Mediawatch

1
Massenmedien kommen in einer Demokratie nicht nur eine Informati- ons-, sondern auch eine wesentliche Kontroll- und Kritikfunktion zu. Öko- nomisch betrachtet sind die meisten dieser Medien als Unternehmen, die auf Märkten agieren, (mit gewissen Ausnahmen wie öffentlich-rechtlicher Rundfunk) auch gewinnorientiert. Von den Medien wird auch immer wieder als vierter Gewalt im Staat gesprochen. Medien kontrollieren – doch wer kon- trolliert die Medien? Die Medien haben eine Antwort darauf: Selbstkontrolle – Pressekodizes oder Presseräte etwa. Die BürgerInnen haben ihre eigene Antwort: Medien- kontrolle durch Social Media – Media- watchblogs etwa. Das Maß, in dem diese Instrumente eingesetzt werden und mit ihnen Wir- kungen erzielt werden, unterscheidet sich in verschiedenen Ländern erheb- lich. Das sieht man anhand der bisheri- gen Ergebnisse eines aktuellen For- schungsprojektes (MediaACT), an dem die Alpe-Adria-Universität beteiligt ist. Befragt werden 2.000 JournalistInnen in 14 Ländern Europas und im arabi- schen Raum mit dem Ziel, Faktoren zu identifizieren, welche die Medien- selbstkontrolle stärken oder schwä- chen, und Instrumente zur Stärkung verantwortungsbewussten Journalismus aufzuzeigen. Der Einfluss von sozialen Medien auf die Medienselbstkontrolle ist innerhalb der untersuchten Länder in Tunesien mittlerweile am höchsten: So geben dort über 30 % der JournalistInnen an, bereits über Blogs und Social Media kritisiert worden zu sein, im Vergleich dazu ist es nur ca. 17 % der österrei- chischen JournalistInnen so ergangen (geringster Wert in Italien: 7 %). Diese Ergebnisse stehen für eine der wich- tigsten Beobachtungen, die durch die Studie bisher gemacht werden konnten: "Das Internet kann, wie wir in den ara- bischen Staaten sehen konnten, ein wichtiger Motor für verantwortungs- bewusste Mediengestaltung sein", so der Kommunikationswissenschaftler Matthias Karmasin. Der bekannteste "Medienwatchblog" in Österreich ist Kobuk – "ein Medien- watchblog von Studierenden der Lehr- veranstaltung "Multimedia-Journalis- mus" am Publizistikinstitut der Uni Wien, unter der Leitung von Helge Fahrnberger, sowie einiger ständiger Autoren", wie es kurz und bündig auf der Internetseite heißt. Beobachtet wer- den grundsätzlich sämtliche Medien. Beispiel Kronenzeitung: Diese hatte im Frühjahr berichtet, dass eine neue "EU- Richtlinie" die "Einsatztätigkeit ehren- amtlicher Feuerwehr- und Rettungs- leute unmöglich machen werde", aber (so Kobuk) verschwiegen, dass EU-Abge- ordnete von SPÖ und ÖVP in Aus- sendungen "ver- gleichsweise scharf widersprochen" hatten. Die Krone hatte daraus Folgendes gemacht: "Nach kritischen "Krone"-Berichten versprechen nun die österreichischen Parlamentarier Othmar Kabas und Heinz Becker: "Dem werden wir nie zustimmen!" Nicht nur beim "Boulevard", sondern auch bei "Qualitätsmedien" werden Fehler schonungslos aufgedeckt. So Mediawatch Mediawatchblogs und Social Media tragen zur Medienkontrolle bei. Nach dem Motto "Wir lesen Zeitung und schauen fern!" deckt Kobuk Fehler und Falschmeldungen in österreichischen Medien schonungslos auf. wurde im März aufgezeigt, wie ein Pressetext der Ing-DiBa-Bank quasi 1:1 Eingang in die Berichterstattung des Online-Standard gefunden hatte. Das Institut hatte eine Online-Umfrage zum Thema "Sparen für den Notfall" in Auf- trag gegeben und diese in einer Me- dieninformation für die JournalistInnen aufbereitet. Da Kobuk auch auf Twitter ist, wurde dieser "faux pas" rasch ver- breitet. Es hat nicht lange gedauert, bis der Online-Standard getwittert hat: "Der Umgang mit dem Pressetext war absolut nicht korrekt. Intern werden Konsequenzen gezogen, der Text Off- line gestellt". Die Stärke solcher "Watchblogs" liegt in den vielen Augen, die kritisch lesen, hören und sehen. Kobuk gibt ihnen einen Hebel, der etwas bewirken kann. "Medien beim Schummeln oder Schlampen erwischt? Über sachdienli- che Hinweise freuen wir uns immer!" schreibt Kobuk. Tipps, Links oder Scans (!) können gesendet werden an: hin- [email protected] Kobuk: http://www.kobuk.at/ Twitter: Hashtag #kobuk Vereinigung für Medienkultur: http://www.medienkultur.at/ Bildblog – der Watchblog für deutsche Medien: http://www.bildblog.de/ Ehrenkodex des Österreichischen Presserates: http://presserat.at/ -mb- Orte 29 democracy now! Demokratie morgen?

description

Aus dem KSÖ Dossier 6/2012

Transcript of Mediawatch

Page 1: Mediawatch

Massenmedien kommen in einerDemokratie nicht nur eine Informati-ons-, sondern auch eine wesentlicheKontroll- und Kritikfunktion zu. Öko-nomisch betrachtet sind die meistendieser Medien als Unternehmen, dieauf Märkten agieren, (mit gewissenAusnahmen wie öffentlich-rechtlicherRundfunk) auch gewinnorientiert. Vonden Medien wird auch immer wiederals vierter Gewalt im Staat gesprochen.Medien kontrollieren – doch wer kon-trolliert die Medien?Die Medien haben eine Antwortdarauf: Selbstkontrolle – Pressekodizesoder Presseräte etwa. Die BürgerInnenhaben ihre eigene Antwort: Medien-kontrolle durch Social Media – Media-watchblogs etwa.

Das Maß, in dem diese Instrumenteeingesetzt werden und mit ihnen Wir-kungen erzielt werden, unterscheidetsich in verschiedenen Ländern erheb-lich. Das sieht man anhand der bisheri-gen Ergebnisse eines aktuellen For-schungsprojektes (MediaACT), an demdie Alpe-Adria-Universität beteiligt ist.Befragt werden 2.000 JournalistInnenin 14 Ländern Europas und im arabi-schen Raum mit dem Ziel, Faktoren zu identifizieren, welche die Medien-selbstkontrolle stärken oder schwä-chen, und Instrumente zur Stärkungverantwortungsbewussten Journalismusaufzuzeigen.

Der Einfluss von sozialen Medien aufdie Medienselbstkontrolle ist innerhalbder untersuchten Länder in Tunesienmittlerweile am höchsten: So gebendort über 30 % der JournalistInnen an,bereits über Blogs und Social Mediakritisiert worden zu sein, im Vergleichdazu ist es nur ca. 17 % der österrei-

chischen JournalistInnen so ergangen(geringster Wert in Italien: 7 %). DieseErgebnisse stehen für eine der wich-tigsten Beobachtungen, die durch dieStudie bisher gemacht werden konnten:"Das Internet kann, wie wir in den ara-bischen Staaten sehen konnten, einwichtiger Motor für verantwortungs-bewusste Mediengestaltung sein", soder KommunikationswissenschaftlerMatthias Karmasin.

Der bekannteste "Medienwatchblog" in Österreich ist Kobuk – "ein Medien-watchblog von Studierenden der Lehr-veranstaltung "Multimedia-Journalis-mus" am Publizistikinstitut der UniWien, unter der Leitung von HelgeFahrnberger, sowie einiger ständigerAutoren", wie es kurz und bündig aufder Internetseite heißt. Beobachtet wer-den grundsätzlich sämtliche Medien.Beispiel Kronenzeitung: Diese hatte imFrühjahr berichtet, dass eine neue "EU-Richtlinie" die "Einsatztätigkeit ehren-amtlicher Feuerwehr- und Rettungs -leute unmöglichmachen werde",aber (so Kobuk)verschwiegen,dass EU-Abge-ordnete von SPÖund ÖVP in Aus-sendungen "ver-gleichsweisescharf widersprochen" hatten. DieKrone hatte daraus Folgendes gemacht:"Nach kritischen "Krone"-Berichtenversprechen nun die österreichischenParlamentarier Othmar Kabas undHeinz Becker: "Dem werden wir niezustimmen!"Nicht nur beim "Boulevard", sondernauch bei "Qualitätsmedien" werdenFehler schonungslos aufgedeckt. So

MediawatchMediawatchblogs und Social Media tragen zur Medienkontrolle bei. Nach dem Motto "Wir lesen Zeitungund schauen fern!" deckt Kobuk Fehler und Falschmeldungen in österreichischen Medien schonungslos auf.

wurde im März aufgezeigt, wie einPressetext der Ing-DiBa-Bank quasi 1:1Eingang in die Berichterstattung desOnline-Standard gefunden hatte. DasInstitut hatte eine Online-Umfrage zumThema "Sparen für den Notfall" in Auf-trag gegeben und diese in einer Me-dieninformation für die JournalistInnenaufbereitet. Da Kobuk auch auf Twitterist, wurde dieser "faux pas" rasch ver-breitet. Es hat nicht lange gedauert, bisder Online-Standard getwittert hat:"Der Umgang mit dem Pressetext warabsolut nicht korrekt. Intern werdenKonsequenzen gezogen, der Text Off-line gestellt". Die Stärke solcher "Watchblogs" liegtin den vielen Augen, die kritisch lesen,hören und sehen. Kobuk gibt ihneneinen Hebel, der etwas bewirken kann."Medien beim Schummeln oderSchlampen erwischt? Über sachdienli-che Hinweise freuen wir uns immer!"schreibt Kobuk. Tipps, Links oder Scans(!) können gesendet werden an: [email protected]

Kobuk:http://www.kobuk.at/Twitter: Hashtag #kobukVereinigung für Medienkultur:http://www.medienkultur.at/Bildblog – der Watchblog für deutscheMedien: http://www.bildblog.de/Ehrenkodex des Österreichischen Presserates: http://presserat.at/

-mb-

Orte

29democracy now! Demokratie morgen?

1593_12_innen:0 31.05.12 14:18 Seite 28