Mein Mann wird Diakon - Berufe der Kirche · 2020. 5. 4. · Diakon ein guter Schritt zur passenden...

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Mein Mann wird Diakon Alternativer Weg zum Beruf Gemeindereferent/in Neues Orientierungsjahr – Ambrosianum College PÄPSTLICHES WERK FÜR GEISTLICHE BERUFE DIÖZESE ROTTENBURGSTUTTGART No. 9 | NOVEMBER 2016

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Mein Mann wird DiakonAlternativer Weg zum

Beruf Gemeindereferent/in

Neues Orientierungsjahr –Ambrosianum College

PÄPSTLICHES WERK FÜR GEISTLICHE BERUFE DIÖZESE ROTTENBURG-STUTTGART

No. 9 | NOVEMBER 2016

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„Des isch a guate Sach!Probiera müssemers auf jeden Fall.“

Rupert Föhr über das Ambrosianum College –Artikel ab Seite 12

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6 Mein Mann wird DiakonEin Besuch bei Familie Löffler in Rottenburg

10 7 Fragen an ... Andreas Kirchartz, Repetent

12 Ein Jahr fürs Studium. Ein Jahr fürs Leben.Interview mit Dr. Gerhard Schneiderzum neuen „Ambrosianum College“

22 „Keiner hat den Schritt bereut“Wie aus sechs Kirchengemeinden eine Gesamtkirchengemeinde wurde

28 „Ein Weg, zu dem es Mut braucht“ Neu: Mit Fernstudium zum pastoralen Beruf Gemeindereferent/in

34 „Als ob Gott mich gerufen hat“Regina Scheib will Gemeinde-referentin werden

36 Der HörendeHl. Meinrad

38 Die offene TürPrälat Rudolf Hagmannüber Berufung

42 TermineDiözesanstelle Berufe der Kirche und Päpstliches Werk für geistliche Berufe

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Inhalt

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Impressum: Herausgegeben vom Päpstlichen Werk für geistliche Berufe der Diözese Rottenburg-Stuttgart

V.i.S.d.P.: Pfarrer Dr. Gerhard SchneiderChefredakteurin: Alina Rafaela Oehler

Redaktion: Natalie Eichwald, Philipp Geisen, Susanne Grimbacher, Clemens Knorpp, Daniel Köstlinger, Simon Linder, Gerhard Schneider, Michael Schönball, Daniel Wolfgarten, Sr. Luise Ziegler

Redaktionsanschrift Päpstliches Werk für geistliche Berufe der Diözese Rottenburg-Stuttgart, und Vertrieb: Brunsstraße 19, 72074 Tübingen, [email protected]

http://www.berufe-der-kirche-drs.deFotos: Leitung Fotoredaktion: Clemens Knorpp

webvisio mediadesign OHG, Alina R. Oehler, Jessica Pawletta, stocksyGestaltung: Werbeagentur Know-how, Herrenberg

Druck: DS Print, Böblingen

Gedruckt auf umweltschonendem PapierTübingen, 2016

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Liebe Leserinnen und Leser,

gleich von zwei Neuigkeiten innerhalb der pastoralen Ausbildung können Sie in dieser Ausgabe lesen: Zum einen bietet das Ambrosianum künftig auch einen College-Zweig an. Damit bekommen Abiturienten, die nicht in erster Linie überlegen, ob sie Theologie studieren wollen, die Möglichkeit, ein Jahr lang in die Universität zu schnuppern. Dr. Gerhard Schneider erklärt im Interview, was genau sich dahinterverbirgt.

Die zweite Neuerung dürfte diejenigen freuen, die sich für den Beruf Gemeindereferent/in interessieren und nicht die Möglichkeit haben, für mehrere Jahre an einen Studienort zu ziehen:Seit Kurzem gibt es nun auch in unserer Diözese einen Zugang mit dem sogenannten „Würzburger Fernkurs“. Domkapitular Dr. Uwe Scharfenecker und Elisabeth Färber freuen sichdarüber, dass es endlich gelungen ist, einen entsprechenden Weg einzurichten – denn die Nachfrage war seit Jahren hoch.

Einen bewährten Ausbildungsweg aus einer anderen Perspektive zeigt schließlich unsere Titel-geschichte. Wie ist es, wenn der Ehemann sich dafür entscheidet, Ständiger Diakon zu werden?Bernadette Löffler aus Rottenburg erzählt, wie sie und ihr Mann mit den Herausforderungenund den schönen Seiten des Ausbildungswegs leben.

Wir wünschen Ihnen im Namen der Redaktion eine gute Lektüre, eine gesegnete Adventszeitund dann ein schönes Weihnachtsfest.

Sr. Luise Ziegler Alina Rafaela OehlerPäpstliches Werk für geistliche Berufe Chefredakteurin

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Mein Mann wird Diakon

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Bernadette Löffler hat drei Kinder und einenMann, der Diakon werden will. Diesen Wegkann er nicht alleine gehen. Welche Heraus-forderungen, aber auch welche schönen Sei-ten es gibt, wenn der Ehemann „nebenher“eine pastorale Ausbildung macht, erlebt siejeden Tag.

Sonnenstrahlen fallen durch das Blätterdach der gro-ßen Glyzinie und malen tanzende Schatten auf denTisch. Eine Kanne Schwarztee und selbst gebackenerKuchen stehen bereit. Aus den Büschen pfeift einVogel sein Lied. Das Ehepaar Löffler hat sich sein eigenes kleines Paradies geschaffen, hier in Rotten-burg, weit weg von Bernadette Löfflers Heimat. Auchwenn sie sich „im Ländle“ inzwischen zu Hause fühlt– an ihrem Dialekt kann man es hören: Sie ist Rhein-länderin und kommt aus dem Erzbistum Köln. Undda hat sie auch ihren Mann kennengelernt, ganz zufällig. In der Jugendarbeit aktiv, war sie an derAussendung des Altenberger Lichtes beteiligt. UndBertram Löffler wurde von einem Freund angefragt,dort in der Band zu spielen. Beim Altenberger Domhatten sie sich kennen und lieben gelernt, nahe desRottenburger Doms leben sie heute und gehen ge-meinsam den Weg zu Bertrams Diakonenweihe. �

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Seit 2014 ist Bertram Löffler im Ausbildungskurszum Ständigen Diakon und es war weiß Gott nichtimmer einfach seither. „Zu sagen ‚Das ist deine Bau-stelle, das geht mich nichts an‘, das würde nichtfunktionieren“, sagt Bernadette Löffler mit ernstemBlick. „Ich muss da schon so dahinter stehen, dass ichdas mittrage. Weil manchmal ist es einfach nur an-strengend und oft auch nervig. Wir würden uns dau-erhaft nur streiten, wenn ich nicht damit einver-standen wäre.“ Bertram Löffler nickt zustimmend.„Ich bin froh, dass die Diözese da sehr starken Wertdrauf legt, die Frauen und Familien mit ins Boot zuholen“, sagt er. „Die Erwartung ist schon so formu-liert, dass die Ehefrau den Weg mitgehen muss.“

Denn die Ausbildung ist zeitintensiv und läuftneben dem Beruf. Bertram Löffler arbeitet hundertProzent im Schichtdienst, die Urlaubstage werdenvon den vier Wochen Ausbildungskurs im Jahr inAnspruch genommen und hin und wieder sind auchWochenenden im Programm mit inbegriffen. Nebenher läuft dabei noch die praktische Ausbil-dung in einer Gemeinde; für Bertram Löffler findetdiese in Ergenzingen statt. Und dann sind da nochdie Prüfungen. „Da habe ich dann ein viertes Schul-

kind im Haus“, erzählt Bernadette Löffler lachend.„Die Kinder fanden das auch witzig, dass Papa genauso am Schreibtisch sitzen und lernen muss“, ergänzt ihr Mann.

Der ganze Ausbildungszeitraum ist Prüfungs-zeit für eine Familie, die sich auf diesen Weg einlässt.Das weiß die Diözese aber. „Da wird viel gemacht fürdas Verständnis, besonders vor Ausbildungsbeginn,im Interessentenjahr: Was heißt es für die Frau undfür die Familie, wenn der Mann sagt, er möchte Dia-kon werden?“, sagt Bernadette Löffler. Sie ist dankbardafür, dass es auch Angebote nur für die Frauen gibt.Diese sind ja genauso mit auf dem Weg und da tutes gut, sich austauschen zu können. Es ist die gleicheSituation, die die Frauen verbindet, „da ist das Lebenähnlich.“ Die Frauen, die schon länger dabei sind,können von ihren Erfahrungen erzählen. Deshalbweiß Bernadette Löffler jetzt: „Wenn die Prüfungenrum sind, ist ein wichtiger Schritt geschafft. Da binich jetzt drauf vorbereitet.“

Aber wie kam es eigentlich zu der Entschei-dung? Als die Kinder noch klein waren, hatte sich Bertram Löffler schon damit beschäftigt, wie manStändiger Diakon werden kann. Als er erfahren hat,

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dass die Ausbildung inklusive des theologischenFernkurses insgesamt sieben bis acht Jahre dauernwürde, war das aber ad acta gelegt. Doch irgend-wann, als die Kinder größer waren, kam das Themadurch die Anfrage des Gemeindepfarrers wieder aufund nach vielen Gesprächen, Schritt für Schritt, kames zur Entscheidung, den Weg zu beginnen. Und die-ser Weg, das Studium, die Ausbildung, das veränderteinen Menschen. „Das macht viel mit dem Glauben,darüber muss man sich austauschen.“ BernadetteLöffler, die Sozialpädagogin, schmunzelt bei denWorten ihres Mannes. Ja, manchmal gehe es schonsehr theologisch her. „Ich hol dich dann wieder runter.“

Wenn der Mann Diakon werden will, mussauch die Frau wissen, worauf sie sich einlässt. Berna-dette Löffler hat an verschiedenen Schnittstellenihres Lebens Exerzitien gemacht, hat sich vor großenVeränderungen immer Zeit für ihre Gottesbezie-hung genommen. „Ich muss das für mich selber klarhaben und ich habe die Erfahrung gemacht, dassDinge des Lebens deutlicher werden, wenn ich michvor Gott damit beschäftige. Ich muss da voll dahinterstehen können.“ Sonst hätte das nicht funktioniert –

allein deshalb, weil ohne das zweimalige unter-schriebene Einverständnis der Frau gar nichts geht. Für Bernadette Löffler ist der Weg ihres Mannes zumDiakon ein guter Schritt zur passenden Zeit. Was dia-konisch unterwegs sein heißt, das wissen die beidenschon lange. „Wer Not hat, kann an unserer Türeklingeln.“ Diese Haltung ist die Basis ihrer Partner-schaft.

Aber wie das nun wird, wenn Bertram Löffler2017 geweiht und in der Heimatgemeinde als Diakonim Zivilberuf tätig ist, das können sich die beidennoch nicht so ganz vorstellen. „Er ist mein Mann, dakomm auch ich in eine andere Rolle“, meint sie. „Mansteht dann schon mehr in der Öffentlichkeit.“ Bisdahin ist es noch ein halbes Jahr, die beiden gehendas entspannt an. Bernadette Löffler lehnt sich zu-rück. „Man wächst mit seinen Aufgaben“, sagt sieund grinst dabei ihren Mann an.

TEXT SUSANNE GRIMBACHER (24)

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7 Fragen an …Andreas Kirchartz (32),Repetent am Wilhelmsstift in Tübingen

ZUR PERSONAndreas Kirchartz, aufgewachsen inAlbstadt-Ebingen, studierte zunächstTheologie und Mathematik auf Lehr-amt. Nach seinem Auswärtsjahr inRom trat er ins Wilhelmsstift einund wechselte auf das theologischeVollstudium. Der Priesterweihe 2014folgte die Vikarszeit in Friedrichs-hafen. Seit 2016 ist er Repetent.

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WAS IST FÜR SIE GLÜCK?Ich habe einmal einen ganzen Schülergottesdienst zu dem Thema „Was ist Glück“ gemacht. In diesemGottesdienst ist sehr deutlich geworden, dass für mich persönlich Glück nicht die ganz großen Mo-mente sind, an die man sich vielleicht auch erinnert, wie bei mir Priesterweihe, Primiz und diese ganzenDinge. Glück – das sind vielmehr Momentaufnahmen, wo ich merke, dass ich zufrieden bin, so wieich bin und mit dem, was ich gerade tue. Das sind Momente, wo mir aufgeht: „Ja, es ist gut“.

MIT WEM WÜRDEN SIE NICHT TAUSCHEN WOLLEN?Das ist witzig. Wenn die Frage andersherum gelautet hätte, hätte ich gesagt, ich möchte mit niemandemtauschen, weil ich so zufrieden bin und gar nicht erst in ein anderes Leben eintauchen möchte. Spontanfällt einem natürlich momentan Angela Merkel ein, aufgrund der Fragen der Politik. Da ist die Schwie-rigkeit, das Ganze beieinander zu halten. Und dann auch immer die Einheit in der Vielheit der Meinungenund Lösungsstrategien zu finden. Dafür dann die Verantwortung zu tragen und den Druck zu spüren, dabeneide ich sie nicht drum. Überhaupt nicht.

WENN SIE AN EINEM ORT ENTSPANNEN MÖCHTEN, WAS BRAUCHT DER ORT FÜR SIE?Er braucht auf jeden Fall Ruhe und ich darf nicht alleine sein. Es müssen Freunde von mir dabei sein.Sonst ist es für mich keine Entspannung, wenn ich nur für mich bin. Dafür bin ich nicht geschaffen.

WAS IST IHRE GRÖSSTE SCHWÄCHE?Nicht Nein sagen zu können.

OSTEN ODER WESTEN?Ja, Westen ist ja klar. (lacht) Ich bin ja schon immer im Westflügel des Stifts (Anm.: Wohnbereich derPriesteramtskandidaten). Ich habe nie im Ostflügel gewohnt, auch wenn ich mir mal überlegt hatte,hier als Gast einzuziehen. Aber natürlich müsste man als Theologe eigentlich Osten sagen…

DAS VERRÜCKTESTE, DAS BISHER IN IHREM LEBEN PASSIERT IST...Das ist eigentlich eher eine traurige Geschichte: Wenn damals unser ICE nicht Verspätung gehabt hätte,dann wären wir in dem "Eschede-ICE" gewesen. Wir sind einen ICE später an diesem Unglück vorbei-gefahren und wären sonst von der Sitzplatzreservierung her auch in diesen Waggons gewesen, wo daspassiert ist. Das ist natürlich auch etwas unglaublich Verrücktes. Ich glaube, es war eine Verspätung,die uns gerettet hat.

KERZE ODER SCHEINWERFER?Ich würde ja sofort immer Kerze sagen, aber nachdem hier der Feueralarm schon mal losgegangen ist ...Ich finde, von der Stimmung her ist natürlich Kerzenlicht wunderbar. Auch gerade bei Taizégebeten,die wir im Innenhof des Stifts schon hatten.

TEXT DANIEL WOLFGARTEN (27)

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Neues Orientierung

s-jahr

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Ein Jahr fürs Studium.Ein Jahr fürs Leben.

Das Ambrosianum in Tübingen bietet ab Herbst 2017 ein neues Orientierungsjahran: das „Ambrosianum College“. Während das weiterhin bestehende „Sprachen-jahr“ direkt auf ein Theologiestudium vorbereitet, bietet das „College“ ein breitesStudium generale in Zusammenarbeit mit der Universität. Das Jahr dient damitvor allem der Studienorientierung. Rektor Dr. Gerhard Schneider erzählt im Gespräch, wie es zur Idee kam und was hinter dem „legendären Ambros-Feeling“steckt. �

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Herr Schneider, warum ausgerechnet „College“? Hatsich kein deutscher Name für den neuen Kurs gefun-den?Wir haben in der Tat monatelang überlegt, welchenNamen wir für das neue Angebot wählen. College botsich deswegen an, weil sich im deutschsprachigenRaum diese Bezeichnung für akademisch ausgerich-tete Orientierungsjahre im Umfeld von Universitätenmehr und mehr durchsetzt. Außerdem klingt Collegefür Abiturientinnen und Abiturienten ganz gut. „Ichgeh auf ein College“ hört sich definitiv besser an als„Ich mache ein Orientierungsjahr“.

Aber genau das verbirgt sich doch dahinter: ein Orien-tierungsjahr, oder?Im Prinzip ja. Wir haben zusammen mit der Univer-sität Tübingen ein Jahr konzipiert, das einen umfas-senden Einblick bietet in verschiedenste Studien-fächer: Medizin, Wirtschaft, Recht, Naturwissen-schaften. Einen besonderen Akzent legen wir auf dieGeistes- und Sozialwissenschaften. Manche Veran-staltungen haben die Teilnehmerinnen und Teilneh-mer des College auch gemeinsam mit den Ambros-ianerinnen und Ambrosianern des klassischen Spra-chenjahres, das es auch weiterhin geben wird. Sogibt es für alle Basiskurse in Theologiegeschichteund Philosophie, alle machen gemeinsam Exkursio-nen und zum Schluss die obligatorische Romreise.

Es gibt also weiterhin die normalen Kurse, in denenman Latein, Griechisch und Hebräisch fürs Theologie-studium lernen kann?Selbstverständlich. Die klassischen Kurse mit denalten Sprachen werden auch künftig das Rückgratdes Ambrosianums bilden. Deswegen wird der neueCollege-Kurs nicht mehr als 15 Personen umfassen. Ersoll in der Regel nicht größer werden als der Kurs imSprachenjahr.

„Die klassischen Kurse mit den alten Sprachen werden auch künftig das Rückgrat des Ambrosianums bilden.“

Was hat Sie denn bewogen, das neue Angebot einzu-führen?Wir haben uns für die Entscheidung über ein Jahrlang Zeit genommen und dabei viele Impulse vonehemaligen Ambrosianern aufgegriffen. Der Hin-weis, dass ein solches Angebot notwendig sei, kamübrigens ebenfalls von ehemaligen Ambrosianern.Sie berichteten von einer wachsenden Zahl von Abi-turienten, die schlicht nicht wissen, was sie nachdem Abi machen sollen. Oft steht fest: Ich will studie-ren. Nur was es für ein Fach werden soll, ist noch völ-lig offen. Das ist kein Wunder: Es hat sich in denletzten Jahren eine gewaltige Schere geöffnet: Einer-seits sind aufgrund der verkürzten Schulzeit und –bei den Männern – des Wegfalls der Wehrpflicht dieAbiturienten immer jünger geworden. Andererseitshat sich die Zahl der Studiengänge in den letztenzehn Jahren mehr als verdoppelt. Wer soll da nochwährend der Abi-Vorbereitung quasi nebenbei eineverantwortete Wahl treffen? �

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„Des isch a guate Sach! Probiera müsse-mers auf jeden Fall.“ RUPERT FÖHR (61), SEIT 32 JAHRENLATEINLEHRER IM AMBROSIANUM

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„Als ich vom Ambrosianum Col-lege gehört habe, fand ich dieIdee sofort sehr gut. Denn auchbei uns im Ambros-Jahrgang

waren viele mit gerade mal 18 direktvom Abitur gekommen und wussten nicht, was siestudieren sollen. Einige haben deshalb schon bei unsdas Ambrosianum als Orientierungsjahr genutzt. Zweiaus meinem Kurs machen jetzt auch etwas ganz an-deres als Theologie zu studieren. Durch die noch grö-ßere Offenheit ist das College jetzt bestimmt für mehrSchüler eine gute Option, um an die Uni zu schnup-pern, ohne dass man alleine da steht“.

PRISCA BRÜCKNER (21) AUS ROTTENBURG,

AMBROSIANUMS-KURS 2014/15

„Die Erfahrung zeigt: Aufgrund derVielfalt von rund 14.500 Studien-gängen in Deutschland fällt es

Schülerinnen und Schülern oft nichtleicht, im Anschluss an das Abitur

gleich das für sie passende Studium zu finden. Das‚Ambrosianum College’ in einer Universitätsstadt wieTübingen kann künftigen Abiturientinnen und Abi-turienten mit seinen grundlegenden und vielperspek-tivischen Inhalten eine wertvolle Möglichkeit bieten,sich in einem Jahr über ihre Studien- und Berufswahlklar zu werden.“

DR. PATRICK BONEBERG (42),

FACHBERATER UND STUDIENDIREKTOR

AM GYMNASIUM WEINGARTEN

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Wird es künftig also auch Ambrosianer geben, die garnicht vorhaben, Theologie zu studieren?Die wird es geben. Im Gegensatz zum klassischenSprachenjahr, das eine Vorentscheidung für ein Theo-logiestudium voraussetzt, ist beim College die Frageder Studienfachwahl noch völlig offen – und darf esauch sein. Eine Möglichkeit unter vielen ist, dass esauf die Theologie hinausläuft und bei einigen Col-lege-Absolventen vermute ich dies auch. Darüberwürden wir uns natürlich freuen. Schließlich bleibtdas Ambrosianum weiterhin Teil der HauptabteilungAusbildung pastorale Berufe. Aber abgesehen davonsehen wir das College auch als ein Angebot für enga-gierte junge Erwachsene zum Beispiel aus der Minis-tranten- und Jugendarbeit, die ein inhaltlichanspruchsvolles Jahr in einer Gruppe verbringenmöchten, wo vieles gemeinsam erlebt und über Gottund die Welt diskutiert wird. Und alle Ehemaligenkennen das legendäre „Ambros-Feeling“, das eineenge Verbundenheit und Freundschaften weit überdas Jahr hinaus wachsen lässt. Übrigens gab esimmer schon Absolventen des Ambrosianums, diekein Theologiestudium begonnen haben. Es gibt Am-brosianer, die Ärztin, Forstwirt, Rettungssanitäteroder Verwaltungsfachwirtin werden. Und es gibteine ehemalige Ambrosianerin, die heute vermutlichdie weltweit einzige Bäckermeisterin mit Latinum,Graecum und Hebraicum ist.

Wird es nicht ganz schön kompliziert, wenn zwei Grup-pen parallel laufen?Nicht das Ambrosianum wird komplizierter, sonderndie Bedürfnisse und Ausgangsvoraussetzungen vonjungen Erwachsenen im Blick auf ein Studium undeine Berufsentscheidung sind komplizierter gewor-den. Das Ambrosianum passt sich diesen veränder-ten Bedingungen nur an. Wir sind das Scharnierzwischen Schule und Studium und haben die Auf-gabe, beide Bildungswelten optimal zu verbinden.

„Wir sind das Scharnier zwischen Schule und Studium.“

Hat das College noch irgendetwas mit Sprachen zutun? Immerhin sind diese der „Markenkern“ des Am-brosianums.Da sich die College-Teilnehmenden einen Teil ihresProgramms individuell zusammenstellen können,besteht auch für sie die Möglichkeit, Latein bis zumLatinum zu lernen. Zusätzlich gibt es für alle Ambro-sianer künftig optional einen Italienischkurs. Undschließlich kann man bei unserem Lateinlehrer Rupert Föhr seit über 30 Jahren völlig gratis als Drein-gabe noch fundiertes Schwäbisch lernen. Sie sehenalso: Der Markenkern lebt!

TEXT ALINA RAFAELA OEHLER (25)

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Uni erleben. Orientierung finden.

ZIELGRUPPE Abiturienten, die sich im Rahmen eines Studium generale über ihr Studien- und Berufsziel klar werden möchten

HÖCHSTTEILNEHMERZAHL 15

PERSÖNLICHKEITSBEZOGENES Entscheidungsfindung und Lebensplanung – STUDIUM Rhetoriktraining: Körper, Stimme, Präsenz |

Selbst- & Zeitmanagement | Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens

„WIR IN DER GESELLSCHAFT“ – Demokratie und Globalisierung | KULTUR- UND GESELLSCHAFTS- Werte- oder Wirtschaftsgemeinschaft? |BEZOGENES STUDIUM Religion in der liberalen Gesellschaft und im säkularen Staat |

Medien- und Meinungsbildung | Milieubildung | Ökologie als gesellschaftliches Leitmotiv

GESCHICHTE UND KUNST Epochen der Kunst, Architekturgeschichte | Kunst- und Musikexkursionen

EINBLICKE IN Recht | Wirtschaft | Medizin | NaturwissenschaftenEINZELNE STUDIENFÄCHER

STUDIUM INDIVIDUALE frei zusammenstellbare Veranstaltungen an einzelnen Fakultäten – Mentoring: Begleitung und Einführung durch Studierende – Sprachkurse am Ambrosianum (Italienisch oder Latein)

Ein Jahr fürs Studium. Ein Jahr fürs Leben.

Gemeinsame BASISKURSE: Theologiegeschichte, Philosophiegeschichte, Kunst und Kultur in der Diözese Rottenburg-Stuttgart

Gemeinsame EXKURSIONEN Seelsorge im Gefängnis, Blutritt in Weingarten, Romfahrt

Gemeinsame GOTTESDIENSTE und gemeinsames GEISTLICHES PROGRAMM

WOHNEN UND ESSEN Die Ambrosianerinnen wohnen im Wohnheim des Johanneums, die Ambrosianer im Gästeflügel des Wilhelmsstifts. Das Mittagessen an Unterrichtstagen nehmen alle gemeinsam im Wilhelmsstift ein, die Ambrosianer zusätzlich auch Frühstück und Abendessen.

KOSTEN Monatl.: Frauen: 390 Euro, Männer: 410 Euro; dazu 390 Euro einmal. Aufnahmegebühr

ZEITRAUM jährlich von Anfang September bis Ende Juli (Schuljahr)

BEWERBUNG jeweils ab September fürs Folgejahr

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Sprachen lernen. Theologie entdecken.

ZIELGRUPPE Abiturienten mit dem Ziel, ein Theologiestudium zu beginnen

HÖCHSTTEILNEHMERZAHL keine

SPRACHKURSE in Latein, Griechisch und Hebräisch

THEOLOGISCHE BASISKURSE zur Vorbereitung des Studiums(Liturgie, Grundfragen des Glaubens, Rhetorik)

BERUFSORIENTIERUNG

GEISTLICHES CURRICULUM

Schneller Überblick

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"Wann handeln wir barmherzig oder zärtlich? – Dann, wenn wir uns wirklich für den Anderen interessieren!Wenn wir nicht einfach sagen: 'Es wird schon alles wieder gutwerden‘. Sondern wenn wir fragen: 'Was brauchst Du? Wiekann ich Dir helfen?‘ Wenn wir barmherzig sind, begeben wiruns direkt hinein in die Situation des Anderen und lassen unsberühren – von seinen Sorgen und Problemen.“

BISCHOF DR. GEBHARD FÜRST IN SEINER PREDIGT BEIM JUGENDFRANZISKUSFEST 2016 IM KLOSTER SIESSEN

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Herr Pfarrer Warzecha, wie kam es zu der Idee, eine Gesamtkirchengemeinde zu gründen?WARZECHA: Das war ein längerer Prozess. Ich kam2008 als Pfarrer hierher und war zunächst für zweiPfarreien zuständig, dann kamen vier weitere dazu.Damit hat natürlich die ganze Zahl an Sitzungen undallem, was noch dazugehört, zugenommen und ichhabe festgestellt, dass für bestimmte Aufgaben, dieich auch gerne mache, kaum mehr Zeit übrig blieb.

Frau Durner, wie haben Sie das erlebt?DURNER: Ich kann mich noch daran erinnern, wie ichmit dem Pfarrer auf eine Fortbildung gefahren binund er angedeutet hat, dass er für die Seelsorge keineZeit mehr hätte, weil die Verwaltung die Zeit auffrisst.Im Sommer 2011 haben wir die Idee dann erstmals imgemeinsamen Ausschuss angesprochen.

Aus der Idee ist Wirklichkeit geworden – was hat sichfür Sie verbessert, können Sie ein Beispiel machen?WARZECHA: Durch die Umstrukturierung reduzierte sichbeispielsweise die Kommunikation mit dem Kirchen-pfleger auf eine Stunde pro Woche. Wir treffen uns

jeden Mittwoch zum „Jour fixe“, Herr Haas kommt mitdem dicken Aktenordner und wir arbeiten in einerStunde alles durch. Dadurch ist Zeit und Raum für an-deres entstanden, ich konnte stärker in die Firmarbeiteinsteigen und biete einen Bibelabend an.

Wurde das Projekt von der Diözese Rottenburg-Stutt-gart unterstützt?WARZECHA: Ja! Wir haben uns eng mit der Diözese ab-gestimmt. Ich glaube, die größte Unterstützung lagdarin, dass wir große Freiräume bekommen haben.Wir hatten grünes Licht aus Rottenburg, einfach malwas auszuprobieren. Das Verwaltungszentrum hatuns viel in Rechtsfragen beraten, aber hauptsächlichist das Modell durch die Projektgruppe vor Ort entwi-ckelt worden. Es ist für unsere Situation vor Ort maß-geschneidert.

Geht mit der strukturellen Überlegung auch eine pas-torale einher?WARZECHA: Ja, diesen pastoralen Weg gehen wir nunmit dem Prozess „Kirche am Ort“. Da die Verwaltungviel Zeit einnahm, mussten viele pastorale �

„Keiner hat den Schritt bereut“

Wie macht man aus sechs Kirchengemeinden eine Gesamtkirchengemeinde, in der jedereigenständig bleibt? Ein Gespräch über Ängste und Chancen der Umstrukturierung in Neresheim mit Pfarrer Adrian Warzecha, der zweiten Vorsitzenden des Gesamtkirchen-gemeinderats Judith Durner und Gesamtkirchenpfleger Georg Haas.

Bild oben: Pfarrer Adrian Warzecha, Georg Haas, Judith Durner (v.l.n.r.)

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Fragen sehr lange warten, aber da der Pfarrer nun vonder Verwaltung entlastet wird, konnten wir Frei-räume für anderes schaffen. HAAS: Auch im finanziellen Bereich konnten wir Synergieeffekte schaffen. Um ein Beispiel zu nennen:Es ist ein Unterschied, ob ich als kleiner Häuslebesit-zer zum Stromanbieter gehe oder als Gesamtkirchen-gemeinde. Am Ende hatten wir deutliche Minder-kosten in diesem Bereich. Da hat es sich ausgezahlt!

Was hat sich im finanziellen Bereich sonst grundlegendgeändert?WARZECHA: Wir haben im Haushalt zum Beispiel nocheinen Bereich für pastorale Aufgaben geschaffen. Sokommt es, dass die meisten Gemeinden jetzt mehrGeld für die Pastoral zur Verfügung haben, als sie sichfrüher gegönnt haben. DURNER: Und manchmal kommt dann der Schwabedurch. Wir sind jahrelang angehalten worden zu spa-ren und dann ist es jetzt nicht leicht, sich etwas zugönnen. Aber es ist ein beruhigendes Gefühl, dass wires jetzt können.

Ergeben sich neben den Vorteilen, die bereits angeklun-gen sind, auch Herausforderungen?WARZECHA: Von vornherein war klar, dass der finan-zielle Aspekt eine Herausforderung darstellen wird –die Sorge, ob noch über das eigene Geld der jeweiligenGemeinde entschieden werden kann. Wir haben aberimmer gesagt: Eigentum muss Eigentum bleiben. DieIdee, alles wird in einen Topf geworfen, funktioniertnicht. Wir mussten ein Modell finden, das Besitzver-hältnisse so abbildet, wie sie sind. Es gibt einen ge-meinsamen Bereich, die Kirchensteuer geht zunächstin einen gemeinsamen Topf, daraus werden laufendeAusgaben bestritten. Alles, was aber davon übrigbleibt, wird nach einem entsprechenden Schlüssel aufdie einzelnen Gemeinden verteilt.

Die Gesamtkirchengemeinde hortet am Ende keinGeld, sie stellt es den einzelnen Gemeinden zur Ver-fügung. Wir achten darauf, dass die Besitzverhältnisseder Kirchengemeinde gewahrt bleiben und niemanddas Gefühl hat, es wird ihm Geld weggenommen.

Was war aus Ihrer Sicht die größte Angst in den Ge-meinden und wie ging man mit ihr um?DURNER:Angst ist das falsche Wort, aber ich glaube,dass es eine Herausforderung war, die Gewichtigkeitder einzelnen Kirchengemeinderäte zu vermitteln. Esgab auch Bedenken, ob die Großen nicht die Kleinenfressen werden. HAAS: Das glaube ich auch. Das war neben der finan-ziellen Seite eine ganz große Herausforderung. Allewaren sehr gespannt, wie die ersten Jahre ablaufen,nach dem Motto: „Was hab ich noch zu sagen?“ Heutekönnen wir sagen, dass es keinen einzelnen Kirchen-gemeinderat gibt, der an diesem System zweifelt.Jeder fühlt sich nach wie vor entscheidungsfähig,jeder wird ernst und wichtig genommen, jeder hatseine Entscheidungskompetenz. Keiner der sechs Kir-chengemeinderäte hat den Schritt bereut.

„Wir haben aberimmer gesagt: Eigentum muss Eigentum bleiben.“

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WARZECHA: Ja, es war erstaunlich, wie hoch der Gradder Zufriedenheit nach bereits einem Jahr war. Wirhatten auch Bedenken, ob wir für die Kirchengemein-deratswahlen ausreichend Interessenten finden wür-den. Doch wir hatten genügend Kandidaten undkonnten überall wählen.

Was hat geholfen, die Angst zu nehmen?DURNER: Sehr wichtig ist, dass Informationen fließen,dass Protokolle an alle gehen und dass Entscheidun-gen, die die einzelne Kirchengemeinde betreffen, imjeweiligen Kirchengemeinderat vorberaten werden.Der Gesamtkirchengemeinderat hat noch nie gegeneine Entscheidung eines einzelnen Kirchengemein-derates gestimmt. Da wir jetzt mehr Zeit haben, kön-nen wir vermehrt Themen der Gemeinde in denBlick nehmen.

Wie viel bekommt ein Gemeindemitglied von der Um-strukturierung überhaupt mit?WARZECHA: Im Idealfall merkt ein Gemeindemitgliedgar nichts. Die Umstrukturierung spielt sich auf derStrukturebene ab. Ich denke, die Gemeindemitgliederhaben zum größten Teil Vorteile, weil wir vieles pro-fessionalisieren konnten. In Herrn Haas haben wirjetzt einen verlässlichen Ansprechpartner vor Ort.DURNER: Ich glaube auch, dass es so ist. Den meistenist die Struktur nicht geläufig und sie machen sichkeinen Kopf. Mich hat noch nie jemand darauf ange-sprochen.

Würden Sie das Modell weiterempfehlen?WARZECHA: Ich habe das Modell schon vielfach vorge-stellt. Im Zusammenhang mit dem Projekt „Kirche amOrt“ machen sich viele auf den Weg und fragen beiuns an. Ich denke, es wird kein Weg daran vorbeifüh-ren, dass jede Seelsorgeeinheit vor Ort ihre Situationgenau analysiert und dann prüft, ob das Modell auch

bei ihr funktionieren kann. Man kann es einer Seel-sorgeeinheit nicht überstülpen.

Liegt die Zukunft der Kirche in Neresheim?DURNER:Bei uns hat es Zukunft, es passt für uns! Es istschon so selbstverständlich, dass wir gar nicht mehrdarüber nachdenken. Die Gemeinden müssen in Zu-kunft zusammenwachsen und das ist uns schon gutgelungen. �

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HAAS: Ich denke, man muss genau hinschauen, wo dieeinzelne Kirchengemeinde steht. Wie engagiert sie ist,wo sie vertreten ist, wie viele Gebäude sie hat, was sieunterhalten muss. Je weiter der Bogen gespannt ist,desto schwieriger wird es heute im verwaltungstech-nischen Sektor. Da stößt das Ehrenamt an seine Gren-zen. Je engagierter die Kirchengemeinden sind, destobesser ist eine Struktur, die alles Verwaltungstechni-sche zusammenfasst. Wie gesagt, für uns passt unserModell, aber es wird nicht überall das Ideale sein.WARZECHA: Also ich würde nicht so weit gehen, dassdie „Kirche der Zukunft“ hier in Neresheim liegt. Ichglaube nicht, dass unseres das eine Modell der Zu-kunft sein wird, sondern man wird immer auf die Si-tuation vor Ort schauen müssen. Unser Modell ist für

uns und für viele Gemeinden, die sich in einer ähnli-chen Situation befinden, eine Option, eine Verbesse-rung, eine Weiterentwicklung. Ich möchte nicht mehrdarauf verzichten müssen. Aber ich glaube auch, dasses nicht überall passt. Es gibt Bereiche, da bringt eskeine Verbesserung, da ist auch das jetzige nicht dasrichtige Modell. Ich glaube, dass die Kirche der Zu-kunft nicht in der Struktur, sondern in der Pastoralentschieden wird.

TEXT DANIEL KÖSTLINGER (26), NATALIE EICHWALD (22)

Die Gesamtkirchengemeinde (GKG) Neresheim um-fasst sechs Kirchengemeinden. Außerdem gibt eseine Klosterpfarrei, für die eine Sonderregelunggreift. Vor der Umstrukturierung hatte jede Ge-meinde neben dem Kirchengemeinderat (KGR)einen eigenen ehrenamtlichen Kirchenpfleger. Diegrößeren Gemeinden hatten außerdem einzelneAusschüsse, wie einen Verwaltungsausschuss, einenBauausschuss und einen Kindergartenausschuss.Hinzu kam ein gemeinsamer Ausschuss, in den alleGemeinden Vertreter entsandten. Dieser Ausschusskonnte jedoch nur beraten und keine Beschlüsse fas-sen, dazu mussten die jeweiligen Anliegen wiederzurück in den KGR gegeben werden.

Im Sommer 2011 kam die Idee auf, eine Gesamt-kirchengemeinde im ländlichen Raum als Pilotpro-jekt für die ganze Diözese zu gründen.

Zum 1. Januar 2013 trat das neue Modell in Kraft.Alle Kirchengemeinden bleiben dabei rechtlich selb-

ständig und haben nach wie vor ihren eigenen KGR,die Verwaltung der in der Ortssatzung vereinbartenBereiche wird an den Gesamtkirchengemeinderatabgegeben. Jede Gemeinde ist dort mit ein bis zweiKirchengemeinderäten vertreten. Dabei bleibt dasEigentum in den Händen der jeweiligen Gemeindeund wird treuhänderisch verwaltet. Durch den gemeinsamen Haushalt wurden die Abläufe verein-facht, Sitzungstermine und Geld eingespart. Die Kir-chengemeinden können sich jetzt mehr auf dasGemeindeleben konzentrieren, außerdem wurde eingemeinsamer Kirchenpfleger für die GKG eingesetzt.

Der Gesamtkirchengemeinderat trifft sich etwaalle drei Monate. Außerdem tagt regelmäßig der Geschäftsführende Ausschuss, um beispielsweisePersonalfragen entscheiden zu können.

Im Unterschied zu einer Seelsorgeeinheit kön-nen Verwaltungsfragen damit in der GKG entschie-den werden.

Gesamtkirchengemeinde im ländlichen Raum Neresheim als „Pilotprojekt für die Diözese“

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Wer sich dafür interessiert, Gemeindereferent/in zu werden, hat nun eine weitere Möglichkeit, zum theologischen Abschluss zu gelangen. In Kooperationmit der Katholischen Hochschule Mainz wird neben dem bisherigen Vollzeit-studium jetzt die Ausbildung über ein Fern- und Teilzeit-Studium angeboten.Für wen das alternative Modell interessant ist und welche Herausforderungenes beinhaltet, erklären Domkapitular Dr. Uwe Scharfenecker und Ausbildungs-leiterin Elisabeth Färber im Gespräch. �

„Ein Weg, zu dem es Mut braucht“

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Neu: Mit Fernstudium zum pastoralen Beruf Gemeindereferent/in

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Für den Beruf der Gemeindereferentin beziehungs-weise des Gemeindereferenten gibt es nun einen al-ternativen Zugangsweg als Teilzeit-Variante. Wie kames dazu? SCHARFENECKER: Wir haben ein starkes Drängen ge-spürt. Immer wieder gab es vor allem Frauen, dieWege gesucht haben, Gemeindereferentin zu wer-den. Meistens kamen sie aus der Familienphase undsagten: „Die Kinder sind aus dem Gröbsten heraus,jetzt möchte ich einen pastoralen Beruf ergreifen“.Für theologisch Interessierte gibt es außerdem seitJahren von der Domschule Würzburg einen Fernkursfür Theologie, initiiert von der Bischofskonferenz.Auf dieser Basis haben sich viele gewünscht, einenpastoralen Beruf ausüben zu können. Bisher war dasaber nicht möglich, über Jahrzehnte war die Antwortauf diese Anfragen also: Nein. Jetzt hat sich endlichdieser wunderbare Weg eröffnet.

Warum reichte der Würzburger Fernkurs bisher nichtaus? FÄRBER:Die Qualität des Berufs war uns immer wich-tig, es ging uns um die theologische und religions-pädagogische Qualifikation. Wir konnten undwollten auch wegen der Vergleichbarkeit nichtsagen: Jetzt gibt es noch einen „Soft-Weg“ über denFernkurs mit viel Lernen in der Praxis. Das Problemim Fernkurs ist vor allem, dass man als Solitär unter-wegs ist. Die Herausforderung in der pastoralen Pra-xis ist aber die Kommunikation der Theologie.

Sie haben schon angedeutet, dass vor allem Frauennach der Familienphase eine Zielgruppe bilden. Fürwen ist das Angebot noch interessant?FÄRBER: Für alle, die sich beruflich neu orientierenwollen. Aber auch für die, die vielleicht in einem an-deren Land etwas Ähnliches studiert haben und jetzt

bei uns arbeiten wollen. Je nachdem, was jemand anQualifikationen mitbringt, ist ein Quereinstieg mög-lich. Wir haben jetzt auch schon Interessenten, fürdie sich hier ein Weg eröffnet.

„Wir haben jetzt schon Interessenten, für die sich hier ein Weg eröffnet.“

Wie funktioniert der neue Zugang denn genau? Wel-che Schritte geht man bis zum pastoralen Beruf? FÄRBER: Die Kurzfassung geht so: Als Erstes klärtman, ob die Voraussetzungen passen. Man brauchtmindestens einen mittleren Bildungsabschluss undeine abgeschlossene Berufsausbildung oder Abiturund ein abgeschlossenes Hochschulstudium. Dannbewirbt man sich an der Domschule Würzburg zu-nächst für die Aufnahme in den Grundkurs und gehtzu einem Beratungsgespräch zu „Berufe der Kirche“in Tübingen. Dann beginnt das Fernstudium. Wielange man dafür braucht, ist individuell verschieden.Im schnellsten Fall braucht man pro Kurs ein Jahr.Nach den vier Kursen kommt der Block an der Hoch-schule Mainz, der zum Bachelor-Abschluss führt. DieBerufseinführung in der zweiten Bildungsphaseläuft dann gemeinsam mit den Bewerbern aus demVollzeitstudium.

Die Praxis scheint eine große Rolle zu spielen, oder?FÄRBER: Ja, sowohl im Vollzeitstudium, als auch überden alternativen Weg spielt die Praxis eine wichtigeRolle. Beim bisherigen Modell haben die Bewerberim Berufspraktischen Jahr eine Ausbildungsstellemit Mentoren in Schule und Gemeinde. Beim alter-

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nativen Weg geht diese Trainingsphase mit Mento-ren in der Praxis von Schule und Seelsorgeeinheitzwei Jahre mit mindestens 50 Prozent. Ich glaube,das ist ein wichtiger Ansatz, Theologie im Hand-lungsfeld und im Leben, in der Begegnung mit Men-schen zu lernen.

Auf der Übersichts-Grafik sieht das so aus, als ob dasalles ziemlich lange dauert ... FÄRBER: Ja, selbst wenn man es wirklich im Turbomacht, sind es mindestens sechs Jahre plus Berufs-einführung.

Das ist lang ... SCHARFENECKER: Es stimmt, das ist eine lange Zeit,aber wenn man bedenkt, dass das bisherige Vollzeit-studium mindestens drei Jahre plus Berufsprakti-sches Jahr und Berufseinführung beinhaltet, dannist das für eine Ausbildung, die nebenberuflich undin Teilzeit funktioniert, doch wieder angemessen.

Gibt es während der Ausbildung auch Berührungs-punkte mit den Studenten des Vollzeitstudiums?FÄRBER: Ja, die Fernkursstudierenden können ab demAufbaukurs auch in den Bewerberkreis aufgenom-men werden. Und dann gibt es gemeinsame Veran-staltungen für alle miteinander. Durch diese Erfah-rungen entwickelt sich trotz unterschiedlicher Zu-gangswege ein Wir-Gefühl: Wir machen diesenBeruf miteinander.

Im Studienplan ist neben der überwiegend familien-freundlichen Teilzeit- und Fernstudiums-Variante aucheine Präsenzphase von einem Jahr an der Hochschulein Mainz vorgeschrieben, an die sich die Bachelor-Ar-beit anschließt. Ist das nicht für viele Bewerber mit Fa-milie ein Problem?

SCHARFENECKER: Das ist die größte Herausforderungan dem ganzen Weg, das muss man klar benennen.Aber es gibt keine Alternative, es gibt kein Angebotohne Präsenzzeiten an der Hochschule – wenn manden Abschluss will, dann bleibt nur dieser Weg. FÄRBER: Ja, das ist für manche sicher eine Schwierig-keit, doch wenn man die Jahre anschaut, über diesich der Weg erstreckt, werden die Kinder in der Zeitgrößer und selbstständiger. Und wie in vielen ande-ren Situationen ist auch in diesen Familien die Wei-terqualifizierung eine Herausforderung an beideEltern. Ein gutes soziales Netzwerk der Familie ist sicher sinnvoll und hilfreich. Außerdem ist es vielen,die sich für den Weg interessieren, auch wichtig, eineQualifikation zu erwerben, die vergleichbar ist. Dasist die Basis für eine spätere Kooperation auf Augen-höhe. Dazu kommt, dass die Situationen in den Seel-sorgeeinheiten sehr differenziert sind und eher nochdifferenzierter werden. Professionelle Wahrnehmung,fachliches Wissen und Können, gründliche Reflexionsind unverzichtbar, um Veränderungsprozesse zukommunizieren und sich mit unterschiedlichen,manchmal sogar widerstrebenden Positionen ausein-anderzusetzen.

Was sind zusammenfassend die Vorteile des alterna-tiven Modells?SCHARFENECKER: Ein großer Vorteil ist für mich, dassfür die Menschen, die bisher keinen Weg hatten, umzum Beruf der Gemeindereferentin zu gelangen,jetzt ein Weg eröffnet ist. Die Anfragen der letztenJahre, die sagten: „Ich habe den Würzburger Fernkursund ich würde gern einen Beruf daraus machen“,das können wir jetzt endlich positiv bescheiden. FÄRBER: Das kann ich so unterstützen. Für mich istein weiterer Punkt, dass ich es klasse finde, wennMenschen mit unterschiedlichen Lebens- und �

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Berufserfahrungen die Arbeit mit Menschen und dieArbeit in religiösen Fragen als etwas Wichtiges fürunsere Zeit sehen und für sich selbst darin eine Be-rufsperspektive entdecken.

Was macht für Sie denn den Beruf des Gemeinderefe-renten, der Gemeindereferentin eigentlich aus? Fürwen ist er geeignet?SCHARFENECKER: Der Beruf hat meines Erachtens einideales Profil für Seelsorge in den Bereichen, die starknachgefragt werden von den Gläubigen. Zum Bei-spiel Sakramentenvorbereitung, Religionsunterrichtund Diakonie. Damit ist der Beruf für mich für Men-schen geeignet, die an Gott glauben und die denMenschen lieben. FÄRBER: Für mich hat es neulich ein Bewerber gigan-tisch gesagt: „Gemeindereferenten sind Leute, diereden so, dass man sie versteht. Und zwar, dass sie

jeder versteht. Und das will ich lernen“. Das hat michbeeindruckt. Für mich geht es in diesem Berufdarum, den Menschen, der mir jetzt gerade gegen-über ist, in die Mitte zu stellen, denn diesem konkre-ten Menschen gilt die Botschaft vom Reich Gottes.Und dafür zu sorgen, dass er oder sie nicht als Solitärdurchs Leben gehen muss. Dafür muss man echtesInteresse an den Menschen haben und sich etwastrauen – auch die großen Fragen des Lebens zu stel-len. Außerdem ist es ein Beruf, der oft im Gegenwindsteht. Es ist ein Weg, zu dem es Mut braucht.

TEXT ALINA RAFAELA OEHLER (25)

INFOBLOCK

Nach dem Abschluss des Grundkurses „Theologie imFernkurs“ mit Mindestnote 2,5 und einem Bera-tungsgespräch bei der Diözesanstelle Berufe der Kir-che können Interessent/innen im Religionspäda-gogischen Mentorat in den Bewerberkreis der Diözese aufgenommen werden. Der Bewerberkreissetzt sich zusammen aus allen Studierenden, dieeine Tätigkeit im pastoralen Dienst als Gemeinde-referent/in in der Diözese Rottenburg-Stuttgart an-streben.

Während des Grund- und Aufbaukurses neh-men die Studierenden von Theologie im Fernkursam diözesanen Begleitkurs in Tübingen teil (achtSamstage pro Jahr). Die Ausbildung im Religionspä-dagogischen Kurs beinhaltet einerseits weitere Lehr-

briefe des Fernkurses, andererseits einen Praxisteilvon ca. 30% an Schulen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Auch im Pastoraltheologischen Kurs gibtes neben den Lehrbriefen einen Praxisteil mit einemZeitaufwand von ca. 50% in einer Seelsorgeeinheitder Diözese Rottenburg-Stuttgart (nicht die Heimat-seelsorgeeinheit).

Danach kann in drei weiteren Semestern ander Katholischen Hochschule Mainz der BachelorPraktische Theologie erworben werden. Davon sindzwei Semester als Präsenzstudienzeit vorgesehen.Das dritte ist der Bachelorarbeit gewidmet und be-inhaltet Blockveranstaltungen in Mainz. GegenEnde des Studiums in Mainz erfolgt die Bewerbungfür die Berufseinführungsphase in gleicher Weisewie bei den Interessent/innen, die ein Vollzeitstu-dium absolvieren.

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„Als ob Gott mich gerufen hat“

Ich bin im Glauben aufgewachsen. Schon früh warich, obwohl ich zu meinem großen Ärger als Mäd-chen nicht ministrieren durfte, in der Kirche enga-giert: im Chor, als Kantorin, später in der Firm-katechese. Als ich nach meiner Hochzeit in eine neueStadt kam, wurde ich auch in der dortigen Gemeindeaktiv, nach einem weiteren Umzug brach der Kon-takt zur Kirche jedoch weitestgehend ab.

2012 kam ich nach einigen Glaubenszweifelnzum ersten Mal nach Taizé. Obwohl ich eher skep-tisch war, ließ ich mich auf den Ort ein – und hatteeine Begegnung, die mich verändern sollte. Ich hattedas Gefühl, nach Hause zu kommen, obwohl ich dortnoch nie zuvor gewesen war. Es war, als ob Gott michgerufen hatte. Auch wenn ich dieses Erlebnis bisheute nicht genauer beschreiben kann: Diese Nachtin der kleinen Kapelle im Ort von Taizé hat mich ver-ändert.

Wieder zu Hause angekommen begann ich,mich über Möglichkeiten zu informieren, mehr überGott und den Glauben zu erfahren. Ich fand im Internet das Würzburger Angebot „Theologie imFernkurs“ und entschied mich, das einfach malauszu- probieren – zunächst ohne großes Ziel. Wäh-rend der Zeit wuchs mein Interesse allerdings wei-ter, so dass ich nun im Aufbaukurs angekommen binund sagen kann: Ich möchte Gemeindereferentinwerden.

Eine besonders faszinierende Aufgabe ist es, mit Kin-dern und Jugendlichen den Glauben zu entdecken.Ich merke es bei meinen eigenen Kindern, von denenzwei noch sehr jung sind, immer wieder: Sie sind interessiert, sie stellen Fragen. Bei diesem Hungernach Antworten auf die Frage nach Gott und seinemWirken würde ich junge Menschen gerne begleiten.

Ob ich das Studium wirklich schaffe und die Diözese mich am Ende einstellt? Ich weiß es nicht.Aber auch wenn es nicht klappen sollte, so möchteich die Zeit im Fernkurs nicht missen. Es ist zwarnicht einfach, zum Beispiel jeden zweiten Samstagfür das Studium zu „opfern“ – aber durch die Be-schäftigung mit der Theologie habe ich schon vieleAntworten auf Fragen gefunden, die mich über-haupt erst angetrieben haben, den Kurs zu beginnen.

ZUR PERSONRegina Scheib kommt aus Backnang und hat drei Kin-der. Sie arbeitet als medizinisch-technische Laboratori-umsassistentin in einem Krankenhaus. Seit 2013 stu-diert sie parallel zu ihrer Arbeit „Theologie im Fernkurs“.

AUFGEZEICHNET VON SIMON LINDER (23)

Regina Scheib arbeitet in einem Krankenhaus. Eine Begegnung in Taizé hat sie auf einenneuen Weg gebracht – nun studiert sie berufsbegleitend Theologie und möchte Gemein-dereferentin werden.

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HL. MEINRAD: DER HÖRENDE

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„Alle Fremden, die kommen, sollen auf-genommen werden wie Christus; denner wird sagen: ‘Ich war fremd, und ihrhabt mich aufgenommen.‘“ So heißt esin der Regel des Heiligen Benedikt. Ja,mehr noch: „Allen Gästen begegne manbei der Begrüßung und beim Abschiedin tiefer Demut.“

Welch große Herausforderung in einer Zeit, inder so viele Menschen auf der Flucht sind und inneuen Ländern häufig auf die Angst vor dem Frem-den treffen. Die Regel des heiligen Benedikt führtuns eine Alternative vor Augen, welche im Lebeneines Christenmenschen eine besondere Rolle spieltund zum Leitmotiv werden kann.

Der heilige Meinrad lebte dieses Leitmotiv. Erlebte es so weit, dass er sein Leben dafür hingab.

Geboren zu Beginn des neunten Jahrhundertsim Sülchgau am Oberen Neckar irgendwo zwischenTübingen und Rottenburg wurde Meinrad als Knabein das Benediktinerkloster Reichenau zur Erziehungübergeben. Dort legte er später die Profess ab undempfing die Diakonats- und Priesterweihe. Er über-nahm um 824 die Leitung einer Klosterschule süd-lich des Zürichsees. Doch Meinrad zog es immermehr weg von den Menschen hin zu Gott, um sichdoch so wieder ganz den Menschen hinzugeben. Ergründete eine Einsiedlerzelle „im finsteren Wald“und lebte mit Unterstützung einiger frommer Leuteund der Säckinger Äbtissin Heilwiga über 25 Jahreals Einsiedler. Am 21. Januar 861 wurde er von zweibeherbergten Räubern erschlagen und fand so dasMartyrium.

Auf Althochdeutsch heißt Meinrad Meginrat –„großer Ratgeber“. Der Name ist bei Meinrad Pro-gramm. Er wurde zu einem wahrhaft Hörenden. DasLeben in der Einsiedelei hat ihn bereit gemacht, fein-fühlig und hellhörig zu werden für Gott und dieMenschen. So konnte er, ganz durchdrungen vonGottes Liebe, die Sorgen und Ängste der Menschen,die bei ihm Rat suchten, annehmen, um sie ihnen soein Stück weit zu nehmen. Es heißt, er habe gespürt,dass die zwei Männer, die er aufnahm, schlechte

Absichten hegten. Dennoch wählte er nicht den Wegder Verteidigung und schon gar nicht den Weg derFlucht. Er öffnete sein Herz und versuchte so, die ver-härteten Herzen der Männer zu erreichen.

Meinrads Haltung entspricht nicht unserer all-täglichen Erfahrung, nehmen wir doch allzu gernReißaus, wenn wir uns in Gefahr wähnen oder unsauch nur schon jemand unsympathisch erscheint.

In seiner Zeit im finsteren Wald hat sich dasLeben und die Haltung Meinrads immer mehr demLeben Christi angeglichen. Er hatte keine Angstdavor zu geben, christusgleich, bis zur völligenSelbstaufgabe hin. Er wusste, dass, wenn er gibt, ernur gewinnen kann. Er konnte geben aus dem tiefenGlauben heraus, sicher und angenommen zu sein inder Liebe Gottes.

Das Glaubenszeugnis von Meinrad ist in unse-rer von Angst und Gewalt beladenen Welt aktuellerdenn je.

Millionen Menschen sind auf der Flucht, soviele wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr.Viele von ihnen wollen auch in Deutschland ein si-cheres Leben führen.

Auf den heiligen Meinrad blickend sehen wir,wie groß der Preis sein kann, wenn wir unsere Her-zenstüren öffnen. Die Türen der Wertschätzung, derBarmherzigkeit, des Respekts und der Gastfreund-schaft. In den Augen der Welt mag dies unvernünftigsein. Doch mit den Augen des Evangeliums betrach-tet und seinem Auftrag folgend, ist es gerade dieserGlaube, der die Welt verändern kann. Die Gast-freundschaft, wie Meinrad sie gepflegt hat, ist daseindrücklichste Zeichen dafür, dass Gewalt nicht mitGewalt, Hass nicht mit noch mehr Hass beantwortetwerden kann. Die Liebe Christi, die er uns so ein-drücklich vor Augen führt, ist es, die allen Hass über-windet und jede Grenze übersteigt.

TEXT DANIEL KÖSTLINGER (26)

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Prälat Rudolf Hagmann (64) über die lebenslange Aufgabe, die eigene Berufung zu suchen und zu bewahren

Die langen Reigen vor der Heiligen Pforte in Santi-ago de Compostela werden mir in Erinnerung blei-ben. Jeden Tag sammelten sich in den Sommer-monaten tagtäglich viele Pilger auf dem weiten Platzvor der Kathedrale, um das geöffnete Tor zu durch-schreiten. Die Motive und die Gedanken, die siedabei begleitet haben, dürften so unterschiedlichund verschieden sein wie die Pilger selbst, aberwahrscheinlich hat jeder gespürt, welch großartigesSymbol eine offene Tür ist.

Zwei Wochen lang durfte ich in meinem Urlaubdieses Jahr bei der deutschsprachigen Pilgerseel-sorge in Santiago mitarbeiten und jeden Morgen aufdem Weg zu meinem Dienst durch die im Jahr derBarmherzigkeit geöffnete Heilige Pforte das Innereder großartigen Kathedrale betreten. Jeden Morgendas gleiche Ritual: eine geöffnete Tür, die in der Mor-genfrühe noch stille Kirche, dann die Umarmung desApostels, wie es die Pilger schon Jahrhundertelangtun und danach der Abstieg in die Krypta zum Grabdes Apostels, um dort sich dem tiefsten Geheimnisunseres Glaubens zu nähern: Im Tod ist das Leben.Dieser tägliche Weg war für mich wie eine geistlicheÜbung, die der heilige Ignatius in seinen Exerzitienbeschreibt, und sie hat mich jeden Tag von Neuemdarin bestärkt, meinen Beruf und meine Berufungdankbar anzunehmen.

Priester ist man nicht für sich selbst und zur ei-genen Erbauung, sondern immer für die Menschen.Mich begleitet das Wort aus dem Evangelium, wo esheißt: „Als Jesus die vielen Menschen sah, hatte er

Mitleid mitihnen“ (Mt 9,36),oder wo er Petrus undallen in derKirche, denPriestern erstrecht, Anteil gibt an seiner Hirtensorge und sie beauftragt, seine Schafezu weiden (Joh 21,16). Wir haben nicht unser Ding zumachen, wie man heute im Jargon gerne sagt, son-dern sind von ihm berufen, seinen Dienst, seineBarmherzigkeit, seine Leidenschaft für das ReichGottes weiterzutragen. Und das geht nicht ohne dieMenschen und ohne sich als Priester von dem, wasMenschen erleben und oft auch erleiden, berührenund bewegen zu lassen.

Darum ist mir das Bild von der offenen Tür sowichtig. Sie bezeichnet als Allererstes die OffenheitGottes, der als barmherziger Vater auf die Menschenwartet, woher sie und wie sie auch immer bei ihmankommen. Eine Offenheit, die nicht fesselt odergängelt, sondern jeden wie den verlorenen Sohn auf-richtet und annimmt. Gleichfalls zeigt mir die offeneTür aber auch, dass Gott jeden in seine eigene Ver-antwortung entlässt und ihm zutraut, sich demLeben und seinen Herausforderungen zu stellen.

Ich bin zutiefst dankbar, dass ich diese Offen-heit und Einladung Gottes verkünden und den Men-schen in ganz unterschiedlichen Situationen

Bild: Die Pforte der Kathedrale von Santiago de Compostela

Rudolf Hagmann ist Pfarrer in Tettnang

Die offene Tür

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erschließen darf. Gerade die Feier der Sakramente anden wichtigen Wendepunkten des Lebens lässteinen besonders erleben, was für eine Gnade es ist,dass uns Jesus Christus die Tür zu dem barmherzi-gen Gott geöffnet hat und offen hält. Der geöffneteHimmel gilt den Neugeborenen wie den Altgewor-denen, den Gesunden wie den Kranken, den Lieben-den wie den Verzweifelten, den Armen wie denReichen, den Einheimischen wie den Flüchtlingen;er gilt immer. Im Leben wie im Sterben ist der Him-mel offen. Und das zu bezeugen und zu feiern, daszu verkünden und zu leben ist ein wunderbarerDienst.

Wie vielfältig gerade in der heutigen Zeit desUmbruchs und vieler Veränderungen in Gesellschaftund Kirche der Dienst des Priesters und des Pfarrersgeworden ist, lässt sich nicht verleugnen und stelltmich immer wieder vor die Frage, wo für mich dienötigen Kraftquellen sind, aus denen ich Energieund Inspiration und immer wieder auch Ermuti-gung und Trost schöpfen kann. Dabei komme ichimmer wieder auf einen Rat zurück, den mir mal vorvielen Jahren eine Psychologin und Theologin gege-ben hat. Sie hatte mich damals auf Thomas vonAquin verwiesen, der in seiner großen theologischenAbhandlung sich ganz lebenspraktischen Fragen ge-stellt hat und gegen die Traurigkeit und Erschöpfungsieben Tröstungen vorschlägt. Empfehlungen, dienichts an Aktualität verloren haben und für michhilfreiche und konkrete Kraft-Quellen gewordensind.

Der Trost des Badens. Sei gut zu deinem Leib, damit die Seele Lust hat,darin zu wohnen. Jenseits von Verwöhnung oderVernachlässigung will ich meinem Körper durch Be-wegung und Pflege Gutes erweisen. Es ist die Grund-lage eines zufriedenen Alltags. Oder wie Thomas vonAquin sagt: Die Gnade setzt die Natur voraus.

Der Trost des Betens.Im Beten spüre ich die offene Tür Gottes besonders.Ich darf alles bringen und abladen. Besonders diePsalmen ermutigen mich, nichts, auch nicht Wutund Schmerz, vor Gott kleinzureden. Das persönlicheBeten und die Gemeinschaft des Betens in der Kirchezeigen mir unendlich viele Spuren der Liebe Gottesin meinem Leben.

Der Trost des Weinens.Tränen können die Seele erleichtern und stehen fürden Schmerz der Wahrheit, die manchmal nüchternund enttäuschend sein kann. Aber immer befreien-der als die vielen Illusionen, mit denen wir Men-schen uns oft genug belügen. Thomas wusste, dassdie Wahrheit, und sei sie noch so schmerzlich, freimacht.

Der Trost der Lust und Freude. Vielleicht würde der heilige Thomas das heute sosagen: mit allen Sinnen offen und bewusst leben.Schon das lateinische Wort für Weisheit, Sapientia,beinhaltet die Fähigkeit des Schmeckens und Genie-ßens. Eine gepflegte Lebenskultur im Alltag, zu derfür mich besonders auch die Gastfreundschaft zählt,dient nicht nur der körperlichen und geistigen Rege-neration, sie lässt mich dankbar erleben, wie reichmich Gott gesegnet hat. Vielleicht ist die Dankbar-keit das stärkste Gegenmittel gegen allmählicheFrustration und Verbitterung.

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Der Trost des Schlafes.Die Fähigkeit des Loslassens zeigt sich im Schlaf wiein jeder Form der Unterbrechung und Gelassenheit.Nicht nur mein Körper, auch meine Seele brauchtden Schlaf, damit sie sich durch die Träume reinigenund erneuern kann. Nicht umsonst erzählt die Bibelviele Schlafgeschichten, nicht nur weil der Tod desSchlafes Bruder ist, sondern weil Gott beim schlafen-den Menschen oft eher ankommen kann als beieinem hoch aktiven.

Der Trost der Wahrheit.Thomas liebte die Erkenntnis als Frucht des eigenenNachdenkens. Wahrheit hat etwas mit Gründlichkeitzu tun, den Dingen auf den Grund gehen und sichnicht zu oberflächlichen und vorschnellen Urteilenhinreißen lassen. Die Dinge so sehen, wie sie sindund geworden sind, kann sehr anstrengend sein.Aber nur so kann sich etwas ändern. Bei mir und beiden anderen. Das wussten auch die Kirchenväter, diedarum betonten, dass nur erlöst werden kann, wasauch angenommen ist

Der Trost des Gesprächs.Dieser Trost ist mir besonders wichtig und hilfreichgeworden. Gerade die Gespräche mit Freunden undFreundinnen helfen mir, meinen Alltag immer wie-der neu zu ordnen, Prioritäten zu setzen und michauch freundschaftlich korrigieren zu lassen. Sie stär-ken mir oft den Rücken, und sind mir wichtige Rat-geber, vor denen ich auch meine Fragen undProbleme nicht verschweigen muss.

Mit diesen Schritten versuche ich zu leben und erin-nere mich oft an den weisen Ratschlag, den mir ein-mal ein Mönch auf dem Berg Athos mitgegeben hat:

„Vergiss nicht in deinem Leben: Die Vollkommenheit gibt es erst bei Gott.“

Mir hilft das, mit allem Ungenügen und Unvollkom-menen versöhnter umzugehen und trotz allem aufdem Weg zu bleiben, um das zu leben, was mir meinRegens damals beim Eintritt ins Priesterseminar vorüber 38 Jahren gesagt hat:

„Sei, der du bist, und werde, was der Hl. Geistdich werden lässt.“

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TERMINE

Anmeldung

für die Angebote der

„Diözesanstelle

Berufe der Kirche“

bis eine Woche vorher bei:

berufe-der-kirche@

drs.de

ANGEBOTE DER DIÖZESANSTELLE BERUFE DER KIRCHE

Mittwoch, 18.01.2017, 9:30 – 16 UhrTheologie studieren in Tübingenin Tübingen, Johanneum und Theologicum:Infos rund um das Theologiestudium in Tübingen

Samstag, 25.03.2017, 9:30 – 17 UhrEin Beruf mit Menschen – Gemeindereferent/inin Stuttgart, Haus der katholischen Kirche:Infos zu Studium und Beruf Gemeindereferent/in

Freitag, 07.04.2017, 18 Uhr bis Sonntag, 09.04.2017, 13 Uhr Zu Gast im PriesterseminarBegegnungstage für junge Männer zwischen16 und 35 Jahren mit Interesse am Priesterberuf

Freitag, 12.05.2017, 9:30 – 16 UhrNah dran an Gott und den Menschenin Tübingen, Johanneum:Infos zum Beruf Pastoralreferent/in

PÄPSTLICHES WERK FÜR GEISTLICHE BERUFE – GEBETSGEMEINSCHAFT FÜR BERUFE IN DER KIRCHE

Sonntag, 07.05.2017, 17 UhrMaiandacht in St. Barbara, Stuttgart-Hofenab 16:30 Uhr Rosenkranz in der Kirche

Sonntag, 29.10.2017, 17 UhrPWB-Rosenkranzandacht in St. Barbara, Stuttgart-Hofenab 16:25 Uhr Rosenkranz in der Kirche

SPENDEN AN DAS PÄPSTLICHE WERK FÜR GEISTLICHE BERUFE

Wenn Sie die Arbeit des Päpstlichen Werkes für geistliche Berufeunterstützen möchten, ist uns Ihre Spende willkommen!Empfänger: Bistum Rottenburg-Stuttgart Volksbank Herrenberg-Rottenburg · IBAN: DE48 6039 1310 0005 4040 02Verwendungszweck 1: 512020 · Verwendungszweck 2: Päpstliches Werk für geistliche BerufeFür eine Ausstellung einer Zuwendungsbestätigung benötigen wir den Namen und die Adresse des Spenders. Vielen Dank!

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„In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus denBefehl…“ – dieser Anfang ist uns allen sehrvertraut. Dieses Jahr hören wir ihn zum letz-ten Mal. Die neue Einheitsübersetzung bringtgroße und kleine Veränderungen. So findet,wer genau liest, nun die Apostelin „Junia“(vorher Junias) und statt „Jahwe“ „HERR“. Weralso wissen will, was sich im Vergleich zur bis-herigen Fassung von 1979 noch so alles geän-dert hat, kann den Advent zur Bibel-Zeitmachen. Überraschungen garantiert.