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Mechanik II Dynamik Vorlesungsbegleitende Unterlagen Bernd Binninger Aachen im Fr¨ uhjahr 2017 Institut f¨ ur Technische Verbrennung RWTH Aachen

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Mechanik II

Dynamik

Vorlesungsbegleitende Unterlagen

Bernd Binninger

Aachen im Fruhjahr 2017

Institut fur Technische Verbrennung

RWTH Aachen

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Inhaltsverzeichnis

1 Dynamik des Massenpunktes 11.1 Kinematik des Punktes oder Massenpunktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

1.1.1 Ort eines Punktes P . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.2 Geschwindigkeit eines Punktes P . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

1.1.2.1 Kreisbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.1.3 Zusammenfassung zur Geschwindigkeit v von Massenpunkten . . . . . . . 61.1.4 Beschleunigung eines Punktes P . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

1.1.4.1 Kreisbewegung mit konstantem Geschwindigkeitsbetrag . . . . . 101.1.4.2 Allgemeine Kreisbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

1.1.5 Zusammenfassung zur Beschleunigung a von Massenpunkten . . . . . . . 141.1.6 Geschwindigkeit und Ort eines Punktes bei gegebener Beschleunigung . . 151.1.7 Wechsel unabhangiger Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211.1.8 Kinematik der Relativbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

1.1.8.1 Reine Translation der Bezugssysteme . . . . . . . . . . . . . . . 261.1.8.2 Translatorisch und rotatorisch bewegte Bezugssysteme . . . . . . 281.1.8.3 Zusammenfassung zur Darstellung der Kinematik bei relativ be-

wegten Koordinatensystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351.2 Kinetik des Massenpunktes - die Newtonschen Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . 37

1.2.1 Newtonsche Bewegungsgesetze: Zusammenfassung und Folgerungen . . . . 411.2.2 Zweites Newtonsches Gesetz: Zusammenfassung und Folgerungen . . . . . 411.2.3 Maßsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421.2.4 Grundaufgaben der Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421.2.5 Losbarkeit der Newtonschen Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . 431.2.6 Integrale der Newtonschen Bewegungsgleichung und Erhaltungssatze . . . 51

1.2.6.1 Arbeitssatz und Energiesatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511.2.6.2 Arbeit spezieller Krafte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

1.2.6.2.1 Konservative Krafte und Potential . . . . . . . . . . . . 521.2.6.2.2 Zusammenfassung fur konservative Krafte . . . . . . . 561.2.6.2.3 Die Gewichtskraft, eine konservative Kraft . . . . . . . 561.2.6.2.4 Die Arbeit einer ideal-elastischen Feder, Potential der

Federkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 581.2.6.2.5 Die Reibkraft, eine nichtkonservative Kraft . . . . . . . 581.2.6.2.6 Zwangs- oder Fuhrungskrafte . . . . . . . . . . . . . . . 60

1.2.6.3 Energieerhaltungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611.2.6.4 Beispiele zum Arbeits-, Energie- und Energieerhaltungssatz . . . 621.2.6.5 Leistung einer Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 721.2.6.6 Der Impulssatz und der Impulserhaltungssatz . . . . . . . . . . . 741.2.6.7 Drehimpuls, Drehimpulssatz und Drehimpulserhaltungssatz . . . 821.2.6.8 Stoß- und Streuprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

1.2.6.8.1 Anwendungen des plastischen Stoßes: Schmieden undNageln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

1.2.6.8.2 Zusammenfassung zu Stoßprozessen . . . . . . . . . . . 981.2.6.9 Ideal-elastische Streuung und ideal-elastischer Stoß . . . . . . . . 991.2.6.10 Impuls- und Energieerhaltung bei Zerfallsprozessen . . . . . . . 102

1.2.7 Zusammenfassung zur Kinetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1041.3 Kinetik des Massenpunktes - die Lagrangeschen Gleichungen . . . . . . . . . . . 105

1.3.1 Herleitung der Lagrangeschen Gleichungen mit dem Prinzip von d’Alembert1071.3.2 Herleitung der Lagrangeschen Gleichungen aus dem Hamiltonschen Prinzip1091.3.3 Abschließende Bemerkungen zur Lagrangeschen Mechanik . . . . . . . . . 113

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2 Dynamik des starren Korpers 1192.1 Kinematik des starren Korpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

2.1.1 Geschwindigkeit und Beschleunigung von Punkten eines starren Korpers . 1192.2 Kinetik des starren Korpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

2.2.1 Schwerpunktsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1292.2.2 Potentielle und kinetische Energie des Korpers . . . . . . . . . . . . . . . 134

2.2.2.1 Massentragheitsmomente einfacher ebener Korper . . . . . . . . 1442.2.3 Drehimpuls des starren Korpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

2.2.3.1 Zusammenfassung zum Drehimpuls oder Drall . . . . . . . . . . 1572.2.3.2 Zusammenfassung zum Drehimpuls- oder Drallsatz . . . . . . . . 158

3 Schwingungsvorgange 1643.1 Freie Schwingungen mit einem Freiheitsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

3.1.1 Das mathematische Pendel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1663.1.2 Feder-Masse-Schwinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

3.2 Freie gedampfte Schwingung mit einem Freiheitsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . 1753.3 Erzwungene gedampfte Schwingung mit einem Freiheitsgrad . . . . . . . . . . . . 1793.4 Freie ungedampfte Schwingung mit zwei Freiheitsgraden . . . . . . . . . . . . . . 187

A Vektoren iA.1 Symbolische und grafische Darstellung von Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . iA.2 Darstellung von Vektoren in kartesischen Koordinatensystemen . . . . . . . . . . iiA.3 Addition von Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . iiiA.4 Subtraktion von Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . vA.5 Produkte von Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . v

A.5.1 Skalares oder inneres Produkt von Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . vA.5.2 Vektor-, Kreuz- oder außeres Produkt dreidimensionaler Vektoren . . . . viA.5.3 Spatprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . viiA.5.4 Dyadisches oder tensorielles Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . viiA.5.5 Indexschreibweise und Tensorkalkul in kartesischen Koordinaten . . . . . viii

A.6 Analysis und Vektoranalysis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xiiiA.6.1 Partielle Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xiiiA.6.2 Der Gradient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xivA.6.3 Die Divergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xviA.6.4 Die Rotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xviiA.6.5 Vollstandiges, exaktes oder totales Differential . . . . . . . . . . . . . . . xviii

B Literaturempfehlungen xixB.1 Statik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xixB.2 Festigkeitslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xixB.3 Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xix

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1 Dynamik des Massenpunktes

1.1 Kinematik des Punktes oder Massenpunktes

Die Kinematik ist die Lehre von der Beschreibung des Ortes (Lage) und der zeitlichen Orts-veranderung (Bewegung) von Korpern.

Sie ist demnach die Geometrie der Bewegung in Raum und Zeit, wobei die Ursache der Bewe-gung nicht betrachtet wird.

Wir wollen uns zunachst auf die Kinematik eines als punktformig idealisierten Korpers P be-schranken. Bewegt sich dieser Punkt, so beschreibt er eine sogenannte Bahnkurve.

Bezuglich der Zeit t setzen wir voraus, dass sie unabhangig von allen anderen Großen gleichmaßig

fortschreiten soll1).

Dies erlaubt die nachfolgenden, weitergehenden Betrachtungen und Definitionen.

1.1.1 Ort eines Punktes P

Zur Beschreibung des Ortes des Punktes P zum Zeitpunkt t wird der Ortsvektor r(t) herange-zogen, wie in der Abbildung dargestellt.

In kartesischer Darstellung lasst sich dieser durch

(1.1.1)

oder alternativ mit den Einheitsvektoren

(1.1.2)

darstellen.

Der Ortsvektor besitzt die Dimension einer Lange:

xy

z

1)Es macht die Große und die Schonheit der Physik aus, dass solche, vermeintlich auf der Hand liegendenAnsichten wegen realen, das heißt experimentell uberprufbaren Gegebenheiten

”uber den Haufen geworfen werden

mussen“. In der speziellen Relativitatstheorie haben Ort und Zeit keine unabhangige Existenzberechtigung, beidesind eng miteinander verwoben → Einstein, Minkowski. In der Quantenmechanik lassen sich Positronen, die Anti-Teilchen zu Elektronen, auffassen als Elektronen, die sich ruckwarts in der Zeit bewegen → Feynman-Diagramme.

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Statt der Zeit als Parameter kann der Ortsvektor auch in Abhangigkeit von der Position auf derBahnkurve angegeben werden. Zur Festlegung der Position eignet sich dann zum Beispiel dieBogenlange s.

(1.1.3)

1.1.2 Geschwindigkeit eines Punktes P

Die Geschwindigkeit v soll die Anderung des Ortes des Punktes P auf der Bahnkurve beschreiben.

Nach dieser Vorgabe lasst sich der Geschwindigkeitsvektor v(t) bei fortschreitender Zeit aus demOrtsvektor durch folgenden Grenzubergang berechnen:

(1.1.4)

Der Grenzwert ist definiert, solange die Bahnkurve keine Knicke oder Sprunge aufweist2).

Wir erkennen in dieser Definition fur die Geschwindigkeit dieaus der Mathematik bekannte Differentiation oder Ableitung.Daher durfen wir auch

(1.1.5)

schreiben.

In der Mathematik ist fur das Differential die Schreibweise

dy

dx= y′

x

z

PBahnkurve

y

gebrauchlich. In der Dynamik wird ublicherweise fur die Ableitung nach der Zeit ein hochge-stellter Punkt benutzt

(1.1.6)

Die Geschwindigkeit ist wie der Ortsvektor ein Vektor, seine Dimension ist Lange/Zeit also

(1.1.7)

2)Diese Annahme ist berechtigt, denn abrupte Sprunge und Knicke sind bei realen Korpern wegen der stetsvorhandenen Massentragheit nicht zu erwarten. Diese Eigenschaft realer Korper bleibt beim Ubergang zum Mas-senpunkt erhalten.

2

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In einem kartesischen Koordinatensystem lasst sich der Geschwindigkeitsvektor fur Bewegungenim dreidimensionalen Raum durch drei Geschwindigkeitskomponenten darstellen

(1.1.8)

oder

(1.1.9)

wobei die Geschwindigkeitskomponenten durch die zeitlichen Ableitungen der kartesischen Ko-ordinaten des Ortsvektors

(1.1.10)

berechnet werden konnen.

Da durch einen solchen Differentiationsprozess auch die Tangente an eine Kurve bestimmt wird,so ist auch der Geschwindigkeitsvektor ein an die Bahnkurve r(t) tangentialer Vektor. Der Rich-tungssinn des Vektors stimmt dabei mit dem Durchlaufsinn der Bahnkurve uberein.

Will man insbesondere bei vorgegebener Bahnkurve nur etwas uber den Betrag der Geschwin-digkeit aussagen, so kann ein beliebiger Parameter, der den Ort auf der Bahnkurve eindeutigbeschreibt, genutzt werden. Ublicherweise ist dieser Parameter die Bogenlange s, wodurch dieVerhaltnisse besonders einfach werden. In diesem Fall ist namlich |∆r | = ∆s. Fur den Betragder Geschwindigkeit als Funktion der Bogenlange s gilt dann

(1.1.11)

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1.1.2.1 Kreisbewegung

Zum Zeitpunk t befindet sich der Korper am PunktP. Die Position kann angegeben werden entwederdurch den Ortsvektor r(t) zu diesem Zeitpunktoder durch die Position auf der Kreisbahn durchAngabe der Bogenlange s(t) oder des Winkels φ(t).Falls φ in Radiant angegeben wird, gilt: s = r φ

Der Geschwindigkeitsvektor errechnet sich aus

(1.1.12)

y

x

s(t)

ϕ(t) 0s

P

Ortsplan Vektorplan

r (t)

Fur die Geschwindigkeit ist, da der Radius der Bahn konstant ist, die Richtungsanderung desOrtsvektors r entscheidend. Wir erkennen am Vektorplan

(1.1.13)

Um der Kreisbahn zu folgen, muss der Vektor dr in tangentialer Richtung zur Bahn orientiertsein. Entsprechend liegt der Geschwindigkeitsvektor v auch tangential an die Bahn an.

Richtung und Richtungssinn des Geschwindigkeitsvektors sind aus dieser Uberlegung und demDurchlaufsinn der Kreisbahn bekannt, weshalb uns erstmal die Beschreibung des Betrages derGeschwindigkeit

(1.1.14)

zu jedem Zeitpunkt interessiert. Mit der Bogenlange s oder dem Winkel φ gilt:

(1.1.15)

und es ist auch

(1.1.16)

Der Betrag der Geschwindigkeit kann demnach durch

(1.1.17)

ausgedruckt werden.

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Die Großedφ

dt= φ wird Winkelgeschwindigkeit genannt. Die Dimension der Winkelgeschwin-

digkeit ist [φ] =rad

s= s−1.

Es ist ublich einen neuen Buchstaben fur die Winkelgeschwindigkeit zu nutzen: φ = ω.

Die hier gefundenen Ergebnisse konnen unmittel-bar auf jede krummlinige Bahn in der Ebene an-gewendet werden, wenn statt des Radius r derKrummungsradius ρ des Schmiegekreises in die ge-fundenen Beziehungen eingesetzt wird3):

(1.1.18)s(t)

v

ρ (t)

ρ (t+dt)

P

Ortsplan Vektorplan

Os

Wir konnen auf diese Weise an jedem Punkt der Bahn denBetrag der Geschwindigkeit bestimmen. Wir widmen unsnun noch dem Richtungssinn.

Die Tatsache, dass der Geschwindigkeitsvektor tangentialan der Bahnkurve anliegt, bedeutet auch, dass er stetssenkrecht auf dem Ortsvektor r bzw. dem Radiusvektor ρdes Schmiegekreises steht. Man kann sich die Vektornotati-on zu Nutze machen, um den Richtungssinn zusammen mitdem Betrag kompakt darzustellen.

Wir definieren dazu noch einen passenden axialen Vektor,den Winkelgeschwindigkeitsvektor ˙φ. Dieser soll in Richtungder Achse der Kreisbewegung, also senkrecht auf die Ebeneder Bahnkurve stehen, sein Richtungssinn soll der Rechte-Hand-Regel folgen.

s(t)

v

P

Ortsplan

y x

z

Os

Wir interpretieren die ebene Darstellung der vorigen Abbildung dreidimensional, wobei derKrummungsvektor des Schmiegekreises und der Geschwindigkeitsvektor die x, y-Ebenen eineskartesischen Koordinatensystems aufspannen. Dann weist der Winkelgeschwindigkeitsvektor nachVereinbarung in Richtung der z-Achse. Wir konnen daher den Geschwindigkeitsvektor durch dasVektorprodukt

(1.1.19)

ausdrucken. Fur die einfachere Kreisbahn entsprechend

(1.1.20)

3)Da der Vektor ρ zu einem Schmiegekreis gehort, ist sein Betrag konstant: |ρ(t + dt)| = |ρ(t)| Daher unter-scheiden sich ρ(t) und ρ(t+ dt) nur ihre Richtung.

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1.1.3 Zusammenfassung zur Geschwindigkeit v von Massenpunkten

Die Geschwindigkeit von Massenpunkten ist definiert als die zeitliche Ableitung des Ortes r nachder Zeit laut Gl. (1.1.5):

v =dr

dt

Die Geschwindigkeit eines Massenpunkten an einem Punkt einer Bahnkurve zeigt damit in Rich-tung der Tangente an diese Bahnkurve.

Mit der Winkelgeschwindigkeitdφ

dt= φ = ω

bei Kreisbahnen erhalten wir den Betrag der Geschwindigkeit aus der Beziehung Gl. (1.1.17)

v = rdφ

dt= r φ = r ω .

Richtung und Betrag der Geschwindigkeit lassen sich mit dem axialen Winkelgeschwindigkeits-vektor

dt= ˙φ = ω

laut Gl. (1.1.20) mathematisch elegant durch das Vektorprodukt

v = ˙φ× r = ω × r .

darstellen.

Fur nichtkreisformige gekrummte Bahnen tritt an die Stelle des Radiusvektors r der lokaleRadiusvektor ρ des Schmiegekreises.

1.1.4 Beschleunigung eines Punktes P

Im Allgemeinen ist auch die Geschwindigkeit von der Zeit abhangig. Die zeitliche Anderung desGeschwindigkeitsvektors wird als Beschleunigung a bezeichnet.

Die Beschleunigung a(t) des Punktes P zum Zeitpunkt t durch die Anderung der Geschwindig-keit mit der Zeit definiert:

(1.1.21)

Setzen wir darin die Definition der Geschwindigkeit ein, so sieht man sofort, dass

(1.1.22)

6

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ist. Die Beschleunigung lasst sich also als erste Ableitung der Geschwindigkeit nach der Zeit undals zweite Ableitung des Ortes nach der Zeit darstellen.

Die Dimension der Beschleunigung ist Lange/Zeit2:

Naturlich ist auch die Beschleunigung ein Vektor. Der Beschleunigungsvektor hat anders als derGeschwindigkeitsvektor neben einer Tangentialkomponente an die Bahnkurve auch eine Normal-komponente.

Die Tangentialkomponente sorgt fur die Anderung des Geschwindigkeitsbetrages, die Normal-komponente fur die Anderung der Bewegungsrichtung.

Anders als die Geschwindigkeit ist die Tangentialkomponente der Beschleunigung nicht an denDurchlaufsinn der Bahnkurve gekoppelt. Nimmt namlich der Betrag der Geschwindigkeit inRichtung des Durchlaufsinns der Bahnkurve bei gebremster Bewegung ab, so zeigt die Tangen-tialbeschleunigung gegen den Durchlaufsinn der Bahnkurve.

Die Normalkomponente der Beschleunigung sorgt fur die Anderung der Richtung der Geschwin-digkeit. Da die Richtung der Geschwindigkeit durch die Bahnkurve vorgegeben ist, kann dieNormalkomponente der Beschleunigung anders als die Tangentialkomponente aus der Form derBahnkurve und der momentanen Geschwindigkeit ermittelt werden. Dies wird dem nachfolgen-den Abschnitt 1.1.4.1 auf Seite 10 fur die Bewegung auf einer Kreisbahnen betrachtet.

Ubungen

1.a Skizzieren Sie einen Vektorplan, in dem der Vektor der Ortsanderung ∆r die Ortsvektorenr(t) und r(t+∆t) miteinander verknupft!

1.b Skizzieren Sie einen analogen Vektorplan, in dem die Geschwindigkeitsanderung ∆v dieGeschwindigkeitsvektoren v(t) und v(t+∆t) miteinander verknupft! Zerlegen Sie zusatz-lich den Vektor ∆v in eine Normal-, und eine Tangentialkomponente zum Vektor v(t)!

2. Der Geschwindigkeitsvektor ist in Richtung der Tangente an die Bahnkurve und sein Rich-tungssinn stimmt mit dem Durchlaufsinn der Bahnkurve uberein. Letztere Aussage stimmtfur die Tangentialkomponente der Beschleunigung nicht.

In welchen Fallen stimmt der Richtungssinn der Tangentialbeschleunigung mit dem Durch-laufsinn der Bahnkurve uberein, in welchen Fallen nicht?

Ist es auch moglich, dass die Tangentialbeschleunigung zu Null wird? Wenn ja, wann istdies der Fall?

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Beispiel

Ein Punkt bewegt sich entlang einer Geraden im Raum. Zu verschiedenen Zeitenti , i = 0, . . . , 6 befindet er sich an verschiedenen Stellen si , i = 0, . . . , 6, die durch denAbstand zum Ursprung bei 0 bezeichnet werden sollen.

Bestimmen Sie anhand der Tabelle die mittleren Geschwindigkeiten und mittlerenBeschleunigungen in den entsprechenden Abschnitten!

Zeichnen Sie die Werte in ein Weg-Zeit-Diagramm s(t), ein Geschwindigkeits-Zeit-Diagramm v(t) und ein Beschleunigungs-Zeit-Diagramm a(t) ein!

Approximieren Sie fur die Punkte 0, 1, 2, 3 den Weg-Zeit-Verlauf durch ein Polynom undberechnen Sie die Geschwindigkeit und die Beschleunigung aus diesem Polynom!

Bestimmen Sie die Geschwindigkeit mittels des Polynomansatzes dritten Grades als Funk-tion der Beschleunigung a!

Geg.:

i 0 1 2 3 4 5 6

ti/[s] 0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0

si/[m] 0 0,3 0,5 0,75 0,8 0,85 1,0x

z

y

s

0

12

3 4 56

Losung:

i 0 1 2 3 4 5 6

vi/[m/s]

ai/[m/s]

Es fallt ins Auge, siehe dazu auch die nachfolgende grafische Auswertung der Daten der Tabelle,dass mit zunehmender Ordnung der Ableitung die errechneten Werte immer starker oszillieren.Ein glatterer Verlauf erfordert offensichtlich zusatzliche Messpunkte.

Ansatz fur das Polynom: s(t) = c0 + c1 t+ c2 t2 + c3 t

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0 c0 = 0 m

1 [m] = 0 [m] + [s] c1 + [s2] c2 + [s3] c3

2 [m] = 0 [m] + [s] c1 + [s2] c2 + [s3] c3

3 [m] = 0 [m] + [s] c1 + [s2] c2 + [s3] c3

Ergebnis: c0 = 0 m , c1 =4

5m/s , c2 = −1

2m/s2 , c3 =

1

5m/s3

Bestimmung der Geschwindigkeit und der Beschleuni-gung aus dem Polynom als Funktion der Zeit t:

Bestimmung der Geschwindigkeit als Funktion derBeschleunigung a:

Wegen

folgt

s [m]

v [m/s]

a [m/s2]

0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0

0,5

1,0

- 0,5

0

- 1,0

t [s]

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1.1.4.1 Kreisbewegung mit konstantem Geschwindigkeitsbetrag

Zum Zeitpunk t befindet sich der Korper amPunkt P. Die Position kann entweder durch denOrtsvektor r(t) zu diesem Zeitpunkt oder durchAngabe der Bogenlange s(t) oder des Winkels φ(t)angegeben werden.

Zum Zeitpunk t befindet sich der Korper amPunkt P. Seine Position kann entweder durch denOrtsvektor r(t) oder durch die Angabe von Bo-genlange s(t) oder Winkel φ(t) beschrieben werden.

Zum spateren Zeitpunkt t + dt befindet sich derPunkt immer noch auf der Kreisbahn, so dass derRadiusvektor eine reine Drehung erfahrt

(1.1.23)

die im unteren Vektorplan dargestellt ist.

y

x

s(t)

0s

P

Ortsplan Vektorplan

Obwohl der Betrag der Geschwindigkeit konstant ist, erfordert die Richtungsanderung der Ge-schwindigkeit eine Geschwindigkeitsanderung dv. Diese ist im oberen Vektorplan dargestellt, derdie Geschwindigkeitsvektoren zu den beiden Zeitpunkten zueinander in Beziehung setzt:

(1.1.24)

Die Vektoren dr und dv stehen senkrecht auf dem Radiusvektor r(t) bzw. dem Geschwindigkeits-vektor v(t). Da auch der Geschwindigkeitsvektor v(t) senkrecht auf dem Radiusvektor r(t) steht,weist die Geschwindigkeitsanderung dv in den entgegengesetzten Richtungssinn des Vektors r.

Wie die Spitze des Ortsvektors r im Ortsraum dreht sich die Spitze des Geschwindigkeitsvektorsauf einer Kreisbahn in der Zeit dt um denselben Winkel dφ. Im Geschwindigkeitsraum besitztdieser Kreis den Radius |v|, dessen Maß unabhangig vom Radius r der Bahnkurve ist.

Fur die Beschleunigung gilt die Definition:

(1.1.25)

Die fur die Kreisbewegung mit konstanter Geschwindigkeit notwendige Beschleunigung weistalso in Richtung des Vektors dv und steht damit notwendigerweise senkrecht oder normal zurKreisbahn und zwar stets mit dem Richtungssinn zum Mittelpunkt des Kreises hin. Sie wirdNormalbeschleunigung an genannt.

Verwenden wir wieder alternativ die Bogenlange s(t) oder den Winkel φ(t) zur Angabe derPosition des Punktes P, dann konnen wir den Betrag der Normalbeschleunigung errechnen.Falls wie vorausgesetzt |v| = const gilt: =

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(1.1.26)

Wir konnen in dieser Beziehung die Geschwindigkeit durch v = rφ = rω ersetzen und erhalten

(1.1.27)

oder wir ersetzen die Winkelgeschwindigkeit ω durch die Geschwindigkeit v, was auf

(1.1.28)

fuhrt.

Da auch hier wieder rechte Winkel im Spiel sind, lassen sich die Aussagen uber Betrag undRichtungssinn der Normalbeschleunigung mittels des Kreuzproduktes zusammenfassen. Es ist

(1.1.29)

oder mit v = ˙φ× r

(1.1.30)

Man erhalt das gleiche Ergebnis auch, wenn man die zeitliche Differentiation auf die Formel furdie Geschwindigkeit anwendet und dabei beachtet, dass mit dem konstanten Geschwindigkeits-betrag |v| = const fur die ebene Kreisbewegung auch der Winkelgeschwindigkeitsvektor ω nachBetrag und Richtung konstant sein muss. Es ist

(1.1.31)

Mit

liefert das wieder die Beziehung

(1.1.32)

1.1.4.2 Allgemeine Kreisbewegung

Wir haben gesehen, dass die Normalbeschleunigung, die die Richtungsanderung der Geschwin-digkeit beschreibt, vom momentanen Betrag der Geschwindigkeit abhangt. Dies bleibt auch so,wenn sich der Betrag der Geschwindigkeit zeitlich andert da fur die momentane Anderung des

11

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Betrages der Geschwindigkeit eine Beschleunigungskomponente at tangential zur Bahn notwen-dig sein muss, die, da sie auf der Normalbeschleunigung senkrecht steht, von dieser vollkommenunabhangig ist.

Wir definieren also mit vt ≡ v

(1.1.33)

Hier taucht die bisher noch nicht eingefuhrte Anderung der Winkelgeschwindigkeit auf, die alsWinkelbeschleunigung φ oder ω bezeichnet wird.

Wie die Winkelgeschwindigkeit ist auch die Winkelbeschleunigung ein axialer Vektor, der derRechte-Hand-Regel genugt. Eine Vergroßerung der Winkelgeschwindigkeit geht mit einer posi-tiven Winkelbeschleunigung einher.

Betrag und Richtung der Tangentialbeschleunigung konnen wieder durch das Vektorproduktdargestellt werden:

(1.1.34)

Wir durfen diese Ergebnisse auch wieder auf beliebige krummlinige Bahnen in der Ebene ubert-ragen, wenn wir statt des Radius den lokalen Krummungsradius ρ des Schmiegekreises einsetzen.

Zusammenfassend ergibt sich fur die Beschleunigung einer allgemeinen raumlichen Bewegungentlang deiner krummlinigen Bahhnkurve

(1.1.35)

wenn ρ der Radius des Schmiegekreises an die Bahn ist.

12

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Zahlenbeispiel

Ein Rad vom Radius R drehe sich mit konstanter Drehzahl n gegen der Uhrzeigersinn um einefeste Achse.

Geg.: R , n

Zahlenwerte: R = 30 cm , n = 10001

min

Ges.:

a) die Winkelgeschwindigkeit und die Winkelbeschleunigung!

b) die Geschwindigkeit eines Punktes am Umfang!

c) die Beschleunigung eines Punktes am Umfang!

Losung

Wir definieren die unbekannten Vektoren an Hand eines Ortsplans.

a) Die Winkelgeschwindigkeit ergibt sich mit der Umdrehungszeit

(1.1.36)

zu

(1.1.37)

ϕ

R

P

Lageplan

ϕ

R

P

n

b) Die Tangentialgeschwindigkeit v folgt aus

(1.1.38)

c) Tangential- und Normalbeschleunigung ergibt sich aus

(1.1.39)

Im Vergleich zur Erdbeschleunigung g = 9, 81m

s2ergibt sich ein erhebliches Vielfaches:

13

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1.1.5 Zusammenfassung zur Beschleunigung a von Massenpunkten

Die Beschleunigung von Massenpunkten ist definiert als die zeitliche Ableitung der Geschwin-digkeit v bzw. als die zweite Ableitung des Ortes r nach der Zeit laut Gl. (1.1.25):

a =dv

dt=

d2r

dt2

Die Beschleunigung an einer Bahnkurve setzt sich nach Gl. (1.1.35) zusammen aus zwei Kom-ponenten

a = at + an.

Dabei bezeichnet at die Tangentialbeschleunigung an die Bahn und an die Normalbeschleuni-gung, deren Richtungssinn immer zum Mittelpunkt des Schmiegekeises an die Bahnkurve ge-richtet ist. Anders als die Geschwindigkeit kann damit der Vektor der Beschleunigung beliebigzur Bahnkurve orientiert sein.

Mit der Winkelgeschwindigkeit φ = ω und der Winkelbeschleunigung φ = ω erhalten wir dieBetrage der Beschleunigungskomponenten aus den Beziehungen Gl. Gl. (1.1.27) und (1.1.33)

an = rω2 und at = rω.

Richtung und Betrag der Beschleunigungskomponenten lassen sich mit dem axialen Winkel-geschwindigkeitsvektor ˙φ = ω und dem axialen Winkelbeschleunigungsvektor ¨φ = ˙ω laut Gl.(1.1.35) mathematisch elegant durch die Vektorprodukte

an = ω ×(ω × r

)und at = ˙ω × r

darstellen.

Fur nichtkreisformige gekrummte Bahnen tritt an die Stelle des Radiusvektors r der lokaleRadiusvektor ρ des Schmiegekreises.

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1.1.6 Geschwindigkeit und Ort eines Punktes bei gegebener Beschleunigung

In den meisten Fallen ist nicht von vornherein der funktionale Zusammenhang r(t) gegeben, ausdem durch die Definitionen

(1.1.40)

Geschwindigkeit und Beschleunigung ausgerechnet werden konnen.

Oft sind Geschwindigkeit und Ort unter der Vorgabe der Beschleunigung a(t) zu ermitteln. Dasklassische Beispiel hierfur ist die freie Bewegung im Schwerefeld nahe der Erdoberflache. Sindim Vergleich zum Erdradius die betrachteten Strecken r(t) klein, so wirkt an jedem Ort und zujeder Zeit die konstante Erdbeschleunigung g.

Die Ausrechnung von Geschwindigkeit und Ort erfordert dann eine Integration (Umkehrung derDifferentiation). Wir erhalten allgemein aus den Definitionen durch bestimmte Integration

(1.1.41)

darin sind v0 = v(t = t0) und r0 = r(t = t0) Geschwindigkeit und Ort zum Zeitpunkt t = t0, diebekannt sein mussen. In vielen Fallen kann der Zeitpunkt t0 zu Null gesetzt werden: t0 ≡ 0

Alternativ zu diesem Vorgehen kann auch eine unbestimmte Integration erfolgen. Die Beziehun-gen lauten dann

(1.1.42)

Die Integrationskonstanten cv und cr werden aus den Anfangsbedingungen bestimmt. Zum Bei-spiel

(1.1.43)

so dass wir dasselbe Ergebnis wie bei der bestimmten Integration erhalten.

Wir wollen dies am Beispiel des freien Falles und des schiefen Wurfes demonstrieren.

15

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Beispiel: Freier Fall

Eine Bungeespringer hangt an einem Seil der Lange l. Er lasst sich im Schwe-refeld der Erde aus der Ruhelage von einer Brucke fallen, die in einer Hohe huber dem Grund der Schlucht fuhrt. Der Luftwiderstand soll vernachlassigtwerden, und die Hohe ist klein im Verhaltnis zum Erdradius.

Geg.: g , l , Richtungssinn von Erdbeschleunigung und KoordinatenachAbbildung

Zahlenwerte: g = 9, 81m

s2, h = 100m , l = 20m

Ges.:

a) die Geschwindigkeit und die Beschleunigung als Funktion der Zeit, so-lange das Seil noch ungespannt ist!

b) die Flugzeit tl, bis sich das Seil zu spannen beginnt, und die Geschwin-digkeit vl in diesem Moment!

l

h

g

z

Losung:

Die Beschleunigung, die der Korper erfahrt, ist an jedem Punkt der Bahn undjeder Zeit durch g gegeben. Wir wahlen den Ortsvektor r = (0, 0, z) wobei zvom Boden aus in die Hohe gemessen werden soll.

Wir definieren Beschleunigung und Geschwindigkeit wegen dr = (0, 0, dz) dazupassend:

(1.1.44)

Die entsprechenden Darstellung der Erdbeschleunigung und der Geschwindig-keit in diesem Koordinatensystem sollen lauten:

(1.1.45)

Mit dieser Festlegung des Richtungssinnes von v erwarten wir, dass wir einenegatives Ergebnis fur den Wert von v erhalten.

l

h

g

z

Die Bewegung ist eindimensional, so dass wir auf die Vektordarstellung in den obigen Formelnverzichten konnen. Die unbestimmte Integration liefert

(1.1.46)

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Da der Korper seine Bewegung in der Ruhelage zum Zeitpunkt t = 0 beginnt, folgt mit cv = 0

(1.1.47)

Die Geschwindigkeit weist also in negative z-Richtung, und der Betrag der Geschwindigkeitnimmt linear mit der Zeit zu.

Der Ort berechnet sich aus

(1.1.48)

Zum Zeitpunkt t = 0 befindet sich der Korper bei z = h, so dass cz = h wird.

Die Losung ist demnach

(1.1.49)

Die Flugzeit tl, bis sich das Seil erstmalig spannt, erhalten wir, wenn der Korper bei z = h− l

angelangt ist, zu

(1.1.50)

und die Geschwindigkeit in diesem Moment ist

(1.1.51)

Kontrolle der Dimensionen:

Zahlenwerte:

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Beispiel: Schiefer Wurf

Aus der Anfangslage bei x0, y0 wird ein punktformi-ger Korper mit der Geschwindigkeit v0 unter demWinkel α0. abgeworfen. Der Luftwiderstand sollvernachlassigt werden und die Bewegung soll kleinsein im Verhaltnis zum Erdradius.

Geg.: g , x0 , y0 , v0 ;

Zahlenwerte: g = 9, 81m

s2,

Richtungssinn der Vektoren nach Skizze;

x0 = 1m , y0 = 1, 5m , v0 = 20m

s, α0 = 30◦

y

0 0

x

y0

x0

g

v0

α0

Ges.:

a) die Bahnkurve y(x),

b) den Auftreffpunkt rA = (xA, 0) und die Auftreffgeschwindigkeit vA,

c) die Stelle xE und die Zeit tE bis die maximale Hohe der Flugbahn erreicht wird und diemaximale Hohe ymax!

Losung:

Durch das vorgegebene ebene Koordinatensystem sind die Vektoren wie folgt festgelegt:

(1.1.52)

An jedem Punkt seiner Bahn erfahrt der Korper die Beschleunigung a = g = (0,−g). NachDefinition berechnet sich der Ortsvektor aus

(1.1.53)

Zweimalige unbestimmte Integration liefert

(1.1.54)

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Aus den Anfangsbedingungen ergeben sich die vier Konstanten:

(1.1.55)

Die Losung ist demnach

(1.1.56)

Durch Elimination der Zeit mit t =x− x0v0 cosα0

erhalt man die Bahnkurve y(x) zu

(1.1.57)

Die Flugbahn ist eine Parabel. Der Auftreffpunkt y(xA) = 0 ergibt sich aus der quadratischenGleichung

(1.1.58)

zu

(1.1.59) xA1,2 = x0 +v20 sin

2 α0

g

(1±

√1 +

g

v20 sin2 α0

y0

),

wobei unter den getroffenen Anfangsbedingungen nur das positive Vorzeichen physikalisch sinn-voll ist.

Die maximale Hohe folgt aus der Bedingung

(1.1.60)dy

dx= 0 = tanα0 − g

xE − x0v20 cos

2 α0⇒ xE = x0 + v0 cosα0

v0 sinα0

g.

Der Wert xE wird nach der Zeit tE =v0 sinα0

gerreicht, und die maximale Flughohe ist

(1.1.61) hmax = y0 +1

2

v20 sin2 α0

g.

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Zahlenwerte:

y

0 0

x

y0

x0

g

v0

Ubung: Freistoß

Bei einem Freistoß soll der hochspringende Torwart uberspielt werden (siehe Abbildung).

Geg.: g , h1 , h2 , l1 , l2 ;

Zahlenwerte: g = 9, 81m

s2, h1 = 2, 6m , h2 = 2, 2m , l1 = 12m , l2 = 3m

l1

g

v0

α0

l2

h1h2

Ges.:

a) notwendige Abschussgeschwindigkeit v0 und notwendiger Abschusswinkel α0,

b) die Zeit bis der Ball die Torlinie passiert!

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1.1.7 Wechsel unabhangiger Variablen

In vielen Fallen sind Geschwindigkeit oder Beschleunigung nicht als Funktion der Zeit t sondernals Funktion anderer unabhangiger Variablen gegeben. So kann beispielsweise die Geschwindig-keit an jeder Stelle einer Bahn vorgeschrieben sein, v = v(s), oder die Beschleunigung einesFahrzeugs hangt von der bereits erreichten Geschwindigkeit ab, a = a(v).

In solchen Fallen wird die Zeit als unabhangige Variable in denDefinitionsgleichungen durch Substitution passend ersetzt.

Fur die raumliche Bahnkurve der Abbildung bereitet die Normal-beschleunigung keine besonderen Schwierigkeiten, da diese uber denKrummungsradius und den Betrag der Geschwindigkeit ohne Differen-tiation ausgerechnet werden kann. Fur die Tangentialbeschleunigung alsAnderung des Betrages der Geschwindigkeit v mit der Zeit gilt

(1.1.62)

x

z

P

y

Statt v(t) stellen wir uns die neue Funktion v(s(t)) vor und wenden die zeitliche Ableitung inder Definitionsgleichung unter Verwendung der Kettenregel der Differentialrechnung auf dieseneue Funktion an

(1.1.63)

Im zweiten Faktor erkennen wir die Definition der Geschwindigkeit wiederds

dt= v.

Die Tangentialbeschleunigung errechnet sich also aus

(1.1.64)

Bei gegebenem v(s) kann dieser Ausdruck unmittelbar ausgewertet werden, um die Tangential-beschleunigung at(s) zu berechnen.

Ist umgekehrt die Tangentialbeschleunigung at(s) bekannt, so kann auch die zur Berechnung derGeschwindigkeit notwendige Integration ausgefuhrt werden. Dazu verwenden wir das Verfahrender Trennung der Variablen:

(1.1.65)

Dabei wird der Integrationsvariablen ds auf der linken Seiten die als gegeben betrachtete Funk-tion at(s) zugeordnet, der Integrationsvariablen dv die lineare Funktion f(v) = v. Der rechtsstehende Ausdruck kann integriert werden, da vorausgesetzt war, dass die Funktion at(s) gege-ben ist:

(1.1.66)

Das Geschwindigkeitsintegral ist dabei unmittelbar ausgewertet worden.

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Im einfachsten Fall ist die Tangentialbeschleunigung konstant, wie etwa beim freien Fall at = g.Wir erhalten dann

(1.1.67)

Beginnt der freie Fall bei s = 0 mit der Geschwindigkeit v(s = 0) = v0, so ergibt sich die

Konstante zu: cv = −1

2v20. Fur die Geschwindigkeit an beliebiger Stelle s erhalten wir den

Ausdruck

(1.1.68)

in Ubereinstimmung mit dem Ergebnis des fruheren Beispiels zum freien Fall (Bungeespringen),bei dem v0 = 0 vorgegeben war.

Ubungen

1. Gleichmaßig beschleunigte Bewegung mit a = a0 = const

a) Bestimmen Sie das Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz v(t) und das Weg-Zeit-Gesetz s(t),falls die Bewegung zum Zeitpunkt t = t0 an der Stelle s = s0 mit der Geschwindigkeitv = v0 beginnt!

b) Skizzieren Sie die Funktionen v(t) und s(t) sowie die Funktion v(s)!

2. Bremsweg

a) Bestimmen Sie den Bremsweg eines Fahrzeugs, das von der Geschwindigkeit v = v0mit einer konstanten Beschleunigung a = a0 = const bis zum Stillstand abgebremstwerden soll!

b) Welche Zeit vergeht wahrend des Bremsvorganges?

c) Um wieviel verlangert sich der Bremsweg, wenn eine Schrecksekunde ∆ts den Beginndes Bremsvorgangs verspatet?

3. Der Motor eines Fahrzeugs liefert eine geschwindigkeitsabhangige Beschleunigung a(v),die als Parabelfunktion angenahert werden kann. Im Stand, v = 0, soll die Beschleunigungden Wert a0 haben, fur v = 2/3 vmax sei die Beschleunigung maximal, sie verschwindet beiErreichen der maximalen Geschwindigkeit vmax.

a) die Funktion a(v) und die maximale Beschleunigung amax = a(2/3 vmax),

b) die Zeit τ , nach welcher das Fahrzeug die halbe Maximalgeschwindigkeit 1/2 vmax

erreicht hat!

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Beispiel: Fluchtgeschwindigkeit

a) Bestimmen Sie die Beschleunigung a(s) als Funktion desErdradius RE, der Erdbeschleunigung a(0) = −g an derErdoberflache und des Abstands s von der Erdoberflache!

b) Bestimmen Sie die Fluchtgeschwindigkeit v0 = v(s = 0), furdie ein Korper gerade nicht mehr auf die Erde zuruckfallt(Bedingung: v(s → ∞) = 0)

Geg.: RE = 6360 km , g = 9, 81m/s22RE

s

Losung

Die Gravitationsbeschleunigung nimmt außerhalb der Erdkugel qua-dratisch mit dem Abstand zum Erdmittelpunkt ab und stimmt an derErdoberflache mit der bekannten Konstanten g an der Erdoberflacheuberein. Wenn wir den Richtungssinn des Beschleunigungsvektors a(s)von der Erde weg zeigend positiv annehmen, gilt

(1.1.69)

Fur einen Korper, der sich frei in Richtung s bewegt, ergibt sich fur dieGeschwindigkeit

(1.1.70)

s

Lageplan

Mit v0 = v(s = 0) folgt fur die Konstante cv =1

2v20 − g RE und fur die Geschwindigkeit

(1.1.71)

Damit der Korper antriebslos dem Schwerefeld der Erde entrinnen kann, ergibt sich aus der

23

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Bedingung v(s → ∞) = 0 fur die sogenannte Fluchtgeschwindigkeit v0 = v(s = 0) der Wert

(1.1.72) v0 =√

2 g RE.

Mit den ZahlenwertenRE = 6360 km und g = 9, 81m/s2 ergibt sich fur die Fluchtgeschwindigkeitv0 ≈ 11 km/s.

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Beispiel: Kurbeltrieb

Eine Kurbelschleife wird zum Zeitpunkt t = 0 in der Lageα = 0 aus dem Stillstand mit einer Winkelbeschleunigung

α(t) =d2α

dt2= α0 t/τ in Bewegung gesetzt.

Geg.: R , α0 , τ

Ges.: Ort, Geschwindigkeit und Beschleunigung des EndpunktesE als Funktion der Zeit!

Losung

Wir definieren zunachst im Lageplan den Richtungssinn vonBeschleunigungs- und Geschwindigkeitsvektoren an den PunktenA und E. Durch Integration erhalten wir mit den genanntenAnfangsbedingungen Winkelgeschwindigkeit und Winkellage derKurbelstange als Funktion der Zeit:

(1.1.73)

Damit folgt fur die Tangentialbeschleunigung aA,t, die Normalbe-schleunigung aA,n, Geschwindigkeit vA des Punktes A der Kurbel-stange und dessen Verschiebung sA in vertikaler Richtung

(1.1.74)

Die Verschiebung ubertragt sich auf die vertikale Schubstange,dessen Geschwindigkeit und Beschleunigung durch Differentiati-on nach der Zeit ausgerechnet werden konnen:

(1.1.75)

Wir sehen, dass sich wie die Verschiebung s auch die vertikalenKomponenten der Geschwindigkeit und Beschleunigung des Punk-tes A direkt auf die Schubstange unverandert ubertragen.

α

E

s

R

A

α

E

s

Lageplan

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1.1.8 Kinematik der Relativbewegung

1.1.8.1 Reine Translation der Bezugssysteme

Die Bewegung eines Punktes kann aus verschiedenen Koordinaten-systemen beschrieben werden. Das x, y, z-Koordinatensystem unddas ξ, η, ζ-Koordinatensystem der Abbildung 1.1.8.1 sollen relativzueinander bewegt sein. Ohne Einschrankung hinsichtlich der ki-nematischen Zusammenhange soll das x, y, z-Koordinatensystemruhen, die Verschiebung des ξ, η, ζ-Koordinatensystem soll ge-gen das x, y, z-Koordinatensystem zunachst rein translatorischablaufen. Relativ zum x, y, z-Koordinatensystem soll also keineRotation auftreten.

z

y

ξ

ζ

η

P

O

x

Den Ortsvektor r zum Punkt P konnen wir durch den Ortvektor rO zum Ursprung O des ξ, η, ζ-Koordinatensystem und den Ortsvektor rO,P von O nach P ausdrucken:

(1.1.76)

Um die Bedeutung des x, y, z-Koordinatensystems hervorzuheben, wollen wir den Ortsvektor alsAbsolutvektor mit r = rabs bezeichnen und das x, y, z-Koordinatensystem als Absolutsystem.

Durch zeitliche Differentiation erhalten wir die Geschwindigkeit v =dr

dt, die wir als absolute

Geschwindigkeit bezeichnen wollen, zu

(1.1.77)

Dabei ist vO =drOdt

die Geschwindigkeit des Bezugspunktes des ξ, η, ζ-Koordinatensystem, sie

wird als Fahrzeug- oder Fuhrungsgeschwindigkeit vf bezeichnet. vO,P =drO,P

dtheißt Relativge-

schwindigkeit vrel. Dies ist also diejenige Geschwindigkeit, die ein mit dem ξ, η, ζ-Fahrzeugsystemfest verbundender Beobachter wahrnimmt.

Mit diesen Bezeichnungen gilt also

(1.1.78)

Analog werden durch nochmalige Differentiation nach der Zeit Absolutbeschleunigung, Fahrzeug-oder Fuhrungsbeschleunigung und Relativbeschleunigung definiert. Es gilt der Zusammenhang

(1.1.79)

Der Ubergang von einem Koordinatensystem in ein anderes, bei dem nicht nur wie bisher einereine Translation, sondern noch zusatzlich eine verschwindende Fahrzeugbeschleunigung af = 0also vO = const gefordert wird, wird Galilei-Transformation genannt. Hier gilt also

(1.1.80)

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Dieser Transformation kommt, wie wir im Rahmen der Kinetik sehen werden, eine besonde-re Bedeutung zu, da, wenn an das Absolutsystem besondere Bedingungen geknupft sind, inbeiden Koordinatensystemen wegen aabs ≡ arel das Zweite Newtonsche Bewegungsgesetz unein-geschrankt gilt. Solche mit konstanter Geschwindigkeit gegen ein ruhendes Koordinatensystembewegte Koordinatensysteme werden Inertialsysteme genannt. Die besondere Schwierigkeit beidieser Betrachtungsweise besteht darin, ein ruhendes Koordinatensystem, also das Absolutsy-stem festzulegen. Nach unseren heutigen Kenntnissen ist eine solche Festlegung nicht moglich4).

Ubung: Schallausbreitung in bewegter Luft

Eine Druckwelle breitet sich mit einer charakteristischen Geschwindigkeit vd, relativ zu ruhenderLuft mit konstanter Temperatur und Dichte ρ aus. Einhergehend mit der Verdichtung ∆ρ > 0durch die Druckwelle kommt es zu eine Geschwindigkeitsanderung ∆v im Luftstrom. Im Fallesehr kleiner Druckanderungen ∆p → 0 geht die Druckwelle in eine Schallwelle uber.

Geg.: v , ∆v , vw

Ges.:

a) Breitet sich die Druckwelle relativzur Luft nach links oder rechts aus?

b) Die Ausbreitungsgeschwindigkeit vwder Druckwelle, die der ruhende Be-obachter wahrnimmt!

mitbewegtes Kontrollvolumen

v + ∆v

vwve va

v

ρ ρ+∆ρ

c) Die Geschwindigkeit ve, mit der der Luftstrom in das mitbewegte Kontrollvolumen eintritt!

d) Die Geschwindigkeit va, mit der der Luftstrom aus dem mitbewegten Kontrollvolumenaustritt!

4)In seinen beiden Relativitatstheorien hat Einstein die Tatsache, dass kein Absolutsystem festgelegt werdenkann, zum Prinzip erhoben und mit zusatzlichen Forderungen, in der Speziellen Realtivitatstherie ist dies dieKonstanz der Vakuumlichtgeschwindigkeit und in der Allgemeinen Relativitatstheorie außerdem die Bedingungder Gleichheit von schwerer und trager Masse, weitreichende Ruckschluse auf die Struktur von Raum und Zeitund die Bewegungsgesetze bis hin zur Aquivalenz von Masse und Energie und zur Erklarung der Gravitationskraftgezogen.

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1.1.8.2 Translatorisch und rotatorisch bewegte Bezugssysteme

Der Ortsvektor setzt sich wie bei der reinen Translation zusammen

(1.1.81)

Bei der zeitlichen Differentiation muss nun berucksichtigt wer-den, dass die Einheitsvektoren i, j und k mit dem ξ, η, ζ-Koordinatensystem rotieren, also nicht mehr zeitlich konstant sindwie bei der reinen Translation:

(1.1.82)

Es ist deshalb mit der Produktregel

z

y

ξ

ζ

η

P

rabs

rrel rf

x

(1.1.83)

Der Beitrag der ersten drei Terme in Gl. (1.1.83) berucksichtigt die Ro-tation des ξ, η, ζ-Koordinatensystems, die sich in der zeitlichen Anderungder Einheitsvektoren bemerkbar macht. Die ersten drei Terme lassen sichmit der Winkelgeschwindigkeit ω = dφ/dt des ξ, η, ζ-Koordinatensystemsdurch

(1.1.84)

i (t)

dii (t+dt)

ausdrucken. Insgesamt ergibt sich nach Ausklammern von ω:

(1.1.85)

Dieser Beitrag ist als Anteil an der Fahrzeuggeschwindigkeit zu interpretieren. Mit der zusatzlichmoglichen Translation vO des Ursprung ist die Fahrzeuggeschwindigkeit insgesamt durch

(1.1.86)

vollstandig erfasst. Es ist dies die Geschwindigkeit des Punktes, wenn er fest mit dem ξ, η, ζ-Koordinatensystems verbunden ware (vrel = 0).

Die zweiten drei Terme ξ i+ η j + ζ k in Gl. (1.1.83) berucksichtigen die zeitliche Anderung derLage des Punktes P relativ zum ξ, η, ζ-Koordinatensystem. Diese interpretieren wir deshalb alsGeschwindigkeit vrel

(1.1.87)

28

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die ein mit dem ξ, η, ζ-Koordinatensystem mitbewegter Beobachter wahrnimmt. Wir wollendafur die Schreibweise

(1.1.88)

einfuhren.

Fur die spatere Verwendung halten wir noch folgende Rechenregel fest, die nach Gl. (1.1.83)fur einen beliebigen Ortsvektor c im ξ, η, ζ-Koordinatensystems gilt. Die zeitliche Anderungdieses Vektors c konnen wir fur ein in Bezug auf ein festes Koordinatensystem mit ω rotierendesKoordinatensystem durch

(1.1.89)dc

dt= ω × c+

d∗c

dt

ausdrucken.

Insgesamt folgt also fur die Absolutgeschwindigkeit die Zerlegung

(1.1.90)

Wir wollen uns nun der Beschleunigung zuwenden. Dazu ist nochmalige zeitliche Differentiationnotwendig

(1.1.91)

Dies liefert mit vf = vO + ω × rrel

(1.1.92)

Der erste SummanddvOdt

stellt einfach die translatorische Beschleunigung des Fahrzeugsystems

dar.

Der zweite Summandd

dt

(ω × rrel

)berucksichtigt Beitrage, die von der Rotation des Fahrzeug-

system und von der Relativbewegung herruhren. Ausdifferenziert lautet dieser Term

(1.1.93)

Bei der Rechnung haben wir in der 2. Zeile die Rechenregel (1.1.89) und in der dritten Zeile dieDefinition der Relativgeschwindigkeit benutzt.

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Bei eingefrorener Relativbewegung, vrel = 0, fuhrt die Rotation des ξ, η, ζ-Koordinatensystem zueiner Kreisbewegung des Punktes um den Koordinatenursprung mit Radiusvektor rrel. Die damitverbundenen Beschleunigungen sind die Tangentialbeschleunigung bei beschleunigt rotierendemKoordinatensystem

(1.1.94)

und die Normalbeschleunigung

(1.1.95)

Mit der durch aO = dvO/dt erfassten translatorischen Beschleunigung des Fahrzeugsystemserhalten wir fur die Fahrzeugbeschleunigung insgesamt die drei Anteile

(1.1.96)

Hinzu tritt noch ein weiterer Term, der nur bei einer Relativbewegung des Punktes, vrel = 0,auftritt und deshalb nicht der Fahrzeugbewegung zugeordnet wird.

Fur den dritten Summandendvreldt

erhalten wir wieder wegen der Drehung der Einheitsvektoren

mit unserer Differentiationsregel (1.1.89)

(1.1.97)

Darin taucht nochmals das Produkt ω × vrel auf. Wir erhalten also insgesamt fur die Beschleu-nigung die Darstellung

(1.1.98)

oder abkurzend

(1.1.99)

mit

(1.1.100)

Die Fahrzeugbeschleunigung setzt sich zusammen aus der mit der Translation verbundenen Be-schleunigung des Ursprungs O des bewegten Systems und mit der durch die Rotation bedingten

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Tangential- und Normalbeschleunigung des Punktes P, so als sei der Punkt P fest mit demtranslatorisch und rotatorisch beschleunigten Relativsystem verbunden.

Die restlichen Terme sind durch die Bewegung relativ zum bewegten Bezugssystem bestimmt,wie sie ein mitbewegter Beobachter wegen vrel = 0 wahrnimmt. Die verbliebenen beiden Be-schleunigungsanteile werden aufgeteilt in die Relativbeschleunigung, wie sie ein mitbewegenBeobachter naturlicherweise anhand der Anderung der Relativgeschwindigkeit definieren wurde

(1.1.101) arel =d∗vreldt

und einem weiteren Anteil, der auch bei konstanter Relativgeschwindigkeit auftritt und Corio-lisbeschleunigung acor genannt wird,

(1.1.102) acor = 2 ω × vrel.

Die Coriolisbeschleunigung verschwindet in Spezialfallen auch wenn vrel = 0, namlich wenn dieRelativgeschwindigkeit gerade parallel zur Rotationsachse gerichtet ist. In allen anderen Fallenentsteht durch die Relativgeschwindigkeit eine Beschleunigung, die senkrecht zur Rotationsachseund senkrecht zur Relativgeschwindigkeit orientiert ist.

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Ubungen

1. Werten Sie die erhaltenen Ausdrucke fur Fuhrungsgeschwin-digkeit und -beschleunigung und Coriolisbeschleunigung furden Sonderfall eines ebenen Problems aus, wobei Winkel-beschleunigung und -geschwindigkeit der Fuhrung sowie dieRelativgeschwindigkeit nach Skizze gegeben sein sollen.

2.1 Vom Zentrum M einer mit der Winkelgeschwindigkeit ω ro-tierenden Scheibe des Durchmessers d wird ein Ball mit einerGeschwindigkeit vB Luftlinie radial nach außen geworfen.

a) Skizzieren Sie qualitativ die Bahnkurven des Balls imAbsolutsystem und in einem Koordinatensystem, dasim Mittelpunkt der Scheibe mitrotiert!

b) Welcher Vorhaltewinkel muss eingestellt werden, damitder Ball die Zielscheibe Z, die am Scheibenrand mitro-tiert, trifft?

c) Unter welchem Winkel und mit welcher Relativge-schwindigkeit trifft der Ball die Zielscheibe?

y

x

ξ

η

P

rabs

rrel rf

ω, ω

vrel

Z

ω

vB

M

d

α

2.2 Der Ball soll alternativ mit der Geschwindigkeit vB Luftlinie vom Scheibenrand zum Zen-trum der Scheibe geworfen werden.

a) Skizzieren Sie qualitativ die Bahnkurven des Balls im Absolutsystem und in einemKoordinatensystem, das im Mittelpunkt der Scheibe mitrotiert!

b) Welcher Vorhaltewinkel muss nun eingestellt werden, damit der Ball das Zentrum Mder Drehscheibe passiert?

c) Wie groß muss die Geschwindigkeit des Balls mindestens sein, damit es eine Losungdes Problems gibt? Wie groß ist in diese Grenzfall der Vorhaltewinkel und wie langebraucht dann der Ball, um die Zielscheibe zu erreichen?

d) Wie andern sich die Bedingungen, wenn zusatzlich die Schwerkraft senkrecht in Rich-tung zur Scheibenebene auf den Ball einwirkt? Diskutieren Sie den Fall, dass der Ballstets waagerecht geworfen wird γ = 0 und den Fall, dass zum Ausgleich der Ball untereinem Winkel γ = 0 zur Horizontalen geworfen wird!

3. a) In welcher Richtung drehen Hoch- und Tiefdruckwirbel auf der nordlichen bzw. aufder sudlichen Hemisphare der Erde?

b) Was halten Sie von dem Experiment, welches von Einheimischen am Aquator denTouristen vorgefuhrt wird? (Movie auf der Mechanik-Seite der Homepage des Insituts.Selbstversuch in der Badewanne!)

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Beispiel: Coriolisbeschleunigung

Durch die starkere Erwarmung der Erde am Aquator stromen bodennahe Luftmassen vorherr-schend vom Nord- bzw. Sudpol in Richtung Aquator. Die warmeren Luftmassen am Aquatorerzeugen namlich bodennah einen geringeren Luftdruck als die kalten an den Polen. Die mit derDruckdifferenz verbundenen Krafte Fp in Richtung Aquator veranlassen bodennahe Luftschich-ten dorthin zu stromen und am Aquator aufzusteigen.

Sieht man vom Mitnahmeeffekt der Luftmassen durch Reibung an der Erdoberflache ab, sowerden vom Weltraum aus betrachtet (Absolutsystem) durch die genannten DruckunterschiedeLuftmassen lediglich geradlinig von den Polen zum Aquator hin verschoben (rechtes Bild).

Erdgebundene Beobachter, die sich auf der Erdoberflache nach Suden bewegen, beobachten,da die Umfangsgeschwindigkeit der Erdoberflache am Aquator großer als an den Polen ist,eine nord-ostliche Winde auf der Nordhalbkugel, die bekannten Nord-Ost-Passatwinde, entspre-chend Sud-Ost-Passatwinde auf der Sudhalbkugel. Von Standpunkt erdgebundener Beobachteraus werden also die Luftmassen relativ zur Erdoberflache nach Westen verschoben5).

Ublicherweise wird vom erdgebundenen Beobachter zur allerdings falschen, zumindest mit Vor-sicht zu genießenden Erklarung6)der scheinbar gekrummten Bahnkurven eine zusatzliche Hilfs-kraft oder Scheinkraft eingefuhrt, die in westliche Richtung weist, also genau in entgegengesetzteRichtung zur Coriolisbeschleunigung (siehe gefuhrte Bewegung weiter unten). Die Coriolisbe-schleunigung kann den Luftteilchen nur durch Reibung mit dem Erdboden aufgepragt werden!

ϕ

N

O

W

S

ϕ

N

O

W

S

Wahrnehmung der Bahnkurve

für einen Beobachter in einem

erdfernen Inertialsystem (grob vereinfacht)

Wahrnehmung der Bahnkurven der

Luftströmung für einen

erdgebundenen Beobachter

Äquator

Anders verhalt es sich, wenn Fahrzeug etwa durch Schienen mit der Erdbewegung mitgefuhrtwerden. Erfolgt die Bewegung auf der Nordhalbkugel mit vrel nach Suden, so ergibt sich wegen

(1.1.103) acor = 2 ˙φ× vrel

eine Coriolisbeschleunigung nach Westen. Um die von der Bahnkurve der Passatwinde abwei-chende Bewegung zu erzwingen, muss eine Kraft in Richtung der Coriolisbeschleunigung von derSchiene auf das Fahrzeug ubertragen werden, die Corioliskraft7). Die notwendige Kraft erhalten

5)Entsprechend verhalten sich Hoch- und Tiefdruckgebiete. Auf der Nordhalbkugel drehen Hochdruckwirbel imUhrzeigersinn, Tiefdruckwirbel im gegenuhrzeigersinn.

6)Die in dieser Art auch in anderen ahnlichen Fallen eingefuhrten Hilfskrafte keine Krafte im NewtonschenSinne, denn sie verletzen das Wechselwirkungsprinzip! Im Rahmen der hier vorgestellten Theorie zur Dynamikbringen sie keinen Vorteil und sollten konsequent vermieden werden.

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wir durch Anwendung des 2. Newtonschen Gesetzes, das wir im nachsten Kapitel 1.2 einfuhrenwollen. Bei Nord-Sud und Sud-Nord Eisenbahnlinien zeigt sich nach ausreichend langer Zeit einedementsprechende unsymmetrische Abnutzung der Schienen.

Äquator

N

O

W

S

N

O

W

S

Vorgeschriebene Bahnkurve von

Nord nach Süd

ϕ

Notwendige Coriolisbeschleunigung

bei gegebener Geschwindigkeit nach Süden

ϕ

Ubungen

1. a) Bestimmen sie Betrag und Richtung der Coriolisbeschleunigung acor fur eine gefuhrteBewegung in sud-nordlicher Richtung

b) Tritt auch eine Coriolisbeschleunigung acor fur eine gefuhrte Bewegung in west-ostli-che bzw. ost-westliche Richtung auf?

c) In welchen Fallen tritt keine Coriolisbeschleunigung auf?

2. Erlautern Sie den Drehsinn von Hoch- und Tiefdruckgebieten auf der Nord- bzw. Sudhalb-kugel der Erde.

3. Diskutieren Sie den Eintrag in Wikipedia auf der Websitehttp://de.wikipedia.org/wiki/Corioliskraft!Sind Sie mit der Darstellung einverstanden? Was wurden Sie anders darstellen? VergleichenSie die Ausfuhrungen zur Corioliskraft in Lehrbuchern!

7)Im Vorgriff auf das Zweite Newtonsche Gesetz sei erwahnt, dass diese Kraft durch Fcor = macor eindeutigbestimmt ist. Anders als die oben diskutierten Hilfskrafte stellt die Corioliskraft in diesem Zusammenhang eineKraft im Sinne Newtons dar, die deshalb auch dem Wechselwirkungsprinzip gehorcht: Kraft von Schiene aufKorper und Kraft vom Korper auf die Schiene sind entgegengesetzt gleich groß.

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1.1.8.3 Zusammenfassung zur Darstellung der Kinematik bei relativ bewegtenKoordinatensystemen

Wir definieren zwei aufeinander bezogene Koordinatensysteme.

Ein ξ, η, ζ-Koordinatensystem soll gegen das als ruhend an-genommene x, y, z-Koordinatensystem mit einer beliebigenFahrzeugbeschleunigung af translatorisch und rotatorische be-schleunigt bewegt sein.

z

y

ξ

ζ

η

P

rabs

rrel rf

x

O

aO

ω vO

Es gelten dann die folgenden Beziehungen8):

rabs = rf + rrel

vabs = vf + vrel mit vf = vO + ω × rrel , vO =drfdt

,

vrel =d∗rreldt

aabs = af + arel + acor mit af = aO + ˙ω × rrel + ω ×(ω × rrel

),

aO =d2rfdt2

=dvOdt

, arel =d∗vreldt

und acor = 2 ω × vrel

Spezialfalle:

1. Reine Translation mit ω = 0 , ˙ω = 0:

rabs = rf + rrel

vabs = vf + vrel mit vf =drfdt

, vrel =d∗rreldt

aabs = af + arel mit af =d2rfdt2

=dvfdt

2. Reine Rotation mit vO = 0 , aO = 0:

rabs = rf + rrel

vabs = vf + vrel mit vf = ω × rrel , vrel =d∗rreldt

aabs = af + arel + acor mit af = ˙ω × rrel + ω ×(ω × rrel

),

arel =d∗vreldt

und acor = 2 ω × vrel

8)Darin sollen die zeitlichen Ableitungend

dtund

d∗

dtunterscheiden, ob im ersten Fall ein im x, y, z-

Koordinatensystem ruhender Beobachter die zeitliche Anderung der physikalischen Große beschreibt oder obdies im zweiten Fall ein mit dem ξ, η, ζ-Koordinatensystem mitbeschleunigter Beobachter tut.

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