Mein anarchismus - sidney parker

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„Mein Anarchismus“

von Sidney Parker a.k.a. S.E. Parker (Englisch) ins Deutsche Übersetzt von Florian Grebner

Im Jahre 1947, als ich 17 Jahre alt war, begann ich mich als Anarchist zu bezeichnen. Nachdem ich etwa drei Jahre in der sozialistischen Bewegung aktiv war verstand ich Anarchismus selbstredend als eine Form von Kommunismus. Ich tauschte Bukharin für Bakunin, Kautsky für Kroptokin und Marx für Malatesta, aber das Ziel des gemeinsamen Eigentums blieb das selbe, auch wenn die Route nun eine andere war. Und dies war mein Ziel für die nächsten zehn Jahre ungeachtet wechselnder Gewichtung und Taktik.

Gegen Ende der 1950er begann ich ersthafte Zweifel daran zu haben ob Anarchismus und Kommunismus zusammen passen. Zuerst war meine Kritik von Anarchismus als Kommunismus noch mild und betraf hauptsächlich das Hinweisen auf andere Sichtweisen bezüglich Anarchismus als die kommunistische. Ich las Max Stirners „Der Einzige und sein Eigentum“ und kam zu der Überzeugung das Anarchismus kein Kommunismus war sondern Individualismus. Die Schlussfolgerung zu der ich dann kam, und an der ich weiterhin festhalte, war das Individualismus, mit den Worten von John Beverly Robinson, „die Erkenntnis eines Individuums, dass er über allen Institutionen und Formeln steht; das sie nur so weit existieren wie er sie zu seinen eigen macht indem er sie akzeptiert.“ Ist. (Dies ist keine Forderung nach Solipsismus. Robinson geht weiter indem er anerkennt, dass es „andere Individuen“ gibt. „Aber keiner von diesen ist er selbst. Er steht abseits. Sein Bewusstsein, seine Lüste und seine Freuden die auf ihn einwirken sind Einzigartig, kein anderer kann auf sie einwirken.“)

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Ich folgerte daher, da sie weder Institutionen noch Schemen wie Autoritäten über sich anerkennen, dass Individualisten logischerweise Anarchisten sind und, da sie die Gültigkeit von irgendeiner Autorität über das Individuum negieren, Anarchisten logischerweise Individualisten sind, da diese Negierung den Vorrang des Individuums bestätigt. Mein Anarchismus wurde dann von den letzten Resten idealistischen Altruismus, welcher den Dienst an Gott und den Staat vertreibt nur um ihn durch Dienste an den Menschen und der Gesellschaft zu ersetzen, befreit. Nicht nur das, Anarchismus wie ich ihn nun sah, trieb Autorität aus den letzten Verstecken wie das Gespenst der „Pflicht“ und „moralischer Schuld“ heraus und wurde felsenfest im bewussten Egoismus geerdet.

Mein früheres Ziel einer staatenlosen kommunistischen Gesellschaft wurde von mir abgestoßen. Eifersüchtig auf meine Individualität hatte ich nicht den Wunsch mein Ego in ein formloses egalitäres Rudel auflösen zu lassen. Kommunismus würde mich vor der ökonomischen Gesamtheit Machtlos machen. Das gemeinsame Eigentum der Produktionsmittel würde mich mit einer Frage konfrontieren: Einbinden oder krepieren. Jede Gruppe oder Verband von Gruppen kann so mächtig sein wie ein Staat wenn sie in einen Gebiet die Möglichkeit auf Handlung und Durchführung monopolisieren. Das Ergebnis wäre ein sozialer Totalitarismus auch wenn er im Namen des „Anarchismus“ stattfinden würde. In der Praxis würde in staatenlosen Kommunismus Massenversammlungen oder gewählten Abgeordneten die gesamte Macht der Executive verleihen werden. Beide Wege würden sich als de facto Regierung ausdrücken. Welche Macht könnte ich ausüben wenn ich zum Beispiel am Grund der Arbeiterrätepyramide, die als administrative Struktur für die Industrie in einer kommunistischen Gesellschaft vorgeschlagen wird, hängen würde? Bestenfalls und in seiner reinsten Form würde so ein System

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ein „Anarchismus“ von Gruppen hervorbringen. Es würde keinen Anarchismus der Individuen hervorbringen.

Aber diese Ablehnung des kommunistischen Utopia beendete nicht meine Formulierung des Anarchismus als Individualismus. Kommunismus war freilich nicht kompatibel mit Anarchismus, aber ist Anarchismus mit irgendeiner sozialen Norm kompatibel? In anderen Worten: Ist es möglich Anarchismus als eine Form von Gemeinschaft zu realisieren?

In “The Man vs. The State” bemerkt Herbert Spencer: “soziale Einrichtungen haben Gesetzte die individuelle Willen übergehen; und Gesetze welche missachtet werden müssen da sie Unheil bringen.“ Abgesehen von der angemessenen Frage: Unheil für wen? Ist mir klar worauf Spencer anspielt. Die meisten Personen die sich Anarchisten bezeichnen nehmen an, dass das Verschwinden des Staates das Verschwinden von Autorität bedeutet. Tatsächlich, eine beliebte Antwort für die die gegen die Möglichkeit einer gesellschaftlichen Existenz ohne Regierung sind, kann man als Beispiel primitive Gesellschaften anführen die staatenlos sind oder waren und fragen: Wenn sie so funktionieren können, warum können wir nicht? Ein Beispiel, Hubert Deschampes beschreibt in seinen Buch „The Political Institutions of Black Africa“ Stämme in denen „gibt es keine Notwendigkeit von Herrschaft, auch nicht von Zwangsinstitutionen; Konflikte werden Reduziert durch den Mangel an sozialen Differenzen, die es unmöglich machen für jemanden über einen oder alle hinauszuwachsen, durch die natürliche Folgsamkeit von alteingesessenen Sitten (meine Betonung). In solchen Gesellschaften gibt es dann keine senkrechte Autorität die von einen Staat ausgeführt wird, aber eine waagrechte Autorität ausgeübt durch die „Gesellschaft“ in Form von „alteingesessenen Sitten“ – Sitten die meist allgegenwärtiger und tyrannischer sind als moderne

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Regierungen! Das solch ein Model der gesellschaftlichen Kontrolle in den Gedächtnissen vieler erklärten Anarchisten ist wird von Nicolas Waiter in seinen Pamphlet „About Anarchism“ gezeigt. Dort erklärt er, dass „die freiheitsliebendste Gesellschaft“ die „angemessenen Verfahren gegen Kriminalität Teil des Bildungs- und Gesundheitssystem werden statt ein institutionellen Strafsystem zu werden. Der letzte Ausweg wäre nicht Haft oder Tod sondern Boykott oder Vertreibung.“ Derselbe „letzte Ausweg“ von vielen primitiven Gesellschaften gegen die die ihre Sitten verletzen wird somit für eine anarchistische Gesellschaft ins Auge gefasst, vermutlich mit der Begründung, wir haben eine schöne Zukunft in unserer Vergangenheit.

Von dem was ich über Geschichte weis scheint es keine organisierte Kollektive gegeben zu haben die ohne Autorität waren, ob in Form von Sitten oder Gesetzen. Das liegt daran, dass Kollektive Normen brauchen nach denen sich die Mitglieder richten müssen, wenn sie (die Kollektive) funktionieren sollen. Und diese Normen brauchen Sanktionen um sicher zu stellen das jedes aufsässige Individuum ihnen gehorcht. Diese Sanktionen können landestypisch, religiös, politisch, ökonomisch oder moralisch sein, aber sie alle summieren sich zu einer Autorität über den Individuum zusammen. Anarchismus hat niemals existiert als eine Form von Gesellschaf noch ist es wahrscheinlich, dass es jemals so sein wird. Tatsächlich sehe ich es als gravierenden Fehler an Anarchismus als Gesellschaftstheory zu begreifen; Ich erwarte nicht von irgendeiner Form von Gesellschaft meine Individualität zu garantieren oder zu respektieren, da alle Gesellschaften anstreben das Selbsteigentum, was ihre Basis ist, zu unterlaufen. Alle streben an mein Sein und Benehmen durch Ideale wie Kooperation, Wettbewerb, Bruderschaft, beiderseitiger Vorteil oder Liebe wie sie die vorherrschende Gruppe in der Gesellschaft definiert ist anzupassen. Daher ist das Individuum welches

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vermeintlich der zentrale Punkt der Begünstigungen ist verloren und überrollt von den nicht nachgebenden allgemeingültigen Regeln die über seinen Besonderheiten und Konkretheiten steht. Folglich wird der Krieg zwischen Individuum und Gesellschaft immer weiter gehen solang Beide existieren. Anarchismus ist keine Gesellschaftsform. Es ist der Wegbereiter für den Individualismus, die negative Seite der egoistischen Philosophie. Der Anarchist ist kein Hausierer nach Plänen für soziales Heil, sondern ein permanenter Verweigerer von allen Bestrebungen die Einmaligkeit des Individuums der Autorität des Kollektivs unterzuordnen. Der Anarchist ist jemand der sich weigert von jeglicher glitzernden oder rationalsten Vision von einer Gesellschaft in der verschiedene Egoismen angeschirrt werden zu harmonisieren verführt zu werden.

In den oben erwähnten Pamphlet von Nicolas Waiter, ist der Anarchismus, den ich darstelle, eher verächtlich abweisend als passend für „Dichter und Vagabunden“, als „Anarchismus hier und jetzt, wenn nicht in der Welt, dann in seinen eigenen Leben“.

Gewiss, wann oder wo sonst kann man ihn schon erwarten?

Quelle des Originals:

http://www.la-articles.org.uk/FL-2-2-5.pdf