Meine Wanderungen und Erlebnisse in...

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Meine

Wanderungen und Erlebnisse

Persien

fiziLXx V et na. lo©ry

.

Nach der ungarischen Original-Auggabe.

Pest

1867.

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Herrn Dr. Joseph Budenz

UL Bibliothekar axi der xxagßaeimoliexx A.oademie in Pest.

Wxlirend meines mehrjährigen Aufenthaltea in türkischen HäuMrn,

auf meineD rnttluamen Wandernngen im fernen Osten , in vielen (lüstern

Mcmientcn meines hartgepHiflen Lebens waren es oft Deine von inniger

Freundschaft durchwehten Briefe, die mich ermunterten nnd trütteten.

Du hast gediiMig so manch lange Epistel von mir entgegen genommen,

nehme niin auch die Dedication der deuttchen Auagahe meiner Wandt-

mngtn vmd Erlebniue in Fernen ab Zeichen meiner Dankbarkeit an von

Lieber Freund!

Deinem aofrichtigen

H. VAmMry*Pest, Oetober 1867.

Inhalt

Seite

Vorrede —Nach Teheran 1

Der König und sein Hof 106

Mein Ausflug nach Stidpersien 119

Merkwürdigkeiten von Isfahan 160

Die Isfahaner 168

Boinen von Maderi Sulejman 198

RuineD von PersepoUs 209

Schiras 225

Ruinen von Nakschi Riistem 245

Rückkehr 251

Von Teheran bis zum kaspiachen Meere 261

Bab und Babi's 286

Durch Chorasan gegen Westen auf meiner Rückreise aus

Mittelasien 310

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einem reichbepackten Maulthiere, dessen Last, bestehend

aus gedörrten Früchten, Gretreide und andern in Natu-

ralibus bezahlten Honorarien, als Ertrag seiner ärztlichen

Kunst nun heimgeführt wurde. Auf der ganzen Strecke

erzählte mir der beredte Aeskulap von nichts Anderem,

als von seinen Wunderknren, immer sein Erstaunen aus-

drückend, dass dieFrengis sich erkühnen hier in Persien

mit ihrer medizinischen Kunst aufzutreten, in Persien,

der Heimat Ali Ben Sinas (Avicenna), wo es noch

heute so viele gelehrte Schüler des grossen Bokrats (Hi-

pokrates) gebe. Er bemerkte ganz naiv, dass es ihm ge-

lungen wäre, durch seine Amulets und Talismane sel-

tene Wunderkuren zu produziren und wenn ich den

sonst belesenen und rationellen Mann sprechen hörte,

wie er Teufel verjagte, unfruchtbare Frauen fruchtbar

machte, Stummen, Blinden und Tauben Stimme,Gesicht

und Gehör zurück gab, und dieses Alles durch einige

kabbalistische Worte, konnte ich mich wirklich des

Staunens nicht enthalten und hatte die Gewissheit, dass

er selbst Überzeugt sei von dem, was er sprach.

Von Medizin ijelano^te er zur Beschrcihuiif? der Stadt

Zendschans, deren Merkwürdigkeiten und letzte Bege-

benheiten, von welchen das meine Aufmerksamkeit ammeisten fesselte, was er mir als Augenzeuge von der

Revolution und dem Strassenkampfe der fanatischen

Sekte der Babis erzählte, einer Sekte, von der wir in

unserer Reise von Mazendschan ausführlich sprechen

werden, und die hier eine bedeutende Rolle spielte. Als

wir von dem mit Ruinen dicht bedeckten Aeussern

der Stadt Zendschan ins Innere uns begaben, wurde mir

jeder Punkt als ein Schauplatz der Heldenthaten jener

Wildbegeisterten gezeigt. Hier soll Einer gegen 40 ge-

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kämpft, dort soll eine übernatürlicbe Gestalt sich gezeigt

haben; es war des Ausserordentlichen gar viel, das er

über die Babis wusste, doch so viel schien mir gewiss,

dass der Kampf hier ein harter war, denn obwohl schon

mehrere Jahre seit den Wirren vergangen, so trägt Zend-

schan doch noch starke Spuren derselben. Auf meinemWege zum Karavanserai fielen mir am meisten die in

der Stadt an vielen Orten erhobenen langen Stangen

mit schwarzen Flaggen auf. Es war die ersten zehn Tage

des Monats Moharrems, während welchen man im gan-

zen Islam sich besonderer Festlichkeiten enth&lt^ hier

aber in der Schiitenwelt hält man sich schon einen Mo-

nat früher in Trauer und beschäftigt sich blos mit Fasten,

£legienrezitirung und Tazie-Beiwohnung. Die Stangen

bezeichneten jene öffentlichen Orte, wo letztgenannte

theatralische Vorstellung gegeben werden soll und sind

auch in den Nachmittagsstunden von einer grossen Masse

der Frommen umgeben. Alle Welt sprach von einem

berühmten Sänger, der in der Rolle Ali Ekbers sich aus-

zeichnend, heute bei der Tazie des (Jouverneurs debuti-

ren sollte und man kann sich leicht denken, dass ich,

kaum im Karavanserai angekommen, nichts sehnlicher

wünschte, als derselben beizuwohnen, da die Zeremonie,

welche ich im kleinen Nikbeh gesehen, meine Neugierde

im höchsten Grade erweckte.

Der Menge mich anschliessend, gelangte ich bald in

den Hof des Gouverneurs, in dessen Mitte sich eine 6 Fuss

hohe viereckige Terrasse, hier Saku genannt, erhob, umwelche herum aufhohen langen Stangen Tiger- und Pan-

terhäute, stählerne und lederne Schilde, schwarze Fah-

nen und nackte Schwerter aufgehängt sind, mitunter auch

einige Lampen zur Beleuchtung der nächtlichen Vorstel-

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vernahm, dass Scheich Tabersi, die berühmte Festung

der Babia, jener Beiigionsschwibnneri die einst die gamümgebnng mit Schrecken erfüllten, ancb Uer in der

Nähe sei, so hatte ich eine wahre Freude aus dem Munde

einiger Angenaseugen über die Kämpfe dieser berühmten

Fanatiker spredien sra hören.J% die Sekte der Babi's ist

eine seltene Erscheinung in der Kulturgeschichte Per-

siens und da die Geschichte des Auftretens und Unter-

gdiens dieses notorischen Propheten anch ßkr meine

aterUadischen Leser von Interesse sein mag, so wollen

wir hier einen kleinen Abstecher machen und während

unsere Karavane auf dem Wege nach Sari langsam hin-

sieht, wollen wir eniihleny wer dieser Bab war, wie er

sa so hohem Rufe kam nnd wie er unterging.

Bab und Babi's,

In Schiras lebte 184d ein jonger Hollah, NamensMirza Ali Mohamed, der durch sanen Scharfsinn, seine

Bewandertheit in den heiligen Büchern, sein angenehmes

Auessere, seine wohlklingende Stimme nnd sonstige

grosse Rednergaben rieh sdion frfih im Kreise sriner

Bekannten hervorthat. Zu diesen Eigenschaften gesellte

sich noch der Umstand, dass er als Seid seine Abkunft

in erster linie von der Familie des Propheten ableitete

nnd die doppelte Achtung vor sriner Indiyidnalitttt so-

wohl als vor seinen Fähigkeiten hat das von Natur aus

erhitzte Gemüth des jungen Mollahs auf gar sonderbare •

Gefühle derSelbstbewonderang andSelbstübenchätBong

gebracht» Sidi nicht begnügend mit dem gewöhnlichen

Lauf der Studien, welchen die Religionsgelehrten in Fer-

nen obliegen, fing er schon frühzeitig an mitRoma-aat» d* h. verborgenen Wissenschaften an beschäftigen^

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verkehrte viel mit Gebern, Juden und Armeniem und

da er, mit dem alten Zustande der Dinge nnsnfrieden,

stets im Grübeln naeh Nenem und Ausserordentlichem

sich vertiefte, da er mit einem Worte im Wahne seiner

Grösse auch mit dner ttberraachenden Produktion seiner

Gmtesfiihigkeiten hervortreten wollte, so hatte den fen>

rigen Südländer schon früh die Idee beschlichen, das

alte religiöse Gebäude des Islams über den Haufen zu

werfen, an dessen Stdle einen neuen Glauben su

errichten und sich sls Plropheten dieser neuen Lehre

der Welt zu zeigen. Dass man mit diesen Ansichten

im islamitischen Osten nicht so plötslich hervorrücken

kann, wird Jeder leicht einsehen und Seid Ali Moha>

med wusste dieses am allerbesten. Um sich seine fer-

nere Macht 2ni verbürgen, durfte er seinen Ruf als

frommer b^gdsterter Schiite nicht im vorhinein aar»

stören. Er führte deshalb lange Zeit ein strenges Asce-

tenleben, hielt Mohamed und die Imame für Gegenstäude

seiner tiefsten Verehrung und um im Lichte eines von

Gott begeisterten Mannes nodi besser prsngen su kön-

nen, trat er sogar eine Pilgerrrise nach Mekka an. Vonda ging er nach Bagdad, um die in der Umgebung be-

findlichen heiligen Orte der Schiiten su besuchen. Auf

demWege hatte er es immer verstanden dne neugierige

Menge seiner Landsleute an mch su locken. Seine begei-

sterte Rhetorik soll Wunder gewirkt haben und manersfthlt, dass Leute, die su ihm gingen, um sich im Is>

lam unterrichten su lassen, durch dieMachtseinerWorte

derartig bethört worden, dass sie im Feuer ihres Enthu-

siasmus es kaum bemerkten, dass der Mollah, anstatt

sie in ihrem Glauben su stttrken, eben von demsdben

abgelenkt hebe. Von den Ufem des Tigris nach seiner

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Vaterstadt anirückgekehrt, hatten seine ßeiaegefährteny

welche seine eriten Anhänger waren, ihm bald dne

grosse Zahl von Proselyten erschaft. Von Grrttndung

einer neuen Religion war öffentlich noch nicht die

Rede. Man erzählte sich nur, dass Hadschi Ali Moha-

med gar wunderlich schöne Dinge spreche. Sein Hann

war daher bald bestürmt von Zuhörern, auf der Strasse

seigte er sich stets in grosser Begleitung aller Klas-

sen der Bevölkerung, MoUalis sowohl als Handwer-

kern und Bauern, und wie man mir in Schiras endihlte^

war es zu dieser Zeit nicht so sehr die Idee einer

neuen Religion, als seine schlagende Logik, mit der

er die Missbr&uche der ttbrigen MoUahwelt rügte, seine

kühnen Behauptungen über manche sweifelhaften Stel-

len in der heiligen Schrift, von welchen alle Welt

sprach« Dass diese Mollahs bald seine bittersten Feinde

werden mussten, ist begreiflich; er wurde von ihnen für

dnen Verführer erklärt und als ein Ketzer verachtet,

was ihm aber bei seiner Partei, da die herrschenden

Hollahs in Iran nicht besonders beliebt sind, um so

mehr Ansehen yerschaffbe. Als er in mehreren öfbnt^

liehen Disputationen die ersten Notabilitäten der ülema-

welt Schiras durch seine unvergleichliche Beredsamkeit

schlug und dieser Sieg ihm die Palme der unbestritten

nen Superiorität brachte, so fing unser Schwärmer auch

bald an mit seinen wirklichen Absichten hervorzutre-

ten. Er deutete darauf hin, dass nicht nur die Mollahs

von Schiras, nicht nür die Hollahs von Iran, sondern

sämmtliehe Hollahs im Islam im Irrthume wären und

dass er, im Besitze des Diamanten des wahren Glaubens,

denselben bald derartig werde glänsen lassen, dass seine

Strahlen die Beditgläubigen aus den fiemsten Regionen

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ZU ihm locken und die Widerspenstigen mit Verblen-

dung bestrafen werde. Ja er ging bald noch weiter unddas Verhältniss zwischen ihm und dem Allmächtigen

seinen entflammten Jüngern einmal schildernd, soll er im

Arabischen ausgerufen haben: ,,Hu el ilm, ye ena babi

bi, (er ist die Wissenschaft, ich bin seine Pforte/^) d. h.

wenn ihr zu ihm gelangen wollt, könnt ihr nur durch

mich dahin kommen. Und da er sich mit dem Prädikate

on Bab (Pforte) bezeichnete, so wurde dieses bald sein

gewöhnlicher Name und Babi hiessen die Bekenner sei-

nes Glaubens.

Es ist wahrlich sonderbar, wie die Perser, die doch

dem Anscheine nach ei&ige Mohamedaner sind, und

besonders ihrer Sekte mit einem seltenen Fanatismus

anhängen, den mit ihren frühem Glaubensgrundsätzen

ganz widersprechenden Lehren des neuen Propheten

sich so blindlings ergeben konnten und es bestätigt die-

ses am allerbesten meine oft geltend gemachte Ansicht,

dass sie trotz aller äussern Bigotterie die schwächsten

Mohamedaner im Osten sind, Ihr leicht zu entflammen-

des Gemttth findet in Neuerungen und in Ausserordent-

lichkeiten befriedigenden Genuss, und wenngleich nur

Wenige die Essenz der babischen Lehre verstanden und

sich vielleicht in dieselbe auch nicht vertiefen wollten,

so wurden sie demungeachtet seine eifrigen Anhänger,

betrachteten ihn als ein übernatürliches Wesen, und

beehrten ihn oiit dem Titel Hazreti Ala (die höchste

Hoheit).

Die Behörde von Schiras, die das Auftreten Bab's

lange als einen unschuldigen Spass betrachtete, kamerst später, als Bab's Macht schon bedeutend angewach-

sen, zur Besinnung. Der Gouverneur Hirsa Hussein

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Chan beschloss im Vereine mit den geistlichen Autori-

täten die Sachlage dem Hofe von Teheran m unterbrei-

ten, bei welcher Gelegenheit man natürlich mit den

schwärzesten Farben die Gefahren malte, die durch das

Auftreten des ketzerischen Seids der wahren Religion

drohten. Aber Bab selbst, dem dieses sogleich hinter-

bracht wurde, gerieth nicht im mindesten in Verwir-

rung. Auch er schrieb eioeii Brief an den König und

dessen Minister, äusserte sich in bittem Klagen über

die Verworfenheit der ülemas und sagte, dass er, durch

eine göttliche Mission aufgefordert, diesem Uebel abhel-

fen wolle. Er wisse, dass seine mächtige Gegenpartei ihmgrossen Kampf verursachen werde, doch vertraue er der

Gerechtigkeit seiner Sache, für welche sowohl er, als

alle seine Gefährten gerne ihr Leben aufopfern. Es

regierte damals der schwache Mehemed Schah oder bes-

ser gesagt, sein Minister Hadschi Mirza Agasi, dessen

bizarre Idoen ül)er Religion, dessen Anhänglichkeit an das

Sofiwesen und merkliche Freundschaft mit den Gebern

die acht muselmannische Welt ohnehin erbitterten. Wievorauszusehen war, hatte dieser Minister trotz aller Ein-

flüsterunfjen der hohen Molhihs dem Schiraser Seid niclit

nur nicht mit genügender Strenge begegnet, sondern wie

Viele behaupten, im Verborgenen noch Schutz angedei-

hen lassen. Statt ihn aus dem Wege zu räumen, wurde

er zu Hausarrest verurtheilt, welche gelinde Behand-

lung seine Anhänger noch mehr frohlocken machte unddie Zahl der durch ihn Bekehrten vermehrte sich wirk-

lich von Tag zu Tag. Auch Bab selbst sprach klarer

und deutlicher über seine Mission, ja er bewegte sich

ganz frei und vermochte seine Lehre nicht nur in der

nächsten Umgebung, sondern in allen Theilen des Rei-

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cbes durch ausgeschickte Apostel zu verbreiten. Unter

diesen letztern that sich besonders ein gewisser Moliah

Hussein Buschrevie hervor, dessen grosse Fähigkeiten

selbst seine Feinde anerkennen. Er kam von Chorasan,

wo er seine Jugendjahre mit Religionsstudien und Ka-

suistik verlebte, nach Schiras, machte Bekanntschalt

mit der Iluchsten Hoheit und ward sogleich einer seiner

thätigsten und eifrigsten Helfershelfer. Auf seiner Rück-

reise trat er in Is&han öffentlich auf, und erwarb sich

eine beträchtliche Zahl von Anhängern, so auch in Ka-

schan und Teheran, wo er ein so grosses Aufsehen erregte,

dass selbst der König ihn zu sehen wünschte. Auch die-

sem und seinem Minister machte er Bekehrungsvor-

schläge, indem er ihnen das neue Religionsbuch seines

Chefs einhändigte. Wie uns Graf von Gobineau erzählt,

soll er unter andern auch darauf hingewiesen haben,

dass man in Hinblick auf die immer wichtiger werden-

den Beziehungen zwischen Iran und Europa einer solchen

Religion bedürfe, die die separatistischen Ideen, als: die

Verabscheuung des Frengi als unrein, die Vielweiberei

u. s. w., aus dem Wege räume und dass eine derartige

Idee schon drei grosse Monarchen MitteLiäieiis, naiulich:

den Grossmogul Schah Achbar, Schah Ismael und Nadir

Schah beseelt hätte. Bab strebe nun nichts anderes als

eine derartige Fusion an und sollte der König ihm ün-

tersttttzung leisten, so würde er sich mit unvergäng-

lichem Ruhme krönen. Mehemed Schah, ein Orientale

pur sang, dem das laisser aller am allerliebsten war,

strebte nach ganz andern Dingen, als die ihm MoUahHussein versprach. Er wollte nur von den Qualen der

heftigen Gicht befrdt sein, die ihn peinigten, er wollte

Ruhe und ohne gegen das Auftreten Bab's mit besonde-

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2U2

rer Erbitterung erfüllt zu sein, waren diese weitgreifen-

den beunruhigenden Worte genug, um Moliah Hussein

anzuzeigen, dass es ihm, wenn er nicht augenblicklich

sammt seinen Angehörigen Teheran verlasse, schlecht

ergeben werde. Dieser entfernte sich, doch der gezeigte

Widerstand vermehrte nur seinen Eifer undwo er immerim Lande sich zeigte, konnte die Kraft seiner Worte

Viele zur neuen Lehre bekehren. Er wurde nach Bab als

zweite Perstm betrachtet und man betitelte ihn den

Stellvertreter der AUerhdehsten Hoheit

Ausser diesem gab es aber noch zwei Haupträdels-

fÜhrer. Der eine hiess Hadschi Mohamed Ali Barfuruschi

(nämlich aus Barfurusch in Hazendran und der zweite,

oder besser gesagt, die zweite eine Frau aus Kazviu,

deren eigentlicher Name Zerm Tadsch von ßab in Gurret-

ül Ain, das heisst Augeubleude, verwandelt wurde. Vonder Schönheit und den Geistesföhigkeiten dieser letzte-

ren Frau werJt ii Wunderdinge erzählt. Sie war die Toch-

ter eines Mollahs, hatte sich schon früh mit Theologie

beschäftigt und wurde, naclidem sie die Lehren des

neuen Propheten erfasst, eine seiner eifrigsten Bekenne-

rnnien. Dem Flehen ihres Vaters, Onkels und Geuials

widerstehend, bekannte sie sich öffentlich zur neuen Re-

ligion, zeigte sich ohne Schleier auf öffentlichen Plätzen

und verkündete überall laut die Lehre, von deren Vor-

treÜlichkeit sie durcli uud durch überzeugt war. Es war

dies in der Islamwelt Irans eine seltene Erscheinung.

Eine schöne, j^ii^gc Frau, nicht nur gebildet, sondern

gclcliii, diu unverschleiert, aber mit seltenem tugend-

haften CharUkter umherzog, uud es war kein Wunder,

wenn ihr apostolisches Auftreten Ausserordentliches

wirkte.

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Diese drei theilten unter sich die Bekelirung ganz

Irans und es ist wahrlich merkwürdig, wie die R^e-rung sowohl in den letzten Jahren Mehemed Schahs als

auch zu Anfang der Tlironbesteigung Nasr-ed-din's mit

ruhigem Auge zusah, wie Bab durch seine Agitatoren

das Land in allen Richtungen unterminirte, wie er

durch seine neuen Lehren nicht nur zwischen Volk und

Behörde, sondern auch zwischen den einzelnen Mitglie-

dern derselben Familie Zwietracht säete und damit

Unheil stiftete, ja, wie er Iran ganz gemächlich zu einer

grossurtigen lievohition vorbereitete. Die ersten üfFent-

lichen Unruhen brachen in Chorasan aus. MoUah Hus-

sein, der sich dort an die Spitze der Neubekehrten stellte,

hatte der Regierung, die ohnehin mit Bekämpfung des

empörten Salärs beschäftigt war, viel zu schaffen gege-

ben. In Mesched sowohl, als in Nischabur kam es in

den offenen Strassen zu mehreren Gefechten. Die Babi*s

waren von dem Momente, da sie die neue Lehre annah-

men, auch erbitterte Vertheidiger derselben und Mul-

lahs und ruhige Kaufleute, die früher Waffen nur selten

handhabten, wurden durch den Eifer für die neue Reil-

gion in tapfere Krieger verwandelt. In (Chorasan jedoch

konnte Moliah Hussein Buschrevi keine Aussicht auf

eine grosse Partei erlangen. Er zog sich deshalb mit den

Sdnigen nach den Gebirgen Mazendrans zurück, wo seine

Bestrebungen ein glänzender Erfolg krönte. Denn kaum

war er einige Wochen dort, als sich eine solche Menge

des Volkes zu ihm bekehrte, dass der Gouverneur Ghau-

ler Mirza, einer fernem Vertheidigung der Provinz un-

fähig, bald in Teheran um Hilfe bitten musste. Ein

regelmässiger Feldzng wurde gegen die neuen Anhänger

geführt. Obwohl das Kriegsglück immer den schwärme»

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Tischen Religionskämpfern günstig war, so zwang sie

doohdieUebermacht sich zurückzuziehen,und da Schlupf

winkel im gebirgigen und waldigen Mazendran nicht

schwer zu finden sind, so hatten sie den auf dem Wegezwischen Sari und Bariurusch befindlichen Wallfahrts-

ort Scheich Tebersi zu ihrem festen Platze auserkoren.

Hollah Hussein, der wie immer an der Spitze stand, liess

den Ort befestigen. Gräben wurden um denselben gezo-

gen und in kurzer Zeiten hatten die kampfiiihigen Babi's

ihn mit Spdsevorrath derartig versehen, dass sie eine

beträchtliche Zeit auch den heftigsten Angriffen wider-

stehen zu können glaubten. Von hier aus wurde die

Bekehrung in der Provinz immer lebhafter betrieben.

Die beiden Führer Mollah Hussein Buschrevi und Mo-

hamed Ali Barfuruschi waren unermüdlich in ihrem

£ifer und man erzählt auch Wunder von der blinden

ünterthftnigkeit, mit welcher ihre Befehle befolgt wur-

den. Als sie später, zernirt, hart l)edrängt, viel zu leiden

hatten, zeigte sich auch die Entschlossenheit und Todes-

verachtung unter ihnen in solch glänzender Weise, wie

sie sonst bei Orientalen nur erhitzter Religionseifer her-

vorzubringen vermag. In Folge der Energie des Emir

Nizams, des tüchtigen Grossvesiers bei der Thronbestei-

gungNasreddin Schahs, zog eine grössereArmee zur Ein-

nahme Scheich Tabersi's. Anfangs gelang es den Babi's

mehrere glückliche Ausfälle zu machen, bei denen sie un-

ter den Fersern schreckliche Verwüstungen anrichteten.

Die Grausamkeiten, die bei derartigen Kämpfim auf bei-

den Seiten ausgeübt wurden, werden noch heute in Ma-zendran mit den gräulichsten Farben geschildert. Bis

endlich die Zahl der halbtoUen Babi's sich immer mehrverminderte, bis endlich Hollah Hussein Buschrevi selbst

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im Kampfe fiel uud die übrig gebliebenen, vom Hunger

gepeinigten den letzten Verzweiflungskanipf aufnahmen,

gelang es den königlichen Truppen dieses Nest, das weit

und breit Schrecken verbreitete, einzunehmen, doch nur

Uber den Leichenhaufeu der fanatischen Vertheidiger

konnten sie den Weg dazu finden.

Während dieser Kampf in Mazendran ganz Tran in

gespannter Neugierde erhielt, lebte Bab selbst iuternirt

in seinem eigenen Hause in Schiras mit Wenigen verkeh-

rend, wenn nicht mit übernatürlichen Geistern, wie die

Seinigen behaupten, und wirklich niuss er nun selbst an

die Wahrheit seiner Mission geglaubt haben, denn ist es

nicht wunderbar, dass während er dort im Stillen sass,

seine Lehre in allen Theilen des grossen Reiches unter

allen Ständen sich immer mehr verbreitete. Es waren

nicht nur Bauersleute^ sondern viele Mollahs, ja beson-

ders Seide, die dieser neuen Lehre zufielen und seihst

die Juden Persiens hatten sich für dieselbe interessirt.

Viel hatte zu ihrer Ausbreitung beigetragen, dass unter

ihren ersten Vorkämpfern energische Männer waren,

wie MoUah Hussein Buschrevi, der es selbst mit demSchah aufzunehmen wagte, und die häufigen Niederlagen

der königlichen Truppen waren die beredtesten Wunder-

thaten der neuen Lehre.

Kaum waren die Flammen der Revolution mit mäch-

tigen Blutströmen in Mazendran unterdrückt, als sich

der Kampf an einem andern Orte mit nicht weniger

Erbitterung entspann. Es war dies in Sendschan, der

Hauptstadt des gutbevölkerten Distriktes von ChamsE,

wo MolIah Mohamed Ali Zeudschani mit eben solch

erstaunlicher Energie, wie sein Glaubensgenosse in

Mazendran, die Bevölkerung erst gegen den dortigen

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Gouverneur, später gegen eine grosse von Teheran ge-

sandte Trappe aafUhrte. Man findet noch beute allent-

halben die Spuren der Verwüstung, welche dieser fürch-

terliche Kampf in Sendschan nach allen Richtungen

anrichtete. In der Zitadelle der genannten Stadt ver-

schansst, führten die Babi's, welche grösstentbeils aus

fHedlichen Bürgern sich rekmtirten, mit unerhörter

Erbitterung den Kampf, leisteten Wunder der Tapfer-

keit, bis auch sie endlich, von der Ueberzabl der könig*

liehen Truppen hart bedrängt, sich nur dem Verzweif»

lungskampfe hingaben. Bei einem solchen wurde nunMollah Mohammed Ali schwer verwundet und als er nach

einem mehrtägigen Leiden sein Ende herannahen fühlte,

versammelte er die Obersten seiner Anhänger um sein

Sterbelager, gab ihnen unter Kanonendonner seine let«-

ten Instruktionen; „er forderte sie auf', erzählt uns

Graf Gobineau, „sich durch seinen Verlust nicht entmu-

thigen zu lassen und bis zu Ende dem Feinde zu wider-

stehen. Er bewies ihnen, dass dies ein übrigens nicht sehr

kostspieliges Heldenstück wäre, denn was ihn betreffe,

werde er nach 40 Tagen wieder auferstehen und sie

selbst werden den Tod nicht viel härter empfinden. Erermahnte Jeden lächelnd, sich fröhlich und wohlauf-

gelegt zu zeigen; denn nichts darf betrüben, sagte er,

in derartigen Torttbergehenden Zufällen. Sa sprechend

gab er seinen (reist auf." Er wurde in den Kleidern mit

dem Schwerte an der Seite begraben. Doch seine Abwe-

senheit aus der Reihe der Kämpfer machte sich bald fühl-

bar. Die königlichen Truppen gewannen immer mehr an

Terrain und die fanatischen Anhänger Bab*s, zur Strek-

kung der Waffen genöthigt, wurden trotz des versproche-

nen Pardons auf die grausamste Weise hingemetzelt.

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Auch an andern Orten gab es weniger bedeutende

Anüitttnde und det schon genannte ener^sche Premier-

minister Persiens dachte, es sei hohe Zeit dieses Uehel

von der Wurzel ans zu vertilgen. Der Prophet von

Schiras wurde in seiner eigenen Wohnung gefangen

genommen, erstnach der Zitadelle Tschcgrek in Gilan ge-

bracht) von wo er zusammen mit zwei seiner treuesten

Bekenner nach Tebris in die Zitadelle versetzt wurde.

Hier lud man ihn erst vor eine grosse Versammlung

der ersten und gelehrtesten Hollahs der Stadt, die die

Falschlieit seiner Lehren aussprechen sollten, um auf

diese Weise im Auge der Bevölkerung sein Ansehen zu

vernichten. Bab bestand die heftige Kontroverse mit

merklichem Genie und Geistesgegenwart, doch da er

eines grellen Irrthums überwiesen werden musste, so

halfen alle seine Anstrengungen nichts und als Ketzer,

Verführer und Rebell gegen König und Religion ange-

klagt, wurde er zum Tode verurtheilt. Um die Welt von

der Sterblichkeit des Propheten zu überzeugen, wollte

man die £xekution unter möglichster Oeffentlichkeit

ausführen. Seine swei treuen Schüler begleiteten ihn

auf dem letzten Wege. Der eine, Namens Aga Seid Sen-

veizi, fiel von Martern und Qualen erschöpft zur Erde

und weinte bitterlich. Man versprach ihm Pardon unter

der Bedingung der Abnegation und Beschimpfung Bab's.

Von Schmerz überwältigt, vergass sich dieser und

spuckte seinem Herrn ins Gresicht, worauf er entlassen

wurde. Er floh nach Teheran, doch hat seine spätere

Reue ihn zu einem noch wildern Babi gemacht und er

starb auch einen der schrecklichsten Martertode. Der

zwdte Schüler war aber ganz standhaft, er wurde neben

seinem Meister an die Wand gelehnt, um erschossen zu

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werden. Beide wartin mit Stricken gebunden und manstelle sich die ausserordentliche Verwunderung vor,

als nach den Schüssen, die eine ganze Compagnie auf

beide Delinquenten abfeuerte, man aus dem dichten

Qualme Bab> den Propheten selbst, unbeschädigt undunversehrt hervortreten sah. Die Kugeln hatten auf

eine fiist unglaubliche Weise sämmtliche Stricke, mit

denen er gebunden war, zerrissen, ohne ihn im min-

desten beschädigt zu haben und da er von der Femeein Wachhaus sah, so stürzte er in aller Eile sich in

dasselbe.

Hätte Bab genug Greistesgegenwart gehabt, in diesem

Momente der äussersten Verwunderung der grossen

Menge, unter welcher er gewiss auch Anhänger hatte,

sich als einen durch ein göttliches Wunder Geretteten

zu zeigen, dieselbe zu harangiren, so ist es gar keinem

Zweifel unterworfen, dass weder die Truppen, noch der

König, ja irgend eine Macht ihn ein zweites Mal hKtte

vor den Tod stellen können. Doch die Qualen der letz-

ten Stunde hatten ihn aller Geistesfähigkeit beraubt, er

wurde ergriffen, ein zweites Mal angebunden und wennman auch jetzt nur mit Mühe Leute fand, die auf

ihn schiessen wollten, so hatte die zweite Decharge

dennoch seinem Leben ein Ende gemacht Er fiel zu-

sammen und seine Leiche wurde drei Tage lang, umdas Volk genau zu überzeugen, in allen Strassen herum-

geschleppt.

Bab war todt, doch das Feuer seiner Anhänger

war mit seinem Hinscheiden nicht nur nicht erloschen,

sondern es loderte mit doppelter Wuth auf in Liebe

für den gefallenen Märtyrer und in Bache gegen seine

Henker.

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Der jugendliche König Nasreddin Schah, den manimmer anspornte die Babi*s energisch zu verfolgen, Hess

auch wirklich alle erdenklichen Grausamkeiten an diesen

verüben^ welche die RachegefUhle nur noch mehr anfach-

ten und der König selbst entkam nur mit grosser Müheden Gefahren eines Attentates, welches einige entschlos-

sene Babi's an ihm ausführten. Von Zeit zu Zeit tauchen

immer neuere Gerüchte über Verschwörungen und

Attentate dieser geheimen Sekte auf und die leichteste

Ahnung genügt, um ganze Familien ausrotten zu lassen.

Als unerhörte Tortur wird selbst von den Persern die

Hinrichtung eines gewissen Suleiman Chans betrachtet^

der als Hauptverschwörer der Schuld überwiesen und

zum Tode verurtheilt wurde. Suleiman Chan, ein wohl-

beleibter Mann, hatte zuerst vier Schnitte in die Brust

bekommen, in welche brennende Kerzen gesteckt wurden

und man führte ihn so lange im Bazar herum, bis das

Wachs der Kerzen von den Flammen verzehrt war und

der Docht sich später am herausfliessenden Fett des

Delinquenten nähren musste. Daraufwurdeihm glühendeschwere Hufeisen auf die nackten Fusssohlen angeschla-

gen und aufs Neue wurde er herum geführt^ bis manihm endlich alle Zähne vom Munde herausriss und in

der Form eines Halbmondes auf den Schädel einschlug.

Da starb er erst. Es waren nicht nur Männer, nicht nur

Greise, sondern selbst Kinder und Frauen, die den Mar-

tertod des Babithums mit seltenem Stoizismus ertrugen.

Viele wollte man retten, indem man sie zur Abschwö-

rung aufforderte, doch selten, ja fast nie gelang es ein

Mitglied abtrünnig zu machen. Der Tod, nach ihren

Begriffen ein sehnsuchtsvoll erwünschtes Ende, ein nur

vorübergehender Schlaf, aus dem sie bald erwachen

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8ollteii| wurde Ton Vielen auf alle mögliche W^se ge-

sucht und ttberaus glücklich schätzten sich diejenigen,

die von ihrem geistigen Oberhaiipte als solches Werk-

zeug gebraucht wurden, als welches sie sich die Krone

des Märtyrerthums erwerben konnten.

Nachdem wir nun so Vieles über die Babi's selbst

gesprochen haben, wird der Leser mit Recht auch etwas

über ihr Gesetzbuch oder über den Geist jener Lehre

von uns verlangen können, die in einem kurzen Zeitraum

sich so viele Anhitnger verschafft hat und trotz aller

möglichen Ausrottungsversnche noch heute in Persien,

wenn auch nur verboro^en Bekenner zählt. Ich habe

während meines Aufenthaltes in Pcrsien Vieles von dem

Eanun (Gesetzbuch) der neuen Sekte sprechen gehört,

welches Bab selbst verfksst haben soll und von demeine ächte Kopie sich in der königlichen Bibliothek zu

Teheran befindet. Ja, neuerer Zeit soll auch eine Ab-

schrift davon nach Petersburg gegangen sein. Von Ab-

schriften dieses Buches im Besitze von Privaten kann

man nur selten etwas hören, denn der Ruf eines solchen

Eigenthums könnte einem als vermeinten Babi sehr

ge&hrlich werden und Niemand wagt es auch, sich eines

solchen Besitzes zu rühmen. So wie die Bücher selbst

daher nur in Verborgenheit gehalten werden, so schwebt

auch Uber die eigentliche Wissenschaft der neuen Lehre

ein dichter Nebel. Der Eine behauptet, Bab hätte Kom-munismus gepredigt, den Koran geleugnet und die In-

stitutionen des Islams gänzlich über den Haufen gewor-

fen. Andere gehen noch weiter und erzählen, dass er

ein juste milieu zwischen den Lehren der altpersischen

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und christlichen Religion schaffen wollte; am aller-

wahrachmnlichsten aber dttnkt mir jene Version, nach

welcher Bab die Prophetenreihe, die Mohamed aufge-

stellt hat; guthcissend) sich nur in so fern von ihm un-

terscheidet^ dass er den arabischen Religionsstifter nicht

den letsten der Propheten nennt, sondern die Fort*

Setzung der von jeher von Zeit zu Zeit eintretenden gött-

lichen Missionen für nothwendig hält, und da die Mensch-

heit seit Mohamed schon wieder ins grosse Meer der

Sünden versunken ist, so hat Gott es wohl befinden,

nun ihm eine Mission der Verbesserung und Belehrung

anzuvertrauen.

Als Prophet beginnt er die Eigenschaften der gött-

lichen Individualität zu detailliren, eine Abhandlung,

die viele Zeichen seines häußgen Verkehrs mit Christen

und Gebern an sich trägt; £r geht sodann zu den Insti-

tutionen der neuen Gresellschaft über, deren Leitung er

einer gewissen Anzahl von Priestern anvertraut. Tempel

gibt es keine, ausgenommen die Gräber der gefalle-

nen Märtyrer des Babithums. Auch die Kible, nämlich

.der Punkt, in welchem bestimmt ist sich beim Gebete

nach Jerusalem oder Mekka zu wenden, wird ausgelas-

sen. Die Babi 8 brauchen von geistigen Getränken oder

sonstigen dem Islam verbotenen Speisen sich nicht zu

enthalten, sind mit einem Worte von allen Aeusserlich-

keiten enthoben, die Mohamed seinen Anhängern strenge

befiehlt. Sehr streng verföhrt er gegen die Nichtbabi's.

Von diesen darf man keinen Pardon verlangen, auch

ihnen keinen geben. Sic; dürfen nichts besitzen, folglich

müssen sie aller Habe und alles Gutes beraubt werden,

was auch ein vorzüglicher Magnet für die habsüchtigen

Iraner war. An der Beute betheiligen sich nur das Volk

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und die Priester, der König und die Behörden spielen

überall eine sehr untergeordnete Rolle. Steuern oder

sonstige Eontributionen brauchen nicht gesahlt zu wer-

den. Nicht ohne Interesse sind seine Vorschriften über

die Ehe, welche er Jedem zur strengen Pflicht macht

und wenn er gleich dem Manne erlaubt eine zweite Frau

zu nehmen, so würde er solches Niemandem anrathen

und hält übrigens die Polygamie (ur sehr gefährli2h.

(Diese Vorschriften sollen Ursache gewesen sein, dasa

viele Frauen sdne eifrigen Anhänger wurden; er erlaubte

ihnen auch den Schleier zu beseitigen. Sie dürfen gleich

den Männern sich überall zeigen und haben im öffent-

lichen Leben dieselben Rechte wie die Erstem.)

Ein buntes Gemisch daher von Gutem und Schlech-

tem, von Bizarrem und Merkwürdigem ist es, was das

heilige Buch der Babi's enthält. Näher ist mir keines

von den sogenannten Eanuns (Gesetzbüchern)zuGesichte

gekommen und die schwachen Notizen, die wir hierüber

geben, stammen theils aus dem Munde der Perser, sind

aber auch theils in Gobineaus Abhandlung über Bab in

dem Buche „LesReligions et les Philosophies dansTAsi^

centrale" zu finden. Auf mich hat Bab sowohl als seine

Lehre Alles, nur nicht den Eindruck einer ernst gemein-

ten Reform, einer wirklichen Begeisterung machen kön*

nen. In meinem jahrelangen Verkehr mit den Orientalen

habe ich es gefundci], wie im Laufe dieser Blätter oft

bemerkt wird, dass eine grosse Neigung, von dem einen

Extrem in das andere zu feilen, bei ihnen vorherrschend

ist. Während der Zeit, die ich in Eonstantinopel ver-

lebte, sind zwei derartige Propheten aufgetreten. Beide

wurden von der mehr wachsamen türkischen Regierung

sogleich arretirt und beseitigt. In allen Theilen des

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dem lalam gehörigen Landes tauchen yon Zeit zu

Zeit einige erhitzte Köpfe auf, die mit dem Aufgebot^ ihrer reichen Phantasie aut kurze Zeit die öffentliche

Meinung in Anspruch nehmen. In einer Periode der

Anarchie ist es ihnen viel leichter sich Bekehrte zu

schaffen, doch wo nur ein Schatten der Regierung ist,

werden sie, als gefährlich der bestehenden Ordnung, be-

seitigt und vernichtet. Und da die besondern Glückszu-

fHllCy die gewissen Propheten und Reformatoren zur

Verewigung ihres Namens grosse Dienste leisten, nur

selten sind, da der Orientale, trotz aller seiner momen-

tanen Aufregung dennoch mit zäher Festigkeit an alten

Institutionen hält, so ist es leicht begreiflich, dass das

Werk der neu auftauchenden Propheten nur selten sie

selbst überlebt.

Sari, das sieh in der Mitte einer morastigen Gegend

erhob, war in einer Entfernung von drei Stunden schon

sichtbar , doch wird mir die Streckey die wir bis zur ge-

nannten Stadt zurücklegten, wasSchwierigkeit anbelangt,

eben so, wie der frühere Weg von Mazendran, unverges«?

lieh bleiben. Da es den Tag zuvor hier geregnet hatte, so

war der lehmige Boden beinahe einen Fuss tief aufge-

weicht, dabei ging der Weg ununterbrochen Über tiefe

Abgründe oder entlang eines gegrabenen Kanals, immer

aber auf solchem Boden, wo der klebrige Lehm die Füsse

unserer Reitthiere und Fussgänger derartig belegte,dass

man immer nach einigen Schritten zum Reinigen der Hufe

oderFußsbekleidung sich anschicken musste. Es war eine

unaussprechliche Qual. Hie und da fielen auch die armen

Thiere auf dem schlUpferigen Boden nieder. Nur weni-

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