestellt, aus Brettern, die man inder näheren Umgebung derGeheimgefängnisse erwarb.

Die Gefängnisse waren klein –für die Unterbringung von jeweilsvielleicht einem halben DutzendHäftlingen gedacht –, und die

Zellen wiesen einigeBesonderheiten auf, die speziell imHinblick auf die brutalenVerhörmethoden ausgelegt waren,etwa nachgiebige, mitSperrholzplatten bezogene Wände,um die Wucht des Aufpralls zuvermindern, wenn jemand gegendie Wand geschleudert wurde. DieHäftlinge hatten keinerleiMöglichkeit, miteinander zukommunizieren und wurden 23Stunden am Tag in Isolierhaftgehalten. Die restliche Stunde warfür Leibesübungen vorgesehen – zu

denen CIA-Sicherheitsbeamte mitüber die Gesichter gezogenenschwarzen Skimasken denGefangenen aus seiner Zelle holten.Häftlinge, die sich gut führten,erhielten Bücher und DVDs,Vergünstigungen, die entzogenwurden, wenn der GefangeneSchwierigkeiten machte. Die CIA,eine nach dem Zweiten Weltkriegmit der Aufgabe gegründeteSpionageorganisation, dieamerikanischen Präsidenten mitInformationen über die Welt um sieherum zu versorgen, hatte sich in

das Amt für geheimen Strafvollzugverwandelt.

Schon vor Helgersons Berichtwaren innerhalb der Bush-Regierung hier und da Bedenkenwegen des Verhörprogramms derCIA geäußert worden, aber dasWissen um die Geheimgefängnissewar auf einen kleinen Kreis vonSpitzenbeamten beschränkt, wasmitunter Anlass zu bizarranmutenden Diskussionen zwischendem Weißen Haus und der CIAgegeben hatte. Im Juni 2003 etwabereitete man sich im Weißen Haus

darauf vor, den von den VereintenNationen ausgerufenen Gedenktagfür Folteropfer zu begehen. DiePressestelle des Weißen Hauseshatte dazu eine offizielleVerlautbarung des Inhaltsaufgesetzt, dass sich dieVereinigten Staaten dem Kampf»für die weltweite Eliminierung derFolter« verpflichtet fühlten und ihn»durch ihr gutes Vorbild anführten«.

Tatsächlich aber taugten dieVereinigten Staaten in SachenFolterverbot keineswegs alsleuchtendes Vorbild, und zumindest

in der CIA ließ der Entwurf derVerlautbarung bei etlichenhochrangigen Beamten dieAlarmglocken schrillen. Scott Muller,der Chefjurist der Agency, erklärtedem Weißen Haus, in Anbetrachtder Tatsache, dass die vonPräsident Bush für die CIAautorisierten Verhörmethodenweithin als Folter betrachtetwurden, habe er erheblicheBedenken wegen des Wortlauts derPresseerklärung. In Langley gehedie Sorge um, meinte Muller, mankönnte die CIA zum Sündenbock

machen, sollte sich die politischeGroßwetterlage ändern. DiePresseerklärung wurde niemalsveröffentlicht.

Auch in Helgersons Bericht findensich Anzeichen für die Angst, diedamals in der CIA umging. Mehrerean dem Haft- und Verhörprogrammbeteiligte Beamte, hieß es da, seienbesorgt, sie könnten »innerhalb derVereinigten Staaten oder imAusland juristisch belangt werdenund dass die US-Regierung sichnicht hinter sie stellen würde«. DasWeiße Haus und das

Justizministerium hatten demProgramm ihren Segen erteilt, undGeorge Tenet persönlich hatte dieCIA gedrängt, die Verantwortungfür die Gefangenen zu übernehmen.Dennoch waren sich einige derAltgedienten in Langley sicher,diesen Film schon öfter gesehen zuhaben: nämlich während derErmittlungen des Church-Ausschusses 1975 und späternochmals im Zusammenhang mitder Iran-Contra-Affäre in den1980er-Jahren. Der Tag derAbrechnung würde kommen, waren

sie überzeugt, und das Weiße Hausunter Bush aus dem Bericht desGeneralinspekteurs einen Galgenzimmern, um die CIA daranaufzuhängen.

Der Bericht war der Anfang vomEnde für das Inhaftierungs- undVerhörprogramm. DieGeheimgefängnisse sollten zwarnoch mehrere Jahre in Betriebbleiben und hin und wieder auchneue Terrorverdächtigefestgenommen und dorthinverschleppt werden, aber mit derZeit hörte die Agency auf,

Waterboarding und einige andereunkonventionelle Verhörmethodeneinzusetzen. Gleichzeitig suchteman in Langley nach Wegen, wieman möglichst viele derGefangenen dem Pentagon aufsAuge drücken konnte. Aberdiejenigen, die man nicht loswerdenkonnte, rotteten weiter in denGefängnissen vor sich hin, währenddie Bush-Regierung fieberhaft nacheinem Ausweg aus demGefängnisprogramm suchte.

Am stärksten betroffen vonHelgersons Bericht war das

Counterterrorist Center der CIA, dieSpeerspitze in der weltweiten Jagdder Agency auf Terroristen. DasCTC hatte sich darauf konzentriert,Qaida-Funktionäre aufzuspüren undfestzunehmen, sie dann entwederin CIA-Gefängnissen selbst zuverhören oder zur Vernehmung anGeheimdienste in verbündeteLänder wie etwa Pakistan, Ägyptenoder Jordanien zu überstellen, undanschließend mithilfe der ihnenabgepressten Erkenntnisse weitereTerrorverdächtige zu stellen. Aufdiese Weise, so die Überlegung,

würde man früher oder später beiOsama Bin Laden landen.

Doch nun hatten sich dieVorzeichen verändert und dieVerantwortlichen imCounterterrorist Center sahen sichgezwungen, ihre Strategie für denGeheimkrieg zu überdenken.Bewaffnete Drohnen und generellgezielte Tötungen eröffneten demGeheimdienst, der sich durch seineJahre im Inhaftierungs- undVerhörgeschäft ausgebrannt undbefleckt sah, ein neuesBetätigungsfeld. Leute per

Fernbedienung umbringen stelltedie Antithese zur dreckigen undsehr direkten Verhörarbeit dar undschien irgendwie sauberer, wenigerpersönlich. Gezielte Tötungenfanden den Beifall sowohl derRepublikaner wie der Demokraten,und mit Drohnen, die von mehrereTausend Kilometer entfernt aneinem Monitor sitzenden Pilotengesteuert wurden, nahm sich dieganze Sache völlig risikofrei aus.Nach der Tötung von NekMuhammad in Pakistan, die nureinen Monat nach der Vorlage von

Helgersons Bericht erfolgte,erblickte die CIA ihre neue Zukunft:eine Zukunft, in der sie nicht mehrden Gefängniswärter derStaatsfeinde geben, sondern einemilitärische Organisation seinwürde, die sie ausmerzen könnte.

Jose Rodriguez versuchte 2004sogar, ein vom CTC in den erstenMonaten nach den Anschlägen vom11. September in Angriffgenommenes, dann aber doch nichtweiterverfolgtes Tötungsprogrammzu reaktivieren, das vorsah,

paramilitärische Eingreifteamsaufzubauen, die rund um die Welt,von Europa über den Nahen Ostenbis nach Südasien,Terrorverdächtige töten sollten. AlsRodriguez und sein CTC-KollegeEnrique Prado im Dezember 2001den Plan im Weißen Hausvorstellten, hatte Vizepräsident DickCheney ihnen grünes Licht erteilt.Im Gegensatz zu dem, was dieLeute in den Kinos zu sehenbekamen, unterhielt die CIA keineigenes Killer-Kader, und das vonRodriguez und Prado angeregte

Programm hätte die Agency eingutes Stück näher an ihreaufgemotzte Hollywood-Versiongebracht. Aber George Tenet hattekeine einzige Freigabe für eineMission erteilt und das Programmwar vorerst auf Eis gelegt worden.

Wie Rodriguez war Prado einVeteran aus derLateinamerikaabteilung der CIA undhatte er eine führende Rolle imKrieg der Contras gegen dassandinistische Nicaragua in den1980er-Jahren gespielt. Prado, der1996 zum Counterterrorist Center

gestoßen war, hatte in denMonaten nach den Anschlägen vom11. September als eine Art TutorRodriguez in die Qaida-Materieeingearbeitet. Nach dem Meetingmit Cheney im Dezember 2001 warPrado die Verantwortungübertragen worden, CIA-Agentenzum Training für dieTötungsmissionen zu rekrutieren.

Zu dem Zeitpunkt, da Rodriguez2004 entschied, das Programmwiederzubeleben, hatte sein engerFreund Prado die Agency bereitsverlassen und bei Blackwater USA

angeheuert, einer privatenMilitärfirma, die sich gerade –ausgestattet mit vielen MillionenDollar vom State Department, demPentagon und der CIA – inmitteneiner dramatischen Expansionbefand. Und so verfiel Rodriguez aufeine erstaunliche Lösung: Erbeschloss, das Tötungsprogramman Blackwater auszulagern.

Blackwater-Gründer Erik Prince,der sowieso schon zu den speziellenLieblingen der Bush-Regierungzählte, war darauf aus, noch tieferin das amerikanische

Geheimdienstestablishmentvorzustoßen. Prince hatte die Bühnezum bestmöglichen Zeitpunktbetreten. Der CIA fehlte es anausreichend Personal für denBetrieb ihrer großenGeheimstationen in Kabul undBagdad, und so heuerte die Agencydie privaten Blackwater-Sicherheitsleute für geheimeMissionen an – vom Schutz von CIA-Beamten überInformationsbeschaffung bis hin zu»Snatch-and-grab«-Operationen,also der Entführung von

Zielpersonen, die bislang vollausgebildeten CIA-Agentenvorbehalten gewesen waren.Irgendwann ließ die CIA in Pakistansogar Predator- und Reaper-Drohnen von Blackwater-Leuten mitBomben und Raketen beladen.

Prince lud regelmäßigSpitzenbeamte der CIA zumKentucky Derby ein oder hinunter indas Blackwater-Hauptquartier imGreat Dismal Swamp im Osten vonNorth Carolina, wo sie auf demweitläufigen Ausbildungsgeländeder Firma einen Tag lang nach

Herzenslust herumschießen durften.Und mit dicken Gehaltsscheckswarb er der CIA mehrere Topleuteab, darunter Cofer Black, denehemaligen Leiter desCounterterrorist Center, und ebenPrado – der jetzt als Blackwater-Mitarbeiter die Möglichkeit hatte, andie Regierung Programme zuverkaufen, die er noch in seiner Zeitbei der CIA entwickelt hatte.

Für Prince war die Auslagerung –das Outsourcing – des Kriegs nichtsneues, sondern lediglich dieWeiterentwicklung eines

jahrhundertealten Phänomens. Beieinem Besuch in Langley stellte erhochrangigen CIA-BeamtenBlackwaters neue »SchnelleEingreiftruppe« vor, eineKampfeinheit, die die CIA zurDurchführung paramilitärischerAufgaben in den entlegenerenTeilen der Welt heranziehenkonnte. Prince eröffnete diePräsentation mit einer vollmundigenFeststellung: »Von den erstenTagen der amerikanischen Republikan«, verkündete er, »hat unsereNation Söldner zu ihrer Verteidigung

eingesetzt«, doch am Ende lehntedie CIA den Plan ab.

Der Ruf für rücksichtlosesVorgehen, der Blackwater anhafteteund durch einen Vorfall imSeptember 2007 noch weiterzementiert wurde, als Blackwater-Leute an einemVerkehrskontrollpunkt in Bagdadsiebzehn Iraker erschossen, solltePrince und seine Firmaschlussendlich zu Symbolen für dieamerikanischen Missgeschicke imIrak machen. Prince selbst solltesich beklagen, dass die Demokraten

im Kongress ihn als Kriegsgewinnlerdarstellten, während Blackwaterdoch »für alle möglichenGeheimdienstaktivitäten zahlt undich damit die nationale Sicherheitdes Landes aus meiner eigenenTasche unterstütze«. Das mochtestimmten, aber in vielen Fällen glichdas Geld, das Blackwater fürgeheime Projekte bereitstellte,mehr einem Forschungsfonds für dieEntwicklung von Produkten undDienstleistungen, die mananschließend für viele MillionenDollar an die Regierung verkaufen

konnte. Beispielsweise präsentiertePrince CIA-Führungsoffizieren inPakistan Vorschläge für den Einsatzvon Tarnkappenflugzeugen – undder Asienabteilung Pläne, CIA-Informanten per U-Boot aus Chinaherauszuschleusen. DieInformanten, so der Plan, solltenmit einem Kreislaufatemgerät nachArt der Navy SEALs von der Küstebis zu unter der Wasseroberflächeauf sie wartenden U-Bootentauchen. Ein Vorschlag, derallerdings einen entscheidendenNachteil hatte: Die meisten CIA-

Informanten in China nämlichwaren Generäle in den Achtzigern,die einen Tauchgang mit einemKreislaufatemgerät nie und nimmerlebend überstanden hätten.

Die von der CIA zu Blackwatergewechselten Leute bemühten sichaggressiv darum, ihrem neuenArbeitgeber Jobs bei der Agency zuverschaffen. In mindestens einemFall hielt es ein hochrangiger CIA-Jurist für notwendig, dasUnternehmen zu warnen, dassseine Mitarbeiter drauf und dranwären, gegen

Antikorruptionsgesetze zuverstoßen, die Lobbyaktivitätenausgeschiedener Bundesbeamterbei ihren früheren Behörden engeGrenzen setzten. Abgesehen vonBlackwaters Tätigkeiten für die CIAspielte Prado auch mit demGedanken, der Drug EnforcementAdministration, der amerikanischenAntidrogenbehörde, die Nutzungeines von Blackwater kultiviertenNetzwerks ausländischer Spioneanzubieten, die »vonÜberwachungen überBodenaufklärung bis hin zu

Störoperationen« für alle möglichenAufgaben eingesetzt werdenkönnten, wie Prado in einervertraulichen Blackwater-E-Mailschrieb. Und mehr noch: »DieMöglichkeit, alles abstreiten zukönnen, ist mit eingebaut unddürfte ein großer Pluspunkt sein.«

Dieser Wunsch nach»Abstreitbarkeit« war es, der JoseRodriguez zu demaußergewöhnlichen Schritt bewog,ein tödliches CIA-Programm an eine– wenn auch amerikanische –Privatfirma auszulagern. Die CIA

stellte Prince und Prado einenVertrag überPersonaldienstleistungen aus, unddie beiden machten sich daran,Pläne für die Überwachungpotenzieller Ziele auszuarbeiten,darunter einige derselben Männer –etwa der pakistanischeAtomwissenschaftler A.Q. Khan –,die zu töten die CIA bereits 2001 indem Meeting mit Cheneyvorgeschlagen hatte. Prince undPrado würden das Programm leiten,und die Beteiligung deramerikanischen Regierung, so die

Theorie, verborgen bleiben. DieBlackwater-Killerkommandos solltennach Vorstellung von Prince undPrado tatsächlich zwar unter derKontrolle der CIA stehen, aber übergroße Autonomie verfügen, hattensie erst einmal ihren Einsatzbefehlerhalten. »Wir bauten unilateraleund nicht zuordenbare Kapazitätenauf«, erläuterte Prince später ineinem Interview mit der ZeitschriftVanity Fair. »Wäre etwasschiefgelaufen, hätten wir vonkeinem Stationschef, keinemBotschafter oder irgendwem sonst

erwartet, uns rauszuholen.«Wie sich zeigte, mussten sie

niemals irgendwo rausgeholtwerden. Wie schon im erstenDurchlauf des Tötungsprogrammswurden auch in dieser Phase desProgramms keineTötungsoperationen ausgeführt.Wie vereinbart hatten Prince undPrado zwar ihre Blackwater-Teamsausgebildet, aber wegen, wie Princees ausdrückte, »institutionellerOsteoporose« wurden dieBlackwater-Killerkommandosniemals ausgeschickt, im Auftrag

der CIA Terroristen zu meucheln.Angesichts der Unterstützung,

die das Programm von CIA-Beamten in hohen Positionenerhielt, stellt sich die Frage: warumnicht? Erstaunlicherweise nichtwegen irgendwelcher juristischerBedenken, die man bei der der CIAoder im Weißen Haus gehegt hätte.Die Rechtsabteilung der CIA hatteder Einbeziehung von Prince undPrado in das Tötungsprogramm ihrPlazet gegeben. Aber in denFührungsetagen der CIA war manam Ende nicht davon überzeugt,

dass die Agency ihre Verantwortungfür das Programm verborgen haltenkönnte. Blackwater hatte einganzes Netz an Subunternehmenaufgebaut, um seine Arbeit für dieCIA zu verschleiern, aber allerWahrscheinlichkeit nach wäre esausländischen Regierungen nichtallzu schwergefallen, das Geflechtzu entwirren und die Operation biszu Prince und, schlussendlich, zurCIA zurückzuverfolgen.

»Je mehr man eine Operationauslagert, umso besser kann mansie abstreiten«, erklärte ein hoher

CIA-Beamter, der an derEntscheidung, Blackwater dochnicht in das Tötungsprogrammmiteinzubeziehen, beteiligt war.»Aber umso mehr gibt man auchdie Kontrolle über die Operation ausder Hand, und wenn die Leute dannMist bauen, ist es dennoch unserFehler.«

Die glücklose Blackwater-Phasedes Tötungsprogramms ist – wieauch die frühere Auflage desProgramms – ein bis heute sorgsamgehütetes Regierungsgeheimnis.Selbst im Ruhestand ist es dem

ehemaligen Counterterrorist-Center-Agenten Hank Crumptonnicht gestattet, irgendwelcheDetails über die Zeit zu berichten,in der er an der ersten Phase desProgramms mitgearbeitet hatte.Doch in einem Interview meinte ereinmal, er wundere sich darüber,dass die Vereinigten Staaten immernoch so täten, als gäbe es einenUnterschied, ob man Leute ausgroßer Entfernung mithilfe einerbewaffneten Drohne umbringt, oderMenschen dorthin schickt, die dasTöten selbst übernehmen.

Wenn das Land der CIA erlaubt,das eine zu tun, sagte er, warumsollte es dann Magenschmerzenhaben, seinen Geheimdienst auchdas andere tun zu lassen? »Wie wirtödliche Gewalt anwenden und wowir sie anwenden – das ist eineextrem wichtige Diskussion, die wiraber im Grunde genommen nochgar nicht geführt haben«, sagte er.»Zumindest scheinen wir keinProblem damit zu haben, eineHellfire-Rakete auf ein klardefiniertes Feindziel in Gegendenwie Afghanistan, den

pakistanischen Stammesgebieten,Somalia oder dem Jemenabzufeuern.«

»Was aber,« fragte er, »wennman einen Terrorverdächtigen ineiner Stadt wie Paris oder Hamburgoder irgendwo hat, wo man keineDrohnen hinschicken kann? Wennman dann einen CIA-Agenten oderjemandem vom Militär losschickt,der ihm eine Kugel in den Kopfjagt?«

»Dann«, fuhr er fort, »sehen dieLeute darin einen Mordanschlag.«

Dennoch, mit jedem Schlag, den dieAgency für ihr Inhaftierungs- undVerhörprogramm einsteckenmusste, wuchs in der CIA-Führungdie Überzeugung, dass man – vordie Wahl zwischen zwei Übelngestellt – weitaus besser damitfahren würde, Terrorverdächtigeumzubringen, statt sie gefangen zunehmen und in ein Gefängnis zustecken. Ende 2005 verabschiedeteder Kongress den DetaineeTreatment Act, das Gesetz über denUmgang mit Gefangenen, das unteranderem die »grausame,

unmenschliche und entwürdigende«Behandlung von Häftlingenuntersagt, die sich inamerikanischem Gewahrsambefinden, eine Klausel, die auch dieGeheimgefängnisse der CIA miteinschloss. Damit bestand dieMöglichkeit, dass in den CIA-Gefängnissen eingesetzte Agentenwegen ihrer Arbeit strafrechtlichbelangt wurden, und in Langleyging nun das Schreckgespenst vonStrafermittlungen undKongressanhörungen um.

Ebensolche Befürchtungen

veranlassten Jose Rodriguez, dieVernichtung Dutzender Videobänderanzuordnen, die Minute für Minutedie Torturen protokollierten, die dieQaida-Mitglieder Abu Zubaydah undAbdel al-Rahim al-Nashiri währendihrer CIA-Verhöre ertragenmussten. Rodriguez, der einmalmehr befördert worden war –dieses Mal auf den höchsteinflussreichen Posten an der Spitzedes Directorate of Operations, dassämtliche verdeckten Kampf- undSpionageeinsätze der CIA rund umden Globus steuerte –, bereitete vor

allem Sorgen, dass auf den Bänderndie Gesichter derVernehmungsbeamten deutlich zuerkennen waren. Nun, da immermehr unerfreuliche Details desGefängnisprogramms nach draußendurchsickerten, hielt er es für nichtmehr ausgeschlossen, dass denbetroffenen Agenten nicht nur eineAnklage drohen, sondern auch ihrekörperliche Unversehrtheitgefährdet sein könnte. AnfangNovember 2005 schickte er eingeheimes Telegramm an die CIA-Station in Bangkok, wo die Bänder

in einem Safe lagen, und befahl, sienach allen Regeln der Kunst zuschreddern. Sieben Stahlklingenmachten sich an die Arbeit undpulverisierten die Bänder in winzigeSchnipsel, die anschließendabgesaugt und in Plastikmülltütenentsorgt wurden.

Doch auch nachdem dieseBildbeweise aus der Anfangszeitdes Gefängnisprogramms vernichtetwaren, bedeutete das vomKongress beschlossene neue Gesetzneue Unwägbarkeiten für die CIA.Nur Tage nach der Verabschiedung

des Detainee Treatment Acts setzteCIA-Direktor Porter Goss einen Briefan das Weiße Haus auf. Die CIAwerde, kündigte er an, sämtlicheVerhöre auf Eis legen, bis dasJustizministerium eine Beurteilungdarüber vorlegte, ob das Vorgehender CIA gegen das neue Gesetzverstieß.

Im Weißen Haus löste dasSchreiben erheblichen Unmut aus.Der Nationale SicherheitsberaterStephen Hadley hielt Goss’ Memofür pure Show – die CIA wolle sichnur für den Fall künftiger

Ermittlungen absichern. Hadley riefden CIA-Direktor am erstenWeihnachtsfeiertag zu Hause anund warf ihm vor, er sei kein»Teamplayer«. Aber Goss bliebhart, und im Weißen Haus erkannteman, dass die CIA, die paranoidesteBehörde in ganz Washington, solange weiter hyperventilierenwürde, bis man etwas unternahm,das geeignet war, die Spione zubesänftigen.

Der Job ging an Andrew Card,Präsident Bushs Stabschef. Cardfuhr hinaus nach Langley, um im

CIA-Hauptquartier für gut Wetter zusorgen, doch sein Besuch gerietzum Desaster. In einem vollgepackten Konferenzsaal dankteBushs Stabschef den versammeltenCIA-Beamten zwar für ihren Dienstan der Nation und ihrenengagierten Einsatz, weigerte sichaber, eine klare Zusicherungabzugeben, dass die an demInhaftierungs- und Verhörprogrammbeteiligten Agenten nichtstrafrechtlich belangt würden.

Im Saal kam Unruhe auf. PorterGoss, von seinem Stabschef Patrick

Murray gedrängt, fiel Card ins Wort.»Können Sie«, wollte Goss

wissen, »diesen Leuten hierversichern, dass die Politiker inWashington denjenigen, die diesesProgramm durchgeführt haben,nicht den Rücken zuwendenwerden?« Statt die Frage direkt zubeantworten, versuchte es Card miteinem Witz.

»Lassen Sie es mich soformulieren«, sagte er. »JedenMorgen klopfe ich an die Tür zumOval Office, trete ein und sage:›Pardon, Mr President.‹ Und

natürlich, der Einzige, dem derPräsident kein Pardon gewährenkann, ist er selbst.«

Card kicherte, nachdem er seinenWitz erzählt hatte – aber er war derEinzige im Saal, der ihn lustig fand.Kein Wunder: Schließlich hatte derStabschef des Weißen Hausesunmittelbar davor auf die Frage, obPräsident Bush die CIA-Agenten vorstrafrechtlicher Verfolgung schützenwürde, geantwortet, dass sie imbesten Falle auf ein Pardon desPräsidenten hoffen könnten,nachdem die Anklagen erhoben und

die Urteile verkündet wordenwären.

Bei der CIA kommenBegnadigungswitze nicht sonderlichgut an.

In den Augen etlicher BeraterPräsident Bushs entwickelte sich dieAgency zusehends zu einemProblem. Während der Direktor derAgency wegen desVerhörprogramms einen Kleinkriegmit dem Weißen Haus anzettelte,war Vizepräsident Cheney zurÜberzeugung gelangt, dass die CIA-Analysten insgeheim den Krieg im

Irak ablehnten und negativeLagebewertungen an Mitglieder desKongresses und an die Mediendurchsteckten. Sosehr sich Bushund Cheney ursprünglich gegen dieForderung der 9/11-Kommissiongesträubt hatten, den Posten einesNationalen Geheimdienstdirektorszu schaffen, sahen nicht wenige imWeißen Haus nun einenwillkommenen Nebeneffekt der neueingerichteten Instanz: Sie verwiesdie CIA in die Schranken.

Eine angeschlagene CIA botDonald Rumsfeld eine willkommene

Gelegenheit. Die sichverschlechternde Situation im Irakhatte dem TriumphalismusRumsfelds und seines Stabs einengehörigen Dämpfer versetzt,dennoch hielt derVerteidigungsminister weiter anseiner Strategie fest, Krieg auchweit entfernt von erklärtenKriegszonen zu führen – in Ländern,die historisch gesehen das Spielfeldder CIA gewesen waren. 2004erließ Rumsfeld eine im Pentagonintern als »Al Qaeda NetworkExecute Order« – »Exekutionsorder

für das Qaida-Netzwerk« –bezeichnete Geheimdirektive, dieden Spezialeinsatzkräften desPentagons deutlich mehrKompetenzen für Tötungen,Gefangennahmen undSpionagetätigkeiten in über einemDutzend Länder einräumte. Mit derAnordnung bekam das Joint SpecialOperations Command, die in FortBragg stationierte und vonRumsfeld als Vorbild des neuenArmeetypus für die Kriegführungnach dem 11. September gekürteSondereinheit, umfassende

Befugnis, in einem weit gespanntengeographischen Bogen, der sich vonNordafrika bis hinüber zu denPhilippinen zog, eigenständigOperationen durchzuführen – zumBeispiel in Syrien, in Somalia odereben auch in Pakistan. Gemäß derneuen Direktive unterlagen dieEinsätze einer hohenGeheimhaltungsstufe, sie wurdennur selten öffentlich anerkannt undder Kongress wurde nurunregelmäßig über sie informiert.

Das Joint Special OperationsCommand gehörte nun zu den am

hellsten strahlenden Sternen amFirmament desVerteidigungsministeriums. SeinBudget für Spezialeinsätze wurdebinnen sechs Jahren mehr alsverdoppelt und belief sich 2007 aufknapp acht Milliarden US-Dollar.Das war zwar nur ein Bruchteildessen, was das Pentagon inderselben Zeit für Schiffe undFlugzeuge ausgab, aber das JSOCkonnte mit dem üppig fließendenGeld nicht nur neue Einsatzzügeeinrichten, sondern auch in großemStil in Nachschub- und

Logistiksysteme investieren, die esden Navy SEALs und der DeltaForce erlaubten, verdeckteOperationen über Tage oderWochen hinweg durchzuführen. DasJSOC war damit nicht mehr nur auf»Schnell rein, schnell raus«-Geiselrettungsmissionenbeschränkt. Ganz im Gegenteil:Jetzt konnte es seine eigenenKriege führen.

Wie sehr es das konnte,demonstrierte es im Irak. Dorthatte Generalleutnant StanleyMcChrystals Task Force den Befehl

erhalten, gegen die von demjordanischen Terroristen Abu Musabal-Sarkawi angeführte Qaida-Gruppe im Irak vorzugehen. Welleum Welle tödlicher Gewalt rollteüber das Land, und al-Sarkawis »al-Qaida im Zweistromland« hatte dieVerantwortung für zahlreicheverheerende Anschläge aufamerikanische Truppenkonvois undheilige Stätten der Schiitenübernommen. Binnen wenigerMonate nach Beginn des Aufstandserkannten die US-Kommandeurevor Ort, dass der Krieg auf Jahre

hinaus die Stationierung starkeramerikanischer Kräfte im Landerfordern würde, und Rumsfeld undsein oberster Geheimdienstberater,Stephen Cambone, ließen das JSOCvon der Leine, um wenigstens dentödlichsten Arm des irakischenAufstands zu neutralisieren.

Das Mantra der Task Force, diein einem alten irakischenLuftwaffenhangar auf der nördlichvon Bagdad gelegenen Balad AirBase stationiert war, lautete: »Wirkämpfen fürGeheimdienstinformationen.« Am

Anfang herrschte auf denWhiteboards, die McChrystal undsein Team aufgestellt hatten, umdarauf die Struktur derTerrorgruppe nachzuzeichnen,gähnende Leere. Ein Großteil desProblems ließ sich, wie McChrystalerkannte, auf die mangelhafteKommunikation zwischen dendiversen amerikanischenMilitärkommandos im Irakzurückführen, die kaum Prozedurenfür den Austausch vonGeheimdienstinformationen vorsah.»Zunächst versuchten wir uns einen

Überblick über den Feind zuverschaffen – und über uns selbst«,schrieb McChrystal später. »Wederdas eine noch das andere warleicht.« Wie wenig man überhauptwusste, zeigte sich 2004, alsirakische Truppen in der Nähe vonFalludscha al-Sarkawi festnahmen,ihn aber, da niemand genauwusste, wie der jordanischeTerrorist aussah, wieder laufenließen.

Doch nach und nach nahm einPlan Gestalt an. Bei den nächtlichenRazzien gegen al-Sarkawis

Netzwerk ging es nicht darum,irgendwo eine Tür einzutreten undwild um sich zu schießen.McChrystal legte weniger Wert aufden Bodycount, die Zahl dererlegten Feinde, als vielmehr aufdie nachrichtendienstlichenErkenntnisse, die man durchVerhöre und Computerforensik vorOrt gewinnen konnte. DieseErkenntnisse wiesen einen Wegzum nächsten mutmaßlich sicherenHaus, wo sich im Idealfallhöherrangige Qaida-Kämpferversteckt hielten. Steck die Nadel in

irgendeine Vene, lautete dieTheorie, und du erfährst etwas überdas gesamte System.

Gleichzeitig versuchte McChrystalzu verhindern, dass seine TaskForce durch dieselben Rivalitätenlahmgelegt wurde, die schon inAfghanistan manchen Operationender Spezialkräfte ganz und gar nichtgut bekommen waren. Er machteCIA-Beamten im Irak seineAufwartung und brachte einenhochrangigen CIA-Mitarbeiter dazu,sich jeden Morgen zur täglichenLageberichterstattung für die Task

Force mit ihm an den Tisch zusetzen. Viele tausend Kilometerentfernt gingen in einemunscheinbaren Regierungsgebäudein Fairfax, Virginia, Analysten diebei den nächtlichen Razzien im Irakgewonnenen Informationen durch,die McChrystals Leute von USB-Laufwerken, Mobiltelefonen undComputer-Festplatten gezogenhatten. So füllten sich dieWhiteboards im Laufe der Zeit mitden Namen und Decknamen einerzunehmenden Zahl von al-SarkawisGruppe angehörenden Kämpfern.

Die Namen waren mit schwarzenFilzstiftlinien verbunden – einGeflecht, das die Summe aller bisdahin gewonnenen Erkenntnisseund Vermutungen darüberrepräsentierte, wie al-Sarkawisamorphes Terrornetzwerkaufgebaut war.

Das JSOC verdankte seinenraschen Aufstieg auch einer vonRumsfeld in Auftrag gegebenen und2005 abgeschlossenen internenStudie des Pentagons, derenAutoren unter anderem zu demSchluss kamen, das Militär müsse

»seine Fähigkeiten und Kapazitätenzur Durchführung andauernderOperationen in multiplenexponierten, nicht-permissiven undgesperrten Zonen ausbauen«. Oder,übersetzt aus dem Militärsprech:seine Fähigkeit zur simultanenFührung geheimer Kriege anmöglichst vielen Orten. Der Bericht,verfasst von dem ehemaligen JSOC-Kommandeur Wayne Downing undMichael G. Vickers – einemehemaligen verdeckt operierendenCIA-Agenten –, fand Rumsfeldsungeteilte Zustimmung. Vickers war

zu eigenem Ruhm gelangt, als seineRolle bei der Lieferung von Waffennach Afghanistan während dersowjetischen Besatzung im BuchDer Krieg des Charlie Wilsonnachgezeichnet wurde; das Originalerschien 2003. Seine hauptsächlicheSchlussfolgerung lautete, dass dieSpezialeinsatzkräfte eine größereRolle im Krieg der Bush-Regierunggegen al-Qaida und andereTerrorgruppen übernehmen sollten.Die Spezialeinsatzkräfte seien, hießes weiter, im Irak und inAfghanistan gut positioniert, nicht

aber für die Kriege der Zukunft. »InZukunft«, lautete das Schlusswort,»werden Kämpfe auch in Ländernstattfinden, mit denen wir uns nichtim Krieg befinden.«

In Wahrheit führte das Pentagonzu diesem Zeitpunkt bereits eigeneSpionageoperationen im Iran durch.Spezialeinsatzkräfte heuerten, unterAusnutzung des regenHandelsverkehrs über die irakisch-iranischen Grenze hinweg, vor OrtInformanten an, die sie,ausgestattet mit gefälschtenIdentitäten, über die Grenze

schickten, um militärische Anlagenim Westiran auszuspionieren. Beiden Informanten handelte es sichum iranische Muslime und Kopten,die an der Grenze nur erzähltenmussten, dass sie lastwagenweiseFrüchte oder andere Waren im Irankaufen wollten, um ohne Problemedie Grenzkontrollen passieren zukönnen. Aus solchen auf denkleinen Grenzverkehr begrenztenOperationen konnte das Pentagonnur wenig nachrichtendienstlichrelevante Informationen gewinnen,und zudem war es ihm nicht

erlaubt, irgendwelcheSabotageaktionen im Irandurchzuführen oder iranischeRevolutionswächter umzubringen.

Das eigentliche Ziel, erklärte einhochrangiger Pentagon-Geheimdienstbeamter in dieserZeit, bestehe im Aufbau einesmöglichst großenSpionagenetzwerks innerhalb desIran – ein Netzwerk, das manaktivieren könne, sollte PräsidentBush oder einer seiner Nachfolgerjemals eine Invasion in dem Landanordnen. Wie so viele andere

verdeckte militärische Missionen ininformellen Kriegsgebieten wurdendie Einsätze im Iran als Maßnahmenzur »Vorbereitung desSchlachtfelds« gerechtfertigt.

Die Grenzlinien zwischen dem,was Soldaten und was Spionetaten, verschwammen inzunehmenden Maße. Im Vergleichzum Pentagon besaß die CIA zwarnach wie vor die umfassenderenKompetenzen zur Durchführung vonOperationen wo auch immer auf derWelt, aber seit RumsfeldsGeheimdirektive von 2004 fiel es

immer schwerer, wirklicheUnterschiede zwischen militärischenund CIA-Einsätzen zu erkennen. ImIrak hatte McChrystal ein gutesArbeitsverhältnis zu denamerikanischen Spionen aufgebaut,aber die vom Militär im Irangeführten Operationen wurden mitder CIA nicht koordiniert. Bei sovielen in den dunkelsten Ecken derWelt verdeckt operierendenAgenten und einer derartmangelhaften Kooperation zwischenden einzelnen Diensten war eseigentlich nur eine Frage der Zeit,

bis es irgendwo zu einer größerenKatastrophe kam.

Oder eine einmalige Chance nichtgenutzt wurde. Nachdem Rumsfeld2005 die Bajaur-Operation inPakistan im letzten Momentabgeblasen hatte, weil er bei demhastig geplanten Einsatz allzu vieleRisiken sah, strengten die CIA unddas Pentagon eine Untersuchungan, um herauszufinden, wasschiefgelaufen war und wie mandafür sorgen konnte, dass sich einsolches Debakel nicht wiederholte.

Wie die Überprüfung zeigte, gab eskeine etablierten Prozeduren zurAutorisierung von Notfalleinsätzenin anderen Ländern außerhalb desIraks und Afghanistans. DasPentagon wie auch die CIA führtenzwar weltweit Geheimoperationenaus, aber für den Fall, dass ineinem Land wie Pakistan möglichstschnell über einen geheimenEinsatz entschieden werdenmusste, verfügten weder derVerteidigungsminister noch der CIA-Direktor über die alleinigeBefehlsautorität. Also ging man –

ganz im Sinne einer effektiverenArbeitsteilung – im Laufe desfolgenden Jahres daran, die Weltuntereinander aufzuteilen undfestzulegen, wer wo für welcheFront des geheimen Kriegszuständig war.

Für das Pentagon führte StephenCambone die Verhandlungen, fürdie Agency ihr stellvertretenderDirektor, Vizeadmiral AlbertCalland. Ob die CIA oder das JSOCfür die Geheimoperationen in einembestimmten Land verantwortlichsein würde, hing von einer Vielzahl

von Faktoren ab: Wie groß war dieBereitschaftdes Landes, Spezialeinsatzkräfteauf seinem Territorium operieren zulassen? Wie gut (oder schlecht) dasVerhältnis zwischen der CIA unddem Geheimdienst des jeweiligenLandes? Wie allergisch würde derlokale CIA-Stationschef auf dieAnordnung reagieren, die Kontrolleüber die Geheimoperationen inseinem Land an das JSOCabzutreten?

Wegen der Bajaur-Sache standPakistan bei den Verhandlungen

ganz oben auf der Liste. PräsidentMusharraf hatte denDrohneneinsätzen seinen Segenerteilt, lehnte aber nach wie vorganz entschieden amerikanischeKampfeinsätze in denStammesgebieten ab. Wenn etwas»vom Himmel fiel«, war das inOrdnung, nicht aber, wenn es vonAfghanistan aus über die Grenzemarschiert kam. Musharraf dieErlaubnis für Bodenkampagnen vonSpezialeinsatztruppen in Gebietenwie Nord-Waziristan und Bajaurabringen zu wollen, war, darin

stimmten die meisten Leute inWashington überein, ein vonvornherein hoffnungslosesUnterfangen.

Die CIA hatte dafür eine Lösungparat: Um Special-Operations-Truppen nach Pakistan zu bringen,brauchte man sie nur der Agency zuunterstellen und gemäß der ihr inTitle 50 gewährten Autorität fürverdeckte Operationen einzusetzen.Das Zauberwort hieß im CIA-Jargon»Sheep-dipping« und bezeichnetedie (leihweise) Umwandlung vonSEALs in CIA-Agenten. Damit

konnten die nun formell zur CIAgehörenden Special-Operations-Truppen Operationen in Pakistandurchführen, und Musharraf würdeniemals davon erfahren. Damitwurden die Spezialeinsatzkräfte,wie ein ehemaliger CIA-Beamterdas Arrangement beschrieb,»praktisch zum bewaffneten Armdes CIA-Direktors«.

Exakt derselbe Trick sollte sechsJahre später zur Anwendungkommen, als von der BagramAirbase im afghanischenDschalalabad mehrere

Hubschrauber mit Navy-Seal-Teamsan Bord über die Grenze zu demEinsatz nach Pakistan flogen, derOsama Bin Laden das Lebenkostete. In dieser Nacht standen dieSEALs unter dem Befehl der CIA,die Mission wurde technischgesehen von CIA-Direktor Leon E.Panetta geleitet.

In anderen Ländern hatte dasJSOC die Federführung inne, undwo, wie auf den Philippinen, bereitsSpezialeinsatzkräfte stationiertwaren, stieg die Zahl derKommandoeinsätze rapide an. Auf

der Basis nachrichtendienstlicherInformationen, dass sich UmarPatek, einer der Drahtzieher derTerrorattacken von 2002 auf Bali,dort versteckt hielt, feuerte 2006eine amerikanische MilitärdrohneRaketen auf ein mutmaßlichesTerrorlager im südphilippinischenDschungel. Der Raketenangriff, dendie Regierung in Manila öffentlichals »philippinische Militäroperation«präsentierte, verfehlte Patek, tötetedafür aber zahlreiche anderePersonen.

Wie viele davon Gefolgsleute von

Umar Patek waren und wie vieleunbeteiligte Frauen und Kinder,konnte das Militär niemals genauermitteln.

Ausgestattet mit immer höherenBudgets für Spezialeinsätze,schaffte das JSOC modernsteAufklärungstechnologien an, mitderen Hilfe die Kommandos vomHimmel aus nach Pakistanhineinlauschen, Telefoneüberwachen und anderenachrichtendienstlich relevanteInformationen sammeln konnten.Von Flugfeldern in Afghanistan aus

starteten in regelmäßigenAbständen Beechcraft-Flugzeuge zuFlügen über die Afghanistan undPakistan trennenden Gebirgskämmeund verwandelten sich dabei infliegende Mobilfunkmasten.

An Bord der Beechcrafts waren ineinem als »Typhoon Box«bezeichneten Gerät DutzendeTelefonnummern gespeichert, vondenen die Militärspione annahmen,dass sie von pakistanischenMilitanten benutzt wurden. DasGerät konnte feststellen, wenn einedieser Nummern benutzt wurde,

und den Aufenthaltsort des Anrufersbestimmen. Und zwar selbst dann,wenn ein Telefon abgeschaltet war;das JSOC verfügte praktischerweiseüber die Fähigkeit, das Telefoneinzuschalten, das dann dieexakten Koordinaten von wem auchimmer verriet, der es gerade beisich trug.

Nachdem der neue Deal mit der CIAunter Dach und Fach war, konntendie per »Sheep-dipping« zu CIA-Agenten mutierten JSOC-Soldatenauf die neu gewonnenen

nachrichtendienstlichenErkenntnisse mit Bodenoperation inPakistan reagieren. Ein Jahrnachdem der Kommandoeinsatz inBajaur abgeblasen worden war,erfuhr die CIA erneut von einemneuen geplanten Treffenhochrangiger Qaida-Kämpfer, undauch dieses sollte in der BajaurAgency stattfinden, also in denStammesgebieten.

Das Dörfchen Damadola war seiteiniger Zeit überwacht worden,genauer gesagt, seitdem dergefangen genommene Qaida-Führer

Abu Faraj al-Libi pakistanischenGeheimdienstlern erzählt hatte,dass er sich dort einmal mit Aimanal-Sawahiri im Haus von BakhpturKhan getroffen hatte. Im Januar2006 hätte die CIA bei einemDrohnenangriff auf ein Ziel inDamadola um ein Haar Aiman al-Sawahiri erwischt. Und als nun,mehrere Monate später, derHinweis auf ein weiteres Qaida-Treffen in Damadola kam, schickteman ein Navy SEAL-Team in dasDorf.

Dank der neuen Prozeduren

benötigten die zuständigen Leutebei der CIA und beim Militär nur einpaar Stunden, um dienachrichtendienstlichenErkenntnisse zu analysieren undgrünes Licht für die Operation zuerteilen. Der Kommandeur desUnited States Central Command,General John Abizaid, befand sichgerade in Washington, als bei derCIA der Hinweis auf das Treffen inDamadola einging. Abizaid sprangsofort in einen schwarzenGeländewagen und raste von einerEskorte begleitet nach Langley, wo

er mit Porter Goss die Details desKommandoeinsatzes durchsprach.Kurz nachdem sie sich geeinigthatten, hoben in Afghanistanmehrere Hubschrauber ab undbrachten die SEALs über die Grenzenach Bajaur.

Die Elitesoldaten stürmten dasAnwesen, rangen mehrere Leute zuBoden und fesselten sie mitPlastikhandschellen. Anschließendluden sie die Gefangenen an Bordder Hubschrauber und nahmen siemit zurück nach Afghanistan.

Im Counterterrorism Center in

Langley hatten sich CIA-Beamte umeinen Bildschirm geschart, auf demdas Videofeed einer Predator-Drohne lief, die über dem Anwesenin Damadola kreiste – ein kaltes,unermüdliches Auge, das denmehrere tausend Kilometer entferntin einem Raum versammeltenSpionen erlaubte, den Ablauf derOperation genau mitzuverfolgen.Den SEALs fiel bei diesem Einsatzzwar kein führendes Qaida-Mitgliedin die Hände. Aber mit derDamadola-Mission hatten sie denBeweis erbracht, dass sie

unbemerkt nach Pakistaneindringen, eineGefangennahmeoperationdurchführen und sich wieder überdie Grenze davonstehlen konnten,ohne dass die pakistanischeRegierung auch nur den leisestenHauch von der Sache mitbekommenhätte.

8

STELLVERTRETERKRIEGE

»Ich und mein Volk gegen die Welt. Ichund mein Klan gegen mein Volk. Ich und

meine Familie gegen den Klan. Ich undmein Bruder gegen die Familie. Ich

gegen meinen Bruder.«Somalische Redensart

Im Frühjahr 2006 luden in derkenianischen Hauptstadt NairobiCIA-Agenten raketenangetriebene

Granaten, Granatwerfer und AK-47-Sturmgewehre in unmarkierteFrachtflugzeuge und flogen dieLadung auf Flugfelder, die vonsomalischen Warlords kontrolliertwurden. Zusammen mit den Waffenschickten sie Koffer voller Geld –rund 200000 Dollar pro Warlord alsDank für ihre Dienste im Kampfgegen den Terror. Obwohl dieKlanchefs und Kriegsherren über dieJahre hinweg mehrfach versuchthatten, sich gegenseitigumzubringen, hatten sie keineProbleme, sich zu einer Allianz

zusammenzuschließen, kaum dassdie CIA mit Dollarscheinen winkte.Sie brachten es sogar fertig, ihreVereinigung auf einen Washingtongenehmen Namen zu taufen: Allianzfür die Wiederherstellung desFriedens und gegen denTerrorismus (Alliance for theRestoration of Peace and Counter-Terrorism, kurz ARPCT) – ein Name,der in Anbetracht der brutalenVergangenheit mancher derWarlords, etwa Abdi Hasan AwaleQeybdii oder Mohammed QanyareAfrah, nicht einer gewissen

unfreiwilligen Ironie entbehrte.Selbst bei der CIA machte man sichhier und da über die Gruppe lustig,und einige ihrer Agentenverballhornten die AbkürzungARCPT zu SPECTRE, der globalenTerrororganisation aus einem derJames Bond-Filme.

Jose Rodriguez hatte einen vonAgenten in Nairobi entwickeltenPlan abgezeichnet, die somalischenWarlords mit noch mehr Waffen undGeld zu versorgen, nachdem diesedie Amerikaner davon überzeugthatten, sie würden ihnen bei der

Bekämpfung der auf demVormarsch befindlichen radikalenIslamisten in dem führungslosenund völlig verarmten Landhelfen.***** Die Warlords,darunter einige der Männer, derenLeute 1993 in Mogadischu achtzehnAngehörige der Army Rangers undDelta Force umgebracht hatten,hatten schon 2002 auf der Lohnlisteder CIA gestanden. Damals hattensie der Agency bei der Jagd aufMitglieder der ostafrikanischenQaida-Zelle geholfen, von deneneinige anschließend aus Somalia in

CIA-Geheimgefängnisse gebrachtworden waren. Aber die verdeckteOperation von 2006 war einoffizielleres Programm – und eines,das zu einem von WashingtonsanktioniertenGeldbeschaffungsprogramm für dieWarlords geriet.

Das eskalierende Chaos im Irakhatte nicht nur zum Abzugamerikanischer Soldaten undSpione aus Afghanistan geführt, eshatte auch eine neue Generationjunger Muslime dazu inspiriert, inden Kampf gegen die Vereinigten

Staaten zu ziehen. Zu dieser Zeitzirkulierte in der amerikanischenGeheimdienstgemeinde der Entwurfeines geheimen Berichts, der dasProblem der metastasierendenRadikalisierung in der islamischenWelt ungeschminkt offenlegte. Derabschließende Bericht kam zu demErgebnis, dass der Irak für die»Dschihadisten zu einer Causecélèbre« geworden sei, eine Sache,die »die tief empfundene Abneigunggegen die amerikanischeEinmischung in der muslimischenWelt befeuerte und der globalen

dschihadistischen Bewegung neueUnterstützer zuführte«.

Der Bericht, als offiziellesNational Intelligence Estimateverfasst, warnte vor der weiterenAufsplitterung einer zunehmenddezentralisierten globalendschihadistischen Bewegung undder Ausbreitung regionalermilitanter Gruppen. Auf derpolitischen Landkarte vollzogen sichdramatische Veränderungen, undzahlreiche Länder in Nord- undOstafrika und sowie den ärmerenTeilen der Arabischen Halbinsel

wurden zusehends instabil.Im Jemen entkamen

dreiundzwanzig al-Qaidazugerechnete Islamisten durcheinen Tunnel, den sie mithilfe vonLöffeln und abgebrochenenTischbeinen gegraben hatten, auseinem lokalen Gefängnis. AllerWahrscheinlichkeit nach halfenihnen dabei jemenitischeSicherheitsbeamte, die aus der Zeitdes sowjetischen Kriegs inAfghanistan Sympathien für dieSache der Gefangenen hegten. Einjemenitischer Offizieller begründete

den Insider-Job gegenüber der NewYork Times folgendermaßen: »Siedürfen nicht vergessen, dieseBeamte haben während desafghanischen Dschihad Leute ausSanaa nach Pakistan eskortiert. Dasind persönliche Beziehungenentstanden, und die hören nichteinfach so auf.« Interpol gab eineweltweite Fahndung nach dendreiundzwanzig Flüchtigen heraus,aber die meisten von ihnen gingengar nicht weit. Sie blieben imJemen und formten den Kern einerGruppe, aus der schließlich al-Qaida

auf der Arabischen Halbinselhervorgehen sollte.

Dann waren da noch Somaliaund der kometenhafte Aufstiegeines untersetzten Manns mitmandelförmigen Brillengläsern undeinem mit Henna rotgefärbtenKinnbart. Scheich Hassan DahirAweis war der Anführer der Unionislamischer Gerichte (UIC) inSomalia, einem losen Bündnis vonKlan-Ältesten, Geschäftsleuten undeinflussreichen Persönlichkeiten, diesich zusammengetan hatten, umdurch die Einführung der

islamischen Scharia Ordnung in dasChaos in Somalia zu bringen. Dieislamischen Gerichte, die seitJahren von gemäßigten Islamistendominiert wurden, waren in Somaliaanfangs sehr populär, weil sie einenAusweg aus dem seit Jahrzehntentobenden Kampf zwischen denWarlords zu eröffnen schienen.Doch bis Ende 2005 hatte sich dieUnion islamischer Gerichte unterAweis’ Einfluss zu einervergrößerten Ausgabe seinesScharia-Gerichts in der HafenstadtMerca verwandelt: einer Plattform

zur Propagierung einerkompromisslosen Auslegung desIslams, deren RichterEhebrecherinnen regelmäßig zurSteinigung verurteilten und Diebendie Hand abhacken ließen.

Die USA führten Aweis seitJahren weit oben auf der Liste ihrerTerrorverdächtigen, und die CIAhatte ihn mit der Qaida-Zelle inOstafrika in Verbindung gebracht,auf deren Konto die 1998 verübtenAnschläge auf die US-Botschaften inKenia und Tansania gingen.Trotzdem betrieb er seine

Geschäfte in aller Öffentlichkeit,reiste unter eigenem Namen nachDubai und zeigte sich ohne Scheu invielen somalischen Städten. Unterseinem Kommando stand eineBande junger und hoch motivierterKämpfer, die sich selbst als »alShabaab« – arabisch für »DieJugend«****** – bezeichneten.Ihre Mitglieder patrouillierten durchdie Straßen von Mogadischu undjagten und töteten jeden, von demsie glaubten, er habe dersomalischen ÜbergangsregierungTreue geschworen, einer von den

Vereinten Nationen eingesetztenschwachen und korruptenExekutive, die über kaum Einflussim Land verfügte. Somalier, die imVerdacht standen, für dieAmerikaner zu spionieren, wurdenauf der Stelle erschossen.

Da die CIA seit Jahren keinedauerhafte Station innerhalbSomalias mehr unterhielt, fiel dieAufgabe, die Vorgänge im Land zuüberwachen, an die imbenachbarten Kenia stationiertenAgenten. Die CIA-Station in Nairobiwar nach den Anschlägen vom

11. September stark ausgebautworden und bekam deutlich mehrGeld und Personal, seit CIA-DirektorPorter Goss entschieden hatte, dassdie Agency ihre Präsenz in Afrikaverstärken und einige der dichtgemachten Stationen auf demKontinent wieder öffnen sollte. Inden Monaten um den Jahreswechsel2005/2006 herum hatten Agentenaus Nairobi höchst alarmierendeTelegramme nach Langleygeschickt, in denen sie vor demwachsenden Einfluss des RotbartsAweis und seiner Shabaab-Milizen

warnten. Die jungen Radikaleninnerhalb der Union islamischerGerichte, zu denen auch einschlaksiger Veteran aus demAfghanistankrieg namens AdenHashi Farah Ayro zählte, könnten,schlossen einige der Berichte, al-Qaida den Boden bereiten, um inSomalia eine neue Basisaufzubauen.

Doch sosehr Osama Bin Ladenund seine Gefolgsleute dieVorstellung auch gelockt habenmochte, sich in Somalia häuslicheinzurichten, die Terrorgruppe hatte

im Laufe der Jahre in dem vomKrieg verheerten Land teilweise mitdenselben Problemen zu kämpfengehabt wie zuvor schon dieAmerikaner. Einfacher ausgedrückt,al-Qaida verstand Somalia nicht,und der Plan der Gruppe, nachAusbruch des Kriegs in Afghanistannach Somalia zu fliehen, wargrandios gescheitert. Denarabischen Dschihadisten, die indas Land kamen, fiel es schwer,durch das verwirrende, tief in dersomalischen Kultur verwurzelteGeflecht aus Klans und Unterklans

zu navigieren, und sie mussten anallen Ecken und Enden damitrechnen, von irgendwelchen Klan-Ältesten erpresst zu werden. Stattsich unter einem Banner zuversammeln und mit vereintenKräften die Westler aus dem Landzu verjagen, zogen die Somalier esvor, sich gegenseitig zu bekämpfen.Die Qaida-Militanten, die demradikalen wahhabitischen Islamanhingen, konnten wenig anfangenmit dem weitaus gemäßigterenSufismus, den die große Mehrheitder Somalier praktiziert. Darüber

hinaus standen die Somalier im Ruf,ausgemachte Klatschmäuler zusein, und die ausländischenBesucher verzweifelten daran, dassihre Gastgeber keine Geheimnissefür sich behalten konnten.Insgesamt erschien ihnen daschaotische, am Arabischen Meergelegene afrikanische Land ganzund gar anders als die BergePakistans und Afghanistans.

In Washingtoner Militär- undGeheimdienstkreisen war das zu derZeit kaum jemandem bewusst, undso erregten die alarmierenden CIA-

Berichte aus Nairobi im WeißenHaus ziemliches Aufsehen. Wasaber konnte man unternehmen,sollte Somalia tatsächlich dem WegAfghanistans folgen? Das Gespenstder Black-Hawk-Down-Episode –der Schlacht um Mogadischu 1993 –trieb in den Fluren des Pentagonsnoch immer sein Unwesen, undetliche Armeegeneräle hattenbereits angekündigt, eher den Hutzu nehmen als noch einmal mitanzusehen, wie sich die VereinigtenStaaten auf eine neuerliche größereMilitärintervention in Somalia

einließen. Davon abgesehenbanden die Kriege, die manandernorts führte, eine große Zahlan Soldaten und Marines, und dasPentagon konnte über dasKontingent hinaus, das es für dierudimentäre Task Force in Dschibutiabgestellt hatte, die dort von einerehemaligen Basis der französischenFremdenlegion aus operierte, kaumnoch Truppen für das Horn vonAfrika erübrigen. Aber da man imWeißen Haus Somalia nun für einProblem hielt, das gelöst werdenmusste, wandte man sich an die

CIA und beauftragte sie, eineStellvertreterarmee aufzutreiben,die den neuen Krieg um Mogadischuführen würde. Das war dieGeburtsstunde der ARPCT, derAllianz für die Wiederherstellungdes Friedens und gegen denTerrorismus.

Die Warlords der ARPCT zeigtensich nicht gerade verschwiegen,was ihre Verbindungen zuWashington anging, und gabenganz offen damit an, wie viel dieCIA ihnen bezahlte. Aber auch dieamerikanischen Spione leisteten

sich handwerkliche Schnitzer, undso dauerte es nicht lange, bisallgemein bekannt war, dass es sichbei der Allianz um eineVeranstaltung der CIA handelte. DieWaffenlieferungen undGeldsendungen wurden in derlokalen Presse vermeldet, die CIAversorgte die Warlords mitKontaktinformationen, die sienutzen konnten, sollten sie mehrGerät brauchten, und in Mogadischumachten Gerüchte die Runde, dieCIA-Männer hätten sogar eine E-Mail-Adresse eingerichtet, über die

die Warlords neue Waffen undneues Geld bestellen konnten.

Die Plumpheit der CIA sorgte inder amerikanischen Botschaft inNairobi, einer regelrechten Festung,nachdem der Bombenanschlag von1998 das alte Botschaftsgebäudezerstört hatte, für erheblicheinterne Spannungen. DieVerantwortung für die Operation lagallein beim CIA-Stationschef inKenia, aber es dauerte nicht lange,bis Diplomaten der Botschaft inTelegrammen an das StateDepartment davor warnten, die

verdeckte Unterstützung für diesomalischen Warlords könnteziemlich nach hinten losgehen.Leslie Rowe etwa, derstellvertretende Botschafter,schickte ein Telegramm, in dem ersich über den Unmut ausließ, der inden Reihen afrikanischerRegierungsbeamter wegen des CIA-Alleingangs herrschte. Und MichaelZorick, der für Somalia zuständigePolitische Beamte beim StateDepartment, ließ in einem bösenTelegramm an seine WashingtonerVorgesetzten kein gutes Haar an

der Kooperation mit den Warlordsund beschwerte sich, dass die CIAdie größten Verbrecher in Somaliamit Waffen versorgte. Kurze Zeitspäter wurde Zorick dieZuständigkeit für Somalia entzogenund er stattdessen mit dem Tschadbetraut.

Wie die Diplomaten gewarnthatten, geriet die verdeckte CIA-Operation am Horn von Afrika zueinem grandiosen Fiasko. Statt dieIslamisten zu schwächen, ließ siedie Balance in Somalia in dieandere Richtung kippen und brachte

die Somalier dazu, die Unionislamischer Gerichte als dieOrganisation zu sehen, die sie vomausländischen Einfluss befreien unddie Herrschaft der Warlords brechenkonnte, die das Land balkanisierthatten. Bei einem Treffen deramerikanischen Botschafter derostafrikanischen Länder und desJemens im Mai 2006 – einZeitpunkt, da sich für dieDiplomaten der Ausgang der Dingein Mogadischu bereits klarabzeichnete – konnte man sichzwar auf keine konkreten nächsten

Schritte verständigen, war sich aberdoch darin einig, dass es von großerBedeutung sei, das Gespräch wegvon den Kämpfen in dersomalischen Hauptstadt und hin auf»positive amerikanische Schritte«zum Wiederaufbau der Institutionendes Landes zu lenken.

Das vormals prekäreGleichgewicht in Somalia kippte, dieIslamisten verjagten die von derCIA unterstützten Warlords ausMogadischu und die UICkonsolidierte ihre Macht in derStadt. Noch verheerender für

Washington aber war, dass dieerfolgreiche Kampagne inMogadischu den Einfluss vonHassan Dahir Aweis und derradikalen Shabaab-Milizen innerhalbder Union islamischer Gerichte nochweiter mehrte.

Hank Crumpton, der früher fürdas Counterterrorist Center der CIAtätig gewesen war, konnte vonseinem Schreibtisch im StateDepartment, wo er den Posten desKoordinators für die Terrorabwehrübernommen hatte, zusehen, wiesich das Desaster entwickelte. Als

Koordinator für die Terrorabwehrführte er zwar den imposanten Titeleines Sonderbotschafters, seinEinfluss allerdings wurde beschränktdurch die Tatsache, dass erinnerhalb einer unterfinanziertenund gelegentlich dysfunktionalendiplomatischen Maschinerieangesiedelt war. Für Crumpton wardas Warlord-Abenteuer der CIA inSomalia ein klassisches Beispiel fürdie Neigung Washingtons, beiProblemen, die zu lösen auf andereWeise allzu schwierig erschien, aufverdeckte Aktionen auszuweichen.

Was macht man also, wenn mannicht weiß, was man in Somalia tunsoll? »Hier habt ihr Geld, und hierhabt ihr ein paar Waffen. Jetztmacht euch an die Arbeit«, sagteer.

»Aber in Abwesenheit einerklaren Außenpolitik funktionierenverdeckte Aktionen einfach nicht«,fuhr er fort. »Und wenn Sie in derLage sind, mir die Außenpolitik deramerikanischen Regierung inSomalia im Jahr 2006 odermeinetwegen auch heute zubenennen, gebe ich Ihnen auf der

Stelle zehn Dollar.«Die Hauptlast der ätzenden

internen Kritik entlud sich auf demCIA-Stationschef in Nairobi. JoseRodriguez zog ihn aus Kenia ab,und bei der CIA beschloss man,zumindest für den Moment dieFinger von Somalia zu lassen.Nachdem nun die Union islamischerGerichte Mogadischu kontrollierte,rückte Somalia in den Augen derBush-Beamten in den Kreis derTerrorstaaten auf. Jendayi Frazer,die Afrika-Beauftragte des StateDepartment, äußerte sich in der

zweiten Jahreshälfte 2006 mehrfachöffentlich über die direktenBeziehungen zwischen der Unionislamischer Gerichte und al-Qaidaund bezeichnete die UIC ganzunverblümt als»Terrororganisation«.

Nach dem Scheitern der CIA-Kampagne in Somalia hatte dieRegierung Bush zumindest für denMoment ihre Optionen für denUmgang mit dem Aufstieg derdortigen Islamisten erschöpft. Aberda, wo Regierungen fürchten, einen

Fuß hinzusetzen, ergaben sich neueMöglichkeiten für privateMilitärfirmen und Möchtegern-Söldner, die allesamt begierigwaren, Kapital aus der in Ostafrikaherrschenden Anarchie zu schlagen.

Die Bedingungen waren perfekt:So wenig Lust die US-Regierungverspürte, in nennenswertemUmfang eigene Leute nach Somaliazu entsenden, sosehr war sie bereit,anderen Geld zu geben, damit siedas für sie taten. Und ab Mitte 2006verwandelte sich der Krieg inSomalia in einen ausgelagerten

Krieg.Nur ein paar Wochen nachdem

die von der CIA gefördertenWarlords Hals über Kopf ausMogadischu geflohen waren,landete in Nairobi einLinienflugzeug, zu dessenPassagieren eine Frau mittlerenAlters aus der Pferderegion imnördlichen Virginia gehörte. Bei derFrau handelte es sich um MichelleBallarin, Präsidentin von SelectArmor, einer kleinen Firma, die dieFeuerwehr von Los Angeles mitKörperprotektoren belieferte, es

bislang aber nicht geschafft hatte,einen großen Deal mit demPentagon an Land zu ziehen. AberBallarins unternehmerischer Ehrgeizwar viel zu groß, als dass sie sichmit der Rolle eines kleinenRüstungslieferanten unter vielenzufrieden gegeben hätte. Und alssie nun, im Juni 2006, nach Keniakam, dann deshalb, weil sie einvertrauliches Treffen mit AbdullahiYusuf Ahmed vereinbart hatte, demMann, der von seiner luxuriösenHotelsuite in Nairobi aus die UN-gestützte somalische Exilregierung

führte.Dass eine nicht mehr ganz junge

Amerikanerin mit dem Ausseheneiner reichen Erbin eine Audienz mitdem Führer der schwachbrüstigensomalischen Übergangsregierunghaben sollte, mochte auf den erstenBlick verwunderlich erscheinen.Doch Ballarin war schon mehrmalsam Horn von Afrika gewesen undhatte sich bei ihren Aufenthaltendort in Teilen der somalischenpolitischen Klasse einen gewissenKultstatus erworben. Siebehauptete, sie würde Lipizzaner-

Hengste züchten und trainieren –die berühmten weißenDressurpferde –, und wohin sieauch kam, stellte sie ihrenReichtum offen zur Schau. Sie reistemit Taschen und Koffern von LouisVuitton, kostbarem Schmuck und inKleidern von Gucci. Wenn es ihrdarum ging, die Bewohner eines derärmsten Länder der Welt zublenden, dann erreichte sie damitden gewünschten Effekt. Es dauertenicht lange, bis die Somalier ihreinen bewundernden Beinamengaben – »Amira«, die arabische

Bezeichnung für »Prinzessin«.Ballarin hatte einen langen Weg

zurücklegt, seit sie sich Mitte der1980er-Jahre als republikanischeKandidatin in West Virginia, einemdurch und durch demokratischenBundesstaat, erstmals einen Namengemacht hatte. Sie hatte gehofft,mithilfe von Ronald ReagansPopularität den Kongresssitz fürMorgantown, Standort der WestVirginia University, gewinnen zukönnen. Zu dem Zeitpunkt geradeeinmal einunddreißig Jahre alt,hatte sie ihren Wahlkampf

größtenteils mit dem Geld ihresersten Ehemanns finanziert, der,etliche Jahrzehnte älter als sieselbst, am D-Day in der Normandiean Land gegangen war und nachdem Krieg ein kleines Vermögen alsProjektentwickler in derImmobilienbranche angehäufthatte. Aber sie kämpfte auf ihrerWahltour auch selbst umSpendengelder, indem sie aufpolitischen Fundraising-Galas ihreTalente als Konzertpianistin unterBeweis stellte. In dem Versuch, dendemokratischen Amtsinhaber als

jemanden zu brandmarken, der denKontakt zu den Wertvorstellungender Familien in West Virginiaverloren hatte, griff sie ihrenGegner in den letzten Wochen desWahlkampfs scharf an, weil dieserder Verwendung von Steuergeldernzugestimmt hatte, um dasErotikmagazin Playboy in Braille-Schrift aufzulegen. Und als derAmtsinhaber sich weigerte, zu einerDebatte mit ihr zu erscheinen,versuchte sie auch daraus nochKapital zu schlagen, schnitt einStück Karton aus, pappte sein

Porträt darauf und führte dieDebatte eben ohne ihn. Bei derWahl ging sie sang- und klanglosunter.

Nach dem Tod ihres erstenEhemanns heiratete sie GinoBallarin, einen ehemaligenBarkeeper des legendären »21Club« in Manhattan, der esinzwischen zum Manager desprivaten Georgetown Club inWashington gebracht hatte. Mit denPartys, die die beiden in ihrem Hausin Virginia warfen, schafften sieschließlich die Aufnahme in das

Green Book, dem Verzeichnis»gesellschaftlich prominenterWashingtoner«, das als Bibel deralten Geldelite der Stadt gilt. Ineinem 1997 geführten Interviewerzählte sie einem Reporter, wiesehr sie es erfreute, nun zusammenmit all ihren Freunden, Nachbarnund anderen »Förderern desgepflegten Reitsports« im GreenBook geführt zu werden.

»Das Buch ist ein Symbol für diealthergebrachte Art und Weise, wieman die Dinge tut, für eine Art desHandelns, die sich dem Wandel

entgegenstemmt«, erklärte sie. »Esist ein Symbol für einezurückhaltendere Art, sein Leben zuführen.«

Zu der Zeit residierten dieBallarins bereits auf einemAnwesen in Markham, Virginia, dasden eindrucksvollen Namen Wolf’sCrag trug. Einst hatte hier TurnerAshby gelebt, ein konföderierterKavalleriekommandeur, derwährend Stonewall JacksonsShenandoah-Feldzug zu Ruhm (undzu Tode) gekommen war und sichden Spitznamen »The Black Knight

of the Confederacy« – »derSchwarze Ritter der Konföderation«– erworben hatte. Aber MichelleBallarins Pläne reichten offenbarweit über die einer Frau hinaus, dieein vornehmes Leben voller Polo-Partien und Gartengesellschaftenführte, und in den 1990er- undfrühen 2000er-Jahren versuchte siesich nacheinander in mehrerenGeschäftsfeldern, von derImmobilienprojektentwicklung überinternationale Finanzanlagen bis hinzum Verkauf vonKörperprotektoren.

Nach ihrer Schilderung war es einzwangsloses, von einem Freund ausihrer Washingtoner Freimaurerlogeorganisiertes Treffen mit einerGruppe somalischstämmigerAmerikaner gewesen, das ihrInteresse an dem vom Kriegverheerten Land geweckt und denAnstoß zur Verwandlung vonMichele zu Amira gegeben hatte.Sie unternahm mehrfach Reisennach Afrika, und bald schon zeigtesich die bis dato fromme Christin,die jeden Sonntag in der Kirche dieOrgel spielte, von den Lehren des

Sufismus fasziniert, einer mystischangehauchten Spielart des Islam,die einst vor allem auf demindischen Subkontinent und inNordafrika dominant gewesen war.Die Blütezeit des Sufismus ging mitdem Zusammenbruch desOsmanischen Reichs und derAusbreitung fundamentalistischererAuslegungen des Korans zwar zuEnde, doch in Somalia hat erweiterhin eine große Gefolgschaft.Ballarin gelangte zu derÜberzeugung, die Unterstützung dersufistischen Gruppen in Somalia sei

die beste Methode, den ihrerMeinung nach bösen Einfluss desfundamentalistischen Wahhabismuszurückzudrängen, der mithilfereicher saudischer Geldgeber undden von ihnen finanziertenReligionsschulen und Moscheen imLand Fuß gefasst hatte.

Nach außen hin entsprach ihrAuftreten in Somalia ganz dem desüblichen reichen Gutmenschen, dersich für irgendwelche hehrenEntwicklungsprojekte einsetzt,tatsächlich aber verfolgte sie mitihrem Engagement auch andere,

dunklere Ziele. Als die Unionislamischer Gerichte in Mogadischudie Kontrolle übernahm, sah sieeine Chance, in den weiten, vonkeiner Regierung kontrolliertenGebieten Somalias Stützpunkte füreine gegen die Herrschaft derIslamisten kämpfendeWiderstandsbewegung zu errichtenund dabei zugleich ihreGeschäftsinteressen in dem Land zubefördern. Die Pferdenärrin ausVirginia war entschlossen, dasChaos in Somalia für ihre Zweckeauszunutzen.

Bei dem Treffen mit demPräsidenten derÜbergangsregierung, AbdullahiYusuf Ahmed, unterbreitete Ballarinihm den Plan, eine Basis in dernordsomalischen HafenstadtBerbera zu errichten. In Berberagab es ein stillgelegtes Flugfeld,das die NASA vor langer Zeit einmalals Notlandeplatz für ihre SpaceShuttles angelegt hatte, undBallarin bot an, den Standort zueinem kommerziellenUmschlagplatz und Stützpunkt fürdie Ausbildung von Milizen zur

Bekämpfung der Shabaab-Gardeauszubauen. Präsident Ahmed, dermehr als alles andere einpolitisches Aushängeschild war undsich in eine luxuriöse Hotelsuite inNairobi geflüchtet hatte, war zwarkaum der geeignete Mann, ihrenPlan zu genehmigen. Aber alsBallarin die Suite verließ, war sie inbester Stimmung. Einige Tagespäter schickte sie eine E-Mail anmehrere ihrer Geschäftspartner inden Vereinigten Staaten, darunterauch Chris Farina, den Chef der inFlorida ansässigen privaten

Sicherheitsfirma ATS Worldwide.»Jungs, erfolgreiches Meeting mit

Präsident Adullay Yussef [sic] undseinem Stabsleiter Personal«,schrieb Ballarin. »Er hat seinenProtokollchef zu unseremvorläufigen Kontaktmannbestimmt.« In derselben E-Maildeutete sie an, dass die CIA überihre Pläne informiert sei und sievorhabe, sich mit einerKontaktperson, die sie bei der CIAhabe, in New York zu treffen.

Farina riet zur Vorsicht undwarnte sie in seiner Antwort davor,

mit einem halbgaren Plan an denStart zu gehen. »Zu diesemZeitpunkt würde eine gewaltsameZutrittsoperation [nach Mogadischu]ohne zusätzliche nachrückendeKräfte, die sich dieDynamik/Initiative derursprünglichen Operation zunutzemachen könnten, mit einerNeuauflage von Dien Bien Phuenden«, schrieb er in Anspielungauf jenes Debakel, das dieFranzosen 1954 in Indochina erlebthatten.

Zudem sei, schrieb Farina weiter,

die CIA womöglich nicht der bestePartner für ihr Projekt – vor demHintergrund dessen, was sichgerade in Somalia abgespielt hatte,aller Wahrscheinlichkeit nach einkluger Ratschlag. Mit dem Pentagondürfte sie, fügte er hinzu, besserberaten sein.

Am Ende beherzigte sie FarinasRatschlag, aber es sollten noch zweiweitere Jahre ins Land gehen,bevor sie das Pentagon so weithatte, ihre Abenteuer in Somalia zufinanzieren.

Die Machtübernahme durch dieUnion islamischer Gerichtebescherte Mogadischu zunächsteine Ruhephase, wie sie diesomalische Hauptstadt seit Jahrennicht mehr erlebt hatte. Eine Stadt,die die Warlords unter sichaufgeteilt hatten, war wieder offenund vereint. Kinder, die nur einenKilometer vom Meer entferntaufgewachsen waren, es aber niemit eigenen Augen gesehen hatten,weil der Weg dorthin durch dasGebiet eines rivalisierenden Klansführte, konnten nun erstmals in

ihrem Leben einen Tag am Meerverbringen.

Doch der Shabaab-Flügelinnerhalb der UIC, der dieeigentliche Macht in Mogadischuausübte, brachte noch im selbenSommer mit einer ganzen Serie vonErlassen viele Somalier gegen dieneuen Führer auf. AusländischeFilme wurden ebenso verboten wieFußballspiele, und die Frauenmussten ihr Gesicht verschleiern.Am unpopulärsten aber war dasVerbot des Khat-Konsums, dernarkotisierenden grünen Blätter, die

fast alle somalischen Männertagtäglich kauen und die einenmilden, angenehmen Rauscherzeugen.

Die Besorgnis in Washingtonwegen der Einführung der Scharia-Rechtsprechung in Mogadischuwurde noch weiter angeheizt durchdie Äthiopier, die fürchteten, anihrer Ostgrenze könnte ein neuersicherer Hafen für al-Qaidaentstehen und deshalb die Bush-Regierung mit einer FlutnachrichtendienstlicherInformationen versorgten. Die

Feindschaft zwischen Äthiopiern undSomaliern wurzelte tief. In den1970er-Jahren hatten die beidenLänder einen erbitterten Krieg umdie ostäthiopische Region Ogadengeführt, eine Auseinandersetzung,die zu einem Stellvertreterkonfliktdes Kalten Kriegs wurde – Somaliawurde von den Vereinigen Staatenhochgerüstet, Äthiopien von denSowjets mit Waffen versorgt. Dochnach dem Zusammenbruch derSowjetunion lösten sich in Afrika,wie in so vielen anderen Teilen derWelt auch, alte Allianzen auf, und

es entstanden neue. Und in den1990er-Jahren, als in Washingtondie Angst vor der Ausbreitung desislamischen Fundamentalismusgrassierte, fing man an, inÄthiopien und seiner christlichenBevölkerungsmehrheit einennatürlichen Verbündeten derVereinigten Staaten zu sehen.

Als im Sommer 2006 inäthiopischen Regierungskreisenerstmals offen über die Möglichkeiteiner Invasion in Somaliagesprochen wurde, um die Unionislamischer Gerichte und vor allem

al-Shabaab zu zerschlagen, sahenetliche Leute in Washington darineine willkommene Chance. DerVersuch, eine buntzusammengewürfelte Ansammlungvon Warlords zu bewaffnen undgegen die Islamisten zu führen, wargescheitert, aber vielleicht taugte jadie äthiopische Armee als Amerikasneue Stellvertretermacht inSomalia. Wenige Wochen nach derMachtübernahme der Islamisten inMogadischu legte General JohnAbizaid vom U.S. Central Commandwährend einer Tour durch Ostafrika

einen Zwischenstopp in deräthiopischen Hauptstadt AddisAbeba ein. Bei Treffen mitVertretern des Militärs, der CIA unddes State Department in deramerikanischen Botschafterkundigte er sich, was dasäthiopische Militär wohl benötigtenwürde, sollte es seine Panzer Kursauf Mogadischu nehmen lassen.

Die Vereinigten Staaten, stellteAbizaid unmissverständlich klar,würden Äthiopien zwar nicht zueiner Invasion drängen, aber, sollteAddis Abeba sich dazu entschließen,

würde man für einen erfolgreichenVerlauf sorgen. Darüber hinaus trafer sich auch mit äthiopischenRegierungsvertretern und bot an,ihnen amerikanischeGeheimdiensterkenntnisse überMilitärstellungen der UIC innerhalbvon Somalia zu überlassen. InWashington genehmigte derweil derNationale GeheimdienstdirektorJohn D. Negroponte die Ausrichtungamerikanischer Spionagesatellitenauf Somalia, um die äthiopischenTruppen mit detailliertemBildmaterial zu versorgen. »Der

Gedanke dabei war«, wie es ein inAddis Abeba stationierteramerikanischer Beamter 2006formulierte, »es den Äthiopiernschmackhaft zu machen, unserenKrieg auszufechten.«

Zugleich bot sich die äthiopischeInvasion auch als Deckung für eineamerikanische Kommandomissionin Somalia an, die von einer Basis inder ostäthiopischenKaffeeanbauregion aus geführtwurde. Im Sommer und Herbst2006, die Anzeichen für einebevorstehende Invasion

äthiopischer Truppen in Somaliaverdichteten sich immer mehr,trafen Navy Seabees auf der300 Kilometer östlich von AddisAbeba gelegenen Basis in DireDawa ein. Offiziell waren dieSeabees, die Bautruppen der US-Marine, auf einer humanitärenMission unterwegs: nachdemschwere Regenfälle die Ebenen umDire Dawa überflutet hatten, wareine drei Meter hohe Flutwelle überdie Stadt hereingebrochen, und diePioniere der Seabees errichtetennun Notunterkünfte und leisteten

medizinische Notfallhilfe für dierund 10000 durch dieWassermassen obdachlosgewordenen Menschen.

Neben humanitären Geräten undVersorgungsmaterialien hatten dieC-130-Transportflugzeuge, die inDire Dawa landeten, nun auchKriegsmaterial für mehrere NavySEALs- und Delta-Force-Kommandos geladen, die alsBestandteil einer geheimen JSOC-Einheit namens Task Force 88 nachÄthiopien verlegt wurden. Ihr Planlautete, sich im Schutze der

äthiopischen Invasion nach Somaliazu schleichen und dort Jagd aufhochrangige UIC-Kämpfer zumachen.

Der Einsatz in Somalia war unterder 2004 von Donald Rumsfelderteilten Order autorisiert worden,mit der er Operationen militärischerKommandos in Länderngenehmigte, die bis dato füramerikanische Soldaten gesperrtwaren. Anfang Januar 2007, nur einpaar Tage nachdem die erstenäthiopischen Panzerverbände überdie Grenze nach Somalia

vorgestoßen waren und äthiopischeArtillerie Militäreinrichtungen derUnion islamischer Gerichte imSüdwesten des Landes unterBeschuss genommen hatte, machtesich die Task Force 88 an die Arbeit.Der Gruppe zugeordnet warenAufklärungsspezialisten von GrayFox, der geheimen Spionageeinheitdes Pentagons, die später in TaskForce Orange umgetauft werdensollte. Die Gruppe führte spezielleAbhörgeräte mit sich, mit derenHilfe sie den Telefonverkehrzwischen den UIC-Kommandeuren

abfangen und so derenAufenthaltsort ermitteln konnten.

Zusätzlich zu denSpezialeinsatzkräften wurden auchzwei AC-130-Schlachtflugzeuge mit105-Millimeter-Haubitzen undGatling-Geschützen auf die Basis inDire Dawa verlegt, und nachdemHinweise darauf eingegangenwaren, dass sich Aden Hashi FarahAyro, der junge Führer von al-Shabaab, in dem Dorf Ras Kamboniim südsomalischen Sumpflandverborgen hielt, flogen dieSchlachtflugzeuge Anfang Januar

2007 einen Angriff auf das kleineFischerdorf. Als nur Stunden nachdem Luftschlag amerikanische undäthiopische Soldaten die Trümmerdurchsuchten, fanden sie einenblutverschmierten Pass Ayros. DieAmerikaner gingen davon aus, dassAyro, sollte er bei dem Angriffverwundet worden sein, nicht langeüberleben würde – aber wohin erverschwunden war, wusste niemandgenau zu sagen. Zwei Wochenspäter führten die AC-130-Flugzeuge einen weiteren Angriffgegen einen anderen islamistischen

Kommandeur aus, doch statt derZielperson kamen bei der Attackenur Zivilisten ums Leben.

Unter dem Strich erbrachten dieAnfang 2007 in Somaliadurchgeführten Geheimoperationengemischte Resultate. AmerikanischeSoldaten undGeheimdienstinformationenunterstützten die äthiopischeOffensive im Südsudan undzwangen die Truppen der Unionislamischer Gerichte zu einemraschen Rückzug. Doch bei denJSOC-Missionen wurde nicht ein

einziger hochrangiger islamistischerKommandeur oder ein Mitglied derfür die Botschaftsanschläge von1998 verantwortlichen Qaida-Zellegefangen genommen oder getötet.Und auch über die eng begrenzteMenschenjagd hinaus konnte manden äthiopischen Vorstoß nachSomalia mit Fug und Recht alsDesaster bezeichnen.

In dem Glauben, die äthiopischenTruppen könnten die Unionislamischer Gerichte ausMogadischu hinauswerfen und dervon den Vereinten Nationen

gestützten Übergangsregierungmilitärischen Schutz gewähren,hatte die Regierung Bush dieInvasion insgeheim unterstützt. Dieäthiopischen Invasoren hatten daserste Ziel erreicht, aber dieRegierung des bitter armen Landesverspürte wenig Lust, seineknappen Mittel für eine dauerhaftemilitärischen Präsenz in Somaliaauszugeben, die ohnehin nur dazudienen würde, die dortige korrupteÜbergangsregierung zu stützen.Binnen weniger Wochen nachAbschluss der Kampfhandlungen

verkündeten führende äthiopischeRegierungsbeamte, man habe dieangestrebten militärischen Zieleerreicht, und begannen offen übereinen baldigen Rückzug zu reden.

Der Feldzug der äthiopischenArmee gegen ihren am meistengehassten Feind wurde ebensobrutal wie rücksichtslos geführt. DieÄthiopier beschossen mit ihrenArtilleriegranaten belebteMarktplätze ebenso wie dichtbesiedelte Wohngebiete undnahmen dabei den Tod vielertausend Zivilisten in Kauf. Im

Verlauf des Feldzugs brach dieDisziplin in den äthiopischen Reihenzusammen, und die Soldaten ließensich immer wieder zu Plünderungenund Vergewaltigungen hinreißen.Ein von derMenschenrechtsorganisation HumanRights Watch interviewter jungerMann erzählte, er habe mit eigenenAugen mit ansehen müssen, wieäthiopische Soldaten zuerst seinenVater umgebracht und dann seineMutter und seine Schwesternvergewaltigt hätten.

Der Einmarsch der verhassten

äthiopischen Truppen trieb al-Shabaab massenhaft neue Rekrutenin die Arme und machte dieOrganisation nur noch stärker. DieAufständischen legten Sprengfallenan Straßenrändern und griffen zuanderen Guerillataktiken, die schondie islamistischen Kämpfer im Irakund in Afghanistan mit großemErfolg eingesetzt hatten. Aufdschihadistischen Seiten im Internetwurde unter Verweis auf AbuRaghal, einen berüchtigten Verräteram islamischen Glauben, derseinerzeit einer christlichen Armee

aus Äthiopien den Weg nach Mekkagewiesen hatte, zum Heiligen Krieggegen die äthiopischen Invasoren inSomalia aufgerufen, und in Scharenströmten ausländische Kämpfer ansHorn von Afrika, viele von ihnen ausMarokko und aus Algerien – aberauch aus dem US-BundesstaatMinnesota.

Nicht lange nach Ausbruch desKriegs stiegen zwanzig jungeAmerikaner aus dem somalischenViertel »Little Mogadischu« inMinneapolis ins Flugzeug undmachten sich auf den Weg nach

Somalia, um am Dschihad gegendie christlichen Invasorenteilzunehmen. Unter ihnen befandsich ein gewisser Shirwa Ahmed,ein Studienabbrecher, der sich fürBasketball begeisterte und seineZeit mit Gelegenheitsjobs und demAuswendiglernen der Texte vonRap-Songs vertrieb. Der Überfall derÄthiopier auf Somalia versetzte ihnso sehr in Rage, dass er ans Hornvon Afrika aufbrach und sich dort al-Shabaab anschloss.

Im Oktober des folgenden Jahressteuerte Shirwa Ahmed in Puntland,

einer Region im Norden Somalias,ein mit Sprengstoff vollgepacktesAuto in ein Regierungsgebäude.

Und kürte sich damit zum erstenamerikanischenSelbstmordattentäter überhaupt.

***** 2005 hatte die CIA das Directorate ofOperations in National Clandestine Service (NCS)umbenannt und Rodriguez zu dessen Direktorberufen.

****** Ihr voller Name lautet: Harakat al-Shabaab al-Mujahideen – Bewegung der Mudschahedin-Jugend.

9

DER STÜTZPUNKT

»In einem wilden Wald von Spiegeln.Wird die Spinne ihr Werk/In der

Schwebe lassen? Wird derWiebel/Zuwarten?«

T. S. Eliot, »Gerontion«

Art Keller lernte schnell, was fürCIA-Beamte, die in Pakistandienten, zur wichtigsten Regelgeworden war: Jeden Tag, den du

im Land verbringst, weißt duweniger als am Tag zuvor. Wenndeine Dienstzeit zu Ende ist, weißtdu gar nichts mehr.

Mitte 2006, als KellersHubschrauber auf dem CIA-Stützpunkt bei Wana imStammesgebiet Süd-Waziristanlandete, glichenGeheimdienstoperationen inPakistan der modernen Version vonJames Jesus Angletons »wildemWald von Spiegeln«. Der legendäreund skrupellose frühere Chef derSpionageabwehrabteilung der CIA

hatte eine Wendung seinesgeliebten T.S. Eliot benutzt, um dieTäuschungen, Doppelspiele undgespaltenen Loyalitäten in derSpionage des Kalten Kriegs zubeschreiben. Jahrzehnte späterkonnte einen die Spionage inPakistan genauso in den Wahnsinntreiben.

Der jungenhaft aussehende ArtKeller war ein unwahrscheinlicherKandidat für einen Einsatz mitten inden pakistanischen Bergen zu einerZeit, als al-Qaida das Gebiet zuihrer neuen Operationsbasis

machte. Er hatte nie zuvor einenFuß nach Pakistan gesetzt undsprach keine der lokalen Sprachen,und sein Fachwissen – über dasiranische Raketenprogramm –würde ihm in Wana nicht vielnützen. Da jedoch immer mehr CIA-Führungsoffiziere mitNahosterfahrung wegen desIrakkriegs aus Afghanistan undPakistan abgezogen wurden, litt derGeheimdienst dort unter großemPersonalmangel. Also meldete sichKeller freiwillig für Afghanistan –und kam nach Pakistan.

»Die ideale Person für denStützpunkt«, sagte er, »wärejemand, der Dari oder Urdu oderPaschto spricht, jemand mitjahrelanger Erfahrung, der dieZielgruppe kennt. Stattdessenhaben Sie mich gekriegt.«

Keller war nach einerverschlungenen Laufbahn beimMilitär, an der Universität und alsJournalist 1999 zur CIA gegangen.Er hatte seinen Highschool-Abschluss mit dem SpezialgebietAußenpolitik gemacht, aber ohneklare Vorstellung, was er mit

seinem Leben anfangen wollte.Anfang der 1990er-Jahre war erSoldat geworden, weil er ziemlichsicher war, auf diese Weise risikolosdas Geld für ein Studium verdienenzu können. »Achtzehn Monatespäter«, sagte er, »sitze ich mittenin der Wüste und denke: ›Wie binich hier gelandet?‹«

Er spielte eine kleine Nebenrollebei der Operation Desert Storm, alsdie Iraker schnell aus Kuwaitvertrieben wurden. Er gehörte zueiner Fallschirmpacker-Kompanie,aber seine Einheit wurde nicht

gebraucht, weil es in dem Kriegkeine Luftlandeoperationen gab.Unmittelbar vor Beginn der Kämpfewurde er mit seinen Kameraden indie saudi-arabische Wüste gefahrenund bekam den Auftrag, eineNachschubbasis zu bewachen, diefür die amerikanischePanzerinvasion im Irak verwendetwurde.

Nach seiner Zeit als Soldatbesuchte er die University ofNorthern Arizona und beschloss,entweder Journalist zu werden oderzur CIA zu gehen. Er nahm eine

Stelle in der Sportredaktion derArizona Republic an. Als er geradedabei war, in die politischeRedaktion aufzusteigen, nahm dieCIA Kontakt mit ihm auf und teilteihm mit, dass seine Bewerbungangenommen war.

Er bekam eine Stelle in derAntiproliferationsabteilung desGeheimdiensts, die dieWeiterverbreitung vonMassenvernichtungswaffenbekämpfte. Sein erster Posten inÜbersee war in Wien, dem Sitz derInternationalen

Atomenergieorganisation (IAEO).Beamte der Wiener CIA-Stationsollten Quellen innerhalb derOrganisation IAEO platzieren, umInformationen über deren geheimeÜberlegungen zu beschaffen. Abernach den Angriffen des11. September gab die CIA auchmanche ihrer sensibelstenInformationen an die IAEO weiter,damit diese Sanktionen gegenDiktaturen wie den Iran, den Irakund Nordkorea verhängte.

Keller hatte sich ein solidesFachwissen über die Bemühungen

Teherans zur Entwicklung vonballistischen Raketen angeeignet,aber der Iran stand damals nochnicht ganz oben auf derProblemliste der CIA. ImSpätsommer 2002 kehrte KellersWiener Chef von einem Besuch inLangley zurück und sprach mit einerGruppe von Beamten, die in derCIA-Station arbeiteten.

Keller erinnerte sich, dass ersagte: »Haben Sie die Gerüchtegehört, dass es vielleicht eineInvasion und einen Krieg im Irakgeben wird? Sie werden ein paar

seltsame Dinge aus demHauptquartier zu hören bekommen,weil man dort unter enormemDruck steht, das zu rechtfertigen.«

»Kennen Sie die Szene in DasBoot«, fuhr er fort, »wie sie aufdem Meeresgrund liegen, und dieNieten aus der Bordwand knallenund durch den Innenraum fliegen?So geht es jetzt im Hauptquartierzu.«

Nach der verhängnisvollenInvasion im Irak gab Keller dortzwei kurze Gastspiele. Beim erstengehörte er zur Iraq Survey Group,

dem von der CIA geführten Teamvon Waffenjägern, das 2003 und2004 die irakischen Wüstenerfolglos nach dem Phantom derchemischen und biologischenWaffen Saddam Husseins absuchte.Keller wusste schon bald, dass dieSuche nutzlos war: IrakischeWissenschaftler, die jeden Grundgehabt hätten, den Amerikanern dieWaffenarsenale zu zeigen, weil dieCIA sie dafür mit Geld und vielleichtauch mit einer Umsiedlung belohnthätte, beharrten gegenüber denErmittlern darauf, dass die Waffen

nicht existierten. Doch Keller undandere Beamte verhörten dieselbenWissenschaftler zwei oder drei Mal,damit Langley eine höhere Zahl vondurchgeführten Verhören abliefernkonnte. Außerdem ermöglichten siees dadurch Präsident Bush undVizepräsident Cheney öffentlich zuverkünden, dass die Jagd nach denWaffen noch im Gang sei.

Der staubige CIA-Stützpunkt inSüd-Waziristan, auf dem Keller2006 landete, befand sich inderselben Stadt, die pakistanischeTruppen 2004 mit Artillerie

beschossen und mit AC-130Gunships angegriffen hatten, als siesich mit den Kämpfern NekMuhammads eine Schlacht lieferten.Der Stützpunkt lag in der Nähe derMadrasa in Shakai, in der diepakistanischen Regierungstruppenmit den wazirischenStammeskriegern einenWaffenstillstand geschlossenhatten. Als Keller auf demStützpunkt eintraf, war gerade einneues fragiles Friedensabkommenin Kraft getreten. Die pakistanischeArmee hatte es mit Baitullah

Mehsud ausgehandelt, einemjungen Guerillaführer, der dasblutige Banner der Aufständischenaufgenommen hatte, als NekMuhammad 2004 durch denDrohnenschlag der CIA getötetworden war. Doch Mehsud hielt sichnicht an die Bestimmungen desAbkommens und nutze denWaffenstillstand lediglich, um seineMacht in Süd-Waziristan zu festigenund blitzartige Überfälle auf diepakistanischen Truppen zu planen.Aber die pakistanischeMilitärführung wollte keine weitere

Schlacht in den Stammesgebieten,und als Art Keller in Wana eintraf,hatten die pakistanischen Soldatenund Agenten keine Lust, in einWespennest zu stechen.

Aus diesem Grund waren dieBeziehungen zwischen den CIA-Beamten und den lokalen ISI-Agenten in Süd-Waziristan schlecht.Keller wollte wissen, wie schlecht,als er nach seiner Landung vonseinem Vorgänger, einem zynischenälteren Beamten namens Gene,über den Stand der Dinge informiertwurde. Gene sagte, die

pakistanischen Soldaten würden nurwenige Patrouillen machen und sichfast die ganze Zeit in geschütztenKasernen aufhalten. Wie sehr erauch auf eine aktivere Rollegedrängt habe, das pakistanischeMilitär und der Geheimdienstwollten den Ministaat nichtherausfordern, den BaitullahMehsud in Süd-Waziristan aufbaue.

Im Gegensatz zu Nek Muhammadwar Mehsud kein Medienfreak. Ergab nur wenige Interviews und ließsich gemäß der Tradition desstrengen Islams nicht fotografieren.

Er war ziemlich ungebildet; selbsteine Madrasa hatte er nur kurzbesucht. Trotzdem kommandierteer im Jahr 2006 einen Verband von5000 Stammeskämpfern, die ihmbedingungslos ergeben waren. Erduldete keinen Widerspruch undließ Deserteure jagen und töten. Esbestand sogar der Verdacht, dasser, um die Macht in Süd-Waziristanzu erringen, pakistanischen Truppenbei der Gefangennahme seinesfrüheren Mentors Abdullah Mehsudgeholfen hatte, eines einbeinigenKämpfers, den die Vereinigten

Staaten 2004 aus Guantánamoentlassen hatten. Abdullah Mehsudhatte eine Handgranate gegen dieBrust gepresst und den Stiftgezogen, als die Soldaten sein Hausin Belutschistan umstellten.

Die Macht und der EinflussBaitullah Mehsuds nahmendramatisch zu, als sich eine Anzahlkleinerer militärischer Gruppenunter der Bezeichnung Tehrik-i-Taliban Pakistan (TTP)zusammenschloss und er ihr Führerwurde. Im Gegensatz zu denafghanischen Taliban, die von

Mullah Omar geführt und heimlichvom ISI gefördert wurden, wolltedie neue Gruppe die pakistanischenSoldaten und Agenten aus denStammesgebieten vertreiben undverübte deshalb Bombenanschlägein Islamabad, Karatschi undanderen Städten. Sie bezeichnetenihren Kampf als »Verteidigungs-Dschihad« und wollten dietraditionelle Lebensweise in denStammesgebieten vor denpakistanischen Soldaten schützen,die sie auf ihrem Territorium alsAusländer betrachteten.

Die Gruppe hatte kaum Kontakteoder Unterstützer außerhalb derStammesgebiete, aber im Wanades Jahres 2006 bestand keinZweifel, wer die Macht hatte.Baitullah Mehsuds Anhängervollstreckten in ganz Süd-Waziristanbrutale Urteile. Sie brachten alleStammeshäuptlinge um, die imVerdacht standen, mit denAmerikanern oder derpakistanischen Regierungzusammenzuarbeiten. Diebehängten sie auf den Straßen derDörfer, Ehebrecher wurden

gesteinigt und auf dem Basar vonWana wurden ganz offen grausigeDVDs in Urdu verkauft, auf denenKundschafter der pakistanischenArmee geköpft wurden. Diese Snuff-Filme waren Propaganda undAbschreckung zugleich, eine brutaleBotschaft, dass das Militär in denKasernen bleiben und dieHerrschaft den Stämmenüberlassen sollte. Baitullah Mehsudzwang die Friseure in Wana,Schilder in ihren Läden aufzustellen,dass das Schneiden vonGesichtshaaren durch die Scharia

verboten sei und Bärte deshalbnicht geschert würden. Friseuren,die sich weigerten, wurde derLaden niedergebrannt. AndereBeweise für die Herrschaft derTehrik-i-Taliban waren prosaischer:Kellers Stützpunkt bekam nur nochalle zwei Wochen Treibstoff, undzwar an dem Tag, an dem MehsudsKämpfer Lastwagen derpakistanischen Armee dieBenutzung der Straßen erlaubten.

Der Vorposten der CIA war einKomplex aus Backsteingebäudeninnerhalb eines größeren

pakistanischen Militärstützpunkts inder Nähe von Wana. Dieamerikanischen Gebäude wurdenvon einer kleinen Einheitpakistanischer Spezialkräftebewacht, aber Keller fand baldheraus, dass die Soldaten eherGefängniswächter als Wachtpostenwaren, denn die CIA-Beamtendurften den Stützpunkt nieverlassen. Sie aßen und schliefen inihren paar Räumen, und siekommunizierten über sichereFunkverbindungen und Computermit ihren Vorgesetzten, damit der

ISI ihre Übertragungen nichtabhörte. Der kleine Stützpunktstank nach dem ungeklärtenAbwasser von Plumpsklos, undBetten, Teller undKommunikationsgeräte warenhäufig mit den Gipsflocken bedeckt,die von den Decken der Zimmerabblätterten. Gene hatte einmal beider CIA-Station in Islamabad Geldfür einen Squashcourt beantragt mitder Begründung, dies werdevielleicht das Verhältnis der CIA-Beamten zu ihren pakistanischenKollegen verbessern, weil Squash

bei der pakistanischen Armee einsehr beliebter Sport sei. Der Antragwurde abgelehnt.

Kellers Beziehung zu seinemKontaktmann beim ISI waren vonAnfang an schlecht, nicht zuletztwegen eines Streichs, den ihmGene kurz vor seiner Abreise ausPakistan gespielt hatte. Bevordieser mit dem Hubschrauber ausWana abflog, gab er Keller einenZettel, auf dem ein Satz in Urdustand, und sagte ihm, er solle ihnbeim ersten Treffen seinem ISI-Kollegen geben. Keller hatte keine

Ahnung, was auf dem Zettel stand,und gab ihn pflichtbewusst weiter.Der ISI-Mann, der dem Stamm derKhattak angehörte, war ziemlichangefressen, als er Keller die Notizübersetzte.

»Trau niemals einem Scheiß-Khattak«, stand auf dem Zettel.

»Gene fand das unglaublichwitzig«, sagte Keller. »Vielen Dank,Gene.«

Wegen des wachsendenMisstrauens zwischen Amerikanernund Pakistanern in Wana fand der

größten Teil derNachrichtenbeschaffung, für dieKeller in Wana verantwortlich war,ohne Genehmigung des ISI statt.Gene hatte die Namen undKontaktdaten der pakistanischenAgenten hinterlassen, die die CIA inder Region angeworben hatte – einNetz, das Keller nun zu führenhatte. Aber für einen weißenamerikanischen Spion in Wana wares ganz schön schwierig, ein Netzvon pakistanischen Agenten zuführen, ohne dass der ISI Winddavon bekam. Die Agenten konnten

nicht auf den Stützpunkt kommen,weil sie der ISI dort gesehen undfestgenommen hätte, aber auchjeder Versuch von Keller, sieaußerhalb des Stützpunkts zutreffen, hätte sie gefährdet.

Im Vergleich dazu hatten es dieCIA-Beamten, die auf der anderenSeite der Grenze in Afghanistanarbeiteten, sehr viel leichter. Bis2006 hatte der Geheimdienst inostafghanischen Städten wie Khostund Asadabad eine ganze Reihekleiner Stützpunkte aufgebaut. Vondort aus schickte er Agenten nach

Pakistan, um in denStammesgebieten Informationen zusammeln. Die Amerikaner konntendiese Agenten im Stützpunkt oderin einer benachbarten Stadt treffen.Die CIA schickte sogenannte»Targeting-Analysten« aus Langleyauf ihre Artilleriestützpunkte inAfghanistan. Sie sichteten dieInformationen der menschlichenQuellen im Hinterland undverknüpften sie mit anderenInformationen wieSatellitenaufnahmen undAbhörergebnissen, um

Aufständische in Bajaur undWaziristan zu lokalisieren. Im Jahr2009 wurde freilich ein Treffen aufeinem dieser Stützpunkte, CampChapman in Khost, zur Katastrophe.Ein jordanischer Arzt, den die CIAfür einen hochrangigen Informantenhielt, obwohl er in Wirklichkeit fürdie Aufständischen arbeitete,zündete einen Sprengstoffgürtelund riss sieben CIA-Mitglieder mit inden Tod. Es waren die schwerstenVerluste der CIA seit dem Anschlagauf die amerikanische Botschaft inBeirut im Jahr 1983.

Weil persönliche Treffen nichtmöglich waren, kommunizierteKeller mit seinem wichtigstenAgenten ausschließlich perComputer, und er betrieb einkompliziertes Netz vonMittelsmännern, ohne während derMonate in Süd-Waziristan je eineseiner Quellen persönlich zu treffen.Er verglich diese Erfahrung mit dervon westlichen Reportern in Bagdadwährend der schlimmsten Zeit desIrakkriegs. Sie stützten sich aufeinheimische freie Mitarbeiter, dieihnen Informationen und Zitate

beschafften, weil sie selbst sich aufden Straßen nicht frei bewegenkonnten.

Keller arbeitete so, dass er eineNachricht an Computeringenieureder CIA schickte, die sieverschlüsselten und dann an einenpakistanischen Agentenweiterleiteten, der für die CIAarbeitete und eine speziellesAusrüstung zum Empfang derNachrichten bekommen hatte. DerMann erhielt mehrere HundertDollar im Monat, aber ein Teildieses Gelds war für die Anwerbung

weiterer Agenten (oder»Subagenten«) bestimmt, dieInformationen über dieBewegungen von Qaida-Mitgliedernin Süd-Waziristan sammelten. DieSubagenten wussten nicht, für wensie arbeiteten, und dachtenwomöglich, dass sie vom ISI ihrGeld bezögen. Manchmal verkehrteKeller über drei oder vierMittelsmänner mit demSubagenten, der dem überwachtenZiel am nächsten war.

Während Kellers Zeit in Süd-Waziristan war die wichtigste

Zielperson der CIA ein ägyptischeChemiker mit dem Decknamen AbuKhabab al-Masri. Als Mitglied vonBin Ladens innerem Kreis hatte erfrüher das afghanische Qaida-Trainingslager Derunta geleitet, indem die Gruppe mit chemischenWaffen und anderen Giftstoffenexperimentiert hatte. Manvermutete, dass er sich in Süd-Waziristan versteckt hielt, und dieVereinigten Staaten hatten einKopfgeld von fünf Millionen Dollarauf ihn ausgesetzt. Doch die CIAhatte praktisch keine Ahnung, wie

er aussah; Anfang 2006 gabenamerikanische Regierungsvertreterzu, dass sie versehentlich mit einemfalschen Foto nach dem Manngesucht hatten. Danach wurde dasBild auf dem Fahndungsplakatdurch eine schwarze Silhouetteersetzt.

Angesichts der allgemeinenInformationsknappheit mussten sichdie CIA-Beamten in Süd-Waziristanhäufig auf ungeprüfte Auskünfteeinheimischer Quellen stützen. Einsolcher Tipp lautete, dass al-Masrimanchmal ein bestimmtes Geschäft

im Basar von Wana besuchte. Kellerbat seinen pakistanischen Agenten,einen Subagenten zu engagieren,der in der Nachbarschaft desLadens wohnte und Grund hatte,ihn zu besuchen. Das Geschäftwurde überwacht, umherauszufinden, ob al-Masri dortwirklich ein regelmäßiger Gast war,und es sollte ein Foto von ihmgemacht werden. Schließlich wargeplant, in dem Laden eineÜberwachungsanlage zuinstallieren, um herauszufinden, mitwem al-Masri Kontakt aufnahm.

Keller sollte nie erfahren, obseine Operation letztlich Erfolghatte oder nur Teil einer größerenOperation war, um al-Masri zufangen. Die Agenten auf deneinzelnen Stützpunkten wurdengewöhnlich nicht über dieOperationen in anderen Städteninformiert, wo es ebenfalls CIA-Stützpunkte gab, selbst wenn diesekeine zwanzig Kilometer entferntwaren. Auch hatte Keller hattekeinen Zugang zu dem geheimenTelegrammverkehr im Rest desLandes. Keller war auf die

Froschperspektive beschränkt undschickte pflichtbewusst seineBerichte an die Analysten nachIslamabad, die sie als Steinchen inihrem Mosaik benutzten.

Dieses Arrangement musste fastunvermeidlich zu Falschmeldungenführen, bei denen Informationenaus mehreren Quellen auf nur einenInformanten zurückgingen. Einmalgab einer von Kellers Subagentenden Tipp weiter, dass Osama BinLaden im Dir-Tal in der North-WestFrontier Province gesehen wordensei. Keller schickte ein Telegramm

nach Islamabad und schlug vor,dass die CIA einen Agenten in dasTal schickte, um die Information zuprüfen.

Der Stationschef in Islamabadwar wütend, als er das Telegrammbekam: Hinweise auf Bin Ladenwaren wie Sichtungen von Elvis; siestießen sogar in Langley aufInteresse.

Die CIA-Beamten in Pakistanmussten deshalb selbst demmiesesten Gerücht über Bin Ladennachgehen, und der Hinweis mitdem Dir-Tal war schon Monate

zuvor überprüft worden – und hattesich als falsch herausgestellt. DieStation in Islamabad musste nuneiner aufgeregten CIA-Führungerklären, warum Kellers Telegrammignoriert werden sollte. DerStationschef unterzog sichpersönlich dem unbequemenHubschrauberflug nach Wana, sowichtig war es ihm, Kellerzusammenzustauchen. »Sie hattenlange und hart daran gearbeitet,dem Gerücht einen Pfahl ins Herz zutreiben«, sollte Keller späterberichten, »und ich hatte es wie

einen Vampir wiederauferstehenlassen.«

Keller wusste nicht, dass er nur einTeil einer großen Kampagne war,mit der die CIA 2006 die Jagd aufOsama Bin Laden neu organisierte,indem sie die Zahl ihrerFührungsoffiziere in Pakistan undAfghanistan radikal erhöhte. KellersVorgesetzten in Langley warschmerzhaft bewusst, dass die Jagdauf al-Qaida durch den Irakkriegaus dem Zentrum derAufmerksamkeit gerückt war, aber

die Fahndung war auch durchinterne Probleme der CIAbeeinträchtigt worden. DieGeheimagenten in Islamabad warenmit den Beamten imCounterterrorism Center in Langleyin Konflikt geraten, deren Vorliebefür Predator-Schläge sie als»pubertäre Spielchen« empfanden.

Die Drohnenschläge waren 2005und 2006 noch relativ selten,beruhten aber oft auf schlechtenInformationen und forderten vielezivile Opfer. Deshalb war der CIA-Stationschef in Islamabad der

Ansicht, dass sie kaum etwasanderes bewirkt hatten, als inPakistan den Hass auf dieVereinigten Staaten zu schüren, unddass sie Vertreter derpakistanischen Regierung in dieunangenehme Lage brachten, inBezug auf Predator-Schläge lügenzu müssen.

Auch daheim im CIA-Hauptquartier hatte es eine Störunggegeben: Die Konflikte zwischenden Mitgliedern des Directorate ofOperations, das für die Spione imAusland zuständig war, und den

Beratern von Porter Goss waren andie Medien und die Öffentlichkeitdurchgesickert, und das Directorateof Operations focht auch noch mitweiteren Abteilungen desGeheimdiensts Revierkämpfe aus.

Ende 2005 veranstaltete PorterGoss eine Tagung für alle hohenFührungspersönlichkeiten der CIA,in der Absicht, die Spannungen inder Führung seiner Organisationenabzubauen. Während der Konferenzbeschwerte sich der DeputyDirector for Intelligence, der Chefder Analysten, welche die Berichte

der operativen Agenten auswerten,offen über die Arroganz derverdeckt operierenden Agenten,die, wie er sagte, mit allemdurchkämen. Daraufhin platzte JoseRodriguez, dem Leiter derAuslandseinsätze, der Kragen.»Wachen Sie auf, und riechen Sieden verdammten Kaffee!«, schrieer. Dann erinnerte er alleAnwesenden daran, dass seineGeheimagenten im Gegensatz zuden Analysten, die die Welt vomSchreibtisch aus betrachteten, »amspitzen Ende des Speers«

arbeiteten.Rodriguez’ aufbrausender

Charakter führte manchmal auch imklandestinen Bereich selbst zuSchwierigkeiten. So sprach erAnfang 2006 kaum noch mit RobertGrenier, den er selbst zum Chef desCounterterrorism Center gemachthatte. Grenier, ehemaligerStationschef in Islamabad, war einIntellektueller Typ mitgeschliffenen Manieren – in vielerHinsicht das Gegenteil vonRodriguez. Er hatte daraufgedrängt, die

Terrorismusbekämpfung der CIAüber Afghanistan und Pakistanhinaus auszuweiten und mehrBeamte dafür abgestellt, um sichum die Bedrohungen zu kümmern,die an Orten wie Südostasien undNordafrika entstanden. Weil dasCounterterrorism Center seit 2001stark erweitert worden war, fandGrenier, dass es restrukturiertwerden musste, um Redundanzenauszumerzen, und Alec Station, diein den 1990er-Jahren gegründeteCIA-Einheit für die Jagd auf BinLaden, wurde neu organisiert und

umbenannt.Rodriguez sah in alledem eine

Ablenkung von der Jagd auf BinLaden. Er ersetzte Grenier durcheinen anderen Beamten aus demCTC, einen hageren,kettenrauchenden Workaholicnamens Mike.******* Letztererhatte am Anfang seiner Karriere alsGeheimagent in Afrika gearbeitetund war zum Islam konvertiert.Seine Kleidung war von Schwarz-und Grautönen geprägt, unddasselbe galt auch für seinVerhalten. Einige nannten ihn

»Fürst der Finsternis«, und er solltetatsächlich die größteTötungsoperation der CIA seit demVietnamkrieg leiten.

Als er im Jahr 2006 die Leitungdes CTC übernahm, war seine ersteAufgabe, die Zahl der CIA-Agentenin Afghanistan und Pakistan zuerhöhen, die Streitereien zwischenden Stationen in Kabul undIslamabad zu beenden und seinenStab im CIA-Hauptquartier zureorganisieren. Er ließ außerhalbder Cafeteria in Langley, gleichhinter dem Starbucks, mehrere

riesige wellblechbarackenartigeGebäude hinstellen und daswachsende Personal für die Jagdauf Bin Laden darin unterbringen.Im Rahmen eines neuen Plans mitder Bezeichnung OperationCannonball entsandte er Dutzendevon Nachrichtenanalysten nachKabul und Islamabad, damit sie inZusammenarbeit mit den dortigenFührungsoffizieren dieInformationssplitter über dieAufenthaltsorte von Qaida-Führernauswerteten.

Die wichtigste Veränderung war

jedoch, dass die CIA mehrGeheimagenten (wie zum BeispielArt Keller) einsetzte, umunabhängig von den PakistanernQuellen zu erschließen. Da die USAin Afghanistan offiziell Kriegführten, war es nicht schwer,weitere CIA-Beamte nach Kabul zubekommen. Das größere Problemwar Pakistan, wo der ISI die Zahlder Visumsanträge amerikanischerBeamter genau überwachte undauch die CIA-Beamten, mit denendie Station von Islamabad bemanntwurde, im Auge behielt. Langley

musste sich etwas Neuesausdenken, um die Identität derSpione geheim zu halten, die esnach Pakistan entsandte.

Eine Gelegenheit kam amMorgen des 8. Oktober 2005, als einmassives Erdbeben in den Bergenvon Kaschmir die StadtMuzaffarabad dem Erdbodengleichmachte und in ganzNordpakistan Erdrutscheverursachte. Nach erstenSchätzungen der pakistanischenRegierung kamen dabei 90000Menschen ums Leben, darunter

19000 Kinder, denen zum Teil dieSchulgebäude über dem Kopfzusammenbrachen.

Milliarden Dollar anausländischen Hilfsgeldern flossenin das pakistanische Kaschmir, undfast unmittelbar nach dem Bebenüberquerte eine Flotteamerikanischer Militärhubschrauberdie afghanische Grenze und leistetehumanitäre Hilfe. Die Chinook-Hubschrauber wurden in Kaschmirein regelmäßiger Anblick, und vielePakistaner nannten sie im lokalenDialekt schon bald »Engel der

Barmherzigkeit«.Doch die Amerikaner waren nicht

nur von Barmherzigkeit getrieben.In den Monaten nach dem Erdbebennutzte die CIA die Hilfsaktion inKaschmir, um ohne Wissen des ISIGeheimagenten ins Land zuschmuggeln. Die amerikanischenSpione gaben zur Tarnungverschiedene zivile Berufe an.Vertreter des ISI hatten durchausden Verdacht, dass die Hilfsaktionals trojanisches Pferd fungierenkönnte, um mehr CIA-Beamte nachPakistan einzuschleusen, aber

angesichts der verheerenden Lagein Kaschmir und der dringendenNotwendigkeit, den Stromhumanitärer Hilfsgüteraufrechtzuerhalten, waren diepakistanischen Militärs undGeheimdienstbeamten nicht in derLage, alle Amerikaner zuüberprüfen, die in Pakistanankamen.

Es sollte mehrere Jahre dauern,bis die CIA erstmals von ihrererhöhten, aber immer noch relativbescheidenen Präsenz in Pakistanprofitierte. Ein früherer

Spitzenbeamter in Langley schätzt,dass die Gesamtzahl derGeheimagenten in Pakistanwährend der Operation Cannonballnur um 10 bis 20 Prozent zunahm.Führende CIA-Beamte warendamals besorgt, dass der ISI dieÜberwachung verstärken würde,wenn sie das Land mit zu vielenSpionen überfluteten.

Doch die CIA hatte eineSchwäche, die sie kaum nochverbergen konnte. Sie verfügte nurüber eine begrenzte Anzahlerfahrener Beamter, die sie nach

Afghanistan und Pakistanentsenden konnte, und die Führungin Langley brauchte so dringendPersonal, dass sie mehrerefrischgebackene Führungsoffiziereins Feld schickte, die gerade erstauf der »Farm« in Camp Peary ihreAusbildung abgeschlossen hatten.»Wir mussten Leute mitsuboptimalem Erfahrungsniveau inden Einsatz schicken«, erinnert sicheiner der für CannonballVerantwortlichen, »aber wir hattenkeine große Auswahl.«

Ein Aspekt der neu organisierten

Jagd auf Bin Laden bestand darin,dass man versuchte, das Netzwerkvon Kurieren zu infiltrieren, durchdas Bin Laden Botschaften an seineAnhänger übermittelte. Die CIAhatte Informationsschnipsel überseine Lieblingskuriere gesammelt,die sie in die Lage versetzten, dieAktivitäten von Qaida-Mitgliedern inPakistan zu verfolgen und eingenaueres Bild von derFunktionsweise der zweiten unddritten Führungsebene derTerrorgruppe zu gewinnen. WieMichael Hayden berichtete, hatte

die CIA, als er im Frühjahr 2006 vonPorter Goss den Posten des CIA-Direktors übernahm, »al-Qaida2006 viel stärker penetriert undwusste viel mehr über sie, als inden Jahren 2001 oder 2002. Wirbegannen tatsächlich, guteInformationsquellen zu entwickeln.«

Kurz nachdem Hayden im August2006 Pakistan besucht hatte,unternahmen CIA und ISI einegemeinsame Operation zurFestnahme von Rashid Rauf, derzentralen Figur bei dem Plan,mehrere Passagierflugzeuge auf

dem Weg von London über denAtlantik mit einer tödlichenMischung von pulverisiertenChemikalien und demGetränkepulver Tang in die Luft zusprengen. Rauf bereitete denAnschlag in den Stammesgebietenvor und stand mit den Gruppen inVerbindung, die ihn durchführensollten. Die Vorbereitungendauerten schon Jahre, und die Täterwaren nachlässig geworden. Derbritische MI5 hatte ein Netzaufgebaut, das die Gruppenüberwachte, und die britischen

Spione setzten Wanzen ein undhörten geduldig zu, wie sich dieVerschwörung entfaltete.

Als der ISI die Informationbekam, dass die Anschläge kurz vorder Durchführung stünden,informierte Ashfaq Parvez Kayani,der Chef des pakistanischenGeheimdiensts, Jose Rodriguez,dass die Pakistaner Rauffestnehmen könnten, wenn er miteinem Bus aus denStammesgebieten in die StadtBahawalpur im Punjab fahre.Rodriguez, der damals gerade in

Islamabad weilte, befahl CIA-Beamten, einen Hochposten in derNähe von Bahawalpur einzurichten.Sie überwachten die Gespräche, dieRauf mit dem Handy führte, undleiteten ihre Informationen anpakistanische Truppen weiter, dieihn problemlos festnahmen.

Der MI5 war freilich über dieFestnahme empört, weil er wusste,dass sie Raufs Mitverschwörer inGroßbritannien alarmieren würde.Die britischen Spione trauten demISI nicht und arbeiteten nicht mitihm zusammen, eine Abneigung,

die noch aus der Zeit der britischenHerrschaft in Indien vor derAbspaltung Pakistans stammte.Außerdem hatten die Briten denVerdacht, dass General Kayani mitder Verhaftung Raufs irgendeinegeheime Absicht verfolgte. Diebritische Polizei beeilte sich,fünfundzwanzig britischeVerschwörer festzunehmen, bevorsie sich in alle Winde zerstreuten.Dabei fragte sie sich, welcheNachteile es wohl haben würde,dass sie die Verhaftungendurchführen musste, bevor sie mehr

Beweismaterial gegen dieVerdächtigen gesammelt hatte.

Dennoch war die Vereitelung derAnschläge im August 2006 einbeträchtlicher Erfolg, selbst wenndie CIA Bin Laden dadurch nichtnäher kam. Der Ansatz, ihn überseine Kuriere zu finden, war, wieHayden es ausdrückte, »ein Spielüber die Bande«. Die Akteurehatten oft das Gefühl, Phantome zujagen, und waren vonFehlinformationen undPersonalmangel geplagt.

Zum Beispiel hatten die

Verhörspezialisten der CIA AbuAhmed al-Kuwaiti jahrelang für eineeher unbedeutende Figur gehalten,bis ihn pakistanische Agenten derCIA zu einem ausgedehntenAnwesen in der grünen StadtAbbottabad folgten, das sich als dasVersteck Osama Bin Ladensentpuppte. Chalid ScheichMohammed, der Chefplaner derAngriffe des 11. September, hatteim Verhör ausgesagt, al-Kuwaitibefinde sich im Ruhestand. Doch esbestanden Zweifel an den Aussagendes Scheichs, weil er einer der

Internierten war, die von der CIAden extremsten Verhörmethoden,einschließlich Waterboarding,unterzogen wurden. Wann er dieWahrheit sagte, und wann er nursagte, was seine Peiniger hörenwollten, war innerhalb deramerikanischen RegierungGegenstand heftiger Debatten. EinJahr nach Mohammeds Aussageversicherte ein anderer Gefangenerim Verhör, dass al-Kuwaititatsächlich Bin Ladens wichtigsterKurier sei, eine Information, die dieCIA schließlich anderswo bestätigen

konnte.

Obwohl die CIA ihr Personal inPakistan aufgestockt hatte, verfügtesie dort kaum über die Mittel, umjede Spur zu verfolgen, und dieBeschränkungen, die der ISI inBezug auf dieÜberwachungsmaßnahmen derAmerikaner verhängte, machten dieSache noch schwieriger. Art Kellerbegann während seiner Zeit in Süd-Waziristan ein Dossier über einenmutmaßlichen Qaida-Helfer mitdem Spitznamen Haji Omar

aufzubauen. Ihm gehörten zweiAnwesen in der Region, dieangeblich immer wieder von Qaida-Kämpfern aufgesucht wurden.Keller schickte ein Telegramm anseine Vorgesetzten in Islamabadund beantragte eineLuftüberwachung der Anwesen. Erhatte nicht einmal annäherndgenug Leute, um sie genau zuobservieren, und außerdem ist dieÜberwachung durch Menschen stetsriskanter als die aus der Luft.

Laut Keller hatte sein Telegrammetwa folgenden Inhalt: »Dieser Typ

hat mit der Logistik von al-Qaida zutun. Er ist auf jeden Fall ein Kurierund vielleicht unser Mann. Wiekönnen wir das herausfinden, wennwir ihn nicht überwachen?« Wegendes Friedensabkommens in Süd-Waziristan weigerte sich jedoch derISI, Predator-Flüge zu genehmigen.

Während seiner Zeit in Süd-Waziristan bekam Keller einenEinblick in den byzantinischenApparat des ISI, wo die rechteHand nicht wusste, was die linketat. Beamte in Direktorat C, der fürTerrorismusbekämpfung

zuständigen Abteilung desGeheimdiensts, arbeiteten bei derJagd auf Qaida-Mitglieder häufigmit CIA-Beamten zusammen. AsadMunir, der frühere Stationschef desISI in Peschawar, hatte Direktorat Cangehört. Dessen Beamte warensich jedoch manchmal uneinig mitden Agenten von Direktorat S desISI, das lange für die Förderung vonGruppen wie den Taliban, demHaqqani-Netzwerk und Lashkar-e-Taiba verantwortlich gewesen war,die Pakistan traditionell als wichtigeVerbündete gegen Indien

betrachtete. Direktorat S hattewährend des Kriegs gegen dieSowjets in Afghanistan bei derBewaffnung der Mudschahedinmitgewirkt. Es hatte den Taliban inden 1990er-Jahren bei ihremAufstieg zur Macht geholfen undversucht, in den Jahren seit 2001dafür zu sorgen, dass dieverschiedenen militanten Gruppenihre Gewaltakte vor allem inAfghanistan verübten, statt sichgegen Pakistan zu wenden.

Über Direktorat S gibt es fastkeine Veröffentlichungen, und

obwohl die CIA im Krieg gegen dieSowjetunion mit Agenten diesesDirektorats zusammenarbeitete,haben die amerikanischen Spionenur ein verschwommenes Bild vonseinen Operationen. Einige CIA-Beamte sammelten jahrelang wiebesessen Informationssplitter überdas Direktorat, und dieamerikanischen Analysten sind sichgenerell darüber einig, dass dieAbteilung seit 2001 bei demstillschweigenden Bestreben desISI, mit militanten Gruppen Kontaktzu halten, die in Zukunft

pakistanischen Interessen dienenkönnten, die Führungsrolle spielt.

Ob das Direktorat routinemäßigtödliche Angriffe gegen Truppen derUSA und der NATO in Afghanistananordnete, ist bis heute umstritten,doch die elektronischeÜberwachung Pakistans durch dieUSA, oder genauer gesagt dieelektronische Überwachung des ISI-Hauptquartiers, fing häufigTelefonate zwischen pakistanischenSpionen und Kämpfern desHaqqani-Netzwerks auf.Pakistanische Regierungsbeamte

bestreiten öffentlich entweder dieExistenz dieser Beweise oder sieerklären, solche Taten seien Werkirregeleiteter Elemente innerhalbdes Geheimdiensts. Privat jedochvertreten sie die Ansicht, dass derISI mit Gruppen wie dem Haqqani-Netzwerk zusammenarbeitenmusste, um die westliche FlankePakistans zu schützen.Amerikanische Geheimdienstehörten im Jahr 2008 sogar einTelefongespräch ab, in dem GeneralKayani das Haqqani-Netzwerk als»strategischen Aktivposten«

bezeichnete. Laut Art Keller »sagenviele Leute bei der CIA: ›Der ISI hatDreck am Stecken‹, und anderesagen: ›Der ISI kann uns helfen‹.Tatsächlich jedoch stimmt beides,und das ist das Problem.«

In Nord-Waziristan, wo dieRegierung noch keinenFriedensvertrag mit denislamistischen Kämpferngeschlossen hatte, war die Dynamikzwischen den amerikanischen undden pakistanischen Spionen imSommer 2006 kaum anders als imSüden. CIA und ISI arbeiteten in

Nord-Waziristan enger zusammenund hatten eine gemeinsame Basisin einem verlassenen Schulhaus inMiranshah – weniger als eineinhalbKilometer entfernt von derwichtigsten Madrasa des Haqqani-Netzwerks in der Stadt. Von dieserBasis aus sammelten dieamerikanischen und diepakistanischen SpioneInformationen, um ein weiteresführendes Mitglied von al-Qaida zufinden: Khalid Habib.

Als die Jagd auf Habib richtiganlief, versetzte die CIA Keller

wieder nach Nord-Waziristan. Trotzder Versetzung blieb er weiterhinauch für die Operationen in Süd-Waziristan zuständig und führteseine Quellen noch immer durchComputerbotschaften. Das hatte erauch in der abgeriegelten Basis inWana getan, und es machte keinengroßen Unterschied, dass er seineBildschirmarbeit nun an einemneuen Ort leistete. Keller undandere CIA-Beamte überwachtenmit Predators Lastwagenkonvoisund die von Lehmmauernumgebenen Gehöfte in der

Umgebung von Miranshah in derHoffnung, einen Luftschlag gegenKhalid Habib führen zu können. DerISI sammelte seine eigenenInformationen durch menschlicheQuellen, und sie wurden mit dendurch Drohnen und elektronischeAbhörvorrichtungen gesammeltenDaten kombiniert.

Doch die Zusammenarbeit hatteihre Grenzen. Als Keller inMiranshah eintraf, riet ihm der Chefdes Stützpunkts: »Geben Sie dempakistanischen Militärgeheimdienstnur Informationen, die die Taliban

auch bekommen sollen.«Der pakistanische

Militärgeheimdienst, eine andereOrganisation als der ISI, hatte nachAnsicht der Amerikaner nochstärkere Verbindungen zu denTaliban und zum Haqqani-Netzwerkals Direktorat S. Einige Wochenbevor Keller in Miranshahangekommen war, hatten ISI undCIA die Madrasa Haqqanisdurchsucht, aber nichts gefunden.CIA-Beamte erfuhren später auseigenen Quellen, dass pakistanischeGeheimdienstbeamte die Haqqani-

Kämpfer vor der Razzia gewarnthatten.

Keller war unglücklich über daspakistanische Doppelspiel, verstandaber sehr gut, warum Pakistan dasHaqqani-Netzwerk nichtzerschlagen wollte. Die VereinigtenStaaten würden nicht ewig inAfghanistan bleiben, und wenn sichIslamabad die Haqqani-Kämpfer zuFeinden machte, konnte dies zweimögliche Folgen haben, die beideschrecklich waren. Im besseren Fallwürden pakistanische Soldaten ineinem endlosen Krieg in den Bergen

gegen eine Gruppe gebunden, dieals Verbündete gegen den indischenEinfluss in Afghanistan sehr vielnützlicher gewesen wäre. Imschlimmeren Fall würde sich derKrieg nach Osten ausbreiten, unddie Haqqani-Kämpfer würden in dendichter besiedelten GebietenPakistans Gewalttaten verüben.

Beide Aussichten machten dempakistanischen Militär Angst, unddeshalb begannen pakistanischeOffiziere Mitte 2006 darüber zudiskutieren, in Nord-Waziristan einähnliches Friedensabkommen zu

schließen, wie es in Süd-Waziristanbereits bestand. Keller und seineKollegen von der CIA warnten denISI, dass ein solches Abkommenkatastrophale Konsequenzen habenkönnte. Aber ihre Einwände stießenauf taube Ohren. Die pakistanischeRegierung handelte im September2006 einen Waffenstillstand fürNord-Waziristan aus. Er kam durchGeheimverhandlungen zustande,die von Generalleutnant Ali JanAurakzai, einer in Washington rechtbekannten Figur, geführt wurden. Erwar nach dem 11. September von

Präsident Musharraf zumMilitärkommandeur derStammesgebiete ernannt wordenund hatte lange geglaubt, dass essinnlos sei, in Pakistan undAfghanistan nach al-Qaida zusuchen.

Aurakzai war als Offizierinzwischen in Pension gegangen,und Musharraf hatte ihn zumGouverneur der North-West FrontierProvince ernannt, wodurch er auchdie Aufsicht über dieStammesgebiete bekam. Aurakzaiwar der Überzeugung, dass die

Ausbreitung der Gewalt auf andereGebiete Pakistans nur durch einenFriedensschluss mit den militantenGruppen in den Stammesgebietenverhindert werden konnte, und ernutzte seinen Einfluss auf denPräsidenten, um ihn von denVorteilen eines Friedenabkommensin Nord-Waziristan zu überzeugen.

Washington dagegen musste erstnoch überzeugt werden. Also reisteMusharraf mit Aurakzai nachWashington, um denWaffenstillstand auch der RegierungBush schmackhaft zu machen. Die

beiden Pakistaner saßen im OvalOffice und schilderten Bush dieVorteile des Friedensabkommens,und Aurakzai meinte, ähnlicheAbkommen sollten auch in TeilenAfghanistans abgeschlossenwerden, dann könnten sich dieamerikanischen Truppen früher alserwartet aus dem Landzurückziehen.

Die Mitglieder der RegierungBush waren gespalten. Einigehielten Aurakzai für einenrückgratlosenBeschwichtigungspolitiker – einen

Neville Chamberlain derStammesgebiete. Aber nur wenigesahen überhaupt noch eineMöglichkeit, das Friedensabkommenin Nord-Waziristan zu stoppen.Außerdem hatte Bush, dessendiplomatischer Stil sehr aufpersönlichen Bemühungen beruhte,schon 2006 Sorgen, dass man zuviele Forderungen an PräsidentMusharraf stellen könnte. Erbewunderte den pakistanischenPräsidenten immer noch dafür, dasser schon in den ersten Tagen nachdem 11. September beschlossen

hatte, den Vereinigten Staaten beider Jagd nach al-Qaida zu helfen.Die Regierungsbeamten im WeißenHaus arrangierten sogarregelmäßige Telefongesprächezwischen Bush und Musharraf, weilsie hofften, dass der pakistanischePräsident unter ihrem Druck eherdie Militäroperationen in denStammesgebieten aufrechterhaltenwürde, aber sie wurden enttäuscht:Bush stellte bei den Gesprächen nurselten konkrete Forderungen anMusharraf, sondern dankte ihm fürseinen Beitrag im Krieg gegen den

Terrorismus und versprach, dass dieUSA ihn auch weiterhin finanziellunterstützen würden.

Bei den wichtigsten Beratern desPräsidenten herrschte Ende 2006die Ansicht vor, dass zu vielamerikanischer Druck auf Musharrafzu einem albtraumhaften Szenarioführen konnte: einem Volksaufstandgegen die pakistanische Regierung,durch den eine radikal islamischeRegierung an die Macht kommenwürde. Das Unbehagen, mitMusharraf Geschäfte machen zumüssen, wurde nur durch die Furcht

vor einem Leben ohne ihnübertroffen. Diese Furcht schürteder pakistanische Präsident selbst,indem er die amerikanischenRegierungsvertreter häufig warnte,dass er jederzeit die Machtverlieren könne, und sie immerwieder daran erinnerte, dass ermehreren Mordanschlägen nurknapp entronnen war. DieAnschläge waren durchaus realgewesen, aber Musharraf gelang esmit seiner Strategie auch, densteten Strom amerikanischerHilfsgelder aufrechtzuerhalten und

Washingtoner Forderungen nachdemokratischen Reformenabzuwehren.

Das Friedensabkommen in Nord-Waziristan erwies sich sowohl fürBush als auch für Musharraf als eineKatastrophe. Miranshah wurde defacto vom Haqqani-Netzwerkübernommen, als die Gruppe ihrkriminelles Imperium am östlichenRand der afghanischen Grenzekonsolidierte. In dem Abkommenhatten die Haqqanis und anderemilitante Gruppen zugesichert, ihreAngriffe in Afghanistan einzustellen,

doch in den Monaten nach seinemAbschluss stieg die Zahl derAngriffe, die von denStammesgebieten aus auf westlicheTruppen in Afghanistan verübtwurden, um 300 Prozent. Auf einerPressekonferenz im Herbst 2006erklärte Präsident Bush, dass al-Qaida »auf der Flucht sei«.Tatsächlich war das Gegenteil derFall. Die Gruppe hatte eine sichereHeimat gefunden und keinen Grundmehr, irgendwohin zu fliehen.

Unmittelbar bevor das

Friedensabkommen in Nord-Waziristan in Kraft trat, war Kellersfünfmonatige Dienstzeit in Pakistanzu Ende. Bevor er das Land verließ,erledigte er noch eine letzteAufgabe: Er kaufte seinem bestenpakistanischen Agenten in Süd-Waziristan, den er nie persönlichgetroffen hatte, ein Geschenk. DerMann war ein begeisterter Sportlerund hatte Keller geschrieben, dassdie CIA doch bestimmt einen Wegfinden könne, für ihre wenigenmenschlichen Quellen in denStammesgebieten ein paar

amerikanische Sportgeräte zukaufen. Nach einem hektischenAustausch von Telegrammenzwischen Wana, Islamabad undLangley über die Angemessenheitder Bitte, willigte die CIA schließlichein und lud die Sportgeräte in einFlugzeug, das sie zusammen mitanderem sensiblen Material für dieamerikanische Botschaft nachIslamabad flog.

Zwei Jahre darauf erteiltePräsident Bush den geheimenBefehl, den verdeckten Krieg derCIA in Pakistan eskalieren zu

lassen. In der Folge wurde AbuKhabab al-Masri nurzwanzig Kilometer von dem CIA-Stützpunkt in Wana entfernt durcheinen Drohnenschlag getötet. DreiMonate danach tötete die Raketeeiner CIA-Drohne auch KhalidHabib, als er in dem Dorf Taparghaiin Süd-Waziristan in einemparkenden Toyota-Kombi saß. Zudiesem Zeitpunkt war Keller bereitswieder in den Vereinigten Staaten,hatte seinen Dienst bei der CIAquittiert und lebte in Albuquerque.Als er von Angriffen hörte, wusste

er nicht, ob seine Arbeit in Pakistanim Jahr 2006 – etwa seineNachforschungen auf dem Basarvon Wana oder die Auswertung vonInformationsbruchstücken in demSchulhaus in Miranshah – irgendwiezum Tod der beiden Männerbeigetragen hatte.

Wahrscheinlich würde er es nieerfahren.

******* Weil Mike heute noch als Geheimagentarbeitet, wird hier nur sein Vorname benutzt.

10

SPIELE OHNE GRENZEN

»Eine mächtige Wurlitzer.«Frank Wisner

Auch wenn die amerikanischeÖffentlichkeit in den ersten vierJahrzehnten nach der Gründung derCIA vor allem von ihren Putsch- undAttentatsversuchen und ihremWaffenschmuggel fasziniert war,verwendete der Geheimdienst im

Kalten Krieg einen viel größerenTeil seines Budgets für verdeckteOperationen auf subtilere Methodender Kriegführung. SchwarzePropaganda und psychologischeKriegführung waren einst eingrundlegender Bestandteil dergeheimen Arbeit der CIA. Siereichten von der Wahlbeeinflussungdurch Geldgeschenke ineuropäischen Ländern bis zurGründung CIA-finanzierterRadiosender im Ostblock und inSüdostasien. Laut Frank Wisner,einem Veteranen des OSS, später

bei der CIA Chef der klandestinenOperationen, musstenPropagandaeinsätze von einer vollentwickelten Organisationdurchgeführt werden, die mehrereKampagnen gleichzeitig bewältigenkonnte – von einem Apparat, den erals eine »mächtige Wurlitzer«bezeichnete, die in einem Krieg derIdeen die martialische Musikspielte. Nach dem Ende des KaltenKriegs sah die CIA nicht mehr dieNotwendigkeit, massiv in schwarzePropaganda zu investieren oder ihreBeamten in psychologischer

Kriegführung auszubilden, und dieentsprechenden Programme fielenden drastischenHaushaltskürzungen der 1990er-Jahre zum Opfer.

Doch es ging nicht nur um Geld.Durch das Internet und dieGlobalisierung der Information warjede Propagandakampagne für dieCIA juristisch riskant geworden. Inden Vereinigten Staaten ist es demGeheimdienst gesetzlich verboten,Propagandaaktionen gegenamerikanische Medien oderKampagnen zur Beeinflussung

amerikanischer Staatsbürgerdurchzuführen. Bevor das Internetexistierte, konnte der Dienstausländische Journalisten auf seineGehaltsliste setzen und erfundeneGeschichten in ausländischenZeitungen platzieren, ohne fürchtenzu müssen, dass dieseLügengeschichten auch vonamerikanischen Medien aufgegriffenwürden. Ab Mitte der 1990er-Jahrejedoch konnten Web-Surfer in NewYork oder Atlanta auch Nachrichten-Websites aus Pakistan oder Dubailesen. Die amerikanischen Medien

widmeten Nachrichten aus demAusland zunehmend mehrAufmerksamkeit und begannen, inihren Berichten ausländische Artikelzu zitieren. In der Folge wurde esschwieriger für die CIA, ihreKontrolleure im Kongress, diesämtliche verdeckten Operationendes Geheimdiensts irgendwannabsegnen müssen, davon zuüberzeugen, dass eine geplantePropagandakampagne keineRückwirkung auf die VereinigtenStaaten haben würde.

Als jedoch die CIA ihre

Propagandaabteilung verkümmernließ, versuchte das Pentagon dasVakuum zu füllen. Das Militär istähnlichen Restriktionen unterworfenwie die CIA, was gegenamerikanische Staatsbürgergerichtete Propagandaoperationenbetrifft, doch der Kongress lässtdem Verteidigungsministerium inder Regel mehr Spielraum fürpsychologische Kriegführung, wennes beweisen kann, dass sie derUnterstützung kämpfenderamerikanischer Soldaten dient.Nach dem 11. September wurde der

Spielraum des Pentagons sogarnoch größer, da der Kongresspraktisch die ganze Welt alsSchlachtfeld definierte und dieMilitärführung sich derunangenehmen Realität stellenmusste, dass die Feinde Amerikasmeistens in Ländern lebten, wo dieArmy und das Marine Corps nichtoperieren durften. Also übernahmdas Pentagon die Kontrolle über die»mächtige Wurlitzer« und gabHunderte Millionen Dollar aus, umdie Meinung in der muslimischenWelt zu beeinflussen – weit entfernt

von den Schießkriegen im Irak undin Afghanistan.

Und so kam es, dass im Frühjahr2005 ein bulliger Mann mit einerSchachtel Marlboro in derBrusttasche zwischen denVerkaufsständen derElektronikfirmen auf derVersammlung der NationalAssociation of Broadcasters in LasVegas umherschlenderte. Er tat so,als sei er ein Verkäufer vonBüromaterial, aber das war nur eineTarnung für einen ehemaligenExperten für psychologische

Kriegführung, der bei der Army einJahrzehnt lang nach Wegen gesuchthat, um den Krieg in die Köpfe derMenschen zu tragen.

Gut, dass Michael Furlong imgeistigen Kampf brillierte, denn fürden körperlichen war er nicht mehrgeeignet. Er war gebaut wie einerussische Matroschkapuppe, miteinem runden Körper, der sich nuran Hals und Kopf leicht verjüngte.Obwohl er Diabetiker war und sichnur langsam bewegte, strahlte ereine nervöse Energie aus undschwitzte oft sehr stark. Er sprach in

schnellen Ausbrüchen mit langenSatzketten, fast ohne Luft zu holen.Auf Sitzungen nebelte er seineZuhörer häufig mit einem wahrenSchneesturm von Militärjargon ein,meist zu seinem eigenen Vorteil.»Mike ist wahnsinnig schlau«, sagteein Offizier, der eng mit ihmzusammenarbeitete. »Aber erspricht in einem solchenKauderwelsch, dass keiner Fragenstellt, weil jeder Angst hat, dummzu erscheinen, wenn er zugibt, dasser nicht weiß, wovon die Rede ist.«Am Ende einer Sitzung verließ

Furlong oft völlig unangefochtenund in der festen Überzeugung denRaum, dass alle den exotischenPlan gut fanden, den er geradevorgeschlagen hatte.

Der aus Miami stammendeFurlong wurde 1972 zum Militäreingezogen, kurz bevor PräsidentRichard Nixon die Wehrpflichtabschaffte, aber er verschob seinenMilitärdienst und machte an derLoyola University in New Orleanseinen Abschluss in Journalistik undBetriebswirtschaft. Nach demStudium absolvierte er in Fort

Bragg, North Carolina, einevierjährige Ausbildung in denGrundlagen des Infanteriekampfs.Danach wurde er zum Kommandeureiner Einheit mechanisierterInfanterie in Fort Irwin in derkalifornischen Wüste befördert, dieer exzellent führte. EinHöhenrücken heißt dort in derGegend immer noch Furlong Ridgewegen der Erfolge, die er bei denÜbungen im Wüstenkriegverbuchte. Mitte der 1980er-Jahrewurde er Ausbilder, zuerst in WestPoint und dann an der Royal Military

Academy im englischen Sandhurst.Nach dem Golfkrieg von 1991kehrte er als Major der 4thPsychological Operations Group indie Vereinigten Staaten zurück.

Wie viele Offiziere war auchFurlong schrecklich besorgt, dass erbei einem militärischen Abenteuerder USA in Übersee nichtberücksichtigt werden könnte.Manchmal witzelte er im Gesprächmit Kollegen, seine größte Furchtsei es, dass ihn das Pentagon insAbseits stellen könne, indem es ihnzum Beispiel »Basketbälle in

Dakota aufblasen« lasse.Tatsächlich gelang es ihm jedoch,nahe am Zentrum des Geschehenszu bleiben. Nachdem dieKriegsparteien auf dem Balkan dasFriedensabkommen von Daytonunterzeichnet hatten, war er einerder ersten Amerikaner, die inBosnien stationiert wurden. Erkommandierte ein Bataillon fürpsychologische Kriegführung mit derAufgabe, den zerbrechlichenFrieden aufrechtzuerhalten, indemer die Lokalbevölkerung durch denAbwurf von Flugblättern sowie

durch Propaganda in Radio undFernsehen davon überzeugte, mitden Friedenstruppenzusammenzuarbeiten.

In den 1990er Jahren warenOperationen zur psychologischenBeeinflussung noch eine ArtNebenbereich beim US-amerikanischen Militär. Sie galtenals Nebentätigkeit des Schießkriegs,ausgeübt von komischen Vögeln,die es wahrscheinlich nichtgeschafft hatten, in andereangesehenere Bereiche des Militärswie Infanterie oder Artillerie

vorzudringen. Die Situation warganz anders als auf dem Höhepunktder psychologischen Kriegführungwährend des Vietnam-Konflikts, alsTeams der Special Forces undTeams der CIA gemeinsam einennachhaltigen psychologischen Krieggegen führende Politiker und diebreitere Bevölkerung inNordvietnam führten. RobertAndrews, der ehemalige GreenBeret, der als ziviler Berater DonaldRumsfelds dessen Führer durch dieWelt der Spezialeinsätze wurde,hatte an diesen Einsätzen

teilgenommen, die durch gefälschteBriefe und Dokumente Verwirrungstiften sollten.

Manchmal waren die Einsätzeauch sehr viel komplizierter, etwaals Andrews und seine Einheit inNordvietnam die fiktiveWiderstandsbewegung »HeiligesSchwert der Patriotischen Liga«(englisch: Sacred Sword of thePatriots League, SSPL) gründeten,um das Gerücht zu verbreiten, dasses nördlich der entmilitarisiertenZone eine bewaffneteRebellenorganisation gegen die

kommunistische Regierung gebe.Die amerikanischen Agentenverschickten nicht nur Briefe undwarfen Flugblätter ab, sondernentführten auch mit unmarkiertenPatrouillenbootennordvietnamesische Fischer,verbanden ihnen die Augen undbrachten sie auf die Insel Cu LaoCham vor der Küste von Da Nang.Die Phantombewegung hatte ein»Hauptquartier« auf der Insel, indem man den Geiseln vonextensiven Guerillaoperationengegen die Regierung in Hanoi

erzählte. Einige der entführtenFischer wurden sogar gefragt, obsie sich dem »Widerstand«anschließen wollten. Nachmehreren Wochen im falschenHauptquartier erhielten die GeiselnTaschen mit Radios, die auf denRadiosender Stimme der SSPLeingestellt waren, und wurden nachNordvietnam zurückgebracht, wosie möglichst vielen Menschen vonder falschen Widerstandsbewegungerzählen sollten. Zwischen 1964und 1968 wurden laut dem BuchThe Secret War Against Hanoi des

Professors Richard H. Shultz jr. vonder Tufts University mehr alsTausend Nordvietnamesen nach CuLao Cham entführt und mit derIdeologie des »Heiligen Schwertsder Patriotischen Liga«indoktriniert.

Andrews und seine kleine Gruppehatten noch weitere verrückteIdeen. So wollten sie eine Leiche andie nordvietnamesische Küstetreiben lassen, die falscheverschlüsselte Meldungen in derHosentasche hatte. Wenn alles liefwie geplant, sollten Analytiker des

nordvietnamesischenGeheimdiensts die Meldungenentschlüsseln und dieFalschinformationen an ihreVorgesetzten weitergeben. Dochdie Idee wurde in Washingtonabgelehnt; Andrews erfuhr nie, vonwem. Washington war »diesermysteriöse Ort, wo man zu unserengroßartigen Ideen ›ja‹ oder ›nein‹sagte. Und wir alle verfluchten es.«

Am 11. September 2001 hatteMichael Furlong seinen aktivenMilitärdienst bereits quittiert undarbeitete für die Science

Applications InternationalCorporation (SAIC), einRüstungsunternehmen, das wegengeheimer Staatsaufträge schon baldin Geld schwimmen sollte. Furlonghatte sich jahrelang damit befasst,wie man in einer feindseligenausländischen Öffentlichkeitproamerikanische Botschaftenverbreitet, und nun stand erplötzlich im Zentrum eines Kriegsum Herz und Verstand derMenschen in der muslimischenWelt. Im Herbst 2001 arbeitete ermit Donald Rumsfeld an Strategien

für Informationskampagnen (eineArbeit, für die er einen Orden desVerteidigungsministeriums erhielt),und gelegentlich war er auch imSituation Room des Weißen Hausesmit dabei, wenn BushsRegierungsmitglieder verzweifeltnach Mitteln und Wegen suchten,um den Muslimen ihre wichtigstenAnliegen zu vermitteln.

Keine zwei Jahre nach dem11. September bekam die SAIC einemassive Geldspritze, als das Militärneue Aufträge für denWiederaufbau des zerstörten Irak

vergab. Furlong reiste nach Bagdadund leitete für die SAIC das Projekt,für 15 Millionen Dollar im Irak denFernsehsender Iraqi Media Networkaufzubauen. Er sollte einGegengewicht zu al-Dschasira undanderen arabischen Medien bilden,die man in Washington alsantiamerikanisch empfand. Dochbei dem Projekt gab es schon baldProbleme. Die irakischenMitarbeiter liefen davon, weil sienicht bezahlt wurden, und derSender hatte technische Probleme,die irakischen Haushalte zu

erreichen. Nach wenigen Monatenhatte die SAIC 80 Million DollarGeld aus dem Pentagon verbraten,aber das Projekt stand kurz vor demZusammenbruch. Furlong wurde imJuni 2003 die Leitung des Projektsentzogen, obwohl seine Kollegensagten, er sei wohl kaum dereinzige Verantwortliche für dieSchwierigkeiten des Sendersgewesen. Doch er konnte einschrecklicher Angeber sein. Erbestand darauf, in einem weißenHummer in Bagdad herumzufahren,der immer noch Nummernschilder

von Maryland trug und den er sicheigens in den Irak hatte liefernlassen.

Mit diesem Verhalten brachteFurlong manche Kollegen gegensich auf, aber sein meisterlicherUmgang mit dem byzantinischenSystem, nach dem im Pentagon dieAufträge vergeben werden, machteihn für Rüstungsunternehmenunschätzbar wertvoll. Projekte zurInformationsvermittlung kosten nureinen kleinen Bruchteil derEntwicklung eines neuen Panzersoder Kampfflugzeugs, und wie

Furlong besser wusste als diemeisten, können gescheite undehrgeizige Leute in einemmilliardenschweren Apparat wiedem Pentagon manchmal MillionDollar locker machen, wenn sie inobskuren Ecken der Bürokratie neueGeldquellen anzapfen. Mit diesemGeld lassen sich kleine Imperienaufbauen.

Im Frühjahr 2005 tauchte Furlongim Las Vegas Convention Centerauf. Er stand kurz davor, eine hohezivile Stelle in der Abteilung fürpsychologische Kriegführung des

U.S. Special Operations Command(SOCOM) anzutreten und hatteeinen Stapel Visitenkarten dabei,die ihn als Verkäufer vonBüroartikeln auswiesen und vonseiner eigentlichen Tätigkeitablenken sollten: der Suche nachkleinen Unternehmen, die demPentagon helfen würden, im NahenOsten Propagandakampagnendurchzuführen und Nachrichten zubeschaffen.

Er verbrachte mehrere Stundenam Stand von U-Turn Media, einerkleinen tschechischen Firma, die

Möglichkeiten entwickelt hatte,Videos auf Mobiltelefone zuübertragen. Das Team von U-Turnerkannte sehr schnell, dass Furlongnicht wirklich Büroartikel verkaufte,weil einige Mitarbeiter auf seinerVisitenkarte die Adresse des SpecialOperations Command in Tampaerkannten. Wie sich herausstellte,war die zufällige Begegnung mitihm ein Glücksfall für das um seineExistenz kämpfende Unternehmen,das in Las Vegas dringend neueAufträge an Land ziehen musste.

U-Turn wurde von Jan Obrman

geführt, einem Tschechen, dessenFamilie während der sowjetischenInvasion Ende der 1960-Jahre ausPrag geflohen war. Aufgrund seinerKindheitserfahrungen war Obrmanentschieden proamerikanisch undwollte unbedingt auf der ganzeWelt für das westlicheDemokratieverständnis werben. Erhatte in den 1980-Jahren für einenproamerikanischen Thinktankgearbeitet und war später leitenderAngestellter bei Radio Free Europegeworden. Der Aussicht, imwachsenden Markt des Internets

und der Mobiltelefonie Geld zuverdienen, und die finanzielleUnterstützung eines wohlhabendendeutschen Investors hatten ihn2001 zur Gründung von U-TurnMedia motiviert. Das Unternehmenhatte einen mühsamen Start, bisdie Mobilfunkindustrie durch dasSmartphone ein gewaltigesWachstum erlebte.

Es versuchte, mit einer etwasschwerfälligen Technologie Geld zuverdienen: Es schloss Verträge mitInhaltsanbietern und entwickelteMarketingkampagnen, um

Verbraucher auf die Websites dieserKunden zu lenken. Dort konnten dieVerbraucher ein Icon für ihrMobiltelefon herunterladen, das als»Portal« für das Internetfunktionierte. In der damaligenSteinzeit der Mobiltelefonie fand U-Turn jedoch nur wenige Kunden, dieseine Dienstleistung nutzen wollten.

Es erweiterte seinenKundenkreis, indem es sich mitPornoanbietern zusammentat undWege fand, pornographischeInhalte auf Mobiltelefone zu»streamen«. Eine dieser

Partnerschaften bestand mit einerFirma, die das BilligprogrammCzech My Tits produzierte. Es zeigteeinen Mann, der durch die Straßenvon Prag schlenderte und Frauen500 tschechische Kronen bot, wennsie vor der Kamera ihre Brüsteentblößten. U-Turn Media wurdeengagiert, um die Live-Übertragungvon Bild und Ton auf Mobiltelefonezu realisieren. Wie sich Bill Eldridge,ein frühere Manager von U-Turn,erinnerte, schien Sex damalsschnellen Reichtum zu versprechen.»Wer ein solches Geschäft aufbaut,

hat entweder die Pornoindustrieoder die Welt der Geheimdienste imVisier«, sagte er. »Nur sie habendas Geld, um so etwas zu zahlen.«

Nach ersten Versuchen mit derPornoindustrie bekam Obrman nundurch Furlong auch die Chance, aufden Markt derNachrichtenbeschaffungvorzudringen. Tatsächlich hattensich die beiden schon in den1990er-Jahren auf dem Balkankennengelernt, wo sie zahlloseGeschichten über den Kalten Kriegund die blutigen ethnischen

Konflikte austauschten, die auf denFall der Berliner Mauer gefolgtwaren. Sie hatten die gleichenAnsichten, was die Verbreitungamerikanischer Ideale in der Weltim Allgemeinen und in dermuslimischen Welt im Besonderenbetraf. Aber Furlong bedeutete aucheine enorme geschäftliche Chancefür U-Turn Media.

Sobald er seine Stelle beimSOCOM angetreten hatte, sprach ermit Obrman und anderen Managernvon U-Turn über die Idee,Videospiele zu entwickeln, die man

im ganzen Nahen Osten auf dieHandys laden konnte. Das SOCOMwollte mit den Spielen zweiProbleme gleichzeitig angehen,nämlich die Tatsache, dass sehrviele Menschen in der muslimischenWelt die Vereinigten Staaten nichtmochten und dass man in den USAsehr wenig über diese Menschenwusste. Furlong wollte Spieleentwickeln, die ein positiveres Bildder USA vermittelten, und er wollteInformationen über die Spielersammeln. Das Projekt war einepotenzielle Goldgrube für die

Nachrichtenbeschaffung: Tausendewürden ihre Handynummer undandere Informationen über ihreIdentität an U-Turn schicken, dasMilitär konnte diese Informationenin seinen Datenbanken speichernund dann konnten sie von derNational Security Agency undanderen Nachrichtendiensten fürkomplexe Data-Mining-Operationengenutzt werden. Dank der Spielemüssten sich die Spione nicht aufdie Jagd nach Informationenmachen, sondern die Informationenwürden zu ihnen kommen.

Dies war nur ein Aspekt desganzen Netzwerks vonProgrammen, das in den Jahren seitdem 11. September aufgebautworden war, um raffinierteComputerdatenbanken mitInformationen zu füttern. IhreAuswertung konnteVerhaltensmuster aufzeigen, die aufkünftige Terroranschlägehindeuteten. Wenn große Mengenpersonenbezogener Informationenin den Datenbanken gespeichertwurden, konnte man die Datenwenigstens theoretisch mit

Computeralgorithmen auswertenund Zusammenhänge erkennen, diedie Analysten menschlicher Quellennicht erkennen konnten.

Die Rechtsgrundlage für dieseAktivitäten war allerdingsbestenfalls fragwürdig. Ein Projektdes Special Operations Command,das heftig unter Beschuss geratensollte, betraf die Sammlung vonInformationen über amerikanischeStaatsbürger, die im Verdachtstanden, Kontakte zu militantenGruppen zu haben. Die Datenwurden auf Computerservern in

Virginia gespeichert, und einigehohe Militärs bekamen Bedenken,ob dies nicht gegen Gesetzeverstieß, die die Datenbeschaffungdes Militärs über amerikanischeBürger regeln. In der Folge wolltendie zuständigen Offiziere beimSOCOM die Datenbanken insAusland verlegen und fordertenschließlich Furlong auf, sie in derZentrale von U-Turn Media in Pragzu speichern, ein Schritt, der zueiner dramatischenAuseinandersetzung zwischenFurlong und der CIA führen sollte.

Mitte 2006 hatte U-Turn für dasPentagon einen 27-seitigenHochglanzprospekt erstellt, der einPilotprogramm präsentierte, dasdas Pentagon in allen Ländern dermuslimischen Welt einsetzenkonnte. In den ersten Abschnittendes Prospekts wurde betont, wasfür ein machtvolles Instrument dasHandy ist, wenn man einMassenpublikum erreichen will:»Was haben eine engagierte Mutterin Atlanta, ein beduinischerHändler, ein chinesischerGeschäftsmann, die Familie eines

amerikanischen Soldaten, einkuwaitischer Beamter, einÖlmanager mit gutenVerbindungen, ein Märtyrer von al-Qaida, ein frommer und friedlicheriranischer Muslim und ein serbischerAufständischer mit Jugendlichenüberall in den Vereinigten Staaten,in Asien, in der EU und im NahenOsten gemeinsam? Alle dieseLeute, Erwachsene wie Teenagerauf der ganzen Welt, habenwahrscheinlich in jeder wachenMinute des Tages einbetriebsbereites Handy in ihrem

Besitz.«In dem Prospekt bot U-Turn dem

Militär ein Menü von Möglichkeitenan, wie es heimlich auf der ganzenWelt Botschaften verbreiten konnte.»Überzeugende Nachrichten,politische und religiöse Inhalte,kombiniert mit der Botschaft vonUSSOCOM«, hieß es in demProspekt, könnten »gezieltTeenager in Hochrisikogebietenoder feindseligen Regionen«erreichen. Und im Lauf der Zeitkönne die Botschaft des Pentagonsdann »in den Lebensstil der

Zielpersonen« integriert werden.Wie der Prospekt verhieß, konnteall dies ohne das Etikett »made inAmerica« durch eineWerbekampagne mit »verdecktemMarkenzeichen«, die scheinbar voneinem europäischenUnterhaltungsunternehmendurchgeführt wurde, an den Manngebracht werden.

Im August 2006 gewann U-TurnMedia die Ausschreibung für dasProgramm und zunächst einmaleinen Auftrag über nur 250000Dollar. Doch der symbolische Wert

war viel höher. Das obskureTelekommunikationsunternehmenaus Prag, das kurz zuvor nochNachrichtensendungen undSoftpornos für Handys vertickte,hatte seinen ersten Auftrag voneinem der geheimsten und amschnellsten wachsenden Bereicheder Militärbürokratie bekommen.Während Michael FurlongsPartnerschaft mit U-Turn Media erstaufblühte, vergab seine Abteilungbeim U.S. Special OperationsCommand bereits großeGeheimaufträge für

Propagandakampagnen im NahenOsten und in Zentralasien anKommunikationsfirmen. Das SOCOMgab Hunderte Millionen Dollar fürdas Projekt aus, und es herrschteein massiver Wettbewerb um dasGeld. Kleine Firmen mitgeringer oder gar keiner Erfahrungin Propaganda verkauften sichplötzlich als Spezialisten für»strategische Kommunikation«, uman dem neuen Geschäftteilzuhaben. Für U-Turn war derVertrag von 2006 nur der erste vonvielen und der Beginn einer neuen

Ära, denn das Unternehmen warüber einen Geschäftspartner mitoffenbar grenzenlosen Mittelngestolpert. Es hatte seine goldeneGans gefunden.

Die Propagandaproduzenten imSpecial Operations Command inTampa wussten, dass sie die US-amerikanische Urheberschaftgeheim halten mussten, wenn dieöffentliche Meinung in dermuslimischen Welt erfolgreich»beeinflusst« werden sollte. Kurznachdem Michael Furlong U-Turn

Media damit beauftragt hatte, einPilotprogramm für Videospiele undandere digitale Angebote zuentwickeln, überzeugte er dieManager des Unternehmens, eineBriefkastenfirma zu gründen, dieAufträge des Pentagons annehmenkonnte, aber nicht direkt mit denVereinigten Staaten in Verbindunggebracht würde. Bis Ende 2006hatte Jan Obrman JD MediaTransmission Systems LLCgegründet, ein auf den Seychelleneingetragenes Unternehmen, dasüber ein ausländisches Bankkonto

Geldtransfers aus den USAempfangen konnte.

Da es bei der Geldvergabe desPentagons für Geheimprojektekaum Restriktionen gab, schauteFurlong niemand auf die Finger. Erbezeichnete sich manchmal als»Herr der Graubereiche« undarbeitete mit allen Tricks, umScheingesellschaften von U-TurnAufträge für die Durchführung vonPropagandaoperationen zuverschaffen. Unter anderem machteer sich ein Gesetz zunutze, dasFirmen in indianischem Besitz

Vorteile bei der Vergabe vonöffentlichen Aufträgen verschafft,indem er eine Partnerschaftzwischen U-Turn und WyandotteNet Tel arangierte, einer Firma, dieauf einem kleinen FleckIndianerland im Osten Oklahomasihren Sitz hatte.

Das erste Spiel, das U-Turn fürdas SOCOM entwickelte, war ein»Shooter« im Stil der beliebtenComputerspielserie Call of Duty.Der Spieler ging auf eine Odysseein den Straßen von Bagdad. Ermusste Aufständische abschießen,

die in einer Welle terroristischerAnschläge Zivilisten zu tötenversuchten. Das geografische Zieldes Spielers war ein irakischesPolizeirevier, in dem er geheimePläne für einen bevorstehendenAngriff von Aufständischen abliefernmusste – Pläne, die aus demHauptquartier einer militantenGruppe gestohlen worden waren.Das Spiel hieß Iraqi Hero.

Das Spielprojekt war Teil einerbreit angelegten psychologischenKriegführungskampagne desPentagons mit dem Codenamen

Native Echo, zeitlich abgestimmtauf »The Surge«, die Aktion im Jahr2007, mit der Präsident Bush dieamerikanischen Truppen im Irak um20000 Mann verstärkte. DerSchwerpunkt von Native Echo lag inder Bekämpfung der Flutausländischer Kämpfer, die aus demJemen, aus Syrien, aus Saudi-Arabien und aus Teilen vonNordafrika in den Irak strömten.Das Spiel Iraqi Hero war soaufgebaut, dass es leicht für allemöglichen Länder in dermuslimischen Welt modifiziert

werden konnte. In einer U-Turn-Präsentation für das SOCOM wurdendreizehn Länder aufgeführt, indenen das Spiel nach leichtenModifikationen vertrieben werdenkonnte, darunter Saudi-Arabien,Marokko, Ägypten und Jordanien.Seine Grafik zeigte Straßen mitMoscheen, alten Autos und Palmenund musste nur geringfügiggeändert werden. Einzig der Dialogwurde jeweils umgeschrieben. Inder libanesischen Version bezog ersich zum Beispiel auf die politischeSituation im Libanon, und das Spiel

hieß nach einer libanesischenKommandoeinheit Maghaweer.

U-Turn entwickelte noch zweiweitere Spiele für Operation NativeEcho: In Oil Tycoon baute derSpieler Ölpipelines und musste dieÖlanlagen des Staats gegenständige Angriffe von Terroristenverteidigen, und in City Mayormusste er beim Wiederaufbau einervon Terroristen zerstörtenGroßstadt über die Verwendungbegrenzter Mittel entscheiden.

Ein Team von tschechischenProgrammierern in der Prager

Zentrale von U-Turn entwickelte dieSpiele, und Furlong setzte die Firmaunter erheblichen Termindruck,damit sie so schnell wie möglichfertig wurden und im Nahen Ostenvertrieben werden konnten.

Zusammen mit dem SOCOMentwickelte U-Turn verschiedeneMöglichkeiten, um die Spiele an denMann zu bringen. Am einfachstenwar die Verteilung von Hand. Dabeiwurden Tausende vonSpeicherkarten mit den Spielen aufMärkten und Basaren verkauft oderverschenkt. Eine viel größere

Verbreitung fanden die Spielejedoch, wenn man sie auf Websitesund Blogs postete, die von Spielernaus dem Nahen Osten besuchtwurden. Bei dieser Methode konntedas SOCOM außerdem überwachen,wie viele Personen sieherunterluden und, wichtiger noch,wer sie herunterlud.

Es ist schwer, das Ausmaß dergeheimen Spieloperationen desSOCOM zu schätzen oder genau zuwissen, wie viele Firmen wie U-Turndas Pentagon mit der Produktionvon Propaganda für junge Leute im

Nahen Osten beauftragte. Furlongdrängte die tschechische Firma,möglichst viele neue Initiativen zuergreifen, und U-Turn entwickeltesogar das Projekt einerKleidermarke, die von beliebtenSängern und anderen Prominentenaus dem Nahen Osten beworbenwerden sollte. Auch die Idee, überabgelegenen Dörfern inZentralasien und Nordafrika großeFlachbildfernseher abzuwerfen,wurde diskutiert; die Fernsehersollten mit Platten gepanzert sein,damit sie den Abwurf unversehrt

überstanden. Und sie sollten einegroße Antenne besitzen, um übereine Entfernung von vielen TausendKilometern proamerikanischeBotschaften empfangen zu können.

Dieser ausgefallene Plan wurdenie genehmigt. Aber als dasPentagon Ende 2007 seinePropagandatätigkeit auf der ganzenWelt ausweitete, erhielt U-Turn denAuftrag, ein neues Projekt desSOCOM zu unterstützen, das darinbestand, Websites für Zentralasien,Nordafrika, China und andereRegionen zu betreiben. Die

sogenannte Trans-Regional WebInitiative engagierte freieJournalisten, um Berichte zuschreiben und sie auf Websites mitNamen wie Central Asia Online zuposten – Berichte mit positivenNachrichten über die VereinigtenStaaten und diverse autoritäre US-Verbündete wie zum BeispielUsbekistan. Eine Kontroverse brachaus, als die Nachricht von demProjekt durchsickerte. In der Folgegab das SOCOM seinenursprünglichen Plan auf, dieamerikanische Urheberschaft der

Websites geheimzuhalten, undbrachte unten auf jeder Seite einkleines Etikett an, das sie alsProdukt des US-Verteidigungsministeriumskennzeichnete. Trotzdem fandenverschiedene Personen im Kongressund im Außenministerium, dass dasPentagon mit den Websites seineBefugnis zur psychologischenKriegführung im Rahmen einesmilitärischen Feldzugs zu großzügigausgelegt und seinegrundlegendere Pflicht zurwahrheitsgemäßen Information der

amerikanischen Öffentlichkeitverletzt habe.

Tatsächlich jedoch fanden solcheVerstöße damals schon jahrelangstatt, und Firmen wie U-Turn Mediawaren die Nutznießer. Furlongreiste häufig nach Prag zuBesprechungen mit Obrman undden Programmieren von U-Turn,und Anfang 2008 hatte U-TurnAufträge im Wert von mehr als fünfMillionen Dollar vom SOCOMbekommen, wobei es in der Regelals Subunternehmer einer größerenFirma oder als Partner einer in

indianischem Besitz befindlichenFirma gearbeitet hatte. Außerdemgründete Obrman InternationalMedia Ventures, eine Firma, die inden USA angesiedelt war, weil ermit einer US-amerikanischen Firmaleichter an geheime Staatsaufträgeherankam. Er platzierte das Bürovon IMV neben anderenAuftragnehmern von CIA undPentagon in einem Büropark inSt. Petersburg, Florida, genaugegenüber von den weitläufigenHauptquartieren des SOCOM unddes U.S. Central Command, die auf

der McDill Air Force Base auf deranderen Seite der Tampa Baylagen.

Inzwischen begannen sich beider CIA manche Leute zu fragen,wie es U-Turn/IMV geschafft hatte,geheime Staatsaufträge an Land zuziehen. Was genau war dieVerbindung zwischen Furlong,einem hochrangigen Zivilbeamten,und dem obskuren tschechischenUnternehmen, bei dem eine kleineArmee von Programmierern Spieleund Websites für das Pentagonentwickelte? Die CIA-Station in Prag

begann Telegramme nach Langleyzu schicken, in denen dasArrangement kritisch hinterfragtund darauf hingewiesen wurde,dass es russischen Geheimagentenwomöglich leichtfallen könnte, U-Turn zu infiltrieren.

Und es gab ein noch größeresProblem. Im Jahr 2007 hatte dasSOCOM wie erwähnt in aller Stilledie Computerserver mit den Daten,die es über amerikanischeStaatsbürger gesammelt hatte,nach Prag ausgelagert. Zwar warenviele Militärs der Ansicht, dass das

Pentagon nach der Verlegung derServer nicht mehr gegen dasamerikanische Abhörrecht verstieß,aber die Vereinigten Staaten hattendamit eine geheimeComputeroperation in einembefreundeten Staat aufgebaut, undzwar ohne die Prager Regierungdarüber zu informieren. Dies warschon unter normalen Umständenmit erheblichen Risiken verbunden.Der Geheimdienst des verbündetenLandes konnte nämlich dieOperation entdecken und siebeenden. Anschließend konnte er

sich dann rächen, indem er beianderen Operationen dieZusammenarbeit mit der CIAverweigerte.

Doch die Umstände in dendiplomatischen Beziehungenzwischen den Vereinigten Staatenund der Tschechischen Republikwaren damals nicht normal: DieRegierung Bush warb geradeaggressiv um die Prager Regierung,damit diese ihr gestattete,südwestlich von Prag einRadarsystem für ihrRaketenabwehrprogramm zu

installieren. Die tschechischeGenehmigung war schwer zubekommen gewesen, weil dieMoskauer Regierung unter WladimirPutin die Raketenabwehrpläne derBush-Administration schon seitJahren scharf kritisierte und Druckauf die osteuropäischen Länderausübte, damit sie den USA nichterlaubten, Radaranlagen auf ihremTerritorium zu bauen.

Die Spannungen zwischen derCIA und Furlong eskalierten. Mitte2008 war Furlong in die LacklandAir Force Base in San Antonio,

Texas, umgezogen und hatte dorteine Stelle beim Joint InformationOperations Warfare Command,einer Einrichtung für psychologischeKriegführung, angetreten. Aber erhatte die Aufsicht über die Projektevon U-Turn/IMV trotzdem behalten,und im Juni 2008 beschloss er ganzkurzfristig, auf dem Rückweg vonAfghanistan nach Texas in Prageinen Zwischenstop einzulegen undsich mit Mitarbeitern der Firma zutreffen.

Der Stationschef der CIA undandere Beamte in der

amerikanischen Botschaft in Praghatten erst kurz davor erfahren,dass das Pentagon in den Büros vonU-Turn eine geheime Operation zurDatenspeicherung betrieben hatte.Die Operation war beendet worden,weil in Washington Bedenken inBezug auf die Legalität derDatenbank bestanden hatten, nunjedoch saß Furlong in deramerikanischen Botschaft, ohneeine ordentliche Genehmigung füreine Geschäftsreise nach Prag zubesitzen, und die CIA-Beamten inder Stadt hatten den Verdacht, dass

er das Datengewinnungsprogrammvielleicht wiederauferstehen lassenwollte. Sie fürchteten, dass deraufgeblasene Kettenraucherwochenlang im Land bleiben undGeheimprojekte beaufsichtigen undwomöglich die monatelangenVerhandlungen über einenRaketenabwehrvertrag zumScheitern bringen würde.

Es folgte eine Anzahl hektischerTelefonate zwischen Prag,Washington und San Antonio, weilalle herauszufinden suchten, wasman wegen Furlong unternehmen

sollte. Alle kamen zu dem Schluss,dass die Antwort ganz einfach war:Schafft ihn aus dem Land, und zwarso schnell wie möglich. Lt. GeneralJohn Koziol, Furlongs Chef in SanAntonio, erreichte ihn in Prag underteilte ihm eine überaus deutlicheAnweisung: Zahlen Sie IhreHotelrechnung und verlassen Siemit dem ersten möglichen Flug dasLand. Furlong wurde regelrecht ausder Tschechischen Republikvertrieben. »Die CIA machte ihntotal fertig«, sagte ein Offizier, derin San Antonio mit Furlong

zusammenarbeitete.Furlongs Pläne waren zunichte

gemacht, und er stand von da anbei der CIA auf der schwarzen Liste.Er hoffte jedoch, dass seineMentoren in den oberen Etagen desVerteidigungsministeriums ihnschützen würden und wandte sichbereits einem neuen Problem zu.Der Zunahme bewaffneter Gruppenin Pakistan, die über die Grenzenach Afghanistan einsickerten.Furlong war entschlossen, denamerikanischenMilitärkommandeuten bei diesem

Problem zu helfen, und er war sichsicher, dass die CIA dieser Aufgabenicht gewachsen war. Außerdemwar es inzwischen etwasPersönliches. Nach der Episode inPrag begann er die CIA als »meineNemesis« zu bezeichnen.

Nur wenige Wochen nachdem eraus der Tschechischen Republikvertrieben worden war, landete einFlugzeug mit AußenministerinCondoleezza Rice und einer Scharamerikanischer Diplomaten auf demPrager Flughafen. An jenem Abendstießen Rice und der tschechische

Außenminister Schwarzenberg beieinem luxuriösen Dinner mitChampagner auf den neuenRaketenabwehrvertrag und auf eineneue Ära freundschaftlicherBeziehungen zwischen denVereinigten Staaten und derTschechischen Republik an.

11

DER ALTE KEHRT ZURÜCK

»Erinnern Sie sich an das erste Gebotfür den Ruhestand, George? Keine

Schwarzarbeit. Kein Weiterstricken anunerledigten Fällen. Keinerlei private

Initiative.«John le Carré, Agent in eigener Sache

General David McKiernan hattegenug gehört. Es war Monate her,dass der amerikanische

Oberbefehlshaber in Afghanistanüber den Plan zweierGeschäftsleute informiert wordenwar, im ganzen Land und jenseitsder Grenze in Pakistan ein Netz vonInformanten aufzubauen undregelmäßig Berichte zu liefern. Nunwollte er wissen, warum dasUnternehmen zum Stillstandgekommen war. Er hatte gehofft, eskönnte verlässliche Informationenüber Pakistan liefern, im Gegensatzzu den Meldungen der CIA, beidenen er den Verdacht hatte, dasssie von pakistanischen Agenten

manipuliert waren. Bestimmt wurdedas Projekt irgendwo in derBürokratie des Pentagons vongesichtslosen Gnomen behindert.

»Wer ist der Kommunist, den ichtöten muss, um diesen Vertrag zubekommen?«, schrie McKiernanseine Mitarbeiter an, als er erfuhr,dass die Mittel für dasNachrichtenbeschaffungsprojektimmer noch nicht bewilligt waren.

McKiernans Tischnachbar andiesem Tag im Herbst 2008 warMichael Furlong, der seit einigerZeit zwischen Kabul und San

Antonio hin- und herpendelte in derHoffnung, für die Generäle inAfghanistan jede MengeInformationsbeschaffungsprojektenin Gang zu setzen, von einerKartierung der Stammesstruktur inden südlichen Gebieten im Südenbis zur Durchführung von Umfragenüber die Einstellung der Afghanenzum amerikanischen Militär. DerKrieg wurde jeden Tag schlimmer.Die Taliban hatten große Gebieteim Süden und Osten des Landeszurückerobert, töteten Vertreter derafghanischen Regierung und

etablierten Schattenregierungen fürdie Provinzen Kandahar undHelmand. Durch dieFriedensabkommen in Nord- undSüd-Waziristan 2006 waren dieTaliban und das Haqqani-Netzwerkerst richtig aufgeblüht und hattenvon pakistanischen Dörfern ausverstärkt amerikanische Vorpostenangegriffen. Im Juni 2008, alsMcKiernan das Kommandoübernahm, waren mehramerikanische Soldatenumgekommen als in jedem anderenMonat seit Beginn des Kriegs im

Jahr 2001.McKiernan war gleich nach seiner

Ankunft in Kabul überzeugtgewesen, dass er nicht genugSoldaten zur Verfügung hatte. DerIrakkrieg war für die RegierungBush immer noch die erste Priorität,und deshalb blieb dervernachlässigte Konflikt inAfghanistan weiterhin eine»Operation mit ökonomischemKräfteeinsatz«, wie es im Pentagoneuphemistisch hieß. McKiernansVorgänger General Dan McNeillhatte, als er das Land verließ, die

amerikanische Kriegsstrategie inAfghanistan scharf kritisiert underklärt, dass die amerikanischenKommandeure mehr Bodentruppen,Hubschrauber undNachrichteneinheiten benötigten.Admiral Mike Mullen, derVorsitzende des VereinigtenGeneralstabs, war bei einerAnhörung im Kongress mit denWorten zitiert worden: »InAfghanistan tun wir, was wirkönnen, im Irak tun wir, was wirmüssen.«

General McNeill hatte außerdem

der pakistanischen Regierungvorgeworfen, nicht genug gegenden steten Strom von Kämpfern zuunternehmen, der sich über diepakistanisch-afghanische Grenzeergoss. Tatsächlich stand Pakistanhäufig im Zentrum der Kritik deramerikanischen Generäle, wenn sieüber die Zunahme der Gewalt inAfghanistan klagten. Schon imSeptember 2006 hatte McNeillsVorgänger Lt. General KarlEikenberry versucht, das WeißeHaus auf das Problem aufmerksamzu machen, indem er ein Dossier

über die Tatenlosigkeit derpakistanischen Regierung in denStammesgebietenzusammenstellte. Er reiste mit einerPowerPoint-Präsentation nachWashington, um die pakistanischeKomplizenschaft bei derUnterstützung der irregulärenGewalt in der Region zu beweisenund wies sogar darauf hin, dassJalaluddin Haqqani in Miranshah,weniger als eineinhalb Kilometervon einem großen pakistanischenMilitärstützpunkt entfernt, ganzoffen seine Madrasa betrieb

(dieselbe Koranschule, die die CIAund der ISI im Sommer 2006erfolglos durchsucht hatten).

Aus diesen Gründen war GeneralMcKiernan sofort fasziniert von demVorschlag der beidenGeschäftsleute, in PakistanInformationen zu sammeln und siean das amerikanischeMilitärkommando in Kabulweiterzuleiten. Die Männer, die denVorschlag machten, Eason Jordan,ein jovialer früherer CNN-Manager,und Robert Young Pelton, einkanadischer Schriftsteller, der eine

Ratgeberserie für Reisendegeschrieben hatte, die diegefährlichsten Orte der Weltbesuchen wollten, hatten schonvorher zusammengearbeitet. In denblutigsten Tagen des Irakkriegshatten sie die Website»IraqSlogger« gestartet, dieTatsachen und Gerüchte über denIrak und Berichte lokaler irakischerJournalisten verbreitete. DieWebsite konnte sich einer kleinen,aber engagierten Anhängerschaftrühmen, war aber finanziell insTrudeln geraten und hatte

zumachen müssen. Nun wolltenPelton und Jordan das Projekt inAfghanistan wiederholen und hattenfür eine Website, die sie »AfPaxInsider« nennen wollten, inPakistan und Afghanistan ein Netzfreier Mitarbeiter angeworben.Dieses Mal hofften sie jedoch, dassdas Pentagon das Projektfinanzieren würde.

Doch General McKiernan wolltekein Internet-Nachrichten-Startupsponsern. Als er sich im Juli 2008 inKabul mit Jordan traf, erklärte er, erwünsche regelmäßige Berichte aus

Regionen, die für seine Soldatennicht zugänglich seien und über dieihm die CIA keine verlässlichenInformationen liefere. SeineBeziehung zu dem CIA-Stationschefin Kabul war schlecht; die beidenMänner sprachen kaum nochmiteinander. McKiernan zog aufseinen Stabskonferenzen offen überdie CIA her. Er war nur wenigeWochen nach seiner Ankunft inKabul zu dem Schluss gekommen,dass der Geheimdienst in denpakistanischen Stammesgebietenkaum Informanten besaß, die die

amerikanischen Kommandeure vorden dort ausgeheckten Anschlägenwarnen konnten. Nur einen Tagbevor McKiernan sich mit Jordantraf, hatten Kämpfer der Talibaneinen militärischen Vorposten derAmerikaner im ostafghanischenWanat angegriffen und neunSoldaten getötet sowiesiebenundzwanzig verwundet.

Bei einem früheren Treffen hatteJordan McKiernan beeindruckt,indem er Vertretern des Militärseine Liste mit Telefonnummernmutmaßlicher islamistischer

Kämpfer übergab, die seine freienMitarbeiter gesammelt hatten. WieJordan sagte, gab er nur dieNummern von »Sprechern« derTaliban weiter, die häufig mitJournalisten Kontakt hatten. DieNummern waren in eine geheimeDatenbank eingespeist worden, diedas Militär auf demLuftwaffenstützpunkt Bagrambetrieb, und eine Handvoll stimmtemit Telefonnummern überein, diedas Militär bereits selbstüberwachte. Dies verstärkte beiMcKiernans Stab die Erwartung,

dass das Team wertvolleEchtzeitinformationen liefernkonnte, und am Ende bewilligte er22 Millionen Dollar für AfPax Insiderund befahl Michael Furlong, dafür zusorgen, dass das Geld ankam.

Furlong war es wieder einmalgelungen, sich fast unmerklich insZentrum der amerikanischenKriegsanstrengungen zu schieben,und in der zweiten Hälfte desJahres 2008 nahm er häufig anBesprechungen teil, wenn es umPropaganda- undNachrichtenbeschaffungsaktionen in

Afghanistan ging. McKiernan vergaßoft seinen Namen und sprachgegenüber anderen Mitgliedernseines Stabs von »diesem fetten,verschwitzten Kerl«, wenn er ihnmeinte.

Falls McKiernan Furlongunterschätzte, machte er jedocheinen Fehler. Er hattewahrscheinlich kaum einenGedanken an die möglichen Folgenseiner Zustimmung zu Jordans undPeltonsInformationsbeschaffungsprojektverschwendet, aber dass er Michael

Furlong mit dessen Durchführungbetraute, führte zu einer derbizarrsten Episoden des Privatkriegsseit 2001. Viele Elemente, die sichim Lauf der Zeit sozusagen imLabor entwickelt hatten – dieRivalität zwischen Militär und CIA,das expandierende Universum derstaatlichen Spionage, dieschleichende Privatisierung desKriegs – verbanden sich nun zueiner hochexplosiven Mischung.Jahre später, als Untersuchungenangestrengt und Schuldigeausgemacht wurden, sollte Michael

Furlong ein schlimmeres Schicksalerleiden, als er je befürchtet hatte.Er wurde nicht dazu verdonnert,eine Weile »Basketbälle in Dakotaaufzublasen«, sondern war gleichkomplett aus dem Spiel.

Ein wütender McKiernan dagegenmusste nach seiner Genehmigungdes AfPax-Insider-Projektsschwerlich erfahren, dass selbst einViersternegeneral nicht immerbekommt, was er will. SeineBemühungen um eine Finanzierungdes Projekts stießen aufHindernisse, die größtenteils die

CIA aufgebaut hatte.Am 5. September 2008 war

Furlong mit einer Gruppehochrangiger Vertreter desVerteidigungsministeriums nachLangley gefahren, um denInformationsbeschaffungsplan imCounterterrorism Center der CIAvorzustellen. In seiner Begleitungwaren Brigadier-General RobertHolmes, Deputy Operations Officerbeim U.S. Central Command, undAustin Branch, ein ziviler Beamter,der für das Geheimdienstbüro desPentagons arbeitete, das Donald

Rumsfeld mehrere Jahre zuvorgegründet hatte.

Wegen der Episode in Prag, dienur wenige Monate zurücklag, wardie CIA bereits vor Furlong auf derHut, und dieser wusste genau, wieempfindlich der Geheimdienstreagieren konnte, wenn er glaubte,dass das Pentagon in sein Reviereindrang. Bei der Sitzung wägteFurlong deshalb sorgfältig seineWorte, als er die geplanteOperation vorstellte. SeineDienstleister würden nicht»spionieren«, ja nicht einmal

»Nachrichten beschaffen«, sagte er.Sie würden lediglich»atmosphärische Informationen«sammeln, um die Kommandeure inKabul auf dem Laufenden zu haltenund die amerikanischen Truppen zuschützen. »Ich musste einenEuphemismus benutzen für das,was wir taten«, kommentierteFurlong später sein Verhalten.

Sieben Jahre nach dem11. September 2001 hatte sich dasPentagon so stark im Bereich derSpionage engagiert, dass eine ganzneue Terminologie entstanden war.

Ähnlich wie »die Vorbereitung desSchlachtfelds« als Rechtfertigunggedient hatte, wenn amerikanischeSoldaten in Länder entsandtwurden, die sich mit den USA nichtim Kriegszustand befanden, sprachdas Pentagon nun von derBeschaffung »atmosphärischerInformationen«, um die CIA nicht zureizen. Bei der Besprechung imSeptember in Langley versuchteFurlong die CIA-Beamten zuberuhigen, indem er ihnenversicherte, dass die Operationenmit den CIA-Stationen in Kabul und

Islamabad abgestimmt würden.Trotzdem verschlechterte sich dieStimmung rasch. Die Dutzendenvon CIA-Beamten, die zu FurlongsVortrag gekommen waren, hattensofort den Verdacht, dass alles aufeine heimliche Spionageaktionhinauslief.

Noch schlimmer war es dreiMonate darauf, als Furlong zurücknach Afghanistan flog und in Kabuleine Gruppe von CIA-Beamten,darunter auch den Stationschef,über das Projekt informierte. AmEnde brüllten sich die Teilnehmer

der Besprechung nur noch an, undder Stationschef beschuldigteFurlong, er wolle Informationen fürTötungsoperationen in Pakistanbeschaffen. »Einer der CIA-Typenspuckte buchstäblich, und Furlongschrie irgendwann zurück«, erinnertsich ein Offizier des Pentagons, deran der Besprechung teilnahm.Einige Wochen später verfasste einRechtsanwalt aus dem CIA-Hauptquartier in Langley einSchreiben für das Pentagon, in demdie CIA offiziell gegen dasProgramm protestierte, weil es ihrer

Ansicht nach unkontrolliert undtendenziell gefährlich war.

Furlong hatte mit demWiderstand gerechnet. Er entsprachganz und gar seinem Bild von derengstirnigen, unflexiblen CIA, dieum jeden Preis ihren Besitzstandverteidigte und die Tatsacheignorierte, dass sie nicht in derLage war, Angriffe aus Pakistan zuverhindern, denen täglichamerikanische Soldaten zum Opferfielen. Er war der festenÜberzeugung, dass die CIA einenfaustischen Pakt mit Pakistan

geschlossen hatte. Seiner Ansichtnach ignorierte sie, dass der ISI dieTaliban und das Haqqani-Netzwerkunterstützte, weil sie im Austauschdafür ihre Drohnen in Pakistaneinsetzen durfte. DieInformationsbeschaffung zumSchutz amerikanischer Truppen,argumentierte Furlong gegenüberden CIA-Beamten, falle ganzeindeutig unter die Vollmachten desPentagons gemäß Title 10, ganzegal, wo sie stattfinde.

Während die CIA dieGenehmigung von AfPax Insider zu

blockieren versuchte und dieAnwälte des Militärs im U.S. CentralCommand über den Details dergeplanten Aufklärungsoperationbrüteten, kam Furlong zu demSchluss, dass er auf dieGenehmigung aus Washington nichtzu warten brauchte. Er sorgte dafür,dass das Projekt aus einem fürNotfälle bestimmten Fonds desMilitärs ein Startkapital von einerMillion Dollar erhielt, und dannumschiffte er noch ein schwierigesbürokratisches Problem, nämlich,dass weder Eason Jordan noch

Robert Young Pelton vom Staatanerkannte Lieferanten waren.Seine Lösung war einfach: Erunterstellte das Projekt derKontrolle einer Firma, die er gutkannte, der International MediaVentures von Jan Obrman in St.Petersburg, Florida. Bis zum April2009 hatte er weitere 2,9 MillionenDollar für das Projekt aufgetrieben,die ausnahmslos über dasUnternehmen in Florida flossen.Furlong, der Meistermanipulator vonRegierungsaufträgen, nutzte einSystem, das reif war für den

Missbrauch. Der Kongress hatteMilliarden für die Kriege im Irak undin Afghanistan bewilligt, doch esgab praktisch keineparlamentarische Kontrolle, wie dasGeld ausgegeben wurde.

Pelton und Jordan sahen freilichnur wenig davon und hegtenallmählich den Verdacht, dassFurlong andere Pläne mit dem Geldverfolgten, das General McKiernanzur Finanzierung von AfPax Insiderangefordert hatte. Trotzdemsetzten sie ihre Arbeit fort. Peltonfuhr regelmäßig durch Afghanistan

und beschaffte Informationen beiStammesältesten, Talibankämpfernund Warlords. Er reiste mit einemTeam von Offizieren in Zivilkleidungund fuhr stundenlang überausgewaschene Straßen nachOsten, wo er an der pakistanischenGrenze Daten sammelte. Er nahmauch ein Flugzeug in dieentgegengesetzte Richtung zu dergemeinsamen Grenze Afghanistansmit dem Iran. Dort traf er IsmailKhan, den mächtigen Warlord derGroßstadt Herat, umherauszufinden, ob er den

amerikanischen Krieg in seinemLand unterstützte.

General McKiernansAufmerksamkeit war damals geradevon anderen Dingen in Anspruchgenommen. Es ging das Gerücht,dass Präsident Barack Obama, derim Januar 2009 sein Amtangetreten hatte, mit der Strategieim Afghanistankrieg nicht zufriedenwar und plante, die militärischeFührung in Afghanistanauszutauschen. Im Mai flogVerteidigungsminister Robert Gatesnach Kabul und überbrachte

McKiernan die Nachricht: Obamahatte beschlossen, ihn durch Lt.General Stanley McChrystal, dendamaligen Kommandeur des JointSpecial Operations Command, zuersetzen. Der Führungswechsel warfür Furlong ein Segen: Bei einerBesprechung mit den führendenMitgliedern von McChrystals Stabkonnte er seinInformationsbeschaffungsprojekt alsvollendete Tatsache präsentieren.Bei einem Treffen mit MajorGeneral Michael Flynn, demhöchsten Nachrichtenoffizier in

Afghanistan, sagte er, er habeüberall in Afghanistan und PakistanTeams von Dienstleistern, derenBerichte in geheime militärischeDatenbanken »eingeschoben«würden.

Unterdessen bewahrheitete sichder Verdacht von Jordan undPelton, dass sie ausgebootetwerden sollten, denn als sie vonFurlong Geld verlangten, schrieb erihnen in diversen E-Mails, dass erbessere Leute mit besserenInformationsquellen gefunden habe.Als er Anfang Juli von einer Reise

außerhalb Afghanistanszurückkehrte, schickte er ihnenfolgende E-Mail:

»Die beiden Kerle, mit denen ichmich letztes Wochenende in Dubaigetroffen habe, kommen einerrealen merkantilen Version vonJason Bourne näher als allesandere, was ich je gesehen habe.Beide sprechen fließend Dari,Paschto und Arabisch und bauen vorOrt täglich ihr Netz aus.« GeneralMcKiernan sei nicht mehr im Amt,und die neuen Kommandeure inAfghanistan hätten wenig Interesse

daran, für AfPax Insider zubezahlen. »Seien wir doch ehrlich,Jungs, ihr wollt von der Regierungdas Startkapital für eineDienstleistung. Aber die anderenhaben ihre Investition schongetätigt und in den letzten vier oderfünf Jahren ihr Netzwerkaufgebaut.«

Wer genau waren diesemysteriösen neuen Dienstleister,diese »Jason Bournes«? Furlongnannte sie in seinen E-Mails nichtnamentlich. Er sprach nur voneinem Netzwerk früherer CIA-

Beamter und Mitglieder vonSpezialeinsatzkräften, die nicht mitder CIA zusammenarbeiten wollten,weil sie ihnen zu risikoscheu und zuabhängig von ausländischenGeheimdiensten wie dem ISI war.

Sie hatten eine Organisationgebildet, die er als »Schatten-CIA«bezeichnete, und waren bereit,Nachrichten zu beschaffen, dieSpezialkräfte für ihre Einsätzenutzen konnten. Den Chef dieserSchatten-CIA bezeichnete Furlongnur als »den Alten«.

Der 77-jährige Duane »Dewey«Clarridge hatte sich nie geräuschlosin den Ruhestand verabschiedet.Das war nicht sein Stil, undaußerdem hatte er zu viele alteRechnungen offen. Er musste dieCIA infolge der Iran-Contra-Affäreverlassen und war überzeugt, dassihn seine Bosse zum Sündenbockgemacht hatten. Dass er zwei Jahrelang mit dem Vorwurf angeklagtwurde, bei einer Anhörung vor demKongress über seine Rolle in derAffäre gelogen zu haben, war fürihn das Ergebnis einer von

Parteiinteressen motiviertenHexenjagd.

Als Präsident George H.W. Bushihn und andere Beteiligte des Iran-Contra-Skandals, darunter auch denfrüheren VerteidigungsministerCaspar Weinberger, in den letztenTagen seiner Präsidentschaft, amWeihnachtsabend 1992,begnadigte, fühlte er sich ein Stückweit rehabilitiert. Er ließ dieBegnadigungsurkunde einrahmenund hängte sie so in seinemHausflur auf, dass jeder Besuchersie sofort sehen musste.

In den späten 1990er-Jahrenschrieb er das Buch A Spy for AllSeasons mit vielen packendenEinzelheiten über seine Abenteuerim Kalten Krieg. Er bliebüberzeugter Republikaner. Im Jahr1998 arbeitete er zusammen mitdem pensionierten General WayneDowning, dem früheren Chef desJoint Special Operations Command,als privater Berater an einem Plan,Tausende von Exilirakern undamerikanischen Kommandotruppenin den Irak zu schaffen, um dasRegime von Saddam Hussein zu

stürzen. Ahmed Tschalabi,Vorsitzender des irakischenNationalkongresses und einbeliebter Politiker bei denrepublikanischen Befürworterneines Kriegs gegen den Irak,unterstützte den Downing-Clarridge-Plan, aber GeneralAnthony Zinni, der Kommandeurdes U.S. Central Command, lehnteihn als Hirngespinst ab. Er nannteihn »Invasion in der Ziegenbucht«.

Als die Vereinigten Staaten imJahr 2003 Saddam Husseinschließlich doch stürzten, sammelte

Clarridge Geld für diverse privateInitiativen, die – allen vorliegendenDaten zum Trotz – zu beweisenversuchten, dass der irakischeDiktator im ganzen Land geheimeVorräte an chemischen undbiologischen Waffen gelagert hatte.Clarridge blieb immer einunerschütterlicher Befürworteramerikanischer Interventionen imAusland. So gab er zum Beispiel2007 ein Interview, in dem er vieleder berüchtigtsten CIA-Operationenvoller mit dem Argumentverteidigte, die USA hätten die

Pflicht, im Ausland ihren Willendurchzusetzen.

»Wir intervenieren, wann immeres in unserem nationalenSicherheitsinteresse liegt, ob esIhnen passt oder nicht«, sagte er zueinem Reporter. »Gewöhn dichdran, Welt, wir lassen uns nichtsgefallen.«

Aber auch die CIA sah erinzwischen sehr kritisch. Ebenfalls2007 beklagte er in einer Rede inArkansas, wie sehr die CIA dieNachrichtenbeschaffung ausmenschlichen Quellen im Lauf der

Jahre zurückgefahren habe. Siekönne keine verlässlichenInformationen über die Regime imIran und in Nordkorea beschaffen,weil sie zu abhängig vonSpionagesatelliten undelektronischen Abhörmaßnahmengeworden sei. Clarridge glaubte,dass nervenschwache Anwälte inLangley zu viel Macht hätten undroutinemäßig Vorschläge fürrisikofreudigeNachrichtenbeschaffungseinsätzezum Scheitern bringen würden. Erträumte von einer neuen Art von

Geheimdienst, einer kleineren undschlankeren Einrichtung, die keinemfremden Staat verpflichtet wäre,ähnlich dem Office of StrategicServices, aber modernisiert für dieWelt des 21. Jahrhunderts – einerWelt, die von Konzernen, von boseninterkontinentalen kriminellen undterroristischen Netzwerken und vonmultinationalen Institutionengeprägt war.

Private Spionage war keine ganzneue Idee. Der Gründer des OSS,William Donovan, war nach demZweiten Weltkrieg so verzweifelt,

weil ihn Präsident Truman nichtzum ersten CIA-Direktor ernannthatte, dass er seinen eigenenGeheimdienst schuf. AufGeschäftsreisen in Europasammelte er bei amerikanischenBotschaftern und JournalistenInformationen über sowjetischeAktivitäten und suchte nachmöglichen Geheimagenten. Erbombardierte die offiziellenVertreter der CIA mit Vorschlägenfür verdeckte Operationen. Trumanjedoch war wütend, als er vonDonovans Unternehmen erfuhr, und

nannte ihn einen »schnüffelndenHundesohn«. In den Jahren danachgelang es der CIA in der Regel,ähnliche Versuche privaterSpionage zu unterbinden.

Clarridge hatte es sich in der Zeitnach seiner Pensionierung mit denmeisten seiner Bekannten inLangley verdorben, war aber miteinem Kreis pensionierter Offiziereder Spezialeinsatzkräfte inVerbindung geblieben, diewiederum Kontakte zu aktivenKommandosoldaten in Fort Braggund auf Vorposten in Afghanistan

und im Irak hatten. Dass Clarridgedie CIA als tollpatschig undamateurhaft kritisierte, machte ihnbei einigen dieser Leute beliebt,und er konnte sich auf einen kleinenKader pensionierterKommandosoldaten stützen, als erfür Operationen in Afghanistan undPakistan ein Netzwerk aufbaute.

Er tat sich mit seinem früherenGeschäftspartner Mike Taylorzusammen, einem ehemaligenGreen Beret, der in Boston dieprivate Sicherheitsfirma AmericanInternational Security Corporation

betrieb, und sie knüpften ein Netzvon Westlern, Afghanen undPakistanern, die ihrer Ansicht nachin der Region operieren konnten,ohne Verdacht zu erregen. DasNetzwerk wurde erstmals aktiv, alsClarridge den Auftrag bekam, beider Befreiung von David Rohde zuhelfen. Der Reporter der New YorkTimes war in Ostafghanistan vonHaqqani-Anhängern entführt undüber die pakistanische Grenze in dieStadt Miranshah in Nord-Waziristanverschleppt worden. Während dermonatelangen Geiselhaft erzählte

Clarridge Mitgliedern von RohdesFamilie, dass seine Agenten in denpakistanischen Stammesgebietenherausfinden könnten, wo derReporter gefangen gehalten würde.Sie könnten die Information dannentweder für eineRettungsoperation an das Militärweitergeben oder über seineFreilassung verhandeln.

In einer dunklen Nacht im Juni2009 kletterten Rohde und seinafghanischer Dolmetscher über dieMauer des Anwesens, wo siefestgehalten wurden, und schafften

es, einen Vorposten despakistanischen Militärs zu erreichen.Clarridges Agenten waren bei derFlucht nicht behilflich gewesen,aber die Details der dramatischenEpisode waren so undurchsichtig,dass Clarridge die Gelegenheitnutzte, mit dem Fall Rohde umneue Aufträge zu werben. DieBetreuung privater Entführungsfällein Afghanistan war freilich keinGeschäftsmodell, das explosivesWachstum versprach, und Clarridgehatte viel höhere Ziele: Wenn er dieRegierung dazu bringen konnte,

seine Leute zu engagieren, war erwieder als Geheimdienstmann imSpiel.

Die Gelegenheit bot sich schonwenige Wochen nach RohdesFlucht, als die amerikanischenSoldaten in Afghanistan nach einemweiteren Vermissten suchten: demjungen Soldaten Bowe Bergdahl ausIdaho. Bergdahl war im Juni 2009unter mysteriösen Umständen inder afghanischen Provinz Paktikaverschwunden. UnterschiedlichenBerichten zufolge war er entwederauf einer Patrouille in

Gefangenschaft geraten, oder erhatte sich einfach unerlaubt von derTruppe entfernt. Als er beimMorgenappell nicht auf seinemStützpunkt war, schickten seineKommandeure Predator-Drohnenund Spionageflugzeuge los, um dieGegend abzusuchen.

Schon nach wenigen Stundenhörten die Flugzeuge ein Gesprächzwischen Talibankämpfern ab, dieüber zwei Sprechfunkgerätekommunizierten. Sie sprachen überihren Plan, die Soldaten, die nachBergdahl suchten, in einen

Hinterhalt zu locken:»Wir warten auf sie.«»Sie wissen, wo er ist, aber sie

gehen ständig in das falscheGebiet.«

»Okay, macht ihnen die Hölleheiß.«

»Ja, wir haben eine MengeSprengfallen auf der Straße.«

»So Gott will, werden wir estun.«

Doch die Amerikaner wusstengar nicht, wo sich Bergdahl befand.Er war ein Kriegsgefangener mitunbekanntem Aufenthaltsort

geworden, ein sogenannterDUSTWUN (Akronym für dutystatus: whereabouts unknown).Furlong wollte Bergdahl unbedingtfinden. Deshalb flog er kurz daraufnach Dubai, wo der sich mitMitgliedern von Clarridges Teamtraf. Sie hatten Kontakt zu ihmaufgenommen, weil sie angeblichInformationen über denAufenthaltsort des vermisstenSoldaten verfügten. Furlong warfasziniert; endlich bekam er dieGelegenheit, mit dem legendärenDewey Clarridge

zusammenzuarbeiten.Zwar arbeitete er immer noch

daran, die ursprünglich vonMcKiernan beantragten 22 MillionenDollar loszueisen, hatte aber vielgrößere Pläne für seineSpionageorganisation. Er hatteseine »Jason Bournes« gefundenund brauchte die Leute von EasonJordan und Robert Young Peltonnicht mehr, die er nun alszweitklassig betrachtete. In einervon Agentenjargon durchsetzten E-Mail erklärte er den beiden, dassdie Männer von Clarridge, die er in

Dubai getroffen hatte (einer hatteden Decknamen »WILLI 1«),»besser vernetzt sind, als ich es jeerlebt habe«, und dass sie inPakistan einen »Agenten dicht andas Paket herangebracht haben«.Das »Paket« war Bowe Bergdahl.Furlong wusste freilich, dass erseine Kompetenzen weitüberschritt, wenn er in Pakistan eingeheimes Spionagenetz betrieb,und er war sich sicher, dass seineFeinde bei der CIA versuchenwürden, die Operation abzuwürgen,wenn sie erfuhren, was er vorhatte.

Er schrieb, dass er eine»spitzenmäßige Tarnung« brauche,»damit mir unsere Nemesis nichtdie Hölle heiß macht« – womitnatürlich die CIA gemeint war.

Bis Furlong Geld für dieOperation auftreiben konnte,arbeiteten Clarridge und seineLeute umsonst für das Militär. Undweil Furlong noch keine Möglichkeitbesaß, um die Berichte vonClarridges Team direkt in dasSystem des militärischenGeheimdiensts einzugeben,benutzte er inoffizielle Kanäle, um

die Meldungen an Freunde beimU.S. Central Command und beimSpecial Operations Command inTampa weiterzuleiten. Doch dasimprovisierte Prozedere verursachteVerwirrung, und schon bald schickteder stellvertretende Kommandeurvon Bergdahls Einheit eine wütendeE-Mail nach Kabul, in der eranfragte, wer genau dieseGeheimagenten seien, die in denpakistanischen Stammesgebietenherumrennen würden. »Mir ist nichtwohl bei diesem Arrangement«,schrieb er. »Bitte geben Sie mir

direkte Kontaktinformationen fürdiese ›Quellen‹, damit ich einenerfahrenen Experten für HumanIntelligence und ein Team vonAnalysten einschalten kann. Wennnicht, ist die Gefahr sehr groß, dasswir Fehler machen und Chancenverpassen.«

Während des ganzen Sommers2009 erweiterten Clarridge undseine Leute stillschweigend denUmfang der Informationen, die siean das Militär weitergaben. Eindetailliertes Dossier von Clarridgeüber die angeblichen

Aufenthaltsorte führender Männerdes Haqqani-Netzwerks in Pakistanwurde in geheimenachrichtendienstliche Kanäleeingespeist und vonSpezialeinsatzkräften benutzt, umdie Aktivitäten des Netzwerks zuüberwachen.

Clarridge leitete das Ganze vieleTausend Kilometer entfernt vonseinem bescheidenen Haus inEscondido aus, einer kleinen Stadtim Großraum San Diego inKalifornien. Dort hatte er dasNervenzentrum der Operation

eingerichtet und hielt mit einemComputer und einem HandyKontakt zu seinen Agenten. EinigeOffiziere von Spezialeinsatzkräftenin Tampa und in Kabul fingen an,seine Kommandozentrale scherzhaftals »Escondido 1« zu bezeichnen. Ertrottete Tag und Nacht durch dasHaus und beantwortete E-Mails vonTeammitgliedern, die ihm zwölfZeitzonen voraus waren. Manchmalsprach er auch mit Agenten, wenner an seinem Swimmingpool lag.

Ende September 2009 hatteFurlong endlich einen Auftrag für

die private Spionageoperation anLand gezogen, einen 22-Millionen-Deal unter Federführung vonLockheed Martin. Die Laufzeitbetrug sechs Monate mit einerOption auf Verlängerung. Durch dasungewöhnliche neue Arrangementwurden Verfahren festgelegt, wieClarridge seine Berichte – eineMischung aus Gerüchten über dieAufenthaltsorte von Taliban- undQaida-Führern, Geschichten, die aufDorfbasaren erzählt wurden, undeinigen sehr präzisen Informationenüber geplante Anschläge auf

amerikanische Truppen inAfghanistan – in die vonMilitärkommandeuren genutztengeheimen Datenbanken einspeisenkonnte.

Clarridge fungierte alsZwischenstation. Er nahm dieInformationen aus demEinsatzgebiet entgegen undverarbeitete sie zu»Lageberichten«. Diese gingen perHushmail, einem verschlüsselten,privaten E-Mail-Dienst, an einkleines Team von Dienstleistern,die Furlong in einem militärischen

Kommandoposten in Kabul platzierthatte. Einige von ihnen arbeitetenfür International Media Ventures,das kürzlich einen Führungswechselerlebt hatte. Jan Obrman hatte diemeisten seiner alten Topmanagerentlassen und eine Gruppegrauhaariger pensionierter Offiziereals neue Firmenleitung engagiert.Richard Pack, der neue Chef vonInternational Media Ventures war1980 einer der Planer desvermasselten Einsatzes zurBefreiung der amerikanischenGeiseln in Teheran gewesen. Robert

Holmes, ein weiteres Mitglied desneuen Managements, war einpensionierter Luftwaffengeneral.Noch im Jahr zuvor hatte er alsOperations Officer beim U.S. CentralCommand mit Michael FurlongLangley besucht, um den Plan fürdasInformationsbeschaffungsprojekt inAfghanistan zu präsentieren. DasTeam in Kabul gab die Hushmail-Botschaften, die es von Clarridgeund weiteren Teams erhielt, diedamals für Furlong arbeiteten, ingeheime militärische Datenbanken

ein.Sobald die Berichte im

Blutkreislauf der Nachrichtendienstekursierten, waren die Informationender privaten Spione von denen derCIA-Führungsoffiziere und derAgenten der militärischenGeheimdienste praktisch nicht mehrzu unterscheiden. Einige vonClarridges Berichten enthielten lauteiner Untersuchung des Pentagonsdie genauen Längen- undBreitengrade der Stützpunktefeindlicher Kämpfer in Pakistan undder Bewegungen von

Talibankämpfern in denMohnanbauregionen im SüdenAfghanistans. Die Berichte führtenmanchmal auch zu Einsätzen. Sobeschossen schwerbewaffneteApache-Hubschrauber der Armyzumindest teilweise gestützt aufClarridges InformationenTalibankämpfer, die sich in derNähe eines amerikanischenStützpunkts im Osten von Kandaharsammelten, und das Joint SpecialOperations Command nahm einmutmaßlich von feindlichenKämpfern genutztes Anwesen in

Pakistan mit weitreichenderArtillerie unter Beschuss.

Furlong war von diesenErgebnissen begeistert und prahltehäufig vor Kollegen, dass die vonseinem privaten Netzwerkgesammelten Informationen die CIAin Verlegenheit gebracht hätten.

Auch für Clarridge war es eineArt Daseinszweck, die CIA zublamieren, und sein Spionagenetzbeteiligte sich gelegentlich amKleinkrieg zwischen Militär und CIA– einer seltsamen Kreuzungzwischen einem Roman von Graham

Greene und dem Comic »Spion &Spion« im Satiremagazin MAD.Einmal suchte Clarridges Gruppefieberhaft nach diskreditierendenFakten, um Ahmed Wali Karzai inVerruf zu bringen, den Halbbruderdes afghanischen Präsidenten undmächtigsten politischenStrippenzieher im SüdenAfghanistans, der zu denwichtigsten Informanten der CIA imLand gehörte.

Ahmed Wali Karzai hatte seitBeginn des Kriegs Millionen Dollarvon der CIA bekommen und

rekrutierte bis 2009 Kämpfer füreine von der CIA ausgebildeteArmee von Afghanen, die sichKandahar Strike Force nannte. ImGegensatz zur CIA betrachtetenführende amerikanische Generäleeinschließlich McKiernan undMcChrystal »AWK« jedoch als einenzersetzenden Einfluss im Süden desLandes. Ihrer Ansicht nach stand erim Zentrum der weit verbreitetenKorruption, die viele Afghanen denTaliban in die Arme trieb.

Clarridge stellte ein Dossier überAhmed Wali Karzai zusammen, in

dem dieser unter anderem mitHeroinhandel, Landraub und Mordin Verbindung gebracht wurde, undschickte es an dieMilitärkommandeure von Kabul. Sieverwendeten das Dokument ineiner Kampagne, mit der sie KarzaisEntmachtung in Kandahar erreichenwollten, doch die CIA stellte sichquer. Karzai behielt seinen Posten.

Letztlich konnte Ahmed WaliKarzai seinen vielen Feindendennoch nicht entkommen: Erwurde ermordet, als er in seinemPalast in Kandahar aus dem

Badezimmer kam – seinlangjähriger Leibwächter hatte ihmin Kopf mit Brust geschlossen.

Mit dem Aufbau eines privatenSpionagerings verstieß Furlonggegen eine Vorschrift desPentagons, die es dem Militärverbot, Privatleute für menschlicheNachrichtenbeschaffung zuengagieren. Doch Furlong wusste,dass die Grenzen zwischenSpionage- und Soldatenhandwerkso verschwommen waren, dass erseine Arbeit relativ leicht

rechtfertigen konnte. Alsamerikanische Regierungsbeamte inKabul fragten, wer seine Operationautorisiert habe, und als seineVorgesetzten in San Antoniowütende Anrufe von der CIAbekamen, in denen er beschuldigtwurde, ein illegales Spionagenetzzu betreiben, schoss er mit eigenerMunition zurück.

Just als das Pentagon denVertrag mit Lockheed Martin überdie private Spionageaktiongenehmigte, brachte das CentralCommand eine umfassende

Geheimdirektive heraus, die dieSpionageaktivitäten des Militärs aufdie gesamte muslimische Welt, vonSaudi-Arabien über den Jemen undden Iran bis Pakistan ausdehnte. Indem von David Petraeus, demKommandeur des CENTCOM,unterzeichneten Erlass, wurdenneue Einsätze befohlen, die fürkünftige Kampfhandlungen imgesamten Nahen Osten »den Bodenbereiten« und das Militär aufOperationen, die die CIA nichtdurchführen konnte, einschwörensollten. Die Direktive genehmigte

auch die Aktivitäten strenggeheimer Einheiten wie Task ForceOrange, jener Teams fürmenschlicheNachrichtenbeschaffung, die demJoint Special Operations Commandunterstanden und früher Gray Foxgeheißen hatten, und sie erlaubteaußerdem die Beschäftigungprivater Dienstleister »zurEntwicklung geheimer,einsatzbereiter Infrastrukturen fürdie Lokalisierung, Identifizierung,Isolierung undZerschlagung/Vernichtung«

extremistischer Netzwerke undeinzelner Führer von Terrorgruppen.

Die Direktive mit derBezeichnung Joint UnconventionalWarfare Task Force Execute Orderwar Teil einer allgemeinerenInitiative im ersten Jahr derRegierung Obama, die daraufabzielte, die Rolle desamerikanischen Militärs außerhalberklärter Kriegszonen neu zudefinieren. Die neue Regierunghoffte, eine gewisse Ordnung in diechaotische Welt der geheimenmilitärischen und

geheimdienstlichen Operationen zubringen, die seit 2001 dramatischzugenommen hatten. Sie wollteeinige der Initiativen wieder in denGriff bekommen, die sichunkontrolliert entwickelt hatten,seit Donald Rumsfeld das Militäraufgefordert hatte, sich stärker aufdem Gebiet der menschlichenNachrichtenbeschaffung zuengagieren.

Wenn überhaupt, wirkten dieneuen Richtlinien, einschließlich desGeheimbefehls von Petraeus,freilich eher verstärkend auf die

Entwicklung, die die Regierung Busheingeleitet hatte. Die Offiziere vonSpezialkräften besaßen nun sogarnoch größere Vollmachten, rund umden Erdball Spionagemissionendurchzuführen. Und so wurden dieRichtlinien zu einem neuenMasterplan für die geheimenKriege, die die Regierung Obamavon ihrer Vorgängerin übernommenhatte.

Petraeus’ Direktive kam heraus,als die Obama-Administrationgerade ihren heimlichen Krieg imJemen intensivierte, und ein

Großteil des Befehls zielte daraufab, die Spezialeinsatzkräfte und dieAusrüstung im Raum Sanaa zuverstärken. Furlong jedochinterpretierte den Befehl als klareUnterstützung für seine eigenenAktivitäten in Pakistan undAfghanistan. Und dieseUnterstützung erhielt erausgerechnet von David Petraeus,dem vielleicht einflussreichstenGeneral seiner Generation. Furlongfühlte sich, als hätte er den Segendes Papstes bekommen.

Die CIA jedoch hielt ihn

keineswegs für einen Gesalbten desHerrn und beschloss, ihn für immerauszuschalten. Am 2. Dezember2009 schickte der CIA-Stationschefvon Kabul ein scharfes Telegrammnach Washington, in dem erdetaillierte Beschuldigungen gegenFurlong erhob. Zur Liste derVerstöße gehörte der Vorwurf, dassFurlong einen illegalenSpionagering betreibe und seineVorgesetzten über das Wesen derOperation täusche. Das Telegrammnahm sogar Bezug auf die PragerEpisode im Jahr zuvor und

schilderte in allen Einzelheiten,warum Furlong die TschechischeRepublik im Sommer 2008 soübereilt verlassen hatte.

Der Stationschef argumentierte,dass es katastrophale Folgen habenkönne, wenn ein Haufen privaterDienstleister in Pakistanherumrenne, ohne dies mit der CIAzu koordinieren. In dem Telegrammnicht erwähnt wurde der nachAnsicht einiger hochrangiger CIA-Vertreter zutreffende Vorwurf,Informationen von FurlongsPrivatspionen hätten Ende 2009

direkt zu einem Drohnenschlag aufein angebliches Safe House von al-Qaida in Nord-Waziristan geführt.Dem Angriff waren mehr als einDutzend arabische Männer zumOpfer gefallen, von denen mehrereals Doppelagenten für denpakistanischen Geheimdienst ISIgearbeitet hatten. Die Führung desISI war empört über den Tod ihrerAgenten und beschwerte sich beider CIA. Diese beschwerte sichwiederum beim Militär und machteFurlongs Spionageunternehmen fürden Fehler verantwortlich.

Die CIA befand sich nun imoffenen Krieg mit Furlong, undselbst seine Unterstützer konntenihn nicht mehr schützen. DasTelegramm des Stationschefs lösteeine Welle von Nachforschungenüber seine Aktivitäten aus, und imFrühjahr 2010 sperrten ihmSicherheitsoffiziere der Lackland AirForce Base in San Antonio denZugang zu geheimenComputernetzen und verbanntenihn aus seinem Büro.

Damit hing er in der Luft: Er warkeines Verbrechens angeklagt, aber

er konnte sich auch nichtverteidigen, weil er keinen Zugriffmehr auf seine geheimenUnterlagen hatte. In der Folgeverbrachte er fast die gesamte Zeitin seiner spärlich möbliertenEigentumswohnung in einem tristenApartmentkomplex in San Antonio.Dort versuchte er, seineVerteidigung vorzubereiten, undverbarg sich vor denFernsehjournalisten, die sichdraußen auf der Straßeversammelten, als die Existenzseiner Spionageoperation bekannt

wurde.Der Abschlussbericht des

Pentagons gab Furlong fast dieganze Schuld. Er bezeichnete seineSpionageoperation als»unautorisiert« und beschuldigteihn, führende amerikanischeKommandeure in die Irre geführt zuhaben, was die Legalität der vonihm beauftragten Dienstleisterbetraf. Es gelang Furlong jedoch,jede strafrechtlich relevanteAnklage zu vermeiden und sichgeräuschlos aus dem Militärapparatzurückzuziehen.

Er hatte ganz gewiss einigeAbkürzungen genommen, und seineVersuche, die üblichenbürokratischen Verfahren zuumgehen, hatten überall in dermilitärischen Befehlskette fürVerwirrung gesorgt. Aber für ihnwaren das kleine Fische, angesichtsder Tatsache, dass amerikanischeSoldaten starben und die CIA demMilitär nicht half, den Krieg inAfghanistan zu gewinnen. SeineSpionageoperation sei sehr wichtiggewesen, erklärte er später, »weiles um Menschenleben geht und die

CIA ihre Informationen vonausländischen Geheimdienstenbezieht«.

Auch war Furlong kein alleinagierender Desperado. Die ganzeEpisode war aus der Frustrationeines amerikanischen Generals inAfghanistan erwachsen, der der CIAnicht traute und Michael Furlongaktiviert hatte. Wenn derUntersuchungsbericht desPentagons zutraf und tatsächlich»niemand zwei und zweizusammenzählte«, was FurlongsAktivitäten betraf, dann weil

niemand zwei und zweizusammenzählen wollte.

»Meine Vorgesetzten wollten dasalles«, sagte Furlong und nahmeinen tiefen Zug an der fünftenZigarette im Laufe des langenInterviews. »Und ich sorgte dafür,dass es passierte.«

Der Vertrag mit Lockheed Martin,den Michael Furlong im Mai 2010organisiert hatte, lief aus, und dieGeldquellen für das Agentennetz,das Dewey Clarridge in Pakistanund Afghanistan aufgebaut hatte,

versiegten. Clarridge war wütend,dass das Militär den Vertrag nichtverlängerte, und noch wütender,dass offenbar die CIA für dieEinstellung der Operationverantwortlich war. Er hatteHunderte vonGeheimdienstberichten anMilitärkommandeure in Afghanistangeschickt. Nun schrieb er in einerweiteren Botschaft am 15. Mai,dass er keine Berichte mehrschicken werde, »um etwazweihundert lokale Mitarbeiter aufdie Einstellung ihrer Arbeit

vorzubereiten«.Tatsächlich jedoch hatte er nicht

die Absicht, sein Netz aufzulösen.Am folgenden Tag eröffnete er einepasswortgeschützte Website, in derdie Offiziere weiterhin seineBerichte lesen konnten, und ernahm ein paar reiche Freunde inAnspruch, um sein Netzwerkfinanziell über Wasser zu halten. Ergründete ein Unternehmen namensEclipse Group als Tarnfirma für dieOperation und stellte dieselbenGeheimdienstberichte auf seineWebsite, die er früher an das Militär

geschickt hatte. Unter anderemmeldete er, dass der pakistanischeISI Bewaffnete ausbilde, umAngriffe in Afghanistan zu verüben,und dass pakistanische Agentenden Talibanführer MullahMohammed Omar unter Hausarresthielten, um ihn als Chef einesMarionettenregimes inSüdafghanistan einzusetzen, sobalddie amerikanischen Soldaten dasLand verlassen hätten. In einemanderen Bericht wurde spekuliert,Mullah Omar habe einen Herzanfallerlitten und sei von ISI-Agenten ins

Krankenhaus gefahren worden.Clarridge dachte sich immer

exotischere Pläne aus, umdiejenigen zu Fall zu bringen, dieseiner Ansicht nach dieamerikanischenKriegsanstrengungen sabotierten.Zum Beispiel war er der festenÜberzeugung, dass der afghanischePräsident Hamid Karzai imverzweifelten Versuch, in Kabul ander Macht zu bleiben, dieAmerikaner verriet und heimlich mitdem Iran verhandelte, und er wollteden Untergang dieses Verräters

herbeiführen, indem er belastbareBeweise für das alte Gerüchtauftrieb, dass der afghanischePräsident heroinsüchtig sei.

Der Plan hätte direkt aus einemalten CIA-Drehbuch für schmutzigeTricks stammen können: Clarridgewollte einen Agenten in denPräsidentenpalast schmuggeln, derBarthaare von Karzai beschaffte, sieauf Drogen testen und denamerikanischen Kommandeuren inKabul das Ergebnis liefern. Diehätten Karzai dann mit demNachweis seiner Sucht

konfrontieren und ihn so zu einemformbaren Verbündeten machensollen. Clarridge gab den Plan auf,als die Obama-Administrationsignalisierte, dass sie die RegierungKarzai stützen und denafghanischen Präsidenten nichtentmachten wolle.

Selbst als die Existenz vonClarridges privater Spionagetruppebekannt wurde und Vertreter desMilitärs Bedenken hatten, sichweiterhin auf deren Informationenzu stützen, fand er nochMöglichkeiten, seine Nachrichten an

die Öffentlichkeit zu bringen. SeineFreunde schickten die Berichte anmilitärfreundliche Schriftsteller wieBrad Thor, einen erfolgreichenAutor von Spionageromanen, undgaben einen Teil der Informationenals Blogposts heraus. Clarridgeversorgte sogar Oliver North mitInformationen, seinen altenGefährten aus der Zeit der Iran-Contra-Affäre, der inzwischen alsModerator und Kommentator fürFox News arbeitete.

Es war genau wie früher: Deweyund Ollie machten die Arbeit, für die

nach ihrer Ansicht niemand sonstden Mumm hatte.

12

DIE SCHNEIDE DESSKALPELLS

»Wir sagen weiterhin, dass die Bombenvon uns sind und nicht von Ihnen.«

Präsident Ali Abdullah Saleh

Das Treffen war für eineKapitulation anberaumt, für eineeigens auf den heiligenFastenmonat Ramadan gelegtesymbolische Geste des Friedens.

Der stellvertretende saudischeInnenminister Prinz Mohammed BinNaif hatte sogar seinen Privatjetgeschickt, der den jungen Mannabholte und nach Dschidda brachte,in die zweitgrößte Stadt Saudi-Arabiens, die sich an der Küste desRoten Meers erstreckt. Dortempfing der Prinz, wie es imRamadan Tradition ist, Gäste inseinem Palast, und er gab seinenBeratern den Befehl, Abdullah al-Asiri ohne die üblichenSicherheitsmaßnahmendurchzulassen und ihn beim

Betreten des Palasts nicht zudurchsuchen.

Al-Asiri hatte einige Tage zuvormit Prinz Mohammed, einemMitglied der saudischenKönigsfamilie, Kontaktaufgenommen und erklärt, dass ersich dem saudi-arabischenGeheimdienst ergeben wolle unddie Absicht habe, Informationenüber die Gruppe zu liefern, der ersich zwei Jahre zuvor angeschlossenhatte. Es handelte sich um einenAbleger von Osama Bin LadensTerrornetzwerk, der sich erst

kürzlich den neuen Namen al-Qaidaauf der Arabischen Halbinsel(AQAP) gegeben hatte. Für dieAQAP war Prinz Mohammed eineHassfigur, weil er den sunnitischenExtremismus nicht allein in Saudi-Arabien, sondern auch im Jemen,seinem armen südlichenNachbarland, zerschlagen wollte.Im Jahr 2003, als die Kämpfer imJemen eine 20-monatigeTerrorkampagne starteten, bei dersie Bombenanschläge aufRegierungsgebäude, Ölanlagen undWohnkomplexe von Ausländern

verübten und Westler köpften,hatte Bin Naif mit extremer Härtereagiert und Tausende Verdächtigefestnehmen und foltern lassen.Außerdem hatte er Informanten inMoscheen postiert, wenn ervermutete, dass diese von denExtremisten unterwandert waren.

Sein hartes Vorgehen gegen al-Qaida hatte ihm die Freundschaftder Regierung Bush eingetragen,und im Sommer 2009 betrachteteauch der neue amerikanischePräsident den Prinzen bereits alsunverzichtbaren Verbündeten. Bin

Naif empfing regelmäßig wichtigePersönlichkeiten aus Washington.Zum Beispiel stattete ihm im Mai2009 Richard Holbrooke einenBesuch ab, der erfahrene Diplomat,den Obama damit beauftragt hatte,ein annehmbares Ende für denKrieg in Afghanistan auszuhandeln.Als jedoch Holbrooke in Riad mitdem Prinzen sprach, um die Hilfedes saudischen Königreichs in demKrieg zu erbitten, den Amerikagerade verlor, warnte der Prinz denDiplomaten, dass die VereinigtenStaaten vielleicht bald noch eine

größere Sorge haben würden als diewachsende Gewalt in Afghanistan.»Wir haben ein Problem«, sagte BinNaif zu Holbrooke, »den Jemen.«

Der Prinz nannte demDiplomaten gleich eine ganze Reihealarmierender Fakten: Die Stämmeim Jemen sympathisierten stärkermit al-Qaida als die Afghanen, undihr Land lag näher an den saudi-arabischen Zielen für Qaida-Anschläge als Afghanistan. DerJemen war ein gescheiterter Staatund hatte in Präsident Ali AbdullahSaleh einen schwachen und

korrupten Herrscher. Salehs Visionfür sein Land sei »auf Sanaageschrumpft«. Es gehe ihm nurnoch darum, die Hauptstadt alsseine Machtbasis zu sichern. Bisherhabe er es immer geschafft, diejemenitischen Stämme in Schach zuhalten, jetzt aber verliere er dieKontrolle und gebe immer mehrMacht an seinen Sohn ab, der keineenge Verbindung zu den Stämmenhabe. Finanzhilfen für SalehsRegierung seien nutzlos, weil derPräsident und seine Umgebung dasGeld ins Ausland schafften.

»Das Geld landet auf SchweizerBankkonten«, sagte PrinzMohammed.

Stattdessen finanzierte die saudi-arabische RegierungEntwicklungsprojekte in Regionendes Jemen, wo bereits Qaida-Kämpfer Wurzeln geschlagenhatten. Sie hoffte, auf diese Art derPopularität der Terroristenentgegenzuwirken, damit die»Jemeniten die Extremisten eherals Verbrecher denn als Heldensehen«. Am Ende des Treffensversprach Holbrooke dem Prinzen,

dass Präsident Obama eng mit demKönigreich zusammenarbeitenwerde, um das wachsende Qaida-Netzwerk im Jemen zu zerstören.

Was für ein Glücksfall, dachtePrinz Mohammed, als Abdullah al-Asiri drei Monate nach HolbrookesBesuch die Saudis mit seinemKapitulationsangebot kontaktierte.Der junge Mann stand genau wiesein älterer Bruder Ibrahim auf derListe von fünfundzwanzig Kämpfern,die die Saudis im Ausland suchten.Ibrahim al-Asiri war 2003 verhaftetworden, als er versucht hatte, sich

den Aufständischen im Irakanzuschließen. Während deranschließenden Haft in einemsaudischen Gefängnis hatte erglühenden Hass auf das Königreichund dessen Bündnis mit denVereinigten Staaten entwickelt, daser mit dem Verhältnis von Sklaveund Herr verglich. Von den zweiBrüdern hielten die Saudis Ibrahimfür sehr viel gefährlicher. Er hatteeine Ausbildung als Bombenbauerabsolviert und dabei eine finstereBegabung für das Verstecken vonSprengsätzen entdeckt. Weil er

fürchtete, dass die Saudis die»Kapitulation« seines Bruders alsraffinierte Kriegslist erkennenkönnten, hatte er eine Bombeentwickelt, die bei normalenSicherheitsmaßnahmen nichtgefunden werden konnte. Kurzbevor der jüngere al-Asiri für denFlug nach Dschidda den Privatjetder saudischen Königsfamiliebestieg, versteckte sein Bruder eineBombe mit dem PlastiksprengstoffPentaerythrittrinitrat in seinemRektum.

Doch so genial der

Bombenbastler Ibrahim auch war,seine tödlichen Anschläge wurdenhäufig durch die Inkompetenz derSelbstmordattentäter vereitelt.Abdullah war mit der verstecktenBombe aus dem Jemen nachDschidda gereist und ohneZwischenfall in Bin Naifs Palastgelangt. Doch als er den Raumbetrat, wo der Prinz seine Besucherempfing, war er so nervös, dass erin sein Gewand griff und die Bombezündete, bevor er nahe genug anden Prinzen herangekommen war.Die Explosion zerriss den Attentäter

in zwei Hälften, hinterließ einenrauchenden Krater auf demgefliesten Boden und Blutspritzer imganzen Raum. Prinz Mohammedjedoch erlitt nur geringfügigeVerletzungen.

Der Anschlag war gescheitert,aber die AQAP hatte ihre ersteAktion außerhalb des Jemendurchgeführt. Wenn ihr dieUngeschicklichkeit des Attentäterspeinlich war, ließ sie es sich in demprahlerischen Bekennerschreibennicht anmerken, das sie kurz nachdem Anschlag veröffentlichte. Es

seien die Saudis, die sich schämenmüssten, weil Abdullah erstmals inder Geschichte Saudi-Arabiens dieSicherheitsmaßnahmenüberwunden habe, und dieTerrorgruppe gerade im Begriff sei,im Jemen ein Spionagenetz zuenttarnen, mit dem das saudischeKönigshaus die AQAP habeinfiltrieren wollen.

Denen, die in Riad nun in Furchtlebten, und den Politikern inWashington, deren Aufmerksamkeitdurch das Attentat geweckt war,verhießen die Täter weitere

Anschläge.»Oh, ihr Tyrannen, seid sicher,

dass ihr leiden werdet, denn eureFestung wird euch nicht vor unsschützen können.

Wir werden euch balderreichen.«

Einen Tag nachdem Barack Obamaseinen Amtseid als 44. Präsidentder Vereinigten Staaten geleistethatte, bekam Mohammed Bin Naifeinen Anruf von einem alten Freundaus Washington. Der Mann amanderen Ende der Leitung war John

Brennan, ein frühererSpitzenbeamter der CIA. Er hatteObama imPräsidentschaftswahlkampf zurSeite gestanden und sollte Obamasleitender Berater fürTerrorismusbekämpfung im WeißenHaus werden, obwohl er eigentlichein anderes Amt angestrebt hatte.Am Ende des Wahlkampfs hatteman allgemein angenommen, dasser nach einem Sieg Obamas derwichtigste Kandidat für die CIA-Führung sein würde. Er hatte dierichtigen Qualifikationen: Der Sohn

irischer Einwanderer war in NewJersey aufgewachsen und hatte dieFordham University besucht; er warjahrzehntelang CIA-Analystgewesen und sprach fließendArabisch. In den 1990er-Jahrenhatte er sogar als CIA-Stationschefin Riad gearbeitet, obwohl erAnalyst und kein geheimerFührungsoffizier war. Der großgewachsene Mann, dessen Gesichtaussah, als sei es aus einerKalkplatte gehauen, wirkte wie einBoxer aus der Zeit derWeltwirtschaftskrise.

Doch sein Traum, die Leitung derCIA zu übernehmen, scheiterte inder Übergangszeit zwischenObamas Wahlsieg und dessenVereidigung, als Äußerungen vonihm wieder auftauchten, in denener die brutalen Verhörmethoden zurechtfertigen schien, die die CIA inihren Geheimgefängnissenanwandte – Äußerungen, für die ervon Menschenrechtlern scharfkritisiert wurde. Brennan hatte zuGeorge Tenets wichtigsten Beraterngehört, als diese Gefängnisse 2002eingeführt wurden. Deshalb stand

er in enger Verbindung mit einemProgramm, das Obama häufig alsschwarzen Fleck in deramerikanischen Geschichtebezeichnet hatte. Aus Furcht voreiner langwierigen und schädlichenBestätigungsdebatte im Senatverzichtete er schließlich auf dieKandidatur für die CIA-Führung.

Der Posten alsTerrorismusberater im Weißen Hauswar vielleicht nur als Trostpreisgedacht, aber Brennan verwandeltesein fensterloses Kellerbüro imWestflügel des Weißen Hauses

binnen kurzer Zeit in dasOperationszentrum der geheimenKriege von Obamas Präsidentschaft.Weil der Präsident bestimmteAspekte der gezielten Tötungendirekt im Weißen Haus gemanagthaben wollte, bekam Brennan einein der Geschichte desamerikanischen Staats einzigartigeStellung: Er war zugleichScharfrichter und Beichtvater desPräsidenten und außerdem derSprecher, der Obamas Theorie undPraxis, die Feinde Amerikas auch infernen Gegenden der Welt zu töten,

rechtfertigen musste.Als Brennan im Januar 2009 Bin

Naif anrief, versicherte er demPrinzen, den er seit seiner Zeit inRiad gut kannte, dass PräsidentObama genauso fest entschlossensei, Terroristen zu jagen und zutöten wie sein Vorgänger Bush. Inder Übergangsperiode nach derWahl war Brennan zusammen mitanderen führenden Mitgliedern vonObamas nationalem Sicherheitsstabzwei Tage lang im CIA-Hauptquartier gebrieft worden:Leitende Mitarbeiter des

Geheimdiensts waren mit ihnen dieListe der laufenden verdecktenOperationen durchgegangen. Mike,der Chef des CounterterrorismCenter, informierte die Neulinge,dass Präsident Bush im Sommerzuvor die Frequenz derDrohnenschläge erhöht hatte, unddass die CIA versuchte, mehrSpione in Pakistan einzuschleusen.Während desPräsidentschaftswahlkampfs hatteObama wiederholt angekündigt,dass er sich stärker um Pakistanund Afghanistan und um die Jagd

auf Bin Laden kümmern werde. Erwollte den sogenannten »gutenKrieg« wieder mehr in denMittelpunkt stellen, den Bushwegen des »schlechten Kriegs« imIrak vernachlässigt hatte. Bei denBesprechungen erklärte BrennanMike und dem stellvertretendenCIA-Direktor Stephen Kappes, denObama gebeten hatte, im Amt zubleiben, dass die Tötungen durchDrohnen in Pakistan wahrscheinlichauch unter Obama weitergehenwürden.

Es gab noch einen weiteren

Grund, warum Obama, Brennan undandere führende Mitglieder derneuen Regierung die gezieltenTötungen weiterhin als wichtigesInstrument derTerrorismusbekämpfung nutzenwollten. Während des Wahlkampfshatte Obama wiederholt geäußert,dass die heimlichen Internierungenund die Verhörmethoden der ÄraBush dem Ansehen der VereinigtenStaaten in der Welt geschadethätten, und er hatte in der erstenWoche seiner Amtszeit erklärt, dasser das Gefängnis in Guantánamo

schließen und alle verschärftenVerhörmethoden verbieten werde,welche die CIA seit dem11. September anwendete. DieEntscheidung wurde vom früherenVizepräsidenten Dick Cheney sofortals leichtfertig kritisiert – als Fehlereines unreifen Präsidenten, der dienationale Sicherheit gefährde.Wenn es während ObamasPräsidentschaft einen großenterroristischen Anschlag gebe, soCheney, dann weil Obama die CIAder Werkzeuge beraubt habe, diesie für den Schutz des Landes

brauche.Cheneys giftige Kommentare

unmittelbar nach seiner Abwahl ausdem Weißen Haus waren ein klarerBruch der üblichen Tradition, nachder eine aus dem Amt scheidendeRegierung den neuen Präsidenten,zumindest in den ersten Monaten,nicht kritisieren sollte. DochCheneys Kritik war ein Warnschuss,ein Signal, dass jedes Anzeichenvon »Schwäche« in Fragen dernationalen Sicherheit Wasser aufdie Mühlen von Obamasrepublikanischen Gegnern sein

würde.John Rizzo, hauptberuflich Anwalt

der CIA und berühmt-berüchtigt fürdie wichtige Rolle, die er gespielthatte, als der Geheimdienst dieZustimmung des Justizministeriumsfür sein Internierungsprogramm undseine Verhörmethoden bekam, waran den Gesprächen mit denSicherheitsberatern der neuenRegierung beteiligt, und er warüberrascht von dem kriegerischenTon, den sie anschlugen. »Siesagten nie offen, dass sie Menschentöten würden, weil sie sie nicht

mehr verhören konnten«, sagte er.»Aber wenn das Verhör nicht mehrmöglich war, blieb nur noch dasTöten.«

Die Möglichkeiten, Gefangene zuverhören, bestanden laut Rizzoimmer noch. Doch Verhör undInternierung waren für die neueRegierung zu einem dornigen Weggeworden: Nicht nur hatte sieversprochen, Guantánamo binneneines Jahres zu schließen, inObamas Team bestand auch dieBefürchtung, dass die Übergabe vonGefangenen an ausländische

Staaten in der linksliberalenÖffentlichkeit als Auslagerung vonFolter kritisiert werden könnte. DieDrohnenschläge hatte dagegen keinprominentes Mitglied von ObamasPartei beanstandet, und dieRepublikaner waren schwerlich inder Lage, den neuen Präsidentenanzugreifen, weil er denTerrorismus zu aggressivbekämpfte. Politisch sprach alsoalles für eine Eskalation dergeheimen Kriege.

Die zweitägigen Besprechungenin Langley waren das erste

Anzeichen dafür, dass der Präsidentplante, die CIA und das JointSpecial Operations Command aufeine Art einzusetzen, wie es nichteinmal George W. Bush und DickCheney getan hatten, nämlich alswichtigstes Werkzeug der USA beider Durchführung vonTötungsoperationen. Sieben Jahrenach dem 11. September hatten dieKriege im Irak und in Afghanistandie amerikanische Öffentlichkeiterschöpft und die Kassen geleert.Aber wichtiger noch: DieWerkzeuge des geheimen Kriegs

waren in dieser Zeit justiert undverfeinert worden, und ObamasBerater sahen die Möglichkeit, Kriegzu führen, ohne die gigantischenKosten großer militärischerFeldzüge tragen zu müssen, dieRegierungen stürzen, jahrelangeBesatzungszeiten nach sich ziehenund die Radikalisierung dergesamten muslimischen Weltverstärken würden. Wie Brennanden Ansatz der Regierung Obama ineiner Rede beschrieb, konnten dieVereinigten Staaten ein »Skalpell«statt eines »Hammers« verwenden,

um außerhalb erklärterKriegsgebiete Krieg zu führen.

Obama war nicht der erste eherlinksliberale demokratischePräsident, der zum Mittel derGeheimoperationen griff. John F.Kennedy genehmigte in letzterInstanz die Invasion in derSchweinebucht, und er verstärktedie verdeckten Operationen inVietnam. Und Jimmy Carter hattezwar als Präsidentschaftskandidatgegen die Abenteuer der CIAgewettert, gab aber in den letztenzwei Jahren seiner Regierungszeit

seine Zustimmung zu eine ganzenReihe geheimer Aktionen.

Doch Barack Obama war auchder erste amerikanische Präsident,der nach dem Vietnamkrieg undden aufwühlenden Ereignissen der1960er- und 1970er-Jahreerwachsen geworden war. Diesehatten bei der Generation vor ihmbewirkt, dass sie ein durchauskritisches Verhältnis zur CIA und,allgemeiner gesprochen, zumEinsatz amerikanischer Macht imAusland pflegte. In einem Interviewmit dem Journalisten Bob

Woodward im Jahr 2010 sagteObama, er sei »wahrscheinlich dererste Präsident, der so jung ist,dass der Vietnamkrieg nicht seinprägendstes Erlebnis war«, also seier »ohne die ganze Erblast derStreitigkeiten über denVietnamkrieg aufgewachsen«.Obama bezog sich auf dieSpannungen zwischen den Zivilistenund dem Militär zur Zeit desVietnameinsatzes, aber er hatteeindeutig auch generationsbedingteinen anderen Blick auf die CIA alsältere Männer wie Carter oder

Clinton.Doch der Aufstieg der CIA unter

der Regierung Obama hatte nichtnur mit dem Alter des Präsidentenoder mit dem Wesen derBedrohungen zu tun, über die beimmorgendlichen Briefing durch dieCIA informiert wurde. Er hing auchdamit zusammen, dass sichObamas erster CIA-Direktor als dereinflussreichste Geheimdienst-Chefseit William Casey unter Reaganentpuppte, jedenfalls was seineFähigkeit anging, die Macht desGeheimdiensts innerhalb der

Exekutive zu erweitern.

Leon E. Panetta schien zunächsteine extrem unwahrscheinlicheWahl für den Posten. Er hatte,abgesehen von einem zweijährigenGastspiel bei der Army in den1960er-Jahren, keinerleiBerufserfahrung, was das Militäroder die Geheimdienste betraf. Inseiner Zeit als demokratischerKongressabgeordneter für einenWahlkreis an der kalifornischenKüste hatte er nie in einem derAusschüsse gesessen, die das

Pentagon oder die CIAbeaufsichtigen. Er wirkte in derÖffentlichkeit warmherzig und einbisschen onkelhaft, war aber imHinterzimmer ein extremhartnäckiger Verhandlungsführer,der mindestens ebenso oft mitSchimpfwörtern um sich warf, wieer Vorschläge einbrachte. AlsClintons Stabschef hatte er eineneher flüchtigen Kontakt zu denGeheimdiensten gehabt, doch daswar eine ganz andere Zeit mit einerganz anderen CIA gewesen.

Als er CIA-Direktor wurde, hatte

er praktisch keine Ahnung davon,dass die CIA auf der ganzen WeltMenschen umbrachte. Anfang 2009hatte die Presse schon ausführlichüber die gezielten Tötungen der CIAdurch den Einsatz von Drohnenberichtet. Trotzdem war Panetta –erstaunlicherweise – schockiert, alser bei den erstenInformationsgesprächen überseinen neuen Job bei der CIAerfuhr, dass er faktischMilitärkommandeur in einemgeheimen Krieg sein würde. »Er warein völlig unbeschriebenes Blatt in

Bezug aufGeheimdienstangelegenheiten, alser nach Langley kam«, sagt Rizzo,der an der Vorbereitung derBriefings beteiligt war, die Panettavor seinem Bestätigungsverfahrenim Senat bekam. Was jedoch demneuen CIA-Direktor an konkreterErfahrung in Fragen von Leben undTod abging, das machte er mitseinem extremen Durchblick inWashington wett. Er besaß diebeiden Eigenschaften, die sich dieewig paranoide CIA bei ihrem Chefsehnlichst wünschte: Einfluss und

Ansehen im Weißen Haus und dieBereitschaft, das Revier der CIAgegen deren mutmaßliche Feinde inWashington zu verteidigen.

Beide Eigenschaften kamengleich nach seiner Amtsübernahmeauf den Prüfstand, als Vertreter desWeißen Hauses beschlossen, einelangwierige juristischeAuseinandersetzung zu beendenund die Geheimhaltung der internenMemoranden aufzuheben, mitdenen die Verhörmethoden der CIAin den ersten Jahren der RegierungBush autorisiert worden waren.

Panetta hatte sich während seinesBestätigungsverfahrens bereits überdie Verhörmethoden geäußert undin aller Deutlichkeit erklärt, dass essich um nichts Geringeres als»Folter« handelte. SeineStellungnahme hatte Teile desklandestinen Diensts der CIAschockiert und den Verdachtgeweckt, dass der neue CIA-Direktor eine Art WiedergängerStansfield Turners sein könnte – einweiterer Außenseiter, den einliberaler Präsident nach Langleygeschickt hatte, damit er den

Geheimdienst wieder zur Vernunftbrachte, der nach Ansicht desWeißen Hauses außer Kontrollegeraten war.

Unter Panetta jedoch geschahdas genaue Gegenteil. Er wurde zueinem Vorkämpfer der CIA, der inLangley von vielen geliebt, aberaußerhalb der Agency kritisiertwurde, weil er, wie so viele andereCIA-Chefs vor ihm, vom geheimenoperativen Dienst der CIAvereinnahmt worden sei. Schon imersten Monat nach seinemAmtsantritt gelang es ihm, die

Freigabe der Memoranden über dieVerhöre zu verzögern und innerhalbdes Weißen Hauses eine Debattedarüber zu erzwingen, ob es richtigwar, alle Details des eingestelltenGefängnisprogrammsauszuplaudern.

Panetta hatte zu diesemZeitpunkt bereits am eigenen Leiberfahren, welchen Einfluss derClandestine Service in Langley aufden CIA-Direktor hat. SowohlStephen Kappes als auchverschiedene Beamte imCounterterrorism Center hatten ihn

gewarnt, dass sich eine Freigabeder Memos katastrophal auf dieMoral im CTC auswirken werde. DieWarnung war mit einer verstecktenDrohung verknüpft: Panettariskierte, die Unterstützung dergeheimen Mitarbeiter seinerOrganisationen für immer zuverlieren, noch bevor erherausgefunden hatte, wie er vonseinem Büro in die Cafeteriagelangte. Er hatte lange genug imWashington gearbeitet, um zuverstehen, was er da hörte. Er liefGefahr, ein zweiter John Deutch

oder Porter Goss zu werden, einMann, der sich mit dem Directorateof Operations anlegte und danachfeststellen musste, dass seineAmtszeit bei der CIA hässlich, brutalund kurz wurde. Panetta hattebegriffen.

Er war gerade auf seiner erstenAuslandsreise als CIA-Direktor, alser erfuhr, dass das Weiße Hauswegen eines Gerichtsurteils dieGeheimhaltung der Memorandenaufheben und sie zurVeröffentlichung freigeben wollte.Die American Civil Liberties Union

hatte unter Berufung auf denFreedom of Information Act gegendie Geheimhaltung derMemoranden geklagt, und einBundesrichter hatte zu ihrenGunsten entschieden. Panetta riefsofort Obamas Stabschef RahmEmanuel an und drängte ihn, dieFreigabe zu verschieben. Die beidenMänner kannten sich noch aus derClinton-Regierung, und es warEmanuel gewesen, der auf PanettasErnennung zum CIA-Direktorgedrängt hatte. Emanuel entsprachPanettas Bitte, und beide kämpften

in den folgenden Wochen mit allerMacht gegen die Veröffentlichung.Es war schon seltsam, ja geradezusurreal: Ein Mann, der die CIAöffentlich beschuldigt hatte, dasamerikanische Gesetz zu brechen,indem sie Foltermethodenanwandte, setzte sich nunleidenschaftlich dafür ein, dassgenau diese Taten geheim blieben.

Am Ende verlor Panetta denKampf, und Obama ordnete dieFreigabe der Memos an. Doch fieldas für den CIA-Direktor kaum nochins Gewicht. Indem er erreichte,

dass das Problem im Weißen Hauswenigstens diskutiert wurde, hatteer der gesamten Belegschaft derCIA bewiesen, dass sein Wort in derneuen Regierung Gewicht hatte.Wichtiger noch, er war für einAnliegen in den Ring gestiegen, dasdem Clandestine Service sehrwichtig war. Damit hatte er nachAnsicht vieler CIA-Mitarbeitergezeigt, dass er zur Mannschaftgehörte.

Ganz anders verhielt es sich mitAdmiral Dennis Blair, der,

wenigstens auf dem Papier, LeonPanettas Vorgesetzter war. Er hatteschon unter der Regierung Clintonals Verbindungsoffizier zumPentagon bei der CIA gedient.Danach hatte er bei der Navy eineglanzvolle Karriere hingelegt undseine aktive militärische Laufbahnals Viersterneadmiral undKommandeur des U.S. PacificCommand beendet. In dieserFunktion war er für mehr als einDrittel der Erdoberfläche zuständiggewesen, und seine Befehle warenvon Soldaten in einem Gebiet von

Hunderttausenden vonQuadratkilometern befolgt worden.Nach seiner Pensionierung alsOffizier hatte er ein ziviles Amtübernommen, das auch vier Jahrenachdem die Regierung Bush esgeschaffen hatte, noch nicht klardefiniert gewesen war. Der Postendes Director of National Intelligencewar auf Druck des Kongresses undder Untersuchungskommission zum11. September geschaffen worden,um zu demonstrieren, dass man ausden Fehlern der Nachrichtendienstevor dem 11. September und dem

Irakkrieg etwas gelernt hatte.Manche hatten sich vorgestellt,dass die Oberaufsicht über einewiderspenstige Ansammlung vonGeheimdiensten, die inverschiedenen Ministerienangesiedelt waren, mit großerMacht verbunden sein würde. AberDonald Rumsfelds Verbündete imKongress hatten das neue Amterfolgreich kastriert. Deshalbverfügte das Pentagon nach wie vorüber den Löwenanteil desGeheimdiensthaushalts, undPentagon und CIA hatten durch

geschickte bürokratischeWinkelzüge dafür gesorgt, dassBlair, als er den Posten Anfang2009 übernahm, kaum mehr alseine Galionsfigur war.

Zusätzlich verschlimmert wurdedie Sache dadurch, dass Blair, wieer sofort erkannte, in derfestgefügten Gruppe von ObamasBeratern ein Außenseiter war. Fastalle hatten schon während Obamasaufreibendem Wahlkampf mit demPräsidenten zusammengearbeitet,weshalb Blair sie einmal abfällig als»Long Marchers« bezeichnete –

eine Anspielung auf den mehrereTausend Kilometer langen Rückzugder chinesischen Kommunisten imJahr 1934, der als »Langer Marsch«in die Geschichte eingegangen ist.Blairs Befürchtungen in Bezug aufseine Rolle bestätigten sich schonkurz nach seinem Amtsantritt beieiner Meinungsverschiedenheit mitPanetta. Blair forderte als DNI dasRecht ein, in allen überseeischenLändern jeweils den ranghöchstenamerikanischen Spion zu ernennen,eine Position, die traditionell derStationschef der CIA innehatte. Das

Ganze war ein relativ unwichtigesProblem, doch Panetta und seinStellvertreter Stephen Kappessahen in Blairs Wunsch eineBedrohung für die Autorität der CIAund betrieben im Weißen HausLobbyarbeit, damit sein Planabgelehnt werde. Als der Vorschlagim Sommer 2009 in Washingtonhängen blieb, kam Blair zu demSchluss, dass er nicht auf dieEntscheidung des Weißen Hauseszu warten brauche. Er gab denBefehl einfach selbst undinformierte Panetta in einem kurzen

spannungsgeladenenTelefongespräch über seineEntscheidung. Panetta legte wütendauf.

»Der Typ ist ein verdammtesArschloch«, sagte er zu einerGruppe von Beratern, die in seinemBüro versammelt waren. Gleich amnächsten Tag ging ein Telegrammvon Panetta an alle CIA-Stationen.Es enthielt eine einfache Botschaft:Ignorieren Sie Blairs Befehl.

Blair war nicht gewohnt, dassman seine Befehle missachtete. Erbeschwerte sich bei James Jones,

Obamas NationalemSicherheitsberater, dass PanettaBefehle verweigere, und forderteseine Entlassung. Doch das WeißeHaus ergriff für Panetta Partei.

Blair hatte die historische Bilanzder verdeckten Operationen der CIAschon lange sehr kritisch gesehen.Er war der Ansicht, dass zu vielePräsidenten zu oft in deramerikanischen Geschichte die CIAals Krücke benutzt hatten, wennsich ihre Berater nicht daraufeinigen konnten, wie man miteinem besonders schwierigen

außenpolitischen Problem umgehensollte. Außerdem fand er, dass dieGeheimprogramme meistens nochJahre weiterliefen, wenn sie demLand schon längst nichts mehrnutzten.

Als Obama in seinem erstenAmtsjahr eine Überprüfung desrunden Dutzends damals laufenderGeheimprogramme der CIAanordnete (von denDrohnenschlägen in Pakistan bis zueiner Kampagne zur Sabotage desiranischen Atomprogramms), hoffteBlair deshalb, dass man sie nun in

ihrer politischen und militärischenGesamtwirkung untersuchte und aufdieser Grundlage über ihreFortsetzung oder Einstellungentschieden würde. Stattdessenwurden die Programme auf denSitzungen im Sommer 2009 so gutwie unbesehen abgenickt. Bei denBesprechungen erklärte StephenKappes jeweils energisch, warumdas gerade behandelte Programmerfolgreich sei und fortgesetztwerden müsse. Als im Herbst eineSitzung des »Principals Committee«angesetzt war, in der die

Vollmitglieder von ObamasNationalem Sicherheitsrat endgültigüber die Weiterführung derverdeckten Programme entscheidensollten, stand bei keinem mehr dieEinstellung zur Debatte.

Blair sah frustriert zu, wie sichdie Sache entwickelte, und wandtesich schließlich an Robert Gates,den Verteidigungsminister. Dieserhatte einen Großteil seinerWashingtoner Karriere bei der CIAgemacht und schon mehrfacherlebt, wie verdeckte Operationenscheiterten. Außerdem wusste Blair,

dass er im Weißen Haus Einflusshatte. Blair und Gates einigten sichdarauf, als Richtschnur für dieEntscheidung über dieGeheimprogramme eine Liste mitGrundprinzipen zu verfassen. Diesechs Prinzipien, die dabeiherauskamen, waren recht harmlos.Eines lautete, dass bei einerverdeckte Operation ständigreflektiert werden solle, ob sie nichtdurch offene Aktivitäten ersetzbarsei, und ein anderes, dass dieGeheimprogramme »dieEntwicklung stabiler,

korruptionsfreier undrepräsentativer Regierungen, […]die die Menschenrechte ihrer Bürgerrespektieren«, nicht behindernsollten.

Als sich Obamas wichtigsteBerater im Weißen Hausversammelten und über dieverdeckten Aktionsprogrammedebattierten, ließ Blair die Listeherumgehen. Er und Gates hattengehofft, das Treffen zu einemForum machen zu können, in demallgemein über Sinn und Unsinndieser Operationen diskutiert

würde, und die Sitzung zog sichviele Stunden hin, als Blairversuchte, über jedes einzelneGeheimprogramm eine Debatte zuerzwingen. Wie er sich erinnerte,habe »die CIA die [verdecktenAktions-]Programme einfachdurchboxen« wollen, und LeonPanetta und der stellvertretendeNationale Sicherheitsberater TomDonilon seien mit jeder pointiertenFrage, die er stellte, wütendergeworden.

Panetta war nicht nur deshalbsauer, weil er fand, dass Blair sich

aufspiele, sondern auch, weil erglaubte, dass er der CIA ein Privilegzu rauben versuchte, das sie seitihrer Gründung im Jahr 1947eifersüchtig hütete: den direktenDraht zum Präsidenten bei derGenehmigung verdeckterOperationen. Panetta fand, dass dievon Blair und Gates verfasste ListeObamas Freiheit, Geheimaktionenzu bewilligen, unnötig einschränkte.

Blair scheiterte auf der ganzenLinie, und die Obama-Administration billigte alleverdeckten Aktionsprogramme, die

sie von der Regierung Bushübernommen hatte. Die CIA hatteeinen Sieg errungen, und BlairsPosition im Weißen Haus wardauerhaft geschwächt.

Selbst als über die künftigeEntwicklung der Geheimprogrammediskutiert wurde, dachte niemanddaran, die gezielten Tötungen zubeenden. Ganz im Gegenteil, in denersten Monaten der neuenRegierung wurde unter Leitung desNationalen SicherheitsberatersJames Jones eine zentrale»Tötungsliste« für Operationen

außerhalb erklärter Kriegsgebietezusammengestellt. Diesessogenannte Jones-Memo war einfrüher Versuch der RegierungObama, Verfahrensregeln für dieFührung eines geheimen Kriegsfestzulegen, von dem die meistenglaubten, dass er Obamas Amtszeitlange überdauern würde. Die Listewurde vom NationalenSicherheitsrat geführt, und obwohlsich manche Regierungsbeamtesehr darum bemühten, dass bei derAufnahme neuer Todeskandidatenstrenge Kriterien galten, wurden die

Kriterien in manchen Fällenaufgeweicht.

So war die CIA in der Frühzeitder Regierung Obama nichtautorisiert, Baitullah Mehsud zutöten. Er hatte es zumunbestrittenen Führer derpakistanischen Taliban gebracht,seit Art Keller seinen Namen aufeinem Stützpunkt der CIA in denStammesgebieten zum ersten Malgehört hatte. Die pakistanischenTaliban, die im Land selbst alsTehrik-i-Taliban Pakistan (TTP)bezeichnet wurden, griffen damals

in einer grausigen Welle der Gewaltpakistanische Militär- undRegierungseinrichtungen an.Pakistans Zivilregierung, die nachdem Rücktritt Präsident Musharrafsan die Macht kam, begann daraufzu drängen, dass die USA Mehsudgenau wie seinen Vorgänger NekMuhammad mit einer bewaffnetenDrohne liqidierten. Doch dieAntwort lautete Nein. In einempersönlichen Gespräch Anfang 2009erklärte der Stellvertretende CIA-Direktor Stephen Kappes dempakistanischen Botschafter Husain

Haqqani in Washington, Mehsudund seine Anhänger hätten dieVereinigten Staaten nichtangegriffen, deshalb könne die CIAkeine legale Genehmigung für ihreTötung bekommen.

Verschwörungstheoretiker inPakistan hatten eine andereErklärung: Mehsud war inWirklichkeit ein indischer Agent,und die USA hatten Neu-Delhiversprochen, ihn zu verschonen. Alsjedoch die Pakistaner weiter Druckmachten, produzierten Juristen derCIA Rechtsgutachten, die zu dem

Schluss kamen, dass auch hoheFührer der TTP mit einigerBerechtigung auf die Tötungslistegesetzt werden könnten. Schließlichböten die pakistanischen TalibanQaida-Kämpfern Schutz, undaußerdem werde es immerschwieriger, Gruppen, die nur inPakistan Anschläge verübten, vonanderen Gruppen zu unterscheiden,die auch den Westen treffenwollten. Ganz abgesehen von derjuristischen Begründung gab esauch Leute, die glaubten, es könnediplomatische Vorteile haben, wenn

die CIA den gefährlichsten FeindPakistans tötete.

An einem warmen Abend AnfangAugust 2009 schwebte eine Drohneder CIA über dem Dorf Zanghara inSüd-Waziristan und richtete ihreKamera auf das Flachdach, woBaitullah Mehsud und mehrereMitglieder seiner Familie gerade diefrische Abendluft genossen.Mehsud, ein Diabetiker, hing aneinem Insulintropf, als die Drohneeine Rakete abschoss, die alleMenschen auf dem Dach tötete.Pakistanische Regierungsbeamte

begrüßten die Aktion, und inWashington wurde derDrohnenschlag von einigen alsgoodwill kill bezeichnet – als»Tötung aus Gefallen«.

Leon Panetta hatte seine neueRolle als Militärkommandeurangenommen, und seine Amtszeitin Langley sollte geprägt sein durchden aggressiven – einige würdensagen, rücksichtslosen – Kriegmittels gezielter Tötungen. AmEnde seiner Regentschaft bei derCIA scherzte der fromme KatholikPanetta, er habe »in den letzten

zwei Jahren mehr Ave Mariasgesprochen als in meinem ganzenvorherigen Leben«.

Zwei Monate nach der TötungBaitullah Mehsuds kam LeonPanetta mit einer langen Listeparamilitärischer Operationen insWeiße Haus, die er für die CIAbewilligt haben wollte. Erbeantragte mehr bewaffneteDrohnen, und er wollte, dass manbei der pakistanischen Regierungdie Genehmigung einhole, dass dieDrohnen in den Stammesgebietengrößere Landstreifen, die die CIA

als flight boxes bezeichnete,überfliegen durften. Die Zahl deramerikanischen Geheimagenten inPakistan hatte Obama aufBetreiben von Vizepräsident JoeBiden schon zuvor erhöht, wobeiviele von ihnen ohne Wissen des ISIim Land operierten.

Der Antrag der CIA aufVergrößerung ihrer Drohnenflotteverursachte einiges Stirnrunzeln,und manche Regierungsbeamtestellten ganz offen die Frage,warum ein Geheimdienst so weitvon seiner eigentlichen Aufgabe

abwich, die in der Beschaffung undAnalyse von Nachrichten bestand.General James Cartwright, derstellvertretende Vorsitzende desVereinigten Generalstabs, fragte beimehreren Gelegenheiten: »KönnenSie mir sagen, warum wir einezweite Luftwaffe aufbauen?«Andere fanden, dass die CIA sichderart in ihre Killerdrohnen verliebthatte, dass ihre Analysten esversäumten, eine grundlegendeFrage zu stellen, nämlich: Kann essein, dass die Drohnenschläge mehrTerroristen produzieren als töten?

Am Ende der Besprechung imSituation Room jedoch wurdensämtliche Wünsche Panettas erfüllt.»Die CIA bekommt, was sie will«,erklärte der Präsident.

Aber selbst als die neuenRessourcen bewilligt waren, nahmder Krieg der CIA in denpakistanischen Bergen immer nochden Löwenanteil der Drohnen,Spionagesatelliten undFührungsoffiziere deramerikanischen IntelligenceCommunity in Anspruch. Deshalb

war kaum noch etwas für einenanderen Krieg übrig, der fast5000 Kilometer weiter westlichstattfand und von Obamas Beraternstillschweigend befeuert wurde.Nach dem Mordversuch an PrinzMohammed Bin Naif im August2009 empfand man es inWashington als dringlicher denn je,etwas gegen den Qaida-Ableger imJemen zu tun, der angekündigthatte, auch im Westenzuzuschlagen.

Ende 2009 war nur eine kleineGruppe amerikanischer Soldaten

und Spione in der US-Botschaft inSanaa stationiert. Zusätzlich zu denAgenten des CIA-Postens hatte dasPentagon seit 2002 eine GruppeSpezialeinsatzkräfte im Jemen.Doch die Kriege im Irak und inAfghanistan besaßen seit Jahreneine höhere Priorität als die dortigeMission. Nun jedoch verlor derIrakkrieg an Intensität, und dasJoint Special Operations Commandhatte mehr Navy SEALs für andereEinsätze zur Verfügung.

General David Petraeus, derKommandeur der amerikanischen

Streitkräfte im Nahen Osten, warbesorgt über den wachsendenEinfluss von al-Qaida auf derArabischen Halbinsel, seit er einJahr zuvor das U.S. CentralCommand übernommen hatte. EndeSeptember 2009 gab er dengeheimen Befehl, die amerikanischeMilitärspionage im Jemen undanderswo zu intensivieren, jenenBefehl, den Michael Furlong alsLegitimation für seineSpionageaktion in Afghanistangenutzt hatte. Der Befehlautorisierte das Militär, im Jemen

eine Vielzahl ungewöhnlicherOperationen durchzuführen, von derErweiterung der Abhöraktivitätenbis zur Bezahlung Einheimischer fürInformationen.

Admiral William McRaven, derKommandeur des JSOC, wollte al-Qaida im Jemen auf dieselbe Artbekämpfen wie im Irak: häufigenächtliche Razzien, um Qaida-Kämpfer zu fangen, Verhöre dieserGefangenen zurNachrichtenbeschaffung und dieanschließende Verwendung der vonihnen preisgegebenen

Informationen, um weitereGefangene zu machen. DiesesModell wurde von denKommandeuren als »Zirkel derNachrichtenbeschaffung«bezeichnet. Es wurde auch inAfghanistan angewandt, undMcRaven glaubte, die AQAP damitund mit mehr Truppen soschwächen zu können, dass sie dieVereinigten Staaten nicht mehrerfolgreich angreifen könnte.

Doch die ehrgeizigen Pläne desAdmirals wurden in Washington alsunrealistisch abgelehnt. Der

jemenitische Präsident Saleh würdeniemals erlauben, dassamerikanische Bodentruppen imJemen ein Internierungs- undVerhörzentrum aufbauten, ganz zuschweigen von Operationen zurGefangennahme oder Tötung vonAufständischen im ganzen Land.Das Weiße Haus war schon mitseinen Plänen, das Gefängnis inGuantánamo zu schließen, aufheftigen politischen Widerstandgestoßen, und den Beratern desPräsidenten grauste es bei demGedanken, eine Unmenge

Gefangener aus dem Jemenmanagen zu müssen. McRavenwurde gesagt, er solle sich einenanderen Weg ausdenken, wie manim Jemen Krieg führen könne.

Die Folge war eine seltsamhalbherzige Kampagne: ein quasigeheimer Krieg, der manchmaldurch absurde Versuche, dieamerikanische Beteiligung anmilitärischen Operationen zuverbergen, beeinträchtigt wurde.Ohne genaue Erkenntnisse über dieAufenthaltsorte der Rebellenführerund angesichts des Einsatzverbots

für bewaffnete Drohnen, das derjemenitische Präsident 2002verhängt hatte, mussten dieamerikanischen Kriegsplaner auf dieMarschflugkörper, die aufKriegsschiffen vor der jemenitischenKüste stationiert waren, oder aufgelegentliche Bombenangriffe vonHarrier-Jets der Marineinfanteriezurückgreifen. Die Ergebnissewaren ausgesprochen hässlich; inden folgenden Monaten kostetendie amerikanischen Luftschläge imJemen mehr Zivilisten alshochrangigen Kämpfern der AQAP

das Leben.Der erste Schlag erfolgte am

17. Dezember 2009. DieAmerikaner hattenNachrichtenverkehr aus einemLager von Terroristen in der ProvinzAbyan abgehört, einemabgelegenen Wüstenstreifen mit einpaar Dörfern, der sich RichtungSüden bis zur Hafenstadt Aden ander Küste erstreckt. Die AQAP standoffenbar kurz davor, eine GruppeSelbstmordattentäter nach Sanaazu schicken, wo diese die US-Botschaft angreifen sollten.

In einer Videokonferenz einenTag vor dem Schlag informierteAdmiral McRaven das Weiße Haus,das Pentagon und dasVerteidigungsministerium genauüber seinen Angriffsplan für dasLager. Während die CIA in Pakistangenerell Drohnenschlägedurchführen durfte, ohne vorher dieGenehmigung des Weißen Hauseseinzuholen, brauchte das Militärgrünes Licht von einem kleinenTeam in Washington – einer Gruppemit dem Spitznamen»Counterterrorism Board of

Directors«, in der John Brennan denVorsitz führte. Die Gruppe entschiedüber einen Angriffsplan und gabdann ihre Empfehlung an PräsidentObama weiter, der jeden Schlagpersönlich genehmigte.

Er gab auch seine Einwilligung zuder Operation in Abyan. Amfolgenden Tag ging eineverschlüsselte Nachricht an einekleine Flotte amerikanischer Schiffe,die im Arabischen Meerpatrouillierte. Stunden späterschlugen mehrere Marschflugkörperin dem Wüstenlager ein. Noch am

selben Tag brachte die Regierungdes Jemen eine Presseerklärungüber einen erfolgreichen Angriff derjemenitischen Luftwaffe heraus.»Etwa vierunddreißig« al-Qaida-Kämpfer hätten dabei den Todgefunden.

Am folgenden Tag telefonierteObama mit Ali Abdullah Saleh unddankte ihm für seine Kooperation,obwohl das jemenitische Militärlediglich als Feigenblatt für dieamerikanische Operation gedienthatte. Videos, die Einheimische indem Lager aufnahmen, zeigten

Reste der explodiertenMarschflugkörper, die mitamerikanischen Markierungenversehen waren, und bewiesenaußerdem, dass die Tomahawks mitStreubomben bestückt gewesenwaren, die eine verheerendeWirkung entfalten, indem sie aufeiner großen Fläche kleinereSprengkörper verteilen. Die meistenToten waren Zivilisten. Bilder vontoten Frauen und Kindern fandendurch YouTube Verbreitung. Beieiner Protestdemonstration nachdem Angriff, die von al-Dschasira,

übertragen wurde, appellierte einal-Qaida Kämpfer mit geschulterterKalaschnikow direkt an diejemenitischen Truppen: »Soldaten,ihr sollt wissen, dass wir nichtgegen euch kämpfen wollen«, sagteer. »Wir haben kein Problem miteuch. Wir haben ein Problem mitAmerika und seinen Helfern. Hüteteuch davor, für Amerika Partei zuergreifen!«

Drei Wochen nach demamerikanischen Angriff kam GeneralPetraeus nach Sanaa und

verhandelte mit Präsident Salehund seinen Beratern über dienächste Phase des Kriegs. Es gabeinen aktuellen Anlass: Am erstenWeihnachtsfeiertag hatte ein jungerNigerianer in Amsterdam einFlugzeug nach Detroit bestiegen. Inseine Unterwäsche eingenäht wardie neueste diabolische Schöpfungvon Ibrahim al-Asiri, demMeisterbombenbauer aus demJemen. Als das Flugzeug imLandeanflug war, versuchte UmarFarouk Abdulmutallab, die aus80 Gramm Plastiksprengstoff

bestehende Bombe mit einersäuregefüllten Spritze zu zünden.Wieder einmal wurde Asiris Arbeitdurch die Inkompetenz seinesAttentäters zunichte gemacht.Abdulmutallab setzte lediglich seinBein in Brand; andere Passagiererangen ihn schnell nieder. Derglücklose Attentäter wurde inDetroit inhaftiert, und die USAwaren knapp dem ersten großenTerroranschlag unter der RegierungObama entgangen.

War der Attentatsversuch aufPrinz Mohammed Bin Naif das erste

Anzeichen gewesen, dass AQAPaußerhalb des Jemen aktiv werdenwollte, so bewies der vereitelteAnschlag am erstenWeihnachtsfeiertag, dass dieGruppe wirklich danach trachtete,das Werk Osama Bin Ladensfortzusetzen, der sich mit seinerinzwischen stark dezimiertenGruppe in Pakistan versteckt hielt.Als General Petraeus’ FlugzeugAnfang Januar 2010 in derjemenitischen Hauptstadt landete,hatte die Regierung Obama bereitsbeschlossen, die amerikanischen

Angriffe im Jemen zu verstärken.Präsident Saleh billigte nur

widerstrebend, dass der Jemen zumSchauplatz amerikanischerGeheimoperationen wurde, undseine Treffen mit amerikanischenRegierungsvertretern arteten oft ineine Art Kuhhandel aus. Petraeusbegann das 90-minütige Gespräch,indem er Saleh erst einmal zubesänftigen suchte: Er lobte dieerfolgreichen Operationen derjemenitischen Streitkräfte gegenAQAP und sagte, er habe beantragt,die Zahlungen an den Jemen zur

Terrorismusbekämpfung vonjährlich 67 auf 105 Millionen Dollarfast zu verdoppeln.

Doch der gerissene Autokratverlangte mehr. Er kam auf diekürzlich erfolgten Luftschläge derAmerikaner zu sprechen underklärte, mit der Tötung derZivilisten in Abyan seien »Fehlergemacht worden«. Tomahawk-Marschflugkörper seien schlechtgeeignet für den Kampf gegenTerroristen, und zivile Opferkönnten vermieden werden, wennihm die USA ein Dutzend

Kampfhubschrauber verschaffenwürden, mit denen er die Lager derTerroristen angreifen könne. Dannwürde es die Schuldigen treffen,und die Unschuldigen bliebenverschont. Wenn Washington seineBitte für richtig halte, könneGeneral Petraeus vielleicht aufSaudi-Arabien und die ArabischenEmirate einwirken, damit sie ihm jesechs Hubschrauber zur Verfügungstellten. Petraeus reagierte miteinem Gegenvorschlag: ErlaubenSie amerikanischen Spezialkräftenund Geheimagenten im Jemen,

frontnäher zu operieren. Dannkönnten die Amerikaner Daten vonDrohnen und Satellitenherunterladen und dieseInformationen benutzen, um dieVerstecke der Terroristen schnellerund genauer zu treffen.

Saleh lehnte den Vorschlagrundweg ab und sagte, dieAmerikaner müssten innerhalb desOperationszentrums bleiben, dasdie CIA und das JSOC kürzlich ganzin der Nähe der Hauptstadteingerichtet hätten. Der Luftkriegjedoch könne fortgesetzt werden. Er

werde amerikanischenKampfflugzeugen und Bomberngestatten, vor der Küste zu wartenund spezifische Einsätze imjemenitischen Luftraum zu fliegen,wenn Erkenntnisse über denAufenthaltsort führender AQAP-Kämpfer vorlägen. Außerdem wolleer auch künftig den Scheinaufrechterhalten, dass die USA imJemen keinen Krieg führten.

»Wir sagen weiterhin, dass dieBomben von uns sind und nicht vonIhnen«, meinte er.

Die Vereinigten Staaten

verwickelten sich immer stärker ineinen Krieg in einem Land, das sielange ignoriert und nie richtigverstanden hatten. Sie kämpftenmit einer Bande von Fanatikern, diesich mit der einzigen Supermachtder Welt anlegten, und dieRegierung Obama hatte immernoch kaum eine Ahnung, wie vielUnterstützung die Kämpfer hattenund wo sie sich versteckten. DieAmerikaner konnten kaum zwischenechten Erkenntnissen undFalschinformationen unterscheiden,die sie von jemenitischen

Informanten bekamen, die ihreeigenen Interessen verfolgten.

Im Mai 2010, fünf Monate nachPetraeus’ Besuch, trafenamerikanische Raketen das Autovon Jaber al-Shabwani, demVizegouverneur der Provinz Ma’rib.Er hatte von Präsident Saleh denAuftrag erhalten, mit derjemenitischen Qaida-Fraktion zuverhandeln. Nun wurde er mitseinen Leibwächtern auf dem Wegzu einem Treffen getötet, bei demer mit Qaida-Kämpfern über einenWaffenstillstand beraten wollte.

Seine politischen Gegner hattenamerikanischenSpezialeinsatzkräften freilich eineganz andere Geschichte erzählt,nämlich dass er mit al-Qaida imBunde sei. Die Amerikaner warenschlicht benutzt worden, um durcheinen Hightech-Treffer eineStammesfehde zu beenden.

Der amerikanischeRaketenschlag rief im ganzenJemen große Empörung hervor.Präsedent Saleh verlangte ein Endeder Luftangriffe, und Bewohner vonMa’rib steckten eine Pipeline in

Brand, die tagelang brannte. Deramerikanische Krieg im Jemen warauf unbestimmte Zeit zum Stillstandgekommen.

In Washington wurden denbedeutendsten US-Präsidentengroßartige Denkmäler gewidmet,und ihre wichtigsten Äußerungensind in weißen Marmor gehauen.Nach eher mittelmäßigenPräsidenten dagegen sindKonferenzräume in den Motels derInnenstadt benannt. Am 6. April2010 stieg Dennis Blair die Treppe

in den Keller des Willard-Hotelshinab, wo sich Tagungsräumebefanden, für deren Namen MillardFillmore, Zachary Taylor, FranklinPierce und James Buchanan Patestanden. Dort hielt er, was sich alsseine letzte Rede als Director ofNational Intelligence erweisensollte.

Er war auf seinem Posten immerunzufriedener geworden und hattegemerkt, dass er sowohl im WeißenHaus als auch bei denWashingtoner Intellektuellen, dieim Bereich nationale Sicherheit

etwas zu sagen hatten, immerweniger Rückhalt besaß. An diesemMorgen kam er mit dem festenVorsatz in das Hotel, seineBedenken über dieGeheimoperationen der CIA, dienach seiner Ansicht völlig aus demRuder gelaufen waren, zumAusdruck zu bringen. Obwohl er sichdiplomatisch ausdrückte, war seineBotschaft klar.

Die Vereinigten Staaten, sagteer, hätten sich zu oft auf geheimeAktionen gestützt – und das in einerWelt, in der Geheimnisse schwer zu

wahren seien und es außerdemkaum zu verbergen sei, wennAmerika irgendwo die Hand imSpiel habe. »Heute stehen unseremLand viel mehr offeneMachtinstrumente zur Verfügung,um Probleme in Weltregionenanzugehen, wo früher nur verdeckteOperationen möglich waren.«

In seiner ganzen Rede erwähnteer die CIA mit keinem Wort.Dennoch war unmissverständlichklar, dass der Geheimdienstgemeint war, der während seinerAmtszeit enorme Macht in der

Obama-Administration angehäufthatte. Indem Blair mit seinenSorgen an die Öffentlichkeit ging,verletzte er eine der wichtigstenRegeln der Regierung Obama. Sielautete: Streitigkeiten in Sachennationale Sicherheit bleiben in derFamilie. Noch mehr fiel ins Gewicht,dass er einen der Grundpfeiler vonObamas Außenpolitik infragestellte: den Einsatz der CIA alsInstrument eines geheimen Kriegs.Wie vorauszusehen, kochten LeonPanetta und andere hochrangigeVertreter der CIA vor Wut, als sie

von der Rede hörten. Etwas mehrals einen Monat später wurdeDennis Blair vom Präsidentengefeuert.

Die CIA bekommt, was sie will.

13

DER RUN AUF AFRIKA

»Das ist Manna vom Himmel.«Amira

Ende September 2008 passierte dieMV Faina, ein unter belizischerFlagge für eine ukrainischeReederei fahrendes Frachtschiff, aufihrem Weg in die kenianischeHafenstadt Mombasa die KüsteSomalias – ein Ziel, das sie

allerdings erst einmal nichterreichen sollte. Denn als derFrachter gerade durch einbesonders tückisches Fahrwassernavigierte, wurde er von übereinem Dutzend Männer inMotorbooten gekapert, die die aussiebzehn Ukrainern, drei Russenund einem Letten bestehendeMannschaft als Geiseln nahmen.

Als die Piraten hinunter in denLaderaum des Schiffs kletterten,konnten sie ihr Glück nicht fassen:Die Faina hatte dreiunddreißigrussische T-72-Panzer, ein ganzes

Arsenal an Flugabwehrgeschützensowie mehrere Dutzend KistenGranaten geladen. Die Piratenkonnten das nicht wissen, aber dieLadung war Teil eines geheimenProgramms der kenianischenRegierung zur Aufrüstung der imSüdsudan gegen die Regierung inKhartum kämpfenden Rebellen –ein klarer Verstoß gegen das vonden Vereinten Nationen verhängteWaffenembargo. Die somalischenPiraten waren inzwischen Expertendarin, ihre Lösegeldforderungenentsprechend dem Wert der

geladenen Fracht festzulegen, undnicht lange nach dem erfolgreichenCoup gaben sie bekannt, dass siefür die Freilassung der Crew und dieRückgabe des Schiffs samt seinersensiblen Ladung 35 Millionen US-Dollar verlangten.

Innerhalb der nächsten Tagebezogen amerikanischeKriegsschiffe Stellung um den vonden Piraten gekaperten Frachter,und Hubschrauber flogen immerwieder darüber hinweg, um sich einBild vom Zustand der Besatzung zumachen. Bald schon wurden

Verhandlungen über die Rückgabedes Schiffs und der Crewaufgenommen, aber da dieukrainische Reederei, der das Schiffgehörte, die Forderungen derPiraten beharrlich zurückwies, warauch nach mehreren Wochen nochkeine Lösung in Sicht. Schließlichverlangten die vom Ausbleibenjeglicher Fortschritte frustriertenPiraten einen neuen Mediator fürdie Verhandlungen. Sie pinselteneine Botschaft auf ein weißes Lakenund ließen es über die Reling derFaina herunterhängen.

Auf dem Laken stand nur einWort: AMIRA.

Innerhalb weniger Tage standMichele »Amira« Ballarin imZentrum der heiklenLösegeldverhandlungen mit denPiraten, die einundzwanzig Seeleuteund ein Schiff voller russischerPanzer in ihrer Gewalt hielten. Alsdie Piraten ihre Forderung nacheinem neuen Mediatorunterbreiteten, hatte Ballarin sichlängst mit einer Gruppe somalischerKlanältester zusammengesetzt, umüber die Höhe des Lösegelds und

die Rückgabe des Schiffs samtBesatzung und Fracht zu verhandeln– auch wenn sie später ein eigenesfinanzielles Interesse an denVerhandlungen stets dementierte.Ihr Engagement sei reinhumanitärer Natur, erklärteBallarin, die unter anderemSatellitentelefone besorgte, damitdie Piraten mit den Klanältesten anLand und die Crew-Mitglieder derFaina mit ihren Familien sprechenkonnten. Die ukrainischen Eignerdes Schiffs allerdings zeigten sichwenig erfreut von den

Vermittlungsversuchen dieserundurchschaubaren Amerikanerin.Ballarin würde, tobten sie, mit ihrerEinmischung nur den Preis für dieFreilassung der Besatzung und derLadung in die Höhe treiben undsolle schleunigst verschwinden. »Siesollte verstehen, dass sie, wenn sieKriminellen eine hohe Summeanbietet – Geld, über das sie imÜbrigen gar nicht verfügt –, beiihnen nur falsche Hoffnungenweckt«, erklärte ein Sprecher derReederei.

Nun mischte sich sogar die

ukrainische Regierung ein. AnfangFebruar 2009, nur ein paar Wochennach Obamas Inauguration,beschwerte sich der ukrainischeAußenminister Wolodymyr Ohryskoin einem Brief an seineamerikanische Amtskollegin HillaryClinton über diese Frau aus Virginia,die sich, wie er mit gewissemAplomb formulierte, »zurUnterhändlerin dieser Freibeuterder Meere« aufgeschwungen habe.Mit ihren Aktionen, fuhr derukrainische Außenminister fort,stifte Ballarin »die Piraten nur dazu

an, ihre Lösegeldforderungengrundlos in die Höhe zuschrauben«, weshalb er Clinton bat,»sich für ihren Ausschluss aus demVerhandlungsprozess mit denPiraten« einzusetzen.

Hillary Clinton dürfte der NameMichele Ballarin kaum bekanntgewesen sein, bevor sie diesenBrief aus der Ukraine erhielt –anders als vielen anderenamerikanischenRegierungsbeamten. Schon vorPräsident Obamas Amtsantritt hatteBallarin vom Pentagon einen

Auftrag zur verdecktenInformationsbeschaffung in Somaliaerhalten, was nur eines der vielenProjekte war, für die sie, mitwechselndem Erfolg, den Segen derUS-Regierung zu erlangenversuchte.

Ihre 2006 unternommenenBemühungen, einen sufistischenWiderstand zur Bekämpfung von al-Shabaab zu organisieren, hattenzwar zu nichts geführt, aber daskonnte sie nicht abschrecken.Mittels diverser Scheinfirmen mitebenso vagen wie großspurigen

Namen wie BlackStar, Archangel(»Erzengel«) und Gulf SecurityGroup nahm sie mehrere neueProjekte in Angriff, im Glauben, sichdamit zu einem unersetzbarenPartner für das amerikanischeMilitär und die US-Geheimdienste zumachen. Unter anderem baute sieein altes Hotel im ländlichenVirginia zu einer streng gesichertenAnlage mit verstärktenAußenmauern und Codeschlössernum, von der sie hoffte, dass die CIAoder das Pentagon sie zurVerwahrung streng geheimer

Informationen nutzen würden.Allerdings war ihren Bemühungen,die Anlage an das CIA oderirgendeine andereRegierungsbehörde zu vermieten,kein Erfolg beschieden.

Ballarin heuerte mehrerepensionierte amerikanischeMilitäroffiziere und Spione an –unter anderem den ehemaligenCIA-Agenten Ross Newland, der dieAgency verlassen und sich alsBerater selbstständig gemachthatte. Sie sollten ihr helfen,Kontakte zu hochrangigen

Mitgliedern des WashingtonerSicherheitsestablishmentsaufzubauen. Gemeinsam mit einemehemaligen Hauptfeldwebel derArmee namens Perry Davis, der denGreen Berets angehört und langeJahre Dienst in Südostasiengeschoben hatte, spielte siekurzfristig mit dem Gedanken, aufentlegenen Inseln in denPhilippinen und Indonesien nachStandorten für Geheimbasen zusuchen, die man, dachte sie sich,zur Ausbildung einheimischerSoldaten für Antiterroroperationen

nutzen könnte. Größtenteils aberkonzentrierte sie sich auf Afrika.

Im August 2007 schrieb sie einenBrief an die CIA, in dem sie sich alsPräsidentin der Golf Security Grouppräsentierte, einer in denVereinigten Arabischen Emiratenangesiedelten Gesellschaft mitgenau einem Unternehmensziel: dieterroristischen Netzwerke,Infrastrukturen und Kämpfer von al-Qaida am Horn von Afrikaaufzuspüren und auszumerzen.

Weiter schrieb Ballarin in demBrief:

»Die Golf Security Group befindetsich im Besitz und wird kontrolliertvon den unterzeichnenden Bürgernder Vereinigten Staaten und istkeinerlei ausländischen Interessenoder Einflüssen ausgesetzt. Wirunterhalten enge Beziehungen zueinheimischen Klans und politischenFührern in Somalia, Kenia, Ugandaund am gesamten Horn von Afrika,einschließlich der Union islamischerGerichte sowie zu denjenigen, dieihre militanten unddschihadistischen Aktivitätenkontrollieren. Diese Beziehungen

ermöglichen erfolgreicheOperationen ohne Fingerabdrücke,Fußabdrücke oder Flaggenzeichenund bieten absoluteAbstreitbarkeit.«

Dieses atemberaubende Angebotquittierte die Rechtsabteilung derCIA mit einer geharnischtenAntwort. »Die CIA ist«, schrieb JohnL. McPherson, der stellvertretendeChefjustitiar der Agency, »weder anIhrem unaufgefordert eingesandtenVorschlag interessiert, nochautorisiert sie Sie, irgendwelcheAktivitäten in ihrem Namen zu

betreiben.« Ballarins Angebot, ausAusländern bestehendeKillerkommandos einzurichten,könnte, so McPherson weiter, alsein Verstoß gegen dasNeutralitätsgesetz aufgefasstwerden, das US-Bürgern dieAufstellung privaterAuslandsarmeen untersagt.

So abseitig Ballarins Angebotauch erscheinen mochte, womöglichwar einfach nur ihr Timing schlecht.Schließlich hatte die CIA noch einJahr zuvor Erik Prince und EnriquePrado im Rahmen des an

Blackwater-Mitarbeiterausgelagerten Tötungsprogrammsauf der Lohnliste stehen. Dannaber, Mitte 2006, hatte die Agencydas Blackwater-Programm gestoppt– eben wegen der von McPherson inseinem Brief an Ballarin geäußertenrechtlichen Bedenken bezüglich desAnwerbens von Privatpersonen zumEinsatz bei gezieltenTötungsoperationen. Und um nichtsin der Welt würde die CIA sich jetztauf ein von einer abenteuerlustigenZivilistin ohne jede nachweisbareErfahrung in der Durchführung

verdeckter Operationenvorgeschlagenes ähnliches Projekteinlassen.

Nachdem die CIA ihr Angebotabgelehnt hatte, für die Agency inden Krieg zu ziehen, machte sichBallarin an das Pentagon heran –und das mit deutlich mehr Erfolg.Im Frühjahr 2008 betraten Ballarinund Perry Davis ein gegenüber demPentagon gelegenes unauffälligesBürogebäude, wo sie einen Terminim Hauptquartier des CombatingTerrorism Technical Support Officehatten. Das CTTSO ist eine kleine

Einrichtung mit einem bescheidenBudget zur Anschubfinanzierungenfür geheime militärischeAntiterrorprogramme, und einKontaktmann innerhalb desPentagons hatte für Ballarin einMeeting organisiert. Dabei wussteim CTTSO kaum jemand etwas überdie elegant gekleidete Frau, die dain ihr Büro hereingeschneit kam.Ballarin, die sich dieses Mal alsChefin eines Unternehmens namensBlackStar vorstellte, redete nichtlange um den heißen Brei herum.

»Ich bring Somalia für Sie in

Ordnung«, verkündete sie.Der Plan, den Ballarin und Davis

den Militärs darlegten, sah vor, einhumanitäresNahrungsmittelprogramm alsFassade für die Gewinnung vonGeheimdienstinformationenaufzuziehen. Paletten mitLebensmitteln würden per Schiff ineinen somalischen Hafen gebracht,gelöscht und per Lastwagen auf vonihrem Team noch zu errichtendeHilfsstationen im ganzen Landverteilt. Dem Plan zufolge solltenSomalier, die zu den

Ausgabestationen kamen, ihrenNamen und andere persönlicheInformationen preisgeben und dafürBezugskarten erhalten. Die an denAusgabestationen gesammeltenInformationen könntenanschließend, lockte Ballarin dieMilitärbeamten, in die Pentagon-Datenbanken eingespeist undsowohl dazu verwendet werden, diekomplexe Stammesstruktur inSomalia zu kartieren, als auch,möglicherweise, den VereinigtenStaaten helfen, die Anführer von al-Shabaab zur Strecke zu bringen.

Sie sei, erklärte Ballarin, bereit,einen Großteil des Programms ausihrer eigenen Tasche zu finanzieren,erwarte aber den Segen desPentagons und zusätzlicheFinanzmittel. Obwohl Ballarin undDavis kaum darauf eingingen, wiegenau sie die Operationumzusetzen gedachte, gelang esihnen, den Plan an die CTTSO zuverkaufen. Kurz nach dem Meetingversprach das Pentagon-BüroBlackStar eine erste Zahlung inHöhe von rund 200000 US-Dollarund stellte, sollte sich das

Programm als erfolgversprechenderweisen, weitere Gelder inAussicht. Damit hatte MicheleBallarin zum ersten Mal dieZustimmung der amerikanischenRegierung für Geheimoperationen inAfrika erhalten.

Gleiche mehrere Faktoren warendafür verantwortlich, dass MicheleBallarin mit ihrem Vorschlag, eineprivate Geheimdienstoperation inSomalia aufzuziehen, reüssierenkonnte. Erstens und vor allem wares der Mangel an zuverlässigen

Informationen über ein Land, vondem in Washington viele fürchteten,es könnte zu einem Terrorstaat derArt mutieren, wie es dasAfghanistan vor dem 11. September2001 gewesen war. Zweitens wardie CIA voll und ganz mit ihremDrohnenkrieg in Pakistan und denmilitärischen Operationen inAfghanistan und im Irak beschäftigt,was hieß, dass sie kaum über freieRessourcen für Spionageeinsätze inSomalia verfügte. Drittensverspürte nach dem verheerendenAusgang der verdeckten Aktion mit

somalischen Warlords im Jahr 2006kaum jemand in Langley sonderlichgroße Lust, ein weiteres Mal durchden somalischen Sumpf zu stapfen– ganz abgesehen davon, dass mansich bei der Agency gar nicht mehrso sicher war, ob sich dasüberhaupt lohnte: In seinem letztenInterview mit Journalisten nach derAbwahl der Regierung Bush tat derscheidende CIA-Direktor MichaelHayden al-Shabaab alsunbedeutend ab.

Auf der anderen Seite jedochintensivierte das Pentagon seine

verdeckten Operationen auf demKontinent: vom Horn von Afrikaüber die arabischen Staaten imNorden bis hinüber inwestafrikanische Länder wie etwaNigeria. Die Einrichtung des U.S.Africa Command (Africom) imHerbst 2008, das ersteausschließlich mit Einsätzen inAfrika befasste Zentralkommandodes Pentagons, war ein weiteresIndiz für die nach Jahren derrelativen Vernachlässigunggestiegene Aufmerksamkeit für denzweitgrößten und

zweitbevölkerungsreichsten Erdteil.Das Pentagon besaß nun zwar einbrandneues Militärkommando imsüddeutschen Stuttgart, verfügteaber über keinerleinachrichtendienstlicheEinrichtungen zur Unterstützung vonOperationen.

Oder auch nur eine klareVorstellung davon, wen es inSomalia unterstützen sollte. Nur einpaar Monate nach ObamasAmtsantritt kündigte die neueRegierung in Washington dieLieferung von vierzig Tonnen

Waffen und Munition für die vonden Vereinten Nationen gestützteund schwer bedrängte somalischeÜbergangsregierung an, die von derMehrheit der Somalier als ebensoschwach wie korrupt erachtetwurde. In Frühjahr 2009beschränkte sich der Machtbereichder Übergangsregierunggrößtenteils auf ein Areal von einpaar Quadratkilometern innerhalbMogadischus, und in PräsidentObamas Team malte man sichentsetzt aus, was passieren würde,sollte al-Shabaab die Regierung mit

einer Offensive aus der Hauptstadthinausjagen. Allerdings hatten dieVereinten Nationen ein Embargoauf Waffenlieferung nach Somaliaverhängt, und so musste Obamazuerst die Genehmigung der UNeinholen. Die erste Ladung mit denUS-finanzierten Waffen traf im Juni2009 in Mogadischu ein, sehr zurFreude der somalischenRegierungstruppen, die siepostwendend auf denWaffenbasaren der Stadt zumVerkauf anboten. Das wiederumführte dazu, dass die Preise für

Waffen auf dem Schwarzmarktkollabierten und die Shabaab-Kämpfer sich billig mit neuemKriegsgerät eindecken konnten.Gegen Ende des Sommers mussteman auf den Basaren dersomalischen Hauptstadt für einM16-Sturmgewehr ausamerikanischer Fertigung geradeeinmal 95 US-Dollar hinblättern,und für nur fünf Dollar mehr konnteman die noch beliebtere russischeAK-47 mit nach Hause nehmen.

Die Kampagne am Horn vonAfrika, respektive der ausgelagerte

Krieg, den die Vereinigten Staatenhier von Stellvertretertruppen undWarlords ausfechten ließen, wurdenach wie vor auf eine planlose undwillkürliche Weise geführt.Washington sah in Somalia zwareine Bedrohung, aber doch keine sogroße, als dass sie eine offeneamerikanische Militärinterventiongerechtfertigt hätte. Das bot einEinfallstor für privateSicherheitsfirmen und Leute wieBallarin, die sich andienten, dieGeheimdienstlücke zu füllen, so wieDewey Clarridge es in Pakistan

vorexerziert hatte.Somalia verwandelte sich in eine

Spielwiese für alle möglichenverdeckten Operationen: von dengeheimen Antiterrormissionenwestlicher Regierungen bis hin zuden abenteuerlichen Plänen privaterSicherheitsfirmen zur Bekämpfungder Piratenplage. Bei einem dieserVorhaben hatte Erik Prince dieFinger mit im Spiel, der Ex-Boss derschwer unter Beschuss geratenenprivaten SicherheitsfirmaBlackwater Worldwide, der sich ausden USA in die Vereinigten

Arabischen Emirate (VAE) abgesetzthatte, um seinen Geschäften vondort aus weiter nachzugehen. Hiersei er, sagte er, besser geschütztvor den Schakalen – sprichamerikanischen Staatsanwälten undden Ermittlern des US-Kongresses–, die Jagd auf ihn und sein Geldmachten. Neben einem strenggeheimen Projekt, bei dem es umdie Aufstellung einer auskolumbianischen Soldatenbestehenden Söldnerarmee für dieRegierung der VAE ging – eineArmee, die sie zur Niederschlagung

von Unruhen im Inland undmöglicherweise sogar zurAbschreckung iranischer Angriffeeinsetzen könnte –, betrieb Princezusammen mit einer Gruppesüdafrikanischer Söldner denAufbau einer Antipiraten-Einheit imnördlichen Somalia.

Die Piraten, die am Horn vonAfrika Schiffe auf dem Weg aus demund in den Persischen Golfkaperten, bereiteten den VAEzunehmend Sorgen, und soentwickelten Regierungsbeamte derEmirate gemeinsam mit Prince eine

neue Strategie zu ihrerBekämpfung: Statt die Piraten aufhoher See herauszufordern, könnteman, so die Idee, doch eine neueMiliz aufstellen, um die Piratendirekt in ihren Schlupfwinkeln anLand anzugreifen. Prince, der vorkeiner Herausforderungzurückschreckte, traf sich mitVertretern einer privatensüdafrikanischen Sicherheitsfirmanamens Saracen International,deren Boss Lafras Luitingh zu Zeitender Apartheid für das berüchtigteCivil Cooperation Bureau (CCB)

gearbeitet hatte. Das zu densüdafrikanischen Special Forcesgehörende CCB war auf dieErmordung und Einschüchterungschwarzer Apartheidgegnerspezialisiert gewesen, und nachdem Sturz des Regimes fandenviele ehemalige CCB-Agenten inden zahlreichen afrikanischenBürgerkriegen ein neues undlukratives Betätigungsfeld. Die nunanvisierte Antipiraterie-Operationwar für Luitingh und seinesüdafrikanischen Söldner nur einesvon vielen verdeckten Projekten in

einem Teil der Welt, derinternational nach wie vorweitgehend ignoriert wurde.

Außer in privatenSicherheitsfirmen befasste man sichinzwischen auch im Joint SpecialOperations Command des US-Militärs intensiver mit demGedanken an einen Geheimkrieggegen die militanten Islamisten inSomalia. In Washington diskutierteJSOC-Kommandeur Admiral WilliamMcRaven mit Politikern undBeamten über die Möglichkeit, eineoffizielle Task Force der

Spezialeinsatzkräfte für Somaliaeinzurichten, eine Maßnahme, dieer auch schon für den Jemenangeregt hatte. Die neue Truppesollte sich am Vorbild der TaskForce im Irak orientieren, die diedortige Qaida-Zelle mit sodurchschlagendem Erfolg bekämpfthatte: »Snatch-and-grab«-Operationen der Navy SEALs in vonal-Shabaab gehaltenen Territorienmit anschließenden Verhören derGefangenen, um der Gruppe aufdiese Weise das Genick zu brechen.

Im Vergleich zum Jemen oder

Pakistan war Somalia ein sowohleinfacheres wie auch schwierigeresUmfeld für einen verdeckten Krieg.Anders als im Jemen und inPakistan gab es in Somalia keineZentralregierung, mit der dieAmerikaner hättenzusammenarbeiten und auch keinenlokalen Geheimdienst, der al-Shabaab hätte infiltrieren können.Aus demselben Grund aber bliebender USA in Somalia die üblichenScherereien wegen irgendwelcheroffizieller Genehmigungen erspart,bevor man eine gezielte

Tötungsoperation durchführenkonnte. Hier gab es keinen AliAbdullah Saleh oder PervezMusharraf, die man hofierenmusste, und ebensowenig mussteman geheime Bargeldzahlungen fürdas Recht leisten, in einem anderenLand Krieg führen zu dürfen.Somalia war, wie es ein an denPlanungen von Aktionen am Hornvon Afrika beteiligter hochrangigerMilitäroffizier formulierte, »eineeinzige große ›Feuer frei‹-Zone.«

Doch die JSOC-Vorschlägestießen in Washington auf wenig

Gegenliebe. Die tragische Black-Hawk-Down-Episode lastete immernoch schwer auf jeder Diskussionum Antiterroreinsätze in Somalia,und schlussendlich wies das WeißeHaus McRavens ehrgeizige Plänezurück und beharrte darauf, dassjede militärische Operation inSomalia von Präsident Obamapersönlich abgesegnet werdenmüsse. Die Anwälte der Regierungstellten sogar infrage, ob al-Shabaab, eine Gruppe, die bislangkeine Terrorakte gegen dieVereinigten Staaten ausgeführt

hatte, überhaupt ein legitimes Zielsei. Stellten die Kämpfer eineGefahr für die nationale Sicherheitder USA dar, oder waren sie nichtdoch nur eine lokale Miliz, dieWashington getrost ignorierenkonnte?

In der Tat fiel es einemgelegentlich schwer, die Gruppeernst zu nehmen. Während al-Shabaab einerseits Mogadischuunter die Knute eines striktenScharia-Rechts zwang und Diebendie Hände abhacken undEhebrecherinnen steinigen ließ,

machte sie andererseits durchlaunige und zum Teil regelrechtabsurde Aktionen auf sichaufmerksam. Um etwa neueRekruten anzuwerben, griffen dieShabaab-Führer auch zu höchstskurrilen Mitteln; beispielsweiseorganisierten sie einenTalentwettbewerb in der Machartder TV-Show Deutschland sucht denSuperstar, und auf einem von al-Shabaab betriebenen Radiosenderwurde ein Ratespiel für Kinder undJugendliche ausgestrahlt, bei demunter anderem die folgende Frage

beantwortet werden musste: »Inwelchem Krieg wurde unserAnführer Scheich Timajilic getötet?«Der – später tatsächlich überreichte– Hauptgewinn: eine Kalaschnikow.Und nachdem das US-Außenministerium Belohnungen fürHinweise auf den Aufenthaltsort derShabaab-Führer ausgelobt hatte,verkündete ein Sprecher der Milizvor mehreren tausend Somaliern,die sich in Mogadischu nach demFreitagsgebet versammelt hatten,dass die Gruppe ihrerseitsBelohnungen für Angaben zu den

»Verstecken« hoher amerikanischerPolitiker anbot: Derjenige, der al-Shabaab auf die Spur des »IdiotenObama« brachte, durfte sich aufzehn Kamele freuen, während es fürsachdienliche Informationen zumAufenthaltsort der »alten FrauHillary Clinton« zehn Hähne undzehn Hennen zu gewinnen gab.

Angesichts weniger Optionen zurInhaftierung von Terrorverdächtigenund noch weniger Lust aufumfangreiche Bodenoperationen inSomalia erschien in manchen Fällendie Ermordung von Zielpersonen

weitaus unproblematischer als ihreGefangennahme. Im September2009 gelang dem JSOC ein echterCoup – man hatte präziseInformationen über denAufenthaltsort von Saleh Ali SalehNabhan erhalten, einemkenianischen Mitglied der Qaida-Zelle in Ostafrika, die für dieAnschläge auf zwei amerikanischeBotschaften 1998 verantwortlichwar. Nabhan, von dem manannahm, dass er der Qaida-Verbindungsmann zu al-Shabaabwar, hatte offenbar vor, sich im

Schutz eines Lastwagenkonvois vonMogadischu in die am Meergelegene Kleinstadt Barawaabzusetzen, nachdem er sich zuvormonatelang nur innerhalb vonStädten und dicht besiedeltenRegionen bewegt hatte, woamerikanische Luftangriffeunmöglich waren. In einerVideokonferenz, in der das WeißeHaus, das Pentagon, die CIA unddas JSOC-Hauptquartier in FortBragg zusammengeschaltet waren,stellte Admiral McRaven denTeilnehmern die verschiedenen

Einsatzoptionen vor. Am wenigstenriskant wäre es, Tomahawk-Marschflugkörper von einem vor derKüste liegenden Kriegsschiff oderRaketen von einen Militärflugzeugaus abzufeuern. Alternativ dazukönnten Navy SEALs mit AH-6-Hubschraubern den Konvoi unterBeschuss nehmen, Nabhan tötenund zum Beweis seines Todes vorOrt DNA-Spuren einsammeln.Abschließend präsentierte McRavennoch eine Variante von Option zwei:Statt Nabhan umzubringen, könntendie SEALs ihn auch gefangen

nehmen, in einen der Hubschrauberverfrachten und irgendwohin zumVerhör bringen. Präsident Obamaentschied sich für das, wie ermeinte, am wenigsten riskanteVorgehen: einen Raketenangriff ausder Luft.

Allerdings entwickelten sich dieDinge nicht wie geplant. Das JSOCtraf gerade die letztenVorbereitungen für die unter demDecknamen »Celestial Balance«laufende Operation, als das für dieMission angeforderte Flugzeug eineFehlfunktion der

Raketenabschussvorrichtungmeldete. Da die Zeit knapp wurdeund Nabhan bereits auf dem Wegwar, ordnete McRaven an, auf PlanB auszuweichen: Die auf einemNavy-Schiff vor der somalischenKüste abrufbereit stehenden NavySEALs sprangen in ihreHubschrauber, flogen nach Westenin den somalischen Luftraum undnahmen den Konvoi unter Beschuss.Nabhan und drei weiterehochrangige Shabaab-Mitgliederstarben.

Die Operation endete zwar mit

einem Erfolg, doch für einige der ander Planung beteiligten Personenwarf der Ablauf des Einsatzesmehrere unangenehme Fragen auf.Weil Plan A gescheitert war, hattendie Vereinigten Staaten sich zu demaußergewöhnlichen Schritt genötigtgesehen, eigene Soldaten in einsder feindseligsten Länder der Weltzu schicken. Aber warum hatten dieNavy SEALs, nachdem sie schoneinmal dort waren, Nabhan nichtgefangenen genommen, statt ihnumzubringen? Mit ein Grund dafürwar, dass man eine

Festnahmeoperation für zu riskanterachtete. Aber das war nicht dereinzige. Tatsächlich gaben die USAin Somalia generellTötungseinsätzen den Vorzug.Oder, wie es eine an den Planungender Operation beteiligte Personformulierte: »Wir haben Nabhannicht gefangen genommen, weil wirgar nicht gewusst hätten, wohin wirihn hätten bringen sollen.«

Michele Ballarin und Perry Daviswaren vom Pentagon ursprünglicheben zu dem Zweck angeheuert

worden,Geheimdienstinformationen wiediejenigen zu beschaffen, die dieAmerikaner auf die Spur Nabhamsgeführt hatten. Das nutzte Ballarinbei ihren häufigen Trips nachOstafrika auch nach Kräften aus undbrüstete sich in privaten Meetingsmit diversen somalischenGruppierungen gerne mit ihrenguten Beziehungen zur US-Regierung. Jede Reise eröffnete ihrneue Geschäftschancen, und mitSomalias Aufstieg zum Epizentrumder globalen Piraterie erkannte sie

die Gelegenheit, als Vermittlerin beiLösegeldverhandlungen einen Profitfür sich herausschlagen zu können.Ballarins primärer Kontakt aus demPentagon-Büro, dem sie denAuftrag überhaupt erst verdankte,hatte sie gedrängt, gezielt die Klansin Somalia zu umwerben, die engeBeziehungen zu denPiratennetzwerken unterhielten,und zu dem Zeitpunkt, als diePiraten an der Reling der Faina dasLaken mit der Aufschrift »Amira«herabließen, war sie schon festentschlossen, sich als

Unterhändlerin der Wahl zuetablieren. Öffentlich erklärte sie,sie würde dabei rein humanitäreMotive verfolgen, im privaten Kreisaber räumte sie gegenüber einigenihrer Mitarbeiter ein, dass man,sollte die Piraterie weiterzunehmen, mit einem Anteil an denLösegeldzahlungen einen gutenSchnitt machen könne. »Sieträumte davon, diese ganzenVerhandlungen zu arrangieren unddamit reich zu werden«, sagte BillDeininger, einer ihrer früherenMitarbeiter. In einem Interview mit

einem Reporter meinte sie, ihr Zielsei es, »alle siebzehn gekapertenSchiffe und 450 entführtenMenschen loszueisen«, die sich zuder Zeit in der Gewalt somalischerPiraten befanden.

Deininger ist einer von Ballarinszahlreichen Angestellten, die demUnternehmen den Rücken kehrten,als sie zu der Überzeugunggelangten, dass ihren vielenvollmundigen Versprechungen keineTaten folgen würden. Einigepensionierte Militäroffiziere, dieBallarin für ihre diversen

Unternehmen eingestellt hatte,hatten eigenes Geld miteingebracht, und als sich ihreInvestitionen dann praktisch in Luftauflösten, fühlten sie sich übers Ohrgehauen. Das Pentagon hatte 2008zwar das Startkapital für ihr Projektzur geheimdienstlichenInformationsbeschaffungbereitgestellt, doch Ballarin tat sichschwer, einen kontinuierlichenGeldfluss aus Verträgen mit derRegierung zu gewährleisten, undmusste deswegen die Verbindungenzu zahlreichen Geschäftspartnern

kappen.Das hinderte sie aber nicht

daran, ihren luxuriösen Lebensstilim wogenden Hügelland vonVirginia vor den Toren Washingtonsfortzuführen. Oder daran, weiterhinhochgestellte Militärs undGeheimdienstler zu hofieren, die siehäufig in das von ihr angemieteteHerrenhaus einlud – einrepräsentativer Ziegelbau (derzugleich als exklusivesAntiquitätengeschäft diente),umgeben von einem 45 Hektargroßen Grundstück in einer früher

vor allem für seine Pferdefarmenbekannten, inzwischen aber zumRandbezirk von Washingtonzählenden Gegend. In dem mitantiken Vasen, Drucken vonJagdszenen und zahllosenFotografien von Ronald Reagan undPapst Johannes Paul II. dekoriertenSpeisesaal der Villa empfing sieamerikanische und afrikanischeBeamte und Politiker. Schwerbeladen mit Schmuck undgelegentlich mit einer durch ihreHände gleitenden Gebetskette saßsie am Kopfende eines ausladenden

antiken Tischs denZusammenkünften vor, bei denenes Perry Davis oblag, die Teetassender Gäste regelmäßig mit einemsüßlich schmeckenden Aufguss auskenianischem Schwarztee mitKardamom, Nelken und anderenGewürzen nachzufüllen.

Ballarin unternahm weiter Reisennach Ostafrika, bei denen sie ihreBeziehungen zu sufistischausgerichteten Gruppen innerhalbSomalias ausbaute. Und sie ließsich ein werbewirksames Etikett fürihre Tätigkeit einfallen: Sie

offerierte nun »organischeLösungen« für Probleme, die seitJahrzehnten schwärten, Lösungen,die weder von ausländischenRegierungen noch von, wie siesagte, aufdringlichen äußerenAkteuren wie den VereintenNationen in die Tat umgesetztwerden könnten. In einemInterview mit dem RadiosenderVoice of America sprach sie voneinem »sanften« Ansatz, einem, derohne Gewalt auskomme.

»Die Somalier haben mehr alsgenug Kriege gesehen, mehr als

genug private Militärfirmen, mehrals genug Blutbäder, mehr alsgenug Schießpulver und mehr alsgenug Kugeln«, sagte sie. »All diefurchtbaren Dinge, die eineGeneration junger Menschenhervorgebracht hat, die nichtsanderes mehr kennt. Warum solltejemand, der diese Kultur austiefstem Herzen liebt, dasfortführen wollen? Das ist nicht derWeg, der die Menschen in Somaliavoranbringt, ganz und gar nicht.«

Dabei war ihre Vorstellung von»organischen Lösungen« offenbar

ziemlich flexibel. 2009 etwaversuchte sie einem somalischenKillerkommando zu helfen, daseinen Anschlag auf fünf prominenteShabaab-Mitglieder plante, die zueinem Treffen in Mogadischuzusammenkommen sollten. Alles,was die Männer bräuchten, sagtesie, seien Schalldämpfer für ihreHandfeuerwaffen.

In ihrer Version der Geschichte –einer Geschichte, deren Details einehemaliger amerikanischerRegierungsmitarbeiter späterbestätigte – saß sie in ihrer Suite im

Palace Kempinski in Dschibuti, demeinzigen Fünfsternehotel in dembitterarmen Kleinstaat. Sie warhier, weil in dem Hotel eineinternationale Konferenz stattfand,deren Teilnehmer – eine Art Who’sWho der somalischen Klans – dennächsten Führer der machtlosensomalischen Übergangsregierungbestimmen sollten. Nachlangwierigen Verhandlungen inKonferenzsälen und am Hotelpoolernannten sie Scharif ScheichAhmed, einen gemäßigten Ex-Kommandeur der Union islamischer

Gerichte, zum neuen Präsidentenihres Landes.

Dann, mitten in der Nacht,klopften ein paar Somalier an ihreTür und führten sie in die Suiteeines hochrangigen Mitglieds derneuen Führung. Er stehe, erklärte erihr, in Kontakt mit einem führendenShabaab-Angehörigen, derInteresse bekundet habe, die Seitenzu wechseln und für die Regierungzu arbeiten. Der Mann, fuhr er fort,sei über ein bevorstehendes Treffenvon Shabaab-Führern informiert und– den Segen der USA vorausgesetzt

– bereit, sie alle umzubringen.Die Liste dessen, was er

brauchte, war kurz: Seine Männerbenötigten ein Training im Umgangmit Handfeuerwaffen undSchalldämpfer für ihre Pistolen,damit sie die Operation so diskretwie nur möglich durchführenkonnten. Darüber hinaus verlangteder Überläufer nur, dass dieVereinigten Staaten Mittel zurUnterstützung der Witwen undKinder der ermordeten Shabaab-Führer bereitstellten.

Nach ihrer Rückkehr in die USA

setzten sich Ballarin und PerryDavis sogleich mit einigen Militärsin Verbindung, die sie im Pentagonkannten. Nach Ballarins Ansicht gabes in der Sache eigentlich nicht vielzu überlegen, und noch Jahrespäter lag Zorn in ihrer Stimme, alssie von dem Meeting berichtete.

»Das ist Manna vom Himmel!Nehmen Sie’s!«, hatte sie denversammelten Militärs zugerufen.

Doch die zeigten sich wenigbegeistert. Wenn das JSOC einesolche Operation absegnete, dannwürde es die Angelegenheit selbst

in die Hand nehmen. Aber so leichtgab Ballarin sich nicht geschlagen:Sollte die Shabaab-Führungsriegevon ihren eigenen Landsleuten,sprich von Somaliern ausgeschaltetwerden – und nicht etwa vonamerikanischenSpezialeinsatzkräften oderirgendwelchen ausländischenSöldnern –, dann wäre das für diesomalische Terrororganisationmoralisch besonders verheerend.

»Das ist, was ich unter einenorganischen Lösung verstehe«,sagte sie. »Da schickt man keine

SEAL-Teams hin. Das macht manauf somalische Weise, und einhübscher Anblick wird das nichtwerden, das kann ich Ihnengarantieren.«

Noch mehrere Jahre später warsie wegen der verpasstenGelegenheit sichtlich frustriert.

»Alles, was die Somalierverlangten, waren ein paarSchalldämpfer.«

Ballarin war mit der Rolle desrein passivenInformationsbeschaffers generellunzufrieden. Sie sah sich im

Zentrum einer neuen, großen Sufi-Bewegung, als die Erweckerin, diealle Sufisten in Nord- und Ostafrikazu einer mächtigen Allianz gegenden Wahhabismus vereinte. Als dieShabaab-Milizen die Radiostationenin Mogadischu übernahmen, dieAusstrahlung von Musik untersagtenund die Moderatoren zwangen,Nachrichtensendungen mitAufzeichnungen von Gewehrfeuer,blökenden Ziegen und gackerndenHühnern zu unterlegen, verfasstesie einen Protestsong für diesomalischen Sufis.

Der Refrain des auf Englischgeschriebenen und von einembrasilianischen Popsängervorgetragenen Lieds lautete »Sufilife they’ll never defeat!« – »DieSufi werden niemals besiegt!«:

Erhebt eure Stimmen … leistetWiderstand!Verteidigt unsere Ehre und unser

LandGegen ausländische Mächte und

ihre böse Hand.Brüder und Schwestern, leistet

Widerstand!

Erhebt eure Stimmen … leistetWiderstand!

Gegen die Fesseln hier und deninternationalen Bann.

Brüder, folgt mir … Mann fürMann.

Brüder und Schwestern, leistetWiderstand!

Die große Erweckung würde,glaubte Ballarin, in Somaliabeginnen, wo sie bereits überKontakte zur Ahlu Sunna Waljama’a(ASWJ) verfügte, einer Sufi-Gruppe,die in Zentralsomalia große Gebiete

kontrollierte. Die ASWJ blickte aufeine etwas wechselhafte Geschichtezurück. Während des Bürgerkriegsin Somalia in den 1990er-Jahrenwar die Gruppe mit demselbenWarlord verbündet, unter dessenKommando die somalischenKämpfer standen, die während derBlack-Hawk-Down-Episode die ArmyRangers und Delta-Force-Soldatenin Mogadischu unter Feuergenommen hatten. Vor demAufstieg von al-Shabaab hatte dieASWJ keine sonderlich große Rollein den somalischen Klankriegen

gespielt. Doch als die Shabaab-Kämpfer die ersten Dörfer undStädte in Süd- und Zentralsomaliaeroberten, zerstörten sie, wohinimmer sie kamen, demonstrativsufistische Grabstätten undMoscheen. Sie exhumiertenSkelette und ließen sie in der Sonnebleichen, die Friedhofswärterwurden verhaftet oder davongejagt.In den Augen der strenggläubigenWahhabiten der Shabaab nämlichwaren die reich verziertensufistischen Grabstätten Denkmälerund damit ein Zeichen der im Islam

geächteten Götzenanbetung.Gegenüber der BBC etwa erklärteScheich Hassan Yaqub Ali, derShabaab-Sprecher in dersüdsudanesischen HafenstadtKismayo: »Es ist verboten, Gräberin Schreine zu verwandeln.«

Die Grabschändungen brachteneine militante Ader in der bis dahingrößtenteils friedlichen ASWJ zumVorschein, deren Anhänger sich ineiner bewaffneten Gruppeorganisierten, um so einGegengewicht zu al-Shabaab zuschaffen. Ballarin, die das einem

bewaffneten Aufstand der Sufisteninnewohnende Potenzial erkannte,ermutigte die Sufi-Führer darin,eine Strategie zu entwickeln, wiesie den Vormarsch von al-Shabaabstoppen könnten. Wiederholtkonferierten sie und Perry Davis mitSufi-Scheichs und ASWJ-Kommandeuren, reisten nachZentralsomalia, um über ihreMilitärkampagne zu reden, undführten sich überhaupt auf wie einzweiköpfiger Kommandostab.Gegenüber Amerikanern brüstetensich Ballarin und Davis damit, die

ASWJ sei so etwas wie ihrepersönliche Privatmiliz und siehätten die Sufi-Kämpfer darintrainiert, Waffen vom Schlachtfeldzu bergen und Munition zu lagern.

Dann, nach Monaten des Patts,eroberte ein buntzusamengewürfelter Haufenwaffenschwingender ASWJ-KämpferEl Buur, eine Shabaab-Hochburg inZentralsomalia. Noch heute strahltBallarin vor Begeisterung, wenn sieerzählt, wie sie mitten in der Nachteine SMS von einem ASWJ-Kommandeur erhielt:

»Wir haben El Buureingenommen!«

Im November 2011 saß MicheleBallarin in ihrer Ziegelsteinvilla imnördlichen Virginia vor demFernseher und verfolgte auf FoxNews die Nachrichten über diearabische Rebellion, die überNordafrika hinwegfegte. Für siekündeten die Bilder aberkeineswegs von einemhoffnungsvollen »arabischenFrühling«; vielmehr meinte sie,einem sich entfaltenden Albtraum

beizuwohnen: der Ausbreitung desradikalen wahhabitischen Islamüber ganz Nordafrika bis zurWestküste des Kontinents. In ihrenAugen hatten die autoritärenRegierungen in Ländern wie Libyenoder Ägypten ein Bollwerk gegenden aggressiven Wahhabismusgebildet, ein Bollwerk, dessenMauern nun bröckelten undeinstürzten. Und sie war sich sicher,dass die reichen saudischenSponsoren des Wahhabismus mitihrem Geld den Bau von Moscheenund Religionsschulen in der Region

fördern und die Vereinigten Staatenim Kampf gegen den radikalenIslam ihre einzigen Verbündeten inder Region verlieren würden.Muammar al-Gaddafi mochte einruchloser Schurke und einer derLieblingsfeinde ihres Helden RonaldReagan gewesen sein, aber so, wieBallarin das sah, hatte der libyscheDiktator in dem das Zeitalterdefinierenden epischen Kampfzwischen Gut und Böse auf derSeite der Rechtschaffenengestanden.

Wie ein Sandsturm waren die

Rebellionen, die über dienordafrikanischen Staatenhinwegfegten, im Begriff, ganzeJahrzehnte der autoritärenHerrschaft unter sich zu begraben.Die CIA schien von denMassenaufständen völligüberrumpelt, und im Weißen Hausmusste man einsehen, dass trotzder vielen Milliarden, die dieVereinigten Staaten jedes Jahrausgaben, um weltweitGeheimdienstinformationen zusammeln und sich anbahnendeweltbewegende politische und

gesellschaftliche Entwicklungenschon im Vorfeld zu erkennen, dieamerikanischen Spionagedienstenicht nur einen, sondern gleichmehrere Schritte hinter den sichrapide entfaltenden Ereignissenherhinkten. »Die CIA hat Tunesiennicht vorhergesehen. Sie hatÄgypten nicht vorhergesehen. Undsie hat Libyen nicht vorhergesehen.Sie hat die Aufstände einzeln fürsich genommen und kollektivbetrachtet nicht vorhergesehen«,kommentierte ein hoher Mitarbeiterder Regierung Obama das Versagen

der Spione. In den hektischenWochen nach Ausbruch derarabischen Rebellion wurden in derCIA und den anderenamerikanischen Geheimdienstenganze Hundertschaften anAnalysten von ihren bisherigenAufgaben abgezogen und daraufangesetzt, sich irgendeinen Reimauf die Unruhen zu machen – eineverzweifelte Aufholjagd.

Es war der erste Massenaufstandin der gerade anbrechenden Ära dersozialen Medien, und die Proteste inden nordafrikanischen Ländern

verbreiteten sich über Twitter-Botschaften und Facebook-Updates.Etwas in der Art hatte man inLangley noch nie gesehen, undauch historische Vorläufer wie derZusammenbruch derkommunistischen Regime inOsteuropa boten den CIA-Oberenwenig Hilfestellung in ihrenBemühungen, das Weiße Haus unddas State Department mitPrognosen darüber zu beliefern,welchem arabischen Diktator alsNächstes der Sturz drohte. Beieinem Meeting auf höchster Ebene

drängte CIA-Direktor Leon Panettaseine Beamten, aus dieser Sintflutan digitalen Nachrichten endlichirgendwie schlau zu werden. »Istdenn keiner hier in der Lage, dieseBotschaften an einem zentralen Ortzusammenzuführen?«, rief er in dieRunde, ganz offensichtlichüberfordert von der Art und Weise,wie die jüngere Generationkommunizierte.

Aber das war nicht das einzigeProblem für die CIA – einenSpionagedienst, der sehr schnellden Nachteil seiner einseitigen

Ausrichtung auf den Krieg gegenden Terror zu spüren bekam. DieCIA war 1947 aus der Überlegungheraus gegründet worden, dass diePräsidenten und politischenEntscheidungsträger der USAmöglichst frühzeitig über die dieWelt gestaltenden Entwicklungeninformiert sein sollten, aber dannhatten zuerst Präsident George W.Bush und anschließend seinNachfolger Barack Obama die Jagdauf und Ermordung von Terroristenzum vorrangigen Ziel der Agencyerhoben. Die CIA hatte in Ländern

wie Ägypten und Tunesien wederausreichend Spione, die tatsächlichspionierten, noch genügendFührungsoffiziere vor Ort, die in derLage gewesen wären, zuverlässigeErkenntnisse über die gärende Wutauf den Straßen oder über dieÄngste der dortigen Führer vor demVerlust ihrer Macht zu gewinnen.

Die CIA hatte im Nahen Ostenund in Nordafrika mit skrupellosenund von Leuten wie Hosni Mubarakund Muammar al-Gaddafi geführtenGeheimdienstenzusammengearbeitet –

Partnerschaften, die ihr im Krieggegen den Terror jede Menge Köpfeans Messer geliefert hatten. Mehrals ein CIA-Direktor war per Du mitMoussa Koussa, von 1994 bis 2009Direktor des für seine brutalenMethoden gefürchteten libyschenGeheimdiensts, und mehr alseinmal hatten amerikanische undlibysche Geheimdienstler bei derJagd auf Leute kooperiert, denenman Kontakte zu al-Qaidaunterstellte und die nach erfolgtemZugriff in das berüchtigte Abu-Salim-Gefängnis in Libyen

verfrachtet wurden. Als die Rebellennach Gaddafis Sturz die Zentraledes libyschen Geheimdienstsplünderten, fanden sie zahlloseDokumente, die die engenBeziehungen zwischenamerikanischen und libyschenGeheimdienstlern belegten,darunter ein Brief von Porter Gossan Moussa Koussa, in dem derfrühere CIA-Direktor dem libyschenOberspion für die Orangen dankte,die dieser ihm zum Weihnachtsfestgeschickt hatte.

Und genau darin lag zu großen

Teilen das Problem: Abgesehendavon, dass die libyschen undägyptischen Spione kaum offen mitihren amerikanischen Kollegen überdie Instabilität ihrer Regierungengesprochen haben dürften, hieltensie auch die Dissidentenführer unterscharfer Beobachtung, was es CIA-Führungsoffizieren in Städten wieKairo sehr schwer machte, sich mitOppositionsgruppen zu treffen undnachrichtendienstlicheInformationen über die innerenUnruhen in den nordafrikanischenStaaten zu sammeln. Mike Hayden,

von 2006 bis 2009 CIA-Direktor,sollte später eingestehen, dass dieEntscheidung, mit den autoritärenRegierungen in der arabischen Weltzu kooperieren, die Fähigkeiten derAgency massiv geschwächt hatte, indiesen LändernnachrichtendienstlicheInformationen über politische undgesellschaftliche Vorgänge zusammeln. Oder, wie er esformulierte: »Wie weit gehst duetwa beim Ausspionieren derMuslimbruderschaft, wenn du genauweißt, dass du damit [Mubaraks

Geheimdienstchef] Omar Suleimangegen dich aufbringst und erdeswegen vielleicht aufhört, dir alsguter Partner im Kampf gegen deninternationalen Terrorbeizustehen?«

Rund um die Welt bejubeltenRegierungschefs und Politiker denSturz der verknöchertennordafrikanischen Diktaturen. Fürdie unter Schlafmangel leidendenund oft neurotischen Agenten imCounterterrorism Center der CIAdagegen boten die Ereignisse imFrühjahr und Sommer 2011 kaum

Anlass zu Optimismus. Nicht nurmussten sie mit ansehen, wie ihrelangjährigen engen Verbündeten imKrieg gegen den Terror ohne großesFederlesen von den Schalthebelnder Macht verjagt wurden. Vielbeunruhigender war, dassislamistische Gruppen, die seitJahrzehnten von den Diktatoren inSchach gehalten worden waren –von der Muslimbruderschaft inÄgypten bis hin zu den radikalenGruppierungen in Libyen, die derlibysche Geheimdienst und die CIAgemeinsam ausspioniert hatten –,

nun immer mehr politischen Einflussgewannen. Der Wirbelwind, der diearabische Welt erfasst hatte,könnte, fürchtete man beim CTC,den Wiederaufstieg von al-Qaidaund der mit ihr verbündetenGruppen einläuten.

Den Qaida-Führer in seinemVersteck im obersten Stockwerkeines festungsartig ausgebautenAnwesens im pakistanischenAbbottabad dagegen ließ ebendiese Aussicht frohlocken. ImFrühjahr 2011 schickte Osama BinLaden im Laufe mehrerer Wochen –

seinen, wie sich zeigen sollte,letzten Wochen – Brief um Brief anseine Untergebenen undverkündete, dass nun endlich mitden arabischen Revolutionen dieVision Realität wurde, die ihn in den1990er-Jahren zur Gründung von al-Qaida bewogen hatte. Tatsächlichaber verliefen die Revolutionenganz anders, als er es vorhergesagthatte, und die Regierungen in Kairound Tunis wurden nicht von Qaida-Kämpfern oder denen, die voneinem panislamischen Kalifatträumten, vom Sockel gestoßen,

sondern von Jugendlichen undjungen Menschen, die in Massen aufStraßen und Plätzen protestiertenund ihren Widerstand mithilfemoderner Medientechnologienorganisierten.

Doch auch in diesem Chaos sahBin Laden noch Hoffnung. VollerSchadenfreude schrieb er an einenseiner Leutnants, dass dieamerikanische AußenministerinHillary Clinton öffentlich dieBefürchtung bekundet habe, »dieganze Region könnte in die Händebewaffneter Islamisten fallen«. Was

die Welt »in diesen Tagen deraufeinanderfolgendenRevolutionen« erlebte, sei, schrieber, »ein historisches und glorreichesEreignis« und werde »mit AllahsWillen den Großteil der islamischenWelt erfassen«.

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WIEDER FREI

»Es waren die Amerikaner!Es war Blackwater!

Es war ein zweiter Raymond Davis!«Hafis Mohammed Said

Der amerikanische Spion saß seitmehreren Wochen in einer dunklenZelle im Kot-Lakhpat-Gefängnis,einem Gefängnis in einemIndustriegebiet am Rand von

Lahore, dem der wenig erfreulicheRuf vorauseilte, dass viele seinerInsassen unter ungeklärtenUmständen zu Tode kamen. Manhatte ihn getrennt von den anderenGefangenen in einem Trakt dermaroden Haftanstalt untergebracht,in dem die Wachen keine Waffentrugen – ein Zugeständnis an seineSicherheit, das die Amerikaner derGefängnisführung hatten abtrotzenkönnen. Eine weitereSicherheitsvorkehrung verdankteder Häftling dem Drängen des US-Konsulats in Lahore: Ein paar

Hunde mussten als Vorkosterherhalten und testen, ob RaymondDavis’ Essen nicht mit Gift versetztwar.

Viele hochrangige pakistanischeGeheimdienstler sahen in demMann, der da in seiner Zelleschmorte, den ersten handfestenBeweis für ihre seit Langemgehegte Vermutung, dass die CIAeine Privatarmee aufpakistanischem Boden aufgebauthatte, eine Bande schießwütigerCowboys, die allerlei ruchlosenAktivitäten nachgingen. Was die

CIA selbst anging, warf dieAufdeckung von Davis’ Verbindungzur Agency ein wenig vorteilhaftesLicht auf ein typisches Post-9/11-Phänomen – nämlich darauf, dasssie einige der sensibelsten Jobs anexterne Dienstleister und andereLeute ausgelagert hatte, die häufigweder über ausreichende Erfahrungnoch die persönliche Eignungverfügten, um in den Konfliktzonender muslimischen Welt zu arbeiten.

Als drittes Kind eines Maurersund einer Köchin war RaymondAllen Davis unter ärmlichen

Verhältnissen in einem kleinenSchindelhaus in dem WeilerStrawberry Patch aufgewachsen.Strawberry Patch war ein Ortsteilvon Big Stone Gap, einer Kleinstadtmit 6000 Einwohnern imKohlerevier von Virginia, die ihrenNamen dem tief eingeschnittenenTal verdankt, in dem der PowellRiver sich hier durch die Appalachenzwängt. Davis, ein schüchterner undzurückhaltender Junge, warungewöhnlich stark und brachte esim Football- und im Ringerteam derörtlichen Highschool zum

umjubelten Star. Als er 1993 seinenSchulabschluss in der Tasche hatte,meldete er sich zur Armeeinfanterieund leistete 1994 einen Einsatz alsUN-Blauhelm in Mazedonien. NachAblauf seiner fünfjährigenDienstzeit bei der Infanterieverpflichtete er sich erneut, diesesMal bei der 3rd Special ForcesGroup der US-Armee in Fort Bragg,von der er 2003 Abschied nahm.Wie viele andere ehemalige NavySEALs und Green Berets wurde ervon Blackwater USA angeheuertund kurz darauf als Personen- und

Objektschützer für die CIA in denIrak geschickt.

Über Davis’ Arbeit für Blackwaterist wenig bekannt, aber 2006 hatteer die Firma bereits wiederverlassen und zusammen mit seinerFrau ein privatesSicherheitsunternehmen in LasVegas gegründet. Wenig späterwurde er von der CIA als privaterDienstleister verpflichtet, als, wiedie Agency es nennt, »GreenBadge« – nach der Farbe derAusweiskarten, die dieAuftragnehmer vorzeigen müssen,

wenn sie das CIA-Hauptquartier inLangley betreten. Wie Daviswurden viele solche Dienstleisterals Verstärkung für den GlobalResponse Staff der CIA angefordert– sprich als Bodyguards, die inKriegszonen zum Schutz vonFührungsoffizieren, zur Überprüfungder Sicherheitslage an potenziellenTreffpunkten und zum Teil sogar fürErstkontakte mit Quellen eingesetztwurden. Letzteres, um zuvermeiden, dass einFührungsoffizier in einen Hinterhaltgeriet. Angehörige dieser

bewaffneten Sicherheitseinheitwaren es auch, die am11. September 2012 auf dem Dachdes US-Konsulats im libyschenBengasi, in dem sich auch diedortige CIA-Station befand, sovernichtend unter Beschussgerieten. Bei seinem ersten Einsatzfür die CIA in Pakistan 2008 hatteDavis von der CIA-Basis inPeschawar aus gearbeitet undeinschließlich Zulagen und Spesenüber 200000 US-Dollar im Jahrverdient.

Mitte Februar 2011 saß Davis

nun schon mehrere Wochen hinterGittern, und es sah auch nichtdanach aus, als würde erdemnächst wieder auf freien Fußkommen. Der tödliche Zwischenfallin Lahore hatte dieantiamerikanischen Emotionen inPakistan mächtig aufgepeitscht; aufden Straßen demonstriertenzahllose wütende Menschen, und inden Zeitungen forderten empörteKommentatoren ihre Regierung auf,dem Drängen Washingtons auf eineFreilassung von Davis nichtnachzugeben und ihn stattdessen

zum Tode zu verurteilen. Nachallem, was man zu diesemZeitpunkt wusste, hatten die beidenvon Davis erschossenen Männer andem Tag bereits mehrere kleineDiebstähle verübt. Das entlasteteDavis. Allerdings gab es noch einzusätzliches Problem: Ein dritterPakistaner war von einem vomTatort davonbrausendenamerikanischen Geländewagenohne Kennzeichnen überfahren undgetötet worden.

Was Davis’ Lage noch weiterverschlimmerte, war der Umstand,

dass er in Lahore im Gefängnis saß,der Stadt, in der sich die ganzeSache zugetragen hatte und derenpolitische Kultur von Nawaz SharifsFamilie dominiert wurde. Und derpakistanische Ex-Premier, derkeinen Hehl aus seinen Absichtenmachte, wieder an die Spitze desStaats zurückzukehren, war derHauptgegenspieler desamtierenden Präsidenten Asif AliZardari und seines politischenApparats im 350 Kilometerentfernten Islamabad. Dieamerikanische Botschaft in der

Hauptstadt hatte in ihrenBemühungen, Davis aus demGefängnis zu holen, zunächst aufZardaris Regierung gesetzt, aberbald erkannt, dass Zardari wenigEinfluss auf die Polizei und dieRichter in der Stadt seineserbittertsten Rivalen nehmenkonnte.

Der wichtigste Grund für Davis’anhaltendes Schmachten in derGefängniszelle aber war, dass dieObama-Regierung sich weiterhinweigerte, einen Verdacht derpakistanischen Führung zu

bestätigten, den diese schon seiteiniger Zeit hegte und denRaymond Davis’ Treffsicherheit aufdem Kreisverkehr in Lahore nurverstärkte: dass es sich bei ihmkeineswegs nur um irgendeinenaktenwälzenden US-Diplomatenhandelte. Davis’ Aufgaben inPakistan waren weit düsterer Naturund hatten unter anderem damit zutun, einen freiliegenden Nerv in densowieso schon überempfindlichenBeziehungen zwischen der CIA unddem ISI zu testen.

Seit im November 2008 aus

Pakistan kommendeKillerkommandos der islamistischenTerrororganisation Lashkar-e-Taiba,der »Armee der Reinen«, in derindischen Hafenstadt Mumbaimehrere Luxushotels überfallenhatten, und in blutigen, vier Tagenandauernden Kämpfen überfünfhundert Menschen getötet oderverwundet worden waren, warntenCIA-Analysten, die Gruppe würdeversuchen, mit spektakulärenAngriffen außerhalb Südasiens ihrglobales Profil zu stärken. Daraufhinsetzte die CIA ihren beständig

expandierenden Mitarbeiterstab inPakistan verstärkt auf dieAusspionierung der Aktivitäten derLashkar-e-Taiba an – eineMaßnahme, mit der sie denInteressen des ISI in die Querekam. Wenn sich amerikanischeSpione in den pakistanischenStammesgebieten herumtriebenund dort Jagd auf Qaida-Angehörigemachten, war das eine Sache; eineganz andere aber war es, wenn dieCIA in pakistanischen Städten eineOrganisation ausspionierte, die fürden ISI eine wertvolle

Stellvertretertruppe darstellte.Die Lashkar entstand 1990 als

Bündnis verschiedener Gruppen, dieder pakistanische Geheimdienst imKampf gegen die sowjetischenBesatzer in Afghanistan protegierthatte. Fast sofort richtete dieOrganisation ihr Augenmerk vonAfghanistan auf Indien und derdamalige pakistanische PräsidentMohammad Zia-ul-Haq ging dazuüber, Kämpfer der Lashkar alsGegengewicht zu den dort aktivenUnabhängigkeitsbewegungen nachKaschmir zu entsenden, die, wie der

Präsident fürchtete, in derumstrittenen und von Indien, undPakistan beanspruchten Bergregioneinen separaten Staat anstrebten.Der ISI baute die Gruppe über Jahrehinweg als nützlichen Aktivpostenim Kampf gegen Indien auf, und dieTatsache, dass ihre Anführer ganzoffen operierten, bewies, was vondem von Musharraf 2002 nacheinem tollkühnen Angriff auf dasindische Parlamentsgebäude inNeu-Delhi gegen die Lashkarverhängten »Bann« zu halten war:nichts. Zu dem weitläufigen

Hauptquartier der Gruppe inMuridke, einem Vorort von Lahorean der berühmten Grand TrankRoad, gehörten eine radikaleMedresse, ein Markt, einKrankenhaus und sogar eineFischfarm. Errichtet worden war dieAnlage mit Spenden reicherGeldgeber aus Saudi-Arabien undanderen Golfstaaten, aber Lashkarbetätigte sich auch im Inland mitErfolg als Spendeneintreiber.Darüber hinaus bot sie eine ganzeReihe von sozialen Diensten für dieArmen an, nutzte hierfür aber eine

verbündete Organisation, dieJamaat-ud-Dawa (»Partei derBerufenen«) als Fassade.

Der charismatische Anführer derOrganisation, Hafis MohammedSaid, hatte jahrelang unterHausarrest gestanden, doch 2009ließ der Oberste Gerichthof desPunjab in Lahore alleTerrorvorwürfe gegen den 59-jährigen Islamgelehrten fallengelassen und setzte ihn auf freienFuß. Said, ein stämmiger Mann miteinem wilden Bart, predigte inLahore an vielen Freitagen unter

freiem Himmel und hielt, flankiertvon Leibwächtern, seinen inScharen versammelten Anhängernlange Vorträge über denImperialismus der VereinigtenStaaten, Indiens und Israels. Selbstnachdem Washington eineBelohnung von zehn Millionen US-Dollar für Informationen ausgesetzthatte, die Said mit den Angriffenvon Mumbai in Verbindungbrachten, bewegte er sich weiterfrei in der Öffentlichkeit und festigtedamit seinen Ruf einespakistanischen Robin Hood.

Zu der Zeit, da Raymond Daviszusammen mit einer Handvoll CIA-Agenten und -Dienstleistern inLahore ein Safe House bezog, warder Großteil der dortigen CIA-Mitarbeiter mit der Beschaffung vonInformationen über die Lashkar-e-Taiba befasst. Da viele derzusätzlichen CIA-Agenten mitTarnidentitäten einreisten, konntendie pakistanischen Geheimdienstlernur vermuten, was die Amerikanerin ihrem Land so alles trieben.

Um mehr Spione nach Pakistanschleusen zu können, hatte die CIA

die schwammigen Regularien zurGewährung von Einreisevisa füramerikanische Staatsbürger nachKräften für sich ausgenutzt. DasState Department, die CIA und dasPentagon verfügten zwar überjeweils eigene Kanäle, über die sieVisa für ihre Mitarbeiterbeantragten, aber am Endelandeten alle Anträge auf dem Tischvon Hussain Haqqani, demamerikanophilen pakistanischenBotschafter in Washington.Haqqani, seines Zeichensehemaliger pakistanischer Politiker

und Professor an der BostonUniversity, hatte Order ausIslamabad, bei derVisagenehmigung großzügig zuverfahren, da – zumindest offiziell –viele der Antragsteller nachPakistan kamen, um hier MillionenUS-Dollar an Entwicklungshilfe zuverteilen. Zum Zeitpunkt dertödlichen Schüsse in Lahore hieltensich so viele Amerikaner mit echtenoder gefälschten Identitäten inPakistan auf, dass sich selbst dieUS-Botschaft in Islamabad nichtmehr in der Lage sah, den Überblick

über ihre Namen undAufenthaltsorte zu behalten.

Bei der amerikanischen Botschaft inder pakistanischen Hauptstadthandelt es sich genau genommenum eine Festung innerhalb einerFestung, ein ganzesGebäudeensemble geschützt voneiner mit Stacheldraht undÜberwachungskameras gespicktenMauer, das in der sogenanntenDiplomatischen Enklave vonIslamabad liegt – ein von einemRing aus Mauern vom Rest der

Stadt abgetrenntes,baumbestandenes Areal. Auchwenn es nach Sicherheits-Overkillaussah und nicht sehr diplomatischwirkte, die US-Botschaft hinter soviel Stahl und Beton zuverschanzen, gab es doch einenguten Grund für die Amerikaner,sich hier so einzuigeln: Die letzteBotschaft war 1979 nach einerFalschmeldung, die USA seien fürdie Besetzung der Großen Moscheein Mekka verantwortlich, vonaufgebrachten Studenten in Brandgesetzt worden. In Wahrheit hatte

eine radikalislamischeSplittergruppe die Moscheegestürmt und zahlreiche Geiselnunter den vielen hunderttausendMuslimen genommen, die zurHadsch nach Mekka gepilgertwaren. Innerhalb deramerikanischen Botschaft inIslamabad arbeiten Diplomaten undSpione weitgehend getrennt, unddie CIA-Station belegt einenBürotrakt in einem separatenFlügel, der nur durch Türen mitcodegesicherten Schlössernzugänglich ist.

Nach Raymond Davis’ Festnahmein Lahore aber entwickelte sichdiese Trennung in der Botschaft zuweit mehr als einer rein räumlichenAufteilung. Nur zwei Tage bevorDavis’ in Lahore zwei Pakistanererschoss, hatte die CIA schonwieder einen neuen Stationschefnach Islamabad entsandt, auf einenPosten, der zunehmend zu einer ArtDrehtür am wichtigstenAußenposten der Agency inPakistan mutierte. Zuvor war derneue Stationschef in Russlandstationiert gewesen, wohin die CIA

im Kalten Krieg nur ihre besten undfähigsten Agenten geschickt hatte –und auch seitdem nur Leute, diedas Zeug haben, sich mit derNachfolgeorganisation des KGB,dem SWR, anzulegen. Dickköpfigund von der alten Schule, wie erwar, kam der neue Stationschefnicht mit der Absicht nach Pakistan,dem ISI Honig ums Maul zuschmieren. Stattdessen wollte erdirekt vor dessen Nase mehrpakistanische Agenten für die CIAanwerben, die elektronischeÜberwachung von ISI-Büros

ausweiten und deutlich wenigerInformationen mit pakistanischenGeheimdienstoffizieren teilen – eineaggressive Variante derGeheimdienstarbeit, die in der CIAseit Langem einen eigenen Namenhatte: »Moscow Rules« – dieMoskau-Regeln. Eben diese Regelnkamen nun in Pakistan zurAnwendung und sorgten dafür, dasssich der neue Stationschef ganz zuHause fühlte.

Mit seiner dickköpfigen Haltunggeriet er umgehend mit demamerikanischen Botschafter in

Islamabad aneinander, CameronMunter. Munter, ein belesenerKarrierediplomat aus Kalifornien miteinem Doktortitel von der JohnsHopkins University, hatte alsEuropa-Experte seinen Weg imState Department gemacht.Anschließend hatte er mehrerePositionen im Irak bekleidet, bevorer Ende 2010 an die Spitze deramerikanischen Botschaft inIslamabad berufen worden war. DerJob ist einer der wichtigsten undschwierigsten, den das StateDepartment zu vergeben hat, und

auf Munter lastete die zusätzlicheBürde, dass er Anne Pattersonnachfolgte, die in den drei Jahrenihrer Amtszeit enge Beziehungensowohl zur Regierung Bush wieauch zu der seines NachfolgersObama gepflegt hatte – und vonder CIA für ihre unerschütterlicheUnterstützung der Drohnenangriffein den Stammesgebieten hochgelobt worden war.

Munter dagegen sah die Dingeanders und war skeptisch, was denlangfristigen Nutzen vonAntiterroroperationen in Pakistan

anging. In einer Zeit, in der sich dieBeziehungen zwischen denVereinigten Staaten und Pakistanrapide verschlechterten, fragteMunter sich, ob die USA mit derhohen Schlagzahl, mit der sie denDrohnenkrieg führten, nicht dieBeziehungen zu einem wichtigenVerbündeten aufs Spiel setzten –und das nur, um Terroristen dermittleren Führungsebeneauszuschalten. Munter sollteallerdings, schneller als ihm liebwar, erfahren, dass seine Ansichtenüber das Drohnenprogramm wenig

Gewicht hatten. Wenn es umFragen von Krieg und Frieden inPakistan ging, zählte in derRegierung Obama vor allem dieMeinung der CIA.

Nun, da Raymond Davis imGefängnis saß, war es,argumentierte Munter, unerlässlich,sich sofort an die Spitze des ISI zuwenden, sprich an GeneralleutnantAhmad Shuja Pasha, und einenDeal auszuhandeln. Die VereinigtenStaaten sollten zugeben, dass Davisfür die CIA arbeitete, den Familiender Opfer von Lahore in aller

Verschwiegenheit eineangemessene Entschädigung zahlenund Davis ohne großes Aufsehenschnellstmöglich außer Landesgeschafft werden. Doch die CIAlegte Einspruch ein. Davis hatteeine militante Gruppe mit engenBeziehungen zum ISI ausspioniert,und das wollte die Agency aufkeinen Fall zugeben. HochrangigeCIA-Beamte fürchteten, mit einemGnadengesuch bei der ISI Davis’Schicksal zu besiegeln. Niemandkonnte garantieren, dass er imGefängnis nicht umgebracht würde,

bevor die Regierung in WashingtonIslamabad unter Hinweis auf denUmstand, dass Davis einausländischer Diplomat war und alssolcher, selbst wenn es um Mordging, Immunität gegenübernationalen Gesetzen genieße, zuseiner Freilassung bewegen könnte.Noch am Tag von Davis’ Festnahmehatte der CIA-Stationschef Munterin seinem Büro aufgesucht undverkündet, dass man beschlossenhabe, eine harte Linie gegen diePakistaner zu fahren. Kein Deal,unter keinen Umständen, warnte er.

Und er fügte hinzu: Pakistan ist derFeind.

Diese Strategie bedeutete, dass,von der Spitze bis ganz nach unten,amerikanische Beamte undRegierungsvertreter sowohlöffentlich wie auch im Privatenverschleiern mussten, was genauRaymond Davis in Pakistangetrieben hatte. Am 15. Februar,über zwei Wochen nach dentödlichen Schüssen, äußerte sichPräsident Obama während einerPressekonferenz erstmals offiziell zuder Affäre. Die Sache verhalte sich,

erklärte der Präsident, ganzeinfach: Davis, »ein amerikanischerDiplomat in Pakistan«, sei getreudem Prinzip der diplomatischenImmunität unverzüglichfreizulassen. »Wenn unsereDiplomaten in einem anderen Landsind«, betonte Obama, »unterliegensie nicht der örtlichenStrafverfolgung.«

Davis als »Diplomat« zubezeichnen, war technisch gesehenzutreffend. Er war mit einemDiplomatenpass nach Pakistaneingereist, und unter normalen

Umständen würde ihm das dortImmunität vor strafrechtlicherVerfolgung garantieren. Allerdingswaren die Pakistaner nach demtödlichen Zwischenfall in Lahorenicht gerade in der Stimmung, eineDebatte über die Spitzfindigkeitendes Internationalen Rechts zuführen. Ihrer Ansicht nach handeltees sich bei Davis um einenamerikanischen Spion, der dem ISInicht gemeldet worden war und zudem die CIA sich immer noch nichtoffiziell bekannt hatte. Kurz vorObamas Pressekonferenz war ISI-

Chef Pasha nach Washingtongereist, um sich dort mit LeonPanetta zu treffen und mehr überdie Angelegenheit in Erfahrung zubringen. General Pasha, zu95 Prozent überzeugt, dass es sichbei Davis um einen CIA-Mitarbeiterhandelte, schlug Panetta vor, diebeiden Geheimdienste sollten dieSache heimlich, still und leise untersich ausmachen und beilegen. Dazuwollte er allerdings von Panetta einklares Bekenntnis zu Davis hören.

Ob Davis für die CIA arbeitete?fragte er den CIA-Direktor

rundheraus.Nein, erwiderte Panetta, Davis

gehört nicht zu uns.Die Sache, fuhr Panetta fort,

liege nicht in seinen Händen undwerde ausschließlich über dieKanäle des State Departmentverhandelt. Pasha kochte vor Wut,als er das CIA-Hauptquartierverließ, und er beschloss, RaymondDavis’ Schicksal in den Händen derRichter in Lahore zu belassen. DieVereinigten Staaten, äußerte ergegenüber Dritten, hätten geradeihre Chance verspielt, die Affäre

rasch zu einem Ende zu bringen.

Dass der CIA-Direktor ein großesgeheimes Netzwerk anamerikanischen Spionen innerhalbPakistans führte und gegenüberdem ISI-Direktor das wahreAusmaß des von den USA inPakistan geführten Geheimkriegsverschleierte, war ein weitererBeweis dafür, wie sehr sich dieBeziehungen zwischen den beidenGeheimdiensten verschlechterthatten, seit sich Asad Munir 2002 inPeschawar mit der CIA

zusammengetan hatte, um imWesten Pakistans Jagd auf OsamaBin Laden zu machen. Und siewaren auch viel schlechter als 2006,als der ISI Art Keller und anderenCIA-Agenten erlaubt hatte, vonpakistanischen Militärbasen in denStammesgebieten aus zu operieren.Was war schiefgelaufen?

Das Verhältnis der beidenGeheimdienste zueinander warzwar schon seit dem Beginn desKriegs in Afghanistan belastet, zumeigentlichen Bruch aber kam es erstim Juli 2008, als in Islamabad

hochrangige CIA-Beamte beimpakistanischen Armeechef, GeneralAshfaq Parvez Kayani, vorstelligwurden und ihn davon in Kenntnissetzten, dass Präsident Bushmehrere Geheimanordnungenabgezeichnet hatte, die eine neueStrategie im Drohnenkriegautorisierten. Von nun an würde dieCIA die Pakistaner nicht mehr vorabüber Predator- oder Reaper-Einsätze in den Stammesgebieteninformieren. Mit anderen Worten,sie teilten Kayani mit, dass die CIAihre Tötungskampagne in Pakistan

künftig als unilateralen Krieg zuführen gedachte.

Washington hatte dieseEntscheidung nach einer sich überMonate hinziehenden, zähenDebatte über die wachsendeMilitanz in den pakistanischenStammesgebieten getroffen, dievon der CIA in einem internenBericht mit dem sicherenRückzugsgebiet in Afghanistangleichgesetzt wurden, das al-Qaidadort in den Jahren vor denAnschlägen vom 11. Septemberbesaß. Die Autoren des auf den

1. Mai 2007 datierten strenggeheimen Berichts kamen zu demSchluss, dass al-Qaida dank derOperationsbasen, die militanteIslamisten in Nord- und Süd-Waziristan, Bajaur und den anderenStammesgebieten errichtet hatten,seit 2001 nicht mehr so gefährlichgewesen sei wie jetzt.

Diese Lagebeurteilung gab denAnstoß zu einer ein Jahr währendenDiskussion über das pakistanischeProblem. Etliche Pakistan-Expertenim Außenministerium warnten, eineAusweitung des CIA-Kriegs dort

würde die antiamerikanischeStimmung auf den Straßen weiteranheizen und könne das Land insChaos stürzen. Beamte desCounterterrorism Center der CIAdagegen setzten sich für eineAusweitung des Drohnenkriegs auchohne den Segen des ISI ein. Seitder Tötung Nek Muhammads 2004,sagten sie, hätten sie nicht einmalfünfundzwanzig Drohnenangriffe inPakistan geflogen, und nur bei dreidavon seien islamistische Kämpfergetötet worden, die auf der CIA-Liste der »hochrangigen Ziele« –

der sogenannten »High-ValueTargets« – gestanden hatten.Mehrere Einsätze hatten im letztenMoment abgebrochen werdenmüssen, entweder, weil es bei derFreigabe durch die Pakistaner zuVerzögerungen gekommen war,oder aber weil die Zielpersonen vonirgendjemanden einen Tippbekommen und das Weite gesuchthatten. Die »Targeter« innerhalbdes CTC, sprich diejenigen, dieZiele für Drohnenschläge oderAgenteneinsätze ausspähen,vermuteten, dass die Militanten von

Angehörigen des »S Wing«innerhalb des ISI – eineSpezialabteilung des pakistanischenGeheimdiensts mit historischenBeziehungen zu militanten Gruppen– gewarnt worden waren, hattendafür aber keine schlüssigenBeweise finden können.

Gegenüber früheren Zeiten, alsdie CTC-Agenten von manchen CIA-Führungsoffizieren als Kleingeisterund »Boys with Toys« – sprich alsschießwütige Halbstarke –abqualifiziert worden waren, hattensich die diversen Lager innerhalb

der Agency inzwischen auf diePosition geeinigt, dass dieDrohnenkampagne intensiviertwerden sollte. Seit Ende 2005 wares der CIA gelungen, mehr Quellenin den Stammesgebieten zurekrutieren, die präziseInformationen über denAufenthaltsort von Qaida-Führernliefern konnten. Darüber hinaushatte der Rüstungskonzern GeneralAtomics die Produktion vonPredator- und Reaper-Drohnenhochgefahren, was es der CIAerstmals erlaubte, eine nahezu

permanente Überwachungverdächtiger Anwesen undTrainingslager innerhalb derStammesgebiete durch dieunbemannten Drohnenvorzuschlagen. Derweil waren dieExperten in der Analyseabteilungder Agency, dem Directorate ofIntelligence, zu dem Schlussgekommen, dass die Durchführungunilateraler Operationen in Pakistankeineswegs, wie in Kreisen derRegierung Bush seit Jahrenbefürchtet wurde, den Auftakt zumSturz der säkularen pakistanischen

Regierung und eineranschließenden Machtübernahmeder Islamisten in Islamabaddarstellen würde. Die CIA-Analystenhielten die neue, von Asif Ali Zardarigeführte, zivile Regierung inIslamabad – Zardari war nachGeneral Musharrafs erzwungenemRücktritt zum Präsidenten gewähltworden – für stabil genug, um einenwegen der häufigerenDrohnenschläge möglicherweise inder Bevölkerung ausbrechendenProteststurm überstehen zu können.

Der Führungswechsel im

Pentagon war mit dafürverantwortlich, dass nun auch dieRegierung Bush ein aggressiveresVorgehen in Pakistan befürwortete.Ungeachtet seiner unablässigenBemühungen, seine Kompetenzenzum Einsatz vonSpezialeinsatzkräften außerhalb vonKriegsgebieten auszudehnen, hatteDonald Rumsfeld aus Furcht voreinem öffentlichen Aufschrei, derPräsident Musharraf schwächenkönnte, stets davor gewarnt, allzuviele Bodenoperationen aufpakistanischem Territorium

durchzuführen. Aber nun, daMusharraf abgesetzt war, glaubteRumsfelds Nachfolger Robert Gates,die Vereinigten Staaten könntenmehr Risiken in Pakistan eingehen.Der langjährige CIA-Mitarbeiter(und von Ende 1991 bis Anfang1993 kurze Zeit ihr Direktor) Gateshatte in den 1980er-Jahren dengeheimen Krieg der CIA gegen dieSowjetunion in Afghanistan mitgeführt und war sich der Vorteileeiner guten Beziehung zu Pakistandurchaus bewusst. Andererseitshielt er die pakistanische

Sicherheitspolitik für wenig effektiv,und ihm war klar, dass Islamabadnie und nimmer entschlossen gegendie militanten Gruppen in denStammesgebieten vorgehen würde– zumindest nicht, solange esweder in seinem eigenen Interesselag, noch über die Fähigkeiten dazuverfügte. Während seiner erstenReise nach Afghanistan alsVerteidigungsminister nahm Gatesan einem als geheim klassifiziertenBriefing in einem abhörsicherenBesprechungszimmer auf demLuftwaffenstützpunkt Bagram teil,

bei dem Konteradmiral RobertHoward, stellvertretenderKommandeur des Joint SpecialOperations Command, denAnwesenden eine Übersicht überalle Anlagen in denStammesgebieten gab, auf denensich nach Ansicht der Militärs Qaida-Kämpfer versteckt hielten. »Undwarum gehen Sie dann nicht reinund schnappen sie sich?«, wollteGates wissen.

Als im Juli 2008 CIA-DirektorMichael Hayden und seinStellvertreter Stephen Kappes mit

dem Plan ins Weiße Haus kamen, inden pakistanischen Bergen einenunilateralen Krieg zu führen, fiel esihnen nicht sonderlich schwer, einenzwischenzeitlich reichlichfrustrierten Präsident und seinKriegskabinett dafür zu begeistern.»Wir spielen dieses Spiel nicht mehrlänger mit«, sagte Bush. »DieseHurensöhne bringen Amerikanerum. Es reicht jetzt.« Das war derStartschuss für eine groß angelegteDrohnenkampagne in denpakistanischen Stammesgebieten,die Präsident Obama nach seiner

Amtsübernahme ohneUnterbrechung fortführen sollte.Und in dem Maße, wie sich dieBeziehungen der CIA zum ISIverschlechterten, schickte LangelyStationschefs nach Islamabad, diesehr viel weniger Zeit und Mühe alsihre Vorgänger darauf verwendeten,sich das Wohlwollen derpakistanischen Spione zu erwerben.Richard Blee, der frühere Leiter dermit der Jagd auf Bin Ladenbetrauten CIA-Einheit und selbstvormaliger Stationschef inIslamabad, klagte, bei der CIA habe

nun »die ›Fuck you‹-Schule dieKontrolle übernommen«. Ab 2008verschliess die CIA gleichreihenweise Führungsoffiziere aufdem Spitzenposten in Islamabad,und jeder Einzelne von ihnenverließ das Land mit noch mehrVerbitterung als sein Vorgänger.

Einer der Stationschefs, JohnBennett, hatte in seiner langenKarriere als verdeckter Agent unteranderem von Nairobi aus CIA-Operationen in Somaliadurchgeführt und in jüngererVergangenheit die CIA-Abteilung in

Südafrika geleitet. AlsGeheimdienstler der Generationnach dem Church-Ausschuss kamBennett mit denselben Bedenkenim Hinblick auf gezielteTötungsoperationen der Agencynach Pakistan, die viele seinerKollegen auch hegten. Aber imLaufe seiner Dienstzeit inIslamabad änderte sich nach undnach seine Einstellung, undirgendwann war er überzeugt, dassdie Drohnen das einzigezuverlässige Mittel seien, um al-Qaida aus Pakistan zu vertreiben –

insbesondere seit der Austauschvon Geheimdienstinformationenzwischen der CIA und dem ISIgrößtenteils zum Erliegengekommen war. BennettsVerhältnis zum ISI verschlechtertesich noch weiter, als er sich dafür zuinteressieren begann, welche Rolleder pakistanische Geheimdienstdabei spielte, die Opposition imLand gegen die Drohnenschlägeaufzuputschen. Als er Islamabad2010 verließ, hatte er ein durch unddurch zynisches Bild vom ISI.Kollegen gegenüber bezeichnete er

seine Zeit in Pakistan, in der erUmgang mit dem ISI pflegte, als»verlorene Jahre seines Lebens, dieer niemals wieder zurückbekommenwird«. Bennetts Nachfolger alsLeiter des CIA-Büros, der sich nochintensiver mit der von ihmvermuteten ISI-Propagandakampagneauseinandersetzte, die denöffentlichen Zorn über dieDrohnenschläge schüren sollte,musste sogar in aller Eile das Landverlassen, nachdem seine Identitätin der pakistanischen Presse

aufgedeckt worden war. Die CIAging davon aus, dass der ISI denMedien die Information zugespielthatte – wohl als Quittung dafür,dass General Pasha in einem vonden Opfern der Anschläge vonMumbai 2008 in New Yorkangestrengten Prozess alsMitbeschuldigter genannt wurde.

Selbst von den Operationen, diezunächst den Eindruck erweckten,als könnten sie den Beginn einerneuen Ära des Wohlwollenszwischen der CIA und dem ISImarkieren, endeten die meisten mit

gegenseitigen Schuldzuweisungen.Im Januar 2010 etwa, noch zuBennetts Zeiten als Stationschef inIslamabad, gelang es einemverdeckt in Karatschi operierendenTeam von CIA-Agenten undSpezialeinsatzkräften, einenMobilfunkanruf bis zu einem Haus inBaldia Town zurückzuverfolgen,einem Slum im Westen derwuchernden Stadt. Da die CIA keineunilateralen Operationen innerhalbpakistanischer Großstädtedurchführte, gaben die Amerikanerdie Information an den ISI weiter,

woraufhin pakistanische Truppenund Polizisten einenÜberraschungsangriff auf das Hausunternahmen.

Wie sich zeigte – und ohne dassman bei der CIA etwas davongeahnt hätte –, hielt sich in demHaus auch Mullah Abdul GhaniBaradar verborgen, der alsMilitärkommandeur derafghanischen Taliban und zweiterMann in der Befehlskette nachMullah Mohammed Omar galt. Erstnachdem die Verdächtigen in demHaus festgenommen und verhört

worden waren, erfuhr die CIA, dasssich Baradar unter den Verhaftetenbefand. Der ISI schaffte ihn in eineHaftanstalt in einem Industriegebietvon Islamabad und verweigerte derCIA jeden Zugang zu ihm. Und »abdiesem Punkt wurde es so richtigkompliziert«, wie ein ehemaligerCIA-Beamter später erzählte.

War die ganze Sache abgekartet?In Pakistan hatten Gerüchte dieRunde gemacht, Baradar wolleeinen Deal mit den Amerikanernmachen und die Taliban an denVerhandlungstisch bringen. Hatte

der ISI die Festnahme irgendwieinszeniert und der CIA dieInformationen in die Händegespielt, damit die Pakistaner, ohnedass ein Verdacht auf sie fiel,Baradar von der Straße holen undeventuelle Friedensgesprächebereits im Keim ersticken konnte?War die CIA vom ISI ausgetrickstworden? Auch Monate später hattedie CIA-Führung in Langley immernoch keine Antworten auf dieseFragen.

Der starke Verdacht, dass der ISI

weiterhin ein doppeltes Spiel mitden afghanischen Taliban spielte,den man bei der CIA hegte, stellteeine schwere Belastung für dasVerhältnis der beidenGeheimdienste dar. Dennoch gab esauch einige gemeinsameOperationen, die unverhofftenachrichtendienstliche Erkenntnissehervorbrachten. Im Juni 2010, achtMonate bevor die Welt den NamenRaymond Davis zum ersten Malvernahm, rafften sich die beidenGeheimdienste zur gemeinsamenÜberwachung der Mobiltelefone

einer Gruppe von Arabern auf, dieman im Verdacht hatte, in Pakistanversteckten Qaida-Führernlogistische Unterstützung zu leisten.»Gemeinsam« war die Operationallerdings nur bis zu einembestimmten Punkt: Dass eine derMobilfunknummern auf einengewissen Abu Ahmed al-Kuwaitiangemeldet war – der Decknameeines Mannes, dengefangengenommene Qaida-Mitglieder schon Jahre zuvorgegenüber der CIA als einenpersönlichen Kurier Bin Ladens

identifiziert hatten –, davon erfuhrder ISI nichts. Die CIA hatte, seitsie von al-Kuwaiti wusste, schonmehrmals dessen Spuren verfolgt,die aber immer in einer Sackgassegeendet hatten; erst 2007 erhieltdie Agency von einem befreundetenNachrichtendienst die Information,dass al-Kuwaitis echter NameIbrahim Saeed Ahmed lautete. Daswar in der arabischen Welt zwarnicht gerade ein seltener Name,doch dank der neuen Informationkonnte die National Security Agency(NSA) im Laufe der Zeit eine der

von dem Kurier verwendetenMobilfunknummern ermitteln undsie der CIA für die Mobiltelefon-Überwachungsoperationweiterleiten.

Im Sommer 2010 war esschließlich so weit: Al-Kuwaiti nahmauf seinem angezapftem Handy denAnruf eines Freundes aus einemLand am Persischen Golf entgegen,bei dem die amerikanischenSchnüffler mithörten.

»Wir haben dich vermisst. Wobist du gewesen?«, fragte derFreund.

Al-Kuwaitis Antwort fiel vageaus, war aber dennochaufschlussreich.

»Ich bin wieder bei dem Volk, beidem ich früher schon war«,antwortete der Kuwaiter knapp.

Die verschlüsselte Botschaft warwichtig: Offenbar arbeitete al-Kuwaiti wieder für al-Qaida, undmöglicherweise stand er sogar indirekter Verbindung zu Osama BinLaden. Mithilfe vonGeolokalisierungsverfahren konntedie NSA feststellen, wo al-Kuwaitisein Handy benutzte, nämlich im

Umkreis der westpakistanischenStadt Peschawar, was naheliegendwar, wenn al-Kuwaiti immer wiederin die Stammesgebiete fuhr, wosich, wie man glaubte, der Großteilder Qaida-Führungsspitze verborgenhielt – obwohl bereits zu demZeitpunkt eine kleine Gruppe vonCIA-Analysten vermutete, Bin Ladenkönnte woanders untergetauchtsein, womöglich in einer der dichterbesiedelten Regionen des Landes.Genau genommen war es nicht vielmehr als eine Ahnung, die in einemgewissen Maß nur auf dem

Ausschlussprinzip beruhte: Die CIAhatte sich über Jahre hinweg vollund ganz auf die Stammesgebietekonzentriert, ohne auch nur eineneinzigen neuen Hinweis darauferhalten zu haben, dass der Qaida-Führer sich dort aufhielt.Irgendwann drängte es sich einfachauf, den Blick woandershin zurichten.

Die Ahnung erwies sich alsgoldrichtig. Zwei Monate nach demabgehörten Handyanruf sah ein fürdie CIA arbeitender pakistanischerAgent al-Kuwaiti in Peschawar am

Steuer eines auffälligen weißenSuzuki-Jeeps sitzen. Der Agentfolgte al-Kuwaiti aus der Stadt,doch der Kuwaiter nahm nicht denWeg nach Westen in die Berge undStammesgebiete. Stattdessen fuhrer knapp 200 Kilometer gen Ostenin ein verschlafenes Städtchennördlich von Islamabad namensAbbottabad – Standort derangesehensten Militärakademie desLandes und ein beliebterAltersruhesitz für pensionierteOffiziere der pakistanischenStreitkräfte, die sich hier auf einem

der besten Golfplätze Pakistans ihreZeit vertreiben. In Abbottabad hieltder Suzuki-Jeep vor einemweitläufigen Anwesen an, das voneiner vier Meter hohen Betonmauerumschlossen war. Hinter der Mauerwaren die oberen Stockwerke einesgroßen Hauses zu sehen, dessenoberste Etage nur zu einer Seite hinFenster aufwies, bei denen es sichgenau genommen nicht einmal umFenster, sondern nur um schmale,von außen her undurchsichtigeSchlitze handelte. Das Anwesenverfügte weder über einen Telefon-

noch einen Internetanschluss. Werauch immer hinter diesen Mauernlebte, war darauf aus, sichmöglichst vollständig gegenüber derAußenwelt abzuschotten.

In den darauffolgenden Monatendrängte Leon Panetta dasCounterterrorism Center, eineganze Reihe und zum Teil auchrecht ausgefallene Methoden inBetracht zu ziehen, mit deren Hilfeman herausfinden konnte, wer sichin dem Haus verborgen hielt,Methoden, die mitunter an die Zeiterinnerten, da die Agency noch

keine Predator-Flotte ihr eigennannte und unter anderem mit demGedanken gespielt hatte, BinLadens Trainingslager inAfghanistan mithilfe vonHeißluftballons auszuspionieren.CTC-Agenten schleppten eingigantisches Teleobjektiv inPanettas Büro, das größte, das aufdem Markt erhältlich war, undschlugen vor, es mehrere Kilometerentfernt in den Bergen aufzustellen.Da man von dem Safe House aus,das die CIA in der Zwischenzeitunweit des Anwesens in Abbottabad

eingerichtet hatte, keinen direktenBlick auf die Anlage hatte, konnteman das Teleobjektiv dort nichteinsetzen. Endlose Wochenhindurch machtenSpionagesatelliten bei ihrenÜberflügen über Pakistan tausendeAufnahmen von dem Anwesen, aberauch diese konnten keinendefinitiven Beweis dafür erbringen,dass Bin Laden sich dort versteckthielt.

Der CIA blieb nichts anderesübrig, als zu warten – und weiternach dem eindeutigen Nachweis zu

suchen, der möglicherweise einenSchlusspunkt unter die nun schonfast ein Jahrzehnt währendeMenschenjagd setzen würde.

Gerade jetzt, da die CIA ihreheißeste Spur in Richtung Bin Ladenverfolgte, seit sich der Terrorführer2001 aus seinem Höhlenversteck inTora Bora davongestohlen und überdie Grenze nach Pakistan abgesetzthatte, war es weit mehr als nurunpassend, dass einer ihrerGeheimagenten in einem Gefängnisin Lahore saß und einer Anklage

wegen Doppelmords entgegensah.Die islamistischen Parteien inPakistan organisiertenDemonstrationszüge und drohtengewaltsame Ausschreitungen an,sollte Raymond Davis für seineVerbrechen nicht vor Gerichtgestellt und schlussendlich amGalgen aufgeknüpft werden.Angehörige des amerikanischenKonsulats in Lahore besuchtenDavis zwar regelmäßig, doch dieRegierung Obama weigerte sichweiterhin, den pakistanischenMachthabern nähere Auskunft über

die eigentlichen Tätigkeiten Davis’in ihrem Land zu geben. Und dannforderte der Vorfall zu allemÜberfluss auch noch ein weiteresOpfer.

Am 6. Februar 2011 schluckte dietrauernde Witwe eines von Davis’Opfern eine tödliche DosisRattengift und wurde insKrankenhaus von Faisalbadgebracht, wo Ärzte ihr den Magenauspumpten. Die Frau, ShumaliaFaheem, war überzeugt, dass dieVereinigten Staaten und Pakistaninsgeheim einen Deal aushandeln

würden und der Mörder ihres Mannsungestraft aus dem Gefängnisfreikäme, wie sie vom Krankenbettaus gegenüber den Ärzten erklärte.»Im Gefängnis behandeln sie denMörder meines Gatten doch jetztschon wie einen VIP, und bei demganzen Druck aus dem Auslandwerden sie ihn ganz bestimmtlaufen lassen«, sagte sie. »DieserMann hat meinen Ehemannumgebracht, und ich verlangeGerechtigkeit. Es ist mir egal, ob erAmerikaner ist. Damit darf ereinfach nicht davonkommen.« Kurz

darauf starb sie und wurde von denpakistanischen Gruppen, die dieDavis-Affäre zu ihrer Cause célèbremachten, postwendend zurMärtyrerin erhoben.

Der Volkszorn, der sich an denvon Davis begangenen Mordenentzündet hatte, eskaliertezusehends und drohte, den Großteilder CIA-Operationen in Pakistanlahmzulegen und möglicherweisesogar den Abbruch derAufklärungsmission in Abbottabadzu erzwingen. Aber die CIA bliebunnachgiebig und schickte

Topbeamte nach Islamabad, dieUS-Botschafter Munter auf dieStrategie der Agency einschwörensollten: die Pakistaner massivdrängen, Davis freizulassen undihnen für den Fall, dass sie nichtkooperieren, schwerwiegendeKonsequenzen androhen. Mitanderen Worten, wenn wir dieDaumenschrauben nur weiteranziehen, werden sie irgendwannschon parieren.

Munter jedoch war inzwischen zudem Schluss gekommen, dass dieStrategie der CIA zum Scheitern

verurteilt war, und hatte sichbereits mit mehreren anderenamerikanischen Beamten darangemacht, einen neuen Planauszuarbeiten. Nach Unterredungenmit Mitarbeitern des WeißenHauses, des State Departments undder CIA in Washington kontaktierteMunter ISI-Direktor Pasha undsprach ganz offen mit ihm. Ja, Davisgehöre zur CIA, sagte er, und dieVereinigten Staaten legten dengrößten Wert darauf, ihn so schnellals möglich außer Landes zubringen.

Aber General Pasha hatte nichtvor, die Amerikaner so billigdavonkommen zu lassen. Er warimmer noch fuchsteufelswild, weilPanetta ihm ins Gesicht gelogenhatte, und fest entschlossen, dieAmerikaner erst noch eine Weilezappeln – und Davis im Gefängnisschmoren – zu lassen, während erganz in Ruhe darüber nachdachte,wie die verfahrene Situation ambesten zu lösen sei.

Über eine Woche verging, bisPasha sich wieder bei Muntermeldete und ihm seine Lösung

unterbreitete – eine durch unddurch pakistanische Lösung, die aufeiner uralten Tradition basierte undes möglich machte, die Sacheaußerhalb des unberechenbarenpakistanischen Gerichtssystemsbeizulegen. Pasha hatte den Planmit einer Reihe hochrangigerpakistanischer Beamterausgetüftelt, darunter auchPakistans Botschafter inWashington, Haqqani: Die USAsollten zur Wiedergutmachung vonDavis’ Taten ein »Blutgeld«, diya,bezahlen, ein in der Scharia

festgelegter Brauch, durch den dieFamilien der Opfer für den Tod ihrerVerwandten entschädigt werden.Die Sache würde hinter denKulissen arrangiert werden, die CIAden Hinterbliebenen diefestgesetzte Summe auszahlen undDavis aus dem Gefängnisfreikommen.

Munter stimmte zu, und der ISImachte sich an die Arbeit. AufPashas Weisung hin trafen sich ISI-Agenten mit den Familien der dreiim Januar in Lahore zu Todegekommenen Männer, um mit ihnen

eine gütliche Vereinbarungauszuhandeln. Ein paar derVerwandten sträubten sichzunächst, aber die Unterhändler desISI ließen keinen Zweifel an ihrerEntschlossenheit, die Affäre zueinem Abschluss zu bringen. Nachwochenlangen Gesprächen einigtensich die betroffenen Parteien auf dieZahlung eines Blutgelds in Höhevon insgesamt 200 MillionenRupien, umgerechnet etwa 2,34Millionen US-Dollar. Im Gegenzugwürden sie dem inhaftierten CIA-Agenten ihre »Vergebung«

aussprechen.In der Regierung Obama war nur

ein kleiner Kreis in dieVerhandlungen eingeweiht, und jelänger sie sich hinzogen, umsonäher rückte der Urteilsspruch desObersten Gerichtshofs in Lahore inder Frage, ob Davis diplomatischeImmunität zustand. Und bei der CIAging man davon aus, dass dieRichter gegen die VereinigtenStaaten entscheiden und damiteinen Präzedenzfall für künftigevergleichbare Verfahren in Pakistanschaffen würden.

Von alledem bekam RaymondDavis nichts mit. Als er am 16. Märzzu seinem Gerichtstermin erschien,ging er fest davon aus, dass eineFortführung des Verfahrensverkündet und der Richter einenneuen Verhandlungsterminanberaumen würde. InHandschellen wurde er in denGerichtssaal geführt und in einemvergitterten Käfig neben derRichterbank eingeschlossen. Imhinteren Teil des Gerichtssaals saßein ISI-Mitarbeiter und schickte vonseinem Handy unablässig

Textnachrichten an General Pasha,um ihn über den Fortgang derVerhandlung auf dem Laufenden zuhalten. Pasha schickte sie weiter anBotschaftler Munter. Obgleich Pashaeiner der mächtigsten Männer desLandes war, hatte der ISI kaumEinfluss auf die unberechenbarenRichter in Lahore, und entsprechendunsicher war er sich, ob tatsächlichalles wie geplant laufen würde.

Der erste Teil der Anhörungverlief ohne größereÜberraschungen. Wie erwartetverkündete der Richter, dass die

Verhandlung fortgesetzt und erinnerhalb der nächsten Tage seineEntscheidung über diediplomatische Immunität desAngeklagten verkünden würde. Inaller Eile gaben die pakistanischenGerichtsreporter schon die erstenMeldungen heraus, dass dies einschwerer Schlag für die Amerikanersei und es nicht danach aussähe,als würde Davis in absehbarer Zeitauf freien Fuß kommen. Doch dannverwies der Richter die Reporteraus dem Gerichtssaal, und GeneralPashas Geheimplan wurde Realität.

Nachdem durch eine Seitentürachtzehn Verwandte der Opfer denSaal betreten und Platz genommenhatten, verkündete der Richter,dass das Zivilgericht nun alsScharia-Gericht fungiere. Jetzt tratjedes einzelne Familienmitglied vorDavis, manche mit Tränen in denAugen, andere hemmungslosweinend, und erklärte, dass er odersie ihm vergebe. Als das vorüberwar, schickte Pasha eine weitereSMS an Munter: Die Sache istgeregelt und Davis ein freier Mann.In dem Gerichtssaal in Lahore

hatten die Gesetze Gottes über dieder Menschen triumphiert.

Das Drama hatte sich vollständigauf Urdu abgespielt, und die ganzeZeit über saß ein völligkonsternierter Raymond Davis inseinem Stahlkäfig und sagte nichtein einziges Wort. SeineFassungslosigkeit nahm noch zu, alsISI-Beamte ihn durch einenHinterausgang aus demGerichtsgebäude schafften und ineinen bereitstehenden Wagenschoben, der gleich darauf mitHöchstgeschwindigkeit in Richtung

Flughafen davonbrauste.Die ganze Aktion war mit dem

Ziel arrangiert worden, Davis soschnell wie möglich außer Landeszu befördern. Dennoch machtensich die amerikanischen Beamten,unter ihnen auch BotschafterMunter, die am Flughafen vonLahore auf Davis warteten, großeSorgen. Immerhin hatte Davis erstvor Kurzem zwei Männererschossen, weil er sich von ihnenbedroht gefühlt hatte, und sollte erjetzt glauben, man hätte ihn nurdeswegen aus dem Gericht geholt,

um ihn um die Ecke zu bringen,könnte er womöglich versuchen, zufliehen oder gar die ISI-Beamten imWagen anzugreifen. Und tatsächlichwirkte Davis, als das Auto amFlugplatz ankam und direkt vor demFlieger stoppte, der ihn außerLandes bringen sollte, völligdesorientiert. Erst jetzt, so kam esden auf ihn wartenden Amerikanernvor, dämmerte ihm, dass er inSicherheit war.

Das Flugzeug mit Raymond Davisan Bord flog nach Westen, nachAfghanistan, wo er in Kabul an CIA-

Beamte übergeben wurde. Zumersten Mal seit Ende Januar konnteer seine Version der fatalenEreignisse in Lahore, von seinerVerhaftung und seiner Zeit imGefängnis erzählen, ohnebefürchten zu müssen, dasspakistanische Spione ihm dabeizuhörten.

Nach seiner Rückkehr in dieVereinigten Staaten versuchteRaymond Davis sich wieder in seinaltes Leben einzufinden, aber esgelang ihm nicht, dem Gefängnislange fernzubleiben. Am 1. Oktober

2011, nur sieben Monate nachseiner plötzlichen Freilassung auspakistanischer Haft, steuerte Daviseinen freien Parkplatz vor einemBagel-Shop in Highlands Ranch an,einem Vorort von Denver, Colorado.Dasselbe tat Jeff Maes, ein fünfzigJahre alter Priester, der mit seinerFrau und seinen beiden kleinenTöchtern unterwegs war. DochMaes war einen Tick schneller.Davis hielt hinter Maes’ Wagen an,ließ die Scheibe herunter undbeschimpfte den Priester durch dasoffene Fenster. Anschließend stieg

er aus, ging zu Maes und erklärteihm, er habe schon vor ihm daraufgewartet, dass der Parkplatz freiwürde.

»Kommen Sie mal runter«, gabMaes zurück, »und hören Sie auf,sich wie ein Idiot zu benehmen.«

Daraufhin versetzte Davis ihmeinen Schlag ins Gesicht, und Maesging zu Boden. Als er sich wiederaufrappelte, sagte Maes später aus,habe Davis weiter auf ihneingedroschen. Davis wurdezunächst wegen einfacherKörperverletzung und Erregung

öffentlichen Ärgernissesfestgenommen, doch dann warensich Maes’ Verletzungen dochschwerer als zunächst angenommenund er wurde wegen gefährlicherKörperverletzung angeklagt. DieFrau des Priesters sagte später, siehätte nie zuvor in ihrem Lebeneinen derart zornigen Manngesehen.

Nach der Davis-Affäre zog Langleyin der Hoffnung, auf diese Weisedie heißgelaufenen Beziehungenzwischen der CIA und dem ISI

wieder etwas abzukühlen, mehrereDutzend verdeckt operierendeAgenten aus Pakistan ab. Kurz nachder bizarren Gerichtsverhandlunggab der amerikanische Botschafterin Islamabad eine öffentlicheErklärung heraus, in der er sich fürdie »Großherzigkeit« der Familiender Opfer bedankte und seinaufrichtiges Bedauern für dengesamten Vorfall und das »dadurchverursachte Leid« bekundete.

In der pakistanischenBevölkerung aber fachte derinsgeheim ausgehandelte Deal die

Wut nur noch weiter an, und in denmeisten großen Städten, darunterauch Islamabad, Karatschi undLahore, kam es zu schwerenantiamerikanischenAusschreitungen. DieDemonstranten steckten Autoreifenin Brand, griffen Polizisten an undhielten Schilder in die Höhe mitAufschriften wie: »ICH BINRAYMOND DAVIS. LASST MICHGEHEN. ICH BIN DOCH NUR EINCIA-KILLER.«

Davis war in Pakistan zu einerArt schwarzem Mann geworden, ein

amerikanischer Attentäter, der imUnterbewusstsein einer zutiefstverunsicherten Nation permanentauf der Lauer lag. Er war derGegenstand wilderVerschwörungstheorien, und aufantiamerikanischenProtestmärschen wurde sein Namewieder und wieder skandiert.Nachdem die CIA ihre Operationenin Pakistan heruntergefahren hatte,bezeichnete eine pakistanischeZeitung den Rückzug deramerikanischen Geheimarmeesogar als den eigentlichen Grund für

den seit einigen Monaten zuverzeichnenden Rückgang derTerroranschläge im Land.

In einer schwülen Sommernachtdes folgenden Jahres stand HafisMohammed Said (der Anführer derLashkar-e-Taiba und eigentlicheGrund, warum Raymond Davis undsein Team überhaupt nach Pakistanentsandt worden waren) auf derLadefläche eines Sattelschleppersund sprach, nur gut einen Kilometervom pakistanischenParlamentsgebäude in Islamabadentfernt, zu mehreren Tausend

jubelnden Anhängern. Auf seinenKopf war nach wie vor eineBelohnung von zehn Millionen US-Dollar ausgesetzt, Teil einerumfassenderen, gegen dieFinanzierung der Terrorgruppegerichteten Kampagne derAmerikaner. Aber hier stand er, inaller Öffentlichkeit, und trieb dieMenge mit dem lauthinausgebrüllten Versprechen, erwerde »Pakistan von denamerikanischen Sklavenhalternbefreien«, zu immer neuenBegeisterungsstürmen an. Die

Versammlung markierte denEndpunkt eines von Lahore nachIslamabad führendenProtestmarschs gegen die Präsenzder Amerikaner in Pakistan, zu demSaid aufgerufen hatte. In der Nachtvor der Ankunft der Protestierendenin der Hauptstadt waren nicht weitvon der Stelle, wo dieDemonstranten ihr Nachtlageraufgeschlagen hatten, sechspakistanische Soldaten vonAttentätern auf Motorrädernerschossen worden, woraufhinspekuliert wurde, Said habe die

Angriffe angeordnet.In Islamabad aber verkündete

Said, dass die Morde dervorangegangen Nacht nicht auf seinKonto gingen. Die Attentäter seien,rief er seinen Gefolgsleuten zu,Ausländer gewesen, Angehörigeeiner geheimen Gruppe vonMeuchelmördern, deren Ziel es sei,Pakistan zu destabilisieren und ihmseine Atomraketen zu stehlen. MitPathos in der Stimme verkündeteer, er wisse ganz genau, wer diesechs Männer ermordet habe.

»Es waren die Amerikaner!«, rief

er unter lautenBeifallsbekundungen.

»Es war Blackwater!« DasGejohle nahm noch zu.

Und dann, den größten Applaushatte er sich für den Schlussaufgehoben:

»Es war ein zweiter RaymondDavis!«

15

DER DOKTOR UND DERSCHEICH

»Ich will hier gar nicht der Botschaftersein.«

CIA-Stationschef in Islamabad

Dr. Shakil Afridi arbeitete bereitsseit über einem Jahr für die CIA, alsihm im Januar 2011 – dem Monat,in dem Raymond Davisfestgenommen wurde – seine

amerikanische Agentenführerinneue Instruktionen überbrachte. Umsich mit seinem amerikanischenKontakt zu treffen, musste derpakistanische Chirurg ein von derCIA für ihn ausgetüfteltes,langwieriges Prozedere befolgen:an einem festgelegten Ort,manchmal einer Shell-Tankstelle,manchmal einem belebten Markt,traf er sich mit zwei Männern, dieihn einer Leibesvisitationunterzogen. Anschließend legte ersich, unter einer Decke vor Blickenverborgen, auf die Rückbank ihres

Wagens. Auch an diesem Tagfuhren die Männer zunächst eineWeile im Zickzack durch die StraßenIslamabads, bevor sie irgendwoanhielten und Afridi befahlen,auszusteigen. Dort wartete bereitsseine amerikanischeAgentenführerin, die er nur als Suekannte, in einem Toyota-Geländewagen auf ihn.

Bei diesem Treffen wies Sue denDoktor an, alles Notwendige zurDurchführung einer Impfkampagnegegen Hepatitis B für Frauen imAlter von fünfzehn bis

fünfundvierzig Jahrenvorzubereiten. Beginnen sollte er inzwei Ortschaften in Kaschmir –Bagh und Muzaffarabad – sowie inder Provinz Khyber Pakhtunkhwaund sich dort auf die ländlicheGarnisonsstadt Abbottabadkonzentrieren. Die Impfkampagne,fuhr sie fort, solle sich über sechsMonate erstrecken und in dreiPhasen stattfinden. Im Kopfüberschlug Afridi rasch die Kostenfür die Kampagne, inklusive desüblichen kräftigen Aufschlags, dener stets berechnete, wenn die CIA

ihm einen Auftrag anbot. Er würdefür die Impfaktion, erklärte er Sue,5,3 Millionen Rupien brauchen,umgerechnet etwa 55000 US-Dollar.

Afridi arbeitete inzwischen langegenug für die Amerikaner, um zuwissen, dass die CIA nicht wegenein paar tausend Dollar mit ihmherumstreiten würde. Zumal ergenau zu der Sorte Informantenzählte, auf die die Amerikaner sogroßen Wert legten – jemand, dersich frei im gesamten Landbewegen konnte, ohne dabei das

Misstrauen der Militanten oder despakistanischen Geheimdiensts zuerregen. Er war der perfekte Spion,und das ließ die CIA sich gerneetwas kosten.

Sue war die neueste in einerganze Abfolge von CIA-Agenten, dieAfridi betreut hatten, seit er 2008zum ersten Mal von denAmerikanern angesprochen wordenwar. Afridi, zu der Zeit in seinenspäten Vierzigern, hatte sich auseinfachen Verhältnissenhochgearbeitet und es zumleitenden Arzt der zu den

Stammesgebieten gehörendenKhyber Agency gebracht –ungeachtet aller Vorwürfe, dass erregelmäßig Schmiergelder vonMedizinfirmen annehme, unnötigechirurgische Eingriffe anordne undArzneimittel ausKrankenhausbeständen auf demSchwarzmarkt verkaufe.

Es gab kaum jemanden, derAfridis unermüdlichen Einsatz zurVerbesserung derGesundheitsbedingungen in einerder ärmsten Regionen der Weltinfrage stellte. Aber der Doktor war

auch jemand, der sich gerne redenhörte, Frauen in seinemKollegenkreis mit Vorliebeanzügliche Witze erzählte und dieGrenzen der medizinischen Ethikarg strapazierte, um seinenVerdienst aufzustocken.Irgendwann jedoch kamen diegegen Afridi erhobenen Vorwürfeeinem gewissen Mangal Bagh zuOhren, einem ehemaligenBusfahrer, der sich inzwischen alsWarlord und Drogenschmuggler imKhyber-Stammesgebiet betätigteund Anführer einer obskuren Gruppe

namens Lashkar-e-Islam war. Baghzitierte den Arzt in sein Haus undverlangte von ihm zur Strafe fürseine Vergehen die Zahlung voneiner Million Rupien, etwa 10000US-Dollar. Als Afridi sich weigerte,ließ Bagh ihn kidnappen und eineWoche einsperren, bis er zahlte.

Im November 2009 nahm Afridian einem Ärztekongress inPeschawar teil, wo er, wie er spätergegenüber pakistanischenErmittlern aussagte, von einemMann angesprochen wurde, der sichihm als der für Pakistan zuständige

Direktor der internationalenHilfsorganisation Save the Childrenvorstellte. Der Mann, Mike McGrath,bekundete großes Interesse anAfridis Arbeit und lud ihn zumDinner in sein Haus nach Islamabadein, wo man sich dann ausführlicherunterhalten könne. Ob Afridi hinterder Einladung ein verborgenesMotiv vermutete, ist unklar, aber alser am vereinbarten Tag zumAbendessen in McGraths Haus ineinen vornehmen Viertel vonIslamabad erschien, lernte er dorteine großgewachsene blonde Frau

Ende dreißig kennen, die, wie erspäter sagte, einen »britischenLook« gehabt habe. Die Fraunannte sich Kate und wurde Afridiserste CIA-Agentenführerin.

Save the Children dementiert,dass McGrath oder irgendeiner derMitarbeiter der Organisation jemalsfür die CIA gearbeitet hätten, undauch amerikanische Beamtebezweifeln, dass dieKinderhilfsorganisation fürSpionagezwecke eingesetzt wurdeoder wird; sollte die CIA nämlichgroße internationale

Hilfsorganisationen zurRekrutierung von Informantenmissbrauchen, würde sie damit nuralle Entwicklungshelfer der Gefahrvon Vergeltungsmaßnahmenaussetzen. Nichtsdestotrotz mussteSave the Children nachVeröffentlichung einesUntersuchungsberichts zu AfridisArbeit für die CIA, in dem auch seinTreffen mit McGrath zur Sprachekam, auf Weisung derpakistanischen Behörden sämtlicheAktivitäten im Land einstellen.

Was offizielle amerikanische

Stellen hingegen nicht bestreiten,ist die Tatsache, dass die CIA abMitte des letzten Jahrzehntsvermehrt verdeckte Agenten mitTarnberufen nach Pakistanentsandte, die den Spionen mehrBewegungsfreiheit in dem Landerlaubten. Mit der »Surge«, dermassiven Ausweitung der Zahl derin Pakistan stationierten CIA-Beamten ab 2005, in deren Rahmenauch Art Keller in dieStammesgebiete geschickt wurde,nahm ebenso die Zahl deramerikanischen Spione im Land zu,

die in ihrer verzweifelten Suchenach Hinweisen auf Osama BinLadens Aufenthaltsort die allgemeinanerkannten Regeln derinternationalen Geheimdienstarbeitmitunter sehr großzügig auslegten.

Nach den Enthüllungen im Zugedes Church-Ausschusses in den1970er-Jahren war die CIA dazuübergegangen, keineamerikanischen Journalisten,Geistlichen oder Mitarbeiter vonHilfsorganisationen wie dem PeaceCorps als Informanten für dieAgency anzuheuern – eine bis dahin

durchaus übliche Praxis. Dass manin der Führungsetage der CIA abernicht davon ausging, dass dieneuen Regeln in Stein gemeißeltwaren, wurde spätestens klar, alsihr damaliger Direktor John Deutch1996 vor demGeheimdienstausschuss des Senatsbekundete, er könne sich durchausSzenarien einer »extremenGefährdung der nationalenSicherheit« vorstellen, in denen dieCIA die Notwendigkeit sehenkönnte, von dieser Politikabzurücken. »Unter gewissen

Umständen«, erklärte Deutch denSenatoren, »halte ich es für unklug,von vornherein die Nutzungirgendwelcher potenziell wertvollerInformationsquellenauszuschließen«. Was dieRekrutierung ausländischerJournalisten oderEntwicklungshelfer betrifft, hat sichdie Agency nie irgendwelcheEinschränkungen auferlegt –wiewohl man sich auch inamerikanischenGeheimdienstkreisen seit Langemder Gefahren bewusst ist, die der

Einsatz von Mitarbeiternhumanitärer Organisationen alsSpione mit sich bringt. Dennoch, inden Jahren nach den Anschlägenvom 11. September 2001 griff dieCIA zu allen möglichen (undunmöglichen) Mitteln – angefangenvom simulierten Ertränken vonHäftlingen in Geheimgefängnissenbis hin zur Tötung vonTerrorverdächtigen mithilfebewaffneter Drohnen –, undrechtfertigte diese Operationenregelmäßig mit dem Hinweis aufeine Gefährdung der nationalen

Sicherheit. Den Kreis der Personenausweiten, die man als Spionerekrutieren konnte, war nur einevon vielen Taktiken, die die CIA indem sich immer längerhinziehenden Krieg gegen denTerror einsetzte.

In den ersten beiden Jahren nachseinem Treffen mit dergroßgewachsenen, blonden CIA-Agentin organisierte Dr. Afridi impakistanischen Nordwestenmehrere öffentlicheGesundheitskampagnen, die inWahrheit dem Zweck dienten,

Informationen über die Aktivitätenmilitanter Gruppen in denStammesgebieten zu sammeln.Impfkampagnen galten dabei alseine besonders gute Fassade: Ausden bei den Kindern benutztenNadeln ließen sich DNA-Probenentnehmen und analysieren, umdaraus Hinweise auf denAufenthaltsort von Qaida-Mitgliedern zu erhalten, von denendie CIA bereits DNA-Proben besaß.Insgesamt führte Afridi im Auftragder Amerikaner ein halbes DutzendImpfkampagnen in den

Stammesgebieten durch undkassierte dafür acht MillionenRupien. Seinen Aussagen zufolgewurde er alle paar Monate an einenneuen Agentenführer übergeben,von »Kate« an »Toni«, dann an»Sara« und schließlich, imDezember 2010, an »Sue«. Afridibekam einen Laptop und einensicheren Sender ausgehändigt, überden er mit der CIA kommunizierenkonnte – und der ihn mit einemPiepton darauf aufmerksammachte, wenn die Amerikaner ihnkontaktieren wollten.

Etwa einen Monat nach Beginn derImpfkampagne in Abbottabaderhielt Afridi von Sue dieAnweisung, sich auf Bilal Town zukonzentrieren, ein bei der oberenMittelschicht der Stadt beliebtesViertel, das nicht weit von der hieransässigen führendenpakistanischen Militärakademieentfernt lag. Das von ihmverantwortete Impfprogrammgegen Hepatitis B führte Afridi rechtnachlässig durch; abgesehen davon,dass er Impfprotokolle ignorierte,die vorschrieben, eine

Nachbarschaft nach der anderen zuimpfen, fehlte es ihm anausreichendem Impfstoff, um allenPersonen in seiner Zielgruppe derfünfzehn bis fünfundvierzig Jahrealten Frauen die für einenwirksamen Schutz erforderlichenMehrfachinjektionen verabreichenzu können. Es kam sogar vor, dassMitarbeiter der lokalenGesundheitsbehörden dieKooperation mit Afridi verweigertenund ihm unterstellten, keineGenehmigung für seine Arbeit zuhaben. Shaheena Mamraiz etwa,

die für das Gesundheitsamt inAbbottabad arbeitet, sagte, siehabe sich von dem aggressivenAuftreten Afridis abgestoßengefühlt, als er im März 2011 ineinem schwarzen Anzug in ihr Bürogestürmt sei und sie von denDetails seines geplantenImpfprogramms in Kenntnis gesetzthabe. Erst auf das massive Drängenihres Vorgesetzten hin erklärte siesich zur Zusammenarbeit mit Afridibereit.

Die Details dazu, wer genau inder Region Abbottabad geimpft

werden sollte, kümmerten AfridisCIA-Führungsagenten natürlichnicht. Die kleine Gruppe vonBeamten im CounterterrorismCenter in Langley und in der CIA-Station in Islamabad interessiertensich im Frühjahr 2011 ausschließlichfür den Ortsteil Bilal Town, genauergesagt das große, von einer Mauerumfasste Anwesen an der Pathan-Straße, das amerikanischeSpionagesatelliten seit mehrerenMonaten im Visier hatten. Die fürAfridi zuständigen CIA-Agentenweihten den Arzt nie in ihren

Verdacht ein, Osama Bin Ladenkönnte sich dort verborgen halten.Ob der Qaida-Führer und seineEntourage dort tatsächlich lebten,war nach wie vor Gegenstandintensiver Spekulationen, und dieAmerikaner hofften, durch einendirekten Zugang in das Haus dieSache endgültig klären zu können.Unter dem Vorwand derImpfkampagne sollte Afridi eineseiner Mitarbeiterinnen in das Hausschleusen und das liefern, wonachamerikanische Soldaten und Spioneseit knapp einem Jahrzehnt so

sehnsüchtig suchten: einen sicherenBeleg dafür, wo Osama Bin Ladensich versteckt hielt.

Aber weder Afridi noch sonstjemand aus seinem Team konnteden Amerikanern den gewünschtenBeweis liefern. An dem Tag, andem Afridis Team die Anwohner derPathan-Straße impfte, waren dieBewohner des mysteriösenAnwesens die einzigen, die dieHepatitis-B-Impfung verweigerten –dieselben Leute, die sich nur seltenaußerhalb des Hauses sehen ließenund sogar ihren Müll selbst

verbrannten, statt ihn wie üblich fürdie Müllabfuhr auf die Straße zustellen. Die Nachbarn erzähltenAfridi, dass das Anwesen von einemzurückgezogenen Brüderpaar ausWaziristan sowie ihren Familienbewohnt wurde und die Männer mitniemand aus dem Viertelverkehrten. Durch weitereNachfragen gelang es einer fürAfridis Team arbeitendenKrankenschwester, dieHandynummer eines der beiden inder Anlage lebenden »Brüder« zubeschaffen. Sie rief die Nummer von

Afridis Telefon aus an und bekameinen Mann an den Apparat, dererklärte, dass er gerade unterwegssei und sie ihn später am Abendzurückrufen solle.

Das Impfteam gelangte niemalshinter die Mauern des Anwesens,und da Afridi der Meinung war, dassman mit weiteren Versuchenmöglicherweise das Misstrauen derBewohner wecke und diese sichveranlasst sehen könnten, ihreüblichen Abläufe zu verändern odersich gar abzusetzen, beschloss er,die Sache abzubrechen. Nach

Abschluss der Impfkampagne inBilal Town kehrte Afridi mit denbenutzten Impfsets nach Islamabadzurück, wo Sue in ihrem Toyota-Geländewagen an einem vorabvereinbarten Ort bereits auf ihnwartete. Er berichtete ihr alles, waser über die Leute in dem Anwesenin Erfahrung gebracht hatte, undübergab ihr die Impfsets. ImGegenzug bekam er von derAmerikanerin 5,3 Millionen Rupienin bar ausgehändigt.

Von einem behelfsmäßigen

Stützpunkt im östlichen Afghanistanstiegen vier amerikanischeHubschrauber in den mondlosenHimmel auf und nahmen KursRichtung Osten, Richtung Pakistan –an Bord knapp zwei Dutzend schwerbewaffnete Elitesoldaten auf demWeg zu einem Angriff in einemLand, mit dem die VereinigtenStaaten sich nicht im Kriegzustandbefanden. Die Navy SEALS an Bordder Hubschrauber waren auf einblutiges Feuergefecht mit OsamaBin Ladens bedingungslosergebenen Kämpfern oder gar

pakistanischen Soldatenvorbereitet: Nach einem Jahrzehntamerikanischer Geheimoperationenin Pakistan waren die Beziehungenzwischen den beiden vermeintlichenVerbündeten so gründlich zerrüttet,dass die SEALs, als das ummauerteAnwesen in Sicht kam, mit allemrechneten, auch mit einer offenenFeldschlacht mit pakistanischenTruppen inmitten des ruhigenRentnerstädtchens Abbottabad.

Tatsächlich wäre es beimLandeanflug auf das Anwesenauch um ein Haar zu einer

Katastrophe gekommen. Einer derbeiden Stealth-Hubschrauber gerietin einen Abwind und wurde zu einerBruchlandung gezwungen, nachdemer mit dem Heck die Mauer desAnwesens gestreift hatte, einVorfall, der ungute Erinnerungen andie fehlgeschlageneGeiselbefreiungsmission im Iran von1980 wach werden ließ. Dochnachdem die SEALs sich schließlichmit C4-Sprengstoff Zugang zu demAnwesen verschafft hatten, bliebBin Laden nur noch eine kurzeGalgenfrist. Als ein Trupp SEALs

sich über die zum zweiten Stockhinaufführende Treppevorarbeitete, erschien in der Türeines der Zimmer der Kopf desQaida-Führers. Ohne zu zögern,feuerte der Truppführer. Bin Laden,an der rechten Kopfseite getroffen,stürzte rückwärts in das Zimmer,und als die SEALs gleich darauf inden Raum eindrangen, lag seinKörper in einer Blutlache auf demBoden und zuckte noch ein paarMal. Dann war Bin Laden tot. DieSoldaten machten Bilder vomgetöteten Terrorführer, nahmen

DNS-Proben, zerrten ihn dieTreppen hinunter bis vors Haus undpackten ihn dort in einenLeichensack.

Weniger als vierzig Minuten,nachdem die HubschrauberAbbottabad erreicht hatten, war diegrößte und kostspieligsteMenschenjagd in der Geschichtevorüber. Die SEALs zerstörten denabgestürzten Hubschrauber, damitdie an Bord befindlichen, hochgeheimen Navigationsgeräte nichtden Pakistanern in die Händefielen; nur das abgebrochene Heck

des Hubschraubers überstand dieSprengung. Nachdem sie dasAnwesen geräumt hatten,bestiegen die Einsatzkräfte dennoch funktionierenden Black Hawkund einen Chinook-Hubschrauber,der in einiger Entfernung vonAbbottabad als Reservebereitgehalten worden war. VonAbbottabad aus flogen sie nachWesten, zurück nach Afghanistan,mit Bin Ladens Leiche undmehreren DutzendComputerfestplatten,Mobiltelefonen und Speichersticks

an Bord, die sie bei dem Einsatzeingesammelt hatten.

Nähere Einzelheiten zu demnächtlichen Kommandoeinsatzgegen Bin Laden wurden inPakistan erst im Laufe des Tagesnach und nach bekannt. Als dasgeschah, saß Asad Munirfassungslos vor dem Fernsehgerätin seinem Wohnzimmer. Der frühereISI-Stationschef in Peschawar, derimmer noch von den Zeitenschwärmte, als er in den Monatennach den Anschlägen vom11. September 2001 mit der CIA

zusammengearbeitet hatte, hielt esfür völlig ausgeschlossen, dass dieCIA ohne Unterstützung vonpakistanischen Soldaten oderSpionen mitten in Pakistan einemilitärische Operation durchführenwürde. »Wie denn auch?«, erinnerteer sich später, damals gedacht zuhaben. »Die CIA hat keineKampftruppen.«

Doch in dieser Nacht hatte dieCIA Kampftruppen.

In den Monaten vor derOperation, während aus ihrenErdumlaufbahnen herabblickende

Spionagesatelliten zahllose Bildervon dem Anwesen an der Pathan-Straße schossen und Doktor Afridiund sein Team versuchten, in dasHaus hineinzugelangen,unterbreiteten in WashingtonMilitär- und Geheimdienstbeamtedem Weißen Haus verschiedeneAngriffsoptionen. Die Option, die alsam wenigsten riskant galt – ein B-2-Tarnkappenbomber würde sicham pakistanischen Radarvorbeistehlen und das Anwesen miteiner Bombe dem Erdbodengleichmachen –, schied aus, weil

die amerikanischen Regierung aufdiese Weise keinen hieb- undstichfesten Beweis dafür in dieHand bekommen hätte, dass BinLaden bei der Operation tatsächlichgetötet worden war. Diepakistanischen Behörden würdendas Gebiet natürlich abriegeln undsämtliche Trümmer akribischdurchsieben, und wenn sieüberhaupt etwas fänden, würde derISI den Vereinigten Staaten nur soviel mitteilen, wie ihm in den Krampasste.

Deshalb entschied sich Präsident

Obama für die riskantere Option,sprich dafür, ein Navy-SEAL-Kommando mit dem Auftrag nachAbbottabad zu entsenden, BinLaden zu töten und Beweise fürsein Ableben mitzubringen. Nebenden auf der Hand liegendenGefahren einer solchen Operationbereitete vielenRegierungsmitarbeitern vor allemKopfschmerzen, dass amerikanischeBodentruppen so tief innerhalbPakistans operieren sollten. Bisdahin hatte das US-Militär seineAktionen auf pakistanischem Boden

ausschließlich auf dieStammesgebiete beschränkt –Einsätze, die nicht weit von derafghanischen Grenzen entferntstattfanden, was im Falle einesFalles den raschen Rückzug nachAfghanistan erlaubte.

Darüber hinaus stellte sich nocheine weitere Frage, eine, mit dersich die amerikanische Politik überlange Jahre hinwegherumgeschlagen hatte: Mitwelcher Befugnis konnten dieVereinigten Staaten Soldaten zuKampfeinsätzen in ein Land

entsenden, mit dem sie sich nichtim Kriegszustand befanden? Ebendiese Frage hatte sich DonaldRumsfeld in den Tagen nach denAnschlägen vom 11. September2001 gestellt und dabei voller Neidauf die CIA und ihre Autoritätgeschielt, überall auf der Welt Kriegführen zu können. Seitdem hattenin Washington Juristen und PolitikerHand in Hand und Stück für Stückdie Mauer abgetragen, die zwischender Arbeit von Soldaten und der vonSpionen verlief. In den erstenJahren nach 9/11 war anstelle der

alten Rivalität zwischen Pentagonund der CIA eine Art Détentegetreten, und das wiederum hatteeinem neuen, als »Sheep-dipping«bezeichneten Arrangement denWeg geebnet: Spezialeinsatzkräftedes Militärs werden zu Kampf- oderSpionageeinsätzen leihweise derCIA unterstellt und damit sozusagen»desinfiziert«.

Nach einer Dekade, in der dieUSA ihre Art der Kriegführungbeständig weiterentwickelt hatten,standen Barack Obama nun, als erüber die Bin-Laden-Operation zu

entscheiden hatte, mehr Optionenzur Auswahl als irgendeinem US-Präsidenten vor ihm. Ja, es war einamerikanischer Militäreinsatz ineinem offiziell befreundeten Land,ausgeführt von zwei Navy-SEAL-Teams. Aber die Teams kamen vorder Mission ins »Desinfektionsbad«,sprich sie wurden der CIA zurDurchführung verdeckterAuslandsoperationen unterstellt –was durch Title 50 rechtlichabgedeckt war. Die offizielleVerantwortung für die Operationübertrug Präsident Obama CIA-

Direktor Leon Panetta.Von dem Moment an, als die

Black-Hawk-Hubschrauber von demStützpunkt im afghanischenDschalalabad abhoben, über diespannungserfüllten Minuten hinweg,in denen die SEALs die dunkleTreppe zum zweiten Stock desHauses an der Pathan-Straßehinaufschlichen, bis zu demAugenblick, als der Hubschraubermit Bin Ladens Leiche an Bord inAbbottabad in die Luft emporstieg,hielt Panetta die im Situation Roomdes Weißen Hauses versammelten

Politiker und Militärs über denFortgang der Mission auf demLaufenden. Mit Panetta, einemliberalen demokratischenKongressabgeordneten ausKalifornien, saß in dieser Nacht einMann am Kontrollpult derTötungsmaschine, der nach seinerAnkunft in Langley und schneller,als ihm lieb war, hatte feststellenmüssen, dass sein Job von ihm vorallem verlangte, Todesurteile übertatsächliche oder vermeintlicheFeinde der Nation vollziehen zulassen. In dieser Nacht hatte

Panetta stets eine Hand in seinerTasche und spielte an einemRosenkranz.

Die unerträgliche Anspannung imSituation Room des Weißen Hausesließ erst etwas nach, als alle NavySEALs die Hubschrauber bestiegenund schließlich die Grenze nachAfghanistan überflogen hatten,ohne dass es zu einer Konfrontationmit der pakistanischen Luftwaffegekommen wäre. Aber sie hatten inAbbottabad einen noch immerbrennenden hochgeheimenTarnkappen-Hubschrauber und

mehrere Leichen in dem Anwesenzurückgelassen, in dem sie geradeihr blutiges Handwerk verrichtethatten.

Irgendjemand würde denPakistanern irgendwie beibringenmüssen, was sich dort, mitten inihrem Land, abgespielt hatte.

Die undankbare Aufgabe ging anAdmiral Mike Mullen, denVorsitzenden der VereinigtenStabschefs, der in der Zeit, als dieVereinigten Staaten und Pakistanvon einer Krise in die anderegestürzt waren, als eine Art

Problemlöser fungiert hatte. Mullen,Sohn eines Presseagenten ausHollywood und jemand, der schonfrüh den Wert persönlicherBeziehungen erkannte, hatte imLaufe endloser Dinners in KayanisHaus in Islamabad ein engesVerhältnis zu dem inzwischen zumArmeechef aufgestiegenenehemaligen ISI-Direktor aufgebaut.Die beiden Männer unterhielten sichoft bis spät in die Nacht hinein überdie prekäre SicherheitslagePakistans in einer von Indien, Chinaund Russland dominierten Region,

wobei der Kettenraucher Kayani diePausen zwischen den einzelnenGängen dazu nutzte, seinem Lasterzu frönen. Auf den Flügen nachIslamabad hatte Mullen sich die Zeitmit der Lektüre von Gandhi: UmMitternacht die Freiheit vertrieben,dem 1975 erschienen Klassiker überden Unabhängigkeitskampf Indiensgegen das Britische Empire und dieAbspaltung Pakistans. Ein Mitgliedvon Mullens Entourage meintesogar, dass die beiden Männer vonhinten betrachtet sich zumVerwechseln ähnlich sahen – in

etwa dieselbe Größe, dieselbeHaarfarbe, die gleiche zerknitterteKhaki-Uniform, dieselbe etwasschwerfällige Gangart –, sieunterschieden sich nur durch denZigarettenrauch, der von dempakistanischen General aufstieg.

Von einem Telefon außerhalbdes Situation Room rief MullenKayani an und setzte ihn von denEreignissen der letzten Stunden inKenntnis.

In groben Zügen wusste Kayanibereits Bescheid. Eine gute Stundenach Mitternacht hatte ihn der

Leiter des Militärgeheimdienstsangerufen und über den Absturzeines Hubschraubers in Abbottabadinformiert. Daraufhin hatte Kayani,der im ersten Moment an einenindischen Angriff auf Pakistandachte, seinem Luftwaffenchefunverzüglich befohlen, denpakistanischen Luftraum zu sperren,und kurze Zeit später stiegen zweipakistanische F-16-Kampfflugzeugein den Nachthimmel auf, um Jagdauf die Eindringlinge zu machen.

In dem in angespannterAtmosphäre geführten Gespräch

berichtete Mullen, dassamerikanische Soldaten in einprivates Anwesen in Abbottabadeingedrungen waren und Bin Ladengetötet hatten. Bei der Aktion, fuhrer fort, sei ein US-Hubschrauberabgestürzt. Anschließend sprachMullen einen Punkt an, der imWeißen Haus debattiert wurde, seitman die Bestätigung von BinLadens Tod erhalten hatte: SolltePräsident Obama noch in dieserNacht eine öffentliche Erklärung zuder Aktion abgeben oder damit biszum nächsten Tag warten? In

Islamabad dämmerte es bereits,und Kayani sagte zu Mullen,Präsident Obama sollte so schnellwie möglich an die Öffentlichkeitgehen, und sei es nur, um zuerklären, warum am Rand einerkleinen Stadt mitten in Pakistan einabgestürzter US-Hubschrauber lag,aus dem Flammen schlugen. Nachein paar Minuten war das Gesprächvorüber, und Mullen kehrte in denSituation Room zurück.

Kayani, alsOberkommandierender despakistanischen Militärs faktisch der

mächtigste Mann des Landes, standvor der schlimmsten Krise in seinerlangen Laufbahn. In den nächstenTagen würden die führendenGeneräle des Landes über ihnherfallen, weil er den USA erlaubthatte, die pakistanischeSouveränität zu verletzten. ImGespräch mit Mullen hatte Kayanidennoch einen versöhnlichenTonfall angeschlagen, schließlichwar Bin Laden gerade einmal einenguten Kilometer von der führendenpakistanischen Militärakademieentfernt getötet worden. Sollte er

Mullen jetzt attackieren, so seineÜberlegung, könnte das dieAmerikaner nur in ihrem Verdachtbestätigen, dass die pakistanischeRegierung Terroristen Unterschlupfgewährte, und so einendauerhaften Bruch zwischen denbeiden Ländern provozieren. DerGeneral, ein stolzer Mann auf demGipfel seiner militärischen Karriere,sah sich vor die wenig angenehmeWahl zwischen zwei Übeln gestellt:Entweder er setzte sich demVerdacht aus, Osama Bin Ladengeholfen zu haben, oder aber er

riskierte, als inkompetentabqualifiziert zu werden, weil ernicht hatte verhindern können, dassder meistgesuchte Mann der Weltsich praktisch direkt unter seinerNase mitten in Pakistan verkrochenhatte. Am Ende entschied er sich fürLetzteres.

Tatsächlich hatte sich zumZeitpunkt von Bin Ladens Tod sogut wie alles, was von deneinstmals produktiven Beziehungenzwischen den Vereinigten Staatenund Pakistan noch übrig geblieben

war, in Luft aufgelöst. DieRaymond-Davis-Affäre hatte dasVerhältnis zwischen Panetta undGeneral Pasha, dem ISI-Direktor,nachhaltig vergiftet, und inWashington ging die Zahlderjenigen in der Obama-Administration, die auf bessereBeziehungen zu Islamabaddrängten, gegen null. CameronMunter von der US-Botschaft inIslamabad schickte praktisch täglichneue Berichte über die negativenAuswirkungen des Drohnenkriegsnach Washington, und auch Admiral

Mullen war der Meinung, dass dieCIA allem Anschein nach glaubte,einen Krieg im Vakuum zu führen,und sich keinen Deut um dieAuswirkungen der Drohnenangriffeauf die amerikanischenBeziehungen zur pakistanischenRegierung scherte.

Die CIA hatte vom Weißen Hausdie Erlaubnis erhalten, selbst dannDrohnenangriffe in Pakistanauszuführen, wenn ihre Targetergar nicht genau wussten, wen sieda zum Abschuss freigaben. Gemäßden Regularien für sogenannte

»signature strikes« – Angriffe gegenPersonen, die nicht namentlichbekannt sind – konnte die Agencynun allein aufgrund von fürverdächtig erachtetenVerhaltensmustern den Feuerbefehlfür die Drohnen erteilen. Die Lattefür tödliche Operationen war einmalmehr gesenkt worden.

Wenn man zum Beispiel eineGruppe »Männer im waffenfähigenAlter« – sogenannten »military-aged males« – beim Betreten oderVerlassen eines mutmaßlichenTrainingslagers der Militanten

beobachtete und der Meinung war,dass sie Waffen bei sich trugen,machte sie das zu legitimen Zielen.Natürlich ist es aus einer Höhe vonmehreren hundert Metern über demBoden, wie amerikanische Beamteneinräumen, nicht ganz einfach, dasAlter einer Person zu beurteilen,und außerdem konnte die Definition»waffenfähiges Alter« in denpakistanischen Stammesgebietendurchaus auch Jugendliche im Altervon erst fünfzehn oder sechzehnJahren mit einschließen. Nur dankdieser weit gefassten Definition

davon, wer als feindlicher»Kombattant« und damit alslegitimes Angriffsziel zu betrachtenwar, konnte die Regierung Obamabehaupten, die Drohnenangriffe inPakistan hätten bisher kein einzigesziviles Opfer gefordert. Allerdingswirkte die dahinterstehendeargumentative Logik sehrgezwungen: In für militanteAktivitäten bekannten Gebietengalten alle Männer imwaffenfähigen Alter als feindlicheKämpfer. Damit wurde jeder, derbei einem Drohnenangriff getötet

wurde, automatisch als Kombattantkategorisiert, es sei denn, posthumwürden sich eindeutige Beweise fürseine Unschuld ergeben.

Die diesem Ansatzinnewohnenden Risiken wurden am17. März offenkundig, nur zweiTage nachdem Raymond Davismithilfe des »Blutgeld«-Arrangements aus dem Gefängnisherausgeholt und außer Landesgeschafft worden war. CIA-Drohnenfeuerten Raketen auf eineStammesversammlung in der nord-wazirischen Ortschaft Datta Khel ab

und töteten mehrere DutzendMänner. Neben US-BotschafterMunter hielt man auch im Pentagondas Timing des Angriffs fürverheerend, und etliche Leute inWashington hatten die CIA imVerdacht, sie hätte mit derOperation ihren Frust über dieDavis-Affäre abreagieren wollen. InMunters Augen hatte ISI-Chef Pashasich weit aus dem Fenster gelehnt,um die Sache mit Raymond Davisaus der Welt zu schaffen, und derAngriff von Datta Khel musstePasha jetzt wie eine direkt gegen

ihn gerichtete, bewussteProvokation vorkommen. Schlimmernoch, viele in Washington warender Meinung, dass die CIA denAngriff vermasselt und mehrereDutzend unschuldige Menschengetötet hatte.

Andere verteidigten dasVorgehen der CIA und sagten, beider Stammesversammlung habe essich in Wahrheit um ein Treffenführender islamistischer Kämpferund damit um ein legitimesAngriffsziel gehandelt. Wie demauch sei, in Pakistan löste der

Drohnenangriff wütende Protesteaus. General Kayani gab, was nurhöchst selten vorkam, eineöffentliche Erklärung heraus, in derer den USA vorwarf, die Operation»ohne jegliche Rücksicht auf dasLeben von Zivilisten« durchgeführtzu haben, und auf den Straßen vonLahore, Karatschi und Peschawarkam es zu gewalttätigenDemonstrationen, die einevorübergehende Schließung derdortigen US-Konsulate erzwangen.

Munter lehnte dasDrohnenprogramm per se gar nicht

ab, fand aber, dass die CIA dabeiallzu rücksichtslos vorging unddadurch seine Position alsamerikanischer Botschafter inPakistan untragbar wurde. Daswegen der Art und Weise, wie derFall Davis gehandhabt worden war,sowieso schon belastete Verhältniszwischen Munter und demIslamabader Stationschef der CIAverschlechterte sich noch weiter, alsMunter verlangte, die CIA solle ihnvorab über jeden geplantenDrohnenangriff informieren und ihmdie Möglichkeit einräumen, die

Operation abzusagen. Bei einemWortgefecht zwischen den beidenversuchte Munter dem Stationschefklarzumachen, wer hier das Sagenhatte – nur um postwendenddarüber belehrt zu werden, wie derHase in Pakistan tatsächlich lief.

»Sie sind nicht der Botschafter!«,brüllte Munter.

»Ganz genau«, schoss der CIA-Stationschef zurück, »und ich willhier auch gar nicht der Botschaftersein.«

Der Revierkampf griff aufWashington über, und kaum einen

Monat nach der Ermordung OsamaBin Ladens lieferten sich ObamasSpitzenberater bei einem Meetingdes Nationalen Sicherheitsratseinen offenen Kampf um die Frage,wer in Pakistan auf amerikanischerSeite wirklich das letzte Wort habensollte. Bei dem Treffen im Juni 2011wollte Munter, der perVideoverbindung zugeschaltet war,gerade erklären, warum er beikonkreten Drohneneinsätzen inPakistan ein Vetorecht benötige –beziehungsweise warum er, wie erdas mit einem Begriff aus der Welt

des Fußballs formulierte, das Rechthaben sollte, bei von der CIAvorgeschlagenen Drohnenangriffendie »Rote Karte« zu zeigen.

Aber Munter hatte kaum dasWort ergriffen, als ihn Leon Panettarüde unterbrach und MuntersVorstoß mit dem Verweis daraufabbügelte, dass die CIA über dieAutorität verfüge, in Pakistan nacheigenem Ermessen zu schalten undzu walten, und sie für rein garnichts die Genehmigung desBotschafters einholen müsse.

»Ich arbeite nicht für Sie«,

fertige Panetta den Botschafternach Aussage mehrerer Teilnehmerdes Meetings ab.

Daraufhin ergriff AußenministerinHillary Clinton das Wort für Munter,wandte sich an Panetta und erklärteihm, dass er sich geschnitten habe,wenn er glaube, er könne sicheinfach so über den Botschafterhinwegsetzen und gegen seinenWillen Drohnenangriffe anordnen.

Aber Panetta blieb stur.»Nein, Hillary«, erwiderte er.

»Wer hier völlig danebenliegt, seidihr.«

Nach einem kurzen, ungläubigenSchweigen redeten die Assistentender beiden Parteien hektischaufeinander ein, bisSicherheitsberater Tom Donilon sichgenötigt sah, sie zur Ruhe zu rufen,um wenigstens halbwegs wieder fürOrdnung zu sorgen. In denfolgenden Wochen gelang esDonilon, eine Art Kompromissauszuhandeln: Munter musste vorabüber jeden geplantenDrohnenangriff informiert werdenund hatte das Recht, Einspruchgegen konkrete Einsätze

einzulegen. Im Gegenzug aberkonnte die CIA sich ans Weiße Hauswenden und sich von diesem dieFreigabe für von Munter abgelehnteAngriffe einholen. Obamas CIAhatte eine weitere Schlachtgewonnen.

In den darauffolgenden Monatensah sich Munter zunehmend isoliert.Selbst Admiral Mullen, zuvor derprominenteste Vertreter derFraktion innerhalb der US-Regierung, die sich dafür einsetzte,zumindest halbwegs funktionaleBeziehungen mit Islamabad

aufrechtzuerhalten, begegnete denPakistanern seit derKommandoaktion von Abbottabadmit immer mehr Misstrauen.Abgesehen davon, dass er nicht nurZweifel an den Beteuerungen despakistanischen Militärs und des ISIhegte, sie hätten Bin Laden nichtdabei geholfen, in Abbottabadunterzutauchen, war ihm seitdemauch eine höchst bemerkenswerteGeheimdienstinformationzugetragen worden. US-Spionehatten Telefongespräche abgehörtund mitgeschnitten, denen zufolge

offenbar der ISI die Ermordung despakistanischen Journalisten SyedSaleem Shazad befohlen hatte, derRecherchen zu den Verbindungenzwischen dem ISI und militantenpakistanischen Organisationangestellt hatte. Shazad war EndeMai 2011 zu Tode geprügelt undseine Leiche etwa 150 Kilometersüdlich von Islamabad in einenBewässerungskanal geworfenworden. Laut geheimenBewertungen amerikanischerGeheimdienste war ShazadsErmordung von allerhöchster Stelle

im ISI angeordnet worden, sprichvon Generalleutnant Ahmad ShujaPasha höchstpersönlich.

Wenig später erhielten die US-Geheimdienste einen Tipp, dasszwei verdächtige mit Düngemittelnbeladene Lastwagen auf denNachschubstrecken der NATO vonPakistan nach Afghanistanunterwegs seien. Der Tipp war vageund besagte nur, dass die Lkws mitihrer explosiven Fracht zu einemAngriff auf einen amerikanischenStützpunkt in Afghanistan benutztwerden könnten. Vorsichtshalber

riefen US-Militärs aus Afghanistan inIslamabad an und informiertenGeneral Kayani über ihreErkenntnisse, woraufhin Kayaniversprach, man würde dieLastwagen vor der Grenze zuAfghanistan abfangen.

Tatsächlich aber unternahmKayani nichts. In den folgendenzwei Monaten wurden dieLastwagen in Nord-Waziristan vonKämpfern des Haqqani-Netzwerkszu rollenden Bomben umgebaut, diepotent genug waren, um mehrerehundert Menschen auf einen Schlag

zu töten. Obwohl die US-Geheimdienste nicht ermittelnkonnten, wo genau die beidenLastwagen sich befanden, warGeneralsstabschef Mullenüberzeugt, dass es dem ISI mitseinen historisch guten Kontaktenzu den Haqqanis ein Leichtes sei,den Terroristen, sollten sietatsächlich einen Anschlag planen,das Handwerk zu legen. Spätestensam 9. September brachen dieLastwagen in Richtung afghanischeGrenze auf, und bei einer Visite inIslamabad forderte US-General John

Allen, Kommandeur der ISAF-Truppen in Afghanistan, Kayani auf,sie aufzuhalten. Kayani erwiderte,er werde umgehend »einen Anruftätigen«, um einen eventuellgeplanten Angriff zu verhindern, einAngebot, das bei Allen ziemlichesStirnrunzeln auslöste, deutete esdoch auf enge Verbindungenzwischen den Haqqanis und dempakistanischen Sicherheitsapparathin.

Dann, am Vorabend des zehntenJahrestags der Anschläge auf dasWorld Trade Center und das

Pentagon, fuhr einer der beidenLastwagen vor der Außenmauereiner US-Militärbasis in derostafghanischen Provinz Wardakvor, und der Fahrer zündete den indem Lkw versteckten Sprengsatz.Die Explosion sprengte eine breiteLücke in die Mauer und verwundeteüber siebzig auf der Basisstationierte US-Marines, und nocheine halbe Meile entfernt wurde einachtjähriges Mädchen von einem indie Luft geschleudertenMetallsplitter getötet.

Der Angriff versetzte Mullen in

höchste Rage und brachte ihnendgültig zu der Überzeugung, dasses General Kayani nicht ernst mitseiner Zusicherung war, dieVerbindungen des pakistanischenMilitärs zu militanten Gruppen wiedem Haqqani-Netzwerkeinzuschränken. Das sahen anderehochrangige US-Beamten zwarschon seit Jahren so, doch Mullenhatte geglaubt, Kayani sei einpakistanischer General von einemanderen Schlag, einer, der dieengen Beziehungen des ISI zu denTaliban, zum Haqqani-Netzwerk

und zur Lashkar-e-Taiba für nichtsGeringeres als einenSelbstmordpakt hielt. Der Anschlagin Wardak jedoch war auch fürMullen der Beweis, dass Pakistanein falsches und überdies tödlichesSpiel trieb.

Nur Tage nach demSelbstmordattentat – undunmittelbar nachdem das Haqqani-Netzwerk einen weiteren schwerenAnschlag verübt hatte, dieses Malauf die amerikanische Botschaft inKabul – begab sich Admiral Mullenauf den Capitol Hill, um vor dem

Kongress seine abschließendeAussage als Vorsitzender derVereinigten Stabschefs abzugeben.Ungeachtet der Bemühungen vonVertretern des Außenministeriums,Mullen in den Stunden vor seinemAuftritt vor demStreitkräfteausschuss des Senatszur Zurückhaltung zu bewegen,nahm der Admiral kein Blatt vor denMund.

Der Aufstand in Afghanistan,erklärte er vor dem Ausschuss,werde von pakistanischen Agentengesteuert, an deren Händen das

Blut der vielen ermordetenamerikanischen Soldaten undafghanischen Zivilisten klebte. »DasHaqqani-Netzwerk«, sagte Mullen,»agiert als ein verlängerter Arm despakistanischen GeheimdienstsInter-Services Intelligence.«

Zu keinem Zeitpunkt derwechselhaften Beziehungenzwischen Amerika und Pakistan seitden Anschlägen vom 11. September2001 hatte ein amerikanischerSpitzenbeamter öffentlich derartdirekte Anschuldigungen erhoben.Dass diese gerade von Admiral

Michael Mullen kamen, der inpakistanischen Militär- undRegierungskreisen als einer derwenigen in Washington nochverbliebenen Freunde Pakistansgalt, verlieh der Aussage noch mehrGewicht. Mullens Äußerungen trafendie Generale in Pakistan schwer,und ganz besonders seinen altenFreund, General Ashfaq ParvezKayani.

Ihre Freundschaft warGeschichte; seit Mullens Aussagevor dem Kongress haben die beidenMänner nicht mehr miteinander

gesprochen. Jeder fühlte sich vomanderen verraten.

Einige Tage nach Osama BinLadens Tod erhielt Doktor ShakilAfridi einen dringenden Anruf vonSue, seiner CIA-Agentenführerin.Pakistan wurde immer noch vonden Nachbeben der amerikanischenKommandoaktion erschüttert, undseit die Navy SEALs das Haus inAbbottabad gestürmt hatten, hatteAfridi nichts mehr von der CIAgehört. Nachdem immer mehrEinzelheiten der Operation an die

Öffentlichkeit gesickert waren, warAfridi aufgegangen, warum die CIAihn nach Abbottabad geschickthatte, warum er sich bei seinerArbeit auf Bilal Town hattekonzentrieren sollen und warum sieso sehr an dem Haus an derPathan-Straße interessiert gewesenwar. Sue wies Afridi an, sofort nachIslamabad zu kommen und sich aneiner ihrer üblichen Rendezvous-Stellen mit ihr zu treffen.

Sie sind nicht mehr sicher inPakistan, warnte sie den Arzt beidem Treffen. Der ISI hatte bereits

zur Jagd auf alle geblasen, die imVerdacht standen, den Amerikanernirgendwie bei der Suche nach BinLaden geholfen zu haben, und wannseine Tätigkeit für die CIA ans Lichtkomme, sei, sagte Sue, nur nocheine Frage der Zeit. Sie riet Afrididringend, in einen Bus zu steigenund sich über die Grenze nachAfghanistan abzusetzen, und gabihm einen Zettel mit einerTelefonnummer, die er nach seinerAnkunft an der Busstation in Kabulanrufen solle. Dort würde er dannweitere Instruktionen erhalten.

Afridi stieg in keinen Bus. Da dieCIA ihm nie anvertraut hatte, dassseine Tätigkeit mit der Jagd auf BinLaden zusammenhing, wähnte ersich in Sicherheit und rechnete nichtdamit, sich in dem vonpakistanischen Sicherheitsdienstennach der Ermordung desTerrorführers ausgeworfenenSchleppnetz zu verfangen. Eine, wiesich zeigen sollte, fataleFehleinschätzung. Ende Mai 2011wurde der Arzt und CIA-Informantvom ISI verhaftet und hinter Gittergesteckt.

Nach Jahren voller Tumultezwischen der Central IntelligenceAgency und dem pakistanischenDirektorat für Inter-ServicesIntelligence, nach dem Doppelspiel,das beide Seiten betrieben hatten,und nach dem öffentlichen Aufruhrund den gegenseitigenAnschuldigungen, die aufkamen, alsein CIA-Söldner in Lahore zweiMenschen erschossen und damitden Blick auf die neue Front desamerikanischen Geheimkriegs inPakistan freigegeben hatte,demonstrierte der Fall Shakil Afridi

eindrücklich den verheerendenZustand der Beziehungen zwischenden beiden nominell verbündetenLändern. Der ISI hatte eine CIA-Schlüsselquelle verhaftet, einenMann, der eine Rolle bei der Jagdauf den meistgesuchten Terroristender Welt gespielt hatte, und siehatte ihn in eine Gefängniszelle inPeschawar geworfen.

Natürlich packt kein Land derWelt die Samthandschuhe aus,wenn es einen seiner Bürger bei derArbeit für einen ausländischenGeheimdienst ertappt. Aber Afridi

wurde, bizarr genug, gar nichtwegen Landesverrat oder Spionageangeklagt, ja, ihm wurde noch nichteinmal der Verstoß gegen einpakistanisches Gesetz zur Lastgelegt. Stattdessen stellte man ihnin Peschawar wegen des Verstoßesgegen die noch aus der Zeit derbritischen Kolonialherrschaftstammenden und in denpakistanischen Stammesgebietenbis heute gültigen Frontier CrimesRegulations vor Gericht. Afridi habesich einer Verschwörung mit demZiel angeschlossen, »Krieg gegen

den Staat zu führen«, befanden dieRichter unter Verweis auf seineBeziehungen zur Lashkar-e-Islam,der von dem Ex-Busfahrer undDrogenbaron Mangal Baghgeführten Terrorgruppe, von derAfridi 2008 gekidnappt worden war.Weil er Kämpfer der Lashkar-e-Islam medizinisch versorgt hatteund wegen seiner, wie das Gerichtbefand, »Bewunderung für MangalBagh«, verurteilten die RichterAfridi zu zweiunddreißig JahrenGefängnis.

Nach dem Urteilsspruch gab die

Lashkar-e-Islam eine öffentlicheErklärung heraus, in der sie jeglicheBeziehungen zu einem »derartschamlosen Mann« vehementabstritt.

Afridi sei niemals ein Freund derGruppe gewesen, hieß es in derErklärung, allein schon wegenseiner Angewohnheit, seinenPatienten Wucherhonorareabzuknöpfen.

16

FEUER VOM HIMMEL

»Alles steht auf dem Kopf.«W. George Jameson

An einem Morgen im Spätsommer2011, nur Tage bevor er seinenneuen Posten als Direktor derCentral Intelligence Agency antrat,stattete General David Petraeusseinem Vorgänger Michael Haydeneinen Besuch ab, dem dritten und

letzten CIA-Direktor in George W.Bushs Regierungszeit. Die beidenMänner waren in derselben Ära dieRangleiter der Militärhierarchieaufgestiegen, hatten dabei abergänzlich unterschiedliche Wegeeingeschlagen und waren sich niesonderlich nahe gewesen. Haydenhatte im militärischen GeheimdienstKarriere gemacht und, bevor er dasRuder in Langley übernahm, dieultrageheime National SecurityAgency geführt. Petraeus dagegenhatte seine Laufbahn inKampfeinheiten absolviert, die

Kriege der USA im Irak undAfghanistan befehligt, das U.S.Central Command geleitet und sichdabei den Ruf erarbeitet, einer derfähigsten Generäle deramerikanischen Geschichte zu sein.

Bei einem Frühstück in HaydensHaus bot dieser seinem Nachfolgeran, ihm Ratschläge zu geben, wieLangley tickte und welcheGruppendynamiken dort herrschten.Die Führungsoffiziere undAnalysten, so hatte Hayden eserlebt, konnten völlig in ihrer Arbeitaufgehen, sich zugleich aber höchst

eigenwillig gerieren; sie salutiertennicht, wie es sich gehörte, undscherten sich gelegentlich wenig umdie Befehlskette. Dann wandtensich die beiden ernsthafterenThemen zu, und Hayden sprachPetraeus gegenüber eine Warnungaus.

Die CIA habe sich verändert,sagte er, vielleicht sogar dauerhaft,und inzwischen bestehe die realeGefahr, dass der Geheimdienst zueiner Art kleineren Geheimausgabedes Pentagons verkam.

»Nie hat die CIA dem OSS mehr

geähnelt als heute«, meinteHayden und bezog sich dabei aufden dem Kriegsministeriumunterstellten und von WilliamDonovan geleiteten Vorläufer derAgency, der im Zweiten Weltkriegzahlreiche militärischeGeheimdienstoperationendurchgeführt hatte. Nach einemJahrzehnt der geheimenKriegsführung betrieb die CIA, soHayden, fast nur noch gezielteTötungsoperationen undMenschenjagden, und sollte das soweitergehen, dann könnte die

Agency, warnte ihr Ex-Direktor,eines Tages ihre Fähigkeitverlieren, das zu tun, wozu sieeigentlich da war: spionieren.

»Die CIA ist nicht das OSS«, fuhrHayden fort. »Sie ist der globaleGeheimdienst der Nation. Und Siemüssen sich irgendwie Zeitfreischaufeln, um neben derTerrorbekämpfung auch andereAufgaben anzupacken.«

Nun hatte Hayden natürlichselbst in nicht geringem Maße dazubeigetragen, diese Transformationzu beschleunigen. Der

Spionagedienst, der nach dem11. September 2001 als träge undrisikoscheu verspottet worden war,hatte sich unter den wachsamenAugen vier aufeinanderfolgenderDirektoren in eine Tötungsmaschineverwandelt. In dem langen, heißenSommer, der Pakistan in denMonaten nach Bin LadensErmordung fest im Griff hielt, tötetedie CIA eine ganze Reihehochrangiger Qaida-Kämpfer,darunter auch Atijah Abd al-Rahman, der Bin Laden in seinerZeit in Abbottabad als Verbindung

zur Außenwelt gedient hatte. InWashington gab es Leute, diePräsident Obama mit MichaelCorleone in den letzten Minuten desMafia-Thrillers Der Pate verglichen,in denen er seinen Leutnants ganzcool befiehlt, seine Feinde in einerpräzise geplanten Gewaltorgieauszulöschen.

Dreieinhalb Jahrzehnte zuvor, alsdie schmutzigen Details des CIA-Programms zur Ermordungausländischer Staatschefs an dieÖffentlichkeit gelangt waren, hatteder damalige US-Präsident Gerald

Ford der Agency per ExecutiveOrder die Durchführung vonAttentaten untersagt, ein Verbot,von dem er hoffte, dass es künftigePräsidenten davor bewahren würde,sich allzu leichtfertig auf»schwarze« Operationeneinzulassen. Aber in den zehnJahren seit den Anschlägen vom11. September 2001 hattenHeerscharen vonRegierungsanwälten umfangreicheRechtsgutachten dazu verfasst,warum von der CIA und vom JointSpecial Operations Command

fernab offizieller Kriegsgebietedurchgeführte gezielteTötungsoperationen nicht gegendas von Präsident Ford erlasseneVerbot verstießen. So, wiePräsident Bushs Rechtsexpertenden Begriff Folter neu definierthatten, um die von der CIA unddem Militär angewendetenverschärften Verhörmethoden zulegitimieren, hatten PräsidentObamas Anwälte nun denamerikanischen Geheimdiensteneinen Freibrief zur Durchführunggezielter Tötungsaktionen

verschafft.Einer von Obamas Topjuristen

war Harold Koh, der seinen Postenals Dekan an der Yale Law Schoolaufgegeben hatte, um nachWashington zu kommen. Koh hatteunter der Linken zu denerbittertsten Kritikern des von derRegierung Bush initiierten Kriegsgegen den Terror gezählt und dieVerhörmethoden der CIA –einschließlich Waterboarding – alsillegale Folter verurteilt. Doch nun,als oberster Rechtsberater des US-Außenministeriums, musste er sich

endlose Stunden durch voluminöseGeheimdienstberichte ackern, umsich ein Urteil darüber zu bilden, obdie Menschen, in denen es in diesenBerichten ging, leben durften odersterben mussten. In seinenöffentlichen Reden verteidigte Kohdie gezielten Tötungen derRegierung Obama mit Zähnen undKlauen und führte als Begründungan, dass in Kriegszeitenamerikanische Regierungen von derPflicht befreit seien, ein normalesrechtmäßiges Verfahrendurchzuführen, bevor sie einen

Terrorverdächtigen auf eineAbschussliste setzten.

Hin und wieder, in Momenten derBesinnung, sprach er aber auch vonder psychologischen Belastung, soviel Zeit mit der Lektüre derBiografien zumeist junger Männerzu verbringen, deren Tötung dieVereinigten Staaten in Erwägungzogen. »Als Dekan der Yale LawSchool studierte ich viele, vieleStunden die Lebensläufe jungerLeute, Studenten Anfang, Mittezwanzig, und versuchte zuentscheiden, wer von ihnen zum

Studium zugelassen werden sollteund wer nicht«, erklärte er einmalin einer Rede. »Heute verbringe icheine vergleichbare Menge Zeitdamit, die Lebensläufe vonTerroristen durchzuarbeiten, vonjungen Männern im selben Alter wiemeine Studenten damals. Darüber,wie sie rekrutiert wurden. Überihren ersten Einsatz. Ihren zweitenEinsatz. Oftmals bin ich mit ihremHintergrund ebenso gut vertraut,wie ich es mit dem meinerStudenten war.«

Gerade in einer Zeit, als die

Drohnenangriffe massivausgeweitet wurden, sorgtePräsident Obama für einStühlerücken an der Spitze seinesnationalen Sicherheitsteams. Ingewisser Weise war dies daslogische Ende eines Jahrzehnts, indem die Tätigkeit von Soldaten unddie von Agenten kaum noch zuunterscheiden waren. Leon Panetta,der als ihr Direktor den Umbau derAgency in eine Militärorganisationnach Kräften vorangetrieben hatte,übernahm das Pentagon. ImGegenzug berief Obama General

Petraeus an die Spitze der CIA –den Viersternegeneral, der 2009geheime Befehle abgezeichnethatte, mit denen die massiveAusweitung derSpionageoperationen des Militärsim Nahen und Mittleren Ostenautorisiert wurden.

In den vierzehn Monaten, diePetraeus in Langley am Ruder saß,bevor er wegen eineraußerehelichen Affäre mit seinerBiografin schmählich davongejagtwurde, hatte er eben den Kursweiterverfolgt, vor dem Hayden ihn

gewarnt hatte. Petraeus fordertevom Weißen Haus zusätzliche Mittelfür den Ausbau der Drohnenflotteder CIA und brüstete sich vorKongressangehörigen damit, dassdie Agency unter seiner Führungmehr verdeckte Operationenausführte als jemals zuvor in ihrerGeschichte. Vor allem aber befahler nur ein paar Wochen nachseinem Amtsantritt in Langley eineAktion, wie sie bis dahin noch keinCIA-Direktor angeordnet hatte: diegezielte Tötung einesamerikanischen Staatsbürgers.

Zur selben Zeit, als Petraeus dieCIA übernahm, rückte ein bebrillter,etwas eulenhaft wirkender radikalerPrediger mit einem buschigenschwarzen Bart und einer vor Hassund Wut triefenden Botschaft an dieSpitze der amerikanischen Kill-Liste– jener von John Brennan, demAntiterrorberater des WeißenHauses, in seinem Büro imKellergeschoss geführtenAufstellung der zur Tötungfreigegebenen Zielpersonen.Nachdem Bin Laden tot war und derfortdauernde Drohnenkrieg die

Reihen von al-Qaida in Pakistanzusehends gelichtet hatte,konzentrierten sich dieAntiterrorbeamten in Washingtonverstärkt auf die vom Jemen undvon al-Qaida auf der ArabischenHalbinsel (AQAP) ausgehendeGefahr. Und damit rückte Anwar al-Awlaki in den Fokus derTerroristenjäger.

Es war ein langer Weg für al-Awlaki, bis er es so weit gebrachthatte, von den Vereinigten Staatenals Gefahr für die nationaleSicherheit eingestuft zu werden.

Geboren 1971 in New Mexico, hatteer seine Kindheit in den USAverbracht, während sein Vater,Nasser al-Awlaki, ein prominenterJemenit, der später unter PräsidentSaleh als Landwirtschaftsministerdienen sollte, an der New MexicoState University Agrarökonomiestudierte. Sieben Jahre späterkehrte der Vater mit der Familie inden Jemen zurück, wo Anwar lebte,bis er Anfang der 1990er-Jahre zumCollege-Studium wieder in dieVereinigten Staaten ging.

An der Colorado State University,

wo er sich eingeschrieben hatte,wurde Anwar zum Präsidenten desmuslimischen Studentenverbandsder Universität gewählt, tat sichallerdings schwer mit der strengkonservativen Variante des Islam,die einige seiner Kommilitonenpraktizierten und nach der Sex undAlkohol verboten waren. Nachseinem Abschluss blieb er inColorado und arbeitete, sehr zurVerärgerung seines Vaters, alsPrediger an eine Moschee in FortCollins. Nasser hatte sich für seinenSohn eigentlich eine lukrativere

Betätigung erhofft, aber Anwar gabnicht nach, und einige Jahre späterzog er weiter nach San Diego, woer die Stelle des Imams an eineram Stadtrand gelegenen Moscheeannahm.

Dort predigte Anwar, dessenreligiöse Ansichten nach und nachkonservativer wurden, häufig vonder Notwendigkeit, ein Leben inReinheit zu führen. In seinemPrivatleben allerdings nahm er esmit der Reinheit nicht so genau. Sowurde er in San Diego mehrmalsvon der Polizei verhaftet, weil er

Kontakt zu Prostituierten gesuchthatte. Vor allem aber nahm das FBI1999 Ermittlungen gegen al-Awlakiwegen vermuteter Beziehungen zumutmaßlich gewaltbereitenIslamisten im Großraum San Diegoauf – ein Verdacht, der sich unteranderem auf seiner Tätigkeit füreine dort ansässige islamischeWohlfahrtsorganisation gründete. Erhatte sogar Kontakt zu zwei derspäteren 9/11-Attentäter, Khalid al-Mihdhar und Nawaf al-Hazmi, diebeide in seiner Moschee betetenund an Veranstaltungen mit dem

Prediger teilnahmen.Allerdings ergaben die

Ermittlungen zu seinen Tätigkeitenkeine weiteren Verdachtsmomente,und zum Zeitpunkt der Anschlägevom 11. September 2001 war erbereits ins nördliche Virginiaumgezogen, wo er an einer großenMoschee in einer WashingtonerVorstadt predigte. Al-Awlaki, derseine Predigten gerne mit Bezügenzur Popkultur und zuramerikanischen Geschichteausschmückte, durfte bald dieAufmerksamkeit der Medien

genießen – immer wieder wurde ervon Journalisten gebeten, denamerikanischen Zeitungslesern dieGrundzüge des Islams zuvermitteln. Er galt sogar als eine ArtStimme der Mäßigung, beteiligtesich an einem Onlinechat derWashington Post zum Ramadan undnahm an einem Gebetsfrühstück imPentagon teil. »Wir sindhierhergekommen, um aufzubauen,nicht um zu zerstören«, verkündeteer bei einem seiner Auftritte undbezeichnete sich und die anderenImame in den Vereinigten Staaten

als »eine Brücke zwischen denAmerikanern und den weltweit eineMilliarde Muslimen«.

Doch die vermeintliche Stimmeder Mäßigung schlug bald schonganz andere Töne an. 2002, nacheiner Razzia, deren ZielmuslimischeWohlfahrtsorganisationen undandere von Muslimen betriebeneEinrichtungen waren, warf al-Awlakider Regierung Bush öffentlich vor,aus dem Krieg gegen den Terroreinen Krieg gegen die Muslimegemacht zu haben. Kurz darauf

verließ er die Vereinigten Staatenund ging nach London, wo er rascheine begeisterte Anhängerschaftunter den jungen Gläubigen fand,die seinen feurigen Predigten undseinen auf CD aufgenommen undim Set verkauften religiösenVorträgen lauschten. Trotz seinerwachsenden Popularität aber fiel esihm schwer, für seinen Unterhalt inGroßbritannien aufzukommen, undso kehrte er 2004 in den Jemenzurück, um von hier aus seinePredigten zuerst inInternetchatrooms und später via

YouTube weltweit zu verbreiten.Dass al-Awlaki seine Reden auf

Englisch hielt, begrenzte zwarseinen Einfluss in der muslimischenWelt, dennoch stachelte er mitseiner ätzenden amerikafeindlichenRhetorik einige seiner Anhänger zugewaltsamen Aktionen auf. Einervon ihnen war Umar FaroukAbdulmutallab, jener jungenigerianische Student, der amersten Weihnachtsfeiertag 2009 miteiner Bombe in der Unterhose inAmsterdam ein Flugzeug bestiegund diese beim Landeanflug auf

Detroit zu zünden versuchte.Mehrere Monate zuvor hatteAbdulmutallab einen Aufsatzdarüber verfasst, warum er in denDschihad ziehen wolle, und diesenan al-Awlaki geschickt. Je mehr dieamerikanischen Ermittler denHintergründen des gescheitertenAnschlags des»Unterhosenbombers« auf die Spurkamen, umso besser verstanden siedie Rolle, die al-Awlaki inzwischenbei al-Qaida auf der ArabischenHalbinsel spielte. Der mittlerweileachtunddreißig Jahre alte Prediger

mit amerikanischerStaatsbürgerschaft, der sich einstals Amerikas »Brücke« zurmuslimischen Welt bezeichnethatte, war keineswegs bloß einervon vielen Hetzpredigern desdigitalen Zeitalters, der im Internetden Hass auf die Ungläubigenschürte. Nein, al-Awlaki ließ seinenWorten auch Taten folgen und halfder Terrorgruppe dabei, eine ganzeWelle von Anschlägen gegen dieVereinigten Staaten durchzuführen.

John Brennan, der engeBeziehungen zum saudischen

Geheimdienst unterhielt und vomWeißen Haus aus schon denverdeckten Krieg der USA im Jemengeführt hatte, war überzeugt, dassal-Awlaki der Hauptverantwortlichefür die strategische Neuausrichtungder regionalen Qaida-Gruppe war.Die Terrororganisation hatte zwarschon lange global gedacht, aberbislang nur lokal agiert und ihreAnschläge vor allem gegen Ziele inSaudi-Arabien gerichtet. Nun aber,da Bin Laden und seine Anhänger inPakistan immer mehr in dieDefensive gedrängt wurden, hielt

man bei der AQAP offenbar die Zeitfür gekommen, gegen den GroßenSatan selbst ins Feld zu ziehen. UndBrennan glaubte, dass es vor allemal-Awlaki war, der die Gruppe indiese Richtung drängte.

Das mag so gewesen sein oderauch nicht, auf jeden Fall begannman im Nationalen Sicherheitsratnun über die bislang unerhörteFrage zu debattieren, ob man diegeheime Tötung desamerikanischen Staatsbürgers al-Awlaki autorisieren sollte – undnicht etwa versuchen, ihn gefangen

zu nehmen und vor ein Gericht zustellen. Harald Koh und andereRegierungsanwälte recherchiertendie Geheimdiensterkenntnisse überal-Awlakis Rolle innerhalb derjemenitischen Terrororganisation,und nur wenige Monate nachAbdulmutallabs fehlgeschlagenemBombenattentat im Landeanflug aufDetroit, legte das Rechtsbüro desamerikanischen Justizministeriums,das Office of Legal Counsel, einGeheimmemorandum vor, in demes die Absicht der RegierungObama für rechtens erklärte, den

abtrünnigen amerikanischenPrediger töten zu lassen. Da al-Awlaki eine führende Rolle in derTerrororganisation al-Qaida auf derArabischen Halbinsel spiele und dadie Gruppierung den VereinigtenStaaten den Krieg erklärt habe,habe er, schrieben dieRechtsexperten desJustizministeriums, seineverfassungsmäßig garantiertenRechte auf einen ordentlichenrechtsstaatlichen Prozess verwirkt.

Allerdings hatte man inWashington zu diesem Zeitpunkt

nicht die geringste Ahnung, wo sichal-Awlaki oder andere führendeAQAP-Mitglieder verborgen hielten.Das Joint Special OperationsCommand war gerade erst dabei,eigene Kapazitäten zurnachrichtendienstlichenInformationsbeschaffung im Jemenaufzubauen, und vorerst war dieRegierung in Washington fastausschließlich auf die Spione undInformanten angewiesen, die derjemenitische Präsident Ali AbdullahSaleh und der saudi-arabischeGeheimdienst auf die AQAP

angesetzt hatten. Und nachdemEnde Mai 2010 der Vize-Gouverneurdes Gouvernements Ma’rib, Jaberal-Schabwani, von einer offenbarfehlgeleiteten amerikanischenRakete getötet worden war, hatteSaleh die amerikanischenAktivitäten in seinem Land nochschärferen Restriktionenunterworfen und damit denGeheimkrieg der USA im Jemenpraktisch zum Erliegen gebracht.

Doch so langsam entglitten Saleh,dem starken Mann in Sanaa, die

Zügel der Macht. Über Jahrzehntehinweg hatte er sich seineFührungsposition bewahrt, indem erdie diversen Stämme undFraktionen innerhalb des Landesgeschickt manipuliert und sie dabeihäufig mit Methoden gegeneinanderaufgestachelt hatte, die einMitarbeiter der Regierung Bush miteinem »Tanz in derSchlangengrube« verglichen hatte.Angefeuert durch dieMassenaufstände, die sich in dergesamten arabischen Weltausbreiteten, kam es Anfang 2011

auch im Jemen zu schwerenUnruhen, und Salehs Regierung,deren Macht früher kaum über dieHauptstadt hinausgereicht hatte,konnte nun nicht einmal mehr inSanaa die Ordnungaufrechterhalten. Dann, im Juni2011, wurde Saleh bei einemschweren Raketenangriff auf denPräsidentenpalast schwer verletzt.Mit inneren Blutungen im Kopf undschweren Brandwunden – nach demEinschlag der Raketen war in demPalast Feuer ausgebrochenen –wurde Saleh von seinen

Leibwächtern eilends in einFlugzeug verladen und nach Saudi-Arabien ausgeflogen, wo ihn dieÄrzte einer mehrstündigenNotoperation unterzogen. Salehüberlebte, aber seine Zeit alsjemenitischer Präsident war vorbei.Und damit konnte er denVereinigten Staaten auch nichtmehr vorschreiben, was sie inseinem Land tun durften und wasnicht.

Die CIA und das JSOC hatten dieeinjährige Zwangspause, die demamerikanischen Luftkrieg im Jemen

nach dem Tod von Vize-GouverneurJaber al-Schabwani auferlegtworden war, dazu genutzt, im LandInformanten zu rekrutieren undrund um den Jemen einelektronisches Überwachungsnetzaufzubauen. Die National SecurityAgency in Fort Meade, Maryland,stellte für den Jemen zusätzlicheAnalysten zur Überwachung vonMobiltelefonen und zumAusspionieren vonComputernetzwerken ab. Die CIAerrichtete derweil unter strengsterGeheimhaltung im Süden von

Saudi-Arabien einenDrohnenstützpunkt, der ihr als Basisfür die Jagd auf Qaida-Mitglieder imJemen dienen sollte. Die saudischeRegierung hatte der CIA grünesLicht für den Bau der Basis unterder Bedingung erteilt, dass sie dieRolle des Königreichs strikt geheimhielt. »Die Saudis legten«, wie einan der Entscheidung zum Bau derBasis beteiligter US-Beamter sagte,»größten Wert darauf, auf keinenFall mit der Sache in Verbindunggebracht zu werden.«

Bis zur Fertigstellung der CIA-

Drohnenbasis im Süden Saudi-Arabiens war der Geheimkrieg imJemen Sache des JSOC. Ab Mai2011 schickte das Pentagonbewaffnete Drohnen in den Jemen,die von Äthiopien und CampLemonnier aus starteten, einerehemaligen Basis der französischenFremdenlegion im bitterarmenDschibuti, auf der seit 2002 einekleine Abordnung von US-Marinesund Spezialeinsatzkräftenstationiert war. Von da an gehörtein einigen der entlegenstenWüstengebiete des Jemen das

Geräusch der überfliegendenDrohnen fast schon zum Alltag, undes wurde ernst in dem tödlichenKatz-und-Maus-Spiel zwischenDschihadisten und amerikanischenKillermaschinen.

Ein jemenitischer Journalist, derzwei Wochen lang einen AQAP-Führer begleitete, beschrieb später,wie sich die Gruppe verhielt, wennein Angriff aus der Luft drohte:Näherte sich ein jemenitischerKampfjet, blieben sie einfach, wosie waren, weil, wie ein Kämpferdem Reporter erklärte, »die

jemenitischen Piloten niemals ihrZiel treffen«. Hörten sie aber dasSurren einer amerikanischenDrohne am Himmel, taten sie dasgenaue Gegenteil: Sie schaltetenihre Mobiltelefone aus, sprangen inihre Lastwagen und Autos undfuhren kreuz und quer durch dieGegend, weil die Drohnen »sichbewegende Ziele nichtbombardieren können«. DieMilitanten hatten eine derSchwachstellen der Drohnenherausgefunden, die auftritt, wenndie unbemannten Flugkörper über

große Entfernungen hinweg perSatellit gesteuert werden.Abgesehen davon, dass die Bilder,die die Drohnenpiloten in ihrenviele tausend Kilometer entferntenLeitständen in den USA auf demBildschirm sehen, bis zu zweiSekunden alt sind, muss man auchnoch die Reaktionszeit des Pilotenund die Zeit berücksichtigen, bis dieDrohne das Feuersignal empfängt.Wegen dieses als Latenzbezeichneten Problems haben sichdie Drohnenführer der CIA und desPentagons jahrelang schwergetan,

den Zielbereich für die von derDrohne abgefeuerte Rakete exaktzu bestimmen, ein Umstand, dereinen Teil der zivilen Opfer undFehlschüsse der Drohnenkriegeerklären dürfte.

Eben weil al-Awlaki in einemfahrenden Lastwagen saß, entginger im Mai 2011, nur wenige Tagenach der Geheimoperation inPakistan, die Bin Laden das Lebenkostete, um Haaresbreite dem Tod.Ein Informant in Diensten derAmerikaner hatte gemeldet, dassal-Awlaki in einem

Lastwagenkonvoi im GouvernementSchabwa unterwegs sei, woraufhindas JSOC-Team Kampfdrohnen undHarrier-Jets der Marine in dasGebiet entsandte. Doch die ersteauf al-Awlakis Lastwagenabgefeuerte Rakete verfehlte ihrZiel, und als dann noch Wolkenaufzogen und die Sicht auf denKonvoi blockierten, konnte er ineinen anderen Lastwagenumsteigen und sich inentgegengesetzter Richtungdavonmachen. Die amerikanischenFlugzeuge folgten dem ersten

Lastwagen, nahmen ihn erneutunter Beschuss und töteten zweijemenitische Qaida-Kämpfer. Al-Awlaki brachte sich derweil in einerHöhle in Sicherheit. Nach Angabendes Jemen-Experten GregoryJohnsen soll er später gegenüberFreunden erklärt haben, der Vorfallhabe ihn »in der Gewissheitbestärkt, dass niemand stirbt, bevorer seine Aufgabe im Lebenvollbracht und die ihmzugemessene Zeit vollendet hat«.

Im Weißen Haus zeigten sichPräsident Obama und John Brennan

zunehmend frustriert von derUnfähigkeit des JSOC, al-Awlakioder andere führende AQAP-Mitglieder zur Strecke zu bringen.Eineinhalb Jahre nachdem Obamagrünes Licht für die Ausweitung deramerikanischen Geheimoperationenim Jemen gegeben hatte, warimmer noch kein hochrangigerAQAP-Führer getötet worden;stattdessen waren mehrere Angriffeauf der Basis falschernachrichtendienstlicherInformationen durchgeführt worden– mit der Folge, dass man im

Jemen bislang mehr Zivilisten alsTerrorverdächtige umgebrachthatte. Der Einsatz bewaffneterDrohnen stellte zwar eine deutlicheVerbesserung gegenüber Angriffenmit Marschflugkörpern dar, aber dieRegierung von Dschibutiverweigerte dem US-Militärbeharrlich das Recht, von CampLemonnier aus Tötungsoperationenzu starten, ohne vorab ihreGenehmigung eingeholt zu haben,eine Einschränkung, die die JSOC-Führung zur Verzweiflung trieb.

Die CIA unterlag keinen

derartigen Beschränkungen, undgleich nachdem im September 2011die Drohnenbasis der Agency in dersüdsaudischen Wüste fertiggestelltund einsatzbereit war, ließ der neueCIA-Direktor David Petraeus einenTeil der CIA-Drohnenflotte nachSaudi-Arabien verlegen. Gleichzeitigwurden die amerikanischenSpionagesatelliten neu ausgerichtetund die Datennetzwerke sokonfiguriert, dass die Piloten in denUSA mit den Drohnen auf derArabischen Halbinselkommunizieren konnten – und die

vielen anderen notwendigenVorbereitungen getroffen, um eineneue Front im Drohnenkriegeröffnen zu können.

Doch die CIA hatte mehr in pettoals nur einenKampfdrohnenparkplatz unweit derjemenitischen Grenze: Sie besaßnun auch eine Quelle innerhalb vonal-Qaida auf der ArabischenHalbinsel, die sie regelmäßig mitInformationen über al-AwlakisBewegungen versorgte. Darüberhinaus verfügte die Agencyinzwischen über einen besseren

Einblick in die Strukturen von AQAPund war im Voraus informiert, bevordie Gruppe die jeweils neuesteAusgabe ihrer Internet-PublikationInspire online stellte. Mit dem aufEnglisch verfassten Internetmagazinwollte die AQAP ihr Profil stärkenund Möchtegern-Dschihadisten inden Vereinigten Staaten oderGroßbritannien dazu anstacheln,den Krieg gegen die Ungläubigen inihre Heimatländer zu tragen. Einnicht untypischer Artikel auf Inspire,verfasst von ihrem Herausgeber,dem pakistanisch-amerikanischen

Publizisten Samir Khan, trug dieÜberschrift: »Wie du eine Bombe inder Küche deiner Mutter baust«.

Zu den Lesern von Inspiregehörte unter anderem eingewisser Major Nidal Hasan – jenerMilitärpsychiater, der im November2009 an seinem Arbeitsplatz aufdem Militärstützpunkt Fort Hooddreizehn Menschen erschoss undzahlreiche weitere verwundete.Urlaub Faisal Shahzad, einenFinanzanalysten aus Connecticut,der sieben Monate später mittenauf dem Times Square in New York

einen mit Sprengstoff vollgepackten Geländewagen in dieLuft zu jagen versuchte.

Jedes Mal, wenn sie von derbevorstehenden Veröffentlichungeiner neuen Ausgabe von Inspireerfuhren, debattierten sie bei derCIA darüber, ob sie das Magazinsabotieren sollten, bevor es onlinegestellt wurde, oder ob sie in denText Botschaften einschmuggelnsollten, die die AQAP bloßstellenund den Verdacht schüren könnten,sie hätten einen saudischen oderamerikanischen Maulwurf in ihren

Reihen. Aber sie entschieden sichstets Mal dagegen, zum Teil, weilsie fürchteten, dass dies Leuten, dieder Kooperation mit den USA oderSaudi-Arabien verdächtigt wurden,den Kopf kosten könnte. Aber esgab noch einen zweiten Grund: WeilInspire in den USA online gelesenwerden konnte, würde jederManipulationsversuch der CIAwomöglich einen Verstoß gegen dasVerbot darstellen,Propagandaoperationen gegenAmerikaner durchzuführen. Ebendiese Bedenken hatten die CIA

bewogen, nun, da die Amerikanerdank des Internets von ihrenLaptops aus Nachrichten undInformationen lesen konnten, dieviele tausend Kilometer entferntverfasst worden waren, denGroßteil ihrerPropagandaaktivitäten auf Eis zulegen. Die dadurch entstandeneLücke hatten das Pentagon undLeute wie Michael Furlong mit einerneuen, auf das digitale Zeitalterzugeschnittenen Art derinformationellen Kriegsführunggefüllt.

Beeindruckt vom Erfolg der CIA-Drohnenkampagne in Pakistan,entschied das Weiße Haus, dieVerantwortung für die Jagd auf al-Awlaki vom Pentagon auf die CIA zuübertragen. Am 30. September2011 hob eine kleine Flotteamerikanischer Kampfdrohnen vonder neu in Betrieb genommenenBasis im Süden von Saudi-Arabienab und überflog die Grenze zumJemen. Dort nahmen die Drohnendie Spur einer Gruppe von Männernauf, die in einem Autokonvoi imGouvernement al-Dschauf

unterwegs waren, einem für dieeinst dort gezüchtetenAraberhengste berühmtenWüstengebiet unweit derarabischen Grenze. Die Männer indem Konvoi hatten zum Frühstückangehalten, als sie lautZeugenaussagen die Drohnen amHimmel erspähten. Sofort sprangensie wieder in ihre Autos und fuhrenlos. Aber die Drohnen hatten ihreZiele schon ins Visier genommen,und was nun folgte, war einesorgfältig orchestrierte Symphonieder Zerstörung. Zwei Predator-

Drohnen richteten Laserstrahlen aufdie Fahrzeuge, eine Methode, diedie Treffsicherheit der Angriffedeutlich steigerte, und eine Reaper-Drohne feuerte Raketen ab, diezielgenau einschlugen. Alle Männer,die in dem Konvoi unterwegswaren, wurden getötet, darunterauch zwei US-Bürger – Anwar al-Awlaki und Samir Khan, einbegnadeter Propagandist und derkreative Kopf von Inspire.

Zwei Wochen zuvor hatte sichAbdulrahman al-Awlaki – der

schlaksige, in den USA geborenesechzehn Jahre alte Sohn des Imam– durch das Küchenfenster desHauses der Familie in Sanaadavongestohlen. Abdulrahman lebtein diesem Haus, seit seine Familiein den Jemen umgezogen war –nachdem sich sein Vater zuerst inden Vereinigten Staaten und dannin Großbritannien einen Namen alsradikaler Prediger gemacht hatte.Auch wenn Anwar al-Awlaki, derinzwischen zu den meistgesuchtenMännern der Vereinigten Staatenzählte, Sanaa schon längst

verlassen und sich in die relativeSicherheit der entlegenenGouvernements des Landesabgesetzt hatte, führteAbdulrahman in der jemenitischenHauptstadt ein weitgehendnormales Leben alsHeranwachsender. Er ging zurSchule, interessierte sich für Sportund Musik und hielt seine Facebook-Seite stets up to date.

Doch dann, Mitte September2011, beschloss er, dass er seinenVater finden musste, wo auchimmer der sich verborgen hielt. Als

er aus dem Haus schlich, hinterließer seiner Familie eine kurzeNachricht:

»Tut mir leid, dass ich einfachabhaue«, schrieb er. »Aber ich mussmeinen Vater finden.«

Abdulrahman machte sich aufden Weg in das GouvernementSchabwa, wo sich, wie manannahm, Anwar al-Awlaki versteckthielt und wo er im Mai desselbenJahres nur knapp einem Angriffamerikanischer Kampfflugzeuge undDrohnen entkommen war. Was ernicht wusste: Sein Vater hatte sich

inzwischen bereits insGouvernement al-Dschaufabgesetzt. Ziellos zog Abdulrahmaneine Weile durch die Gegend. Als ervon den Drohnenanschlägen erfuhr,bei denen sein Vater ums Lebengekommen war, meldete er sich beiseiner Familie in Sanaa. Er werde,erklärte er am Telefon, wieder nachHause kommen.

Doch Abdulrahman kehrte nichtsofort nach Sanaa zurück. Am14. Oktober, nur zwei Wochennachdem CIA-Drohnen seinen Vatergetötet hatten, saß Abdulrahman

al-Awlaki mit Freunden auf derTerrasse eines Restaurants inAzzan, einer Kleinstadt imGouvernement Schabwa, alszunächst aus einiger Entfernung,dann immer lauter werdend, vomHimmel her das typischeSurrgeräusch zu vernehmen war.Sekunden später zischten Raketendurch die Luft und schlugen in demRestaurant ein. Als sich der Rauchder Explosionen verzogen hatte, lagfast ein Dutzend Menschen tot imStaub, darunter auch Abdulrahmanal-Awlaki. Nur Stunden nachdem die

Meldung vom Tod des Teenagersdurch die Nachrichten ging, hattesich Abdulrahmans Facebook-Seitein eine Gedenkstätte verwandelt.

Offiziell haben sichamerikanische Regierungsvertreterbis heute zwar nicht zu derOperation geäußert, unter vierAugen aber geben sie zu, dassAbdulrahman al-Awlakis Tod einVersehen war. Der Teenager hattezu keinem Zeitpunkt auf irgendeinerZielliste gestanden. Eigentlich hatteder Drohnenangriff Ibrahim al-Banna gegolten, einem ägyptischen

AQAP-Führungsmitglied. NachAngaben einer Geheimdienstquellesollte sich al-Banna zum Zeitpunktdes Angriffs in dem Restaurantaufhalten, eine Information, die sichjedoch als falsch erwies. Von al-Banna war weit und breit keineSpur zu finden. Und Abdulrahmanal-Awlaki war einfach zur falschenZeit am falschen Ort gewesen.

Obwohl die näheren Umständedes Angriffs nach wie vor derGeheimhaltung unterliegen, habenmehrere amerikanische Beamtebestätigt, dass der Drohnenangriff,

bei dem der Junge ums Leben kam,im Gegensatz zu dem, der seinenVater tötete, nicht auf das Kontoder CIA ging. Vielmehr warAbdulrahman al-Awlaki einemDrohnenprogramm zum Opfergefallen, das das Joint SpecialOperations Command desPentagons fortgesetzt hatte, gegendie Entscheidung der US-Regierung,die Menschenjagd im Jemen alleinder CIA zu unterstellen. Offenbarkamen sich die CIA und dasPentagon in einem der ärmsten undunfruchtbarsten Länder der Welt

mit separaten Drohnenkriegen insGehege. Die CIA führte ihre eigeneZielliste, das JSOC eine andere.Beide waren mit praktisch demgleichen Auftrag im Jemenunterwegs. Zehn Jahre nachdemDonald Rumsfeld erstmals versuchthatte, den Spionen die Kontrolleüber den neuen Krieg zu entreißen,führten das Pentagon und die CIAparallele Geheimkriege am Endeder Welt.

Zwei Monate nach derErmordung seines Sohns und seinesEnkels stellte Dr. Nasser al-Awlaki

auf YouTube ein Video ein, in demer ihren Tod beklagte. Fast siebzigMinuten lang spricht al-Awlaki darinauf Englisch in deutlichen,überlegten Worten von seinerTrauer und seinem Zorn – unddavon, dass jeder wahre Muslim dieBotschaft seines Sohns am Lebenerhalten und an alle weitergebensolle, die sie noch nicht vernommenhätten. Das Blut seines SohnesAnwar, verkündete er unheilvoll undohne näher darauf einzugehen, »istund wird nicht vergebens vergossensein«.

Nasser al-Awlaki bezeichneteAmerika als einen »dem Wahnsinnanheim gefallenen Staat«, der inden dunkelsten Ecken der Welteiner Anschlagsstrategie betreibe.Die Drohnenangriffe seien, erklärteer, für die US-Bürger inzwischen soalltäglich geworden, dass dieAnschläge, die seinem Sohn undseinem Enkel das Leben nahmen, inden USA kaum für Aufsehen gesorgthätten. Damit hatte er gar nicht sounrecht. An ganzem Tag, als Anwaral-Awlaki starb, erwähnte PräsidentObama in einer Rede zwar dessen

Tod und nannte ihn einen»weiteren bedeutenden Meilensteinin dem Bemühen, al-Qaida und ihrePartner zu besiegen«. Aber schonam nächsten Tag war der Tod desHetzpredigers – einesamerikanischen Staatsbürgers,dessen Ermordung dasJustizministerium in einemgeheimen Memorandum autorisierthatte – den großen Sendern in ihrenAbendnachrichten keine Erwähnungmehr wert. Und als zwei Wochenspäter Abdulrahman al-Awlaki, derin Denver, Colorado, geborene Sohn

des Predigers, im Jemen von einerHellfire-Rakete zerfetzt wurde, fandauch das in den Medien kaum einEcho.

Die Drohnenangriffe sind nach wievor ein Staatsgeheimnis, zumindestoffiziell, und die Regierung Obamaist schon mehrfach vor Gerichtgezogen, um Forderungen aufHerausgabe von Dokumenten imZusammenhang mit den CIA- undJSOC-Drohnen sowie der ihrenEinsatz legitimierenden geheimenRechtsgutachten abzuweisen. So

saß Ende September 2012 eindreiköpfiger Richterausschuss voreiner Wand aus grünem Marmor ineinem WashingtonerBundesgerichtssaal und hörte sichdie mündlichen Argumente in einemvon der American Civil LibertiesUnion angestrengten Verfahren an,mit dem die Bürgerrechtsunion dieHerausgabe von Dokumenten zudem gezielten Tötungsprogrammder CIA erzwingen wollte. Einer derCIA-Anwälte stritt beharrlich ab,dass die Agency irgendetwas mitDrohnen zu tun habe, und zwar

selbst dann noch, als dieskeptischen Richter ihn insKreuzverhör nahmen und mitdiversen öffentlichen Aussagen desehemaligen CIA-Direktors LeonPanetta konfrontierten. Bei einemBesuch auf einem US-Stützpunkt imitalienischen Neapel beispielsweisehatte Panetta vor einer GruppeSoldaten erklärt, dass er jetzt, alsVerteidigungsminister, zwar »übertonnenweise mehr Waffen … alsdamals bei der CIA« verfügte, »diePredator-Drohnen aber auch nichtgerade schlecht« gewesen seien.

Irgendwann während derAnhörung verwies ein fassungsloserRichter Merrick Garland auf dieAbsurdität der von der CIAvertretenen Position, nachdem dochsowohl Präsident Obama wie auchder Antiterrorberater des WeißenHauses, John Brennan, schonöffentlich über die Drohnengesprochen hatten. »Wenn wir jetztmal annehmen, die CIA wäre dernackte Kaiser aus dem Märchen«,sagte Garland an die CIA-Anwältegewandt, »dann sollen wir IhrerMeinung nach jetzt also so tun, als

würde der Kaiser Kleider tragen,obwohl der Chef des Kaisers sagt,dass er nackt ist.«

Doch bei allerGeheimniskrämerei: DieKriegführung per Drohne ist zurNormalität geworden, und in demMaße, wie die CIA und dasPentagon um mehr Ressourcen undKompetenzen zur Führung vonGeheimkriegen kämpfen, werdensich ihre Missionen noch stärkereinander angleichen. Manchmal,wie im Jemen, betreiben die beidenBehörden parallele und

konkurrierendeDrohnenoperationen. Dann wiederteilen sie die Welt unter sich aufund übernehmen die Verantwortungfür verschiedene Einsatzgebiete desper Joystick ferngesteuerten Kriegs– die CIA etwa für Pakistan,während das Pentagon die überLibyen fliegenden Drohnenkontrolliert.

Im Juli 2004 kam die 9/11-Kommission zu dem Ergebnis, dassdie CIA ihre paramilitärischenFunktionen aufgeben sollte. Es sei,so die Kommission, wenig sinnvoll,

wenn die CIA und das Pentagonparallel Geheimkriege führten. »Obman die Kosten nun in Dollars oderin Humanressourcen misst«, hieß esim Abschlussbericht derKommission, »die VereinigtenStaaten können es sich nichtleisten, eine doppelte Infrastrukturzur Durchführung geheimerMilitäroperationen, zum geheimenEinsatz von Raketen mit großerReichweite und zur verdecktenAusbildung militärischer oderparamilitärischer Einheiten imAusland aufzubauen oder zu

unterhalten.«Die Regierung Bush wies diese

Empfehlung zurück, und in denJahren seit Vorlage desAbschlussberichts ist dieEntwicklung in den VereinigtenStaaten in exakt derentgegengesetzten Richtungverlaufen. Inzwischen wachen dieCIA und das Pentagon eifersüchtigüber ihre jeweiligen Aktivposten inder Architektur des Schattenkriegs –eine Drohnenbasis in Saudi-Arabien,ein ehemaliger Stützpunkt derfranzösischen Fremdenlegion in

Dschibuti und diverse andereAußenposten in entlegenenRegionen – und sträuben sich mitHänden und Füßen dagegen, auchnur einen Zollbreit ihrerKompetenzen abzugeben. Dass diePolitiker in Washington die Zukunftder amerikanischen Kriegführung ingezielten Tötungsoperationensehen, bestärkt sie in dieserHaltung nur noch. Während dasPentagon den Ausbau seinerKapazitäten zurInformationsbeschaffung durchmenschliche Quellen vorantreibt,

will die Defense Intelligence Agencyeinen neuen, mehrere hundertMann starken Geheimagentenkaderfür Spionageeinsätze in Afrika, demNahen Osten und Asien rekrutieren.»Alles steht auf dem Kopf«,kommentierte W. George Jameson,ein Jurist, der dreiunddreißig Jahrefür die CIA tätig war, dieseEntwicklung. »Wir haben einenGeheimdienst, der einen Kriegführt, und Streitkräfte, die vor OrtgeheimdienstlicheNachrichtenbeschaffung betreiben.«

Den gesamten zermürbenden

Präsidentschaftswahlkampf 2012hindurch spielte Obama immerwieder auf die gezielten Tötungenals Zeichen seiner Härte an undsprach mit einer Aggressivität, diean Präsident Bush in den erstenWochen und Monaten nach denAnschlägen vom 11. September2001 erinnerte. Von einem Reporterauf den vom republikanischenPräsidentschaftskandidaten gegenihn erhobenen Vorwurfangesprochen, außenpolitisch sei erein »Appeaser«, einer, der dieFeinde Amerikas mit

Samthandschuhen anfasse, gifteteObama zurück: »Fragen Sie dochOsama Bin Laden und die anderenzweiundzwanzig von dreißig Qaida-Führern, die wir aus dem Spielgenommen haben, ob ich eineBeschwichtigungspolitik betreibe.Oder wen auch immer es dadraußen noch gibt. Fragen Sie die.«

Ungeachtet ihrer vielen sonstigenpolitischen Differenzen warenObama und sein Herausforderer,der republikanische Gouverneur MittRomney, imPräsidentschaftswahlkampf 2012 im

Hinblick auf die gezielten Tötungenein und derselben Meinung.Romney kündigte sogar an, dass er,sollte er die Wahl gewinnen, denvon Obama ausgeweitetenDrohnenkrieg fortführen würde.Angetrieben von der Furcht, dieKontrolle über den Drohnenkrieg andie Republikaner zu verlieren,beeilten sich Obamas Mitarbeiter inden letzten Wochen vor der Wahlnoch, klare Regeln für dieDrohneneinsätze zu verfassen. Ihrehektischen Bemühungen, dasProzedere für gezielte Tötungen zu

kodifizieren, zeigten nur, inwelchem Ausmaß dieGeheimoperationen bislanggewissermaßen nach dem Ad-hoc-Prinzip gehandhabt worden waren.Fundamentale Fragen wie etwa die,welche Personen getötet werdendürfen, wo sie getötet werdendürfen und wann sie getötetwerden dürfen, waren noch immernicht beantwortet.

Und das sollte so bleiben: Dennnach Obamas Wahlsieg am6. November 2012 bestand keineunmittelbare Notwendigkeit mehr,

Antworten auf diese Fragen zufinden – und mit den Bemühungen,die geheimen Kriege eindeutigenRegeln zu unterwerfen, war es ersteinmal vorbei.

Die von den langen, blutigen undkostspieligen Kriegen im Irak und inAfghanistan erschöpfte Nation hatteam Ende von Obamas ersterAmtszeit offenbar wenig an der vonder Regierung betriebenenAusweitung der verdecktenKriegführung auszusetzen. Lauteiner im Auftrag von Amy Zegartvon der Stanford University im

August 2012 durchgeführten Online-Umfrage sprachen sich dieAmerikaner im Vergleich zufrüheren Umfragen deutlich häufigerfür ein hartes Vorgehen im Kampfgegen den Terror aus. Eine klareMehrheit – 69 Prozent derBefragten – erklärte, dass sie dasProgramm der Regierung zurgeheimen Tötung von Terroristenbefürworte.

Die gezielten Tötungen habendie CIA zu einer unersetzlichenStütze der Regierung Obamagemacht und sogar ihr Image in

anderen Bereichen verbessert. Inderselben Umfrage bekundeten69 Prozent der Befragten ihrVertrauen darin, dassamerikanische Geheimdienste übergenaue Informationen über dieVorgänge im Iran und in Nordkoreaverfügten. Das waren über20 Prozentpunkte mehr als bei einervergleichbaren Umfrage 2005, alsder CIA ihre falschenGeheimdienstberichte zumirakischen Waffenprogramm um dieOhren gehauen wurden. Und das,obwohl die Umfrage von 2012 nur

wenige Monate nach dem Tod desnordkoreanischen Diktators KimJong Il stattfand, von dem die CIApeinlicherweise erst mehrere Tagespäter erfahren hatte, als nämlichdie Nachricht von seinem Ablebenim nordkoreanischen Fernsehenbekannt geben wurde.

Inzwischen aber treten auch dieRisiken und Opportunitätskosteneiner derart muskelbepackten CIAmehr und mehr zutage. Nachdemdie CIA vom Ausbruch desArabischen Frühlings kalt erwischtwurde und in den ersten Wochen

kaum mehr war als ein Zuschauer,zog sie sie eilig mehrere DutzendFührungsoffiziere und Analysten vonihren bisherigen Aufgaben ab undwies sie an, die Vorgänge im NahenOsten und Nordafrika genau unterdie Lupe zu nehmen. Und wiedereinmal übernahmen die CIA-Agenten im Auftrag der RegierungObama eher die Rolle von Soldatenals die von Spionen. Als dieRevolution in Libyen zu einemoffenen Bürgerkrieg eskalierte,schickte die CIA paramilitärischeAgenten und zivile Auftragnehmer

in das Land, die Kontakte zu denRebellengruppen knüpfen undsicherstellen sollten, dass dietonnenweise in das Landeingeflogenen Maschinenpistolenund Flugabwehrraketen in dieHände der richtigen Rebellenführergelangten. Obama bestand darauf,dass keine amerikanischenBodentruppen nach Libyen entsandtwurden, um Gaddafi zuentmachten; stattdessen setzte erauf jene Formel, mit der die US-Regierung so gute Erfahrungengemacht hatte: Drohnen, verdeckt

operierende Agenten und ein Kaderan Auftragnehmern mit dem Ziel,die libyschen Rebellen quasi zurStellvertreterarmee der VereinigtenStaaten umzumodeln.

Aber die CIA besaß herzlichwenig zuverlässige Informationenüber die Rebellengruppen, undeinige der von den USAhochgerüsteten libyschenAufständischen wandten sichalsbald gegen ihre Gönner.

Kurz nach 22 Uhr am Abend des11. September 2012 ging bei einerkleinen CIA-Basis in Bengasi ein

verzweifelter Hilferuf aus demknapp eineinhalb Kilometer ineinem anderen Stadtviertelgelegenen US-Konsulat ein. Hier, inder am Mittelmeer gelegenenzweitgrößten Stadt Libyens, hattendie Vereinigten Staaten nach demSturz Muammar Gaddafis ihrenwichtigsten Brückenkopf errichtet.Das Konsulatsgelände liege unterBeschuss, rief der US-Diplomat amanderen Ende der Leitung. Die mitKalaschnikows bewaffnetenAngreifer drängten bereits durchdas Haupttor auf das Gelände vor,

und der aufgebrachte Mob hattesich Benzinkanister geschnappt undeines der zum Konsulat gehörendenGebäude in Brand gesteckt.

Die Agenten in der CIA-Basis, dienach Bengasi gekommen waren,um zu verhindern, dass GaddafisArsenal an schultergestütztenRaketen in die Hände militanterGruppen geriet, die sich von dennun in Libyen herrschendenRebellen abgespalten hatten,packten ihre Waffen ein und fuhrenin zwei Autos zu demKonsulatsgelände. Als die Agenten,

die noch vergeblich versucht hatten,eine Gruppe libyscher Milizionäredavon zu überzeugen, sich ihnenbei der Rettungsmissionanzuschließen, vor der Botschafteintrafen, schlugen ihnen Flammenentgegen. J. Christopher Stevens,der amerikanische Botschafter inLibyen, war in einem der Gebäudeeingeschlossen. Das Dach desGebäudes war eingestürzt, undbevor sich das CIA-Team zuStevens vorkämpfen konnte, warder Botschafter in dem dichtenRauch erstickt. Über dem Gelände

kreiste eine auf die Schnelle voneinem anderen Einsatz abgezogeneMilitärdrohne und übertrug dieBilder von den Kämpfen direkt andas U.S. Africa Command inDeutschland. Doch die Predator-Drohne war unbewaffnet undkonnte den zahlenmäßighoffnungslos unterlegenenVerteidigern keine Hilfe leisten.

Unfähig, ihre Stellungen nochlänger zu halten, evakuierten dieCIA-Agenten undSicherheitsbeamten des StateDepartments den

Botschaftskomplex und setzten sichin die nah gelegene CIA-Basis ab.Aber sie waren noch nicht langedort, als die Aufständischen dieBasis mit Maschinenpistolen undGranatwerfern unter Feuer nahmen.Es dauerte bis 5 Uhr morgens, biseine kleine amerikanische Einheitals Verstärkung aus Tripolis eintrafund neben den CIA-Agenten aufdem Dach der Station Positionbezog. Kurz darauf starteten dieMilitanten einen weiteren Angriffund nahmen das Dach desGebäudes mit Mörsergranaten unter

Beschuss. Dabei kamen zwei CIA-Agenten ums Leben, Tyrone Woodsund Glen Doherty, beidesehemalige Navy SEALs. BisTagesanbruch hatten dieAmerikaner die CIA-Basis geräumtund schlugen sich in einemAutokonvoi zum Flughafen durch,während über ihnen unablässig diePredator kreiste und ihre Fluchtüberwachte. Das gesamte US-Personal und die Leichen derinsgesamt vier bei dem Angriffgetöteten Amerikaner wurden nachTripolis ausgeflogen – und alle

Operationen in Bengasi, das der CIAals Zentrale für dieGeheimdienstarbeit in Libyengedient hatte, eingestellt.

Der Angriff hatte zur Folge, dass dieCIA in Libyen praktisch blind war.Und angesichts ihrer seit einemJahrzehnt zunehmendenAusrichtung auf paramilitärischeOperationen treibt viele aktive undehemalige Spione die Sorge um,dass die Agency, wenn auch ausanderen Gründen, in vielenweiteren Regionen ebenso blind

sein könnte. Die in sichgeschlossene CIA-Gemeinde hatsich fundamental verändert, undeine ganze Generationnachrückender CIA-Agenten ist imKrieg sozialisiert worden. Nur eineGeneration zuvor war CIA-Rekrutenwie Ross Newland noch eingebläutworden, dass die Agency auf keinenFall wieder in das Geschäft desTötens einsteigen dürfe; viele derCIA-Beamten, die nach dem11. September 2001 zur Agencygestoßen sind, haben sich praktischausschließlich mit Mord und

Menschenjagd befasst. Diese neueGeneration kennt denAdrenalinrausch, den Einsätze ander Front erzeugen, besser als diegeduldige, »sanfte« Arbeit derInformationsbeschaffung undklassischen Spionage. Diese Arbeitkann ermüdend, sogar langweiligsein, und ein früherer CIA-Spitzenbeamter brachte es auf denPunkt: »Wie kann man diese Leuteauf der Farm festhalten, wenn sieschon die glitzernden Lichter derGroßstadt gesehen haben?«

Viele hohe CIA-Beamten

sprechen voller Stolz davon, wie sieal-Qaida in Pakistan perDrohnenkrieg massiv dezimiert unddie zusehends schwindendeGefolgschaft Osama Bin Ladensgezwungen haben, sich nach neuenVerstecken umzuschauen – imJemen, in Somalia, in Nordafrikaoder in irgendeinem anderendunklen Winkel der Welt. Und vielevon ihnen preisen dasDrohnenprogramm als dieerfolgreichste Geheimoperation inder gesamten Geschichte der CIA.

Manche von denen aber, die

beim Aufbau des CIA-Drohnenprogramms mit dabeigewesen waren – und die die vomGeheimdienst nach dem11. September 2001 neuausgestellte Lizenz zum Tötenbejubelt hatten –, sehen dasinzwischen sehr viel skeptischer.Ross Newland hält nach wie vorgroße Stücke auf die Drohnen, eineWaffe, die es den VereinigtenStaaten erlaube, Krieg zu führen,ohne Feindgebiete mitFlächenbombardements zu belegenoder wahllos Artilleriegranaten auf

irgendwelche abgelegenenpakistanischen Dörfer abzufeuern.Aber er findet auch, dass die CIAihre heiß geliebten Predator- undReaper-Drohnen schon vor Jahrenhätte ausmustern sollen. DieFähigkeit, Gegner bequem undgefahrlos per Fernbedienungeliminieren zu können, sei, sagt er,wie eine »Droge«, und mit ihrenDrohnenangriffen habe sich die CIAin Ländern wie Pakistan, in denenes doch eigentlich darauf ankommt,im Interesse einer effektivenInformationsbeschaffung enge

Beziehungen zu pflegen und zuhegen, selbst zum Bösewichtgemacht. Am Ende, warnteNewland, »schadet derDrohnenkrieg der CIA nur. So etwasgehört einfach nicht zu denAufgaben eines Geheimdiensts.«

Eine noch wichtigere Rolle imbeginnenden Drohnenzeitalter hatteRichard Blee gespielt. Als Leiter derin den 1990er-Jahren gegründetenAlec Station, der eigens für die Jagdauf Bin Laden aufgebauten Einheitinnerhalb des CounterterrorismCenter der CIA, gehörte Blee zu

einem kleinen Haufen fanatischerAntiterrorkämpfer, welche dieRestriktionen zum Teufelwünschten, die man der Agency seitMitte der 1970er auferlegt hatte.Zusammen mit seinem Boss,J. Cofer Black, drängte Blee darauf,der CIA die Befugnis zur Tötung BinLadens und seiner Helfershelfer zugeben. Im Sommer 2001 konnteBlee auf einem Leitstand inmittender kalifornischen Mojave-Wüstemitverfolgen, wie die von einerPredator abgefeuerten Raketeneinen Nachbau der Tarnak-Farm,

Bin Ladens Trainingslager fürTerroristen in Afghanistan, in Schuttund Asche legten. Dann, nur wenigeWochen später, am 11. September2001, musste er den Tod vielertausend Menschen in New York mitansehen, und fragte sich, ob er undseine Kollegen nicht mehr hättentun können, um die Anschläge zuverhindern. Auf seinem Schreibtischthront bis heute ein Trümmerteildes zerstörten Nachbaus derTarnak-Farm.

Blee hat die Agency schon vorJahren verlassen, und seit seiner

Pensionierung plagen ihn immermehr Zweifel am Sinn und Zweckdes gezielten Tötungsprogrammsder CIA. Vor allem, seit die Kriterienfür tödliche Operationenaufgeweicht wurden und die Agencydie Erlaubnis erhielt, in PakistanRaketenangriffe selbst in Fällenanzuordnen, in denen die US-Spionenicht genau wissen, wenn sie da imVisier haben – die sogenannten»signature strikes« gegennamentlich nicht bekannteZielpersonen. Seitdem wird, meinteBlee, die ursprünglich nur zum

selektiven Einsatz vorgeseheneWaffe massiv missbraucht.

»Früher war es für uns, alleinschon aus Gewissensgründen,wichtig, zu wissen, wen wir insFadenkreuz nahmen, bevor wir denAbzug betätigten«, betonte Blee.»Heute jagen wir an allen Eckenund Enden Leute in die Luft, derenNamen wir gar nicht kennen.«

Das Räderwerk dieserTötungsmaschinerie laufe absolutreibungsfrei. »Jeder Drohnenschlagist eine Exekution«, so Blee weiter.»Aber wenn wir schon am

laufenden Band Todesurteileverhängen, dann sollte das aufirgendeine Weise öffentlichnachprüfbar sein, und es sollte aucheine öffentliche Debatte darübergeben.«

Er hielt inne. »Und es sollte eineDebatte sein, die die Amerikanerverstehen können«, schloss er.

Ungefähr eine Autostundeaußerhalb von Las Vegas, langenachdem die stuckverziertenHäuser der Vorstädte verschwundensind und der Blick über dicht am

Boden wachsende Kreosotsträucherund darüber aufragendeJosuabäume streicht, wendet sichder Highway nach Westen und führthinunter in ein Tal. In der Fernekommt eine Ansammlung niedriger,beigefarbener Gebäude in Sicht,und darüber ein kleines, an einInsekt erinnerndes Flugzeug, daslangsame, träge Kreise am Himmelzieht. Dann schwenkt die Maschineüber eine rechts vom Highwayverlaufende Hügelkette, vollziehteine Linkskurve und landet aufeinem in den Wüstensand

gesetzten Flugfeld.Drei Minuten im Auto sind mehr

als genug, um alles zu sehen, wases in dem Städtchen Indian Springszu sehen gibt, das knapp1000 Meter über demMeeresspiegel mitten in der Wüstevon Nevada liegt. Der Ort bestehthauptsächlich aus mehrerenCampingplätzen und Wohnwagen-Siedlungen, zwei Tankstellen,einem Motel sowie Auntie Moe’sTrading Post – einem Souvenirladenfür indianisches Kunsthandwerk.Eine Werbetafel über dem Postbüro

informiert über die nächstgelegenenNiederlassungen diverser großerBeherbergungs- undBewirtungsketten: DENNY’S –SUBWAY – MOTEL 6 – EINESTUNDE VON HIER. Das kleineKasino, in dem Curt Hawes und seinTeam im Februar 2001 zu einerFrühstücksfeierzusammengekommen waren,nachdem sie mit dem erstenerfolgreichen Abschuss einer Raketevon einer Drohne aus Geschichtegeschrieben hatten, steht immernoch am Rand des Orts. Aber wie

den meisten anderen Läden inIndian Springs fehlt es dem Kasinoan Kundschaft; wegen der neuerrichteten Umgehungsstraßelassen die Touristen, die auf demWeg vom Death Valley nach LasVegas unterwegs sind, die Stadtinzwischen links liegen.

Der trostlose Ort hat auch nichtsvon dem anhaltenden Boom auf derunmittelbar auf der anderen Seitedes Highway gelegenen Einrichtungabbekommen, die sich hinterkilometerlangen Drahtzäunenversteckt und an deren Zutritt

Neugierige von bewaffnetenSoldaten gehindert werden. Mittedes vergangenen Jahrzehnts wurdedas hiesige Indian Springs Air ForceAuxiliary Field auf den NamenCreech Air Force Base umgetauft,und der baufällige, vom Windgepeitschte Stützpunkt, auf demsich die ersten Predator-Testpilotenin der neuen Art Kriegführungübten, nach und nach zum GroundZero der amerikanischenTötungsoperationen im Auslandaufgerüstet. Auf der LuftwaffenbasisCreech, die sich über ein Gebiet von

fast zehn Quadratkilometernerstreckt, herrscht inzwischen einsolcher Hochbetrieb, dass die AirForce beabsichtigt, einen Teil derangrenzenden Flächen aufzukaufenund den Stützpunkt auszubauen.Wenn das passiert, dürfte IndianSprings endgültig zur Geisterstadtverkommen.

Sowohl das Pentagon als auchdie CIA steuern von Creech ausDrohneneinsätze, und dasMilitärpersonal und die in dasDrohnenprogramm eingebundenenzivilen Auftragnehmer pendeln auch

heute noch aus den Vorstädten vonLas Vegas zur Arbeit, reißen ihreSchichten in sandfarbenen,wohnwagengroßen Containernherunter, die in akkuratausgerichteten Reihen aufgestelltsind, und kehren dann wieder nachHause zurück. Manchmal fliegen diePiloten, die in den Containern aufihre Bildschirme starren,Trainingseinsätze, steuern ihrePredator- und Reaper-Drohnendurch die Wüste, hängen sich anAutos und Lastwagen, die zufälligauf den einsamen Landstraßen da

draußen unterwegs sind undverfeinern so ihr Geschick im Töten.Meistens aber kämpfen die Pilotenin einem Krieg, der sich vieletausende Kilometer entfernt vonIndian Springs abspielt – inAfghanistan, in Pakistan, im Jemenoder in den endlosen Weiten dernordafrikanischen Wüste. In denWochen nach dem tödlichen Angriffauf das US-Konsulat in Bengasi warder Himmel über der Stadt vomSurren der amerikanischen Drohnenerfüllt, die dorthin geschickt wordenwaren, um Jagd auf die Attentäter

zu machen.Am Rand des Stützpunkts in

Nevada prangt auf ausgebleichtenroten Betonbarrieren eine stolzeBotschaft:

CREECH AFB: HOME OF THEHUNTERS –

CREECH AIR FORCE BASE:HEIMAT DER JÄGER

EPILOG

EIN SPION IMRENTNERPARADIES

»Hier siedelt sich das Geschäft an.«Dewey Clarridge

Dewey Clarridge stürzte. Ein Jahr,nachdem das Pentagon seineprivate Spionageunternehmungdichtgemacht hatte, stolperte er inseinem Haus bei San Diego undbrach sich mehrere Knochen. Er

musste ins Krankenhaus, wo ernoch störrischer war als sonst.Danach zog er an die Ostküste, umnäher bei seiner Familie zu sein.Der 79-jährige frühere CIA-Beamte,der dasTerrorismusbekämpfungszentrumdes Geheimdiensts gegründethatte, einer der großen Buhmännerder Iran-Contra-Affäre und derMann, der einst bei einem Glas Ginprahlte, von ihm sei der Vorschlagzur Verminung dernicaraguanischen Häfengekommen, zog nach Leisure

World.Er mietete eine Wohnung in

einem der Hochhäuser, die daswohl begrünte, vierzig Kilometervon Washington D.C. entfernteGelände beherrschen – ein Dorf fürSenioren, das versucht,Babyboomer zu ködern, indem essich als »der ideale Ort für diealterslose Generation« vermarktet.Der während derWeltwirtschaftskrise geboreneRepublikaner Dewey Clarridge warfreilich kein Babyboomer undverachtete fast alles, wofür diese

Generation inzwischen stand.Ich fuhr im Juni 2012 nach

Leisure World, um ihn zu treffen,und war mir nicht sicher, wie ermich empfangen würde. Ich hatteeine ganze Menge über ihngeschrieben und wusste, dass ihmdas Meiste nicht gefiel. Doch erbegrüßte mich herzlich, als ich vordem italienischen Restaurant aufdem Gelände des Seniorendorfshielt. Er war offenbar der einzigeGast und hatte es sich an einemTisch in der Abendsonne bequemgemacht. Er sah aus wie ein ganz

normaler Rentner. Sein lachsrotesHemd war oben geöffnet, damitman das Goldkettchen am Halssehen konnte. Er trug Sneakers mitweißen Socken und war irgendwiestärker gebräunt als in San Diego.Er erzählte, er persönlich habe sichzwar an die neue Umgebungangepasst, seine Katzen seien aberüberhaupt nicht begeistert. »Allehier haben Hunde. Diese kleinenHunde.«

Es entbehrte nicht einergewissen Ironie, dass er jetzt nurein paar Kilometer von der CIA

entfernt wohnte, für die er so vielAbscheu empfand. Trotzdem hattees nicht den Anschein, dass erKalifornien vermisste oderbedauerte, wieder an der Ostküstezu sein.

»Hier siedelt sich das Geschäftan«, sagte er.

Mit »Geschäft« meinte er dasprivate Spionagegeschäft. Und erhatte recht. Auf der Fahrt vonWashington in das am Stadtrandgelegene Seniorenwohngebiet kamman an den glänzenden Glastürmenund weitläufigen Büroparks im

Norden Virginias vorbei, die im Laufdes vergangenen Jahrzehnts wiePilze aus dem Boden geschossenwaren. Die amerikanischeSicherheits- undGeheimdienstindustrie, die einstüber das ganze Land verteilt anOrten wie Südkalifornien oder demMittleren Westen angesiedelt war,hatte sich konsolidiert und Schrittfür Schritt in der Gegend umWashington D.C. niedergelassen.Die Branche wollte offensichtlichnäher bei »ihren Kunden« sein:dem Pentagon, der CIA, der

National Security Agency undanderen Geheimdiensten. Großeund kleine Dienstleister derRegierung bilden heute einen Gürtelum Washington, wie ein Heer beider Belagerung einer Stadt imMittelalter.

Das private Geschäft mit Militärund Geheimdienst blüht. Im Jahr2012 sind die Anforderungen desglobalen Schlachtfelds zu groß fürdie Kapazitäten der amerikanischenGeheimarmee. Die CIA und andereGeheimdienste vergeben einigeihrer wichtigsten Aufträge an

private Unternehmen. Diese werdenfür Spionagemissionen, für dieAnalyse von Nachrichten und alsHilfspersonal für die amerikanischenDrohneneinsätze engagiert: Siesitzen in den Kontrollstationen inNevada, oder sie bestücken dieDrohnen auf geheimenStützpunkten in Afghanistan undPakistan mit Bomben und Raketen.

Jeffrey Smith, früher Justiziar beider CIA und heute Partner in einemangesehenen WashingtonerAnwaltsbüro, vertritt einige derFirmen, die ausschreibungsfreie

Aufträge für militärische odernachrichtendienstliche Arbeitenerhalten. Es sei schockierend,erklärte er mir, in welchem Ausmaßder amerikanische Staat diegrundlegenden Aufgaben desSpionagehandwerks an privateDienstleister ausgelagert habe(viele dieser Firmen werden vonehemaligen CIA-Beamten oderMitgliedern der Spezialeinsatzkräftebetrieben). Sie würdenversprechen, die Arbeit besser zuerledigen als Angestellte derRegierung. Erik Prince verkaufte

Blackwater und zog in dieVereinigten Arabischen Emirate,aber andere Unternehmen nahmenseinen Platz ein, und es gelingtihnen viel besser als Blackwater,Schlagzeilen zu vermeiden. Seit dieamerikanischen Kriege nicht mehrmit Panzerschlachten geführtwerden, hat sich eine ArtHeimindustrie entwickelt, die zueinem unverzichtbaren Teil einesneuen militärisch-geheimdienstlichen Komplexeswurde.

Smith reagiert zuweilen gereizt

auf das maßlos negative Bild vomprivaten Auftragnehmer, aber ersieht auch das Problempotenzial,wenn das Auftragsziel mit demProfitstreben einer Firma in Konfliktgerät. »Es besteht einunvermeidliches Dilemma, was dieLoyalität eines Dienstleistersbetrifft«, sagte er. »Gilt sie derFahne? Oder gilt sie der Bilanz?«

Mitte 2012 bemühte sich MicheleBallarin noch immer um einenweiteren langfristigenRegierungsauftrag für ihre Arbeit inAfrika. Sie witterte eine Chance in

dem Chaos, dass sich auf dernördlichen Hälfte des Kontinentsausbreitete. Als radikale Islamisteneinen großen Wüstenstreifen imNorden Malis übernommen hattenund wieder einmal klar wurde, dassWashington dringend Informationenüber ein Land brauchte, das eslange ignoriert hatte, berichtete mirBallarin, sie habe im Osten Malismit Tuareg-Rebellen Kontaktgeknüpft und schmiede geradeeinen Plan, um die Islamisten ausdem Land zu vertreiben. Sie führtedie Sache nicht genauer aus.

Ihre Pläne waren nicht auf Afrikabeschränkt. Sie suchte nachInvestoren, um eine Flotte vonAmphibienflugzeugen nach demVorbild der Grumman G-21 Goosezu bauen. Sie meinte, dasamerikanische Militär könne mitdiesen Flugzeugen in abgelegenenGebieten, die über keine Flugplätzeverfügten, Soldaten absetzen.Sogar in Kuba suchte sie nachGeschäftsfeldern, die sie reichmachen konnten, wenn Castro ersttot und der Kommunismus auf derInsel am Ende wäre.

An jenem Sommertag im Jahr2012 schien es sehrunwahrscheinlich, dass DeweyClarridge je wieder sein Säcklein inden Strom von Staatsgeldern haltenwürde, der an private Firmen imGeheimdienstbereich fließt. SeineUnternehmung mit Michael Furlonghatte ein schmachvolles Endegefunden, und Furlong war diskretin den Ruhestand geschickt worden.Clarridge war über dieses Endeimmer noch wütend. Aus seinerSicht hatten wieder einmal dieBürokraten in Washington ihr Revier

verteidigt, und zwar auf Kosten derSoldaten im Feld, die auf dieNachrichten, die Clarridge liefernkonnte, verzweifelt angewiesenwaren. Und sei es nur, um sich nichtauf die CIA verlassen zu müssen.Aber Clarridge sagte, er wolle imSpiel bleiben. Er habe immer nochein Netz von Informanten inAfghanistan und Pakistan, miteinem kleinen Budget könne ereinige von ihnen halten. WennWashington zu dumm sei, sichseiner Leute zu bedienen, werdevielleicht eine andere befreundete

Regierung klüger sein.Er zündete sich eine Zigarre an

und wurde philosophisch.»Ich glaube, der Westfälische

Frieden ist vorbei«, sagte er. Ermeinte die Friedensverträge, dieden Dreißigjährigen Kriegbeendeten – drei blutige Jahrzehntevon Kämpfen zwischen Kaisern undKönigen, die ihre Schlachten fastausschließlich von Söldnernausfechten ließen. Der WestfälischeFriede führte nach Ansicht dermeisten Historiker zur Geburt desmodernen Staates mit stehendem

Heer und nationaler Identität.»Die Nationalstaaten haben nicht

mehr das Monopol auf militärischeGewalt«, sagte Clarridge. Konzerneund private Interessenverbändeseien die Zukunft deramerikanischen Kriege. »Siemüssen sich nur unser Systemanschauen. Das Einzige, was nichtprivatisiert ist, ist der Typ, derschießt.«

Es kommt selten vor, dassClarridge untertreibt. Doch seit dem11. September haben die USA sogardas Schießen privatisiert. Erik

Prince, Enrique Prado oderBlackwater, die von der CIAengagiert wurden, um Terroristenzu jagen, der Rambo RaymondDavis, der mit einerhalbautomatischen Glock imHandschuhfach durch Lahore fuhr,oder die Privatsoldaten, diewährend eines Feuergefechts, dasdie ganze Nacht dauerte, auf demDach der CIA-Basis in Bengasi demBeschuss mit Mörsergranatenstandhalten mussten – sie alleverdanken ihre Rolle derBereitschaft der US-Regierung, in

den ersten chaotischen Jahren ihresSchattenkriegs die elementarstehoheitliche Aufgabe zuprivatisieren: den Schutz desStaates.

Es wurde spät, und ich stand auf,um zu gehen. Clarridge blieb nochund rauchte seine Zigarre zu Ende.Wir gaben uns die Hand, und ichging zu meinem Auto. Als ichwegfuhr, schaute ich noch einmalzurück zu Dewey, wie er allein anseinem Tisch im leeren Restaurantdes Seniorendorfs saß. Ein dünnerFaden Zigarrenrauch kräuselte sich

im schwindenden Abendlicht.

DANK

Wer ein Buch schreibt, mussHunderte von Entscheidungentreffen, und wenn es sein erstesBuch ist, weiß er nicht immergenau, welche richtig sind. Ich habegroßes Glück, dass eine meinerersten Entscheidungen zu meinenbesten gehörte: Ich engagierteAdam Ahmad alsRechercheassistent. Schon nachunserem ersten Treffen bei einerTasse Kaffee in Chicago, wo er

gerade sein Masterstudiumbeendete, ahnte ich, dass er klug,neugierig und engagiert war. Wiesich zeigte, besaß er tatsächlich alldiese positiven Eigenschaften undnoch einige mehr. Er war in allenPhasen ein absolut integralerBestandteil der Produktion diesesBuches. Er suchte Dokumente,schrieb Texte mitHintergrundinformationen,organisierte Anmerkungen und triebimmer wieder Leute auf, die Urdusprachen und Dokumenteübersetzten, die keiner von uns

verstand. Als ich im WoodrowWilson International Center forScholars ankam, schloss sich JessicaSchulberg dem Projekt an und warmir bei meinen Recherchen einemindestens ebenso wertvolle Hilfewie Adam. Sie interessiert sichbesonders für Afrika, und ihreFähigkeit, Informationen überSomalia und Nordafrikaauszugraben, ist beeindruckend. Siehat einen ausgesprochen klarenVerstand und ist für ihr Alter sehrgescheit. Während ich das Buchschrieb, lernte ich nicht nur die

Hilfe, sondern auch dieFreundschaft von Adam und Jessicasehr zu schätzen. Beide haben einelange und glanzvolle Karriere vorsich, egal, für welchen Weg sie sichentscheiden.

Ich hatte großes Glück, dass ichfünfzehn Monate im Wilson Centerarbeiten durfte, der bestenForschungseinrichtung inWashington. Das Zentrumverschaffte mir eine beruflicheHeimat, faszinierende und hilfreicheKollegen und Zugang zu einerriesigen Bibliothek, die von einem

hervorragenden Team geführt wird.Ich danke Jane Harman und MichaelVan Dusen, dass sie mich als PublicPolicy Scholar annahmen und dafür,dass sie eine so hervorragendeEinrichtung leiten. Mein ganzbesonderer Dank gilt Robert Litwak,einer ständigen Quelle von Weisheitund Humor, als ich mich derschwierigen Arbeit unterzog, dieerste Fassung des Buchs zuschreiben.

Es ist mir eine große Ehre, alsJournalist für die New York Timeszu arbeiten, und ich danke Jill

Abramson, Dean Baquet und DavidLeonhardt, dass sie mich für dasBuchprojekt von der Zeitungsarbeitbeurlaubt haben. Als Dean inWashington mein Chef war,ermutigte er mich, dieunerforschten Aspekte dergeheimen Kriege zu erkunden unddie Artikel zu schreiben, die anderenicht schrieben. Einige der Themen,die ich damals für die Zeitungbehandelte, sind in diesem Buchgründlicher beschrieben. MeineFreunde und Kollegen HeleneCooper, Scott Shane und Eric

Schmitt standen mir während desganzen Projekts mit Rat und Tat zurSeite, und Scott und Eric nahmeneine Menge Extraarbeit auf sich, alsich für das Buch Urlaub bekam. Ichkann ihnen gar nicht genug danken.Neben diesen drei sind dieMitarbeiter in der RedaktionNationale Sicherheit imWashingtoner Büro der Zeitungeinige der besten Journalisten undunterhaltsamsten Menschen, dieman in der ganzen Branche findet.Besonderen Dank schulde ich PeterBaker, Elisabeth Bumiller, Michael

Gordon, Bill Hamilton, Mark Landler,Eric Lichtblau, Eric Lipton, SteveMyers, Jim Risen, David Sanger,Charlie Savage und Thom Shanker.Ich habe großes Glück, dass ich mitihnen und dem ganzenWashingtoner Büro arbeiten darf.Ich danke auch Phil Taubman undDouglas Jehl, zwei ehemaligenRedaktionsleitern der Zeitung mitgewaltiger Erfahrung in derBerichterstattung überNachrichtendienste. Sie halfen mirsehr, als ich mir ein neues Reviererschloss.

Dieses Buch wäre nie entstandenohne Scott Moyers, der mich inseiner früheren Inkarnation alsLiteraturagent ermutigte, bei denThemen, die ich in meinen Artikelnfür die New York Times behandelte,tiefer zu schürfen. Später, als ScottVerleger von Penguin Press wurde,hatte ich das Glück, dass er meinBuch lektorierte. Er sieht das großeGanze und hat mich ermutigt, soausführlich wie möglich über denWandel im Wesen desamerikanischen Kriegs und seineAuswirkungen zu schreiben. Ich bin

froh, dass er mir genug Zeit gab,um sicherzustellen, dass dieBerichte, auf die sich das Buchstützt, richtig waren, und er hattewährend des gesamten Lektoratseine ruhige Hand. Er bewies, dassein hervorragendes Lektorat auchunter großem Termindruck möglichist. Herzlichen Dank auch an AnnGodoff, die Präsidentin undCheflektorin von Penguin Press,dass sie dieses Projekt wagte unddafür sorgte, dass das Buch schnellherauskam in einer Zeit, in derseine Themen dringend öffentlich

diskutiert werden müssen. MallyAnderson von Penguin Press sorgtedafür, dass die verschiedenen Teiledes Buches termingerecht fertigwurden, und ich bin ihr sehrdankbar, dass sie mich geduldigdurch einen für mich höchstgeheimnisvollen Prozess leitete. Eswar gut, ihre ruhige Stimme amanderen Ende der Leitung zu hören.

Rebecca Corbett, eine Freundinund Redakteurin bei der New YorkTimes, hat vermutlich keineAhnung, wie viel besser dieses Buchdank ihrer Hilfe, ihrer Geduld und

ihrer Klugheit geworden ist. Siebrütete über mehreren Fassungen,trieb mich an, bei meinenRecherchen tiefer zu graben undmich beim Schreiben deutlicherauszudrücken. Sie hat ein scharfesAuge für Details und dafür, wie manFiguren lebendig schildert. UnsereMittagsmahlzeiten im Bottom Linehalfen mir nicht nur, meine Inhaltezu organisieren, sondern warenauch für den narrativen Aufbau desBuches eine enorme Hilfe. DieGespräche waren viel besser als dasEssen.

Mein Agent Andrew Wylie warseit den ersten Stadien des Exposésfür dieses Buch mein Vertrauter,und ich bin ihm dankbar, dass ermich als Klienten angenommen hat.Er ist ein echter Profi und hat mir andem nervenzerfetzenden Tag inNew York, als ich mich für einenVerlag entscheiden musste, sehrweitergeholfen: Er riet mir, mich aufmein Bauchgefühl zu verlassen.»Hören Sie auf, sich Sorgen zumachen«, sagte er. »Das Leben istzu kurz.« Er hatte recht.

Declan Walsh, mein Kollege bei

der New York Times in Islamabad,war so nett, mich zu beherbergen,als ich in Pakistan war. Er ist nichtnur ein fantastischer Journalist undhat ein unglaubliches Wissen überdas womöglich komplizierteste Landder Erde, sondern betreibt auch diezweifellos edelste PensionPakistans. Euch allen im Büro vonIslamabad danke ich, weil ihr dafürgesorgt habt, dass meine Reisenach Pakistan so produktiv wurde.

Sehr viel Dank schulde ich auchmeinen Freunden, die für andereMedien über Themen der

nationalen Sicherheit berichten.Ihrem Bemühen, Licht in dunkleEcken zu bringen, verdankt diesesBuch einen ganzen Berg vonInformationen. Besonderen Dankschulde ich Greg Miller, JobyWarrick, Peter Finn, Julie Tate undDana Priest von der WashingtonPost; Adam Goldman, Matt Apuzzound Kimberly Dozier von AssociatedPress; und Siobhan Gorman, JulianBarnes und Adam Entous vom WallStreet Journal. Wir alle stehen oft ineinem harten Konkurrenzkampf,und vielleicht verfluchen wir

einander manchmal, wenn wirabends um zehn noch mit der Storyeines Konkurrenten gleichziehenmüssen, aber wir stehen alle aufder gleichen Seite.

Meiner Familie schulde ich soviel, dass ich nicht einmal anfangenkann, es zurückzuzahlen. MeineEltern, Joseph und Jeanne Mazzetti,haben mich Neugierde undBescheidenheit gelehrt. Vor allemjedoch brachten sie mir bei, ehrlichzu sein, und ich hoffe, dass siegenauso stolz auf mich sind wie ichauf sie. Meine Schwestern Elise und

Kate sind die zwei bestenFreundinnen, die man haben kann,und die Art wie sie, zusammen mitihren Männern Sudeep und Chris,ihr Leben leben und ihre Kinderaufziehen, ist ein echtes Vorbild fürmich.

Der Mensch, der den größtenBeitrag zu diesem Buch geleistethat, ist Lindsay, meine wunderbareFrau. Seit wir bei einemSpaziergang im Riverside Park inNew York zum ersten Mal über dieMöglichkeit sprachen, dass ich einBuch schreiben könnte, hat sie mich

unermüdlich unterstützt. Sie las undredigierte Entwürfe, machteVorschläge, ertrug meineSchlaflosigkeit und machte mir Mut,als ich dachte, ich hätte mir mehrzugemutet, als ich leisten könnte.Ohne sie hätte ich es niemalsgeschafft, und ich liebe sie sehr.

Und ich danke meinem SohnMax. Er kam auf die Welt, als ichmich in den frühen Stadien diesesProjekts befand, und er hat meinLeben auf eine Weise verändert, dieich gerade erst zu begreifenbeginne. Ich kann es gar nicht

erwarten, bis er alt genug ist, umdas Buch zu lesen. DieMorgenstunden, die wir in denersten paar Monaten zusammenverbrachten, und das Lächeln, daser mir schenkte, wenn ich anbesonders frustrierenden Tagenvom Buchschreiben nach Hausekam, werden mir stets inErinnerung bleiben. So etwas rücktdie Dinge in die richtigePerspektive. Es gibt eine ganzeMenge Leid und Kummer auf derWelt, aber mit Max ist sie ein vielbesserer Ort.

BILDANHANG

Bild 1: Senator Frank Church mit der Pistolein der Hand, die die CIA bauen ließ, umGiftpfeile zu verschießen. Church leiteteeine Untersuchung über dieMordoperationen der CIA in der Frühzeit

des Geheimdiensts. Sie führte dazu, dassdie CIA besser kontrolliert wurde undjahrzehntelang auf Tötungsoperationenverzichtete.

Bild 2: Verteidigungsminister DonaldRumsfeld (links) war wütend, weil dasMilitär so lange brauchte, bis es mit derInvasion in Afghanistan begann. Er wollte

die Fähigkeit des Pentagons fürSpezialeinsätze ausbauen und US-Militäroperationen überall auf der Weltlegalisieren. Pervez Musharraf,Staatspräsident von Pakistan (rechts),weigerte sich, amerikanische Bodentruppenin sein Land zu lassen, gab jedoch denDrohneneinsätzen der CIA seinen Segen.

Bild 3: Duane »Dewey« Clarridge, einSpion alter Schule, war für die verdecktenKriege verantwortlich, die die CIA unterRonald Regan in Lateinamerika führte. Ergründete später das CounterterroristCenter des Geheimdiensts. Clarridge, derwegen seiner Aussage in der Iran-Contra-Affäre wegen Meineids angeklagt wurde,ist oben abgebildet, als er 1991 das Gericht

verließ. Er wurde von Präsident George H.W. Bush begnadigt und tauchte Jahrespäter als eine der wichtigsten Figureneiner Spionageoperation wieder auf, mitdem das Pentagon Informationen inPakistan und Afghanistan beschaffenwollte.

Bild 4

Bild 5: Nach einer heftigenAuseinandersetzung innerhalb der CIA, obder Dienst mit bewaffneten Drohnenwieder in das Tötungsgeschäft einsteigensollte, wurde die Predator eine der amhäufigsten verwendeten Waffen inAmerikas geheimem Krieg. Sowohl die CIAals auch das Pentagon haben in denverschiedenen Ländern, vom Irak und

Afghanistan bis Pakistan und dem Jemen,Hunderte von Drohnenschlägendurchgeführt.

Bild 6: Der Präsident des Jemen AbdullahSaleh, mit dem Krummdolch im Gürtel,wurde im Antiterror-Kampf zum Partner derPräsidenten Bush und Obama. Ergestattete sowohl der CIA als auch demJoint Special Operations Command desPentagon, in seinem Land zu operieren.

Eine Predator-Attacke im Jemen 2002 warder erste Drohnenangriff der CIA außerhalbAfghanistans.

Bild 7: Jose Rodriguez arbeitete bei derLateinamerikaabteilung der CIA, bevor erzum Counterterrorist Center (CTC) desGeheimdiensts kam. Als Chef des CTC undschließlich als Leiter aller verdecktenOperationen beschleunigte er dieUmwandlung der CIA in einen

paramilitärischen Geheimdienst.

Bild 8: Ross Newland kam in den späten1970er Jahren zur CIA, als diese versuchte,sich wieder auf Auslandsspionage zukonzentrieren, nachdem der von FrankChurch geleitete Untersuchungsausschusssie in die Schranken gewiesen hatte.Newland diente in einer Reihe

lateinamerikanischer Hauptstädte alsAgent und war im rumänischen BukarestCIA-Stationschef, als das kommunistischeRegime stürzte. Zum Zeitpunkt des11. September 2001 gehörte er zu derkleinen Gruppe ranghoher Beamter inLangley, die das Predator-Programmleitete.

Bild 9: James »Bo« Gritz (rechts), einehemaliger Green Beret, organisierte inden 1980er Jahren eine privat finanzierteOperation zur Befreiung amerikanischerKriegsgefangener, von denen er glaubte,dass sie in Zentrallaos interniert seien. DieIntelligence Support Activity, eine obskureSpionageeinheit des Pentagons,

unterstützte Gritz bei seiner Operation,ohne den Vereinigten Generalstab zuinformieren, der zur gleichen Zeit ebenfallseine Rettungsoperation plante. In denJahren vor dem 11. September 2001 warendie Spionageaktivitäten des Pentagonsunkoordiniert, was mehrmals zu internenErmittlungen führte.

Bild 10: Nek Muhammad Wazir führte einenAufstand in den pakistanischenStammesgebieten, der den Vormarsch derpakistanischen Armee zum Stehen brachte.Nach dem hier abgebildetenStammestreffen in Shakai schlossen NekMuhammad und ein pakistanischer Generaleinen Waffenstillstand. Doch Muhammadhielt sich nicht an die

Waffenstillstandsvereinbarungen, undpakistanische Regierungsvertreter warendarüber so wütend, dass sie der CIAerlaubten, ihn zur Strecke zu bringen. Erwar das erste Opfer einer Predator-Drohneder CIA in Pakistan.

Bild 11: General Ashfaq Pavez Kayani(rechts) wurde 2004 Chef despakistanischen Geheimdiensts Directoratefor Inter-Services Intelligence (ISI). Erstand Präsident Musharraf nahe und wurdeschließlich der ranghöchste Offizier unddamit der mächtigste Mann Pakistans.

Generalleutnant Ahmad Shuja Pasha (links)übernahm 2008 die Leitung des ISI.

Bild 12: Als Gründer von Blackwater wurdeErik Prince unentbehrlich für die CIA, diegroße Mühe hatte, den Anforderungenmehrerer paralleler Kriege gerecht zuwerden. Sicherheitsleute von Blackwaterbewachten CIA-Beamte im Irak und inAfghanistan, und Prince selbst wurde vondem Geheimdienst für ein

Tötungsprogramm engagiert, dass nachdem 11. September entwickelt wurde.

Bild 13: Art Keller war mehrere Monatelang auf CIA-Stützpunkten in denpakistanischen Stammesgebietenstationiert, wo er ein gespanntesVerhältnis zum ISI hatte.

Bild 14: Michael Furlong war im Pentagonan der Ausweitung der»Informationsoperationen« im NahenOsten beteiligt; er half dabei, Videospielezu entwickeln, die die öffentliche Meinungim Nahen Osten beeinflussen sollten undes dem Militär ermöglichten, Informationenüber die Spieler zu sammeln. Außerdem

war er derjenige Pentagonvertreter, der fürDewey Clarridges privateSpionageoperation in Pakistan undAfghanistan verantwortlich war.

Bild 15: Nach der äthiopischen Invasion inSomalia im Jahr 2006 wurde die ehemalsobskure Miliz al-Shabaab (»die Jugend«)immer stärker und übernahm schließlich dieKontrolle in Mogadischu. Ihre Kämpfer (hierein Foto aus dem Jahr 2008) setzten in dersomalischen Hauptstadt die strikte

Einhaltung der Scharia durch.

Bild 16: Michele »Amira« Ballarin, einereiche Erbin und frühereKongresskandidatin aus der Pferderegionim nördlichen Virginia, entwickelte eineObsession für Somalia und reiste häufig andas Horn von Afrika. 2008 wurde sie vomPentagon engagiert, um in SomaliaNachrichten zu beschaffen, und mischtesich am Ende in die Lösegeldverhandlungen

zwischen somalischen Piraten und denEignern eines Handelsschiffs ein.

Bild 17: Eine große amerikanischeDelegation mit dem amerikanischenVerteidigungsminister Leon Panetta(rechts) flog im Juni 2012 zu einemGedenkgottesdienst für den verstorbenensaudischen Kronprinzen Naif Bin Abd al-Asis nach Saudi-Arabien. Vertreter der

saudischen Regierung haben während desgesamten Kriegs im Jemen eng mit derObama-Administrationzusammengearbeitet. John Brennan,Obamas oberster Berater fürTerrorismusbekämpfung und früherer CIA-Stationschef in Riad, ist auf dem Bild hinterPanettas linker Schulter zu sehen. Er wareiner der Architekten des geheimen Kriegsder Regierung Obama im Jemen und wurdeim März 2013 Chef der CIA.

Bild 18: Leon Panetta hatte als CIA-Direktor häufig heftigeAuseinandersetzungen mit Dennis Blair,dem Director of National Intelligence (aufdem Bild links von Panetta). Blair warntedavor, dass sich die Regierung Obama zusehr auf die CIA und verdeckteOperationen stützte. Er wurde nach 15Monaten aus dem Amt gedrängt.

Bild 19: Ibrahim al-Asiri, derMeisterbombenbauer von al-Qaida auf derArabischen Halbinsel. Asiri baute eineBombe, die in das Rektum seines Bruderseingeführt wurde. Dieser sprengte sich indie Luft, um den stellvertretendensaudischen Innenminister Mohammed BinNaif zu töten. Später baute Asiri eineBombe, die in die Unterwäsche einesjungen Nigerianers eingenäht wurde –dieser versuchte, ein Passagierflugzeug imLandeanflug auf Detroit in die Luft zu

sprengen.

Bild 20: Raymond Davis, ein Dienstleisterder CIA, erschoss auf einer verstopftenStraße im pakistanischen Lahore zweiMänner, von denen er glaubte, dass sie ihnausrauben wollten. Er saß wochenlang imGefängnis, weil amerikanischeRegierungsvertreter gegenüber derpakistanischen Regierung dementierten,

dass er für die CIA arbeitete. In den Augenpakistanischer Regierungsbeamter bewiesder Fall Davis, dass die CIA in Pakistanohne Wissen des ISI einen großen Kadervon Spionen unterhielt.

Bild 21: Hafiz Muhammad Saeed (Mitte),der charismatische Führer der militantenGruppe Lashkar-e-Taiba. Die Gruppeoperiert mit einer politischenFrontorganisation in Lahore und Umgebungund unterhält nach Ansicht amerikanischerRegierungsbeamter enge Kontakte zumISI. Anfang 2011 versuchte eine Gruppe

CIA-Mitarbeiter, darunter auch RaymondDavis, Informationen über Saeed und seineGruppe zu beschaffen.

Bild 22: Admiral Mike Mullen (ganz links)war einer der wenigen ranghohen Vertreterder Obama-Administration, die versuchten,gute Beziehungen zu pakistanischenRegierungsvertretern aufrechtzuerhalten.Er unternahm häufig Reisen nachIslamabad und schloss Freundschaft mitGeneral Kayani (zweiter von rechts). Die

guten Beziehungen waren allerdings zuEnde, als Mullen zur Überzeugunggelangte, dass der ISI das Haqqani-Netzwerk bei seinen Angriffen inAfghanistan unterstützte.

Bild 23: Dr. Shakil Afridi (links) wurde vonder CIA engagiert, um in Abbottabad eineImpfkampagne durchzuführen. DieKampagne war eine List, mit der die CIAherausfinden wollte, ob sich Bin Laden ineinem großen Anwesen in der Stadt(rechts) versteckt hielt.

Bild 24: Anwar al-Awlaki, ein in den USAgeborener radikaler Geistlicher, wurde imSeptember 2011 im Jemen durch einenDrohnenangriff getötet. Zwei Wochenspäter wurde auch sein 16-jähriger Sohnversehentlich durch eine Drohne getötet.

ZU DEN QUELLEN

Es ist eine große Herausforderung,über einen noch im Gangbefindlichen Krieg zu schreiben, der,zumindest offiziell, noch immergeheim ist. Dieses Buch ist dasErgebnis Hunderter von Interviewsin den Vereinigten Staaten und inÜbersee. Ich führte sie währendmeiner jahrelangen Arbeit alsJournalist im Bereich nationaleSicherheit und während desUrlaubs, den ich von der New YorkTimes für dieses Buch bekam. Ich

versuchte möglichst viele meinerInterviewpartner davon zuüberzeugen, dass sie sich offizielläußerten, und wenn sieeinverstanden waren, habe ich siesowohl im Haupttext als auch inden Anmerkungen namentlichgenannt. Auch über den»Hintergrund« führte ich zahlreicheInterviews. Dabei erlaubte ichmeinen Quellen, sich anonym zuäußern, wenn sie mir Einblick inmilitärische und geheimdienstlicheOperationen verschafften, die inihrer weit überwiegenden Mehrheit

bis heute geheim sind. DieseAnonymität ist schwerlich ideal,aber ich halte sie für einnotwendiges Übel, um zu erreichen,dass vertrauenswürdige Quellenoffen sprechen.

Die Verwendung anonymerQuellen ist immer ein Risiko, undals Journalist im Bereich NationaleSicherheit habe ich gelernt, dassmanche Quellen sehr vielvertrauenswürdiger sind als andere.Bei diesem Buch habe ich michstark auf Personen gestützt, derenInformationen ich im Lauf der Jahre

zu vertrauen gelernt habe. Wennimmer möglich mache ich in denAnmerkungen zusätzliche Angabendarüber, wer mir bestimmteInformationen gegeben hat, selbstwenn ich die Namen der Personennicht nenne. In einigen Fällen sindInformationen im Text nicht durchAnmerkungen belegt. Diesgeschieht in der Regel, wenn dasMaterial besonders sensibel ist. Insolchen Fällen habe ich daraufgeachtet, dass die Information ausmehreren Quellen stammt. Gebe ichein Gespräch zwischen zwei oder

mehr Personen wieder, soverwende ich nur dannAnführungszeichen, wenn ich mireinigermaßen sicher bin, dassmeine Quellen das Gespräch korrektwiedergegeben haben.

Ich habe versucht, mich so vielwie möglich auf offenesQuellenmaterial und freigegebeneRegierungsdokumente zu stützen.Dabei haben mir mehrereverschiedene Organisationengeholfen: Das National SecurityArchive an der George WashingtonUniversity setzt sich unermüdlich

dafür ein, dass staatlicheDokumente gemäß dem Freedom ofInformation Act freigegebenwerden, und ich bin sehr dankbarfür seine Anstrengungen. Die SITEIntelligence Group (SITE steht fürSearch for International TerroristEntities) ist die beste Adresse, umdie Schriften und öffentlichenErklärungen militanterOrganisationen in Pakistan undSomalia, im Jemen und in anderenLändern zu verfolgen; ich habe sehrvon der Arbeit dieser Gruppeprofitiert. Eine große Zahl der in

diesem Buch zitierten US-Dokumente wurde erstmals durchdie Enthüllungsplattform WikiLeaksan die Öffentlichkeit gebracht. DieDatenbank von WikiLeaks ist fürJournalisten und Historiker, die dasInnenleben des amerikanischenRegierungsapparats besserverstehen wollen, zu einerwichtigen Quelle geworden.

Ich bin den vielen Menschen zugroßem Dank verpflichtet, die mir inmehreren Ländern zahllose Stundenopferten, damit ich sie interviewenkonnte. Sie vertrauten darauf, dass

ich ihre Geschichten erzählte, undes ist genauso ihr Buch wie dasmeine.

Mark MazzettiWashington D.C.Dezember 2012

ANMERKUNGEN

PROLOG

1 Die Darstellung des Verhörs vonRaymond Davis durch die Polizei inLahore basiert auf einem während derVernehmung mit einem Mobiltelefonaufgenommenen Video. Das Video stehtim Netz unter:http://www.youtube.com/watch?v=o10sPS6QPXk.

2 Mark Mazzetti et al., »American Held inPakistan Worked With CIA«, in: NewYork Times, 21. Februar 2011.

3 Pressekonferenz von Präsident BarackObama, 15. Februar 2011.

4 Interview des Autors mit zwei

amerikanischen Beamten.5 Gubbins’ Ansichten über das OSS werden

zitiert in: Douglas Waller, Wild BillDonovan: The Spymaster Who Createdthe OSS and Modern AmericanEspionage, New York 2011, S. 188f.

6 Die Einzelheiten über den Besuch vonRichard Dearlove im CIA-Hauptquartierstammen von Ross Newland, einemehemaligen hochrangigen CIA-Agenten,der während der Predator-Attacke nebenDearlove stand.

1. GENEHMIGUNG ZUM TÖTEN

1 Geheimes Telegramm deramerikanischen Botschafterin in PakistanWendy Chamberlin an dasAußenministerium, 14. September 2001.

Die Geheimhaltung des Telegrammswurde aufgehoben, und es wurde spätervom National Security Archiveveröffentlicht.

2 Die Präsentation der CIA im SituationRoom des Weißen Hauses wurde voneinem Teilnehmer der Sitzung und einemzweiten ehemaligen hohen Beamtenbestätigt, der direktes Wissen über dieVorgänge im Raum besitzt.

3 Jose A. Rodriguez jr., Hard Measures:How Aggressive CIA Actions After 9/11Saved Lives, New York 2012, S. 75.

4 George J. Tenet, At the Center of theStorm, New York 2007, S. 165.

5 Interview mit Cofer Black, CBS, »60Minutes«, ausgestrahlt am 13. Mai 2012.

6 Bob Woodward, Bush at war – Amerikaim Krieg, Stuttgart 2003, S. 68.

7 Das Problem wird gründlicher erörtert in:Philip Zelikow, »Codes of Conduct for aTwilight War«, Houston Law Review,16. April 2012.

8 »Intelligence Policy«, NationalCommission on Terrorism Attacks Uponthe United States, 9/11 CommissionStaff Statement No. 7 (2004).

9 Black und Pavitt sprachen kaum nochmiteinander. Wie mehrere frühere CIA-Beamte aussagten, ignorierte der Chefdes CTC Anfang 2002 wegen seinerPopularität im Weißen Haus seineVorgesetzten in Langley und sagtehäufig: »Ich arbeite für denPräsidenten.« Nach seiner Dienstzeit imAußenministerium übernahm er eineleitende Stellung im Management vonBlackwater USA.

10 Rodriguez jr., S. 20.11 David Wise, »Not So Secret Mission«,

in: Los Angeles Times, 26. August 2007.12 David Johnston und Mark Mazzetti, »A

Window into CIA’s Embrace of SecretJails«, in: The New York Times,12. August 2009.

13 Einzelheiten über die Grabungen vonZhawar Kili stammen aus dem Berichtder Navy SEALs über den Einsatz vomJuli 2002. Er trägt den Titel: »TheZhawar Kili Cave Complex: Task ForceK-Bar and the Exploitation of AQ008,Paktika Province, Afghanistan.«

14 Genaue Angaben über den Einsatz inHazar Qadam stammen aus deminternen Bericht des U.S. SpecialOperations Command über den Angriffund aus Interviews mit Mitgliedern der

in Kandahar stationiertenSpezialeinsatzgruppe.

15 Memorandum von Donald H. Rumsfeldan George Tenet, »JIFT-CT«,26. September 2001.

16 Donald H. Rumsfeld, »Memorandum forthe President«, 30. September 2001.

17 Einzelheiten über die Verfolgung vonMullah Khairkhwa und seine Festnahmestammen aus einem geheimen Berichtdes U.S. Special Operations Commandund aus Interviews mit Mitgliedern derin Kandahar stationiertenSpezialeinsatzgruppe.

18 Memorandum for Commander, UnitedStates Southern Command, 6. März2008, »Recommendation for ContinuedDetention Under DOD Control forGuantánamo Detainee, ISN US9AF-

000579DP(S).« Im Netz unter:http://projects.nytimes.com/guantanamo/detainees/579-khirullah-said-wali-khairkhwa.

2. EINE EHE ZWISCHEN SPIONEN

1 Mahmud Ahmed an Richard Armitage,»Deputy Secretary Armitage’s Meetingwith Pakistan Intel Chief Mahmud:You’re Either with Us or You’re Not«,State Department cable, 12. Dezember2001. Dieses und mehrere weitere indiesem Kapitel zitierte Dokumentewaren geheim und wurden am11. September 2011 vom NationalSecurity Archive freigegeben undveröffentlicht.

2 Donald Rumsfeld an George W. Bush,

»Memorandum for the President: MyVisits to Saudi Arabia, Oman, Egypt,Uzbekistan, and Turkey«, 6. Oktober2001.

3 Telegramm der amerikanischen Botschaftin Islamabad an den amerikanischenAußenminister, »Usama bin Ladin:Pakistan seems to be leaning againstbeing helpful«, State Department cable,18. Dezember 1998.

4 John R. Schmidt, The Unraveling:Pakistan in the Age of Jihad, New York2011, S. 109.

5 Interview des Autors mit Shaukat Qadir.6 Interview des Autors mit Porter Goss.7 Geheimes Telegramm des

Außenministeriums mit dem Bericht überdas Treffen zwischen Richard Armitageund Mahmud Ahmed, »Deputy Secretary

Armitage’s Meeting with Pakistan IntelChief Mahmud«, 12. September 2001.

8 Telegramm des amerikanischenAußenministeriums an die US-Botschaftin Islamabad, »Deputy SecretaryArmitage’s Meeting with GeneralMahmud: Actions and Support Expectedof Pakistan in Fight Against Terrorism«,13. September 2001.

9 Pervez Musharraf, In the Line of Fire,New York 2006, S. 206.

10 Ebenda, S. 202.11 Pervez Musharraf, übersetzter Text der

Rede vom 19. September 2001.12 Telegramm der US-Botschaft in

Islamabad an den amerikanischenAußenminister, »Mahmud Plans 2ndMission to Afghanistan«, StateDepartment cable, 24. September 2001.

13 John F. Burns, »Adding Demands,Afghan Leaders Show Little Willingnessto Give Up Bin Laden«, in: New YorkTimes, 19. September 2001.

14 George J. Tenet, At the Center of theStorm, New York 2007, S. 140f.

15 Henry A. Crumpton, The Art ofIntelligence: Lessons from a Life in theCIA’s Clandestine Service, New York2012, S. 194.

16 Telegramm des amerikanischenAußenministers an die amerikanischeBotschaft in Islamabad, »Message toTaliban«, State Department cable,5. Oktober, 2001.

17 Colin L. Powell an Präsident George W.Bush, »Memorandum to the President:Your Meeting with Pakistan PresidentMusharraf«, 5. November 2001.

18 Interview des Autors mit General Ehsanul-Haq.

19 Der Inhalt der Telegramme des ISIwurde von einem pakistanischenRegierungsbeamten wiedergegeben, derdie Analyse der ISI gelesen hatte.

20 Interview des Autors mit Asad Durrani.21 Der Bericht über das Gespräch stammt

aus dem Interview des Autors mit Ehsanul-Haq.

22 Ebenda.23 Churchills Telegramme wurden später in

seinem ersten Buch gesammelt, WinstonChurchill, The Story of the MalakandField Force: An Episode of Frontier War,New York 1989.

24 Mark Mazzetti und David Rohde, »AmidU.S. Policy Disputes, Qaeda Grows inPakistan«, in: New York Times, 30. Juni

2008.25 Christina Lamb, »Bin Laden Hunt in

Pakistan Is ›Pointless‹«, in: LondonSunday Times, 23. Januar 2005.

26 Interview des Autors mit Asad Munir.27 Ebenda.28 Die Information, dass al-Jazairi ein

britischer Agent war, stammt aus einemDossier mit Informationen über seinenHintergrund, das sich auf Verhöre inGuantánamo Bay stützt. Das Dossiergehört zu einer Reihe von Dokumenten,die von WikiLeaks veröffentlicht wurden,und ist zu finden unter:www.guardian.co.uk/world/guantanamo-files/PK9AG-001452DP.

3. MEUCHELMÖRDER

1 »National Security Act of 1947«, UnitedStates Congress, 26. 1947. Der NSA1947 wurde kodifiziert in: 50 U.S.C,Chapter 15, Subchapter I, §403–4a.Präsident Trumans Ansichten zur CIAwerden beschrieben in: Tim Weiner,CIA: Die ganze Geschichte, Frankfurt2009, Seite 27.

2 Richard H. Schultz Jr., The Secret WarAgainst Hanoi, New York 1999, S. 337.

3 Douglas Waller, Wild Bill Donovan: TheSpymaster Who Created the OSS andModern American Espionage, New York2011, S. 316.

4 L. Britt Snider, The Agency and the Hill:CIA’s Relationship with Congress1946–2004, Books Express Publishing2008, S. 275.

5 United States Senate, »Final Report of

the Select Committee to StudyGovernmental Operations with Respectto Intelligence Activities«, 26. April1976.

6 Ebenda.7 Interview des Autors mit Ross Newland.8 T. Rees Shapiro, »Nestor D. Sanchez, 83;

CIA Official Led Latin AmericanDivision«, in: Washington Post,26. Januar 2011.

9 Duane R. Clarridge mit Digby Diehl, ASpy for All Seasons, New York 1997,S. 23–39.

10 Ebenda, S. 26.11 CNN-Interview mit Duane Clarridge,

aufbewahrt im National Security Archive,1999.

12 Richard N. Gardner, Mission Italy: Onthe Front Lines of the Cold War,

Maryland 2005, S. 291.13 Clarridge mit Diehl, S. 197.14 Ebenda, S. 234.15 Richard A. Best Jr., »Covert Action:

Legislative Background and PossiblePolicy Questions«, CongressionalResearch Service, 27. Dezember 2011.Die Restriktionen, die unter derBezeichnung »Casey Accords« bekanntwurden, wurden 1986 verabschiedet.Doch der Zug war schon abgefahren, daPräsident Reagan durch eine geheimeDirektive die heimliche Lieferung vonRaketen an den Iran autorisiert hatte.

16 Robert Chesney, »Military-IntelligenceConvergence and the Law of the Title10/Title 50 Debate«, in: Journal ofNational Security Law and Policy (2012).Eine exzellente Studie über die Gesetze,

auf die sich die Arbeit der CIA und desPentagons stützt, und darüber, wie dieUnterscheidung zwischen der Arbeit vonSoldaten und von Spionen seit denAngriffen des 11. September zunehmendverwischt wurde.

17 Joseph Persico, Casey: From the OSS tothe CIA, New York 1995, S. 429.

18 Timothy Naftali, Blind Spot: The SecretHistory of American Counterterrorism,New York 2005, S. 152.

19 Ebenda, S. 150.20 Vincent Cannistraro, ein Geheimagent,

sagte: »Casey kam in dem Glauben zurCIA, dass die böse Sowjetunion für denganzen Terrorismus auf der Weltverantwortlich war.« Nach dieser Logik,so Cannistraro in einem Interview,brauchte man in Moskau nur zum Hörer

zu greifen, wann immer man wollte,damit weniger terroristische Anschlägeverübt wurden.

21 Naftali, S. 180. Naftali zitiert denspäteren stellvertretenden Direktor desCounterterrorism Center Fred Turco, wieer Caseys Ansichten über terroristischeGewalt schildert.

22 Casey hatte vom Weißen Haus Druckbekommen, etwas gegen denTerrorismus »zu unternehmen«, undClarridge damit beauftragt, eine neueStrategie für Geheimoperationen der CIAzu entwickeln. Wie üblich hatte Clarridgeden größtmöglichen Spielraum verlangt.Er forderte neue rechtliche Vollmachten,die es ihm erlaubten, zwei Teamsaufzubauen, mit denen er weltweitTerroristen jagen und sie töten konnte,

wenn dies einen unmittelbarbevorstehenden Anschlag verhindernwürde. Das eine Team bestand ausAusländern, die sich leicht auf denBasaren und überfüllten Straßen desNahen Ostens bewegen konnten, unddas zweite aus Amerikanern. DieMitglieder beider Teams wurden unterBerücksichtigung ihrer Sprachkenntnisse,ihrer Fähigkeit im Umgang mit Waffenund weiterer spezieller Qualitätenausgewählt. Einer war ein Söldner, derin den afrikanischen Bürgerkriegengekämpft hatte. Ein anderer war einfrüherer Navy SEAL. Siehe: Steve Coll,Ghost Wars: The Secret History of theCIA, Afghanistan and Bin Laden, fromthe Soviet Invasion to September 10,2001, New York 2005, S. 139–140; siehe

auch: Clarridge mit Diehl, A Spy for AllSeasons, New York 1997, S. 325 und327.

23 Naftali, S. 183.24 Ebenda, S. 199f.25 Interview des Autors mit einem

führenden amerikanischenGeheimdienstbeamten.

26 R. James Woolsey, öffentlicheÄußerungen an der George MasonUniversity, 13. September 2012.

27 Intelligence Oversight Board, »Reporton the Guatemala Review«, 28. Juni1996.

28 Interview des Autors mit Dennis Blair.29 Ebenda.

4. RUMSFELDS SPIONE

1 Frank C. Carlucci, »Memorandum to theDeputy Under Secretary for PolicyRichard Stillwell«, Washington, D.C.,26. Mai 1982, freigegeben 2001 durchdas National Security Archive dank einesAntrags gemäß dem Freedom ofInformation Act. Jeffrey T. Richelson undBarbara Elias vom National SecurityArchive stellten weitere freigegebeneDokumente zusammen, die für diesesKapitel Verwendung fanden. Außerdemvon unschätzbarem Wert für diesesKapitel war Robert Chesney, »Military-Intelligence Convergence and the Law ofthe Title 10/Title 50 Debate«, in:Journal of National Security Law andPolicy (2012).

2 Donald H. Rumsfeld, »SECRET Memo toJoint Chiefs Chairman General Richard

Meyers«, 17. Oktober 2001.3 Interview des Autors mit Robert

Andrews. Siehe auch: RowanScarborough, Rumsfeld’s War: TheUntold Story of America’s Anti-TerroristCommander, Washington D.C. 2004,S. 8–10.

4 Interview des Autors mit ThomasO’Connell.

5 Richard H. Shultz Jr., The Secret WarAgainst Hanoi: Kennedy’s and Johnson’sUse of Spies, Saboteurs, and CovertWarriors in North Vietnam, New York1999, S. ix.

6 Interview des Autors mit RobertAndrews.

7 Donald H. Rumsfeld, Known andUnknown: A Memoir, New York 2011,S. 392.

8 Mark Bowden, Guests of the Ayatollah:The Iran Hostage Crisis: The First Battlein America’s War with Militant Islam,New York 2006, S. 122. Der einzigeErfolg der CIA vor der Operation beruhteauf einem glücklichen Zufall: Ein CIA-Beamter saß, als er Teheran verließ,zufällig neben einem pakistanischenKoch im Flugzeug. Der Koch hatte bisvor Kurzem auf dem Gelände derBotschaft gearbeitet und gab demAmerikaner die wichtige Information,dass alle Geiseln im Gebäude derBotschaftskanzlei festgehalten wurden.

9 Lt. Gen. Philip C. Gast, »Memorandum forDirector, Defense Intelligence Agency«,Washington, D.C., 10. Dezember 1980.

10 Steven Emerson, Secret Warriors:Inside the Covert Military Operations of

the Reagan Era, New York 1988, S. 39.11 Die wichtigste dieser Operationen

wurde von Task Force 157, einergeheimen Einheit der US-Navydurchgeführt. Die Spione von Task Force157 gingen mit einer Flotte von Schiffen,die mit elektronischen Abhörgerätenausgerüstet und als Luxusjachtengetarnt waren, an der Einfahrt desPanamakanals und anderen maritimen»Engpässen« in Stellung, umsowjetische Schiffe zu überwachen. DasPentagon diskutierte die Arbeit dieserGruppe nie öffentlich, und als der DeputyChief of Naval Operations 1973 bei einerAnhörung des Kongresses aussagte,machte er nur eine vage Andeutung,dass das »geheimdienstlicheNachrichtenbeschaffungsprogramm der

Navy seine Operationen in heiklenGebieten erweitert«. Dewey Clarridgearbeitete als Stationschef in Istanbul mitSpionen von Task Force 157 zusammen,die den Schiffsverkehr auf dem Bosporusüberwachten. Der beste Beitrag über dieTask Force ist: Jeffrey T. Richelson,»Truth Conquers All Chains: The U.S.Army Intelligence Support Activity,1981–1989«, in: International Journal ofIntelligence and Counterintelligence 12,Nr. 2 (1999).

12 Ebenda, S. 171.13 Ebenda, S. 172.14 Emerson, S. 78.15 Ebenda, S. 79.16 Seymour H. Hersh, »Who’s In Charge

Here?«, in: New York Times,22. November 1987.

17 Emerson, S. 81.18 Frank C. Carlucci, »Memorandum to the

Deputy Under Secretary for PolicyRichard Stillwell«.

19 Tim Weiner, CIA: Die ganze Geschichte,Frankfurt 2009, S. 516.

20 Duane R. Clarridge mit Digby Diehl, ASpy for All Seasons, New York 1997,S. 229.

21 Interview des Autors mit RobertAndrews.

22 Wenngleich jede staatliche Behördetechnisch in der Lage ist, eine verdeckteAktion durchzuführen, gelten solcheTätigkeiten generell als Vorrecht derCIA, weil allgemein angenommen wird,dass sie am besten in der Lage ist,Operationen durchzuführen, derenExistenz offiziell von der US-Regierung

bestritten wird.23 Jennifer D. Kibbe, »The Rise of the

Shadow Warriors«, in: Foreign Affairs(März/April 2004).

24 Bradley Graham, By His Own Rules: TheAmbitions, Successes, and UltimateFailures of Donald Rumsfeld, New York2009, S. 584.

25 Interview des Autors mit ThomasO’Connell.

26 Graham, S. 585.27 Ebenda.28 Thomas W. O’Connell, »9/11

Commission Recommendation forConsolidated Paramilitary Activities«,30. August 2004.

29 Stephen A. Cambone, »Memorandumfor Secretary of Defense«,30. September 2004.

30 Interview des Autors mit EdwardGnehm.

5. DER BÖSE VOGEL

1 Die Stationierung amerikanischerTruppen im Jemen wurde durch eine vonDonald Rumsfeld und dem Chef desVereinigten Generalstabs GeneralRichard Myers unterzeichnete »ExecuteOrder« autorisiert. Die EXORD wird ineiner geheimen Chronologie desCENTCOM über die Operationen vom11. September 2001 bis zum 10. Juli2002 behandelt, die der Autor beschaffthat.

2 Bericht über die Besprechung mit Salehvon einem ehemaligen hohenamerikanischen Regierungsbeamten.

3 James Bamford, »He’s in the Backseat!«,in: The Atlantic (April 2006).

4 Rowan Scarborough, Rumsfeld’s War:The Untold Story of America’s Anti-Terrorist Commander, Washington D.C.2004, S. 25; und Michael Smith, KillerElite, London 2006, S. 237.

5 James Bamford, »He’s in the Backseat!«.6 »U.S. Missile Strike Kills al Qaeda Chief«,

CNN World, 5. November 2002.7 »Intelligence Policy«, National

Commission on Terrorism Attacks Uponthe United States, 9/11 CommissionStaff Statement No. 7 (2004).

8 Ebenda. Im dem vom Stab derKommission verfassten Bericht heißt esnur, »ein früherer Chef des CTC« habeder Kommission gesagt, er hätte denBefehl zur Tötung Bin Ladens

verweigert. Ein Mitglied des Stabsidentifizierte den CTC-Chef alsO’Connell.

9 »The 9–11 Commission Report: NationalCommission on Terrorist Attacks Uponthe United States«, (2004).

10 Interview des Autors mit RichardClarke.

11 Ebenda, und Interview des Autors miteinem früheren Vertreter der CIA.

12 Öffentliche Äußerungen von R. JamesWoolsey an der George MasonUniversity, 13. September 2012.

13 Ebenda.14 Interview des Autors mit Curt Hawes.15 Ausführlicher beschrieben wird Blees

Reise nach Afghanistan im Jahr 1999 in:Henry Crumpton, The Art of Intelligence,und Steve Coll, Ghost Wars: The Secret

History of the CIA, Afghanistan, and BinLaden, from the Soviet Invasion toSeptember 10, 2001. In beiden Büchernwird er nur als »Rich« bezeichnet.

16 James Risen, »David H. Blee, 83, CIASpy Who Revised Defector Policy«, in:The New York Times, 17. August 2000.

17 Interview des Autors mit RichardClarke.

18 Interview des Autors mit einemVertreter des Weißen Hauses in der Zeitder Regierung Clinton.

19 Crumpton, The Art of Intelligence,S. 154.

20 Interview des Autors mit Curt Hawes.21 Richard Whittle, »Predator’s Big Safari«,

Mitchell Institute for Airpower Studies,Paper 7 (August 2011).

22 Interview des Autors mit Curt Hawes.

23 Presseerklärung der Air Force,27. Februar 2001. Im Netz unter:www.fas.org/irp/program/collect/docs/man-ipc-predator-010228.htm.

24 Jane Mayer, »The Predator War«, in:New Yorker, 26. Oktober 2009.

25 National Commission on TerroristAttacks Upon the United States, »9–11Commission Report«, (2004).

26 Interview des Autors mit Ross Newland.27 Interview des Autors mit einem

ehemaligen hochrangigenamerikanischen Regierungsbeamten.

6. EIN WAHRER PASCHTUNE

1 Zahid Hussain, The Scorpion’s Tail, NewYork 2010, S. 73.

2 Shaukat Qadir, »Understanding the

Insurgency in FATA«, im Netz unterhttp://shaukatqadir.info/pdfs/FATA.pdf.

3 Muhammad I. Khan, »Nek MuhammadWazir«, The Herald, 16. September2005.

4 Syed Saleem Shahzad, »The Legacy ofNek Mohammed«, in: Asia Times Online,20. Juli 2004.

5 Christine C. Fair und Seth Jones,»Pakistan’s War Within«, in: Survival,51, Nr. 6 (Dezember 2009/Januar 2010),S. 168.

6 Ebenda, S. 169.7 Hussain, The Scorpion’s Tail, S. 71.8 »Making Deals with the Militants, Part 4

of Return of the Taliban«, PBS Frontline,3. Oktober 2006.

9 Ebenda.10 Iqbal Khattak, »I Did Not Surrender to

the Military«, in: Friday Times, 30. April– 6. Mai 2004.

11 Interview des Autors mit Asad Munir.12 Dilawar K. Wazir, »Top militant vows to

continue jihad«, in: Dawn, 26. April2004.

13 Interview des Autors mit demehemaligen CIA-Stationsleiter inIslamabad.

14 Interview des Autors mit einemhochrangigen amerikanischenGeheimdienstmitarbeiter.

15 Hussain, The Scorpion’s Tail, S. 73.16 Syed Shoaib Hasan, »Rise of Pakistan’s

quiet man«, BBC News, 17. Juni 2009.17 Interview des Autors mit einem

ehemaligen CIA-Beamten.18 Major Ashfaq Parvez Kayani, »Strengths

and Weaknesses of the Afghan

Resistance Movement«, Magisterarbeitvorgelegt zur Erlangung eines Master ofMilitary Art and Science am Commandand General Staff, Fort Leavenworth,1988.

19 Die abschließende Passage in KayanisMagisterarbeit, ein Abschnitt mit derÜberschrift »Political Settlement«, istbesonders erhellend, wenn man darin»Sowjets« durch »Amerikaner« und»Moskau« durch »Washington ersetzt:»Es erscheint unwahrscheinlich, dassdie Sowjets zu Verhandlungen überAfghanistan selbst bereit sein werden,allerdings könnten sie ihre Präsenz dortals Verhandlungsmasse oder Druckmitteleinsetzen, um im Rahmen einesumfassenderen Deals Zugeständnisse inanderen Bereichen zu erlangen. Sollte

das geschehen, steht Moskau vor demzentralen Problem, dass das afghanischeRegime ohne sowjetische Truppen nichtüberlebensfähig ist. Logischerweisewerden die Sowjets auf Zugeständnissehin verhandeln, die ihren fortgesetztenEinfluss in der afghanischen Regierungsicherstellen. Das Beste, was sieerwarten können, ist, die afghanischeWiderstandsbewegung als schwächerenPartner an der Seite des Regimes inKabul an der Macht zu beteiligen.«

7. KONVERGENZ

1 Beschreibung der Ereignisse imZusammenhang mit dem Qaida-Treffenund der Planung einer militärischenOperation innerhalb Pakistans auf

Grundlage der Aussagen von vierehemaligen CIA-Beamten.

2 Peter L. Bergen, Die Jagd auf Osama BinLaden, München 2012, S. 179.

3 Interview des Autors mit demehemaligen CIA-Stationsleiter inIslamabad.

4 Memorandum für John Rizzo von StephenBradbury, 30. Mai 2005.

5 Generalinspekteur der CIA, »SpecialReview: Counterterrorism Detention andInterrogation Activities (September2001-October 2003)«, 7. Mai 2004,S. 102.

6 David Johnston und Mark Mazzetti, »AWindow into CIA’s Embrace of SecretJails«, in: The New York Times,12. August 2009.

7 Ebenda.

8 Interview des Autors mit einemhochrangigen Mitarbeiter der RegierungBush.

9 Generalinspekteur der CIA, »SpecialReview: Counterterrorism Detention andInterrogation Activities (September2001-October 2003)«, S. 101.

10 Interview des Autors mit zweipensionierten CIA-Beamten.

11 Henry A. Crumpton, The Art ofIntelligence: Lessons from a Life in theCIA’s Clandestine Service, New York2012, S. 173.

12 Die Details zur Rolle von Blackwater andem Mordprogramm stammen von dreiehemaligen CIA-Beamten. Siehe auchAdam Ciralsky, »Tycoon, Contractor,Soldier, Spy«, in: Vanity Fair (Januar2010).

13 Interview des Autors mit zweiehemaligen hochrangigen CIA-Mitarbeitern.

14 Ciralsky.15 Interview des Autors mit zwei

ehemaligen hochrangigen CIA-Mitarbeitern.

16 Enrique Prado, E-Mail vom Oktober2007, freigegeben im Rahmen derUntersuchung durch das Senate ArmedServices Committee.

17 Ciralsky.18 Ebenda.19 Jose A. Rodriguez Jr., Hard Measures:

How Aggressive CIA Actions After 9/11Saved Lives, New York 2012, S. 194.

20 Die Details zu dem Austausch zwischenHadley und Goss stammen von zweiehemaligen CIA-Beamten und einem

Mitarbeiter des Weißen Hauses unterder Regierung Bush.

21 Die Szene in dem Konferenzraum wurdevon drei CIA-Beamten beschrieben, diean dem Treffen mit Andrew Cardteilgenommen hatten.

22 Dana Priest und Ann Scott Tyson, »BinLaden Trail ›Stone Cold‹«, in: TheWashington Post, 10. September 2006.Siehe auch Wayne Downing, »SpecialOperations Forces Assessment«,Memorandum für denVerteidigungsminister, Vorsitzender derVereinigten Stabschefs, 9. November2005.

23 Stanley A. McChrystal, »It Takes aNetwork«, in: Foreign Policy (März/April2011).

24 Dana Priest und William M. Arkin, »›Top

Secret America‹: A look at the military’sJoint Special Operations Command«, in:The Washington Post, 2. September2011.

25 Wayne Downing, »Special OperationsForces Assessment«.

26 Ebenda.27 Interview des Autors mit zwei

ehemaligen hochrangigen Pentagon-Mitarbeitern und einem pensioniertenCIA-Offizier.

28 Details zu den Verhandlungen zwischender CIA und dem Pentagon stammenvon zwei ehemaligen CIA-Beamtensowie aus einem Interview des Autorsmit Robert Andrews.

29 Die Angaben über den Raketenangriffauf den Philippinen stammen von vieraktiven und ehemaligen CIA-Beamten.

30 Interview des Autors mit einemhochrangigen Militäroffizier, der an denÜberwachungsmissionen teilnahm.

31 Die Angaben zur Damadola-Operationim Jahr 2006 stammen von zweiehemaligen operativen CIA-Agenten.

8. STELLVERTRETERKRIEGE

1 Interview des Autors mit CIA-, StateDepartment- und Kongressmitarbeitern.Siehe auch Mark Mazzetti, »Efforts byCIA Fail in Somalia, Officials Charge«,in: The New York Times, 8. Juni 2006.

2 Director of National Intelligence, »Trendsin Global Terrorism: Implications for theUnited States«, freigegebeneKernaussagen des NationalenGeheimdienstberichts, April 2006.

3 Robert Worth, »Is Yemen the NextAfghanistan?«, in: The New York Times,6. Juli 2010.

4 Der Interpol-Fahndungsaufruf wird zitiertin Bill Roggio, »Al Qaeda Jailbreak inYemen«, in: Long War Journal,8. Februar 2006.

5 David H. Shinn, »Al Qaeda in East Africaand the Horn«, S. 22.

6 Bronwyn Bruton, »Somalia: A NewApproach«, in: Council on ForeignRelations, Council Special Report Nr. 52(März 2010), S. 7.

7 Interviews des Autors mit dreiehemaligen hochrangigen CIA-Mitarbeitern.

8 Clint Watts, Jacob Shapiro und VahidBrown, »Al-Qa’ida’s (Mis)Adventures inthe Horn of Africa«, Harmony Project

Combating Terrorism Center at WestPoint, 2. Juli 2007, S. 19ff.

9 Interview des Autors mit State-Department- und Kongressmitarbeiternzu den Kabeln aus Nairobi.

10 Kabel von der amerikanischen Botschaftin Tansania an das State Department,»CT in Horn of Africa: Results andRecommendations from Mai 23–24 RSI«,3. Juli 2006.

11 »Miscellaneous Monongalia County,West Virginia Obituaries: Edward RobertGolden«, auf Genealogybuff.com. Sieheauch Edgar Simpson, »CandidatesPromise to Liven Last Days BeforeElection«, in: The Charleston Gazette,26. Oktober 1986.

12 United Press International, »BraillePlayboy Criticized«, 27. September 1986.

Siehe auch »Debate with Stand-In Shortin Fayetteville«, in: The CharlestonGazette, 19. August 1986.

13 Ellen Gamerman, »To know if you’reanyobody, check the list: In Washington,the snobby old Green Book is relished asa throwback to less-tacky times«, in:The Baltimore Sun, 22. Oktober 1997.

14 Interview des Autors mit MicheleBallarin.

15 Über die E-Mails berichtete als ErsterPatrick Smith in der Ausgabe vom8. September 2006 des angesehenenInfobriefs Africa Confidential. Weitere E-Mail-Auszüge wurden in einer am10. September 2006 in der britischenTageszeitung The Observer erschienenStory abgedruckt.

16 Ebenda.

17 Ebenda.18 Interview des Autors mit Bronwyn

Bruton.19 Die Einzelheiten von Abizaids Besuch in

Addis Abeba stammen von einem zu derZeit an der dortigen Botschaftstationierten US-Beamten.

20 Amt für die Koordinierung humanitärerAngelegenheiten der Vereinten Nationen(United Nations Office for theCoordination of Humanitarian Affairs),»OCHA Situation Report No. 1: DireDawa Floods – Ethiopia occurred onAugust 06, 2006«, 7. August 2006.

21 Die Einzelheiten zu den geheimenWaffenlieferungen nach Dire Dawastammen von zwei an der Operationbeteiligten ehemaligen US-Militärs.Dieselben beiden Ex-Soldaten

beschrieben auch die Zusammensetzungder Task Force 88.

22 Michael R. Gordon und Mark Mazzetti,»U.S. Used Base in Ethiopia to Hunt AlQaeda«, in: The New York Times,23. Februar 2007.

23 Human Rights Watch, »So Much toFear: War Crimes and the Devastationof Somalia«, 8. Dezember 2008. Sieheauch Bronwyn Bruton, »Somalia: A NewApproach«, S. 9.

9. DER STÜTZPUNKT

1 Die in diesem Kapitel wiedergegebenenInformationen über Art KellersErfahrungen in Nord- und Süd-Waziristanstammen aus Interviews des Autors mitKeller.

2 Interview des Autors mit Keller.3 Amir Latif, »Pakistan’s Most Wanted«, in:

Islam Online, 29. Januar 2008.4 Lisa Myers, »U.S. Posts Wrong Photo of

›al-Qaida Operative‹«, MSNBC,26. Januar 2006.

5 Auch zwischen CIA-Beamten inAfghanistan und in Pakistan brachenKonflikte aus, die die Gegensätzezwischen den beiden Ländern mit derdurchlässigen gemeinsamen Grenzewiderspiegelten. Den größten Teil desJahres 2005 hatte Greg, der Stationschefvon Kabul, Berichte über Gewalttaten inKabul geschrieben und dafür Pakistanverantwortlich gemacht, weil es nicht inder Lage war, zu verhindern, dassKämpfer aus den Stammesgebieten nachAfghanistan kamen. Alarmierende

Berichte über die KomplizenschaftPakistans bei den Anschlägen bekamendie CIA-Beamten in Kabul auch vonAmrullah Saleh, dem Direktor desafghanischen Geheimdiensts, einemfrüheren Kämpfer der Nordallianz, derPakistan und seine historischenVerbindungen mit den Talibanverabscheute. Greg hatte einebesonders enge Beziehung zu PräsidentHamid Karzai, und Karzai glaubte, dasser Greg sein Leben verdanke. Greg hatteim Jahr 2001 zu einer Einheit vonSpezialeinsatzkräften gehört, die zuBeginn der amerikanischen Invasion inAfghanistan operierte, und er hatteverhinderte, dass Karzai von einerBombe der Taliban zerrissen wurde. DerCIA-Stationschef in Islamabad, Sean,

war der Ansicht, dass die Analysen derCIA in Afghanistan wegen der engenBeziehung zwischen Greg und Karzaiverzerrt wurden, und er beschuldigteGreg, er sei »zu afghanisch geworden«,weil er die Verschwörungstheorien derafghanischen Intelligenz über diepakistanische Einmischung inAfghanistan für bare Münze nehme.Sean fand außerdem, dass die geheimenEinsätze sowohl des JSOC als auch derafghanischen Milizen, die die CIAausbildete und als CounterterrorismPursuit Teams bezeichnete, einunnötiges Risiko darstellten und zurFolge haben könnten, dass die CIA ausPakistan ausgewiesen werde. DieKonflikte wurden so heftig, dass PorterGoss eingriff und sowohl Sean als auch

Greg im Juli zu einem Treffen in dasHauptquartier des U.S. CentralCommand in Katar beorderte, um diebeiden Männer an einen Tisch zubekommen und die Spannungenzwischen den streitenden CIA-Außenposten zu dämpfen.

6 Greg Miller, »At CIA, a Convert to IslamLeads the Terrorist Hunt«, in:Washington Post, 24. März 2012.

7 Earthquake Engineering ResearchInstitute, »EERI Special EarthquakeReport«, Februar 2006.

8 Reisebericht vom Chef des VereinigtenGeneralstabs General Peter Pace,30. März 2006.

9 Interview des Autor mit Michael Hayden.10 Jose A. Rodriguez Jr., Hard Measures:

How Aggressive CIA Actions After 9/11

Saved American Lives, New York 2012,S. 8.

11 Haydens Beschreibung der Jagd auf dasKuriernetz als »ein Schuss über dieBande« findet sich in: Peter L. Bergen,Die Jagd auf Osama Bin Laden: eineEnthüllungsgeschichte, München 2012,S. 124.

12 Bergen, S. 120.13 Interviews des Autors mit fünf aktiven

und ehemaligen Vertreternamerikanischer Geheimdienste undeinem pakistanischenRegierungsvertreter.

14 Im Jahr 2008, kurz nachdem dieNational Security AgencyFernmeldeverkehr abgehört hatte, derAgenten des ISI mit einem vomHaqqani-Netzwerk ausgeführten

Bombenanschlag auf die indischeBotschaft in Kabul in Verbindungbrachte, versprach Pakistans PräsidentAsif Ali Zardari, dass er den ISI »in denGriff kriegen« werde. Er versicherte denVertretern der amerikanischenRegierung, dass er es im Gegensatz zuseinem Vorgänger nicht nützlich fände,über den ISI Verbindungen zuTerrorgruppen zu pflegen. »Wir tanzennicht auf zwei Hochzeiten, wie esMusharraf getan hat«, sagte er.

15 David E. Sanger, The Inheritance: TheWorld Obama Confronts and theChallenges to American Power, NewYork 2009, S. 248.

16 Mark Mazzetti und David Rohde,»Amidst U.S. Policy Disputes, QaedaGrows in Pakistan«, in: New York Times,

30. Juni 2008.17 Ebenda.18 Ebenda.19 Pir Zubair Shah, »US Strike Is Said to

Kill Qaeda Figure in Pakistan«, in: NewYork Times, 17. Oktober 2008.

10. SPIELE OHNE GRENZEN

1 Frank Wisner zitiert in: Richard H. Schulz,The Secret War Against Hanoi:Kennedys and Johnson’s Use of Spies,Saboteurs, and Covert Warriors in NorthVietnam, New York 1999, S. 129. DasZitat mit der Wurlitzer-Musicbox stammtursprünglich aus: John Ranelagh, TheAgency: The Rise and Decline of theCIA, New York 1986, S. 218.

2 Ein großer Teil des Materials für dieses

Kapitel stammt aus Interviews mit mehrals einem Dutzend ehemaliger Managervon U-Turn Media/IMV, auf Dokumentenvon mehreren Hundert Seiten über dasUnternehmen und aus Gesprächen mitaktuellen und früheren Vertretern vonMilitär und Geheimdiensten. Die meistenAngestellten von U-Turn/IMV werdennicht namentlich genannt, weil sie sichgegenüber dem inzwischen aufgelöstenUnternehmen zum Schweigenverpflichtet hatten. Michael Furlongwurde zu seinenInformationskampagnen für dasPentagon ebenfalls interviewt.

3 Interview des Autors mit RobertAndrews. Das Heilige Schwert derPatriotischen Liga wird ebenfallsbehandelt in: Richard Schultz, The

Secret War Against Hanoi, S. 139–148.4 Interview des Autors mit Robert

Andrews.5 Frühere Anstrengungen waren zum

Erliegen gekommen, und im Jahr 2004hatte es in einem Gutachten desDefense Science Board des Pentagons,einem Beratungsgremium desVerteidigungsministers, geheißen, dassdie Anstrengungen der USA, ihreBotschaften in Übersee zu vermitteln, ineiner »Krise« steckten. Im Krieg gegenden Terrorismus, hieß es in demGutachten, dürfe sich es nicht nur umdie Bombardierung von Lehmhütten, dieEinkerkerung mutmaßlicher Terroristenund die Tötung von Menschen mitHellfire-Raketen gehen. Es müsse eineweichere Seite des Kriegs geben, eine

Anstrengung, dem »gewalttätigenExtremismus etwas entgegenzusetzen«,und zwar in Teilen der Welt, wo dieVereinigten Staaten sehr unpopulärseien. Der Kongress bewilligte Geld fürdas Pentagon, damit es das Problemlöste.

6 U-Turn Media, PowerPoint-Präsentationbeim SOCOM.

7 U-Turn Media, Angebot für das SOCOM,8. Mai 2006.

8 SOCOM Contract H92222–06–6-0026.9 JD Media, Präsentation für das SOCOM,

29. Mai 2007.10 Michael D. Furlong, E-Mail an Vertreter

des SOCOM, 22. Juni 2007.11 Joseph Heimann und Daniel Silverberg,

»An Ever Expanding War: Legal Aspectsof Online Strategic Communication«, in:

Parameters, (Sommer 2009).12 Die Information über die Telegramme

der Prager CIA-Station stammen vonzwei Vertretern der amerikanischenGeheimdienste.

11. DER ALTE KEHRT ZURÜCK

1 Die Einzelheiten über McKiernansdringenden Wunsch, den AfPax-Vertragabzuschließen, stammen von fünfdamals noch in Afghanistan dienendenoder zuvor dort stationierten ehemaligenoder aktiven Offizieren und von dreiprivaten Dienstleistern. Die Chronologieder geschilderten Ereignisse beruhtweitgehend auf einer Untersuchung desPentagons über die von Michael Furlonggeführte private Spionageoperation. Der

Schlussbericht der Untersuchung mitdem Titel »Inquiry into PossibleQuestionable Intelligence Activities byDOD Personnel and Contractors« vonM.H. Decker wurde am 25. Juni 2010fertig und Verteidigungsminister RobertGates übergeben. Der im Folgenden als»Decker Report« bezeichnete Bericht istimmer noch geheim, aber der Autor hatsich eine Kopie davon besorgt.

2 Mark Mazzetti, »Coalition Deaths inAfghanistan Hit a Record High«, in: TheNew York Times, 2. Juli 2008.

3 Decker Report, A-2.4 Interview des Autors mit Michael

Furlong.5 Decker Report, A-3.6 Ebenda.7 Decker Report, A-7.

8 E-Mail von Michael Furlong.9 E-Mail von Michael Furlong.10 The War on Democracy,

Dokumentarfilm von Christopher Martinund John Pilger, USA 2007.

11 Douglas Waller, Wild Bill Donovan: TheSpymaster Who Created the OSS andModern American Espionage, New York2011, S. 353.

12 Einige der Agenten von Clarridges Netzarbeiten immer noch verdeckt inPakistan und Afghanistan, gelegentlichauch für die US-Regierung, und derAutor hat sich bereit erklärt, dieIdentitäten oder Berufe der Agentennicht zu enthüllen.

13 In Afghanistan abgehörtes Gespräch,enthalten in den von WikiLeaksveröffentlichten militärischen

Lageberichten.14 E-Mail von Michael Furlong.15 Ebenda.16 Decker Report, A-5.17 Decker Report, A-6.18 Ebenda, A-9.19 »Afghan President’s Brother, Ahmed

Wali Karzai Killed«, BBC News, 12. Juli2011.

20 U.S. Central Command, »JointUnconventional Warfare Task ForceExecute Order«, 30. September 2009.Der Befehl ist bis heute geheim, aberder Autor hat eine Kopie davonbeschafft.

21 Ebenda.22 Decker Report, A-6.23 Drei ehemalige Offiziere und zwei

Dienstleister, die das Telegramm

gelesen hatten, bestätigten seinenInhalt.

24 Interview des Autors mit MichaelFurlong.

25 Decker Report, A-9.

12. DIE SCHNEIDE DES SKALPELLS

1 Telegramm der US-Botschaft in Sanaa andas Außenministerium, »GeneralPetraeus Meeting with President Salehon Security Assistance, AQAP Strikes«,4. Januar 2010.

2 Michael Slackman, »Would-Be KillerLinked to al Qaeda, Saudis Say«, in:New York Times, 28. August 2009.

3 Telegramm der US-Botschaft in Riad andas Außenministerium, »Special AdvisorHolbrooke’s Meeting With Saudi

Assistant Interior Minister PrinceMohammed Bin Nayef«, 17. Mai 2009.

4 »Profile: Al Qaeda ›Bomb Maker‹ Ibrahimal-Asiri«, BBC, 9 Mai 2012.

5 »Al Qaeda Claims AttemptedAssassination of Saudi Prince Nayef«,NEFA Foundation (28. August 2009).

6 Ebenda.7 Brennan kritisierte das

Gefängnisprogramm der CIA, nachdemer sich Obamas Wahlkampfteamangeschlossen hatte. Mehrere CIA-Beamte, die 2002 zusammen mitBrennan dienten, erinnern sich freilichnicht daran, dass er schon währendseiner Dienstzeit Kritik an demProgramm geübt hätte. Im März 2013wurde Brennan schließlich doch nochCIA-Direktor.

8 Telegramm der US-Botschaft in Riad andas Außenministerium, »Special AdvisorHolbrooke’s Meeting with SaudiAssistant Interior Minister PrinceMohammed Bin Nayef«, 17. Mai 2009.

9 Interview mit zwei Vertretern derRegierung Obama, die an denBesprechungen bei der CIA teilnahmen.

10 Interview des Autors mit John Rizzo.11 Rede von John Brennan am 26. Mai

2010 im Center for Strategic andInternational Studies in Washington.

12 Bob Woodward, Obamas Kriege:Zerreißprobe einer Präsidentschaft,München 2011, S. 440.

13 Die Information über Panettas Reaktion,als er von den Drohnenschlägen der CIAerfuhr, stammt von zwei hohenamerikanischen Regierungsvertretern.

14 Über Panettas Gespräche mit hohenCIA-Beamten bezüglich der Freigabe derMemoranden berichteten zweiamerikanische Regierungsvertreter, diean den Gesprächen beteiligt waren, inInterviews mit dem Autor.

15 Über die Diskussionen im Weißen Hausund Emanuels Entscheidung, für PanettaPartei zu ergreifen, berichteten zweiTeilnehmer der Diskussionen. DieDebatten über die Freigabe der Memoswerden ausführlich behandelt in: DanielKlaidman, Kill or Capture: The War onTerror and the Soul of the ObamaPresidency, New York 2012.

16 Der Bericht über das Gespräch zwischenBlair und Panetta stammt von zweiBeamten aus Panettas Büro bei der CIA.

17 Interview des Autors mit Dennis Blair.

18 Die komplette Liste mit den Prinzipienbefindet sich im Besitz des Autors. Siewurde erstmals veröffentlicht in:Woodward, Obamas Kriege, Anmerkung2, S. 481.

19 Interview des Autors mit Dennis Blair.20 Details über das Jones-Memo stammen

von zwei früheren ranghohen Mitgliedernder Regierung Obama.

21 Interview des Autors mit einemehemaligen Vertreter der pakistanischenRegierung.

22 Leon Panetta, nicht veröffentlichtesInterview mit der New York Times.

23 Interview des Autors mit einemfrüheren ranghohen Mitglied derRegierung Obama.

24 Daniel Klaidman, Kill or Capture, S. 121.25 Petraeus hatte sich mit Edmund Hull,

dem früheren amerikanischenBotschafter im Jemen, beraten. Hullverfolgte seit mehreren Jahren diewachsende Gewaltbereitschaft in demLand und war zornig darüber, dass derJemen nach der zunächst erfolgreichenBekämpfung des Terrorismus im Gefolgedes 11. September nun im Chaos zuversinken schien. Er sagte Petraeus,wenn das Land weiterhin ignoriertwerde, könne es zu einem neuenAfghanistan werden, ein sichererAusgangspunkt für Angriffe auf andereLänder. Der Mordanschlag auf PrinzMohammed Bin Naif, wenige Monatespäter, ließ diese Voraussage unheimlichweitsichtig erscheinen.

26 Interview des Autors mit einemfrüheren Kommandeur amerikanischer

Spezialeinsätze, der an der Diskussionüber militärische Operationen im Jemenbeteiligt war.

27 Ebenda.28 Scott Shane mit Mark Mazzetti und

Robert Worth, »Secret Assault onTerrorism Widens on Two Continents«,in: New York Times, 14. August 2010.

29 Telegramm der amerikanischenBotschaft in Sanaa an dasAußenministerium, »General PetraeusMeeting with President Saleh on SecurityAssistance, AQAP Strikes«, 4. Januar,2010. Der Bericht über das Gesprächstützt sich ausschließlich auf dasTelegramm.

30 Der Text von Blairs Rede imWillard_Hotel stand zum Zeitpunkt derNiederschrift im Netz unter:

dni.gov/speeches/20100406_5_speech.pdf.

13. DER RUN AUF AFRIKA

1 Telegramm der US-Botschaft an dasState Department in Washington,»Whither the M/V Faina’s Tanks?«,2. Oktober 2008. In dem Telegrammwird die Route beschrieben, über die dieWaffen in den Südsudan gelangten. NachEintreffen der Waffen in Mombasawurden sie per Eisenbahn nach Ugandaweitertransportiert und von dort in denSüdsudan geschmuggelt.

2 Interview von Harun Maruf mit MicheleBallarin für Voice of America, 2. August2010.

3 »Ukraine ship owners object to U.S.

woman’s role in pirate talks«, in:Russian News Room, 19. Dezember2008.

4 Telegramm von der US-Botschaft in derUkraine an das State Department inWashington, »Faina: Letter from ForeignMinister Ohryzko«, 5. Februar 2009.

5 Ebenda.6 Schreiben der Gulf Security Group an die

Central Intelligence Agency, 17. August2007. Dem Autor liegt eine Kopie desBriefs vor.

7 Brief von John L. McPherson an MicheleBallarin, 27. August 2007. Dem Autorliegt eine Kopie des Briefs vor.

8 Die Beschreibung von Ballarins Meetingim CTTSO stammt von einem mitAntiterrorprogrammen befasstenMilitärbeamten, der an dem Treffen

teilnahm.9 Peter J. Pham, »Somali Instability Still

Poses Threat Even After SuccessfulStrike on Nabhan«, in: World DefenseReview, 17. September 2009.

10 Robert Young Pelton, »An AmericanCommando in Exile«, in: Men’s Journal,Dezember 2010.

11 Princes Beteiligung an derAntipiratenmiliz in Puntland wird in zweiBerichten der United Nations MonitoringGroup on Somalia and Eritreadokumentiert.

12 Die Informationen über die Puntland-Miliz stammen von drei direkt an denOperationen beteiligten Personen.Darüber hinaus hat sich die UnitedNations Monitoring Group in einerumfassenden Untersuchung sowohl mit

Saracen wie auch mit Sterling befasstund den Verbindungen der beidenUnternehmen zu Erik Prince und denVAR.

13 Die vom JSOC vorgelegten Pläne zuSchlägen gegen die Shabaab-Lagerwurden von einem pensioniertenhochrangigen Militäroffizier sowie einemfrüheren zivilen Spitzenbeamten derRegierung Obama bestätigt.Einzelheiten zu den Diskussioneninnerhalb der Regierung über die Kostenund den Nutzen eines solchenVorgehens finden sich bei Eric Schmittund Thom Shanker, Counterstrike: TheUntold Story of America’s SecretCampaign Against Al Qaeda, New York2011. Laut Schmitt und Shanker gingendie meisten Verantwortlichen davon aus,

dass die Möglichkeit, eine kleine Anzahlhochrangiger Shabaab-Kommandeure zutöten, die Risken eines Angriffs auf dieLager nicht rechtfertigte.

14 »Erster Preis: eine Kalaschnikow«, in:Der Spiegel, 26. September 2011.

15 SITE Intelligence Group, »ShabaabOfficial Offers Rewards for Informationon Obama, Clinton«, 9. Juni 2011.

16 Daniel Klaidman, Kill or Capture: TheWar on Terror and the Soul of theObama Presidency, New York 2012,S. 123f., nennt Details zu den erstenDiskussionen über die verschiedenenvon Admiral William McRavenvorgestellten Optionen. DieVideokonferenz und die dabei vonMcRaven diskutierten Optionen wurdenunabhängig davon von amerikanischen

Regierungsmitarbeitern bestätigt.17 Die Crew der Faina wurde, nur ein paar

Tage nachdem der ukrainische Ministerdas Schreiben an Außenministerin HillaryClinton abgeschickt hatte, freigelassen,aber es gibt keine Hinweise dafür, dassBallarins Beteiligung an denDiskussionen die Piraten zur Freilassungder Crew bewog. Am Ende kassiertendie Piraten über drei Millionen US-DollarLösegeld von den Schiffseignern. DasInterview, in dem sie davon spricht, allegekaperten Schiffe »loszueisen«,erschien am 25. November 2008 ineinem Beitrag auf Military.com.

18 Interview des Autors mit achtehemaligen Mitarbeitern von BallarinsUnternehmen.

19 Interview von Harun Maruf mit Michele

Ballarin für Voice of America.20 Die folgende Geschichte basiert auf

einem Interview des Autors mit MicheleBallarin. Untermauert wurde ihre Versionder Ereignisse von einem ehemaligenUS-Beamten, der über ihre Bemühungenim Bilde war, das Pentagon von demPlan zu überzeugen, die Shabaab-Führervon einem somalischen Killerkommandoermorden zu lassen.

21 BBC World Service, »Somali Rage atGrave Destruction«, 8. Juni 2009.

22 Interview des Autors mit MicheleBallarin.

23 Die Formulierung »ganzeHundertschaften an Analysten« stammtvon einem hochrangigen amerikanischenGeheimdienstmitarbeiter mit direktenKenntnissen über die Neuausrichtung

der Analysten innerhalb derGeheimdienstgemeinde nach Beginn desarabischen Frühlings.

24 Ben Wedeman, »Documents Shed Lighton CIA, Gadhafi Spy Ties«, CNN.com,3. September 2011.

25 Brief von Osama Bin Laden an AtiyahAbd al-Rahman, datiert auf den 26. April2011. Der Wortlaut des Briefs wurdeveröffentlicht durch das CombatingTerrorism Center, West Point, Virginia.

14. WIEDER FREI

1 Die Beschreibung stammt von einem US-Beamten mit Kenntnis von Davis’Haftbedingungen.

2 Matthew Teague, »Black Ops and BloodMoney«, in: Men’s Journal, 1. Juni 2011,

und Mark Mazzetti et al, »American Heldin Pakistan Worked with CIA«, in: TheNew York Times, 21. Februar 2011.

3 Die Angaben zu Davis’ CIA-Gehaltstammen aus vom pakistanischenAußenministerium nach Davis’Festnahme veröffentlichen Unterlagen.

4 Die Hintergrundinformation zu denOperationen der Lashkar-e-Taibastammen von einem Interview mit C.Christine Fair von der GeorgetownUniversity, die sich auf diese Gruppespezialisiert hat.

5 Das System der Visaerteilung fürAmerikaner in Pakistan wurde von eineman dem Prozess direkt beteiligten US-Beamten geschildert.

6 Ebenda.7 Der wohl beste Überblick über den

Brandanschlag auf die US-Botschaft inIslamabad findet sich in Steve Coll,Ghost Wars: The Secret History of theCIA, Afghanistan, and Bin Laden, fromthe Soviet Invasion to September 10,2001, New York 2004.

8 Die Identität des CIA-Stationsleiters inIslamabad unterliegt bis heute derGeheimhaltung.

9 Das Verhältnis zwischen dem CIA-Stationsleiter in Islamabad und US-Botschafter Cameron Munter wurde vonsechs amerikanischen Beamtenbeschrieben. Ein Großteil der Berichteüber die Auseinandersetzungenzwischen den beiden und über dieRaymond-Davis-Affäre insgesamtbasiert auf den Angaben dieserBeamten.

10 Pressekonferenz von Präsident BarackObama, 15. Februar 2011.

11 Die Details zum Treffen von Panettaund Pasha stammen von zweipakistanischen Beamten sowie auseinem auf Wikileaks veröffentlicheninternen Memorandum der privatenGeheimdienstfirma Stratfor. DasMemorandum ist im Netz verfügbarunterhttp://wikileaks.org/gifiles/docs/1664671_re-alpha- insight-afghanistan-pakistan-isi-chief-not-for.html.

12 Die Angaben zu dem als geheimklassifizierten CIA-Aufsatz stammen vonzwei hochrangigen amerikanischenGeheimdienstmitarbeitern.

13 Interview des Autors mit einemhochrangigen Militäroffizier, der an dem

Briefing teilnahm.14 Bushs Reaktion auf das CIA-Briefing

wird geschildert in Bob Woodward,Obamas Kriege – Zerreißprobe einerPräsidentschaft, München 2011, S. 17.Die ausführlichste Darstellung des CIA-Briefings im Juli 2008 findet sich in EricSchmitt und Thom Shanker,Counterstrike: The Untold Story ofAmerica’s Secret Campaign Against AlQaeda, New York 2011.

15 Die Einzelheiten zur Festnahme vonMullah Baradar basieren auf denAngaben von fünf amerikanischen undpakistanischen Geheimdienstbeamten.

16 Interview des Autors mit zweiamerikanischemGeheimdienstmitarbeitern und PeterBergen, Die Jagd auf Osama Bin Laden –

eine Enthüllungsgeschichte, München2012, S. 142ff.

17 Peter Bergen, Die Jagd auf Osama BinLaden, S. 142f.

18 Ebenda, S. 20.19 Interview des Autors mit zwei

hochrangigen amerikanischenGeheimdienstmitarbeitern.

20 Ahtishamul Haq, »Raymond Davis Case:Wife of man killed commits suicide«, in:The Express Tribune, 7. Februar 2011.

21 Die Details zu den VerhandlungenMunters mit Pasha und dieanschließende Darstellung derEreignisse, die zu Davis’ Freilassungführten, basieren auf Interviews desAutors mit amerikanischen undpakistanischen Beamten.

22 Als die Gespräche sich in die Länge

zogen, tüftelten die Amerikaner einenNotfallplan aus, nach dem dieAngelegenheit an ein internationalesSchiedsgericht in der Schweiz übergebenwerden könnte. Tatsächlich berietensich in Genf deswegen US-Diplomatenmit Schweizer Anwälten, wobei mansich jedoch darüber im Klaren war, dassdie Chancen schlecht standen, einSchweizer Schiedsgericht könne dieFreilassung Ray Davis’ durchsetzen.

23 Carlotta Galland und Mark Mazzetti,»Hushed Deal Frees CIA Contractor inPakistan«, in: The New York Times,16. März 2011.

24 Interview des Autors mit zweiamerikanischen Beamten.

25 Sara Burnett, »Charges upgradedagainst ex-CIA contractor in parking-

spot dispute«, in: The Denver Post,4. Oktober 2011.

26 »CIA Contractor in Court over felonyassault charges«, CBS Denver,4. Oktober 2011.

27 »Getting Rid of US Saboteurs«, in: TheNation, 11. August 2011.

28 Der Autor nahm an dem Protestmarschim Juli 2012 in Islamabad teil.

15. DER DOKTOR UND DER SCHEICH

1 Die Einzelheiten zu Shakil Afridis Treffenmit seinen CIA-Agentenführern basierengrößtenteils auf Afridis Aussagengegenüber einer pakistanischenErmittlungsgruppe, die seine Rolle in derBin-Laden-Operation untersuchte.Zusätzliche Details verdanke ich

mehreren in Afridis Tätigkeit für die CIAvon 2009 bis 2011 eingeweihtenamerikanischen Regierungsmitarbeitern.

2 Aryn Baker, »The Murky Past of thePakistani Doctor Who Helped the CIA«,in: Time, 13. Juni 2012.

3 Declan Walsh, »Pakistan May BeExpelling Aid Group’s Foreign Staff«, in:The New York Times, 6. September2012.

4 John Deutchs Erklärung steht im Netzunter:http://intellit.muskingum.edu/cia_folder/ciarelations_folder/ciareldcistmt.html.

5 Aussage Afridis gegenüber derpakistanischen Ermittlungsgruppe.

6 Ebenda.7 Sami Yousafzai, »The Doctor’s Grim

Reward«, in: Newsweek, 11. Juni 2012.

8 Aussage Afridis gegenüber derpakistanischen Ermittlungsgruppe.

9 Mark Owen, Mission erfüllt – Navy SEALsim Einsatz: Wie wir Osama Bin Ladenaufspürten und zur Strecke brachten,München 2012, S. 240–257.

10 Leon Panetta, unveröffentlichtesInterview mit der New York Times.

11 Peter Bergen, Die Jagd auf Osama BinLaden, S. 254–257.

12 Die Einzelheiten zu Mullens Gesprächmit Kayani stammen von zweiamerikanischen Beamten mit direktenKenntnissen über den Inhalt desTelefongesprächs.

13 Die Regeln für die sogenannten»signature strikes« der CIA wurden vonvier amerikanischenRegierungsmitarbeitern beschrieben.

14 Interview des Autors mit zweiamerikanischen Regierungsmitarbeitern.

15 Die Einzelheiten zu dem Wortgefechtwährend der Sitzung des NationalenSicherheitsrats basieren auf denAngaben von zwei Teilnehmern desMeetings.

16 Interview des Autors mit zweiamerikanischen Militäroffizieren.

17 Declan Walsh, »US Bomb Warning toPakistan Ignored«, in: The Guardian,22. September 2011.

18 Ray Rivera und Sangar Rahimi, »DeadlyTruck Bomb Hits NATO Outpost inAfghanistan«, in: The New York Times,11. September 2011.

19 Aussage Afridis gegenüber derpakistanischen Ermittlungsgruppe.Afridis Darstellung ist von einem

amerikanischen Beamten mit direktenKenntnissen von Afridis Kontakten zurCIA nach der amerikanischenKommandoaktion in Abbottabadunabhängig bestätigt worden.

20 Zu den Gerichtsdokumenten gehörteauch ein Memorandum, das einPolizeiagent in der Khyber Agency anden leitenden Polizeisuperintendenten,JIT, Special Branch, in Peschawargeschickt hat. Die Dokumente liegendem Autor vor.

21 Ebenda.22 Agence France Press, »Lashkar-I-Islami

Denies Links with Shakil Afridi«, 31. Mai2012.

16. FEUER VOM HIMMEL

1 Interview des Autors mit einemehemaligen hochrangigen US-Beamten.

2 Harold Koh, Rede vor dem StandingCommittee on Law and National Securityder American Bar Association,Dezember 2011.

3 Scott Shane und Souad Mekhennet,»From Condemning Terror to PreachingJihad«, in: The New York Times, 8. Mai2010.

4 Ebenda.5 Ebenda.6 Ebenda.7 Gregory Johnsen, The Last Refuge:

Yemen, Al-Qaeda, and America’s War inArabia, New York 2012, S. 257.

8 Ebenda, S. 262.9 »U.S. Intelligence on Arab Unrest Draws

Criticism«, in: Associated Press,

6. Februar 2011.10 BBC News, »Yemen: Saleh ›Gravely

Wounded‹ in Rocket Attack«, 7. Juni2011.

11 Interview des Autors mit einemhochrangigen Pentagon-Mitarbeiter undeinem pensionierten amerikanischenAntiterrorbeamten.

12 SITE Intelligence Group, »YemeniJournalist Documents Experiences withAQAP in Abyan«, 21. Oktober 2011.

13 Gregory Johnsen, S. 276.14 Interview des Autors mit einem aktiven

und zwei ehemaligen amerikanischenBeamten mit Kenntnissen darüber, wiedie CIA ihre Quelle innerhalb der AQAPführte.

15 Interview des Autors mit Jameel Jafferund Hina Shamsi, die als Anwälte für die

Familie Awlaki tätig sind.16 Vor dem United States District Court for

the District of Columbia im Fall NasserAl-Aulaqi gegen Leon C. Panetta u.a.eingereichter Antrag, S. 13.

17 Eine Kurzfassung von Nasser al-AwlakisVideobotschaft steht im Netz unter:http://www.youtube.com/watch?v=0AIywZqHjIE.

18 Jameson machte diese Äußerungen aufeiner öffentlichen Sitzung auf einerKonferenz der American Bar Association.

19 Präsident Barack Obama,Pressekonferenz am 8. Dezember 2011.

20 Scott Shane, »Election Spurred a Moveto Codify US Drone Policy«, in: The NewYork Times, 24. November 2012.

21 Die von Amy Zegart beauftragteUmfrage wurde durchgeführt von

YouGov. Der Autor dankt ProfessorZegart für die Überlassung derUmfragedaten.

22 Mark Landler und Choe Sang-Hun, »InKim Jong-Il Death, an ExtensiveIntelligence Failure«, in: The New YorkTimes, 19. Dezember 2011.

23 Die hier wiedergegebene Schilderungdes Angriffs auf das amerikanischeKonsulat in Bengasi orientiert sich aneinem von der CIA freigegebenendetaillierten Zeitprotokoll.

24 Interview des Autors mit Ross Newland.25 Der Autor dankt Timothy Pratt für seine

Berichterstattung aus Indian Springs,Nevada.

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BILDNACHWEIS

Bild 1: picture alliance/AP Photo/HLG.Bild 2: picture alliance/AP Photo/Jason

Reed, Pool.Bild 3: Paul Hosefros/The New York

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PERSONENREGISTER

(Angegebene Seitenzahlen beziehen sichauf die Printausgabe des Buches.)

Abbas, Abu 70Abdulmutallab, Umar Farouk 260, 341f.Abizaid, John 158, 174, 388Abu Nidal (Chalil al-Banna) 75, 347Addington, David 25Adkins, Jim 69Afrah, Mohammed Qanyare siehe Qanyare

Afrah, MohammedAfridi, Shakil 14, 313ff., 317ff., 321, 331ff.,

398f.Ahmed, Abdullahi Yusuf 169, 172Ahmed, Ibrahim Saeed siehe al-Kuwaiti,

Abu AhmedAhmed, Mahmud 14, 41, 44f., 50, 279Ahmed, Shirwa 178Ali, Scheich Hassan Yaqub 281Allen, Charles E. »Charlie« 11, 106, 108–

111, 117Allen, John 330Andrews, Robert 12, 83–86, 94, 97, 204f.,

382f., 387, 391Angleton, James 110Armitage, Richard 45, 50al-Asiri, Abdullah 241–244al-Asiri, Ibrahim 15, 243, 261al-Aulaqi, Nasser siehe al-Awlaki, NasserAurakzai, Ali Jan 14, 53f., 197f.Awale, Abdi Hasan siehe Qeybdii, Abdi

Hasan AwaleAweis, Scheich Hassan Dahir 15, 163f., 167al-Awlaki, Abdulrahman 15, 348–351

al-Awlaki, Anwar 15, 339–342, 345–351al-Awlaki, Nasser 339, 350, 399Axmed, Cabdulaahi Yuusuf siehe Ahmed,

Abdullahi YusufAyro, Aden Hashi Farah 15, 164, 176

Bagh, Mangal 314f., 333Ballarin, Gino 170f.Ballarin, Michele »Amira« 15, 21, 169ff.,

265–270, 272, 277–283, 365, 388, 395f.al-Banna, Chalil siehe Abu Nidal (Chalil al-

Banna)al-Banna, Imbrahim 349Baradar, Mullah Abdul Ghani 301, 397Beecher Stowe, Harriet 91Bennett, John 300f.Bergdahl, Bowe 230ff.Berger, Sandy 107, 110, 112Biden, Joseph »Joe« 257

Bin Laden, Osama 22, 28f., 31, 34, 44, 47,49, 51, 54, 57, 84, 96, 99, 104, 106–110,112f., 116, 118, 128, 136, 142, 156, 165,185, 187–191, 193, 241, 246, 261, 286,296, 299, 302ff., 316, 318–322, 324f.,329, 331f., 336, 339, 342, 345, 353,357f., 384

Bin Naif, Prinz Mohammed 241–245, 258,261, 394

Binalshibh, Ramzi 57Black, J. Cofer 11, 28–31, 48f., 110, 144,

358, 377f.Blair, Dennis C. 11, 77ff., 252–255, 263f.,

382, 393Blee, Richard »Rich« 11, 110, 299, 358,

384Boykin, William »Jerry« 98Branch, Austin 223Brennan, John 13, 22, 244ff., 248, 260,

339, 341f., 345, 351, 393Broadwell, Paula 338Bruton, Bronwyn 388Buchanan, James 263Bush, George H.W. 27, 71, 227Bush, George W. 22, 25, 27–30, 37, 45, 48,

50, 70, 74, 95, 100, 104, 106f., 114, 141,149f., 154, 181, 197ff., 206, 212, 246f.,284, 296, 299, 335, 337, 353, 397

Calland, Albert 155Cambone, Stephen 12, 98, 100, 136, 152,

155Campbell, John 117f.Cannistraro, Vincent 381Card, Andrew 149f., 387Carlucci, Frank 81, 90f., 93le Carré, John 17, 219Carter, Jimmy 59, 248

Cartwright, James 257Casey, William J. 11, 66f., 70–73, 92, 249,

381Castro, Fidel 33, 62, 64, 366Ceauşescu, Elena 75Ceauşescu, Nicolae 75al-Chalaila, Ahmad Nazzal siehe al-

Sarkawi, Abu MusabChalid Scheich Mohammed 57, 129, 138,

193Chamberlain, Neville 198Chamberlin, Wendy 25, 48, 50, 377Chan, Abdalkadir siehe Khan, Abdul QadeerCheney, Dick 25f., 29, 82f., 97, 143, 146f.,

181, 246f.Church, Frank 59, 61–64Churchill, Winston 53, 379Clarke, Richard 13, 106ff., 110ff., 384Clarridge, Duane »Dewey« 11, 21, 66ff.,

70, 72ff., 76, 78, 91, 227–234, 238ff.,272, 363f., 366f., 380f., 383, 392

Clinton, Bill 32, 75–78, 107, 110, 248f.Clinton, Hillary 267, 275, 286, 328, 395Colby, William 62Crumpton, Hank 49, 147, 167f.

Dante Alighieri 83Darkazanli, Mamoun 26Davis, Perry 268ff., 277f., 280, 282Davis, Raymond Allen 11, 14, 17–20, 287–

291, 293–296, 302, 304–311, 313, 326f.,332, 367, 377, 396f.

Dearlove, Sir Richard 22ff., 377Decker, M.H. 391Deininger, Bill 277Deutch, John 32, 76ff., 251, 316Dewey, Thomas E. 66Doherty, Glen 356f.

Donilan, Thomas E. »Tom« 255, 328Donovan, William J. »Bill« 61, 73, 228f.,

336Downing, Wayne 153, 227al-Dschalabi, Ahmad siehe Tschalabi,

AhmedDurrani, Asad 51, 379

Eikenberry, Karl 220Eldridge, Bill 208Eliot, T.S. 179Emanuel, Rahm 251, 393

Faheem, Muhammad (erschossen vonDavis) 19, 289, 293f., 305f., 308

Faheem, Shumaila (Witwe von MuhammadFaheem) 20, 305

Fair, C. Christine 396Farina, Chris 172f.

Fernandez, Joe 68f.Fillmore, Millard 263Flynn, Michael 226Ford, Gerald 62, 71, 92, 106, 336f.Franks, Tommy 85Frazer, Jendayi 168Furlong, Michael 13, 21, 203–208, 210–217,

219, 222–227, 231–238, 258, 347, 366,391f.

al-Gaddafi, Muammar 42, 283f., 355f.Gardner, Richard 67Garland, Merrik 351f.Gates, Robert 11, 226, 254f., 298f., 391»Gene« (bei Wana stationierter CIA-

Beamter) 182, 184Gnehm, Edward W. 101, 383Goldwater, Barry 62Gorbatschow, Michail 132

Gordon, John 110Göring, Hermann 61Goss, Porter 11, 44f., 100, 135ff., 149f.,

158, 164, 188, 192, 241, 285, 379, 387,389

Greene, Graham 234»Greg«, CIA-Stationschef in Kabul 389Grenier, Robert 11, 48f., 52, 54, 189Gritz, James »Bo« 89f.Gubbins, Colin McVean 23, 377Guevara, Ernesto »Che« 122Guzmán, Jacobo Árbenz 64

»Habib, Khalid« 195f., 199f.Hadley, Stephen 149, 387Haider, Faizan (erschossen von Davis) 19,

289, 293f., 306, 308Haji Omar siehe Omar, HajiHaqqani, Hussain 256, 292, 306

Haqqani, Jalaluddin 14, 47, 52, 196, 221al-Harethi, Qaed Salim Sinan 103–106, 119Harward, Robert 38f.Hasan, Nidal 347Hassan, Scheich siehe Ali, Scheich Hassan

YaqubHawes, Curt 113–116, 360, 384f.Hayden, Michael »Mike« 12, 192f., 271,

285, 299, 335f., 338, 390al-Hazmi, Nawaf 340Helgerson, John 138–142Helms, Richard 71Hitler, Adolf 61Hitz, Frederick P. (CIA-Generalinspekteur)

32Holbrooke, Richard 242f.Holland, Charles 84f.Holmes, Robert 223, 233Howard, Robert 299

Hull, Edmund 104, 394Hussain, Safdar 124f.Hussain, Zahid 129Hussein, Saddam 77, 96, 108, 181, 227f.

ibn Ladin, Usama siehe Bin Laden, OsamaIndyk, Martin 117

Jaffer, Jameel 399Jameson, W. George 335, 353, 400al-Jazairi, Hadi Adil 56f., 380Johannes Paul II. 278Johnson, Gregory 345Johnson, Lyndon B. 36Jones, James 253, 255Jong Il, Kim 355Jordan, Eason 221f., 225f., 231

Kappes, Stephen 12, 246, 250, 253f., 256,

299Karimow, Islom 111Karsai, Ahmed Wali siehe Karzai, Ahmed

WaliKarsai, Hamid siehe Karzai, HamidKarzai, Ahmed Wali 38f., 234f.Karzai, Hamid 35, 38, 234, 239, 389»Kate« (CIA-Agentenführerin in Pakistan)

315ff.Kayani, Ashfaq Parvez 14, 130–133, 192f.,

195, 296, 323ff., 327, 329ff., 385f., 398»Keith«, CIA-Stationschef in Islamabad ab

2001 55, 136Keith, Richard (Tarnname) siehe Meadows,

RichardKeller, Art 12, 179–182, 184–188, 190,

193–197, 199f., 255, 296, 315f., 389Kennedy, John F. 36, 61, 248Khairkhwa, Mullah Khairullah 38ff., 378

Khalid Scheich Mohammed siehe ChalidScheich Mohammed

Khan, Abdul Qadeer 26, 146Khan, Bakhptur 158Khan, Ismail 225Khan, Samir 346f.King, Jerry 88–91, 93Klinghoffer, Leon 70Koh, Harold 337f., 342Koussa, Moussa 284f.Koziol, John 216Krongard, Alvin »Buzzy« 117al-Kuwaiti, Abu Ahmed (Ibrahim Saeed

Ahmed) 193, 302f.

Lehman, John 99Libby, I. Lewis »Scooter« 25al-Libi, Abu Faraj 135f., 158Ludin, Tahir (Dometscher David Rohdes)

230Luitingh, Lafras 273Lumumba, Patrice 62

Maes, Jeff 309Mamraiz, Shaheena 317f.al-Masri, Abu Khabab 186f., 199f.Massud, Ahmed Schah 110, 122McChrystal, Stanley 13, 136, 151ff., 155,

226, 234McGrath, Mike 315McKiernan, David 219–223, 225f., 229, 234,

391McLaughlin, John 116McMahon, John 71McNamara, Robert 36McNeill, Dan 220McPherson, John L. 268f.McRaven, William 13, 258ff., 273–276, 395

Meadows, Richard 87Mehsud, Abdullah 183Mehsud, Baitullah 14, 182ff., 255ff.Meyer, Edward 88, 92al-Mihdhar, Khalid 340»Mike«, Direktor des CTC 12, 189f., 246Mikolashek, Paul 38f.Mohammed, Prinz siehe Bin Naif, Prinz

MohammedMubarak, Hosni 42, 284f.Mullen, Michael 13, 220, 323ff., 329ff., 398Muller, Scott 141Munir, Asad 14, 54f., 57f., 93, 126, 194,

296, 320f., 380, 385Munter, Cameron 14, 20, 293ff., 305–308,

325–329, 397Murray, Patrick 149Musharraf, Pervez 25, 44–48, 50–54, 121,

123f., 128, 130, 136, 156, 197ff., 256,

274, 291, 298, 390Myers, Richard 85f., 384

N.N., CIA-Stationschef in Islamabad2004/2005 385f.

N.N., CIA-Stationschef in Islamabad ab2010 300

N.N., CIA-Stationschef in Islamabad abJanuar 2011 20, 293ff., 327, 396f.

N.N., CIA-Stationschef in Kabul 2009 236f.Nabhan, Saleh Ali Saleh 15, 275ff.Naftali, Timothy 381al-Nashiri, Abdel al-Rahim 139, 148Negroponte, John D. 175Nek Muhammad Wazir 14f., 121–127, 129,

138, 142, 182, 256, 297Newland, Ross 12, 24, 59f., 63–66, 68f.,

74ff., 106f., 118f., 267f., 357f., 377, 380,385, 400

al-Nigeri, Omar Farooq sieheAbdulmutallab, Umar Farouk

Nixon, Richard 97, 203Noriega, Manuel 90North, Oliver 67ff., 71, 240

O’Connell, Thomas 13, 82, 97ff., 382ff.Obama, Barack 9f., 20, 22, 74, 226, 242–

249, 251–255, 257–260, 264, 267, 271f.,275f., 284, 294f., 299, 322, 324, 326,328f., 336ff., 345, 351–355, 377, 393

Obrman, Jan 207ff., 211, 214, 225, 233Ohrysko, Wolodymyr 267, 395Omar, Haji 194Omar, Mullah Mohammed 47f., 50, 183,

239, 301

Pack, Richard 233Panetta, Leon 12f., 20, 156, 249–253,

256f., 264, 284, 294f., 303f., 306, 322f.,325, 328, 338, 351, 393f., 397, 399

Pasha, Ahmad Shuja 14, 20, 294ff., 300,306ff., 325, 327, 329, 397

Patek, Umar 157f.Patterson, Anne 293f.Patton, George 28Pavitt, James 12, 28–31, 108, 110f., 116,

378Pelton, Robert Young 221f., 225f., 231Perot, Henry Ross 89Petraeus, David 12, 235f., 258, 261ff., 335,

338f., 346, 394Pierce, Franklin 263Powell, Colin 50, 74Prado, Enrique 12, 26, 32, 135, 143–147,

269, 367Pratt, Timothy 400Prince, Erik 144–147, 269, 272f., 365, 367,

395

Qadir, Shaukat 379Qanyare Afrah, Mohammed 161Qanyare Afrax, Maxamed siehe Qanyare

Afrah, MohammedQeybdii, Abdi Hasan Awale 161

Raghal, Abu 177al-Rahman, Atija Abd 336Rauf, Rashid 192f.Reagan, Ronald 65ff., 71, 74, 88, 170, 278,

283, 381Rice, Condoleezza 217Rizzo, John 247, 249, 393Rodriguez (Mutter von Jose) 31Rodriguez (Vater von Jose) 31Rodriguez, Jose 12, 26, 31ff., 139, 143,

146, 148f., 161f., 168, 189, 192

Rohde, David 229f.Romney, Mitt 353Rowe, Leslie 166Rumsfeld, Donald 13, 35ff., 42, 49, 81–86,

92–101, 104, 135ff., 150–155, 175, 204,206, 223, 236, 252, 298, 322, 350, 384

Sabri Chalil al-Banna siehe Abu NidalSaeed, Hafiz Muhammad 15Said, Hafis Mohammed 287, 291, 310f.Saleh, Ali Abdullah 15, 104f., 120, 241f.,

259–263, 274, 339, 343, 384Saleh, Amrullah 389Sanchez, Nestor 63–66»Sara« (CIA-Agentenführerin in Pakistan)

317al-Sarkawi, Abu Musab 151ff.al-Sawahiri, Aiman 123, 128, 136f., 158Schwarzenberg, Karel 217

»Sean«, CIA-Stationschef in Islamabad 389al-Shabwani, Jaber 263, 343Shahzad, Faisal 347Shamshad, Faheem siehe Faheem,

MuhammadShamsi, Hina 399Sharif, Nawaz 54, 289Shazad, Syed Saleem 329Shelton, Hugh 107Shultz, George 74Shultz, Richard H. jr. 205Simpson, Natasha 72Simpson, Victor L. (Vater von Natasha) 72Smith, Jeffrey 365Smith, Patrick 388Stevens, Christopher J. 356»Sue« (CIA-Agentenführerin in Pakistan)

313f., 317, 319, 331f.Suleiman, Omar 285

Sultan, Shaukat 129

Taylor, Mike 229Taylor, Zachary 263Tenet, George 12, 28ff., 33, 37, 85f., 104,

108, 110f., 116f., 141, 143, 245Thor, Brad 240Timajilic, Scheich 275»Toni« (CIA-Agentenführerin in Pakistan)

317Truman, Harry S. 60, 229Tschalabi, Ahmed 227f.Turco, Fred 74, 381Turner, Stansfield 59, 87, 91f., 250

ul-Haq, Ehsan 14, 44, 50, 52f., 127, 131,379

Vann, John Paul 103

Vergil (Publius Vergilius Maro) 83Vickers, Michael G. 153f.

Wazir, Nek Muhammad siehe NekMuhammad Wazir

Weinberger, Caspar 90f., 227Wilson, Charlie 109Wisner, Frank 201Wojtyła, Karol Józef siehe Johannes Paul

II.Wolfowitz, Paul 120Woods, Tyron 356f.Woodward, Bob 248Woolsey, R. James jr. 76, 109, 384

Yeager, Chuck 114f.

Zardari, Asif Ali 289, 298, 390al-Zarqawi, Abu Musab siehe al-Sarkawi,

Abu Musabal-Zawahiri, Ayman siehe al-Sawahiri,

AimanZegart, Amy 354, 400Zia-ul-Haq, Mohammad 51, 290Zinni, Anthony 228Zorick, Michael 166f.Zubaydah, Abu 139, 148

ORTSREGISTER

(Angegebene Seitenzahlen beziehen sichauf die Printausgabe des Buches.)

Abbottabad 193, 286, 303ff., 313, 317–324,329, 332, 336, 399

Abyan 259f., 262Addis Abeba 174f., 388Aden 259Aden, Golf von siehe Golf von AdenAfghanistan 10, 14, 21, 23, 28f., 33–39,

43–52, 55–58, 64, 67, 81, 84f., 104f.,108–112, 116, 118, 122f., 125f., 131ff.,136f., 139, 147, 153–158, 162f., 165,179f., 185, 188–191, 194–197, 199, 202,216f., 219ff., 224ff., 229f., 233f., 236,

238f., 242, 246, 248, 258f., 270, 290,296–299, 304, 308, 319ff., 323, 329,331f., 335, 354, 358, 361, 365f., 384,386, 389, 391f., 394 siehe auchOstafghanistan; Südafghanistan

Afrika 23, 101, 110, 164, 171, 174, 189,268, 270f., 282, 353, 365f. siehe auchHorn von Afrika; Nordafrika; Ostafrika;Südafrika; Westafrika

Ägypten 142, 212, 282–286Albanien 109Albuquerque (New Mexico) 200al-Dschauf 348f.Algerien 178Amerika siehe Lateinamerika;

Mittelamerika; Vereinigte Staaten vonAmerika (USA)

Amritsar 46Amsterdam 261, 341

Appalachen 288Arabische Halbinsel 15, 163, 258, 339,

341f., 346 siehe auch ArabischeStaaten; Naher Osten

Arabische Staaten 56, 271, 282–286 sieheauch Arabische Halbinsel

Arabisches Meer 108, 165, 260Argentinien 33Arkansas 228Arlington (Virginia) siehe PentagonAsadabad 185Asien 27, 100, 210, 353 siehe auch Naher

Osten; Südasien; Südostasien;Zentralasien

Äthiopien 174f., 178, 344Atlanta (Georgia) 202, 210Atlantik 53, 192Azzan 349

Bagdad 96, 144f., 152, 186, 206, 212Bagh 313Bagram Air Base (Afghanistan) 137, 156,

222, 299Bahawalpur 192Bahía de Cochinos siehe SchweinebuchtBajaur 135f., 138, 156ff., 185, 296Balad Air Base (Irak) 152Baldia Town 301Bali 156Balkan 109, 204, 208Bangkok 89, 139, 149Bangladesch 130Barawa 275Beirut 69f., 98, 185Belutschistan 46, 183Bengasi 289, 355ff., 361, 367, 400Berbera 172Big Stone Gap (Virginia) 288

Big-Safari-Büro siehe Wright-Patterson-Stützpunkt der US-Luftwaffe (Ohio)

Bilal Town 317ff., 332Bolivien 32, 65f., 76Bosnien 78, 204Bosporus 383Boston (Massachusetts) 229Britisch-Indien 53British Empire 323Bukarest 140

Cambridge (Großbritannien) 23Camp Chapman (Afghanistan) 185Camp Lemmonier (Dschibuti) 344, 346,

352f.Camp Peary (»The Farm«; York County,

Virginia) 41, 135, 191, 357Chaman 40China 108, 145, 214, 323

China Lake (Kalifornien) 114Colorado 309, 339, 351Connecticut 63, 347Corn Islands (Karibik) 33Costa Rica 68Creech Air Force Base siehe Indian Springs

Airforce Auxiliary FieldCu Lao Cham 205

Da Nang 205Dakota 204, 223Damadola 157f.Dascht-e Kawir 86f.Datta Khel 326f.Dayton (Ohio) 113, 204Death Valley 360Denver (Colorado) 309, 351Derunta (Qaida-Trainingslager) 109, 186Detroit 261, 341f.

Deutschland 26, 356Dien Bien Phu 173Dire Dawa 175f., 388Dir-Tal 187Dominikanische Republik 32Dschalalabad 156Dschibuti 105, 166, 279, 344, 346, 353Dschidda 241, 243Dubai 164, 202, 226, 231

El Buur 282El Salvador 31, 67Escondido (Kalifornien) 232, 363EU siehe Europäische UnionEuropa 23, 75, 143, 201, 229 siehe auch

Europäische Union (EU); OsteuropaEuropäische Union (EU) 210

Fairfax (Virginia) 153

Faisalbad 305Falludscha 152»The Farm« siehe Camp PearyFATA siehe Stammesgebiete unter

Bundesverwaltung (FATA; Pakistan)Fayetteville (North Carolina) 81 siehe auch

Fort BraggFederally Administrated Tribal Areas

(FATA) siehe Stammesgebiete unterBundesverwaltung (FATA; Pakistan)

Florida 89, 225Fort Belvoir (Virginia) 55, 93Fort Bragg (North Carolina) 81ff., 93, 203,

229, 275, 288Fort Collins (Colorado) 339Fort Hood (Texas) 347Fort Irwin (Kalifornien) 203Fort Leavenworth (Kansas) 132f.Fort Meade (Maryland) 105, 344

Frankreich 101

Genf 397Golf von Aden 103Golfstaaten 291Grand Trank Road 291Great Dismal Swamp (North Carolina) 144Grenada 91Großbritannien 192, 341, 346, 348 siehe

auch British EmpireGroße Salzwüste (Iran) siehe Dascht-e

KawirGround Zero 360 siehe auch World Trade

CenterGuantánamo 33f., 39f., 57, 183, 246f., 259,

380Guatemala 64, 76

Hamburg 148

Hanoi 61, 205Hauptquartier der US-Streitkäfte in

Afghanistan siehe Bagram Air BaseHazar Qadam 34f., 378Heart 225Helmand 220Highland Ranch (Colorado) 309Hindukusch 108, 132Hollywood 323Honduras 31, 68f.Horn von Afrika 166f., 169, 178, 268, 271–

274

Idaho 61, 230Indian Springs (Nevada) 113, 360f., 400

siehe auch Indian Springs AirforceAuxiliary Field (Nevada)

Indian Springs Airforce Auxiliary Field(Nevada; seit 2005: Creech Air Force

Base) 112–115, 360f.Indien 19, 43, 46ff., 53, 66, 128, 130, 192,

194, 290f., 323 siehe auch Britisch-Indien

Indochina 173Indonesien 268Irak 21, 57, 96, 125, 137, 145, 150–155,

162, 177, 180f., 202, 206, 212, 220f.,225, 227, 229, 243, 246, 248, 258, 270,288, 293, 335, 354

Iran 26, 69, 86ff., 154f., 181, 225, 228,235, 239, 320, 354, 381 siehe auchWestiran

Islamabad 14, 17, 20, 39, 43–46, 48f., 52,54, 57, 73, 122ff., 127f., 132, 183f., 187–190, 192, 194, 196, 199, 224, 289, 292f.,294, 296, 298–301, 305, 309ff., 313,315, 318f., 323ff., 327, 329f., 332, 396,398

Israel 117, 291Istanbul 383Italien 66

Jacobabad 46Jalalabad 109Jemen 10, 15, 21, 84, 103ff., 107, 119f.,

147, 163, 167, 212, 235f., 241–244,258–263, 273f., 339, 341–348, 350ff.,357, 361, 376, 384, 394

Jhelam (Pakistan) 130Jordanien 42, 101, 142, 212

Kabul 29, 38f., 43, 48, 64, 96, 144, 189,219ff., 223f., 226, 232–236, 239, 308,331f., 386, 389f.

Kairo 42, 285f.Kalifornien 114, 203, 232, 249, 293, 323,

358, 364

Kambodscha 97Kandahar (Provinz) 220Kandahar (Stadt) 29, 34, 38ff., 48, 112,

234, 377 siehe auch Tarnak Farm(Qaida-Trainingslager bei Kandahar)

Kansas 132f.Karatschi 183, 301, 309f., 327Karschi-Khanabad 111Kaschmir 47, 128, 190f., 290, 313Katar 389Kenia 44, 107, 164, 166, 168f., 268Khartum 28, 265Khost 185Khyber Pakhtunkhwa siehe North-West

Frontier Province (Khyber Pakhtunkhwa;Pakistan)

Kismayo 281Kittery (Maine) 77Kongo 62

Kuba 33, 67, 366 siehe auch Guantánamo;Schweinebucht

Kuwait 38, 108, 180

La Paz 65f.Lackland Air Force Base (Texas) 216, 237Lahore 14, 18f., 287, 289–296, 304, 306–

310, 327, 332, 367, 377Langley (Virginia) 22f., 27f., 30, 32, 41, 48,

59, 64, 69, 73, 75f., 78, 84, 91, 106f.,110ff., 117, 119, 141f., 144, 148f., 158,164, 181, 184, 187f., 190f., 199, 215,223f., 228f., 233, 247, 250, 257, 270,283, 288, 296, 299, 301, 309, 318, 323,335, 338, 377f.

Laos 89f., 97 siehe auch ZentrallaosLas Vegas (Nevada) 112ff., 116, 203, 207,

288, 359f., 361Lateinamerika 12, 32, 63, 65, 67f., 75f., 84,

101 siehe auch MittelamerikaLeisure World 363f.Libanon 70, 213Libyen 26, 282f., 284ff., 352, 355ff.Litauen 140London 63, 192, 341Luftwaffenstützpunkt Bagram siehe

Bagram Air Base (Afghanistan)Luftwaffenstützpunkt Balad siehe Balad Air

Base (Irak)

Ma’rib 103, 263, 343Madrid 63Maine 77Mali 365Managua 68Manhattan 170Manila 157Markham (Virginia) 171

Marokko 178, 212Maryland 105, 206, 344Mazedonien 288McDill Air Force Base (Florida) 215Mekka 178, 292Merca 163Mercury (Nevada) 113Mexiko 32, 64Miami (Florida) 203Minneapolis 178Minnesota 178Miranshah 52, 195f., 199f., 221, 229Mittelamerika 65, 67ff., 74Mittlerer Osten 338Mittlerer Westen (USA) 364Mogadischu 162, 164f., 167ff., 172ff., 177,

271f., 274f., 279ff.Mojave-Wüste 358Mombasa 265, 394

Morgantown (West Virginia) 170Moskau 215, 381, 386Mumbai 290f., 300Muridke 291Muzaffarabad 190, 313

Naher Osten 64, 75, 85, 101, 143, 207,209ff., 213, 235, 258, 284, 338, 353,355, 381

Nairobi 161, 164ff., 168f., 172, 300, 388Neapel 351Nepal 66Neu-Dehli 130, 256, 291Nevada 116, 360f., 365, 400New Hampshire 66New Jersey 245New Mexico 339New Orleans (Louisiana) 203New York City (New York) 170, 172, 202,

300, 347, 359 siehe auch Ground Zero;Times Square; World Trade Center

New York State 66Nicaragua 31, 33, 67ff., 143, 363Nigeria 271Nordafrika 21, 151, 163, 171, 189, 212ff.,

282–285, 355, 357, 361, 365 siehe auchArabische Staaten

Nordkorea 86, 181, 228, 354Nordpakistan 190Nordvietnam 83, 204f.Nord-Waziristan 52, 126, 156, 195–198,

220, 229, 237, 296, 330, 389Normandie 170North Carolina 81, 144, 203North-West Frontier Province (Khyber

Pakhtunkhwa; Pakistan) 53, 187, 197,313

Ogaden 174Ohio 113Oklahoma 212Osmanisches Reich 171Ostafghanistan 229Ostafrika 163f., 167, 174, 275, 277f., 280Ostblock 201Osteuropa 10, 74f., 215f., 283Ostküste (USA) 363f.

Pakistan 10, 11f., 15f., 18, 20f., 26, 38–41,43–47, 49, 51, 54–58, 84, 96, 100,121ff., 126, 128, 130, 132f., 135, 137ff.,142, 145, 151, 155–159, 163, 165, 179f.,184f., 187–190, 192–197, 199f., 202,217, 219ff., 224, 226, 229, 231, 233ff.,238, 246, 254, 256f., 260f., 270, 272ff.,289–307, 309ff., 315, 319ff., 323ff.,327ff., 331ff., 336, 339, 347, 352, 357ff.,

361, 365f., 376f., 386, 389, 392, 396siehe auch Britisch-Indien;Nordpakistan; Nord-Waziristan; North-West Frontier Province (KhyberPakhtunkhwa; Pakistan); Süd-Waziristan; Stammesgebiete unterBundesverwaltung (FATA; Pakistan);Waziristan; Westpakistan

Paktika 230Panama 90Panamakanal 383Panjshir-Tal 110Paraguay 101Paris 148Pathan-Straße, Abbottabad 319, 321f., 332Pazifik 85Pennsylvania Avenue, Washington D.C. 70Pentagon, Arlington (Virginia) 27, 34, 36,

47, 49, 87f., 115, 135, 165, 202, 330,

340Persischer Golf 56, 273, 302Peschawar 14, 50, 53–57, 126, 194, 296,

303, 315, 320, 327, 333, 399Philippinen 21, 151, 156f., 268, 387Prag 207f., 210f., 214–217, 223Puerto Rico 31Punjab 130, 192, 291Puntland 178, 395

Quetta 40

Ras Kamboni 176Riad 244f.Rom 72Rotes Meer 105, 241Rumänien 57, 75Russland 27, 47f., 293, 323 siehe auch

Sowjetunion

Sahakai 129San Antonio (Texas) 216f., 219, 235, 237San Diego (Kalifornien) 232, 339f., 363f.Sanaa 163, 236, 242, 258f., 261f., 343,

348f.Sandhurst 204Santa Cruz de la Sierra (Bolivien) 65, 69Saudi-Arabien 10, 180, 212, 235, 241,

243f., 262, 283, 291, 342ff., 346f., 352Schabwa 345, 349Schweinebucht 248Schweiz 397Seychellen 211Shahi-Kot-Tal 56Shakai 123, 127, 182Shamsi 46Sindh 46Somalia 15, 21, 84, 147, 151, 161–169,

171–178, 265, 267–282, 357, 376

South Carolina 83Sowjetunion 41, 48, 51f., 66f., 74, 104,

110, 132, 174, 194, 298, 381Spanien 63Spartanburg (South Carolina) 83Spin Boldak 40Spin Buldak siehe Spin BoldakSt. Petersburg (Florida) 214, 225Stammesgebiete unter Bundesverwaltung

(FATA; Pakistan) 14f., 53f., 56, 122,126–129, 135f., 147, 156f., 182f., 192,197ff., 220, 222, 229, 232, 290, 294,296–299, 303, 314, 316f., 326, 333, 389siehe auch Bajaur; Nord-Waziristan;Süd-Waziristan; Waziristan

Strawberry Patch 288Stuttgart 271Südafghanistan 112, 239Südafrika 300

Südamerika siehe LateinamerikaSudan 28, 176 siehe auch SüdsudanSüdasien 47, 143, 290 siehe auch

SüdostasienSüdostasien 89, 189, 201, 268 siehe auch

Indochina; SüdasienSüdsudan 176, 265, 394Süd-Waziristan 121f., 124–127, 129, 179,

181ff., 186, 193f., 196f., 199, 220, 256,296, 389

Sydney 112Syrien 97, 151, 212

Tampa (Florida) 49, 207, 210, 231f.Tampa Bay 215Tansania 44, 107, 164, 388Taparghai 199Tarnak Farm (Qaida-Trainingslager bei

Kandahar) 112, 356f.

Teheran 64, 86f., 233, 382Texas 216Thailand 57, 89f., 139Tierra del Fuego (Argentinien) 33Times Square 347Tora Bora 56, 304Tripolis 356Tschad 167Tschechische Republik 215ff., 237Tunesien 284Tunis 286Türkei 66

UDSSR siehe SowjetunionUganda 268, 394Ukraine 267USA siehe Vereinigte Staaten von AmerikaUsbekistan 110, 214Ushuaia 33

VAE siehe Vereinigte Arabische EmirateVereinigte Arabische Emirate (VAE) 104,

262, 268, 272f., 365Vereinigte Staaten von Amerika (USA) 14,

17, 19f., 22f., 31, 41ff., 45ff., 50ff., 63,65f., 77, 83, 86, 92, 94f., 103f., 115,117f., 125, 128, 139, 141, 147, 162,164f., 172, 174, 186, 188, 190, 194, 196,198f., 202, 204, 209ff., 214–217, 224,228, 243f., 248, 256, 259, 261–264, 268,270, 272, 274, 276, 279f., 283f., 291,294, 296, 298, 305–308, 319, 322f.,325f., 331, 333, 339–343, 345–348, 350,352, 355, 358, 375, 391

Vereinigtes Königreich von Großbritanniensiehe Großbritannien

Vietnam 61, 83f., 97, 103, 248 siehe auchNordvietnam

Virginia 21f., 41, 93, 135, 153, 169–172,

267, 278, 282, 288, 340, 364 siehe auchWest Virginia

Wana 122–125, 182–187, 196, 199f.Wanat 222Wardak 330f.Washington Beltway (Interstate 495) 93Washington D.C. 21, 23, 26, 28, 34, 36, 39,

44, 46, 48f., 51, 57, 66f., 104, 113, 120,122, 131, 133, 149f., 156, 158, 161f.,166ff., 170, 173ff., 197, 205f., 216, 225,236, 241, 244, 250f., 253, 256, 258ff.,262f., 268, 270–274, 278, 289, 291f.,294ff., 306, 321f., 325, 326ff., 331,336f., 339, 342, 351, 353, 363–366, 376,386 siehe auch Pennsylvania Avenue;Washington Beltway (Interstate 495)

Waziristan 123f., 185, 318 siehe auchNord-Waziristan; Süd-Waziristan

West Point (New York) 204West Virginia 18, 169f.Westiran 154Westpakistan 19, 137Wien 72, 180World Trade Center 27, 44, 47, 84, 106,

125, 330 siehe auch Ground ZeroWright-Patterson-Stützpunkt der US-

Luftwaffe (Ohio) 113Wyandotte (Oklahoma) 212

Yucca Flats (Nevada) 113

Zanghara 256Zentralamerika siehe MittelamerikaZentralasien 64, 211, 213f.Zentrallaos 89Zhawar Kili 34, 378