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MVT_e_2neu Mechanische Verfahrenstechnik - Partikeltechnologie Zerkleinerung Prof. Dr. J. Tomas, 29.10.2015 60 2 Zerkleinerung 61 2.1 Bruchvorgänge und Mikroprozesse des Zerkleinerns .................... 62 2.1.1 Materialverhalten und Bruchvorgänge ................................... 63 2.1.1.1 Bindungsarten und Materialverhalten ............................. 63 2.1.1.2 Ausbreitung von Dichtestörungen bzw. Schallwellen .... 72 2.1.1.3 Rissbildung, Rissausbreitung und Bruchvorgänge .......... 74 2.1.1.4 Energiebilanz der Rissausbreitung & Zerkleinerungsgrenze ......................................................................................... 77 2.1.2 Mikroprozesse des Zerkleinerns ............................................. 81 2.1.2.1 Beanspruchungsarten....................................................... 81 2.1.2.2 Einzelpartikelbeanspruchung .......................................... 84 2.1.2.3 Bruchstückgrößenverteilung ........................................... 89 2.1.2.4 Partikelschichtbeanspruchung ......................................... 92 2.1.3 Mechanische Aktivierung und Mechanochemie .................... 95 2.2 Parameter der Makroprozesse in Zerkleinerungsmaschinen.......... 96 2.3 Technische Zerkleinerungsarbeit und Zerkleinerungsgesetze ....... 99 2.3.1 Wirkungsgrad eines technischen Zerkleinerungsprozesses .... 99 2.3.2 Produktfeinheit = f(Zerkleinerungsarbeit) ............................ 101 2.3.3 Abschätzung des zeitlichen Zerkleinerungsfortschrittes ...... 104 2.4 Bilanzmodelle von Zerkleinerungsprozessen .............................. 104 2.5 Bewertung des Prozesserfolges der Zerkleinerung ...................... 111 2.6 Zerkleinerungsmaschinen ............................................................ 113 2.6.1 Backen- und Kegelbrecher.................................................... 114 2.6.2 Walzenbrecher und –mühlen ................................................ 117 2.6.3 Prallbrecher und Prallmühlen ............................................... 121 2.6.4 Hammerbrecher und Hammermühlen .................................. 127 2.6.5 Wälzmühlen .......................................................................... 129 2.6.6 Trommelmühlen ................................................................... 131 2.6.7 Planetenmühlen .................................................................... 138 2.6.8 Schwingmühlen .................................................................... 138 2.6.9 Strahlmühlen......................................................................... 140 2.6.10 Scheibenmühlen.................................................................... 141 2.6.11 Rührwerksmühlen................................................................. 141 2.6.12 Scheren und Schneidmühlen ................................................ 142 2.6.13 Sonstige Maschinen zur mechanischen Zerkleinerung......... 143 2.7 Thermische Zerkleinerung ........................................................... 144 2.8 Versprühen ................................................................................... 146 2.9 Schwerpunkte und Kompetenzen ................................................ 146

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2 Zerkleinerung 61

2.1 Bruchvorgänge und Mikroprozesse des Zerkleinerns .................... 62

2.1.1 Materialverhalten und Bruchvorgänge ................................... 63

2.1.1.1 Bindungsarten und Materialverhalten ............................. 63

2.1.1.2 Ausbreitung von Dichtestörungen bzw. Schallwellen .... 72

2.1.1.3 Rissbildung, Rissausbreitung und Bruchvorgänge .......... 74

2.1.1.4 Energiebilanz der Rissausbreitung & Zerkleinerungsgrenze ......................................................................................... 77

2.1.2 Mikroprozesse des Zerkleinerns ............................................. 81

2.1.2.1 Beanspruchungsarten ....................................................... 81

2.1.2.2 Einzelpartikelbeanspruchung .......................................... 84

2.1.2.3 Bruchstückgrößenverteilung ........................................... 89

2.1.2.4 Partikelschichtbeanspruchung ......................................... 92

2.1.3 Mechanische Aktivierung und Mechanochemie .................... 95

2.2 Parameter der Makroprozesse in Zerkleinerungsmaschinen .......... 96

2.3 Technische Zerkleinerungsarbeit und Zerkleinerungsgesetze ....... 99

2.3.1 Wirkungsgrad eines technischen Zerkleinerungsprozesses .... 99

2.3.2 Produktfeinheit = f(Zerkleinerungsarbeit) ............................ 101

2.3.3 Abschätzung des zeitlichen Zerkleinerungsfortschrittes ...... 104

2.4 Bilanzmodelle von Zerkleinerungsprozessen .............................. 104

2.5 Bewertung des Prozesserfolges der Zerkleinerung ...................... 111

2.6 Zerkleinerungsmaschinen ............................................................ 113

2.6.1 Backen- und Kegelbrecher.................................................... 114

2.6.2 Walzenbrecher und –mühlen ................................................ 117

2.6.3 Prallbrecher und Prallmühlen ............................................... 121

2.6.4 Hammerbrecher und Hammermühlen .................................. 127

2.6.5 Wälzmühlen .......................................................................... 129

2.6.6 Trommelmühlen ................................................................... 131

2.6.7 Planetenmühlen .................................................................... 138

2.6.8 Schwingmühlen .................................................................... 138

2.6.9 Strahlmühlen ......................................................................... 140

2.6.10 Scheibenmühlen.................................................................... 141

2.6.11 Rührwerksmühlen ................................................................. 141

2.6.12 Scheren und Schneidmühlen ................................................ 142

2.6.13 Sonstige Maschinen zur mechanischen Zerkleinerung ......... 143

2.7 Thermische Zerkleinerung ........................................................... 144

2.8 Versprühen ................................................................................... 146

2.9 Schwerpunkte und Kompetenzen ................................................ 146

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2 Zerkleinerung ⇒ Gliederung (Folie 2.1) und geschichtliche Einleitung, siehe Folie 2.2. Durch Zerteilen wird der Dispersitätszustand fester oder flüssiger Stoffe in-folge Überwindens der Bindekräfte in den Ausgangsteilchen derart verändert, dass kleinere Partikeln entstehen. Hierzu ist vor allem das Zerkleinern festdisperser Systeme zu zählen. Bei fluiden Systemen, deren disperse Partikeln Tropfen oder Blasen sind, beste-hen zwischen Zerteil- und Mischprozessen fließende Übergänge. So schließt z.B. Emulgieren sowohl das Zerkleinern der dispersen Phase als auch das Mischen des Systems ein, und die Qualität einer Emulsion hängt von deren Dispersitätszustand und Mischungszustand ab. Ähnliches gilt für andere flui-de Systeme. Im Rahmen dieser Vorlesung wird nur das Zerkleinern behan-delt. Der Dispersitätszustand eines Partikelkollektivs bestimmt dessen Eigenschaf-ten und Verhalten in vielerlei Hinsicht (z.B. Löslichkeit und Löseverhalten, Fluidisierbarkeit und Fließverhalten, Agglomerationsverhalten, Flüssigkeits-bindevermögen, Farbe u.a.). Deshalb spielen Zerkleinerungsprozesse in vie-len Industriebereichen eine wichtige Rolle (Baustoffindustrie, Bergbau, che-mische Industrie, Lebensmittelindustrie u.a.). Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Zerkleinerung geht u.a. daraus her-vor, dass man in Industrieländern überschläglich davon ausgehen kann, dass etwa 4 % der Elektroenergieerzeugung für Zerkleinerungsprozesse aufge-wendet und etwa 1 % der Industrieproduktion durch diese hervorgebracht werden /7.1./. Das Prozessziel hängt von den nachfolgenden Prozessen bzw. Verfahrens-stufen oder vom Verwendungszweck der Zerkleinerungsprodukte ab. In die-ser Hinsicht lassen sich das

• Zerkleinern von Festkörpern und das • Dispergieren von Agglomeraten (MVT_e_7neu.doc#Agglomerat_-

Einzelkornbeanspruchung) unterscheiden /7.2./, siehe Folie 2.3: 1) Anstreben günstiger Partikelgrößen- oder Partikelformverteilungen:

Häufig ist die Partikelgrößenverteilung wesentliches Qualitätsmerkmal der Zerkleinerungsprodukte (z.B. Primärbaustoffe, Düngemittel, Pigmente). Das betrifft z.B.

- Verbesserung des Fließ-, Förder- u- Transportverhaltens, - Verbesserung technologischer Prozessparameter u. Verarbeitungsei--

genschaften (z.B. Streichfähigkeit u.ä.).

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Auch gewissen Partikelformansprüchen kann manchmal durch geeignete Prozesswahl und -führung entsprochen werden, z.B. Erzeugung einer ku-bischen Kornform zur Erhöhung der Scherfestigkeit von Aufschüttungen, wie Halden und Dämmen.

2) Oberflächenvergrößerung: Eine unmittelbare Folge jedes Zerkleinerungsvorganges ist die Vergröße-rung der Oberfläche. Nicht selten ist jedoch die spezifische Oberfläche ei-ne wesentliche Produkteigenschaft. Das gilt z.B., wenn die Zerkleine-rungsprodukte nachfolgenden thermischen oder chemischen Prozessen un-terworfen werden. Dann hängt die Kinetik dieser Prozesse wesentlich von der spezifischen Oberfläche der festdispersen Phase ab (z.B. Sinter- und Schmelzprozesse, Lösen und Laugen, Abbindeprozesse).

3) Aufschließen der Wertstoffe: Darunter ist das weitgehende Freilegen von Wertstoffphasen aus ihren Verwachsungen bzw. Verbindungen mit anderen Phasen zu verstehen. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die Anwendung von Sortierpro-zessen bei der Aufbereitung von Abfällen oder Rohstoffen.

4) Strukturänderungen und chemische Reaktionen: Dieses Arbeitsgebiet der Zerkleinerungstechnik hat in neuerer Zeit eine

gewisse Bedeutung erlangt. Hierzu zählen die mechanische Aktivierung und die mechanochemischen Reaktionen.

Die technische Zerkleinerung erfolgt überwiegend in Zerkleinerungsmaschi-nen und damit durch die den Partikeln von außen aufgeprägten mechanischen Beanspruchungen. Obwohl die thermische Zerkleinerung technisch nahezu bedeutungslos ist, werden Effekte, die mit einer thermischen Vorbehand-lung des Zerkleinerungsgutes zusammenhängen (z.B. Verspröden durch Ab-kühlen von verschiedenen Metallschrotten oder von Kunststoffen) - wenn auch selten - technisch genutzt.

2.1 Bruchvorgänge und Mikroprozesse des Zerkleinerns Die Zerkleinerung fester Stoffe spielt in vielen Industriebranchen eine wich-tige Rolle

• Aufbereitung mineralischer Rohstoffe und fester Abfälle (svw. Wert-stoffrückgewinnung und -recycling),

• Baustoffindustrie, • chemische und pharmazeutische Industrie, • Aufbereitung nachwachsender Rohstoffe (Land- und Forsttechnik) • Lebensmittelindustrie u.a.m.

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Sie hat das Zerteilen von Ausgangspartikeln in kleinere Teilstücke zum Ziel. Dies erfordert die Überwindung der Bindekräfte im Inneren dieser Partikeln (auf den Bruchflächen). Die wissenschaftlichen Grundlagen der Zerkleine-rungstechnik sind in den letzten Jahrzehnten wesentlich erweitert worden. Dies betrifft insbesondere die Aufklärung der Bruchvorgänge sowie die Modellierung der Mikroprozesse des Zerkleinerns, siehe Abschnitt 2.1.2.

2.1.1 Materialverhalten und Bruchvorgänge Soll ein Festkörper zerteilt werden, so sind durch Einwirken von Spannungen die Bindungskräfte zwischen den atomaren Teilchen zu überwinden. Dies geschieht im Allgemeinen mit Hilfe äußerer Kräfte, die bei der mechanischen Zerkleinerung an den Kontaktstellen (d.h. Kontakte mit den Arbeitsflächen der Maschine oder benachbarten Partikeln) eingeleitet werden und die Parti-keln verformen. 2.1.1.1 Bindungsarten und Materialverhalten Soll ein Festkörper zerteilt werden, so sind durch Einwirkung von Spannun-gen die Bindungen zwischen den atomaren Bausteine zu überwinden. In Anbetracht der eigenschaftsbestimmenden Struktur der Elektronenhül-len der Atome lassen sich unter Nutzung der quantenmechanischen Modell-vorstellungen letztlich alle Bindungspotentiale und -kräfte (COULOMB-Kräfte) auf ihren elektrostatischen Ursprung zurückführen:

- starken Hauptvalenzbindungen (Folien 2.4, 2.5, 2.6 und 2.7)

a) homöopolare (= kovalente Bindung): Bildung gemeinsamer Elektronenpaare der Partner, Überlappung von Atomorbitalen (Molekülorbitalmodelle), anisotrop gerichtet mit räum-licher Vorzugsrichtung, z.B. Hartstoffe (Karbide, Nitride), Atom-kristalle: nichtmetallische Kristalle aus einer einzigen Atomsorte, z.B. Diamant (C), Si, P, As, S,

b) heteropolare (= Ionenbindung): Valenzelektronen werden von einem Atom abgegeben und vom ande-ren aufgenommen, ungerichtete elektrostatische (COULOMB-) An-ziehungskraft zwischen Anion (- geladen) und Kation (+ geladen) in ei-nem Ionengitter (= Ionenkristall), Ionenkristalle bestehen aus mindes-tens 2 Atomsorten, insbesondere mit Metallionen, z.B. Salze, NaCl, CaF2, Oxidkeramik, MgO, Minerale,

c) metallische Bindungen (= „Elektronengas-Modell“):

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frei bewegliche Valenzelektronen im Kristallgitter aus Metallkationen, Kristallorbitalmodell, ungerichtet,

- schwache Nebenvalenzbindungen d) Wasserstoffbrückenbindung:

Gerichtete Bindungsbrücke zwischen einem elektronegativen Atom (z.B. O, N, F, Cl), an das der Wasserstoff kovalent gebunden ist, und einem ebenfalls elektronegativen Atom eines Nachbarmoleküles, an das es mehr oder weniger physikalisch gebunden ist - und zwar aufgrund seiner Tendenz zu positiver Polarisation H+ und seinem geringen Durchmesser dH = 0,22 nm „schlüpft“ es als Brücke in die Gitterzwi-schenräume O - H---O, siehe ISRAELACHVILI1, siehe Folie 2.5, Der Atomkernabstand der H---O Bindung ist mit a = 0,176 nm größer als der einer intensiveren kovalenten O - H Bindung mit

nm1,0nm096,0nm)03,0066,0(rra HO ≈=+=+= ,

aber kleiner als der Abstand gebildet durch die beiden Atomradien von nm26,0nm11,0nm15,0rra HO =+=+=

einer schwächeren VAN-DER-WAALS- Bindung,

z.B. Polymere mit F-, O- und N-Atomen (Polyamide, PUR) e) VAN-DER-WAALS-Kräfte, siehe Folie 2.8, sind immer vorhanden,

wenn Atome bzw. Moleküle aufeinander wirken. Sie ergeben sich auf-grund der elektrischen Dipolmomente von Atomen und Molekülen. Sie werden durch: - Orientierungskräfte = Anziehung zwischen permanenten elektri-

schen Dipolen, z.B. bei permanent polaren Molekülen (siehe mak-romolekulare Werkstoffe PVC, PMMA) und zwischen Ionen und permanenten elektrischen Dipolen,

- Induktionskräfte = Anziehung zwischen permanenten Dipolen oder Ionen und induzierten Dipolen bei symmetrischen Molekülen ohne permanentem Dipolmoment (z.B. CO2, CH4);

- Dispersionskräfte = Anziehung zwischen ursprünglich unpolaren aber infolge der Elektronenbewegung (Elektronenresonanz ausgelöst durch Lichtabsorption im UV-Wellenlängenbereich) in den Bin-dungsorbitalen dann folgende induzierte elektrische Dipole zwi-schen Atomen und bei unpolaren Molekülen, z.B. makromolekulare Werkstoffe PE, PP, PTFE;

Dr.- Ing.habil. J. Tomas 1992 1 Israelachvili, J.N., Intermolecular and Surface Forces, S. 110, Academic Press, London 1997.

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verursacht. Falls solche nicht permanent oder induziert vorliegen, so existieren sie doch kurzzeitig (Dispersion), weil Atome und Moleküle elektrische Systeme mit bewegten Ladungen, also elektrische Oszillato-ren, darstellen (siehe auch Abschnitt 6.1.1.2.2 MVT_e_6neu.doc, MVT_e_6neu.pdf). Van-der-Waals-Kristalle: z.B. feste Edelgase bei sehr tiefen Tempera-turen, Molekülgitterkristalle wie fester Wasserstoff oder alle Kristalle organischer Verbindungen.

Diese Aufzählung wurde nach sinkender Bindungsintensität ⇓ geordnet. Als Maß dafür dient die molare Bindungsenergie, die für Atom- und Ionenbin-dungen in der Größenordnung von etwa 500 kJ/mol liegen wird. Damit las-sen sich beispielsweise auch physikalische Eigenschaften von Feststoffen wie sinkender E-Modul ⇓, Schmelzpunkt ⇓ und Härte ⇓ einordnen. Die molaren Bindungsenergien von Wasserstoffbrückenbindungen können mit um eine Größenordnung geringerer Intensität von etwa 15 ... 40 kJ/mol angegeben werden2,3, während die Intensitäten von VAN-DER-WAALS-Bindungen noch geringer sind und zwar bei etwa 1 ... 10 kJ/mol.

Bild 2.1: Wechselwirkungsenergien zwischen Atomen, UB Bindungsenergie, aF=0 Gleichgewichtsabstand (auch a0), siehe Folie 2.8.

Die aufgeführten Bindungsarten unterscheiden sich insbesondere durch ihre charakteristischen Bindungsabstände. Dabei versteht man unter dem Gleich-gewichtsatomkern- oder -molekülkernabstand den Abstand bei minimalem

Dr.- Ing.habil. J. Tomas 1992 2 Israelachvili, J.N., Intermolecular and Surface Forces, S. 125, Academic Press, L. 1997. 3 Schatt, Werkstoffwissenschaft, S. 57, 1996.

Bindungs-energie UB

aF=0 Atomkernabstand a

Abstoßungspotential U aabm∝ −

Abstoßungskraft F aabm∝ − +( )1

Anziehungskraft F aann∝ − +( )1

Anziehungspotential U aann∝ − mit n < m

potentielle Energie U Potential-

+ Gesamtpotential U U Uan ab= +

Gesamtkraft F a dU da( ) /= −

aFmax aU=0

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Gesamtpotential Umin oder (betragsmäßig) maximal möglicher Bindungsener-gie UB. Unter dem (mechanischen) Potential oder potentielle Energie

2121

2

112 UU)x(U)x(UdUW −=−=−= ∫ ( 2.1)

soll hier das Arbeitsvermögen einer sog. Potentialkraft dx/dUF −= längs

eines beliebigen Weges x verstanden werden. Makroskopische Potentialkräfte sind beispielsweise die

• Gewichtskraft im homogenen Erdschwerefeld gmFG ⋅= und xgmU ⋅⋅= oder eine

• Federrückstellkraft (Repulsion) xcF ⋅= bzw. deren Potential 2/xcdx)x(FU 2⋅== ∫ ≡ potentielle Federenergie.

Das sog. Wechselwirkungspaar-Potential wurde ursprünglich phänomeno-logisch definiert, MIE4 (1903), Folie 2.8:

mn aB

aAU +−= mit natürlichen Exponenten n < m. ( 2.2)

A Konstante für die Anziehung = Attraktion B Konstante für die Abstoßung = Repulsion Die Abstoßungsenergie und auch die Abstoßungskraft werden hier mit + Vorzeichen versehen, da sie bei Annäherung kompensiert d.h. zugeführt werden muss - man denke dabei auch an die zuzuführende Energie bei Ver-dampfungs- oder Desorptionsprozesse. Dagegen wird bei Annäherung der Partner die Anziehungsenergie freigesetzt oder ist verfügbar und wird mit - Vorzeichen geschrieben - siehe z.B. freiwerdende Wärme oder besser Pha-senumwandlungs-Enthalpie bei Kondensations- oder Adsorptionsprozessen. Die Konstante A für das Anziehungspotential ist stoffabhängig und lässt sich für ausgewählte Typen der Anziehung auch mit Hilfe der Quantenmechanik theoretisch beschreiben5. Als Spezialfall von Gl.( 2.2) hat sich für die Beschreibung der VAN-DER-WAALS-Wechselwirkungen - s.v.w. Dispersionskräfte - das sog. LEN-NARD-JONES-Potential eingeführt:

126 aB

aAU +−= , ( 2.3)

wobei man z.B. für Edelgasatome A = 10-77 J⋅m6 und B = 10-134 J⋅m12 an-nehmen kann6. Für die Behandlung der Abstoßung, siehe Folie 2.9, werden

Dr.- Ing.habil. J. Tomas 1992 4 Mie, G., Zur kinetischen Theorie der einatomigen Körper, Ann. d. Physik 8 (1903) 657-697 5 siehe auch LONDON (1930) sowie HAMAKER (1937), LIFSCHITZ (1956) u.a. in ISRAELACHVILI (1997) 6 siehe ISRAELACHVILI (1997) S. 9

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a) einerseits die Atome und Moleküle als ideal harte (inelastische und in-kompressible) Kugeln mit dem Durchmesser dA (≈ 2⋅rVdW VAN-DER-WAALS-Radius) angenommen:

mA*

ab adBU

⋅= mit m = ∞ und deshalb

• Uab = ∞ für a < dA • Uab = 0 für a ≥ dA

b) und andererseits realistischer als Kugeln mit einer endlichen Kompressibi-lität des Kontaktes angenommen:

mA*

ab adBU

⋅= mit m = 9 ... 12

Das Nullpotential 0aB

aAU mn =+−= wird beim Abstand aU=0 erreicht:

nm1

0U ABa

=

= . ( 2.4)

Das Potentialminimum dU/da = 0 im negativen Bereich der Anziehung, d.h. für betragsmäßig maximale Bindungsenergie minBmax UUU == , ergibt sich

somit bei einer Gesamtwechselwirkungskraft von Null (⇒ Das negative Vor-zeichen dient der Normierung auf definitionsgemäß negatives Bindungspo-tential und Anziehungskraft):

1m1n aBm

aAn

dadUF ++

⋅+

⋅−=−= . ( 2.5)

Für den zugehörigen sog. Gleichgewichtsabstand aF=0, d.h. ∑ =0Fi

1m1n aBm

aAn0F ++

⋅+

⋅−== , folgt daraus

nm1

0F AnBma

=

⋅⋅

= . ( 2.6)

Dieser Gleichgewichtsabstand entspricht dem Durchmesser einer Packung gleichartiger Moleküle, während aU=0 = dA der Durchmesser der ideal harten Molekülkugel ist. Deshalb ist es nun sinnvoll ein Abstandsverhältnis nor-miert auf aU=0 einzuführen:

1nm

aa nm

1

0U

0F >

=

=

= . ( 2.7)

Davon ausgehend (beim Kräftegleichgewicht ist ε = 0) wird die Dehnung auf den Abstand aF=0 normiert und ist damit bei U = 0 negativ (= Kompression):

−−=−=

−==ε

=

=

=

==

==

nm1

0F

0U

0F

0F0U

0F0U m

n11aa

aaa

ada . ( 2.8)

a 0

dA

U

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Oben eingesetzt erhält man den Funktionswert für Umin

nmm

nmn

min BmAnB

BmAnAU

−−

⋅⋅

+

⋅⋅

−= . ( 2.9)

Mit Hilfe der charakteristischen Kennwerte der allgemeinen Potentialfunktion • aU=0 Atomkernabstand beim Gesamtpotential U = 0 (manchmal ≡ σ ge-

schrieben) • Umin = UB Potentialminimum oder Bindungsenergie (manchmal ≡ ∈ ge-

schrieben) lässt sich mit den obigen Gln.( 2.4) und ( 2.9) die Potentialfumktion U wie folgt umschreiben:

+

−⋅⋅

−=+−= ==

−m

0Un

0UB

nmn

mn aa

aaU

nm

nmm

aB

aAU . ( 2.2)a

Im Falle des LENNARD-JONES-Potentiales ergibt sich daraus:

+

−⋅⋅=+−= ==

120U

60U

B126 aa

aaU4

aB

aAU . ( 2.10)

Am Wendepunkt der Potentialfunktion ist die Anziehungskraft betragsmäßig maximal:

2m2n2

2

aB)1m(m

aA)1n(n0

dadF

daUd

++

⋅+⋅+

⋅+⋅−==−= , ( 2.11)

nm1

F A)1n(nB)1m(ma

max

⋅+⋅⋅+⋅

= . ( 2.12)

Für das Abstandsverhältnis gilt:

1aa

)1n(n)1m(m

aa

0U

0Fnm

1

0U

Fmax >>

+⋅+⋅

==

=−

=

. ( 2.13)

Die zugehörige Dehnung ausgehend vom Kräftegleichgewicht εFmax ist posi-

tiv: 11n1m1

aa

aaa

ada nm

1

0F

F

0F

0FF

0FmaxF

maxmax −

++

=−=−

==ε−

==

=

=

. ( 2.14)

Oben eingesetzt folgt der Funktionswert für Fmax

nm1m

nm1n

max B)1m(mA)1n(nBm

B)1m(mA)1n(nAnF

−+

−+

⋅+⋅⋅+⋅

⋅+

⋅+⋅⋅+⋅

⋅−= ( 2.15)

oder nach Umrechnung:

1nF

maxmax

aAn

1mnmF +

⋅⋅

+−

−= . ( 2.16)

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Wiederum eingesetzt folgt der zugehörige Funktionswert für UFmax

nmm

nmn

F B)1m(mA)1n(nB

B)1m(mA)1n(nAU

max

−−

⋅+⋅⋅+⋅

+

⋅+⋅⋅+⋅

−= ( 2.17)

bzw. nach Umrechnung: n

maxFmaxF a

A)1m(m

)1n(n1U ⋅

+⋅+⋅

−−= . ( 2.18)

Der E-Modul ist ein charakteristisches Maß der Feststoffbindung. Er lässt sich ebenfalls atomistisch darstellen7, siehe Folie 2.9: Ein makroskopisch definiertes Spannungsinkrement

0l/dlEEd ⋅=ε⋅=σ ( 2.19)

soll am Punkt des inneren atomistischen Kräftegleichgewichtes aF=0 auf den Werkstoff einwirken. • Entweder bewirkt eine äußere Zugkraft die Zunahme des Atomgitterab-

standes und damit eine Zunahme der Anziehungskraft oder • eine äußere Druckkraft bewirkt die Abnahme des Atomgitterabstandes und

damit auch eine Zunahme der Abstoßungskraft als die jeweils wirksamen Rückstellkräfte.

0FadaEd=

⋅≡σ ( 2.20)

Mit dem hier atomistisch definierten Zusammenhang zwischen Spannung und Kontaktkraft (s. Abschnitt 6.1.1, MVT_e_6neu.doc, MVT_e_6neu.pdf)

2AA

A

A dF1

AF

⋅εε−

==σ ( 2.21)

AA Querschnittsfläche der atomaren Packung A1 ε− Packungsdichte der Atome

dA Atomdurchmesser

folgen dadF

da1E 2

A

0F

A

A ⋅⋅εε−

= = und für dA ≡ aF=0 und εA ≈ 0,5 (gewöhnlich wird

die Packungsdichte in der atomaren Größenskale vernachlässigt)

dadF

a1E

0F

⋅≈=

. ( 2.22)

Da ebenfalls dacdF ⋅= gilt, lässt sich der E-Modul auch mit Hilfe einer ato-mistisch definierten Federkonstanten gewinnen 0Fa/cE == . Er kann damit

aus dem Tangentenanstieg dF/da am Gleichgewichtspunkt aF=0 ermittelt wer-den (es ist sinnvoll, die Vorzeichenregelung beizubehalten):

Dr.- Ing.habil. J. Tomas 1992

7 siehe H. STROPPE: Physik (1994), S.105

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70

0F0F a2

2

0Fa0F daUd

a1

dadF

a1E

==

⋅−=⋅−===

( 2.23)

3m0F

3n0F a

B)1m(ma

A)1n(nE +=

+=

⋅+⋅+

⋅+⋅−= . ( 2.24)

Mit dem zugehörigen Abstand bei maximaler Bindungsenergie zwischen den Atomen aF=0 folgt:

( )3

0F

B3n0F a

UmnaAn)nm(E

=+=

−⋅⋅=⋅⋅−= (2.25) und ( 2.26)

Aus dem nichtlinearen Verlauf der Abstandsfunktion der atomaren Bindungs- bzw. Abstoßungskräfte folgt, dass das HOOKsche Gesetz nur bei kleinen Deformationen Gültigkeit besitzt. Als Obergrenze ergibt sich ein Wert E = 1000 kN/mm2 für eine kovalente C-C-Bindung im Diamant8. Mit den bisherigen Beziehungen für die maximale Bindungskraft Fmax Gl. ( 2.16) und den E-Modul Gl.(2.25) lässt sich die bezogene ideale Zerreiß-festigkeit (molekulare Zugfestigkeit) abschätzen, die zum Überwinden der atomaren Bindekräfte erforderlich ist:

1nF

1n0F

2A

2A

1n0F

1nF

2A

maxmax,Z

maxmaxaa

1m1

d1

And

nma

aAn

1mnm

EdF

E +

+=

+=

+ ⋅+

=⋅⋅

⋅−

⋅⋅

⋅+−

=⋅

=σ ( 2.27)

und mit den Gln.( 2.6) und ( 2.12) folgen

nm1

nm1

nm1

F

0F

1m1n

AnBm

B)1m(mA)1n(n

aa

max

−−−=

++

=

⋅⋅

⋅+⋅⋅+⋅

= ( 2.28)

nm1n

max,Z

1m1n

1m1

E−+

++

⋅+

=σ , (2.29)

z.B. für das LENNARD-JONES-Potential (n = 6, m = 12):

27E

137

13E

11216

112E 6

761216

max,Z ≈

⋅=

++

⋅+

=σ−+

( 2.30)

oder für eine Ionenbindung (n = 1, m = 12):

18E

132

13E

11211

112E 11

2112

11

max,Z ≈

⋅=

++

⋅+

=σ−+

. (2.31)

Dr.- Ing.habil. J. Tomas 1992

8 Czichos, H., Hütte-Grundlagen der Ingenieurwissenschaften, S. D 42, Springer Berlin 1991.

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71

Unter Annahme idealen Gitteraufbaus sowie gleichmäßiger Zugbeanspru-chung lässt sich ebenfalls die ideale Zerreißfestigkeit oder die sog. theoreti-sche Bruchspannung σtheor abschätzen /3.116/:

2/1

G

Atheor a

E

γ⋅=σ . ( 2.32)

aG ≈ 0,3 nm Gitterkonstante (Gitteratomkernabstand) E Elastizitätsmodul γA= σsg spezifisch freie Grenzflächenenergie Die Gitterkonstante aG hängt vom Atomradius rA und von der Art der Atom-packung im Gitter ab, wenn man starre Kugeln voraussetzt9: a) kubisch flächenzentriert (Flächendiagonale) 2/r4a AG ⋅= ,

b) kubisch raumzentriert (Raumdiagonale). 3/r4a AG ⋅=

Die Schwierigkeit einer theoretischen Berechnung nach Gl.( 2.32) folgt viel-fach aus der Tatsache, dass die spezifische freie Grenzflächenenergie γA ≈ 0,1 ... 1 J/m2 nicht ohne weiteres zugänglich ist. Eine Abschätzung aus den Bin-dungsenergien fehlerfreier Kristalle liefert die maximale theoretische Trenn-festigkeit von Kristallgitterebenen 15/E5/E theor>σ> 10 /3.116/:

15/Etheor≈σ . ( 2.33)

Die theoretische Scherfestigkeit (Fließgrenze bei plastischer Verformung) zum Erzeugen von Versetzungen in Kristallen lässt sich ebenfalls abschät-zen11:

0max

0max a

x2)ax2sin()x( ⋅π⋅τ≈⋅π⋅τ=τ ( 2.34)

mit dem HOOK’schen Gesetz

0axGG)x( =γ=τ , ( 2.35)

dem Gleitmodul

)1(2EG+ν⋅

= ( 2.36)

und der Querdehnungs- oder POISSON-Zahl ν = 0,1 ... 0,45 ergibt sich:

)1(4E

2G

max +νπ=

π=τ . ( 2.37)

Dr.- Ing.habil. J. Tomas 1992 9 siehe Abschnitt 1.4, SCHATT Werkstoffwissenschaft 1996, S. 37 10 siehe HÜTTE (1991), S. D 45 11 siehe SCHATT Werkstoffwissenschaft 1996, S. 368

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72

Mit beispielsweise ν ≈ 0,3 folgt:

16/Emax=τ . ( 2.38)

Die reale Festigkeit von Festkörpern liegt aber um mehrere Größenordnungen niedriger als die theoretischen Bruchspannungen (bei Metallen um einen Fak-tor bis zu 10-5). Die Ursache ist darin zu sehen, dass praktisch keine idealen Gitter vorliegen, sondern reale Festkörper, in denen submikroskopische mik-roskopische und makroskopische Baufehler verschiedener Art vorliegen. Diese sind hinsichtlich der Spannungsverteilung Inhomogenitätsstellen (Po-ren, Kerbe, Primärrisse). An ihnen stellen sich örtliche Spannungsspitzen ein, die um ein Vielfaches größer als die mittleren Spannungen im Körper sind. 2.1.1.2 Ausbreitung von Dichtestörungen bzw. Schallwellen Schallwellen stellen periodische longitudinale Auslenkungen (Längswellen) elastischer Medien bzw. Dichtewellen dar12.

Bild 2.2: Ausbreitung einer Längswelle in einem Stab

Für eine harmonische Auslenkung ξ am Ort x )txksin()t,x( max ω⋅ξ=ξ ( 2.39)

f2π=ω Kreisfrequenz ( 2.40) λπ= /2k Kreiswellenzahl ( 2.41)

lautet die (dimensionslose) Wellengleichung mit der Phasen- oder Ausbrei-tungsgeschwindigkeit

fk/vP λ=ω= ( 2.42)

0dtd

v1

dxd

2

2

2P

2

2

−ξ . ( 2.43)

Dr.- Ing.habil. J. Tomas 1992

12 siehe HÜTTE (1991), S. B 192

x

ρs Impulsänderung Fx dt

Stauchung dξ = v dt

Verdichtungsstörung (Schall) dx = cS dt, dm = ρs A dx

A

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73 Bei einer aufgebrachten Impulsänderung (Verdichtungsstoß) )vm(d ⋅ als

Folge der einwirkenden Kraft

dtdmv

dt)vm(dxmF

..

x⋅

=⋅

=⋅= ( 2.44)

in der Zeit dt am linken Ende eines Stabelementes wird dieses mit der Stau-chungsgeschwindigkeit v zu einer Längenänderung

dtvd ⋅=ξ ( 2.45)

nach rechts gezwungen. Die Kompressionsstörung des Massestückes dxAdm s ⋅⋅ρ= ( 2.46)

läuft mit einer schnelleren Phasengeschwindigkeit cS in diesem Kompressi-onsbereich dtcdx S⋅= ebenfalls nach rechts. Damit ist die Stoßkraft

Ssx cvAF ⋅⋅⋅ρ= . ( 2.47)

Der Zusammenhang wird aus dem HOOK’schen Gesetz für die relative Stau-chung (= negative Dehnung) ε des elastischen Stabes ersichtlich

Ssx

S

cvEE

A/FEc

vdxd

⋅⋅ρ

==σ

==ξ

=ε . ( 2.48)

Die eindimensionale Wellengleichung lautet dann mit der Ausbreitungsge-schwindigkeit des Schalles im Festkörper:

sS /Ec ρ= ( 2.49)

0dtd

c1

dxd

dtd

Edxd

2

2

2S

2

2

2

2s

2

2

−ξ

≡ξρ

−ξ . ( 2.50)

Allgemein gilt dann für den Transport elastischer Formänderungsenergie:

0dtd

c1

2

2

2S

−ξ∆ ( 2.51)

2

2

2

2

2

2

z(..)

y(..)

x(..)(..)(..)(..)

∂∂

+∂∂

+∂∂

=∇⋅∇=∆ LAPLACE-Operator

kz

(..)jy

(..)ix

(..)(..)grad(..) ⋅∂∂

+⋅∂∂

+⋅∂∂

==∇ NABLA-Operator (Vektor!)

Stoff Schallgeschwindig-keit

cS in m/s Beispiele

Feststoff ss,S /Ec ρ= 3 800 Beton

Flüssigkeit ll,S /Kc ρ= 1 484 Wasser (20°C)

Gas gadg,S /pc ρκ= 343 Luft (20°C)

Tabelle 2.1: Schallausbreitungsgeschwindigkeiten

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74

2.1.1.3 Rissbildung, Rissausbreitung und Bruchvorgänge ⇒ Wiederholungen aus der Werkstoffmechanik: mechanisches Verhalten

elastisch-plastischer Festkörper, wie z.B. Metalle ⇒ typische Spannungs-Dehnung-Diagramme, siehe Folien 2.10 und 2.11. Jeder Bruch verläuft in den drei Teilvorgängen13: 1) Rissbildung, 2) Rissausbreitung und 3) Risswachstum. Merkmale zur Kennzeichnung des Bruchgrundvorganges sind: a) Plastische Verformung vor der Rissinstabilität:

• Verformungsreicher, • Verformungsarmer oder • Verformungsloser Bruch.

b) Energieverbrauch während der Rissausbreitung: • Zäher Bruch (großer Energieverbrauch) oder • Spröder Bruch (geringer Energieverbrauch).

c) Rissausbreitungsgeschwindigkeit vR: • Schneller Bruch in Größenordnung von etwa 1/4 bis 1/3 der Schall-

geschwindigkeit im Festkörper vR ≈ 1000 m/s (z.B. cS,Beton = 3800 m/s, siehe Tabelle 2.1),

• Mittelschneller Bruch vR < cS (vR ≈ 1 m/s), • Langsamer Bruch vR << cS (vR < 1 mm/s).

d) Bruchflächenverlauf: • Transkristalliner Bruch durch die Kristalle oder Partikeln, • Interkristalliner Bruch entlang der Korngrenzen.

e) Bruchflächenmorphologie: • Duktiler Bruch mit wabenartiger Bruchoberfläche, • Spaltbruch mit mikroskopisch spaltflächiger Bruchoberfläche, • Quasispaltbruch mit spaltbruchähnlicher Bruchoberfläche.

f) Bruchflächenorientierung: • Normalflächiger Bruch senkrecht zur größten Hauptspannung, • Scherflächiger Bruch parallel zur Ebene maximaler Scherspan-

nung. Die Entstehung eines Bruches lässt sich somit als ein Vorgang der Ausbrei-tung von Rissen in * submikroskopischen, * mikroskopischen und schließlich

Dr.- Ing.habil. J. Tomas 1992

13 HÜTTE (1991), S. D 61

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75

* makroskopischen Dimensionen beschreiben. Der Bruch eines Körpers wird deshalb an den genannten Schwä-chestellen beginnen und sich von dort ausbreiten. Die an den Inhomogenitäts-stellen bzw. Rissen auftretenden Spannungserhöhungen lassen sich auf Grundlage der Kerbspannungslehre abschätzen (Spannungsintensitäts-Kon-zept der Bruchmechanik /3.116/). Sofern nicht bereits vorhandene Inhomogenitätsstellen (d.h. für die mechani-sche Zerkleinerung vor allem Kerben bzw. Primärrisse an den Partikeloberflächen) für die Bruchauslösung zur Verfügung stehen, können sich submikroskopische Risskeime auch durch lokale Gleitvorgänge (Ver-setzungsbewegungen) während der mechanischen Beanspruchung bilden /3.116/. Dieses Stadium bezeichnet man als Rissbildung, siehe Folie 2.12.1. Es dürf-te bei der Zerkleinerung körniger Stoffe im Allgemeinen fehlen, abgesehen von sehr feinen Partikeln, die aufgrund vorgelagerter Bruchereignisse frei von Inhomogenitätsstellen geworden sind (Folie 2.12.1). Unter Risseinleitung versteht man in der Bruchmechanik den Übergang von einem ruhenden in einen bewegten Riss /3.116/. Daran schließt sich die Rissausbreitung an, d.h. die Vergrößerung eines Ris-ses. Deren Endstadium ist im Allgemeinen der Bruch. Eine stabile Rissausbreitung erfolgt unter ständiger Energiezufuhr von au-ßen und führt in den meisten Fällen zum makroskopischen Zähbruch. Eine instabile Rissausbreitung vollzieht sich unter ständiger Umwandlung von im Körper während der Beanspruchung gespeicherten elastischen Form-änderungsenergie in die für die Bildung von Bruchflächen erforderliche Energie. Sie verläuft mit hoher Geschwindigkeit (Größenordnung der Schallgeschwindigkeit > 1000 m/s) und führt zu einem makroskopischen Sprödbruch (Geräusche!). Folie 2.12.1 spiegelt den Zusammenhang zwischen den verschiedenen Stadi-en wider, soweit diese für das Zerkleinern relevant sind. Außer den stoffli-chen Eigenschaften können auf die Rissausbreitung einen Einfluss ausüben: - Art und Geschwindigkeit der Beanspruchung, - Temperatur, - Form des Körpers und - das Medium (Dispersionsmittel), in dem sich der Bruchvorgang vollzieht. Bemerkenswert ist für die Zerkleinerung auch noch folgender Sachverhalt. In einem Partikel werden immer die jeweils wirksamsten (d.h. größten) In-homogenitätsstellen den Bruch einleiten. Für nachfolgende Zerkleinerungs-ereignisse der Bruchstücke stehen dann entsprechend weniger wirksame In-

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76

homogenitätsstellen zur Verfügung. Dies führt zu einer Erhöhung der Fes-tigkeit mit abnehmender Partikelgröße (siehe z.B. /3.69//3.117/). Ein Sprödbruch ist makroskopisch ein verformungsloser bzw. verformungs-armer Bruch, bei dem die Bruchauslösung bereits bei Spannungen geschieht, die beträchtlich unter der Fließgrenze liegen. Das entspricht einem verfor-mungsarmen elastisch-spröden Stoffverhalten. Ein Zähbruch ist demgegenüber mit einer makroskopisch sichtbaren inelastischen Verformung der Umgebung der Bruchstellen verbunden. Sprödbruch ist bei der Zerkleinerung unbedingt anzustreben und liegt auch meist bei der Zerkleinerung mineralischer Rohstoffe tatsächlich vor. Ob Sprödbruch eintritt oder nicht, kann unter den beim Zerkleinern gegebenen Verhältnissen mit von den Beanspruchungsbedingungen * Beanspruchungsgeschwindigkeit, * Temperatur, * Art des Spannungszustandes abhängen. Man darf also nicht von spröden Stoffen, sondern muss von sprö-den Stoffverhalten sprechen. Jedoch unterscheiden sich die Stoffe in ihrer Neigung zum Sprödbruch- oder Zähbruchverhalten. Bei erhöhter Beanspru-chungsgeschwindigkeit sowie mit abnehmender Temperatur wächst bei Stoffen mit inelastischen Verformungsanteilen die Neigung zum Spröd-bruchverhalten. Wird durch eine starke Versetzungsbewegung an der Riss-spitze die Ausbreitung eines Spaltrisses verhindert, so geht der endgültigen Trennung des Körpers eine stärkere plastische Verformung voraus. Damit wird das Abgleiten atomarer und/oder molekularer Schichten zum grund-legenden Mechanismus des Zähbruchs. Plastische Verformungen treten zunehmend auf, wenn die Größe beanspruch-ter Körper abnimmt. Dies ist eine Folge des mit zunehmender Feinheit auftre-tenden Abbaus an intensiveren Inhomogenitätsstellen. Infolgedessen werden bei der Beanspruchung die verformenden Scherspannungen eher als die sprödbruchauslösenden Zugspannungen erreicht. Mit abnehmender Partikelgröße unterliegen folglich auch Stoffe mit makros-kopisch sehr sprödem Stoffverhalten zunehmend plastischen Verformungen. Diese Erscheinung beobachtet man verständlicherweise auch, wenn man grö-ßere Körper in kleinsten Bereichen beansprucht (Härte, Mikroplastizität) /3.117/. Bei sehr feinen Partikeln stößt man schließlich an eine Grenze, unter der nur noch plastische Verformung auftritt (Mahlbarkeitsgrenze). Für Quarz und Kalzit werden dafür etwa 0,1 bis 1 µm experimentell ermittelt. Damit ist jedoch nur eine Aussage gemacht, für welche Partikel bei der Bean-spruchung keine Sprödbruchereignisse mehr auslösbar sind.

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77

2.1.1.4 Energiebilanz der Rissausbreitung & Zerkleinerungsgrenze Ein weiterer Zugang zu Bruchkriterien ist über die Energiebilanz bei der Rissausbreitung gegeben (Energiekonzept der Bruchmechanik). 1920 stellte GRIFFITH erstmalig eine solche Energiebilanz für die instabile Rissaus-breitung auf, die für ideal sprödes Stoffverhalten gilt /3.68/. Danach tritt die instabile Rissausbreitung ein, wenn die elastische Verformungsenergie gleich oder größer ist als die für die Bildung beider Rissfläche benötigte Grenzflä-chenenergie. Für die mathematische Darstellung geht man zweckmäßigerwei-se von einem langen, schmalen Riss aus, der sich in einer unter Zugspannung befindlichen, unendlich ausgedehnten Platte befindet. Dieses Rissmodell kann man wiederum als Grenzfall der in Folie 2.12.2 dargestellten ellip-tischen Innenrisses mit dem Kerbradius ρ ≈ 0 auffassen. Für die an der Riss-ausbreitung beteiligten Energien ergibt sich je Längeneinheit Rissfront (svw. Plattendicke): a) die elastische Verformungsenergie WV (Beanspruchungsenergie):

E4

lW22

Vσπ

−= , ( 2.52)

b) die Grenzflächenenergie WA, d.h. die notwendige Arbeit, die gegen die Bindungsenergie der Moleküle zum Aufbrechen beider Bruchflächen aufzu-bringen ist („Energieverbrauch“):

AA l2W γ= . ( 2.53)

In der Folie 2.12.3 sind die negative (!) elastische Verformungsenergie WV und die positive Grenzflächenenergie WA sowie die Gesamtenergie

Wges = WV + WA ( 2.54)

in Abhängigkeit von der Risslänge schematisch dargestellt - vergleiche dazu auch die molekularen Potentialfunktionen in der Folie 2.9. Bei sehr kleinen Risslängen oder Bindungsabständen muss für die Rissausbreitung laufend Energie von außen zugeführt werden, das ist die sog. stabile Rissausbrei-tung, Folie 2.12.1. Erst jenseits des Maximums der Gesamtenergie, siehe Kurve c in der Folie 2.12.3, wenn eine kritische Risslänge lcrit (= GRIFFITH-Länge) erreicht ist, tritt die sogenannte instabile Rissausbrei-tung ein. Dazu wird die Gesamtenergie Wges nach l∂ differenziert und Null gesetzt und es folgt:

lW

lW0

lW AVges

∂∂

+∂

∂==

∂∂

( 2.55)

A

2

2E2

l0 γ+σπ

−= . ( 2.56)

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78

Unter der Bedingung, dass die im beanspruchten Festkörper gespeicherte elastische Verformungsenergie größer ist als die notwendige Energie zum Aufbrechen der Festkörperbindungen zwischen beiden Bruchflächen, lässt sich das Kriterium der instabilen Rissausbreitung formulieren:

lW

lW AV

∂∂

≥∂

∂ . ( 2.57)

Aus dieser Gl.( 2.56) folgt die benötigte kritische Zugspannung σcrit zur instabilen Rissausbreitung:

2/1

Acrit l

E4

πγ

=σ , ( 2.58)

sowie die kritische Risslänge lcrit:

2A

critE4lσπγ

= . ( 2.59)

Sie beträgt beispielsweise lcrit ≈ 100 µm für Kalkstein mit E ≈ 80 kN/mm2, Grenzflächenenergie γA ≈ 0,1 J/m2 und einer Zugfestigkeit σ ≈ 10 MPa. Setzt man für die Risslänge l den Gitterabstand aG ein, so geht Gl.( 2.58) im Prinzip in Gl.( 2.32) über. Für ideal sprödes Verhalten gilt gemäß GRIFFITH (ohne dominante inelastische Effekte):

Acritcrit 2RG γ⋅== . ( 2.60)

In der Gl.( 2.56) wird ∂WV/∂l auch als Energiefreisetzungsrate G bezeich-net, und ihr kritischer Wert Gcrit heißt kritische Rissausbreitungsenergie bzw. aus der Sicht des erforderlichen Energieaufwandes je Bruchflächenein-heit kritischer Risswiderstand Rcrit. Schon IRWING14 zeigte bereits die Verknüpfung der Energiefreisetzungsrate G mit der Bruchzähigkeit K. Und zwar gilt im Beanspruchungsfall I, d.h. einaxiale Zugbeanspruchung mit senkrechtem Riß, siehe Folie 2.13, für den ebenen Spannungszustand bzw. ebenen Dehnungszustand (ν Querdeh-nungszahl):

EK

G2

c,Icrit,I = bzw. ( )

EK

1G2

c,I2crit,I ⋅ν−= ( 2.61)

Wie im Vorstehenden gezeigt worden ist, vermag sich ein Riss nur dadurch fortzupflanzen, dass an seiner Spitze - der Rissfront - sehr hohe Spannungen und somit eine entsprechend hohe Energiedichte vorhanden sind. Dadurch werden dort inelastische Verformungen erzwungen. Die Folge davon sind Strukturveränderungen (Gitterstörungen, Amorphisierungen) in der Bruch-zone vor der Rißspitze, siehe Folie 2.13 Beanspruchungsfall I. Nach

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79

DUGDALE14 ergibt sich unter Berücksichtigung der plastischen Fließgrenze σF eine charakteristische Abmessung der Bruchzone δ von etwa

2F

EG4,0σ

⋅⋅=δ , ( 2.62)

vorausgesetzt δ bleibt klein gegenüber der Rißlänge l, δ < l. Diese Bruchzone hat bei spröden Materialien nur eine nanoskalige Abmessung von etwa δ = 1 bis 10 nm, für spröde Polymere liegt sie bei etwa δ = 1 bis 10 µm. Beim gewünschten Sprödbruch sollen Büschel nebeneinander liegender Risse entstehen, siehe Folie 2.16.6 im folgenden Kapitel 2.1.2.2, die einen ausrei-chend großen Abstand haben müssen, damit ihnen noch genügend Energie für die instabile Rissausbreitung zufließen kann. Ihr Abstand voneinander muss also eine Mehrfaches von δ betragen. Deshalb kann man nach SCHÖNERT14 als bruchmechanisch begründete Mindestpartikelgröße, also die sog Zerklei-nerungsgrenze dZG, etwa annehmen:

2F

ZGEG410d

σ⋅⋅

=δ⋅≈ ( 2.63)

Für die feinsten in Mahlprodukten auftretenden Bruchstücke sind also die nanoskaligen Abmessungen der Bruchzone in Betracht zu ziehen. Eine Ab-schätzung auf bruchmechanischer Grundlage liefert für spröde Stoffe etwa 0,01 bis 0,1 µm, was mit eigenen praktischen Erfahrung bei der Feinst-zerkleinerung übereinstimmt15:

nm50EG4d 2F

ZG ≈σ⋅⋅

Energieverluste und Temperatureffekte Die enormen Energiedichte wird innerhalb der nanoskaligen Bruchzone dis-sipiert und sie heizt sich lokal auf. Bei der schnellen Rißausbreitung entsteht eine Temperaturspitze (Bruchtemperatur), die nur wenig vom adiabatischen Wert abweicht (mit c ≈ 0,5 bis 1 kJ/(kg.K) spezifische Wärmekapazität16 und

G8,0A/Qq RißBruchBruch ⋅≈∂∂= spezifische Bruchwärme):

δ⋅ρ⋅=∆

s

Bruch

cqT , ( 2.64)

Dr.- Ing.habil. J. Tomas 1992

14 siehe Schönert, K., Zerkleinern, in Schubert, H., Handbuch der Mechanischen Verfahrens-

technik, Wiley-VCH Weinheim 2003, S. 191. 15 siehe z.B. Diss. von A. Petrova, OvGU 2008 oder /3.118/ 16 Niedrig, H., Physik, in Czichos, H., Hütte, Springer-Verlag, Berlin 1991, S. B67.

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80

Dadurch treten bei der schnellen instabilen Rissausbreitung kurzzeitig (einige Pikosekunden) hohe Temperaturen auf /3.69//3.70/. So sind z. B. bei Quarz ca. 3700 °C und Kalkstein ca. 700 °C gemessen worden /3.73/. Wegen der geringen Abmessung der Bruchzone kühlt sie sich nach Durchlau-fen des Bruches sehr schnell wieder ab, die Nichtgleichgewichtszustände frie-ren ein und bleiben auf den Bruchflächen erhalten. Infolgedessen ist die spe-zifische freie Grenzflächenenergie γA kein Maß für bei der Rissausbreitung auftretenden Energieumsetzungen, wie es die Griffith-Hypothese voraussetzt. Die spezifische freie Grenzflächenenergie γA liegt für Festkörper im Be-reich von 0,05 bis 2 J/m2, während der kritische Risswiderstand Rcrit sprö-der Materialien mehr als das 100-fache davon beträgt, siehe Tabelle 2.2, z.B. Zementklinker: Rcrit = 5 … 30 J/m2 /3.119/.

Tabelle 2.2: Bereiche des kritischen Rißwiderstandes14

Materialgruppe Rcrit in J/m2

Gläser 7 … 20 Keramik 50 … 500 Polymere 100 … 104

Stahl 104 … 105 Frische Bruchflächen unterliegen nach ihrem Entstehen irreversiblen Verän-derungen, die vor allem auf den Abbau von Gitterströmungen bzw. Amorphisierungen sowie molekularer Rauhigkeiten hinauslaufen /3.70/ /3.120/. Es erhebt sich weiterhin die Frage, in welcher Weise das umgebende Medium den Bruchvorgang beeinflussen kann. Die Wechselwirkungen (Adsorption) zwischen Feststoffober- bzw. Bruchfläche und den Molekülen des Mediums (einschließlich darin dispergierter bzw. gelöster Substanzen) können sich gemäß Gln.( 2.32) und ( 2.58) durch Herabsetzen der spezifischen freien Grenzflächenenergie auf die theoretische Bruchspannung σth als auch auf die Rissausbreitung auswirken (adsorptionsbedingte Festigkeitsverminderung, sog. Rehbinder-Effekt /3.65/ /3.71/). Bei Untersuchungen an Glas zeigte sich bei niedrigen Rissausbreitungsgeschwindigkeiten (< 0,001 m/s in feuchter Luft und < 0,1 m/s in Wasser) tatsächlich eine entscheidende Herabsetzung des Risswiderstandes im Vergleich zum Hochvakuum. Dies wird als span-nungskorrosive Wirkung der Wassermoleküle gedeutet /3.70//3.72//3.73/. Andererseits kann das Dispersionsmittel auch die plastischen Mechanismen beeinflussen /3.65/. Auszuschließen ist allerdings ein Einfluss des Mediums bei höheren Rissausbreitungsgeschwindigkeiten und damit vor allem auch

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während der instabilen Rissausbreitung wegen dessen zu geringer Spreitungsgeschwindigkeit /3.60//3.66/. 2.1.2 Mikroprozesse des Zerkleinerns Da man definitionsgemäß unter einem Mikroprozess die Stoffwandlung in den für den jeweiligen Makroprozess charakteristischen kleinsten Substanz-gebieten versteht, so sind im Falle des Zerkleinerungsprozesses einzelne Par-tikel sowie Anordnungen einander benachbarter Partikel (Mehrpartikelanordnungen) diese kleinsten charakteristischen Substanzgebie-te, Folie 2.14 . Mit der Untersuchung der zerkleinerungstechnischen Mikroprozesse wird das Ziel vefolgt, den Zusammenhang zwischen Beanspruchung und Zerkleine-rungsergebnis aufzuklären, indem einzelne Partikel oder Mehrpartikelanord-nungen (Partikelschichten, Gutbetten) weitgehend definierten Beanspru-chungsbedingungen unterworfen werden. Von Seiten der Beanspruchung interessieren dabei insbesondere (Einflussgrößen): - Art, - Intensität (Geschwindigkeit, Kraft, Energie) und - Häufigkeit (Anzahl der Beanspruchungsereignisse pro Zeiteinheit) der Beanspruchung; von Seiten des Zerkleinerungsergebnisses (Zielgrößen) demgegenüber; - Bruchwahrscheinlichkeit oder Bruchanteil der Partikeln unterschiedlicher

Größe und Form, - die Partikelgrößenverteilung der Bruchstücke sowie - der energiebezogene Oberflächenzuwachs (Energieausnutzung) und - der Aufschlussgrad. Die Ergebnisse der Einzelpartikelzerkleinerung sind insbesondere für die Modellierung von Brechprozessen relevant, weil hierbei im wesentlichen Einpartikelschichten beansprucht werden. Die Ergebnisse der Partikelschichtzerkleinerung (Gutbettzerkleinerung) sind demgegenüber für viele Mahlprozesse aussagekräftig. Deshalb haben sich sowohl die Einzelpartikelzerkleinerung als auch die Partikelschichtzerkleinerung zu be-deutenden Arbeitsgebieten der Zerkleinerungforschung entwickelt (siehe z.B. /3.74//3.79/ bis /3.82//3.86/ bis /3.90//3.121/). 2.1.2.1 Beanspruchungsarten

Zunächst sollen die bei der Zerkleinerung angewandten Beanspruchungsarten abgegrenzt werden /3.60//3.74/:

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a) Beanspruchung zwischen zwei Festkörperflächen (Folie 2.14)

Bei diesen Beanspruchungsarten können Beanspruchungsintensität und Beanspruchungsgeschwindigkeit voneinander unabhängig variiert werden. Die Beanspruchung durch - Druck (Folie 2.14.1a) ist in vielen Zerkleinerungsmaschinen (z.B. Backenbrecher, Kegelbrecher, Walzenbrecher, Trommelmühlen) anzutreffen. Wesentlich für diese Beanspruchung ist neben dem Formzwang die relativ niedrige Beanspruchungsgeschwindigkeit (etwa zwischen 0,1 und 5 m/s). - Für eine Beanspruchung durch Schlag (schnelle Druckbeanspruchung) ist kennzeichnend, dass eine Arbeitsfläche, die zwangsgeführt (z.B.

* Brechkegel im Flachkegelbrecher; * Nocken eines schnell laufenden Walzengrobbrechers) oder * frei beweglich ist (z.B. fallender Mahlkörper in Trommelmühlen) mit relativ hoher Geschwindigkeit (etwa > 5 m/s) auf das zu zerkleinernde Gut trifft, das mit einer festen Arbeitsfläche in Kontakt ist (Folie 2.14.1c).

- Die Beanspruchung durch Scherung wird in einigen Zerkleinerungsma-schinen besonders in Form der durch Folie 2.14.1b schematisch darge-stellten Beanspruchungsart realisiert. Die Partikel sind zwischen zwei Arbeitsflächen, die eine Relativbewegung zueinander ausführen, einge-spannt.

- Zu dieser Gruppe ist weiterhin die Schneid- und/oder Scherbeanspru-chung zu zählen, Folie 2.14.1e und f. Diese tritt auf, wenn der Abstand a der Wirkungslinien der beiden keilförmigen Schneidwerkzeuge sehr klein gegenüber der Stück- oder Partikelabmessung ist a << d.

- Wenn dagegen der Abstand a der Wirkungslinien der beiden Beanspru-chungswerkzeuge, z.B. beim Schneiden durch Verschleiß, die Stück- oder Partikelabmessung erreicht a ≈ d und wenn das Gegenlager einer Festkörperfläche mindestens 2 Auflagepunkte hat, tritt Biegebean-spruchung auf, Folie 2.14.1d.

- Das Einschlagen von speziell geformten Hämmern in dünnwandige grö-ße Stücke und Abreißen von kleinen Bruchstücken ist typisch für die Wirkungsweise von sog. Hammerreißern (Shredder) und ist in der Folie 2.14.1g dargestellt.

- Darüber hinaus können Partikeln auch bei beidseitiger linienförmiger Kraft- bzw. Energieeinleitung gleicher Wirkungslinie auf Spaltung, d.h. Spaltzug, beansprucht werden, Folie 2.14.1h.

b) Beanspruchung an einer Festkörperoberfläche (Folie 2.14.2)

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Diese Beanspruchungsart bezeichnet man gewöhnlich als Prallbeanspru-chung. Beanspruchungsintensität und -geschwindigkeit hängen hierbei voneinander ab, wobei die letztere mehr als eine Zehnerpotenz höher als bei der Druckbeanspruchung liegt. Beim Prall treffen die Partikel mit ho-her Geschwindigkeit auf eine Arbeitsfläche oder aufeinander, so dass kein Formzwang gegeben ist. Bei den Stoßvorgängen wird ein Teil der kineti-schen Energie für die Zerkleinerung zur Verfügung gestellt. Seine Größe hängt von der Stoßgeometrie und der Stoßpartnerschaft ab.

c) Beanspruchung ohne Festkörperfläche (Folie 2.14.3) Diese Beanspruchungsarten spielen im Gegensatz zu den unter a) und b) genannten für die Zerkleinerungstechnik eine untergeordnete Rolle. Hierzu zählen vor allem die mechanische Energieeinleitung durch das umgebende Medium (z.B. - Kraftwirkungen turbulenter Strömungen (siehe Abschn. 4.3.3.), Folie

2.14.3a, - Beanspruchung durch extrem schnelle Explosions- und Schalldruck-

wellen (die Detonationen industrieller und insbesondere militärischer Sprengstoffe haben Ausbreitungsgeschwindigkeiten von 1.000 bis 13.000 m/s), Folie 2.14.3b und die

- Energieeinleitung durch hochgespannte Gase. d) Beanspruchung durch nicht-mechanische Energieeinleitung

Hierzu rechnen die verschiedenen Methoden der thermischen Bean-spruchung, bei denen man sich entweder der unmittelbaren Wärmezu- bzw. -abfuhr oder der Möglichkeiten einer elektrothermischen Behand-lung bedient (Folie 2.14.3c).

e) Beanspruchung von Partikelschichten, siehe Folie 2.15

siehe auch Kap. 2.1.2.4, Text ergänzen…, und siehe auch Spannungszustände in Schüttgütern Kapitel 6, MVT_e_6neu.doc, MVT_e_6neu.pdf

In der Zerkleinerungstechnik werden vorwiegend die unter a) und b) genann-ten Beanspruchungsarten benutzt. Deshalb sind diese auch fast ausschließlich Gegenstand der Einzelpartikel- und Partikelschichtzerkleinerung. Man verwendet für experimentelle Labor-Untersuchungen regelmäßig ge-formte Partikel. Dafür eignen sich besonders Kugeln, weil deren symmetri-sche Spannungsverteilung nach einem Modell von Lurje17 und ihre elasti-

Dr.- Ing.habil. J. Tomas 1992 17 Lurje, A.I., Räumliche Probleme der Elastizitätstheorie, Akademie-Verlag, Berlin 1963; in: Antonyuk, S., Deformations- und Bruchverhalten von kugelförmigen Granulaten bei Druck- und Stossbeanspruchung, docupoint Verlag, Magdeburg 2006

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schen Kontaktdeformationen nach der Theorie von Hertz /3.75/ und Huber /3.76/ analytisch berechenbar und folglich eine bruchphysikalische Deutung möglich sind. Schließlich lässt sich die Beanspruchung unregelmäßig geform-ter Partikel an den Kontaktflächen der Beanspruchungswerkzeuge angenähert durch die an Kugeln wiedergeben18. 2.1.2.2 Einzelpartikelbeanspruchung In Folie 2.16.6 sind die bei der Druck- und bei der Prallbeanspruchung Folie 2.17 von Kugeln und unregelmäßigen Partikeln beobachteten Bruchphäno-mene dargestellt /3,78/. Die primären Bruchereignisse werden bei der Druck-beanspruchung durch Zugspannungen des statischen Spannungsfeldes, bei der Prallbeanspruchung dagegen durch das Spannungsfeld bestimmt, das sich hinter der Front der vom Stoßzentrum ausbreitenden Druck- und Schubspan-nungswelle ausbildet. Nach reiner elastischer Verformung beobachtet man im Fall der Druckbeanspruchung geschwungene Bruchbahnen von einem Kon-taktbereich zum anderen (Folie 2.17.6a und d) oder bei der Prallbeanspru-chung von der Auftreffstelle ausgehende Bruchbüschel (Folie 2.17.6g und i). Den primären Bruchereignissen folgen sekundäre, die auch bei der Druckbe-anspruchung durch die dynamischen Spannungsfelder bestimmt sind, die die schnell laufenden Brüche auslösen. Werden durch die Primärbrüche die Ge-biete plötzlich entlastet, in denen in der Nähe der Kontaktstellen vor dem Bruchbeginn zunächst Druckspannungen sowie die größte Energiedichte zu verzeichnen sind, so werden Materialschwingungen angeregt, die Zugspan-nungen und evtl. Sekundärbrüche mit hohem Feingutanteil bewirken (schraffierte Gebiete in Folie 2.17.6b und e). Auch bei der Prallbeanspru-chung beobachtet man einen Feingutkegel in dem Bereich der größten Ener-giedichte um das Stoßzentrum herum, siehe Folie 2.17.6h und j sowie Folie 2.18 und Folie 2.19. Verformt sich ein Partikel ausgeprägt plastisch, so werden an den Kontakt-stellen kegelförmige Gebiete mit Feinkorn durch die Kombination von Druck- und vor allem Scherspannungen erzeugt (Erreichen der Fließgrenze, z.B. nach COULOMB-MOHR, Bild 2.3). Diese Kegel werden in das Partikel hineingeschlagen - wie mit einem Meißel, und das umgebende Material ge-langt unter Ringzugspannungen, die zu Meridianbrüchen führen (Folie 2.16.6c und f, Folie 2.19). Diese bruchauslösenden Ringzugspannungen sind

Dr.- Ing.habil. J. Tomas 1992 18 Aman, S., Tomas, J., Kalman, H., Breakage probability of irregularly shaped particles, Chemical Engineering Science 65 (2010), 1503-1512

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vorteilhaft auszunutzen bei Stoffen mit sprödem Bruchverhalten, da die Zug-festigkeit gewöhnlich wesentlich geringer ist als die Druckfestigkeit:

Bild 2.3: Spannungsausbreitung und Fließgrenze einer spröden Kugel im τ-σ-Diagramm bei plastischer Kontaktabplattung (Folie 2.19)

( )nDsZs 41

σ⋅=σ≤σϕ ( 2.65)

σϕ Ringzugspannung (= außen eine Hauptspannung) σZs Biegezugfestigkeit σDs Druckfestigkeit n Exponent, bei Beton zur Berücksichtigung der Partikelform n = 0,66...0,7 kantig gebrochener Zuschlag (Splitt) n = 0,6...0,66 rundlicher Zuschlag (Flusskies) n = 0,66 im Mittel ≈ 2/3

z.B. Beton B 35: ( ) ( ) 23/223/2Ds1,Zs mm/N68,2mm/N35

41

41

=⋅=σ⋅≈σ

oder keramische Werkstoffe: )50...10/(Ds1,Zs σ≈σ

Im nachfolgenden sollen wichtige Ergebnisse der Untersuchungen zur Einzelpartikelzerkleinerung dargestellt werden: In der Folie 2.16.4 ist die typische Kraft-Weg-Kurve eines einaxialen Druckversuches für ein elastisch-plastisches Zeolit-Granulat dargestellt19. Nach Verformung der Mikrorauigkeiten (R, Bereich I) verformt sich die

Dr.- Ing.habil. J. Tomas 1992 19 Antonyuk, S., Deformations- und Bruchverhalten von kugelförmigen Granulaten bei Druck- und Stoßbeanspruchung, docupoint Verlag, Magdeburg 2006

Scherspannung τ

Normalspannung σ σZs σDs 0

τ = f(σ)

Gleitwinkel 2α

Druck- kraft F

α

τ

Gleitlinie

σ

σϕ

Ringzugspannungen σϕ, σψ σψ

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Granulatkugel bis zum Fließpunkt FP elastisch (Bereich II) in weitgehender Übereinstimmung mit der HERTZ’schen Theorie20: Die Anpresskraft Fel erzeugt eine Änderung der Mittelpunktsentfernung bei-der Kontaktpartner hK (= Deformationsweg)

3K2,1el hr*E

32F ⋅⋅⋅= ( 2.66)

mit dem mittleren E-Modul21 (sog. „HERTZ’sche Härte“)

( ) ( )1

2

22

1

21

1222

21

21

E1

E12

E1E1EE2*E

ν−+

ν−⋅=

⋅ν−+⋅ν−⋅⋅

= ( 2.67)

oder auch mit einer sog. „elastischen Kontaktnachgiebigkeit“ (svw. reziproke Steifigkeit oder reziproker E-Modul)

( ) ( )

ν−+

ν−⋅=

⋅⋅⋅ν−+⋅ν−

=2

22

1

21

21

1222

21

E1

E1

21

EE2E1E1

*E1 ( 2.68)

und mit dem geometrischen Mittel der Krümmungsradien der beiden Kon-taktpartner (r1,2 = r1, da bei einer Platte 1/r2 = 1/∞ → 0):

21

21

1

212,1 rr

rrr1

r1r

+⋅

=

+=

, ( 2.69)

Nach dem Erreichen des Fließpunktes FP verformen sich beide Kontakte zwischen den Platten elastisch-plastisch, also mit einem nennenswerten irre-versiblen Deformationanteil (Bereich III). Anschließend wird der Bruch-punkt B erreicht. Dieser erste primäre Bruch führt sogleich zu einem schar-fen Peak im Kraft-Weg-Diagramm. Die schraffierte Fläche unterhalb der Kraft-Weg-Kurve in der Folie 2.16.4 kennzeichnet die minimal notwendige

Zerkleinerungsarbeit (Bruchenergie) ∫=Bs

0Z ds)s(FW .

Einen scharfen Peak im Kraft-Zeit-Diagramm kann man ebenfalls bei der DEM-Simulation der Prallbeanspruchung einer Betonkugel beobachten22, Folie 2.16.5. Der abfallende gezackte Kurvenverlauf (Bereich IV) setzt sich aus einer Fol-ge von weiteren plastischen Verformungen und sekundären Brüchen der erzeugten Bruchstücke zusammen.

Dr.- Ing.habil. J. Tomas 1992 20 Hertz, H. Über die Berührung fester elastischer Körper. Journal reine und angewandte Mathematik, 92 (1882) 156-171. 21 siehe HÜTTE S. E 100 22 Khanal, M., Simulation of Crushing Dynamics of an Aggregate-Matrix-Composite by Compression and Impact Stressings, docupoint Verlag, Magdeburg 2005

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Weitere sekundäre Brüche der Bruchstücke treten auch bei der Prallbeanspru-chung auf, Folie 2.16.5. Kurvenverläufe dieser Art sind ebenfalls für unregelmäßig geformte Parti-kel mit elastisch-plastischen Verformungs- und Sprödbruchverhalten ty-pisch. Kleinere Teilbrüche führen gewöhnlich zu Zerkleinerungsereignissen, die als Abrasion bezeichnet werden (Folie 2.17.7a). Ein erster größerer Teilbruch, kann man dem Abbröckeln zuordnen (Folie 2.17.7b). Im Hinblick auf den Umfang der Bruchphänomene an den Partikeln als Folge unterschiedlicher Beanspruchungsintensitäten ist die nachstehende Gliede-rung der Zerkleinerungsereignisse relevant /3.60//3.121/: a) Zertrümmern (Folie 2.17.7a):

Die Bruchflächen dehnen sich über das gesamte Partikelvolumen aus, so dass alle Bruchstücke eine wesentlich kleinere Masse als das Aus-gangspartikel aufweisen.

b) Abbröckeln (Folie 2.17.7b): Die Bruchflächen erfassen nur Ecken und Kanten, so dass ein Bruch-stück in der Größenordnung des Ausgangspartikels neben kleineren Bruchstücken anfällt.

c) Abrasion (Folie 2.17.7c): Die Brüche erfassen nur kleine Teilbereiche (Rauhigkeitserhe-bungen) an der Partikeloberfläche, wie sie vor allem bei reibender (schleifender) Beanspruchung auftreten. Hierbei entstehen sehr viele kleine Partikeln, und es verbleibt ein Partikel, dessen Größe der des Ausgangspartikels nahe kommt.

Eigene Untersuchungen zur Prallbeanspruchung siehe Folie 2.20, Folie 2.21, Folie 2.22, Folie 2.23 und Folie 2.24) Bruchkriterium bzw. das gewünschte Versagen: Kriterium für Stabilität (Bau und Maschinenbau), d.h., ≈ 0% Versagens-wahrscheinlichkeit sind notwendig (νS sog. Sicherheitsbeiwert, sΦ Kenn-wert der Versagenswahrscheinlichkeits-Verteilung):

)/s1(/ FFSicherhFließenmin,zulvorh σ±⋅σ=νσ=σ≤σ Φ . ( 2.70)

Kriterium für den Bruch (Verfahrenstechnik), d.h., ≈100% Versagens-wahrscheinlichkeit sind notwendig:

)/s1( FFSicherhFließenmaxvorh σ±⋅σ=ν⋅σ=σ≥σ Φ ( 2.71)

Unter der Bruchwahrscheinlichkeit Φ von Einzelpartikeln gegebener Stoffart und Größe ist die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten der cha-

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rakteristischen Bruchereignisse in Abhängigkeit von der einwirkenden Kraft bzw. Energie zu verstehen. Hierbei geht man bei unregelmäßig geformten Partikeln so vor, dass man diese als gebrochen betrachtet, wenn mindestens 10 % der Masse des Auf-gabepartikels abgebrochen sind, siehe Folie 2.16.7b oder Folie 2.25.5. Das enspricht den charakterisischen Größen des feinen Bruchstückes von etwa

AA3

1,B d46,0d1,0d ⋅≈⋅= und des groben AA3

2,B d97,0d9,0d ⋅≈⋅= .

Demgegenüber führt bei spröden Kugeln das erste Bruchereignis im Allge-meinen zum Zertrümmern. Die Bruchwahrscheinlichkeitsverteilungen werden ermittelt, indem eine genügend große Anzahl (meist > 100) von Auf-gabepartikeln gegebener Stoffart und enger Größenklasse bei festgelegter Beanspruchungsart beansprucht und der Anteil der gebrochenen Partikel in Abhängigkeit von der Beanspruchungsintensität (in Klassen einteilen!) ermittelt wird. Die von einem Partikel bis zum Eintreten der ersten Bruchereignisse aufge-nommene Energie soll als Zerkleinerungsenergie WZ bezeichnet werden und stellt eine Zufallsgröße dar, deren Verteilung durch die Bruchwahr-scheinlichkeit beschrieben wird. Die einem Partikel angebotene Beanspruchungsenergie WB kann sich durchaus von WZ unterscheiden. Ist für ein Partikel WB < WZ, bleibt das charakteristische Bruchereignis aus; ist WB > WZ, so lässt sich das überschüssige Energieangebot nur für sekun-däre Bruchereignisse - allerdings mit geringerer Effektivität - nutzen. Anzustreben ist deshalb bei technischen Prozesse WB = WZ. Dies ist streng jedoch nur dadurch realisierbar, dass sich die Partikel an der Arbeitsflächen einer Zerkleinerungsmaschine die für ihre Zerkleinerung erforderliche Ener-gie WZ aus dem Energievorrat der Maschine entnehmen (siehe Abschn. 2.3). Umfangreiche Untersuchungen ergaben, dass die Bruchwahrscheinlichkeit drei- oder vierparametrigen logarithmischen Normalverteilungen ge-horcht /3.60//3.79//3.80//3.81//3.121/. In der Folie 2.25.6 sind experimentell gewonnene Bruchwahrscheinlichkeits-verteilungen Φ(Fm,Z) für die Druckbeanspruchung von Zementklinker bei verschiedenen Eingangspartikelgrößen dargestellt, deren prinzipieller Verlauf auf das Vorliegen dreiparametriger logarithmischer Normalverteilungen mit oberer Grenze hindeutet. Beanspruchungen jenseits dieser oberen Grenze bedeuten sichere Bruchereignisse mit 100%-iger Wahrscheinlichkeit. Beim Vergleich der Kurven ist die Festigkeitszunahme mit abnehmender Partikelgröße deutlich erkennbar. Ähnliche qualitative Zusammenhänge sind bei der Druckbeanspruchung an-derer Materialien ermittelt worden.

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Folie 2.25.7 liefert einen Vergleich der Bruchwahrscheinlichkeitsverteilungen Φ bei verschiedenen Beanspruchungsarten in Abhängigkeit von der masse-bezogenen Zerkleinerungsenergie Wm,Z für gebrannte Tonpellets von d = 12,5 mm. Danach sind für die gegebenen Stoffeigenschaften die mit größerer Beanspruchungsgeschwindigkeit bzw –intensität arbeitenden Schlag- und Prallbeanspruchungen deutlich überlegen. Ähnliche Ergebnisse lieferten Untersuchungen mit Glaskugeln /3.80/. 2.1.2.3 Bruchstückgrößenverteilung

Die Bruchstückgrößenverteilung hängt bei der Einzelpartikelzerkleinerung außer von den - Materialeigenschaften, - Bruchverläufen (Folie 2.17), - von der Art und der - Intensität der Beanspruchung ab. So ergaben Untersuchungen mit Kugeln aus verschiedenen Materialien, dass sich die Bruchstückgrößenverteilungen ebenfalls als dreiparametrige logarithmische Normalverteilungen mit oberer Grenze do darstellen lassen. Das gilt offensichtlich sowohl dann, wenn man noch zusätzlich die Zerkleine-rungsenergie, d.h. die von den Kugeln bis zur Brucheinleitung aufgenomme-ne elastische Verformungsenergie als Parameter wählt (Folie 2.25.8a) /3.80/ /3.81/, als auch für den Fall, dass auf die Untergliederung in Zerkleinerungs-energieklassen verzichtet wird, also die Bruchstückgrößenverteilung aller Aufgabe-Kugeln gemeinsam getrachtet wird /3.82/. dreiparametrige logarithmische Normalverteilungen: Insbesondere die dreiparametrige Verteilungen sind für die Darstellung von Zerkleinerungsergebnissen geeignet. Deshalb sollen im Folgenden nur diese weiter betrachtet werden. Steht man vor dem Problem zu prüfen, ob sich eine experimentell ermittelte Partikelgrößenverteilung durch eine dreiparametrige log-Normalverteilung mit oberer Grenze darstellen lässt, so sind die Parame-ter µln, δln und do zunächst nicht bekannt. Eine dreiprametrige log-Normalverteilung würde im logarithmischen Wahrscheinlichkeitsnetz eine gekrümmte Kurve liefern, wie sie z.B. in Folie 1.12.6 dargestellt ist. Diese lässt sich durch Einführen der transformierten Partikelgrößenvariablen δ

dddd

oo −⋅=δ ( 2.72)

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90

(δ = 0 wenn d = 0 sowie δ → ∞ wenn d = do) und damit

ln,

ln,lnu

δ

δδ σ

µ−δ= ( 2.73)

zu einer Geraden Q3(δ) strecken. Diese Gerade stellt dann eine zweiparametrige log-Normalverteilung dar, aus der die transformierten Para-meter µδ,ln und σδ,ln abgelesen werden können (Folien_MVT_1neu.doc Folie 1.8.6, Folien_MVT_1neu.pdf). Zur Abschätzung von do benutzt man entweder die Beziehung

2/3

50

7,9750o d

ddd

⋅≈ ( 2.74)

oder

5505095 lnlnlnln δδδδ −=− , ( 2.75)

die aus den Symmetriebedingungen der Darstellung im logarithmischen Wahrscheinlichkeitsnetz folgt. Daraus ergibt sich:

955250 δδδ ⋅= ( 2.76)

Setzt man die für jeden Punkt gültige Transformation gemäß Gl.( 2.72) in Gl.( 2.76) ein, so erhält man daraus nach Umstellungen die Beziehung:

955250

955095550550o ddd

dddd2dddd⋅−

⋅+⋅⋅−⋅⋅= . ( 2.77)

Zur Berechnung von do sind also d5, d50 und d95 der Darstellung gemäß Folien_MVT_1neu.doc Folie 1.8.6, Folien_MVT_1neu.pdf, zu entnehmen. Anstatt d5 und d95 lassen sich auch andere Werte, z.B. d20 und d80, ver-wenden. Hat man do bestimmt, so ergeben sich mittels Gl. ( 2.72) δ5 und δ

95. Man trägt nunmehr diese Werte für eine gegebene Partikelgrößenverteilung in das logarithmische Wahrscheinlichkeitsnetz ein und verbindet diese durch eine Gerade. Kommen nun auch alle anderen Punkte der Kurve L in Folie 1.6.6 durch die Transformation gemäß Gl.( 2.72) auf der Geraden T zu liegen, so gilt das als ausreichend dafür, dass d einer dreiparametrigen log-Normalverteilung folgt. Gemäß der Gl.(1.34) MVT_e_1neu.doc#d50_LNVT und der Gl.(1.35) MVT_e_1neu.doc#Standardabweichung_LNVT können dann µδ,ln und σδ,ln an dieser Geraden abgelesen werden. Ließ sich die Funktion Q3(d) nur unbefriedigend zu einer Geraden strecken, so ist durch eine numerische Anpassungsoptimierung schrittweise ein geeig-neter Wert für do zu ermitteln. multimodale Verteilungen:

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91

Entsprechend der Bruchverläufe von Kugeln gemäß Folie 2.19 (Bildung eines Feinkornkegels durch Zertrümmerung und eines groben „Restes“) können zumindest bimodale Verteilungen entstehen. Werden bevorzugt unregelmä-ßige Ausgangskörper genügend enger Größenklassen beansprucht, so ent-stehen demgegenüber multimodale Verteilungen mit mehreren Modalwerte oder Mischverteilungen, die sich aus mehreren statistischen Teilkollektiven zusammensetzen, siehe auch Folie 2.26. Letztere folgen wiederum drei-parametrigen logarithmischen Normalverteilungen mit oberer Grenze. Folie 2.25.8b liefert hierfür ein Beispiel. Folglich lässt sich die Bruchstückgrößenverteilung Q3(d,WZ) in folgender Form darstellen /3.83/ /3.84/:

∑ µ⋅σ==

N

1kZk,TKkln,k,50k,ok,3Z3 )W(),d,d,d(Q)W,d(Q ( 2.78)

bzw. für die Verteilungsdichte:

∑ µ⋅σ==

N

1kZk,TKkln,k,50k,ok,3Z3 )W(),d,d,d(q)W,d(q . ( 2.79)

Dabei bezeichnen F 2.1

N die Anzahl der Teilkollektive, µTK,k ihre Masseanteile und WZ die Zerkleinerungsenergie. Die dreiparametrigen logarithmischen Normalverteilungen q3,k in Gl.( 2.79) einschließlich ihrer Parameter d50,k, σln,k und do,k, sind durch die Gln. (1.34), (1.35) und (1.39) definiert, siehe auch (MVT_e_1neu.doc#d50_LN-VT, MVT_e_1neu.doc#Standardabweichung_LNVT, MVT_e_1neu.doc#del-ta_du_do_d). In Folie 2.25.8b sind diese Parameter für das dargestellte Beispiel mit einge-tragen. Auf Grundlage einer großen Zahl von Untersuchungen wurde vor al-lem festgestellt /3.83/ bis /3.85/: a) Die Anzahl N der entsprechenden Teilkollektive verringert sich mit abneh-

mender Aufgabepartikelgröße (z.B. für Quarzit von fünf für die Aufgabepartikelgrößenklasse 32 ... 40 mm auf drei für 2,5 ... 3,15 mm), wobei die Form ihrer Verteilungsdichten im Wesentlichen unbeein-flusst bleibt.

b) Die Parameter do,k, d50,i und σln,k sind mit Ausnahme von do und d50 für das jeweils gröbste Kollektiv unabhängig von der Zerkleine-rungsenergie.

c) Die Veränderung der Mischverteilungen vollzieht sich mit wachsender Zerkleinerungsenergie über die Verminderung des Masseanteils µk

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des jeweils gröbsten Kollektiv und eine entsprechende Zunahme der Anteile der feineren Teilkollektive, ⇒ siehe dazu die vereinfachte Modellierung der Zerkleinerungskine-tik Folie 2.27.

Aus den Ergebnissen kann zunächst abgeleitet werden, dass das vermeintli-che "Chaos" eines Zerkleinerungsprozesses in hohem Maße Ordnung bzw. Gesetzmäßigkeit in sich birgt.

Weiterhin liegt, wenn man die Bruchstückgrößenverteilungen von Kugeln und unregelmäßigen Ausgangspartikeln vergleicht, offensichtlich ein Partikelformeinfluss vor. Wie ausgeprägt die Partikelform das Bruchge-schehen beeinflusst, verdeutlicht auch Folie 2.28.8.

In Folie 2.28.8 ist der energiebezogene Oberflächenzuwachs ∆AS/W (jetzt überwiegend Energieausnutzung genannte) für die Einzelpartikelzerkleinerung von Glaskugeln unabhängig von der Zerkleine-rungsenergie WZ (Beachte Ähnlichkeitsgesetz der Bruchmechanik Gl.( 2.83) und Abschn. 2.5) und beträgt 0,003 m2/J. Für unregelmäßige Glaspartikeln (Glasbruch) ist ∆AS/W im Bereich niedri-ger Zerkleinerungsenergien höher als der genannte Wert für Kugeln. Dies dürfte auf den Partikelformeinfluss zurückzuführen sein. Dass für unregelmä-ßig geformte Partikel bei höheren Zerkleinerungsenergien die Energieausnut-zung abfällt, ist eine Folge der Reibungsarbeit, die auf bei Teilbrüchen ent-standene Bruchstücke zurückzuführen ist. Beim Zerkleinern in Grob- und Mittelzerkleinerungsmaschinen (Bre-chern), die durch Druck oder Schlag beanspruchen, liegen die Mehrpartikel-anordnungen im Prozessraum im Ausgangszustand gewöhnlich als Einzelpar-tikelschicht vor. Somit sind Beanspruchungsbedingungen gegeben, die denen bei der Einzelpartikelzerkleinerung nahe kommen. Auch bei der Prallzerkleinerung lassen sich, wenn Überlastung vermieden wird, Verhältnisse realisieren, die denen bei der Einzelpartikelbeanspruchung weitgehend entsprechen. 2.1.2.4 Partikelschichtbeanspruchung

Derartig günstige Voraussetzungen scheiden für den Betrieb von Fein- und Feinstzerkleinerungsmaschinen (Mühlen) aus, die von Druck- oder Schlag-beanspruchung Gebrauch machen. Hier wird das Gut in Vielpartikelschichten (Gutbetten) beansprucht, siehe Folie 2.15 und Folie 2.28.9.

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Dabei wird zusätzlich Energie verbraucht für Verdichtungsvorgänge und wegen der im Allgemeinen vorliegenden nicht-allseitigen Begrenzung der Gutbetten zwischen den Mahlorganen (z. B. Kugel/Kugel, Kugel/Platte) auch für Fließvorgänge. Infolgedessen kann ein Teil des Gutes, der von den Gut-eigenschaften, der Anfangsschichthöhe (Anzahl der Partikellagen) und der Beanspruchungsgeometrie abhängt, der Belastung seitlich ausweichen. Mit zunehmender Anzahl der Partikellagen im Ausgangszustand nehmen der Energieverbrauch für die Verdichtung sowie die Fließvorgänge zu und infolgedessen der Anteil gebrochener Partikel bezogen auf die ursprünglich beanspruchten ab /3.89//3.90/. Die Beanspruchung in einem Gutbett unterscheidet sich gegenüber der einzelner Partikel auch durch die Krafteinleitung sowie die seitliche Begren-zung des individuellen Beanspruchungsraumes eines Partikels durch die Nachbarpartikeln. Die von außen eingeleitete Kraft beansprucht das Gutbett, in dem die einzelnen Partikeln entsprechend ihrer Lage sehr unterschiedlich belastet werden. Die Anzahl der einem Partikel benachbarten Partikeln - also die Koordinati-onszahl - liefert die maximal mögliche Zahl der Lastangriffspunkte (Kontakt-stellen). Die Zahl der tatsächlichen Lastangriffspunkte wird verständlicher-weise immer kleiner als die Koordinationszahl sein, weil Nachbarpartikeln auch kleiner als der ihnen zur Verfügung stehende Hohlraum sein können, so dass sie von der Kraftwirkung verschont bleiben. Folglich werden die in Gutbetten auftretenden Beanspruchungszustände we-sentlich von den granulometrischen Eigenschaften und der Packungsstruktur mitbestimmt /3.87//3.88/. Dies äußert sich sowohl im Bruchanteil der Ausgangspartikelgrößen als auch in der Bruchstück-größenverteilung. Vom Gesichtspunkt des Bruchanteils ist es am günstigsten, wenn die einzel-nen Partikel jeweils nur wenigen Lastangriffspunkten ausgesetzt sind /3.69/. Kleinere Partikel, die ein großes umhüllen, beeinträchtigen deshalb dessen Zerkleinerung. Dieser Schutzeffekt ist verständlicherweise umso ausgepräg-ter, je mehr sich die Partikelgrößen unterscheiden. Umgekehrt erhöht sich der Bruchanteil der kleineren Partikel. Über den Einfluss der Beanspruchungsgeometrie informiert Folie 2.28.9 am Beispiel der Zerkleinerung von Quarzit 2,5 ... 3,15 mm, wobei die Ausgangs-schichthöhe h zwischen den Beanspruchungsorganen das 5-fache der mittle-ren Partikelgröße der Ausgangspartikelgrößenklasse betrug /3.86/. In Folie 2.28.9b ist der Bruchanteil S in Abhängigkeit von der Kraft FB dar-gestellt, mit der der jeweils obere bewegliche Stempel auf die Partikelschicht wirkte. Der Bruchanteil S stellt das Verhältnis der Masse gebrochener

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Partikel zur ursprünglich beanspruchten Masse dar, wobei letztere mit-tels der schraffierten Flächen in Folie 2.28.9a definiert ist. Als gebrochen gilt hierbei ein Partikel, das durch Bruchereignisse feiner als die untere Grenze der Ausgangspartikelgrößenklasse geworden ist. Man erkennt deutlich, dass für alle Beanspruchungsgeometrien der Bruchanteil S mit wachsender Belas-tung einem Grenzwert zustrebt, der aber für die günstige Geometrie Plat-te/Platte um ein Vielfaches höher liegt als für die Geometrie Kugel/Kugel. Folie 2.28.9c zeigt für die gewählten Beanspruchungsgeometrien die Ener-gieausnutzung als Funktion der auf die beanspruchte Masse bezogenen Be-anspruchungsenergie Wm,B. Die große Spreizung der Kurvenverläufe für die verschiedenen Beanspruchungsgeometrien wird weitgehend aufgehoben, wenn man auf der Abszisse die auf die zerkleinerte Masse bezogene Beanspruchungsenergie aufträgt. Unabhängig von der Darstellungsweise fällt aber immer die Energieausnut-zung mit steigender Beanspruchungsintensität ab. Im Interesse einer ho-hen Energieausnutzung sollten deshalb bei Mahlprozessen nicht-allseitig be-grenzte Gutbettanteile bei jedem Beanspruchungsereignis nur mit entspre-chend geringer Intensität belastet und anschließend zunächst aufgelockert sowie durchmischt werden, bevor das nächste Ereignis mit ähnlicher Intensi-tät folgt /3.122//3.123/. Dadurch werden nicht nur größere Energieverluste für die stärkere Verdichtung der Partikelschicht vermieden, sondern es stellt sich auch eine neue, für die Beanspruchung günstigere Packungsstruktur ein. Die bei der Einzelpartikelzerkleinerung gewonnene Erkenntnis, dass die je-weils höchste Energieausnutzung erreicht wird für Beanspruchungsintensitä-ten, die gerade die Bruchwahrscheinlichkeit Φ = 100 % gewährleisten, dürfte sich sinngemäß auf die Gutbettzerkleinerung übertragen lassen. Danach soll-ten Gutbetten bei jedem Beanspruchungsereignis nur bis zu etwa 95 % vom Grenzwert des Bruchanteils S (Folie 2.28.9b) belastet werden. Schließlich begünstigen geringe Ausgangsschichthöhen die Energieausnutzung. Folie 2.29.10 verdeutlicht am Beispiel der Zerkleinerung von Quarzit 2,5 ... 3,15 mm als Gutbett zwischen ebenen Stempeln (a) und in einer Wälzmühle (b), dass die bei der Einzelpartikelzerkleinerung ermittelten Mischverteilun-gen (Folie 2.29.10b), auch hierbei identifizierbar sind und mit wachsender Beanspruchungsintensität (Beanspruchungsenergie bzw. Zahl der Mahlteller-umläufe) der Anteil der feineren Teilkollektive (insbesondere des feinsten) zunimmt (Fläche unter der Verteilungsdichte-Kurve!), während der des gröbsten abnimmt /3.85/. Eine günstige Beanspruchungsenergieverteilung und eine daraus resultierende erwünschte enge Partikelgrößenverteilung bei der Kollektivzerkleinerung verdeutlicht noch einmal Folie 2.30.1 und 2, Fall 2 (Zertrümmerung) bzw. a.

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2.1.3 Mechanische Aktivierung und Mechanochemie Intensive mechanische Beanspruchungen und Bruchvorgänge führen bei Zer-kleinerungsprozessen - insbesondere im Fein- und Feinstpartikelbereich - zur mechanischen Aktivierung des Mahlgutes. Chemische Wirkungen aufgrund der mechanischen Aktivierung sind Gegenstand der Mechanochemie (Tribochemie). Bei der mechanischen Aktivierung entstehen räumliche und damit auch energetische Störungen des atomaren oder molekularen Gefüges: - Zunahme atomarer Fehlstellen, - Gitterdeformationen, - Aufbrechen von Bindungen, - Einbau von Gitterstörungen, - Bildung von freien Radikalen und freien Elektronen, - Zunahme von Versetzungen. Dem parallel verläuft eine Verringerung der Primär- und Sekundärteilchen-größe. Die Störungen sind die Folge der bei den Beanspruchungsereignissen in submikroskopischen Bereichen auftretenden hohen Energiedichten. Die auf diese Weise erzeugten Störungen erfassen zunächst die Oberflächen-schichten der Partikeln (etwa 10-4 bis 10-2 mm). Sekundäre Folgeerschei-nungen reichen aber wesentlich tiefer. Infolgedessen wird der Anteil der akti-vierten Zustände, insbesondere bei längerer Feinstmahlung in Schwingmüh-len, Strahlmühlen und Attritoren bedeutsam. Die Störungen bzw. aktivierten Zustände lassen sich durch geeignete physika-lische Meßmethoden (z.B. Röntgendiffraktometer) nachweisen. Infolge der Zunahme der spezifischen Oberfläche und der Störungen erhöht sich durch die mechanische Aktivierung die überschüssige freie Energie des Gutes, wo-bei die größten Beträge während der Mahlprozesse auftreten. Da es sich um thermodynamisch instabile Zustände handelt, verläuft eine Rückbildung in Richtung der energieärmsten Zustände. Allerdings bleibt ein Restbetrag er-halten, der eine erhöhte Reaktionsfähigkeit des Gutes ermöglicht, deren Nutzung Gegenstand zahlreicher Untersuchungen war. Sie kann sich bei den nachgeschalteten Prozessen in einer - Erhöhung der Löslichkeit und der Lösegeschwindigkeit, - der Verbesserung der katalytischen Reaktionsfähigkeit, - der Zunahme der Sinteraktivität, - der Adsorptionsaktivität bzw. - der Hydratationsfähigkeit bei Bindemitteln (z.B. Zement) oder - der Reaktionsgeschwindigkeit bei chemischen Reaktionen äußern.

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Auch Modifikationsumwandlungen können sich als Ergebnis der mechani-schen Aktivierung einstellen.

2.2 Parameter der Makroprozesse in Zerkleinerungsmaschinen In Zerkleinerungsmaschinen werden im Allgemeinen Partikelkollektive kon-tinuierlich, seltener diskontinuierlich verarbeitet. Vom Standpunkt der Ener-gieausnutzung sollte ein Makroprozess so ablaufen, dass bei jedem Be-anspruchungsereignis den beanspruchten Partikeln gerade so viel Energie zugeführt wird, wie diese zur Brucheinleitung benötigen, d.h. die Zerkleine-rungsenergie, die bekanntlich von der Beanspruchungsenergie zu unterschei-den ist (siehe Abschn. 2.1.2.2). Die Zerkleinerungsenergie ist als Zufallsgröße zu betrachten, die durch die Bruchwahrscheinlichkeitsverteilung charakterisiert wird. Vom energetischen Standpunkt sind deshalb solche Zerkleinerungsprozesse als günstig zu beurteilen, - bei denen sich die Partikel die Zerkleinerungsenergie selbst unmittelbar an

den Arbeitsorganen entnehmen können, - eine gegenseitige Partikelbehinderung weitgehend ausgeschlossen ist - und das entstandene Feingut schnell den Prozessraum verlassen kann. Unter Beachtung dieser Gesichtspunkte stellen beispielsweise die Zerkleine-rung von Einpartikelschichten zwischen den - Arbeitsflächen von Backen-, Kegel- und Walzenbrechern - sowie die Zerkleinerung an den Prallleisten von Rotor-Prallbrechern - und an den Hämmern von Hammerbrechern günstige Varianten dar, falls in den letzten beiden Fällen die Prallgeschwindigkeit genügend groß, d.h. auf die Festigkeit der Partikel abgestimmt ist. An den Arbeitsorganen dieser Maschinen entnimmt sich jedes Partikel aus dem angebotenen Energievorrat nur soviel Energie, wie es zum Zerkleinern benötigt, d.h. die Zerkleinerungsenergie. Demgegenüber wird beim Mahlkörperfall in Kugelmühlen oder auch bei der Beanspruchung in Schleuderradprallmühlen den Partikeln eine Energie auf-geprägt, die im Allgemeinen kleiner oder größer als die Zerkleinerungsener-gie sein wird. In diesem Fall ist es wichtig, die Beanspruchungsenergievertei-lung durch die Wahl der Prozessbedingungen so gut wie möglich mit der Bruchwahrscheinlichkeitsverteilung der zu zerkleinernden Partikel abzu-stimmen. Hinzu kommt noch, dass vor allem bei vielen Fein- und Feinstzerkleinerungsmaschinen (z.B. Trommelmühlen, Wälzmühlen, Schwingmühlen) die Zerkleinerung im Wesentlichen durch Beanspruchung

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von Partikelschichten (Gutbetten) geschieht. Daraus resultieren nicht nur zu-sätzliche Energieverluste durch Partikelreibung bei Fließ- und Verdichtungs-vorgängen, sondern auch eine breitere Beanspruchungsenergieverteilung (Folie 2.30.1). Bei der Fein- und Feinstzerkleinerung beeinflussen physikalische und stoffli-che Eigenschaften des fluiden Dispergiermittels den Prozess. Technische Zerkleinerungsprozesse werden entweder trocken (meist Luft, in Sonderfäl-len eine Schutzgasatmosphäre) oder nass (überwiegend Wasser bzw. wässri-ge Lösungen) realisiert. Zur Verbesserung der Mahlwirkung hat in neuerer Zeit sowohl bei der Tro-cken- als auch der Nassmahlung die Anwendung von Zusatzstoffen – so ge-nannten Mahlhilfsmitteln - größere Verbreitung erlangt /7.2.//7.7./. Derartige Stoffe, die nur in geringen Mengen zugesetzt werden, wirken sich insbeson-dere über Adsorptionsvorgänge an den Partikeloberflächen auf die Mikropro-zesse im Prozessraum aus. Insgesamt handelt es sich jedoch bei den vom Medium und darin dispergierten bzw. gelösten Bestandteilen hervorgebrach-ten Wirkungen um sehr komplexe Erscheinungen. Einen wesentlichen Einfluss können Medium und seine Bestandteile auf die Wechselwirkungskräfte zwischen den Partikeln ausüben. Diese bestimmen bekanntlich den Agglomerations- bzw. Dispergierungszustand in dem jewei-ligen Mahlgut oder der Mahlguttrübe sowie deren Fließeigenschaften. Dies wiederum wirkt sich unmittelbar auf die im Abschn. 2.1.2 erörterten Mikro-prozesse der Gutbettbeanspruchung sowie auf das gesamte Transportverhal-ten des Mahlgutes im Prozessraum aus. Aber auch die Wechselwirkungskräf-te, die zwischen den Partikeln und Mahlorganen (z. B. Kugeln in Kugelmüh-len) oder Partikeln und Prozessumwandlungen wirken und zu Anbackungen führen, sind in diesem Zusammenhang zu beachten. Die Ergebnisse vieler systematischer Untersuchungen sprechen nachdrücklich dafür, dass die Zerkleinerung verbessernde Wirkungen von Mahlhilfsmitteln hauptsächlich durch Beeinflussung der Wechselwirkungskräfte und daraus resultierende Verbesserungen von Dispergierungszustand sowie Fließverhal-ten des Mahlgutes bzw. der Mahltrübe zu erklären sind /7.2//7.7/. Für die Trockenmahlung eignen sich als Mahlhilfsmittel bestimmte polar-unpolare organische Stoffe. Deren polare Gruppen müssen die Adsorbierbarkeit gewährleisten und die unpolaren Gruppen der Ad-sorptionsschichten die Herabsetzung der Wechselwirkungskräfte (Van-der-Waals-Kräfte, evtl. auch kapillare Haftkräfte) hervorbringen. Zu den Stoffen, die sich für bestimmte Anwendungsfälle als geeignet erwiesen haben, gehö-ren z. B.

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- Alkohole wie Hexanol, Oktanol, Oktandiol, Ethylenglykol und Propylenglykol;

- Amine wie n-Alkylamine mittlerer Kettenlänge und Triethanolamin sowie - auch eine ganze Reihe von Carboxylaten, vor allem Fettsäuren. Bei der Nassmahlung lassen sich diese Wechselwirkungen erheblich ver-mindern. Allerdings bilden sich in polaren Dispergiermitteln an einer Partikeloberfläche sowohl eine Hydrathülle als auch als Folge von Löse- und Adsorptionsvorgängen eine Oberflächenladung und eine elektrische Doppel-schicht aus. Deshalb wirken zwischen Partikeln, die sich in der Trübe genü-gend genähert haben, nicht nur - anziehende (verminderte!) Van-der-Waals-Kräfte, - sondern auch sterische Abstoßungswirkungen, hervorgerufen durch die

Hydrathülle, sowie - abstoßende elektrostatische Kräfte. In diesem Zusammenhang spielen für die Doppelschichtphänomene auch die - Elektrolytkonzentration im Allgemeinen und - der pH-Wert sowie - die Konzentration mehrwertiger Ionen im Besonderen eine wichtige Rolle. Für die Nassmahlung lässt sich ganz all-gemein formulieren: In einer feinstpartikelhaltigen Trübe hoher Feststoffkon-zentration ist die Mahlwirkung umso intensiver, je besser der Dispergierungszustand der Partikeln bzw. je fließfähiger die Trübe ist. Für Trüben dieser Art sind deshalb Mahlhilfsmittel in Betracht zu ziehen, die eine dispergierende und die Fließfähigkeit verbessernde Wirkung hervorbringen. Diese beruht entweder darauf, dass auf den Partikeln durch Adsorption (z. B. H+, OH-, mehrwertige Kationen, Phosphationen) genügend hohe gleichsinni-ge Partikelladungen erzeugt oder die Hydrathüllen verstärkt werden (z. B. mittels Natriumsilikat, hydrophilen Polymeren niedriger Molekularmasse (Polyacrylamide, Polyacrylsäuren u.a. mit Mol.-Massen von etwa 5000 bis 10000 g/mol)). Das Mahlmedium beeinflusst aber auch über seine physikalischen Eigen-schaften (Dichte und Viskosität) die Mahlprozesse. So ist in Mühlen, die mit einer Mahlkörperfüllung arbeiten, die Suspendierwirkung von Wasser we-sentlich ausgeprägter als die von Luft. Dies führt dazu, dass die feinsten Par-tikeln im Wasser weitgehend homogen verteilt sind und in den der Beanspru-chung unterworfenen Gutbetten zwischen den Mahlkörpern sowie zwischen Kahlkörpern und Mühlenwand anteilig weniger vertreten sind als die gröbe-ren Partikelgrößenklassen. Infolgedessen sind in der Partikelgrößenverteilung des Mahlproduktes die mittleren Partikelgrößenklassen stärker vertreten als bei einer vergleichbare Trockenmahlung.

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Bei glatter Mühlenauskleidung fördert die Nassmahlung aufgrund der ver-minderten Reibung das Abgleiten der Mahlkörperfüllung auf der Mühlen-wand und beeinflusst dadurch über die Mahlkörperbewegung auch die Mahl-wirkung. Insgesamt lässt sich sagen, dass bei der Nassmahlung im Vergleich zur Trockenmahlung eine höhere Energieausnutzung erreicht wird. Die früher vielfach verbreitete Auffassung, dass bei Trockenmahlung im Vergleich zur Nassmahlung mit einem etwa um ein Drittel höheren Energieaufwand zu rechnen ist /7.16/, dürfte aber eine zu weit reichende Verallgemeinerung dar-stellen. Unbedingt zu vermeiden ist die Feuchtmahlung, d.h. der Bereich jener Mahl-gutfeuchten, in dem es zu starken Agglomerationserscheinungen aufgrund kapillarer Haftkräfte kommt. Im Übrigen wird die Entscheidung zwischen Trocken- und Nassmahlung noch durch weitere Gesichtspunkte beeinflusst (Anforderungen der nachfol-genden Prozesse, Verschleiß u.a.m. /7.16/).

2.3 Technische Zerkleinerungsarbeit und Zerkleinerungsgesetze 2.3.1 Wirkungsgrad eines technischen Zerkleinerungsprozesses

Die bei der technischen Zerkleinerung aufzuwendende Arbeit beträgt ein Vielfaches des Zuwachses an Grenzflächenenergie, wobei aber - wie schon im Abschn. 2.1.1 ausgeführt - letztere keine Größe darstellt, die die bei Bruchvorgängen unerlässlichen Energieaufwendungen charakterisiert. Der Zuwachs an Grenzflächenenergie kann folglich auch keine sinnvolle Bezugs-größe für die Definition des theoretischen Wirkungsgrades der Zerkleinerung darstellen. Dafür kommt nur der kritische Risswiderstand Rc in Betracht:

W2RA cS

th ⋅⋅∆

=η . ( 2.80)

∆AS Oberflächenzuwachs eines Zerkleinerungsprozesses W technische Zerkleinerungsarbeit Geht man davon aus, dass z. B. die Energieausnutzung von Kugelmühlen-Prozessen etwa - zwischen 0,001 und 0,004 m2/J beträgt und für mineralische Rohstoffe der - Risswiderstand überschläglich mit 30 bis 60 J/m2 angesetzt werden kann,

so berechnen sich - theoretische Wirkungsgrade ηth von 1,5 bis 12 % /6.3/.

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Geht man von der im Prozessraum einer Zerkleinerungsmaschine bereitge-stellten Energie aus, so können folgende Verlustarbeitsbeträge notwendig werden: a) für die elastische Deformation (Hystereseverluste) von Partikeln, die nicht

zur Auslösung von Bruchereignissen führt, b) für die nichtelastische Deformation von Partikeln und der Arbeitsflächen,

soweit diese über die in der Bruchzone auftretende hinausgeht und nicht schon im Risswiderstand erfasst ist,

c) die kinetische Energie der Bruchstücke, d) die Reibung der Partikel untereinander (einschließlich der Reibung auf

den Bruchflächen) und an den Arbeitsflächen, e) für den Verschleiß der Arbeitsflächen, f) die innere Reibung beanspruchter Partikel infolge thermoelastischer Effek-

te, der Schallwellenausbreitung oder von Oszillationen elastisch ver-formter Bruchstücke.

Diese Verlustarbeitsbeträge, die überwiegend als Wärme anfallen, werden sowohl von den - Eigenschaften des zu zerkleinernden Gutes (Dispersitätszustand, Festig-

keits- bzw. Bruchverhalten) als auch den - Prozessbedingungen (der Art, Intensität und Geschwindigkeit der Bean-

spruchung, der Temperatur, dem Medium, der Art des Gutstromes u.a.) beeinflusst.

Aufgrund von Abschätzungen ist anzunehmen, dass vor allem die Reibungs-verluste und gegebenenfalls zusätzlich die Verluste für nichtelastische De-formation dominieren. Letztere sind vor allem über die Beanspruchungsge-schwindigkeit und -temperatur beeinflussbar. Die Reibungsverluste werden durch die - Partikelanordnung bzw. Partikelanzahlkonzentration im Prozessraum (damit

auch durch die Partikelgrößenverteilung), - die Wechselwirkungskräfte zwischen den Partikeln und durch - die Beanspruchungsgeometrie bestimmt. Da sich bei der Einzelpartikelzerkleinerung die Reibungsverluste weitgehend reduzieren lassen, stellt ein energetischer Wirkungsgrad, der sich auf den für die Einzelpartikelzerkleinerung notwendigen Energieverbrauch bezieht, eine für die Beurteilung technischer Zerkleinerungsprozesse sinnvolle Größe dar. Reale Zerkleinerungsprozesse - vor allem jene in Mühlen mit Gutbettbean-spruchung - lassen sich in diesem Zusammenhang auch als Vielstufenprozes-se aufeinander folgender Einzelpartikelzerkleinerungen simulieren /6.3/. Al-lerdings setzt die Anwendung dieses Wirkungsgrades eine hinreichende Kenntnis der Energieausnutzung bei der Einzelpartikelzerkleinerung vo-

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raus. Diese hängt bekanntlich nicht nur von der Stoffart, sondern auch von den Aufgabepartikelgrößen und vor allem auch von der Zerkleinerungsener-gie selbst ab (siehe z. B. auch Bild 3.35). 2.3.2 Produktfeinheit = f(Zerkleinerungsarbeit)

Die Frage nach der Verknüpfung des energetischen Aufwandes - die Zer-kleinerungsarbeit - mit dem Prozessergebnis - also Produktfeinheit = f(Zerkleinerungsarbeit) - beschäftigt die Zerkleinerungsforschung seit mehr als 100 Jahren. Ein solcher phänomenologischer Zusammenhang lässt sich zunächst über die folgende Differentialgleichung herstellen:

ndC)d(d

dW −⋅−= ( 2.81)

Diese Gleichung ( 2.81) verknüpft das Arbeitsinkrement dW/d(d), das in ei-nem inkrementalen Volumenelement zu einer Größenreduktion (- Vorzei-chen) führt, mit einer einfachen Potenzfunktion der Partikelgröße d-n selbst. - Für einen Exponent n = 2 ergibt die Integration zwischen der Aufgabeparti-

kelgröße dA und dem Feingut dF:

−⋅=⋅=−= ∫ −

AFRitt

d

dRitt

d

dRittRitt dd

Cd

CdddCWF

A

F

A

111)(2 . ( 2.82)

Da 1/d einer volumenbezogenen Partikeloberfläche entspricht, beschreibt diese Gleichung den direkten Zusammenhang zwischen Zerkleinerungsar-beit und Oberflächenzuwachs AFS d/1/d/1A −∝∆ , der schon von RIT-

TINGER /6.6/ gefunden wurde. Er betrachtete das Zerteilen eines Würfels in kleinere Würfel und meinte, dass die erforderliche Arbeit WRitt der neu geschaffenen Oberfläche ∆AS proportional sein müsse:

SRitt AconstW ∆⋅= . ( 2.83)

Dieser Zusammenhang, der in die Fachliteratur als so genanntes RITTIN-GER-Gesetz eingegangen ist, lässt sich nicht auf die Grundlagen der im Abschn. 2.1.1. dargelegten modernen Vorstellungen über Rissbildung und Rissfortpflanzung zurückführen.

- Davon ausgehend stellte RUMPF ein Ähnlichkeitsgesetz der Bruchme-chanik auf, für das zwar von anderen Voraussetzungen ausgegangen wird, aber das ebenfalls zum Ergebnis von Gl.( 2.83) führt /77/:

.constWA

WA

WA

m

m,S

V

V,SS =∆

=∆

=∆ ( 2.84)

Der energiebezogene Oberflächenzuwachs bzw. die Energieausnut-zung oder die reziproke oberflächenbezogene Zerkleinerungsarbeit

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sind somit konstant. Versuche, die zur Einzelpartikeldruckzerkleinerung angestellt wurden, bestätigten das Ähnlichkeitsgesetz der Bruchmechanik in bestimmten Partikelgrößenbereichen experimentell, indem die bis zum Bruchbeginn von Partikeln tatsächlich aufgenommene elastische Verfor-mungsenergie dem Oberflächenzuwachs gegenübergestellt wurde /6.3//6.4/. Es gibt recht gut den phänomenologischen Zusammenhang beim Feinkornmahlen mit hohem Oberflächenzuwachs wieder.

- KICK stellte 1885 ein Ähnlichkeitsgesetz auf, das zunächst richtig voraus-setzt, dass für eine ähnliche Verformung geometrisch ähnlicher und im Übrigen physikalisch gleicher Körper eine dem Volumen proportionale Arbeit zuzuführen ist /6.8/. Die weiteren Voraussetzungen jedoch - dass die Festigkeit unabhängig von der Partikelgröße und die Bruchflächen des bei σBruch = konst. erfolgenden Bruches ähnlich verlaufen - stimmen mit der Realität bzw. mit den Ergebnissen der Bruchmechanik nicht überein. Auf Grund der von KICK getroffenen Voraussetzungen ergibt sich für das Zerteilen eines Würfels der Kantenlänge dA in kleinere Würfel der Kanten-länge dF der Zusammenhang mit dem Exponenten n = 1:

⋅=⋅−=−= ∫ −

F

AKick

d

dKick

d

dKickKick d

dCdCdddCW F

A

F

A

lnln)(1 ( 2.85)

Diese Beziehung ( 2.85) ist in die Fachliteratur als so genanntes KICKsches „Zerkleinerungsgesetz“ eingegangen und entspricht etwa dem phänomenologischen Zusammenhang beim Grobkornbrechen mit gerin-gem Oberflächenzuwachs.

- Im Bereich zwischen dem Grobbrechen (KICK) und dem Mahlen (RIT-TINGER, RUMPF) erhält man für n = 3/2:

−⋅⋅=⋅⋅=−= ∫ −

AFBond

d

dBond

d

dBondBond dd

Cd

CdddCWF

A

F

A

11212)(2/3

−⋅⋅⋅=

A

F

FBondBond d

dd

CW 112 ( 2.86)

Diese Beziehung wurde von BOND in den 50er Jahren angegeben, nach der zwischen der massebezogenen Zerkleinerungsarbeit Wm,Bond und den 80 %-Partikelgrößen dA,80 bzw. dF,80 des Aufgabe- bzw. zerkleiner-ten Gutes folgender Zusammenhang besteht /6.9/:

−=

80,80,

*,

11

AFBondBondm dd

CW ( 2.87)

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103

Tabelle 2.3: Mittlere Wm,i - Werte: (s. Schubert23 o. Höffl24)

Feststoff mittlerer Arbeitsindex Wm,i in kWh/t

mittlere Feststoffdichte ρs

in kg/m3 Baryt 5,21 4500 Basalt 18,88 2910 Bauxit 9,66 2200

Dolomit 12,4 2740 Eisenerze 14,23 3550 Feldspat 11,9 2590

Ferrosilizium 11,10 4410 Glas 13,65 2580 Gips 7,8 2690

Granit 16,70 2660 Graphit 48,5 1750 Kalisalz 8,92 2400

Kalkstein 13,89 2650 Kohle 14,3 1400 Koks 16,7 1310

Pyriterze 9,83 4060 Quarz 14,95 2650

Schiefer 15,67 2570 Zementklinker 14,95 3150 Diese Gleichung hat sich als relativ leistungsfähig erwiesen. Die Konstan-te CBond repräsentiert dabei die Stoffeigenschaften des zu zerkleinernden Gutes. Sie enthält sämtliche Arbeitsbeträge, die in der Zerkleinerungsma-schine aufgebracht werden müssen. Für i,mBond W5C ⋅= lassen sich die

Gln.( 2.86) oder ( 2.87) wie folgt umformen:

−⋅⋅=

80,

80,

80,,, 1100

A

F

FimBondm d

dd

mWW µ . ( 2.88)

Unter dem Arbeitsindex Wm,i wird die massebezogene Zerkleinerungsar-beit verstanden, um ein Material von "unendlicher" Partikelgröße auf ein Feingut dF,80 = 100 µm zu zerkleinern (Tabelle 2.3):

Dr.- Ing.habil. J. Tomas 1992

23 Schubert, H., Aufbereitung fester mineralischer Rohstoffe, Bnd I, S. 95, Deutscher Verlag

für Grundstoffindustrie, Leipzig 1989 24 Höffl, K., Zerkleinerungs- und Klassiermaschinen, S.45, AVS-Institut, Unterhaching 1993

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104

Die Diskussion um diese so genannten Zerkleinerungsgesetze spielt bis in die Gegenwart hinein eine nicht geringe Rolle. Dabei wurden im Allgemei-nen sogar die der Ableitung zugrunde liegenden Voraussetzungen verlassen und diese so genannten Gesetze auf die Zerkleinerung von Partikelkollektiven angewendet. Wenn man aber bedenkt, dass bei der technischen Zerkleinerung die Verlustarbeitsbeträge wesentlich die Gesamtarbeit mitbestimmen, so leuchtet ein, dass bei der Kollektivzerkleinerung kein Zusammenhang im Sinne dieser Gesetze zwischen Zerkleinerungsarbeit und Zerkleinerungs-ergebnis bestehen kann. Wenn unter bestimmten technischen Zerkleinerungsbedingungen anscheinend die Gültigkeit eines dieser "Gesetze" erkannte worden ist, so darf dies ledig-lich so verstanden werden, dass die Summe aller aufgewendeten Arbeitsbe-träge empirisch eine dem "Gesetz" entsprechende Abhängigkeit lieferte. 2.3.3 Abschätzung des zeitlichen Zerkleinerungsfortschrittes Aus dem Ähnlichkeitsgesetz der Bruchmechanik Gl.( 2.84) folgt mit dem mittleren Leistungseintrag

∫=ozessPrt

0ozessPr

dt)t(Pt

1P ( 2.89)

ein überschläglicher zeitproportionaler Oberflächenzuwachs oder reziproke Partikelgrößenabnahme:

ozessPrS tP.constA ⋅⋅=∆ ( 2.90)

Eine genauere Modellierung wird im folgenden Abschnitt 2.4 erläutert.

2.4 Bilanzmodelle von Zerkleinerungsprozessen Über die Modellierung von Mahlprozessen existiert eine recht umfangreiche Literatur (siehe z. B. /6.11/ bis /6.13/. In Folie 2.31.1 sind wichtige Modelle für Mahlprozesse hinsichtlich der getroffenen Voraussetzungen miteinander verglichen. Zunächst soll ein diskontinuierlicher Mahlprozess betrachtet werden. Die sich dabei als Funktion der Zeit ergebenden Veränderung der Partikelgrößen-zusammensetzung des Mahlgutes lassen sich am einfachsten qualitativ cha-rakterisieren, wenn man zunächst ein Aufgabegut betrachtet, das nur aus einer Partikelgrößenklasse besteht. Mit Beginn der Zerkleinerung wird diese Klasse zunehmend abgebaut, erst schneller, später langsamer (Kurve A in Folie 2.31.2). Eine mittlere Partikelgrößenklasse, die anfänglich nicht vorhanden war, wird zunächst überwiegend aufgebaut. Mit fortschreitender Mahldauer

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105

wird jedoch das Verhältnis von neu erzeugten zu weiter zerkleinerten Antei-len dieser Klasse immer kleiner. Es erreicht schließlich eines, d.h., der wäh-rend des gesamten Prozessverlaufes erzielbare Maximalanteil dieser Klasse ist erreicht. Anschließend fällt das Verhältnis auf einen Wert kleiner als eins ab (Kurve B in Folie 2.31.2). Sehr feine Partikelgrößenklassen werden wäh-rend des Prozesses nur aufgebaut (Kurve C in Folie 2.31.2). Diese Überle-gungen lassen sich sinngemäß auf ein aus mehreren Klassen bestehendes Gut übertragen. Bei der Modellierung eines diskontinuierlichen Mahlprozesses (Folie 2.31.1a) kann man ohne wesentliche Einschränkungen davon ausgehen, dass infolge der Durchmischung die Partikelgrößenverteilung des Mahlgutes keine Funktion des Ortes im Prozessraum ist und folglich über diesen hinweg auch gleichartige Zerkleinerungsergebnisse auftreten (fully mixed model oder lumped model). Für die Modellierung ist es üblich, die Zerkleinerungsergebnisse in zwei Teilvorgänge zu zerlegen. Die folgenden Definitionen gelten für die bezüg-lich der Partikelgröße und der Zeit stetigen Integralgleichungen. Bei davon abweichenden Bedingungen der Modellbildung sind entsprechende Anpas-sungen erforderlich. Der Auswahlvorgang wird durch eine Auswahlfunktion (selection function) S(x) beschrieben. Diese stellt den Masseanteil der differentiellen Partikelgrößenklasse x ... x+dx dar, der in der Zeiteinheit Bruchereignissen unterworfen ist. Bei der Aufstellung eines derartigen mathematischen Mo-dells muss man die Partikelgrößen x* < x vor und nach Zerkleinerungsereig-nissen y* < y unterscheiden. Den Bruchvorgang kennzeichnet eine Bruch-funktion B(y, x). Sie gibt den Masseanteil y* < y an, der aus dem in der Zeit-einheit ausgewählten Masseanteil von x...x+dx durch Bruchereignisse ent-steht (sog. kumulative Bruchfunktion). Beim diskontinuierlichen Prozess befindet sich eine Gesamtmasse m mit der Partikelgrößenverteilung Q3(x) = D(x) im Prozessraum. Die in der Klasse

x...x+dx befindliche Teilmasse ist folglich dxxtxDm ∂

∂ ),(⋅ . Aus ihr geht in der

Zeiteinheit t∂ die Masse t

dxxyBxSx

txDm

∂∂

∂∂

),()(),(

( 2.91)

in Partikelgrößen (y* < y) < x über. Dabei lässt sich

t

dx)x(Sx

)t,x(Dm

∂∂

( 2.92)

als Zerkleinerungsgeschwindigkeit der Klasse x...x+dx auffassen, siehe Gl. ( 2.97). Mit Hilfe dieses mathematischen Modells lassen sich die als Funktion

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der Zeit vollziehenden Veränderung der Partikelgrößenzusammensetzung des Mahlgutes beschreiben. Dabei kann man so vorgehen, dass entweder die Än-derungen in den • Massen bzw. Masseanteilen aller Partikelgrößen y* < y oder die • in den Partikelgrößenklassen y...y+dy erfasst werden. Der erstgenannte Weg, der hier vor allem weiter verfolgt wer-den soll, führt zu einer • Integralgleichung, der letztgenannte zu einer • Differentialgleichung, die den in der Verfahrenstechnik üblichen Bilanzmodellen (= Mengen-, Im-puls-, Energie- und Kostenbilanzen) entspricht. Diese lauten verbal formuliert (Folie 2.32): Akkumulation = ΣEingangsströme - ΣAusgangsströme ±Quellen/Senken Die Mengenbilanz berücksichtigt die Einflüsse des ( 2.93) • gerichteten Stofftransportes (Konvektion) • ungerichteten Stofftransportes (Diffusion, Konduktion) und den • Auf- und Abbau von Wechselwirkungen zwischen Partikeln, Molekü-

len, Ionen oder Atomen ⇒ Auf- und Abbau von starken Wechselwirkungen (= Hauptvalenz-

bindungen), z.B.: chemische Synthese- und Zerfallsreaktionen, Fest-stoffzerkleinern, Kristallisieren und Auflösen;

⇒ Auf- und Abbau von schwachen Wechselwirkungen (= Nebenva-lenzbindungen), z.B.: Erstarren und Schmelzen, Kondensieren und Verdampfen, Adsorbieren, Absorbieren und Desorbieren, Koaleszie-ren und Dispergieren, Agglomerieren und Deglomerieren.

Dafür haben sich in den Fachdisziplinen der Verfahrenstechnik unterschiedli-che mathematische Formulierungen ergeben. Demzufolge lautet das allge-meine Bilanzmodell der Mechanischen Verfahrenstechnik in vektoranaly-tischer Schreibweise:

[ ] [ ] ( )[ ] iibiiibib GgradDdivvdiv

t±⋅⋅+⋅⋅−=

⋅ µρµρ∂

µρ∂ ( 2.94)

ρb Partikelmassekonzentration (≡ trockene Partikelschüttgutdich-te !) im Volumenelement dzdydxdV ⋅⋅= , ≡ Feststoffmasse-

konzentration in Suspensionen cs = ms/V µi Massenanteil, Wahrscheinlichkeit des Auftretens der i-ten

Klasse im betrachteten Volumenelement dV (Inkrement der Verteilungssumme i33 )d(d)d(q)d(dQ µ=⋅= )

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107 [ ]

tib

∂µ⋅ρ∂ Akkumulation (Speicherung) der Partikelgrößenklasse i im

betrachteten Volumenelement iv Geschwindigkeit der Partikeln der i-ten Klasse

iib vµρ konvektiver (gerichteter) Massestrom der i-ten Klasse durch

das Volumenelement dV Di Diffusionskoeffizient der i-ten Klasse

)(gradD ibi µρ diffusiver (ungerichteter) Massestrom der i-ten Klasse durch

das Volumenelement dV Gi Partikelwechselwirkungsterm, Stoffumwandlungsgeschwin-

digkeit ≡ Änderung des Masseanteiles der i-ten Klasse im be-trachteten Volumenelement dV durch Aufbau von Partikelwechselwirkungen (+ Agglomerieren) oder Zerstö-rung von Partikelwechselwirkungen (- Zerteilen)

Diese allgemeine Komponentenbilanzgleichung stellt ein gekoppeltes Glei-chungssystem für i = 1...N Partikelgrößenklassen dar (Folie 2.33). Bei Zerteilprozessen bedarf der Wechselwirkungsterm in Gl.( 2.94) einer Konkretisierung. Beispielsweise tritt bei Rohrmühlen der Aufgabemassen-strom Am mit der Partikelgrößenverteilungsfunktion Q3,A(x) ein. Die Mühle verlässt der Feingutmassenstrom Fm mit der Partikelgrößenverteilungs-

funktion Q3,F(y). Vereinfachend werden die Partikeltransportvorgänge normal zu einem durchströmten Flächenelement dzdbdA ⋅= nur eindimensional

betrachtet (Modell ideales Strömungsrohr mit Pfropfenströmung). Damit ist für einen kontinuierlichen Mahlprozess:

[ ] [ ] ( )∑−

=

⋅⋅⋅+⋅⋅−

⋅+

⋅⋅−=

⋅ 1

1,,

,,.i

jjlbijjilbi

ilbi

iilbilb bSSl

Dll

vt

µρµρ∂

µρ∂∂∂

∂µρ∂

∂µρ∂

( 2.95)

ρb,l Partikelschüttgutdichte des axialen Volumenelementes dldAdzdbdldV ⋅=⋅⋅=

[ ]t

il,b

∂µ⋅ρ∂

zeitliche Änderung der i-ten Partikelgrößenklasse am Ort l zur

Zeit t durch Transport- und Zerkleinerungsvorgänge iil,b v⋅µ⋅ρ axialer konvektiver Massestrom der i-ten Klasse am Ort l zur

Zeit t vi Axialgeschwindigkeit der i-ten Klasse

[ ]l

D il.bi ∂

µ⋅ρ∂ axialer Diffusionsstrom der i-ten Klasse am Ort l zur Zeit t

Di axialer Diffusionskoeffizient der i-ten Klasse il,biS µ⋅ρ⋅ Massesenke der i-ten Klasse am Ort l zur Zeit t, d.h., Massean-

teil, der in der Zeiteinheit aus der i-ten Klasse durch Zerklei-nern in feinere Klassen verschwindet

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Si massebezogene Zerkleinerungsgeschwindigkeitskonstante der i-ten Klasse

∑−

=

⋅⋅⋅1

1,,

i

Jilbjij bS µρ Massequelle der i-ten Klasse am Ort L zur Zeit t, d.h.

Masse, die der i-ten Klasse in der Zeiteinheit durch Zerklei-nern gröberer Klassen zugeführt wird

bij diskrete Bruchstückgrößenverteilung, d.h. der Masseanteil, der von den gebrochenen Partikeln der j-ten Klasse in die i-te Partikelgrößenklasse übergeht

Die einen diskontinuierlichen Zerkleinerungsprozess beschreibende Integ-ralgleichung lautet /6.11/:

∫ ∫=

+=τ

σ ∂∂τ

ox

yx

dtdxxyBxSx

txDyDyD ),()(),()0,(),( ( 2.96)

Masseanteil für y* < y nach der Zeit t = τ

Masseanteil für y* < y bei t = 0

Masseanteil für alle Partikelgrößen y* < y, erzeugt aus gröberen Partikelgrößen x > y, während der Zeit t = 0...τ

Zur Lösung der Integralgleichung müssen zunächst S(x) und B(y,x) bekannt sein. Diese Funktionen lassen sich experimentell gewinnen, indem enge Partikelgrößenklassen in geeigneter Weise markiert (z. B. radioaktiv) und die als Folge der Zerkleinerung eintretenden Veränderungen messtechnisch er-fasst werden. In Gl.( 2.96) sind sowohl die Zeit als auch die Partikelgröße stetige Variablen. Für die praktische Lösung der Integralgleichung wird man meist davon aus-gehen müssen, dass die Partikelgrößenverteilungsfunktion bzw. die Bruch-funktion nicht analytisch darstellbar ist. Ähnliches kann für die Auswahlfunk-tion gelten. Dann stellt man Gl.( 2.96) zu einer partikelgrößen-diskretisierten Form um, d.h. man betrachtet die auf diskrete Klassen entfallenden Anteile und deren Veränderungen. Folglich tritt anstelle des Intergrals eine Summe. Außerdem lässt sich die Zeit diskretisieren, indem z. B. man die Anzahl der Arbeitsspiele oder die Zahl der Mühlenumdrehungen einführt. Geht man demgegenüber von Gl.( 2.95) aus, in der die Zeit als stetige, die Partikelgröße dagegen als diskrete Variable betrachtet wird (n Partikelgrößenklassen 1...j...i...n; 1 gröbste Klasse), so erhält man eine Pro-zessgleichung für die diskontinuierliche Mahlung in Form eines gekoppel-ten Differentialgleichungssystems:

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∑−

=

µ⋅⋅+µ⋅−=µ 1i

1jiijjii

i )t(bS)t(Sdt

)t(d ( 2.97)

Si, Sj Auswahlfunktion für die i-te bzw. j-te Partikelgrößenklasse (im Sinne der in Gl.( 2.95) gegebenen Definition, aber partikelgrößen-diskretisiert)

bij Bruchfunktion, d.h. Masseanteil, der von den gebrochenen Partikeln der oberen j-ten Klasse in die darunter liegende i-te Partikelgrößenklasse übergeht (sog. nicht-kumulative Bruchfunktion)

Wenn - wie in Gl.( 2.97) zum Ausdruck kommt - die Zerkleinerungs-geschwindigkeit dem in der Partikelgrößenklasse vorhandenen Masseanteil der Klasse dx oder diskretisiert für die Klasse i )t,x()t,x(D iµ≈∂ proportional

ist und die Auswahlfunktion nur von x oder i abhängt, handelt es sich im Sin-ne der Prozesskinetik um einen Prozess 1. Ordnung mit sog. lineare Zerklei-nerungskinetik, siehe Gl.( 2.97), ii dt/d µ∝µ .

Eine nichtlineare Zerkleinerungskinetik n-ter Ordnung liegt dann vor, wenn die Auswahlfunktion auch eine Funktion der im Prozessraum vorhan-denen Partikelgrößenverteilung in der Klasse dx (Folie 2.34)

)t,x(D)x(S))t,x(D,x(S 1n x −⋅= ( 2.98)

bzw. des Masseanteiles

µi )t(S))t(,x(S 1niii

i −µ⋅=µ bzw. ( 2.99)

inii dt/d µ∝µ ( 2.100)

des Mahlgutes ist. Aus dem Vorstehenden folgt aber auch, dass die in den Zerkleinerungsgeschwindigkeitskonstanten Si, Sj enthaltenen Arbeitsbeträge, wiederum zur Kompensation der Bindungen (chemische Haupt- und physika-lische Nebenvalenzen) im Festkörper erforderlich sind. Deshalb soll diese Energieverteilung )W(fS i,mi= mit einem Exponentialansatz beschrieben

werden: (Folie 2.35)

−⋅= ∞

i,m

char,i.m,ii W

WexpSS ( 2.101)

Si,∞ Grenzwert der Geschwindigkeitskonstanten für Wm,i → ∞ Wm,i,char charakteristischer massebezogener Energiebetrag (Aktivie-

rungsenergie) der i-ten Klasse Wm,i massebezogener Zerkleinerungsarbeit der i-ten Klasse Die Modelle für die kontinuierliche Mahlung unterscheiden sich hauptsäch-lich dadurch, inwieweit sie auch den Transport und damit die Ortsabhängig-keit der Zerkleinerungsvorgänge berücksichtigen. Im einfachsten Fall beach-tet man die Transportprozesse in der Mühle nicht und erfasst somit nur die

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über den ganzen Prozessraum hinweg erfolgenden mittleren Veränderungen durch Zerkleinern (Folie 2.31.1b). Somit lässt sich die Integralgleichung auf Grundlage der Bilanz der Gutteil-masse aller Partikelgrößen y* < y wie folgt formulieren:

∫ +⋅+⋅=τ

σ

ττ dttmtyDyDmyDm AA )(),()0,()0(),()(

Nach der Zeit t=τ im Prozessraum enthal-tenen Masse aller Partikelgrößen < y

Zur Zeit t = 0 im Prozessraum enthal-tenen Masse aller Partikelgrößen y* < y

Während τ in der Aufgabe dem Prozessraum zugeführ-ten Masse aller Partikelgrößen y* < y

∫ ∫ ∫=

−+τ

σ

τ

σ∂∂ox

yxFF dttmtyDdtdxxyBxS

xtxDtm )(),(),()(),()( ( 2.102)

Während τ im Prozessraum neu er-zeugte Masse aller Partikelgrößen < y

Während τ aus dem Prozessraum ausgetragene Masse y* < y

)t(m);t(m FA Aufgabe- bzw. Austragsmassestrom )t,y(D);t,y(D FA Partikelgrößenverteilungsfunktion des Aufgabegutes

bzw. des Produktaustrages (Feingutes) Im Falle des stationären Betriebes gelten die beiden Gesamtbilanzen:

FA mmm == ( 2.103)

)(m)0(m)t(mm τ=== ( 2.104)

und D(y) = D(y, 0) = D(y, τ), ( 2.105)

sowie DA(y) = const. und DF(y) = const. ( 2.106)

Dann folgt aus Gl.( 2.97):

∫= ∂∂

+=ox

yxAF dx)x,y(B)x(S

x)x(D

mm)y(D)y(D

( 2.107)

wobei man wegen m/mm =τ auch unmittelbar die mittlere Verweilzeit τm

einsetzen kann. Im Falle eines diskontinuierlichen Prozesses reduziert sich Gl.( 2.102) für 0== FA mm und m = m(t) = m(0) = m(τ) zu Gl.( 2.96).

Berücksichtigt man den Guttransport als Propfenströmung, dann bedeutet dies, die Veränderung der Feinheit des Aufgabegutes längs seines Weges durch die Mühle unter Vernachlässigung der diffusiven Transportkomponen-ten zu erfassen (Folie 2.31.1c). Bei der Modellaufstellung hat man von den längs der Mühlenachse angeord-neten differentiellen Mahlraumelementen der Länge dl mit der Mahlgutbela-

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111

dung dm(l) auszugehen. Bei Vernachlässigung der Ortsabhängigkeit der Auswahl- und Bruchfunktion erhält man für den stationären Fall unter Beach-tung von Gl.( 2.102):

∫ ∫∂

∂∂

∂+=

σ =

L x

yx

o

dldx)x,y(B)x(Sx

)1,x(Dl

)l(mm1)0,y(D)L,y(D

( 2.108)

Mit mdl

lmdt

∂∂

= geht Gl.( 2.108) in Gl.( 2.97) über.

Man kann bei der Modellierung auch so vorgehen, dass die Transportprozesse nur indirekt berücksichtigt werden, indem man die Verweilzeitverteilung F(τ) des Mahlgutes in das Modell aufnimmt (Folie 2.31.1d). Stellt man wiederum eine Integralgleichung auf, so lässt sich jeder Verweilzeit τ ein Anteil f(τ) dτ zuordnen, auf den sich das Modell der diskontinuierlichen Mahlung Gl. ( 2.96) bzw. der kontinuierlichen Mahlung mit Pfropfenströmung gemäß Gl. ( 2.102) anwenden lässt. Um die Partikelgrößenverteilung des gesamten Feingutes zu erhalten, muss dann noch über alle τ integriert werden:

∫∞

=

=0

)(),()(τ

τττ dfyDyD . ( 2.109)

2.5 Bewertung des Prozesserfolges der Zerkleinerung Zur Bewertung des Prozesserfolges der Zerkleinerung werden insbesondere die massebezogene und die oberflächenbezogene Zerkleinerungsarbeit, die Energieausnutzung, der energetische Wirkungsgrad sowie die Zerkleine-rungsverhältnisse herangezogen (Folie 2.36). Die massebezogene Zerkleinerungsarbeit Wm, entweder summarisch

mW

mW = oder differentiell mP

dmdt

dtdW

mW

== , ( 2.110)

W von der Zerkleinerungsmaschine geleistete Arbeit m zerkleinerte Masse

eignet sich auch für einen allgemeinen Vergleich von Zerkleinerungspro-zessen hinsichtlich des Energieaufwandes (Folie 2.37).

Die oberflächenbezogene Zerkleinerungsarbeit WA berechnet sich, wenn ∆AS den Oberflächenzuwachs durch Zerkleinern darstellt, zu:

SAW

AW∆

= . ( 2.111)

Damit liegt eine Bewertungsgröße vor, die unmittelbar Energieaufwand und Zerkleinerungsergebnis verknüpft.

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In neuerer Zeit wird jedoch zunehmend der Kehrwert ∆AS/W für die Beurtei-lung von Zerkleinerungsprozessen vorgezogen, den man als Energieausnut-zung bezeichnet. Die für eine Beurteilung in Betracht zu ziehenden energetischen Wirkungs-grade wurden bereits in Abschn. 2.3.1. erörtert. Für die Beurteilung techni-scher Makroprozesse relevant ist danach der energetische Wirkungsgrad, der sich auf den für die Einzelpartikelzerkleinerung notwendigen Energiever-brauch bezieht /6.5./. Richtwerte dafür betragen - 70 - 100 % für Walzenbrecher, - 25 - 40 % für Prallbrecher und -mühlen, - 7 - 15 % für Wälzmühlen, - 6 - 9 % für Kugelmühlen und - 1 - 2 % für Strahlmühlen /6.6./. Will man die Partikelgrößenverteilung des Aufgabegutes und des zerkleiner-ten Gutes vergleichen, so ist zunächst an eine Gegenüberstellung beider Ver-teilungsfunktionen zu denken. Vor allem geschieht dies aber mit Hilfe der Zerkleinerungsverhältnisse, die Relationen granulometrischer Kenngrößen von zerkleinertem und Aufgabegut bzw. Maschinenparametern darstellen. Es sind zu unterscheiden: a) Zerkleinerungsverhältnisse bezogen auf obere Partikelgrößen:

oFoAo ddn ,, /= ( 2.112)

dA,o obere Partikelgröße des Aufgabegutes dF, o obere Partikelgröße des zerkleinerten Gutes

Es wird vor allem zur Abstimmung aufeinander folgender Zerkleine-rungsstufen benutzt. Anstatt der oberen Partikelgrößen werden meist die besser zugänglichen Partikelgrößen d95 herangezogen.

b) Zerkleinerungsverhältnis bezogen auf mittlere Partikelgrößen: mFmAm ddn ,, /= ( 2.113)

dA,m mittlere Partikelgröße des Aufgabegutes dF, m mittlere Partikelgröße des zerkleinerten Gutes c) Wirksames Zerkleinerungsverhältnis einer Zerkleinerungsmaschine:

sdn oAw /,= ( 2.114)

s Austragspaltweite der Zerkleinerungsmaschine Dieses Zerkleinerungsverhältnis kann natürlich nur dort bestimmt wer-den, wo die Austragsspaltweite für die obere Partikelgröße des zerklei-nerten Gutes maßgebend ist. Das ist bei Grob- und Mittelzerkleine-rungsmaschinen vorwiegend der Fall. Da sich die Austragsspaltweite während eines Arbeitsspieles ändern, kann (z. B. bei Backen- und Ke-

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gelbrechern) ist zusätzlich anzugeben, ob sie im engsten oder weitesten Zustand zu messen ist.

d) Scheinbares Zerkleinerungsverhältnis einer Zerkleinerungsmaschine:

swns /= ( 2.115)

w Maulweite der Zerkleinerungsmaschine Seine Anwendung ist auf Backen- und Kegelbrecher beschränkt.

2.6 Zerkleinerungsmaschinen Die vielfältigen Aufgaben der Zerkleinerungstechnik haben zur Entwicklung einer großen Zahl von Zerkleinerungsmaschinen geführt. Diese lassen sich - nach der Kraft- bzw. Energiezuführung (-einwirkung), - nach den Festigkeitseigenschaften und - den Partikelgrößenbereichen der zu zerkleinernden Stoffe, in Maschinen für - die Trocken- und - Nasszerkleinerung sowie - nach konstruktiven Gesichtspunkten gliedern. Hinsichtlich der Festigkeitseigenschaften sind die Hartzerkleinerung (z. B. Eruptivgesteine, kieselige Sedimente, Korund, Schlacken, Zementklinker), die Mittelhartzerkleinerung (z. B. Kalk, Anhydrit, Steinkohle) und die Weichzerkleinerung (z. B. Weichbraunkohle, Steinsalz, Getreide) zu unter-scheiden:

Tabelle 2.4: Ritz-Härteskala nach MOHS

Härtegrad nach MOHS

Standardmineral

Bemerkungen

1 Talk vom Fingernagel schabbar 2 Gips, Steinsalz vom Fingernagel ritzbar 3 Kalkspat Kupferblech 4 Flussspat Messingblech ≈ 3,5 bis 4 5 Apatit Eisenblech ≈ 4 bis 5, Fensterglas

≈ 5 6 Feldspat Taschenmesser ≈ 6 7 Quarz Feile ≈ 7 bis 8 8 Topas, Beryll ab hier Edelsteinhärte ff. 9 Korund Porzellan ≈ 9 10 Diamant Siliziumcarbid ≈ 9,5

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Hinsichtlich der Partikelgrößenbereiche des zu verarbeitenden Gutes hat sich die Einteilung in Grobzerkleinerung (Grobbrechen), Mittelzerkleinerung (Feinbrechen) und Feinzerkleinerung (Mahlen) sowie Feinstzerkleinerung eingeführt (Folie 2.38). Zunehmend gewinnt die zusätz-liche Abgrenzung der Feinstzerkleinerung an Bedeutung. Bei der folgenden Darstellung wird zweckmäßigerweise im Gegensatz zu allen anderen Abschnitten dieser Vorlesung von der Einteilung nach kon-struktiven Gesichtspunkten ausgegangen, weil sich dahinter zugleich eine solche nach der Art der Kraft- bzw. Energiezuführung und teilweise auch jene nach den Festigkeitseigenschaften sowie nach den verarbeitbaren Partikelgrößenbereichen verbirgt. 2.6.1 Backen- und Kegelbrecher Backenbrecher und Kegelbrecher eignen sich vor allem für das Brechen har-ter bis mittelharter Stoffe. Ihre Wirkungsweise gibt schematisch die Folie 2.39.1 wieder. Das Gut wird im Prozessraum vor allem durch Druck, bei den Flachkegelbrechern wegen der höheren Drehzahl auch durch Schlag beansprucht. Ein Pendelschwingbrecher ist in Folie 2.39.1a dargestellt. Die Zer-kleinerung erfolgt zwischen der festen Brechbacke (1), die im Brechergehäuse sitzt, und der beweglichen Brechbacke (2), die auf einer Schwinge (3) befestigt ist. Die Zugstange (4) ist auf dem exzentrischen Teil der Antriebswelle (10) gelagert und bildet mit den Druckplatten (5) eine Kniehebelsystem, das beim Auf- und Abwärtsgang der Zugstange (4) mehr oder weniger gestreckt wird. Beim Aufwärtsgang erfolgt das Brechen, beim Abwärtsgang das Nach-rutschen des Gutes. Nach mehrmaliger Beanspruchung verlässt letzteres den Brecherraum durch den Austragspalt. Die Austragespaltweite s ist durch eine Verstellvorrichtung (7) veränderbar. Damit das Kniehebelsystem immer in kraftschlüssiger Verbindung bleibt, steht es unter der Spannung der Rückhaltefeder (6). Auf der Antriebswelle (10) sitzen beiderseits schwere Schwungscheiben, die die stoßartigen Belas-tungen während des Vorwärtsganges der Schwinge ausgleichen. Die Druckplatten können so bemessen sein, dass sie zugleich einen Überlas-tungsschutz darstellen. Bei modernen größeren Brechern sind aber im allge-meinen andere Formen des Überlastungsschutzes vorhanden (drehmomenten-

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begrenzte Kupplungen, Überstromauslöser, Rutschkupplungen u.a.). Die Brechbacken bestehen aus hochwertigem Hartstahl. Um die Rissbildung zu fördern, sind die Brechflächen gezahnt ausgebildet. Da der Einzugswinkel der Brechbacken den Reibungswinkel nicht über-schreiten darf, wählt man für diesen etwa 16 bis 22°. Bei Feinbrechern wird die Schwingenbrechbacke vielfach derart gewölbt ausgebildet, dass sich der Einzugswinkel zum Austragspalt hin vermindert und dadurch Gutstauungen entgegengewirkt wird. Die Austragsspaltweite ist für die obere Partikelgröße des gebrochenen Gu-tes maßgebend. Darunter ist bei gezahnten Brechbacken der Abstand von Zahnspitze der einen zum Zahngrund der anderen im geöffneten Zustand zu verstehen. Das Zerkleinerungsverhältnis ns liegt etwa zwischen 5 : 1 bis 9 : 1. Pendelschwingenbrecher (Folie 2.40.2) werden - als Grobbrecher mit Maulweiten von etwa 200 bis 1000 mm und - als Großbackenbrecher mit Maulweiten von etwa 1200 bis 2200 mm ge-baut. Neben der Maulweite bestimmt die Maulbreite die Größe der Aufgabeöff-nung. Die Hubzahl liegt bei Großbackenbrechern etwa bei 140 bis 180 min-1, - bei Grobbrechern bis 180 bis 250 min-1 und - bei Feinbrechern bei 275 bis 400 min-1.

Durchsatz siehe Folie 2.41.

Bei den Kurbelschwingenbrechern (Folie 2.39.1b) ist die Schwinge unmit-telbar an der Kurbel der Antriebswelle aufgehängt, und unten ist sie mit einer Druckplatte gegen einen verstellbaren Gleitklotz abgestützt. Infolgedessen beschreibt die Brechbacke im oberen Teil eine elliptische, am Austragspalt nahezu eine auf- und abwärts gehende lineare Bewegung, wodurch der Gut-durchfluss beschleunigt wird. Als Nachteil ergibt sich der größere Verschleiß der Brechbacken. Im Ganzen gesehen ist die Konstruktion gedrungener als jene von Pendelschwingenbrechern (Folie 2.40.3). Neben diesen wichtigen Backenbrechern gibt es noch eine Reihe von Sonder-bauformen (siehe z. B. /6.2/). Kegelbrecher besitzen einen kreisringförmingen Brechspalt und zeichnen sich gegenüber den Backenbrechern durch einen scheinbar kontinuierlichen Brechvorgang aus.

Beim Steilkegelbrecher (Folie 2.39.1c, Folie 2.42.4) wird der Brechraum von einem hohlkegelförmigen Brechmantel (1) und dem Brechkegel (2) be-

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grenzt. Bei der dargestellten Maschine mit bewegter Brechkegelachse (8) wird letztere an ihrem unteren Ende mit Hilfe einer Exzenterbüchse auf einer Kreisbahn geführt, so dass für den Brechkegel eine Kreispendelbewegung entsteht, bei der jeweils beim Annähern der entsprechenden Teile der Brech-flächen die Brechkräfte auf das Gut übertragen werden. Auch hier werden die Brechflächen im Allgemeinen gezahnt ausgebildet.

Das Einstellen der Brechspaltweite erfolgt durch Heben bzw. Senken der Brechkegelachse (8). Die Drehzahlen der Exzenterbüchse liegen - bei Grobbrechern etwa zwischen 80 und 200 min-1, - bei Feinbrechern zwischen 250 und 500 min-1. Das Zerkleinerungsverhältnis ns entspricht etwa dem von Backenbrechern.

Flachkegelbrecher (Folie 2.39.1d, Folie 2.43.6) unterscheiden sich vor allem hinsichtlich der Ausbildung des Brechraumes und der durch höhere Drehzah-len verursachten Schlagbeanspruchung von Steilkegelbrechern.

Der Tragkegel (3) sitzt auf der konischen Brechkegelachse (8), die drehbar in einer Exzenterbüchse gelagert ist. Diese wiederum ist zentrisch drehbar in einer Laufbuchse und wird über ein Kegelradpaar angetrieben. Die Kugelka-lotte des Tragkegels ruht auf einer Kugellagerschale. Für Spaltweitenänderungen ist der Brechrumpf mit seinem Brechmantel (1) höhenverstellbar. Beim Eindringen von nicht zerkleinerbaren Fremdkörpern in den Brechraum gestatten Federn bzw. ein Hydrauliksystem (11) das Ausweichen des gesam-ten Brechrumpfes nach oben.

Das Aufgabegut fällt zunächst auf einen Streuteller (9), der es über die Maul-öffnung verteilt. Infolge der taumelnden Bewegung des Brechkegels (2) wird das Gut gegen den Brechmantel (1) geschleudert und dort durch Schlag bean-sprucht. Es kann dem schnell zurückweichenden Brechkegel nicht unmittel-bar folgen, wird abermals vom zurückkommenden Kegel erfasst und erneut am Brechmantel beansprucht. Dieser Vorgang wiederholt sich mehrfach auf dem Wege zum Austragspalt.

Die Hubbewegung am Austragspalt beträgt ein Mehrfaches der engsten Aus-tragspaltweite. Letztere ist hier aber im Gegensatz zu Backen- und Steilke-gelbrechern maßgebend für die obere Partikelgröße des zerkleinerten Gutes. Die Hubzahl liegt zwischen 250 und 500 min-1. Das Zerkleinerungsverhält-nis ns kann bis zu 15 : 1 betragen. Flachkegelbrecher werden je nach Größe und Ausbildung des Brechraumes als Grobbrecher (dA,o maximal etwa 250 mm) oder Feinbrecher eingesetzt.

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Im Aufgabegut dürfen im Gegensatz zu Backen- und Steilkegelbrechern kei-ne feucht-klebenden Verunreinigungen enthalten sein.

Für den Durchsatz von Backen- und Kegelbrechern (Folie 2.44) sind bei sprödem Gut vor allem die "Durchflussgeschwindigkeit" sowie der "Durch-flussquerschnitt" und weniger die Festigkeitseigenschaften maßgebend. Für die Praxis sind empirische Durchsatzformeln entwickelt worden, die für eini-ge häufig vorkommende Brechgüter recht gut zutreffen /6.2.//6.14//6.15./

Vergleich Steilkegelbrecher - Backenbrecher: Vorzüge Backenbrecher: - niedrige Bauhöhe - leichte Auswechselbarkeit von Verschleißteilen - günstige Nachstellmöglichkeiten für den Austragspalt Nachteile Backenbrecher: - kostspieligere Fundamente Wesentliche Vor- und Nachteile von Kegelbrechern folgen aus dem Vorste-hendem: - größere Bauhöhe - schwierigere Auswechselbarkeit von Verschleißteilen. Bei gleicher Maulweite wie beim Kegelbrecher sind die Anschaffungskosten des Backenbrechers niedriger, bei gleichem Durchsatz allerdings höher. Ganz allgemein lässt sich sagen, dass bei grobem Aufgabegut und relativ niedrigen Durchsätzen Backenbrecher meist vorzuziehen sind. Bei großen Durchsätzen werden gewöhnlich die Vorteile der Steinkegelbrecher überwie-gen.

⇒ weitere Beispiele: Folie 2.45, Folie 2.46, Folie 2.47

2.6.2 Walzenbrecher und –mühlen

Walzenbrecher und Walzenmühlen verfügen überwiegend über gegenläufig rotierende Walzenpaare (Folie 2.48.1), zwischen denen das Gut vor allem durch Druck, bei unterschiedlichen Walzenumfangsgeschwindigkeiten auch durch Scherung und bei schnell laufenden Nockenwalzenbrechern auch durch Schlag beansprucht wird. Bei den Einwalzenbrechern (Folie 2.48.1c) wird der Prozessraum von einer Walze und einer ebenen oder gewölbten Arbeitsfläche begrenzt.

Für bestimmte Aufgaben im Bereich der Fein- und Feinstzerkleinerung wer-den auch Maschinen mit mehreren Walzenpaaren eingesetzt.

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Unter Walzengrobbrechern sollen Maschinen verstanden werden, deren Walzenoberfläche mit Nocken, Stacheln, Zähnen oder anderen Brechorganen besetzt sind und die zum Grobbrechen von mittelhartem bis weichem Gut eingesetzt werden. Walzenfeinbrecher für die Mittel- bis Feinzerkleinerung von hartem Gut besitzten glatte Walzenoberfläche. Walzenmühlen sind Maschinen für die Fein- bis Feinstzerkleinerung mit glatten oder profilierten (geriffelten) Walzen. Zu ihnen gehören auch die sog. Walzenstühle, die zum Mahlen von Getreide und anderen mittelharten bis weichen Stoffen eingesetzt werden. In neuerer zeit gewinnen die Gutbett-Walzenmühlen für die Hochdruck-Zerkleinerung harter bis mittelharter Stoffe an Bedeutung. Wesentlich für die Arbeitsweise dieser Zerkleinerungsmaschinen ist das mög-lichst rutschfreie Einziehen des Aufgabegutes in den Walzenspalt. Dafür sind die Bedingungen bei glatten Walzenoberflächen am ungünstigsten. Deshalb sollen sie im Folgenden kurz unter der zusätzlichen Annahme von kugelför-migem Partikel anhand Folie 2.48.2 erörtert werden:

Die radiale Stützkraft F lässt sich in die Horizontalkomponente FH und die Vertikalkomponente FV = F sin β/2 ( 2.116)

zerlegen. Letztere wirkt dem Einziehen entgegen. Die tangentiale Reibungs-kraft FR = µ F ( 2.117)

µ Reibungskoeffizient

versucht, das Partikel in den Walzenspalt einzuziehen. Ihre Vertikalkompo-nente

FS = FR cos β/2 = µ F cos β/2 ( 2.118)

ist FV entgegengerichtet. Soll das Partikel eingezogen werden, muss folglich gelten:

VS FF > bzw. µ > tan β/2 ( 2.119)

d.h., der Tangens des halben Einzugswinkeln muss kleiner als der Reibungs-koeffizient sein. Nimmt man auf glatten Walzen für mittlere Verhältnisse µ ≈ 0,3 an, so ergibt sich β ≈ 30°. Die Einzugsbedingungen werden nach Gl.( 2.119) vom Reibungskoeffizien-ten und vom Einzugswinkel bestimmt. Der erstgenannte ist durch den Ober-flächenzustand der Walzen und des Gutes vorgegeben. Der Einzugswinkel hängt bei gegebener Partikelgröße vom Walzendurchmesser und der Spalt-

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weite ab. Praktisch müssen solche Bedingungen vorhanden sein, dass auch die gröbsten Partikel eingezogen werden. Aus Folie 2.48.2 folgt:

2/cosβ=++

ow

w

dDsD . ( 2.120)

Daraus berechnet sich: 2/cos1

s2/cosdD o,A

W β−−β

= bzw.

12/tan1

2/tan12

2,

−+

+−=

β

βsdD oA

W . ( 2.121)

Wenn das Gut vollständig eingezogen werden soll, muss tan β/2 < µ sein:

11

12

2,

−+

+−>

µ

µsdD oA

W . ( 2.122)

Mit µ ≈ 0,3 und nW = 4 : 1 (dA,o = 4 s) wird

DW ≥ 70 s bzw. DW ≥ 17 dA,o. ( 2.123)

Für glatte Walzen wählt man gewöhnlich DW ≈ 20 dA,o.

Bei profilierten Walzen sind die Reibungsverhältnisse günstiger, und es darf DW ≈ (10 bis 12) dA,o angenommen werden. ( 2.124)

Noch günstigere Verhältnisse liegen bei Nockenwalzenbrechern vor. Hier ist evtl. eine Vorzerkleinerung durch Schlagbeanspruchung über dem Spalt mög-lich, wenn die Drehzahl genügend groß ist. Ein Walzenfeinbrecher ist in Folie 2.48.1a schematisch dargestellt. Die Walze (1) ist fest gelagert. Die Lager der anderen Walze (2) sind verschiebbar angeordnet, so dass diese beim Eindringen von nicht zerkleinerbaren Körpern in den Spalt gegen Druck eines Feder- bzw. Hydrauliksystems ausweichen kann. Weiterhin ist eine Spaltweitenverstellung vorhanden. Die Walzenmän-tel bestehen aus verschleißfestem Stahl und sind auswechselbar. Brecher die-ser Art werden für die Mittel- bis Feinzerkleinerung harten bis mittel-harten Gutes eingesetzt. Ihr Zerkleinerungsverhältnis nc beträgt 3 : 1 bis 4 : 1. Die Walzendurchmesser der größten ausgeführten Maschinen erreichen 1800 mm, so dass obere Partikelgrößen bis zu etwa 90 mm verarbeitbar sind. Bei gröberem Gut arbeitet man mit Umfangsgeschwindigkeiten bis zu etwa 4 m/s. Für feineres oder weniger hartes Material kann die Umfangsgeschwin-digkeit wesentlich größer sein und unter besonders günstigen Voraussetzun-gen 20 m/s erreichen.

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Ein Walzengrobbrecher, dessen Aufbau prinzipiell dem Feinbrecher ent-spricht, ist in Folie 2.49.3 dargestellt. Die Walzen bestehen gewöhnlich aus mehreren, auswechselbar auf die Welle geschobenen Hartstahlscheiben, die miteinander verspannt sind und deren Oberflächen kräftige Nocken, Zähne oder ähnliche Arbeitsorgane tragen.

Zweiwalzenbrecher werden für die jeweiligen Zerkleinerungsaufgaben in schwereren oder leichteren Ausführungen gebaut. Die Walzenumfangsge-schwindigkeiten liegen zwischen 2 und 12 m/s. Es sind Zerkleinerungsver-hältnisse no bis zu 8 : 1 möglich. Die größten Maschinen weisen Walzendurchmesser von etwa 1600 mm auf und können obere Aufgabepartikelgrößen von 600 bis 800 mm verarbeiten. Brecher dieser Art werden für mittelhartes bis weiches Gut eingesetzt. Folie 2.48.1c gibt schematisch einen Einwalzenbrecher wieder. Hier kann die Schwinge (3) ausweichen. Brecher dieser Art werden für die gleichen Zerkleinerungsaufgaben wie Zweiwalzenbrecher eingesetzt. Große Maschi-nen können obere Aufgabestückgrößen bis 1200 mm verarbeiten. In Folie 2.48.1d ist ein Doppelwalzenstuhl schematisch dargestellt, wie er beispielsweise zum Mahlen von Getreide und anderen mittelharten bis wei-chen Stoffen eingesetzt wird, wenn ein feinstpartikelarmes Produkt er-wünscht ist. Die Walzen sind vielfach geriffelt, und sie werden mit unter-schiedlichen Drehzahlen betrieben (Drehzahlverhältnisse von 1 : 1,25 bis 1 : 5), woraus Scherbeanspruchungen resultieren. Die Umfangsgeschwindigkeit der schneller rotierenden Walze kann bis zu 5 m/s betragen. Das Gut wird über geriffelte Speisewalzen (4) aufgegeben, um eine gleichmäßige Dosierung über die gesamte Walzenbreite zu erreichen. Abstreifer bzw. Bürsten (5) entfernen an den Walzen haftendes Gut. Quetschwalzenstühle besitzen Walzen gleicher Umfangsgeschwindigkeit und dienen zur Herstellung von Flocken aus pflanzlichen Stoffen. Walzenstühle mit glatt geschliffenen Walzen werden zur Verarbeitung von mittelviskosen Suspensionen (z. B. Farbabreibung oder Feinstzerkleinerung von Schokoladenmassen) eingesetzt. Die Walzen arbeiten mit unterschiedli-chen Geschwindigkeiten, wodurch die Übergabe der Suspensionsschicht an die jeweils schneller laufende Walze ermöglicht wird (Folie 2.48.1e). Die Spalteinstellung erfolgt durch Variation der Anpresskräfte. Die kleinsten Spaltweiten betragen etwa 20 µm. Im Allgemeinen sind mehrere Spaltpassa-gen notwendig, um die gewünschte Feinheit zu erreichen.

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Die Zielstellung, die Zerkleinerung im Walzenspalt wegen verschiedener Vorteile für die Mahlung härterer Stoffe bei höheren Durchsätzen zu er-schließen, hat zur Entwicklung der Gutbett-Walzenmühlen geführt, Folie 2.50. Da die Gutbettbeanspruchung im Walzenspalt angemessen hohe Press-kräfte voraussetzt, ist Agglomeration im Mahlprodukt ein unvermeidliche Folge. Die konsequente Verfolgung dieser Problematik führte zu dem Ergeb-nis, dass die Kombination einer Hochdruckbeanspruchung im Walzenspalt, bei der das Mahlprodukt als bandartiger Strang (Schülpe) geringerer Festig-keit austritt, und einer nachgeschalteten Desagglomeration (z. B. in einer Ku-gelmühle) bei optimaler Abstimmung eine günstige Lösung aus der Sicht der Energieausnutzung darstellt /6.36//6.37/. Eine Gutbettwalzenmühlen für die Hochdruckbeanspruchung ähnelt in vieler-lei Hinsicht einer Walzenpresse für die Pressagglomeration (siehe Abschn. 7.2). Die gleichmäßige und kontinuierliche Zufuhr des Aufgabegutes in den Walzenspalt wird mittels eines über diesem angeordneten Fülltrichters er-reicht, in dem ständig ein gewisses Füllniveau zu gewährleisten ist. Wesentlich für ein gegebenes Gut ist die Abstimmung zwischen dem anzu-strebenden Zerkleinerungsziel - z. B. Feingutanteil, - massebezogene Oberfläche und den Prozessparametern - Walzendurchmesser, - Spaltweite, - Walzenumfangsgeschwindigkeit, - Pressung) /6.36/. Die günstigsten Pressungen liegen zwischen 50 und 300 MPa, die Walzen-umfangsgeschwindigkeiten zwischen 0,2 und 3 m/s. Die entstehenden Schülpen weisen Feststoffvolumenanteile φs > 70 % auf und enthalten etwa 10 bis 30 % agglomerierte Anteile d < 10 µm. Die Desagglomeration der Schülpen kann bei Trockenmahlung in nachgeschalteten Kugel-, Prall- oder Hammermühlen geschehen. 2.6.3 Prallbrecher und Prallmühlen Prallbrecher besitzen vorwiegend eine schnell umlaufende Prallwalze, und im Brechraum sind weitere Prallorgane fest angeordnet (Prallplatten; Mahlbah-nen). Sie werden für grobes bis mittelgrobes Gut eingesetzt. Prallmühlen für die Fein- und Feinstzerkleinerung sind hinsichtlich der Aus-bildung der Prallorgane sehr variationsreich. In jedem Fall ist aber ebenfalls

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ein schnell umlaufender Rotor vorhanden, der gewöhnlich vielfältig geglie-dert ist, um die erforderlichen hohen Stoßzahlen realisieren zu können. Prallbeanspruchungen sind nicht auf die in diesem Abschnitt behandelten Brecher und Mühlen beschränkt, sondern treten auch in weiteren Zerkleine-rungsmaschinen - meist neben anderen Beanspruchungsarten - auf (z. B. in Hammerbrechern und -mühlen sowie in Strahlmühlen). Bei der Prallzerkleinerung entstammt die für die Bruchauslösung notwendige elastische Verformungsenergie der kinetischen Energie der Stoßpartner. Der Beanspruchungsvorgang folgt in erster Näherung den Stoßgesetzen der Me-chanik. Danach sind zwei Stoßperioden zu unterscheiden: - Während der ersten ändern sich Translation und Rotation der beiden am

Stoß beteiligten Massen so lange, bis beide an der Berührungsstelle die gleiche Geschwindigkeit in Richtung der Stoßnormalen besitzen. Dabei wird ein Teil der kinetischen Energie in elastische Formänderungsener-gie umgesetzt. Gleichzeitig können plastische Verformungen ablaufen, deren Anteil mit steigender Beanspruchungsgeschwindigkeit jedoch zu-rückgedrängt wird.

- In der nachfolgenden zweiten Stoßperiode wandelt sich, falls es bis dahin nicht zum Bruch gekommen ist, die elastische Energie wieder in kineti-sche zurück, und die beiden Massen trennen sich wieder. Bei vollplasti-schem Stoß entfällt diese Periode.

Im Falle des bei der Prallbeanspruchung anzustrebenden geraden zentralen Stoßes berechnet sich bei rein elastischer Verformung die gespeicherte Ener-gie W nach:

221

21

21 )()(2

1 vvmmmmW −⋅+⋅

= . ( 2.125)

m1; m2 Masse der Stoßpartner v1; v2 Geschwindigkeit der Stoßpartner Ist die Partikelmasse wesentlich kleiner als die Masse des anderen Stoßpart-ners (Rotor, Prallplatte), so reduziert sich Gl.( 2.125) zu:

2

21

relP vmW ⋅= . ( 2.126)

mP Partikelmasse vrel = v1 - v2 Aufprallgeschwindigkeit

Die maximalen Zugspannungen entstehen nach der Theorie von JOHNSON, KENDAL und ROBERTS (JKR, 1971) am äußeren Rand der Berührungsflä-che am Ende der ersten Stoßperiode (Folie 2.17).

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Wenn man eine rotationssymmetrische Druckverteilung im Kontaktkreis (Modell einer Normalkraftbelastung im unendlich ausgedehnten Halbraum) voraussetzt

BOUSSINESQHERTZJKR ppp −= , d.h., ( 2.127)

( )[ ]2KK

A2

K0 r/r1r

*E2rr1p)r(p

−⋅⋅π⋅γ⋅

−⋅= ( 2.128)

so reduziert sich die HERTZ’sche Kontaktabplattung (siehe auch Gl.( 2.66)) um den hinteren Term dieser Gleichung:

⋅−⋅=

2/3

K

0,K

2,1

2K

K rr

321

rrh . ( 2.129)

Der zugehörige Kontaktkreisradius für p(r = rK,p=0) = 0 ist mit dem mittleren E-Modul E*, dem mittleren Krümmungsradius r1,2 nach den Gln.( 2.67) und ( 2.69) und der spezifisch freien Grenzflächenenergie γA (siehe 2.1.1.3):

*Errr

1rrK

A

K

2,1K0p,K ⋅

γ⋅π⋅−⋅== . ( 2.130)

Wenn der Kontaktkreisradius r > rK,p=0 ist, wird der Kontaktdruck negativ (= Zugspannung). Wenn nun der äußere Rand erreicht wird r = rK, geht die Zug-spannung nach der JKR-Theorie gegen unendlich, was physikalisch nicht gerechtfertigt ist, da maximal nur die Zugfestigkeit erreicht werden kann

ZsK )rr(p σ≤= . Daraus folgt dann auch der Ringriss am Rande der Kontakt-

fläche (Folie 2.17). Der maximalen Wert für r = 0 im elastischen HERTZ’schen Druckbereich entspricht 150% des mittleren Druckes )r/(Fp 2

KN ⋅π= infolge des Einwir-

kens der Normalkraft (Stoßkraft) FN:

p23

rF

23

r*Erp)0r(p 2

K

N

2,1

K00 ⋅=

⋅π⋅=

⋅π⋅

=== . ( 2.131)

Für die in geometrisch ähnlichen und stofflich gleichartigen Partikeln (Par-tikel-E-Modul EP, Krümmungsradius rP an der Stoßstelle) aufgebaute maxi-male Zugspannung σmax ergibt sich bei Aufprall auf eine ebene, starre, unend-lich große Masse aus der Dimensionsanalyse analog Gl.( 2.32) /6.18/:

5/1

3PP

2relP

P

max

rEvmC

E

⋅⋅

=σ ( 2.132)

r

p p0 rK

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Folglich wird die Spannungsbildung an der Stoßstelle auch durch die Krüm-mung des Partikels beeinflusst. Die Krümmung der Prallorgane wirkt sich in gleicher Weise aus. Bei gegebener Geometrie des Prozessraumes sind vom Standpunkt der Ener-gieausnutzung - die mittlere Partikelfestigkeit und - die Prallgeschwindigkeit aufeinander abzustimmen, wobei mit abnehmender Partikelgröße die mittlere Partikelfestigkeit bekanntlich zunimmt. Im Prozessraum erfolgt die Beanspruchung der Partikel beim Auftreffen auf die Prallorgane (Rotor, Prallflächen) oder beim Zusammentreffen der Parti-kel. Beim letzteren treten zu einem hohen Anteil exzentrische und schiefe Stöße auf, so dass Teile der Energie für Reibeffekte und die Partikelrotation verbraucht werden. Will man die Partikelstöße weitgehend vermeiden, so muss die mittlere freie Weglänge Λ der Partikeln größer als die Flugbahn zwischen Rotor und Prall-fläche sein. Λ lässt sich nach abschätzen /6.10//6.19/:

s10dϕ

≈Λ . ( 2.133)

ϕs Feststoffvolumenanteil im Prozessraum

In Folie 2.51.1 ist der für die Prallzerkleinerung interessierende Bereich ein-getragen. Die danach für das Brechen und Mahlen erforderlichen Flugbahnen lassen sich in den entsprechenden Zerkleinerungsmaschinen durchaus ver-wirklichen.

Im Bereich der Feinstmahlung entsteht jedoch ein zusätzliches Problem. Hier sind auch die Bremswege der Partikel infolge des Luftwiderstandes zu be-rücksichtigen. Man erkennt, dass das Feinstpartikel schon auf relativ kurzen Wegen abgebremst wird. Die Abstände zwischen den Prallorganen müssten dann relativ klein gewählt werden, um noch genügend hohe Prallgeschwin-digkeiten zu realisieren. Dies führt zu konstruktiven Schwierigkeiten, so dass sich für Feinheiten < 0,01 mm die Strahlmühlen besser für die Prallzerklei-nerung eignen. Einwalzenprallbrecher (Folie 2.51.2a und b) bestehen aus einem innen mit Verschleißplatten ausgekleideten Gehäuse, in dem die mit mehreren leicht auswechselbaren Prallleisten (2) bestückte Prallwalze (1) rotiert. Die hängen-den Prallplatten (3) sind verstellbar, wodurch der Abstand zwischen Prallplat-ten und Prallleisten und die Neigung der Prallplatten verändert werden kön-nen. Beim Eintritt von Fremdkörpern in den Brechraum können die Prall-platten nach oben ausweichen.

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Gegenüber anderen Brechern sind die Variationsmöglichkeiten groß - Ausbildung des Einlaufs, - Zahl und Form der Pralleisten, - Rotorumlaufgeschwindigkeit, - Ausbildung des Prozessraumes, - Zahl und Anordnung einer Mahlbahn (Folie 2.51.2b). Das Aufgabegut wird zunächst von den mit 20 bis 60 m/s umlaufenden Prall-leisten getroffen und, falls die Bruchspannungen überschritten werden, zer-kleinert. Die Prallleisten sollten scharfe Kanten besitzen, weil gemäß Gl. ( 2.132) mit abnehmendem Krümmungsradius die maximale Spannung an der Stoßstelle wächst. Ein Partikel, das beim Prall an den Prallleisten nicht zer-kleinert wurde, wird gemäß den sich aus der Stoßpartnerschaft ergebenden Verhältnissen abgeworfen. Die "Gutwolke" eines zertrümmerten Partikels strebt demgegenüber kegelförmig auseinander.

Da der gerade zentrale Stoß anzustreben ist (Folie 2.52.3) sollten die Prall-platten möglichst senkrecht zu den wahrscheinlichsten Flugbahnen angeord-net sein. Die von den Prallplatten zurückgeworfenen Partikel werden schließ-lich erneut von den Prallleisten erfasst. Die geschilderten Vorgänge wieder-holen sich bis zum Austrag mehrfach. Dabei wird der überwiegende Teil der Zerkleinerungsarbeit an den Prallleisten verrichtet.

Für das Zerkleinerungsergebnis sind die Brechraumgestaltung und die Prall-leistenumfangsgeschwindigkeit wesentlich. Durch die Abstände zwischen dem Umlaufkreis der Prallleisten und den Prallplatten wird die obere Parti-kelgröße mitbestimmt (Folie 2.53).

Besteht die Forderung, einerseits Überpartikel soweit wie möglich zu begren-zen und andererseits einen höheren Feinpartikelanteil im Fertiggut zu errei-chen, so ist die zusätzliche Anordnung einer Mahlbahn zweckmäßig (Folie 2.51.2b). Das Zerkleinerungsverhältnis von Prallbrechern kann in weiten Grenzen ver-ändert werden. Weil es sehr groß sein kann, lassen sich u. U. zwei bis drei hintereinander geschaltete Maschinen ersetzen. Günstige Bedingungen für den Einsatz von Prallbrechern sind gegeben, wenn ein - größeres Zerkleinerungsverhältnis und - eine breitere Partikelgrößenverteilung zulässig sind und - ein Aufgabegut mit ausgeprägt inhomogenem Gefüge vorliegt. Die Anwendung der Prallzerkleinerung wird durch das Verschleißverhalten begrenzt. Allerdings ist es in neuerer Zeit immer mehr gelungen, sowohl durch die Entwicklung geeigneter Verschleißwerkstoffe (insbesondere für die

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Prallleisten, und zwar Chrom-Molybdän-Stähle mit geeigneter Wärmebe-handlung) als auch durch entsprechende konstruktive Gestaltung mehr und mehr in das Gebiet der Hartzerkleinerung einzudringen. Wegen der Festigkeitszunahme mit abnehmender Partikelgröße ergibt sich die Notwendigkeit, in Prallmühlen im Vergleich zu den Prallbrechern mit entsprechend höheren Prallgeschwindigkeiten zu arbeiten. Diese liegen in den derzeitig gebauten Mühlen etwa im Bereich von 60 bis 300 m/s, wobei die Beanspruchungsgeschwindigkeit umso höher liegen muss, je größere Feinhei-ten angestrebt werden. Die hinsichtlich der konstruktiven Gestaltung sehr variationsreichen Prall-mühlen unterscheiden sich durch - die Anordnung der Rotorwelle (vertikal oder horizontal), - die Ausbildung des Rotors (Schleuderrad, Prallteller, Schlagkreuz-, Schlag-

leisten-, Schlagstiftrotor u.a.), - den bevorzugten Weg des Gutes durch den Mahlraum (radial, axial, peri-

pher) und - die wesentlichen Einstellungs- bzw. Regelungsmöglichkeiten zum Errei-

chen der Endfeinheit. In Folie 2.51.2c ist eine Schleuderrad-Prallmühle dargestellt. Das Aufgabe-gut gelangt durch ein Zentralrohr auf den Schleuderteller, von wo es in eine gegenläufig rotierende Mahlschüssel abgeworfen wird. Diese Schüssel ist so ausgebildet, dass ständig eine Mahlgutschicht vorhanden ist, die den Schüs-selboden vor Verschleiß schützt. Das Mahlgut wird aus der Schüssel über den oberen Rand in einen konischen Trichter ausgetragen. Schließlich gelangt es in den aufwärts gerichteten Luftstrom. Aus diesem scheiden sich in der Vorklassierzone (Zwischenkonus!) und in der Nachklassierzone (Innenkonus mit Leitschaufelsystem am Eintritt!) die noch nicht genügend aufgemahlenen Partikel ab und gelangen erneut auf das Schleuderrad. Je nach Einstellung sind Feinheiten zwischen - 5 mm und - 75 µm erzielbar. In Folie 2.51.2d ist eine Pralltellermühle dargestellt. Der Prallteller (1) sitzt auf horizontaler Welle. Die Aufgabe wird durch eine zentrale Öffnung in der Mahlraumtür zugeführt. Das Gut wird von Prallscheiben (2) gegen die profi-lierte und gekühlte Mahlbahn (4) und einen dazu senkrecht angeordneten ebenfalls gekühlten Mahlring (5) geschleudert. Das Mahlgut gelangt schließ-lich in die hinter dem Prallteller gelegene Klassierzone. Diese wird vom Prallteller, den rückseitigen Kanten der Prallscheiben und einer auswechsel-baren Blende (6) mit Leitschaufelsystem begrenzt. Die Blenden unterscheiden sich im Durchmesser der zentralen Öffnung. Das Mahlgut.Luft-Gemisch

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strömt in dieser Klassierzone auf Spiralbahnen nach innen. Hierbei wird das Grobgut in die Mahlzone zurückgeworfen. Die maximale Umlaufgeschwin-digkeit der Prallscheiben beträgt 120 m/s. Die Feinheit des Fertiggutes kann mit Hilfe der Luftmenge geregelt werden. Es sind für geeignete Materialien sehr hohe Feinheiten erzielbar (< 10 µm). Bei den Schlagkreuzmühlen sind auf dem Rotor Schlagarme in sternförmi-ger Anordnung starr befestigt. Der Mahlraum wird von einem Rotor bzw. Sieb begrenzt. Sie eignen sich für mittelhartes bis weiches Gut. Schlagstiftmühlen (Folie 2.51.2e) besitzen einen Rotor (1), auf dem Stifte (2, 3) in konzentrischen Kreisen angeordnet sind. Die rotierenden Stiftkreise greifen in die Lücken zwischen anderen Siftkreisen ein, die am Gehäusedeckel befestigt sind. Der Abstand der Stifte ist auf dem inneren Stabkreis am größten und nimmt nach außen hin laufend ab. Das Gut gelangt zunächst auf den inneren Stiftkreis. Zentrifugalkräfte fördern es durch die Stiftkreise hindurch auf Spiralbahnen nach außen. Dabei wird es von den Stiften getroffen und zerkleinert (Folie 2.52.5). Mühlen dieser Art werden bis zu etwa 200 m/s Umfangsgeschwindigkeit des Rotors ausgebildet. Sie eignen sich für die Feinstzerkleinerung von mittelhar-tem und weichem Gut. Es gibt auch Stiftmühlen mit gegenläufig rotierenden Stiftkreisen, womit sich noch höhere Prallgeschwindigkeiten realisieren las-sen.

⇒ weitere Beispiele: Folie 2.53, Folie 2.54, Folie 2.55, Folie 2.56, Folie 2.57 und Folie 2.58

2.6.4 Hammerbrecher und Hammermühlen Diese Zerkleinerungsmaschinen besitzen im Prozessraum schnell umlaufende Rotoren, auf denen Schläger (Hämmer) gelenkig befestigt sind. Letztere wer-den durch Fliehkräfte radial ausgerichtet. Das dem Prozessraum zugeführte Gut wird hauptsächlich durch Prall und Schlag beansprucht. Im Vergleich zu Prallbrechern und -mühlen ist zu berücksichtigen, dass in-folge der Gestaltung des Prozessraumes und der Ausbildung des Schlägersys-tems freie Flugbewegungen der Partikel nur in beschränktem Umfange mög-lich sind. Das Zerkleinerungsverhältnis nc liegt vorwiegend zwischen 10 und 15. Bau-arten für härteres und gröberes Gut nennt man Hammerbrecher, leichtere Ausführungen Hammermühlen. Die größere Zahl der Bauarten verfügt über

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eine Schlägerwelle. Darüber hinaus sind auch Zweiwellenhammerbrecher entwickelt worden.

In Folie 2.59.1a ist ein Hammerbrecher mit Siebrost und Schultereinlauf dargestellt. Auf der Welle sitzt der Rotor (1), der aus mehreren auf der Welle angeordneten Scheiben besteht, an denen die Hämmer (2) aus verschleißfes-tem Stahl gelenkig befestigt sind. Die Drehrichtung des Rotors ist so vorge-sehen, dass das Gut in den Brechraum eingezogen wird. Der auswechselbare Rost (3) schließt den Brechraum nach unten ab. Da die Hämmer symmetrisch ausgebildet sind, können sie nach eingetretenem Verschleiß gewendet wer-den.

In Folie 2.59.1b ist ein reversierbarer Hammerbrecher mit Kopfeinlauf und Gegenwalzen dargestellt. Brecher dieser Art eignen sich auch für stark klebendes Gut (z. B. feuchte tonhaltige Braunkohle). Die Drehzahl der Ge-genwalzen (4) steigt in Austragsrichtung etwas an, wodurch eine Selbstreini-gung eintritt. Zusätzlich lassen sich Kratzer anbringen. Bei den Zweiwellenhammerbrechern laufen die Rotoren gewöhnlich ge-genläufig. Bei dem Prallhammerbrecher der Folie 2.59.1c dagegen rotieren sie gleich-sinnig. Diese Maschinen eignen sich für die Vorzerkleinerung von mittelhar-tem groben Gut. Die größten Hammerbrecher, die für die Vorzerkleinerung von mittelhartem Gut (z. B. in der Zementindustrie) eingesetzt werden, weisen Schlagkreis-durchmesser von mehr als 3 m auf. Die Form der Hämmer (Folie 2.60.4) hat einen wesentlichen Einfluss auf die Zerkleinerungswirkung. Nach Gl.( 2.132) und vom Standpunkt der Feinstpartikelverminderung sind Hämmer mit scharfen Schlagkanten vorzu-ziehen. Die Hammeranordnung spielt bei rostlosen Hammerbrechern für den Grob-gutdurchfall und damit die Partikelgrößenverteilung des Fertiggutes eine Rol-le. Bei Vorhandensein eines Rostes sind dessen Ausbildung und Spaltweite vor allem dafür maßgebend. Rostlose Hammerbrecher bzw. -mühlen setzt man für leicht zerkleinerbares und feuchtes Aufgabegut (z. B. Braunkohlen) oder dann ein, wenn ein höhe-rer Feinkornanfall zu vermeiden ist. Hammerbrecher und Hammermühlen haben eine verbreitete Anwendung gefunden. Mittelharte bis weiche Stoffe, die auch zäh und feucht sein können

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(z. B. Braunkohlen, Steinkohlen, Salze, Gips), werden in leichteren Bauarten zerkleinert. Die schwereren Ausführungen sind für die Zerkleinerung von Zementrohstof-fen, Kalkstein und ähnliche Materialien geeignet. Für die Zerkleinerung dünnwandiger metallischer Sekundärrohstoffe (Au-tokarosserien, eisenbehaftete Aluminiumschrotte u.a.) haben sich modifizier-te Hammerbrecher mit unten bzw. oben liegendem Rost eingeführt. In Folie 2.59.1d ist ein Hammerbrecher, häufig auch als Shredder (s.v.w. „Hammer-Reißer“) bezeichnet, für die Zerkleinerung von Stahlleichtschrott dargestellt. Der zu zerkleinernde Schrott wird über Treibrollen (5) gesteuert dem Pro-zessraum zugeführt. An der Ambosskante (6) reißen die Hämmer einzelne Schrottstücke ab (Zugbeanspruchung !!), die im Prozessraum nachzerkleinert und verdichtet werden. Der ausreichend zerkleinerte Schrott tritt aus dem oben liegenden Rost aus.

Die Umfangsgeschwindigkeiten der Hämmer liegen bei Hammerbrechern und -mühlen bevorzugt im Bereich 20 bis 60 m/s. Die Durchsätze und der Leistungsbedarf der schweren a) und leichten Ausführung b) eines Einrotorhammerbrechers sind der Folie 2.60.5 zu entnehmen.

2.6.5 Wälzmühlen

Bei den Wälzmühlen (Rollmühlen, Ringmühlen) wälzen sich Mahlkörper auf Mahlbahnen ab und zerkleinern das dort in Form dünner Schichten befindli-che Gut durch Druckbeanspruchung sowie teilweise durch Scherung bzw. Abriebwirkung. Bei höheren Umlaufgeschwindigkeiten tritt auch Schlagbeanspruchung auf. Die Mahlbahnen können - teller-, - schüssel- oder - ringförmig sowie - zylindrisch ausgebildet sein. Als Mahlkörper kommen - Walzen, - Kugeln oder - Kegelstümpfe zur Anwendung. Der erforderliche Mahldruck wird durch die - Schwerkraft, durch - Zentrifugal-, - Feder- oder hydraulische Druckkräfte hervorgebracht.

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Wichtige Bauarten sind in Folie 2.61.1 dargestellt.

Wälzmühlen werden für die Trocknmahlung (z. T. in Verbindung mit einer Mahltrocknung) eingesetzt. Die meisten Bauarten sind als Luftstrommühlen ausgebildet, d.h. das jeweils genügend aufgemahlene Gut wird über ein Windsichtsystem ausgetragen, während das Grobgut in den Mahlraum zu-rückgelangt. Auf diese Weise lassen sich relativ große Zerkleinerungsver-hältnisse erreichen. Das Prinzip der Wälzzerkleinerung hat wegen - seiner prozesstechnischen Vorteile, - günstigen Energieausnutzung, - vergleichsweise niedrigen Betriebskosten, - sowie großen Anpassungsfähigkeit ständig an Bedeutung gewonnen. Kollergänge (Folie 2.61.1a) werden für spezielle zerkleinerungstechnische Aufgaben eingesetzt, wie sie beispielsweise in der grob- und feinkeramischen sowie Gießereiindustrie vorliegen, wo Zerkleinern und Mischen feuchter Massen in einem Prozessraum angestrebt werden. Sie besitzen Mahlwalzen (gewöhnlich zwei), die auf einer ebenen Mahlschüssel abrollen, und werden entweder mit feststehender Mahlbahn und umlaufenden Walzen (Folie 2.61.1a) oder mit stillstehenden Walzenachsen und umlaufender Mahlbahn (Folie 2.61.1b) ausgebildet. In beiden Fällen können die Mahlwalzen nach oben ausweichen. Es sind weiterhin Bauarten für den diskontinuierlichen und den kontinuierlichen Betrieb zu unterscheiden. Letztere verfügen häufig über einen innerhalb oder außerhalb angeordneten Siebring, durch den Fertiggut abgezogen wird. Die Mahlwalzen führen nur in de Mitte eine rollende Bewe-gung aus. Nach den Rändern hin wird das Abrollen durch Gleiten überlagert, so dass sich der Druckbeanspruchung Scherbeanspruchungen überlagern.

Walzenschüsselmühlen (Folie 2.61.1b) haben in neuerer Zeit eine starke Weiterentwicklung erfahren. Diese erfolgte zunächst vor allem für die Mahlung von Zementrohstoffen und Steinkohle; in letzter Zeit dringen diese Zerkleinerungsmaschinen aufgrund von Fortschritten bei der Verschleißbe-herrschung aber auch in die Hartzerkleinerung (z. B. Zementklinker) ein (sie-he z. B. [375] bis [382] [287]). Zwei oder drei (bei Großmühlen auch vier) kegelstumpfförmige (Folie 2.61.1b) oder ballige (Folie 2.61.1c) Mahlwalzen werden mittels Federkraft (Folie 2.61.2) oder hydraulisch (Folie 2.62.4) auf eine rotierende, schüsselförmige Mahlbahn gedrückt. Die Walzenumfangsge-schwindigkeiten betragen bis zu etwa 5 m/s. Das zu mahlende Gut wird der Mahlbahn zentral zugeführt und unter der Wirkung von Zentrifugalkräften nach außen gefördert (Folie 2.62.3). Wichtiges Ziel der Prozessführung ist die

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Gewährleistung eines gleichmäßigen, stabilen Mahlgutbettes [381] [383] [384]. Darauf haben einerseits das Fließverhalten des Mahlgutes und anderer-seits insbesondere die Geschwindigkeit der Mahlschüssel sowie die Höhe des Staurands am Tellerumfang Einfluss. Letztere ist bei einigen Bauarten ver-stellbar. Das Fließverhalten des Mahlgutes hängt verständlicherweise mit von dessen Feuchte und Temperatur ab. Folglich lässt sich gegebenenfalls das Mahlgutbett auch durch Eindüsen von Wasser stabilisieren.

Das zu mahlende Gut wird zentral aufgegeben und unter der Wirkung der Zentrifugalkräfte nach außen gefördert, wobei es den Bereich der Mahlwal-zen passieren muss. Schließlich wird es über den Schüsselrand abgeworfen und gelangt über den die Schüssel umgebenden Düsenring in einen aufstei-genden Luftstrom, der so beschaffen ist, dass sich ein wirbelschichtartiges Gutbett bildet. Dort findet eine Vorsichtung statt. Das vom Luftstrom erfass-te Gut gelangt in einen über dem Mahlraum angeordneten Sichter. Das Sichterfeingut stellt Fertiggut dar, das Sichtergrobgut fällt in die Mahlzone zurück. Auf diese Weise lassen sich relativ große Zerkleinerungsverhältnisse erreichen (bei großen Ausführungen und mittelhartem Gut ist die Zerkleine-rung von etwa - 50 mm auf 10 % bis 30 % - 0,09 mm möglich). Diese Mühlen eignen sich gut als Mahltrockner, und zwar mit Abgasen bis etwa 8 % Feuchte, mit Zuheizung bis etwa 15 % Feuchte. Die größten Ausführungen haben Durchsätze von 400 t/h erreicht, noch grö-ßere sind geplant. Bei den Zentrifugalkraftwälzmühlen (Pendelrollenmühlen) (Folie 2.61.1c) drücken die pendelnd aufgehängten Mahlwalzen infolge der bei der Drehung des Walzensystems auftretenden Fließkräfte gegen die Mahlbahn. Bei den Kugelwälzmühlen (Folie 2.61.1d) sind die Mahlkörper Kugeln, die ähnlich einem Kugellager in einem waagerechten Mahlring angeordnet sind und durch Federdruck in den Mahlring gepresst werden.

⇒ weitere Beispiele: Folie 2.63

2.6.6 Trommelmühlen Für diese Zerkleinerungsmaschinen ist ein horizontal gelagerter, zylindrisch oder zylindrisch-konischer, rotierender Mahlraum charakteristisch. In der Trommel befindet sich das Mahlgut mit den Mahlkörpern. Bei der Drehung der Trommel wird der Inhalt umgewälzt bzw. gestürzt und dadurch das Mahlgut zerkleinert.

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Als Mahlkörper werden vornehmlich Kugeln aus Stahl oder Hartguss und Stahlstäbe verwendet. Seltener macht man von anderen Mahlkörperformen oder Werkstoffen Gebrauch. Übernehmen größere Stücke des jeweiligen Haufwerkes die Funktion der Mahlkörper, spricht man von autogener Mahlung. Unter dem Mahlkörperfüllungsgrad φMK ist das Verhältnis des Schüttgutvo-lumens der Mahlkörperfüllung VMK zum gesamten Mahlraum- bzw. Prozess-raumvolumen VMR zu verstehen:

5,0V)1(

mVV

MRMKMK,s

MK

MR

MKMK ≤

⋅ε−⋅ρ==ϕ . (2.134)

mMK Mahlkörpermasse εMK Porenvolumenanteil der Mahlkörperfüllung ρs,MK Feststoffdichte (Reindichte) der Mahlkörper Für Kugeln kann εMK ≈ 0,35...0,4 (nahe einer kubische Packung) angesetzt werden, wobei φMK maximal 0,5 erreichen kann, um noch eine Bewegung zu gewährleisten. Entsprechend stellt der Mahlgutfüllungsgrad φMG das Verhältnis von Schüttgutvolumen der Mahlgutfüllung zum Mahlraumvolumen dar:

MRMGMG,s

MG

MR

MGMG V)1(

mVV

⋅ε−⋅ρ==ϕ . (2.135)

mMG Mahlgutmasse εMG Porenvolumenanteil der Mahlgutfüllung ρs,MG Feststoffdichte (Reindichte) des Mahlgutes Demgegenüber ist unter dem effektiven (relativen) Mahlgutfüllungsgrad φMG,eff das Verhältnis von Schüttgutvolumen des Mahlgutes VMG zum Lü-ckenvolumen der Mahlkörperfüllung VMK⋅εMK zu verstehen:

MKMK

MRMKMK,s

MRMGMG,s

MG

MKMK

MG

MKMK

MGeff,MG m

V)1(V)1(

mV

Vε⋅

⋅ε−⋅ρ⋅

⋅ε−⋅ρ=

ε⋅ϕϕ

=ε⋅

1,1...6,0mm

)1(1

MK

MG

MG,s

MK,s

MKMG

MKeff,MG =⋅

ρρ⋅

ε⋅ε−ε−

=ϕ (2.136)

Der wirksame Mahlgutfüllungsgrad einer Suspension (Index Tr wie Trübe) bei der Nassmahlung vermindert sich entsprechend des Wasservolumenan-teils (1-φs):

eff,MGsTr,MG ϕ⋅ϕ=ϕ (2.137)

Der Bewegungsablauf der Mahlkörper ist für die Mahlwirkung bestim-mend. Er wird von - der Drehzahl und

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- dem Durchmesser der Trommel, - der Ausbildung der Mühlenauskleidung sowie - den Reibungsverhältnissen zwischen Mühlenauskleidung und Mahlkörper-füllung einerseits und innerhalb der Mahlkörperfüllung andererseits beein-flusst.

Eine qualitative Vorstellung vermitteln die Folie 2.64 und Folie 2.65.1. Bei kontinuierlich betriebenen Mühlen beträgt die Mahlkörperfüllung maximal 45 %. Zwischen den Mahlkörpern befindet sich das Mahlgut, das trocken oder in Form einer Mahltrübe vorliegt. Der Feuchtebereich zwischen etwa 2 und 20 Masse-% ist wegen des ungünstigen Fließverhaltens infolge kapillarer Haftmechanismen zu vermeiden.

Trommelmühlen werden mit solchen Drehzahlen betrieben, dass sich die Mahlkörper im Laufe des Aufwärtsganges von der Trommelwand lösen. In der Zone (1-1) bis (2-2) in Folie 2.65.1a ist die auf die Mahlkörperfüllung wirkende Resultierende aus Zentrifugalkraft und radialer Schwerkraftkompo-nente nach außen gerichtet. In diesem Bereich wird deshalb die Füllung ge-gen die Trommelwand gedrückt. Bei glatter Mühlenauskleidung kann ein Schlupf zwischen der Winkelgeschwindigkeit der Trommel und der Mahl-körperfüllung vorhanden sein, der eine Folge des Abgleitens der Mühlenfül-lung auf der Mühlenwand ist. Zwischen (1-1) und (2-2) wird das Mahlgut durch Druck und Scherung bzw. Abriebwirkung beansprucht. Der Bewe-gungsablauf in der Zone (2-2) bis (3-3) hängt für eine gegebene Mahlkörper-füllung davon ab, wie hoch die Mahlkörper gehoben worden sind, bevor sie sich von der Mühlenwand lösen. Es kann, wie in Folie 2.65.1a dargestellt, zum Mahlkörperfall (Katarakt-wirkung) kommen, oder die gehobenen Mahlkörper rollen und gleiten nur auf der jeweiligen Unterlage (Kaskadenwirkung) ab (Folie 2.65.1b). In ei-nem Zwischenbereich trifft man beide Vorgänge kombiniert an. Der Mahlkörperfall ruft Schlagbeanspruchungen hervor. Beim Abrollen und Abgleiten treten insbesondere Scherbeanspruchungen bzw. Abriebwir-kungen auf. Das Zentrifugieren der Mahlkörper beginnt bei der kritischen Drehzahl nkrit, die sich ergibt , wenn man die auf die Mahlkörper wirkende Zentrifugal-beschleunigung rω2 gleich der Schwerebeschleunigung g setzt

g

2rgaFrz ω=== . ( 2.138)

Es ist üblich, die so genannte theoretische kritische Drehzahl nkrit für die äußere Mahlkörperlage unter der Voraussetzung anzugeben, dass die Winkel-geschwindigkeit der Mahlkörper bei der Trommeldrehung die gleiche wie die

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der Trommel ist, also kein Schlupf vorliegt. Unter Voraussetzung von r ≈ D/2 und ω = 2 π n erhält man:

1krit minin

D3,42

Dg2

21n −≈π

= . ( 2.139)

Ist ein Schlupf vorhanden, dann ist die praktische kritische Drehzahl größer als die theoretische. Für den Vergleich des Mahlregimes verschiedener Mühlen hat die relative Drehzahl ψ Bedeutung:

8,0...6,0n2g2

Dnnkrit

=⋅π⋅⋅==ψ . ( 2.140)

Die Mehrzahl der Mühlen arbeitet im Bereich von (0,6 bis 0,8).nkrit. Unter Berücksichtigung der Bedeutung und der Belange des Einsatzes wird - abgesehen von Sonderbauformen - vor allem eingeteilt in:

a) Kugelmühlen (Folie 2.66):

Das Verhältnis der Länge L zum Durchmesser D (Schlankheitsgrad) der überwiegend zylindrischen, manchmal auch zylindrisch-konischen Mahlräume überschreitet nicht L/D < 2,5. Mühlen für die kontinuierli-che Mahlung arbeiten gewöhnlich mit Klassierern im Kreislauf (mecha-nische Klassierer oder Hydrozyklone bei Nassmahlung; Windsichter bei Trockenmahlung).

b) Stabmühlen: Als Mahlkörper werden Stahlstäbe verwendet, die nahezu so lang wie die zylindrischen Mahlräume sind. Sie werden bevorzugt zur Herstel-lung gröberer Mahlprodukte (do = 0,5 bis 1,5 mm) eingesetzt und nass oder trocken - gewöhnlich nicht mit Klassierern im Kreislauf - betrie-ben.

c) Mühlen für die autogene Mahlung: Die so genannten Pebble-Mühlen entsprechen hinsichtlich der Ab-messungsverhältnisse den Kugelmühlen. Sie werden vorwiegend für die Fein- bis Feinstmahlung eingesetzt, wobei eine zwischen den Brechstu-fen ausgesiebte und dosiert zugesetzte gröbere Partikelklasse die Funk-tion der Mahlkörper übernimmt. Davon sind spezielle Mühlenkonstruk-tionen für die Autogenmahlung zu unterscheiden, die sich im Allge-meinen durch große Mühlendurchmesser auszeichnen. Ihnen wird grobstückiges Gut aufgegeben, das sie mit hohem Zerkleinerungsver-hältnis auf Mahlfeinheit zerkleinern.

d) Rohrmühlen: Als Mahlkörper werden Kugeln und nur selten andere Formen ver-wendet. Die zylindrische Mahltrommel ist relativ lang (L/D von 2 bis

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8). Rohrmühlen mit L/D ≥ 4 werden vor allem in der Zementindustrie für die Durchlaufmahlung eingesetzt.

Die Mahltrommeln kontinuierlich arbeitender Mühlen besitzen gewöhnlich Öffnungen im Zentrum der Stirnwände, durch die das Aufgabegut zugeführt bzw. das gemahlene Produkt ausgetragen wird. Bei einigen Bauarten sind auch andere Austragarten üblich. In Folie 2.67.3 sind die wesentlichen Aus-tragarten dargestellt. Bei den Überlaufmühlen (Folie 2.67.3a) fließt das Mahlgut bei Nassmahlung als Suspension über. Der Austraghohlzapfen weist einen etwas größeren Innendurchmesser als der Aufgabezapfen auf, so dass sich ein ge-ringes Gefälle für den Gutfluss ergibt. Dieses Austragsprinzip ist für Nassku-gel- und Nassstabmühlen eingeführt. Die in Folie 2.67.4 dargestellte Ausbil-dungsform ist aber auch bei der Luftstrommahlung in Kugelmühlen üblich. Austragkammermühlen (Folie 2.68.5) besitzen am Austragende eine Kam-mer, die durch eine für das Mahlgut durchlässige Rostwand vom Mahlraum abgetrennt ist. Diese Austragkammer ist durch radial oder spiralartig ausge-bildete Hebeleisten gegliedert, so dass das in die Kammer ausgeflossene Gut bei der Trommeldrehung dem Austragshohlzapfen aufließen kann. Infolge-dessen ist ein größeres Gefälle für den Gutfluss im Mahlraum gegeben, das bei den verschiedenen Bauarten durch Öffnen bzw. Schließen von Rostöff-nungen einstellbar ist. Dieses Austragprinzip ist sowohl für Trocken- als auch für Nassmahlung bei Kugel-, Stab- und Rohrmühlen eingeführt. Bei den Trommelmühlen mit peripherem Austrag (Folie 2.67.3c) gelangt das zerkleinerte Gut durch Öffnungen in der Mühlenpanzerung auf Siebmän-tel, die am Umfang der Mahltrommel angeordnet sind. Nur das Gut, das fei-ner als die Maschenweite des Siebmantel ist, kann endgültig die Mühle ver-lassen. Von diesem Austragprinzip wird bei den so genannten Siebkugelmüh-len in geringerem Umfange für kleinere bis mittelgroße Mühlen bei Trocken- und Nassmahlung Gebrauch gemacht. In der Absicht, die Stabmühlen auch der Trockenmahlung zugänglich zu ma-chen, werden diese mit peripherem Endaustrag (Folie 2.67.3d) oder periphe-rem Mittenaustrag ausgebildet. Die inneren Wandungen des Mahlraumes sind hohen Beanspruchungen un-terworfen und sind deshalb mit verschleißfestem Material ausgekleidet (Müh-lenpanzerung). Die Ausbildungsform der Mantelpanzerung (glatt, gewellt, gerippt Folie 2.68.6) beeinflusst die Reibungsverhältnisse der Mahlkörperfül-

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lung auf der Mühlenwand, damit deren Bewegungsablauf und somit auch die Mahlwirkung. Die größten im Einsatz befindlichen Kugelmühlen weisen Durchmesser von etwa 6500 mm bei Antriebsleistungen bis zu etwa 8000 kW auf. Für Stab-mühlen betragen die entsprechenden Angaben 4500 mm Durchmesser und 2500 kW Antriebsleistung. Soll in Nasskugelmühlen relativ grobes Gut (dA,o > 10 mm) gemahlen und ein höherer Feinstpartikelanteil vermieden werden, so sollte eine Austragkam-mermühle mit L/D von etwa 0,7 bis 1 gewählt und diese unter Kataraktbedin-gungen betrieben werden. Beim üblichen Kreislaufbetrieb mit einem Klassierer werden sich dann relativ hohe umlaufende Lasten ergeben. Bei feinerem Aufgabegut (dA,o < 10 mm) und angestrebter größerer Feinheit des Fertiggutes ist eine Überlaufmühle mit einem L/D-Verhältnis zwischen 1 und 2 vorzuziehen. Stabmühlen werden mit L/D-Verhältnissen zwischen 1,3 bis 3 hergestellt, um zu verhindern, dass sich die Stäbe aufrichten können. In einer Stabfüllung konzentriert sich die Mahlwirkung immer nur auf die jeweils gröbsten Parti-kel, so dass die Mahlprodukte auch ohne Kreislaufklassierung relativ enge Partikelgrößenverteilungen aufweisen. Die Mahlkörpergröße ist sowohl hinsichtlich der Mahlkörperenergie (ab-hängig von Mahlkörpergröße, -dichte, Trommeldurchmesser, Trommeldreh-zahl u.a.) als auch der Einzugsverhältnisse des Gutes zwischen die Mahl-körper auf die Guteigenschaften, d.h. insbesondere dessen Partikelgrößen-verteilung und Partikelfestigkeit, sowie auf die angestrebte Mahlfeinheit ab-zustimmen. Für jede Partikelgrößenklasse existiert unter sonst gegebenen Bedingungen eine Mahlkörpergröße, mit der die größte Zerkleinerungsge-schwindigkeit erreicht wird. Unter Beachtung anderer Einflussgrößen sollte der Mahlkörperdurchmesser etwa das 5- bis 15fache der oberen Aufgabepar-tikelgröße betragen. Die speziell für die autogene Trocken- und Nassmahlung konstruierten Mühlen weisen große Durchmesser auf (Folie 2.70.9). Das L/D-Verhältnis von Nassautogenmühlen liegt im Bereich von 0,33 bis 2, das von Trocken-mühlen (Aerofallmühlen Folie 2.69.8) beträgt 0,3 bei den kleineren und 0,23 bei den größeren Mühlen. Die größten Ausführungen für die Nassmahlung haben Durchmesser von 11 m bei 9000 kW Antriebsleistung und die für Trockenmahlung 10 m und 5000 kW erreicht. In diesen Mühlen wird vorge-brochenes oder auch nicht vorgebrochenes Gut auf obere Partikelgrößen von 1 bis 0,1 mm gemahlen.

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Rohrmühlen mit L/D-Verhältnis zwischen 2 und 8 finden vor allem in der Zementindustrie Anwendung. Die Bauarten mit großen L/D-Verhältnissen sind gewöhnlich als Mehrkammermühlen mit abgestuften Mahlkörperabmes-sungen für den Durchlaufbetrieb ausgebildet. Es ist aber auch in der Zement-industrie ein gewisser Trend zu Mühlen zu beobachten, die mit Klassierern im Kreislauf arbeiten und ein entsprechend kleineres L/D-Verhältnis aufwei-sen. In Folie 2.70.10 sind verschiedene Mahlsysteme für Zementklinker dar-gestellt. Die Antriebsleistungen der größten Rohrmühlen haben inzwischen 7000 kW erreicht. Wegen der vielen Einflussgrößen existieren praktisch keine Methoden zur Durchsatzbestimmung von Trommelmühlen, die eine Auslegung mit be-friedigender Genauigkeit ohne experimentelle Untersuchungen bzw. ohne Vergleich mit unter ähnlichen Bedingungen praktisch betriebenen Mühlen zulassen (siehe z. B. /6.2.//6.15//6.16//6.38//6.39/). Als Einflussgrößen, die den Durchsatz bestimmen, sind zu nennen: a) vom Aufgabegut bzw. Fertiggut abhängige Einflussgrößen: - Mahlbarkeit, - Partikelgrößenzusammensetzung des Aufgabegutes und des Fertiggutes, b) vom gewählten Mühlentyp abhängige Einflussgrößen: - Typ und Abmessungen der Mühlen, - Art der Mühlenauskleidung, c) regelbare bzw. einstellbare Einflussgrößen: - Mahlkörperfüllungsgrad ϕMK, - Mahlkörpergrößen, - relative Mühlendrehzahl ψ, - Mahltrübedichte bzw. Feuchte des Mahlgutes, - Mahlgutfüllungsgrad ϕMG, - Trübespiegelniveau, - Trennwirkung des Kreislaufklassierers und umlaufende Last. Es ist sowohl theoretisch begründbar (siehe z.B. /6.2//6.15//6.16//6.38//6.39/ als auch empirisch bestätigt, dass die Leistungsaufnahme P einer Trom-melmühle nicht dem Mühlenvolumen 4/LDV 2π= proportional ist, sondern

dass sich der Durchmesser in stärkerem Maße als ∼ D² auswirkt. Für einen gegebenen Mühlentyp und vergleichbare Arbeitsbedingungen (d. h. Form und Größe der Mahlkörper, ϕKF = const., ϕGF = const., ψ = const. usw.) gilt /6.39/:

22 nMMK,s2

n2MK,s2 DVkDLkP ⋅⋅ρ⋅=⋅⋅ρ⋅= + ( 2.141)

Für den Mühlendurchsatz m gilt entsprechend: 11 n

MMK,s1n2

MK,s1 DVkDLkm ⋅⋅ρ⋅=⋅⋅ρ⋅= + mit ( 2.142)

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k1, k2 Konstanten, abhängig vom betrachteten Mühlentyp und für vergleichbare Prozessbedingungen

n1 ≈ 0,5 und n2 = 0,3 bis 0,5.

Aus Gl.( 2.142) folgt: 1n

MD

Vm

( 2.143)

Folglich ergibt sich für die massebezogene Zerkleinerungsarbeit Wm:

21 nnm D1

mPW −∝=

. ( 2.144)

Setzt man n1 - n2 = 0, so ist Wm unabhängig vom Mühlendurchmesser; für n1 - n2 > 0 nimmt Wm mit steigendem D ab. Überschläglich lässt sich die Leistungsaufnahme einer Trommelmühle mit Stahlmahlkörpern wie folgt berechnen /6.21/, D und L in m:

5,2T DLkkk44,8P ⋅⋅⋅⋅⋅= ψϕ in kW. ( 2.145)

kT ist ein vom Mühlentyp abhängiger Faktor: kT = 1,0 Nassüberlaufkugelmühle, kT = 1,13 Nassaustragskammermühle, kT = 1,25 Trockenaustragskammermühle kϕ vom Mahlkörperfüllungsgrad ϕMK abhängiger Faktor s. Folie 2.71.11 kψ von der relativen Drehzahl ψ abhängiger Faktor 2.6.7 Planetenmühlen

⇒ Planetenkugelmühle25 siehe Folie 2.72

2.6.8 Schwingmühlen Schwingmühlen bestehen aus zylindrischen oder trogähnlich, elastisch aufge-hängten Mahlgefäßen (1), die mittels eines Wuchtmassensystems (2) zu Kreisschwingungen bzw. Ellipsenschwingungen in einer senkrechten Ebene angeregt werden (Folie 2.73.1). Die Beschleunigung r.ω2 (r Amplitude, ω Winkelgeschwindigkeit) beträgt vorwiegend das 3- bis 10-fache der Schwerebeschleunigung. Im Mahl-behälter befinden sich Mahlkörper (Kugeln oder Stäbe). Sie werden durch die Schwingungen des Gefäßes zu Wurfbewegungen veranlasst. Während der Wurfbewegung sind die Mahlkörper aufgelockert. Die Zerkleinerungswir-kung wird vor allem durch Schlagbeanspruchung zwischen den Mahlkör-

Dr.- Ing.habil. J. Tomas 1992

25 Schubert, H., Handbuch der Mechanischen Verfahrenstechnik, S. 329 ff, Wiley-VCH

Weinheim 2003.

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pern sowie zwischen Mahlkörpern und Gehäusewand am Ende der Wurfbe-wegung hervorgebracht. Die Umlaufbewegung der gesamten Mahlkörperfüllung entgegen der Dreh-richtung des Antriebs und die Drehbewegungen der Mahlkörper um ihre ei-gene Achse sind dagegen von geringerem Einfluss auf die Mahlwirkung. Schwingmühlen für die satzweise Mahlung werden mit Mahlrauminhalten zwischen etwa 1 und 250 l gebaut. Der auf Blattfedern gelagerte Mahltrog wird vom elastisch gekoppelten An-trieb durch verstellbare Wuchtmassen zu Kreisschwingungen mit Frequenzen zwischen etwa 1000 und 1500 min-1 bei Amplituden von wenigen Millime-tern erregt. Als Mahlkörper gelangen meist Porzellan- oder Stahlkugeln von etwa 10 mm Durchmesser zur Verwendung. Dann sollte das Aufgabegut etwa < 0,5 mm sein. Es kann trocken oder nass vorliegen und in Abhängigkeit von seinen stofflichen Eigenschaften und der Mahldauer auf < 10 µm zerkleinert werden. Der Mahlkörperfüllungsgrad sollte etwa 80 % betragen. Solche Mühlen wer-den z. B. für die Mahlung von Farben, Lacken , Glasuren, Metallpulvern und keramischen Massen eingesetzt (Folie 2.73.2). Für die kontinuierliche Schwingmahlung haben sich vor allem die Rohr-schwingmühlen (Folie 2.73.3) eingeführt, die zwei, drei oder vier über- und nebeneinander horizontale Stahlrohre als Mahlräume besitzen. Diese führen wiederum Kreis- bzw. Ellipsenschwingungen in einer Vertikalebene aus. In Abhängigkeit von den anzustrebenden Mahlwirkungen sind die Mahlrohre parallel oder hintereinander geschaltet. Der Ein- und Austritt des Mahlgutes erfolgt durch Stabroste oder Lochbleche an den Rohrenden. Mühlen dieser Art werden mit Rohrlängen bis zu etwa 4,5 m und 700 mm Durchmesser gebaut. Die Schwingungszahlen der Rohre betragen 1000 bis 3000 min-1 und die Durchmesser der Bewegungsbahnen 3 bis 12 mm. Vom Gesichtspunkt der Mahlwirkung sind bei nicht zu grobem Mahlgut die höheren Drehzahlen bei entsprechend kleineren Amplituden vorzuziehen, weil dadurch bei konstanter Beschleunigung die Stoßzahl zwischen den Mahlkörpern je Zeiteinheit erhöht wird. Die Mahlkörperdurchmesser sollten mindestens 8 bis 12 mm betragen. Sie können 60 mm erreichen. Die Mahlkörperfüllungsgrade liegen zwischen 60 und 80 %. Kontinuierlich arbeitende Schwingmühlen werden für die Fein- und Feinstmahlung eingesetzt (keramische Stoffe, Spezialzemente, Schleif-mittel u.a.). Die Durchsätze liegen etwa zwischen 1 und 40 t/h.

⇒ weitere Beispiele: Folie 2.74, Folie 2.75

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2.6.9 Strahlmühlen Strahlmühlen bestehen aus einem Mahlraum, in den expandierende Gase mit hoher Geschwindigkeit eintreten Folie 2.76.1. Das Mahlgut wird vorwiegend durch einen Injektor in den Mahlraum einge-tragen. Da beim Austritt der Gase aus den Düsen intensive Turbulenz ent-steht, so sind die dort befindlichen Partikeln vielfältigen Stoßvorgängen un-terworfen. In Abhängigkeit von der Prallenergie und der Stoßpartnerschaft kommt es dabei zum Zertrümmern bis zum Abreiben. Als Mahlmedien wer-den Druckluft oder - insbesondere für größere Einheiten - überhitzter Dampf verwendet. Die obere Partikelgröße des Aufgabegutes sollte < 0,1 bis 1 mm sein. Die erreichbare Feinheit des Fertiggutes liegt unter 10 µm. Verbreitet ist die Spiralstrahlmühle (Micronizer). Sie besteht aus einem flachzylindrischen Mahlraum, in den das Trägergas aus mehreren am Umfang angeordneten Düsen eintritt (Folie 2.76.1). Die Düsen lassen sich im Winkel-bereich von 30 bis 70 ° gegenüber der Tangente einstellen, wodurch eine Spi-ralströmung erzwungen und der Wandverschleiß vermindert werden. Der Trägergasdruck beträgt 0,5 bis 1,5 MPa, weshalb das expandierende Gas Überschallgeschwindigkeiten erreichen kann. Da die Umlaufströmung mit wachsender Mahlgutbeladung sMG mm = stark abgebremst wird, sollte die Gutbeladung 3,0m/m gssg <=µ den Betrag 0,3 nicht überschreiten.

Bei der in .1 dargestellten Bauart erfolgt die Abtrennung des Fertigproduktes erst in einem nachgeschalteten Zyklon. Bei anderen Bauarten ist der Zyklon unmittelbar zentrisch um die Austragöffnung des Mahlraumes an der Boden-seite angeordnet, so dass die Umlaufströmung des Mahlraumes weiter für die Trennung im Zyklon ausgenutzt wird. Spiralstrahlmühlen werden mit Mahl-raumdurchmessern bis zu etwa 1000 mm gebaut, wobei sich Durchsätze bis zu mehreren t/h erzielen lassen. Größere Verbreitung hat auch die Umlaufstrahlmühle (Jet-O-Mizer) erlangt (Folie 2.76.2). Die Trägergasstrahlen, die in der unteren Umlenkzone unter einem Druck bis zu 2,5 MPa in den Mahlraum eintreten, erzwingen hier und im Steigrohr eine hochturbulente Strömung, in der das durch den Aufgabein-jektor zugeführte Gut zerkleinert wird. Nach schroffer Umlenkung wird das Feingut mit der Trägerluft über eine Sichtzone ausgetragen. Bei den Fließbettgegenstrahlmühlen (Folie 2.76.3) werden zwei oder vier mit Gut beladene Injektorstrahlen gegeneinander gerichtet. Mühlen dieser Art werden vor allem für harte, stark schleißende Materialien eingesetzt.

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Die Anwendung der Strahlmühlen insbesondere für die Feinstmahlung mit-telharter Stoffe hat ständig zugenommen. Nachteilig ist der hohe spezifische Energieverbrauch. Vorteilhaft kann gegebenenfalls die durch Expansion des Trägergases verursachte Temperaturverminderung der Mahlatmosphäre sein. 2.6.10 Scheibenmühlen Bei diesen Mühlen, die eine große Variationsbreite besitzen, erfolgt die Zer-kleinerung im Spalt zwischen zwei scheibenartig ausgebildeten Arbeitsflä-chen, von denen die eine gewöhnlich feststeht, die andere rotiert. Hinsichtlich ihrer Ausbildung sind diese Mühlen vor allem variationsfähig in Bezug auf die geometrische Ausbildung der Scheiben (Form und Größe des Mahlrau-mes, Profil der Scheibenoberflächen) sowie der Umfangsgeschwindigkeit. Bei geringeren Geschwindigkeiten dominieren Druck- und Scherbean-spruchung, bei höheren Schlag- und Scherbeanspruchung. Im weiteren Sinne rechnen hierzu auch die Mahlgänge, die zu den ältesten Zerkleinerungsmaschinen überhaupt zählen. Sie bestehen aus zwei überei-nander liegenden zylindrischen Mühlsteinen aus Hartgestein, von denen der obere oder untere rotiert. In die Stirnflächen sind Rillen von einigen Millime-tern Tiefe (sog. Hauschläge) eingeschlagen. Früher waren Mahlgänge in der Getreide- und Ölmüllerei weit verbreitet, wo sie durch Walzenstühle ver-drängt worden sind. Heute haben sie noch eine gewisse Bedeutung für solche Zerkleinerungsaufgaben wie Feinzerfasern von Holz, Kork und ähnlichen weichen Stoffen. Scheibenmühlen im eigentlichen Sinne ähneln hinsichtlich ihrer Arbeitsweise den Mahlgängen, wobei die Scheiben horizontal oder auch vertikal ange-ordnet sein können. Die Scheiben bestehen aus Hartstahl und besitzen profi-lierte Oberflächen. Um die Profilierung an die Guteigenschaften anpassen zu können, sind die Scheiben bei einigen Bauarten austauschbar. Weiterhin las-sen sich gewöhnlich die Scheibenabstände einstellen. Mühlen dieser Art lau-fen mit wesentlich höheren Drehzahlen als Mahlgänge. Sie dienen vor allem zum Zerfasern von Holz-, Papier-, Leder-, Gummi- und Kunststoffabfällen. Auch die sog. Kolloidmühlen, die für die Nassmahlung auf wenige µm Parti-kelgröße eingesetzt werden, sind vielfach Scheibenmühlen mit sehr engem, verstellbarem Spalt. 2.6.11 Rührwerksmühlen

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Diese Mühlen bestehen aus einem vertikalen zylindrischen Mahlraum (4) mit Kühlmantel (7), in dem eine fliegend gelagerte Rührwerkwelle rotiert und dadurch die Mahlkörperfüllung durch bewegt (Folie 2.77.1). Bei den schnell laufenden Rührwerksmühlen (Umfangsgeschwindigkeit 8 bis 12 m/s) sind die Rührelemente scheibenartig ausgebildet (Folie 2.77.1). Die Mahlkörperfüllung beträgt etwa 80 %. Das Mahlgut wird in Form einer Sus-pension unter in den Mahlraum eingedrückt und fließt oben über, wobei die Mahlkörper durch das zylindrische Sieb (5) zurückgehalten werden. Mahl-körperdurchmesser und -dichte sind der jeweiligen Mahlaufgabe auszupassen /6.21//6.22/. Da diese Mühlen vorwiegend für die Mahlung von etwa 100 µm auf 1 µm eingesetzt werden, kommen vor allem Kugeln zwischen etwa 1 und 0,5 mm aus Glas, Keramik, Stahl sowie auch Quarzerde in Betracht. Was die Mahlwirkung anbelangt, so werden noch unterschiedliche Auffas-sungen vortreten. Einerseits wird sie hauptsächlich auf Schlagbeanspruchung zwischen aufeinander treffen den Mahlkörpern /6.22/, andererseits auf Scher-beanspruchungen in Schichtenströmungen der Mahlkörper zurückgeführt /6.22/. Schnell laufende Rührwerksmühlen werden z. B. für die Feinstmahlung von Pigmenten, Dispersionsfarbstoffen, Pflanzenschutzmitteln und Pharmazeuti-ka eingesetzt. Die Ausbildung langsam laufender Rührwerksmühlen (Umfangsgeschwin-digkeit etwa 0,3 bis 1,5 m/s) ähnelt den schnell laufenden weitgehend. Die Rührelemente bestehen hier aus radialen Rührarmen an der Welle. Als Mahl-körper werden ebenfalls Kugeln benutzt, die aber im allgemeinen Durchmes-ser von etwa 3 bis 6 mm haben. Die Anwendungsgebiete ähneln denen der schnell laufenden. Mit Stahlkugeln haben sie auch verbreitet Einsatz für die Mahlung von Ferriten gefunden.

⇒ weitere Beispiele, Ringspaltmühlen: Folie 2.78, Folie 2.79, Folie 2.80 und Folie 2.81

2.6.12 Scheren und Schneidmühlen Scheren und Schneidmühlen zerkleinern durch Scherung mittels scharf ge-schliffener Messer. Wichtige Anwendungsgebiete für die schneidende Bean-spruchung sind die Zerkleinerung von Stahlschrott, Kabelschrott und Kunst-stoffen. In der Aufbereitung mineralischer Rohstoffe werden vor allem Tone durch schneidende Beanspruchung zerkleinert (Tonraspler, Tonhobel).

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Die Zerkleinerung von Stahlschrott geschieht vornehmlich durch Guillotinescheren, deren Aufbau Folie 2.77.1 zeigt. Im Scherenständer (1) befinden sich der Messerschlitten (2) und der Niederhalter (3). Den unteren Teil des Ständers bildet der Messertisch (4), der den Untermesserhalter auf-nimmt. Die Scherenmesser (9) und (10) sind am Messerschlitten (2) bzw. am Untermesserhalter befestigt. Der Arbeitszyklus einer Guillotineschere ist wie folgt: Nach Beladen des Zuführbettes (5) mit Schrott drückt der Schieber (6) diesen unter den Niederhalter (3). Der Niederhalter presst den Schrott für den ersten Schnitt zusammen. Nachfolgend wird der gepresste Schrottstrang weiter vor-geschoben und geschnitten. Während eines Schnitts presst der Niederhalter gleichzeitig den Schrott für den nachfolgenden. Für sehr sperrige Schrotte werden diese Scheren zusätzlich mit einer Vorverdichtungseinrichtung ausge-rüstet. Die Schneidmühlen für Kunststoffe und ähnliche Materialien lassen sich in Strangschneider und Haufwerkschneider gliedern /6.23/. Beim Strangschneider (Folie 2.77.2) wird der Materialstrang (4) mittels Transportwalzen (5) der Schnittstelle zugeführt, wo er zwischen einem fest-stehenden Ständermesser (3) und der Messerwalze (1) geschnitten wird. In Folie 2.77.3 ist ein Haufwerkschneider schematisch wiedergegeben. Er eignet sich zum Zerkleinern von Kunststoffen, aber auch von Kabelschrott. Das Gut wird zwischen dem Rotormesser (2) und dem Ständermesser (3) zerkleinert (Rotorumfangsgeschwindigkeit zwischen 10 und 15 m/s). Das genügend zerkleinerte Gut verlässt durch das Sieb (7) den Prozessraum. 2.6.13 Sonstige Maschinen zur mechanischen Zerkleinerung In den bisher besprochenen Zerkleinerungsmaschinen werden die zur Zer-kleinerung erforderlichen Energiebeträge an mindestens einer Festkörperflä-che auf die zu zerkleinernden Partikel übertragen. Neben diesen Beanspru-chungsarten ist die Energieeinleitung durch das umgebende Medium für die Zerkleinerungstechnik gegenwärtig nahezu bedeutungslos. Die Zerkleinerung von Agglomeraten geringerer Festigkeit durch Scherkräfte in Turbulenzfeldern oder Scherströmungen besitzt eine gewisse technische Bedeutung /6.24/. Vor mehr als 10 Jahren sind umfangreiche Untersuchungen durchgeführt worden, um den elektrohydraulischen Effekt der Zerkleinerungstechnik zu erschließen /6.25/. Dabei wird das zu zerkleinernde Gut von der Schallwel-lenfront einer elektrischen Entladung unter Wasser beansprucht. Die bei die-sem Prozess erforderliche spezifische Zerkleinerungsarbeit liegt aber über der

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in herkömmlichen Zerkleinerungsmaschinen. Obwohl Weiterentwicklungen denkbar sind, so ist jedoch nicht zu erwarten, dass die elektrohydraulische Zerkleinerung wesentliche Bedeutung erlangen wird. In neuerer Zeit ist der SNYDER-Prozess Gegenstand intensiver Untersu-chungen /6.26/. Hierbei befindet sich das zu zerkleinernde Gut in einer Druckkammer, aus der sich ein auf 0,6 bis 5 MPa komprimiertes Gas (Luft, Dampf) plötzlich entspannen kann, wobei das Gut durch ein Rohr in eine Austragskammer transportiert wird. Das Fluid erreicht bei der Entspannung Schall- bis Überschallgeschwindigkeit. Die Zerkleinerungswirkung wird vor allem den bei der Entspannung auftretenden Stoßwellenfronten und den Partikelstößen (Prall) zugeschrieben. Letztere werden noch dadurch be-günstigt, dass man bei den üblichen Zwillings- bzw. Vierlingsanordnungen die aus jeweils zwei Kammern expandierenden Medien aufeinander treffen lässt.

2.7 Thermische Zerkleinerung Bei der thermischen Zerkleinerung können die für die Brucheinleitung erfor-derlichen und unter Wärmeeinwirkung entstehenden Spannungen durch meh-rere Effekte bedingt sein, und zwar auf Grund unterschiedlicher Wärmedeh-nung in den Partikeln bei Vorhandensein eines genügend hohen Temperatur-gradienten, durch verschiedene Wärmeausdehnungskoeffizienten der das Par-tikel aufbauenden Phasen oder durch die bei Phasenübergängen eines Mine-rals auftretenden Volumenänderungen. Weiterhin können sie durch Aus-scheiden von Kristallwasser, Erwärmen von Einschlüssen (flüssig oder gas-förmig) und chemische Reaktionen verursacht sein /6.25/. Sehr wirksam für die Spannungserzeugung ist z. B. der bei 573°C im Quarz auftretende Pha-senwechsel (α-Quarz in β-Quarz). Die Wärmewirkungen entstehen bei der direkten Wärmezu- oder -abfuhr, durch eine energiereiche Strahlung, einen elektrischen Strom oder elektro-magnetische Felder /6.25/. So ist manchmal die thermische Zerkleinerung durch schnelles Erhitzen, das zum Dekrepitieren führen kann (z. B. für Baryt und Fluorit), oder durch Erhitzen mit anschließendem Abschrecken in Wasser möglich. Der energetische Wirkungsgrad dieser Prozesse ist allerdings ge-ring. Die Erzeugung von Wärmespannungen mit Hilfe einer energiereichen Strah-lung (z. B. Laser) kann vielleicht für die Gewinnung, Ver- und Bearbeitung in der Werksteinindustrie Bedeutung erlangen, wohl aber kaum für die Zerklei-nerungstechnik.

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Die Methoden der elektrothermischen Zerkleinerung waren insbesondere im Zusammenhang mit der Zerkleinerung großer Stücke in Tagebauen Gegen-stand intensiver Untersuchungen /6.25/. Die Erzeugung von Wärmspannungen kann zunächst durch elektrische Strö-me geschehen, und zwar vor allem mit Hilfe des so genannten Wärmedurch-schlages, der bei Körpern mit geringer, aber mit der Temperatur ansteigender elektrischer Leitfähigkeit eintreten kann (Niederfrequenz- oder Hochfreuenz-Kontaktmethode). Weitere Möglichkeiten zur Erzeugung von Wärmespannungen bestehen in elektromagnetischen Wechselfeldern (Hochfrequenz-Kondensator-Methode, Mikrowellenmethode, Hochfrequenz-Induktions-Methode) /6.25/.

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2.8 Versprühen Wird hier nicht behandelt, siehe dazu das Handbuch der Mechanischen Ver-fahrenstechnik26.

2.9 Schwerpunkte und Kompetenzen Anhand dieser Schwerpunkte können Sie Ihr Wissen und Ihre verfahrens-technischen Kompetenzen überprüfen:

• Physikalische Grundlagen und Mikroprozesse: Prozessziele der Zerkleinerung, Festkörperbindungen, Beanspru-chungsarten, Rissausbreitung, Bruchvorgänge und Mikroprozesse,

• Prozessbewertung: Prozessbewertung des Zerkleinerungserfolges, Mengenbilanzierung und Zerkleinerungskinetik;

• Prozessauslegung: Aufbau, Wirkprinzipien, Prozessauslegung, Maschinenparameter und Einsatzgebiete ausgewählter Brecher und Mühlen (Kegel-, Walzen-, Prall- und Hammerbrecher, Prall-, Hammer-, Trommel-, Schwing- und Rührwerksmühlen);

Dr.- Ing.habil. J. Tomas 1992

26 Schubert, H., Handbuch der Mechanischen Verfahrenstechnik, S. 383 ff, Wiley-VCH

Weinheim 2003.