mensch umwelt - helmholtz-muenchen.de · Biodiesel aus Rapsöl, wobei aber nur ein Teil der...

12
Informationen aus dem GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in der Helmholtz-Gemeinschaft Heft 2 / Oktober 2007 Bakterielle Kommunikation im Wurzelraum erforscht Böden als Nahrungs- und Rohstofflieferanten nutzen Neue Wege bei der Schadstoffsuche Von der Grundlagenforschung zur Umweltvorsorge mensch + umwelt

Transcript of mensch umwelt - helmholtz-muenchen.de · Biodiesel aus Rapsöl, wobei aber nur ein Teil der...

Page 1: mensch umwelt - helmholtz-muenchen.de · Biodiesel aus Rapsöl, wobei aber nur ein Teil der Pflan-zen genutzt wird, die Körner. Ein neuer Ansatz ist die Verwendung pflanzlicher Biomasse:

Informationen aus dem GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheitin der Helmholtz-Gemeinschaft Heft 2 / Oktober 2007

Bakterielle Kommunikation im Wurzelraum erforscht

Böden als Nahrungs- und Rohstofflieferanten nutzen

Neue Wege bei der Schadstoffsuche

Von der Grundlagenforschung zur Umweltvorsorge

mensch+umwelt

Page 2: mensch umwelt - helmholtz-muenchen.de · Biodiesel aus Rapsöl, wobei aber nur ein Teil der Pflan-zen genutzt wird, die Körner. Ein neuer Ansatz ist die Verwendung pflanzlicher Biomasse:

2 mensch+umwelt 2/2007

Impressum:Herausgeber:GSF – Forschungszentrum für Um-welt und Gesundheit GmbHin der Helmholtz-Gemeinschaft

Redaktion:Sonja Duggen, Cordula Klemm,Michael van den Heuvel, Heinz-JörgHaury, GSF – Abteilung Kommuni-kation, Neuherberg, Ingolstädter Landstraße 1, 85764 Neuherberg, Telefon: (089) 3187 - 2804unter Mitarbeit von Monika Wiedemann und Brigitte SchmidE-Mail: [email protected]://www.gsf.de/neu/Aktuelles/Zeitschriften

Fotos und Zeichnungen:Michael Rothballer, Helmholtz-Gemeinschaft, Ulla Baumgart, FAM-Archiv, Michael van den Heuvel, Bernd Müller, Nestlé, GSF-Institut für Bodenökologie,Sascha Reth, Christian Lindermayr,Anton Schäffner, Evelyn Bieber,Manfred Seyfarth, Petra Krämer, Rainer Dittrich

Titelbild: Bakterien im Gespräch: Je nach Aktivität leuchten sie auf der Wurzeloberfläche von Gerste in einer anderen Farbe. Laser Scanning Mikroskopische Aufnahme: Michael Rothballer

Layout: Karl-Heinz Krapf

Belichtung und Druck: Gerber GmbH Druck + Medien

Gedruckt auf Recyclingpapier

Mensch+Umwelt erscheint dreimaljährlich. Der Bezug ist kostenlos.Auszüge aus diesem Heft dürfen oh-ne jede weitere Genehmigung wie-dergegeben werden, vorausgesetzt,dass bei der Veröffentlichung dieGSF genannt wird. Um ein Beleg-exemplar wird gebeten. Alle übrigen Rechte bleiben vorbehalten.

ISSN 0949-0671

Das GSF – Forschungs-

zentrum für Umwelt und

Gesundheit erforscht Grund-

lagen einer zukünftigen

Medizin sowie Ökosysteme

mit wesentlicher Bedeutung

für die Gesundheit.

Die GSF ist eine Einrichtung

des Bundes und des Frei-

staats Bayern und gehört

der Helmholtz-Gemeinschaft

Deutscher Forschungszen-

tren, der größten öffentli-

chen Forschungsorganisa-

tion Deutschlands, an. Die

Zahl der Mitarbeiterinnen

und Mitarbeiter beträgt

rund 1 700, das Gesamt-

budget beläuft sich auf

177 Millionen Euro.

Bakterielle Kommunikation im Wurzelraum erforschtInnovativ für Landwirtschaft und Medizin nutzbar 3

„Wie umweltfreundlich sind nachwachsende Rohstoffe?“Ein Gespräch über die Neuausrichtung der Forschung auf dem GSF-Versuchsgut Scheyern 4

Vor und nach der GeburtToxine können das Hormonsystem beeinflussen 6

Doppelt Öko für präzisierten AckerbauAngepasste Landwirtschaft schont Umwelt und Finanzen 7

Transgenem Soja auf die Wurzel geschautGentransfer wird in geschlossenem System überwacht 8

Grüne Gentechnik als Vorbild Mikrobielle Peptide aus Pflanzen wirken antibiotisch 9

Quecksilber-RecyclingPflanzen können giftiges Metall aus dem Boden in weniger schädliches Gas umwandeln 10

Berichte und Publikationen 11

Patente und TechnologietransferLysimeterrückbautechnik 11

Antikörper identifizieren UmweltgifteImmunochemische Analyse für Marker im Körper, in der Natur und in Lebensmitteln 12

INHALT

Page 3: mensch umwelt - helmholtz-muenchen.de · Biodiesel aus Rapsöl, wobei aber nur ein Teil der Pflan-zen genutzt wird, die Körner. Ein neuer Ansatz ist die Verwendung pflanzlicher Biomasse:

mensch+umwelt 2/2007 3

Bakterielle Kommunikationim Wurzelraum erforschtInnovativ für Landwirtschaft und Medizin nutzbar

Auch Bakterien „sprechen“miteinander: Über chemischeSignalstoffe tauschen sie mit

ihren Nachbarn Informationen aus.Was genau Bakterien durch die Sig-nalstoffe erfahren und welche Kon-sequenzen sie daraus ziehen, habennun GSF-Wissenschaftler interdiszi-plinär untersucht. Gemeinsam mitauswertigen Kollegen entwickeltensie eine neue Theorie zur Kommuni-kation von Bakterien: Sie konntenerstmals zeigen, dass die bisherigenErklärungsansätze nur theoretischeExtreme einer Gesamtstrategie sind. ■ Bisher gab es zwei konkurrierendeTheorien dazu, welche Informationdie Bakterien über die Signalstoffegewinnen: Entdeckt wurde mikro-bielle Kommunikation in flüssigen Laborkulturen wie der des Leucht-bakteriums Vibrio fischeri, die ab ei-ner bestimmten Zelldichte zu leuch-ten beginnen. Daher wurde die Frei-setzung chemischer Signalstoffezunächst als kooperative Strategieverstanden, mit der die Zelldichtebestimmt werden kann, sogenann-tes Quorum Sensing. Allerdingsstellt Quorum Sensing aus evolu-tionärer Sicht keine stabile Überle-bensstrategie dar, weil auch Schma-rotzer von den freigesetzten Subs-tanzen profitieren können, ohne dieKosten für ihre Produktion tragen zumüssen. Etwas simpler ist der nicht-

kooperative Ansatz des DiffusionSensing: Hier wird mithilfe des Sig-nalstoffs lediglich festgestellt, wiegroß der die Zelle umgebende Raumist. Da andere Bakterien daran nichtbeteiligt sind, handelt es sich hierbeinicht um Kommunikation. ■ In einer heterogenen Umgebungwie der Rhizosphäre haben allerdingsbeide Strategien ihre Schwächen: DieWurzeloberfläche stellt eine hochkomplexe Matrix dar, in der Feststof-fe, Gele, Flüssigkeiten und Gasekleinräumig wechseln und wo zudemzahllose Organismen gleichzeitig„plaudern“. Deshalb wählten Dr.Burkhard Hense und Dr. ChristinaKuttler (IBB) zusammen mit Prof. Dr.Johannes Müller (TU München undIBB) diesen Lebensraum für die Mo-dellierung der mikrobiellen Kommu-nikation in einer komplexen natürli-chen Umgebung. Dabei arbeitetensie eng mit Prof. Dr. Anton Hartmann,Dr. Michael Rothballer (AMP) unddem theoretischen Biologen Dr. Jan-Ulrich Kreft (Universität Bonn) zu-sammen. Das Ergebnis: In der Rhi-zosphäre beeinflussen die räumlicheVerteilung der Bakterien und dieRaumstruktur der Umgebung dieKommunikation oft stärker als dieeinfache bakterielle Zelldichte. Besser beschreibt daher die Synthese beiderModelle, das sogenannte EfficiencySensing die Realität. Die Mikroben

nehmen hier anhand von kleinen Sig-nalmoleküle immer eine Mischung ausZelldichte, Zellverteilung undDiffusionslimitierung durch räumlicheBedingungen wahr, wobei sie die ge-wonnene Information zur effizientenSteuerung von aufwendigen Reaktio-nen und Biosyntheseprogrammen ver-wenden. Auch das Problem der Schma-rotzer wird so umgangen: Auf Wurzel-oberflächen oder in Biofilmen bildenverwandte Organismen häufig klonaleMikrokolonien. Da in diesem Fall alleVerwandten in nächster Nähe sitzen,kommen sie auch am ehesten in denVorteil der durch die Signalstoffe aus-gelösten Reaktionen – Fremde bleibenweitgehend ausgeschlossen. ■ „Die Gesamtstrategie des EfficiencySensing führt die bisherigen Theorienzusammen und erweitert sie. Es lässterstmals verstehen, wie und zu welchemZweck bakterielle Kommunikation funk-tioniert“, erklärt Hense und betont: „Effi-ciency Sensing wurde zwar aus Beob-achtungen und Modellierungen der Be-dingungen der Rhizosphäre entwickelt,aber es ist auf andere bakterielle Lebens-räume übertragbar“. Dies macht dieneue Theorie auch unter gesundheitli-chen und ökologischen Aspekten inte-ressant, denn Eingriffe in das bakterielleSignalsystem durch strukturverwandteStoffe stellen beispielsweise in der Land-wirtschaft oder der Medizin einen vielversprechenden Ansatz dar: Sie könnenpflanzenwachstumsfördernde Bakterienunterstützen, Schadorganismen hem-men oder Pathogene bekämpfen. ■ Monika Gödde

Literatur:B. A. Hense et al.: Does efficiency sensing unify dif-fusion and quorum sensing? Nature Reviews Micro-biology 5 (2007) 230-239.

Pseudomonas putida auf der Oberfläche von Gerstenwurzeln. Grün

markierte Bakterien produzieren das Signalmolekül N-Acylhomoserinlacton

(AHL). Gelb leuchtende Zellen sind von AHL-Signalmolekülen aktiviert,

während rot markierte Bakterien nicht auf AHL reagieren.Laser Scanning Mikroskopische Aufnahme: Michael Rothballer

Auf der Jahrestagung der Helmholtz-Gemeinschaft am

12. September 2007 wurde dem Team Dr. Burkhard Hense

und Dr. Christina Kuttler vom GSF-Institut für Biomathe-

matik und Biometrie (IBB), Prof. Dr. Johannes Müller von

der TU München und vom IBB, Prof. Dr. Anton Hartmann

und Dr. Michael Rothballer von der GSF-Abteilung Mikro-

ben-Pflanzen-Interaktion sowie Dr. Jan-Ulrich Kreft von der

Universität Bonn für seine herausragende interdisziplinäre

Forschungsleistung der mit 50 000 Euro dotierte Erwin-

Schrödlinger-Preis überreicht. Die Wissenschaftler haben

gemeinsam eine Theorie zur bakteriellen Kommunikation

erstellt, die erklärt wie Bakterien in einer komplexen

Umwelt organisiert handeln. Foto: Helmholtz-Gemeinschaft

Page 4: mensch umwelt - helmholtz-muenchen.de · Biodiesel aus Rapsöl, wobei aber nur ein Teil der Pflan-zen genutzt wird, die Körner. Ein neuer Ansatz ist die Verwendung pflanzlicher Biomasse:

Die GSF gibt ihrem Versuchsgut

Scheyern eine neue Ausrich-

tung: Ab 2008 sollen dort auch

nachwachsende Rohstoffe und

die Auswirkungen ihres Anbaus

bei verändertem Klima auf die

Ökosysteme erforscht werden.

In einem Gespräch erläuterte

Prof. Dr. Jean Charles Munch,

Direktor des GSF-Instituts für Bodenökologie, Ziele und

Inhalte der zukünftigen Projekte.

mensch und umwelt: Was ist der Grund für die Neu-

orientierung?

Munch: Die Landwirtschaft steht vor zusätzlichen He-rausforderungen: Vor dem Hintergrund knapper wer-dender Ölvorräte soll sie einen wesentlichen Beitrag zur Energieversorgung leisten. Bekannt ist das BeispielBiodiesel aus Rapsöl, wobei aber nur ein Teil der Pflan-zen genutzt wird, die Körner. Ein neuer Ansatz ist dieVerwendung pflanzlicher Biomasse: Die gesamte Pflan-ze wird abgeerntet und zum Beispiel in einem Bioreak-tor zu Biogas vergoren. In Scheyern wollen wir untersu-chen, wie sich diese Art der Bodenbewirtschaftung aufdie Ökosysteme auswirkt und wie ökologisch die Pro-duktion sein wird. Zudem sollen Bilanzen klimarelevan-ter Spurengasflüsse erstellt werden.

m+u: Welche Hauptaspekte sind dabei zu beachten?

Munch: Um viel pflanzliche Masse zu produzieren, mussder Boden viel Wasser abgeben. Der Wasserhaushaltunserer Landschaft wird verändert. Die Frage ist: Sinddie gewünschten Erträge erreichbar, wenn wir, womit zurechnen ist, zukünftig im Sommer weniger Regen ha-ben? Wenn die Reserve im Unterboden nicht mehr auf-gefüllt wird, weil die Pflanzen alles verbrauchen? VonMais, der hierzulande die meiste Biomasse liefert, züch-tet man jetzt bis zu vier, fünf Meter hohe Sorten mit ho-hen Gehalten an vergärbaren Kohlenhydraten. Solcheneuen Sorten haben andere Nährstoffbedürfnisse, undwir wollen herausfinden, ob die Böden die nötige Pflan-zenqualität liefern können und zwischendurch in derFruchtfolge auch noch Nahrungspflanzen mit hoherQualität. Zudem interessieren uns die Reste der Biomas-severarbeitung, die zwingend alsDünger verwendet werden sol-len. Diese Gärreste sind nichtmit beispielsweise Gülle ver-gleichbar: Weil sie viskoserals Gülle sind, können dietrockeneren Böden diesen

Dünger und seine Nährstoffe möglicherweise nicht ge-zielt aufnehmen und zu pflanzenverfügbaren Stoffen um-wandeln. Das führt zum nächsten Problem: Da die voll-ständigen Pflanzen geerntet werden, fehlt die Grundlagezur Bildung von Humus. Wir befürchten deshalb eine Abnahme der Humusgehalte, was für die Qualität desBodens und seine Funktionen fatal wäre, denn: Humusist der wichtigste CO2-Speicher überhaupt! Humusabbaufehlt bisher in den Klimabilanzen. Vor allem muss dienach der Ernte noch vorhandene biologische Aktivitätanalysiert werden. Welcher Stoffumsatz findet noch statt,wie und in welche Stoffe werden die vorhandenen Substanzen umgewandelt, werden klimarelevante Spu-rengase außer CO2 freigesetzt?

m+u: Das sind recht kritische Aspekte – halten Sie Ener-

giegewinnung durch Biomasse für den falschen Weg?

Munch: Wir halten es tatsächlich für möglich, dass indem gesamten Prozess bei intensiven Produktionsfor-men mehr klimarelevante Gase entstehen könnten, alsletztlich eingespart werden. Bei der Herstellung von Bio-diesel aus Rapsöl gibt es Hinweise, dass hier mehr CO2-Äquivalente frei werden als bei Rohölnutzung – bis zudrei Mal so viele, wenn man die Gesamtbilanz betrachtet.Wir werden auf Partnerbetrieben Raps in die Projekteaufnehmen, um die Datenbasis zu festigen. In die Bilan-zen, auch für den Anbau von Nahrungsmittelpflanzen,werden alle relevanten Parameter in Form von CO2-Äqui-valenten eingehen. Das wird auch zeigen, ob es sinnvollist, auf besten Ackerböden Biomasse zu produzieren. Wirwollen Grenzen darstellen und warnen, wenn die Bilanzkippt. Andererseits verfolgen wir die Idee, weniger guteBöden und marginale, oft brachliegende Flächen für dieBiomasseproduktion auf Basis von Dauerbepflanzung zunutzen. Hier erntet man zwar weniger als bei Monokultu-ren hoch gezüchteter Pflanzen, muss aber auch wenigerInput leisten: Man braucht kaum Stickstoffdünger undkeine Pestizide, was die Energiebilanz erheblich verbes-sern könnte, wie auch die Situation beim Humusabbau.Das wollen wir prüfen und die Methode optimieren, etwaden optimalen Zeitpunkt zum Ernten suchen. Möglicher-weise lassen sich zum Beispiel noch junge Pflanzen effi-zienter vergären als ältere mit mehr Biomasse.

m+u: Wie wollen Sie dieses anspruchsvolle Programm

umsetzen?

Munch: Die GSF finanziert den Grundbetrieb der Ver-suchsstation. Wir Wissenschaftler müssen nun die Gel-der einwerben, um die Forschung zu finanzieren. Wichtig

ist uns und der GSF dabei, dass wir Scheyern als glo-bale Helmholtz-Plattform und darüber hinaus als

EU-Forschungsplattform attraktiv für die

4 mensch+umwelt 2/2007

„Wie umweltfreundlich sind nachwaEin Gespräch über die Neuausrichtung der Forschung auf dem GSF-Versuchsgut Scheyern

Auf dem nordwestlich von München gelegenem

Versuchsgut Scheyern erforschen GSF-Wissen-

schaftler Voraussetzungen und Grenzen des

Anbaus nachwachsender Rohstoffe. Foto: FAM-Archiv

Foto: Ulla Baumgart

Page 5: mensch umwelt - helmholtz-muenchen.de · Biodiesel aus Rapsöl, wobei aber nur ein Teil der Pflan-zen genutzt wird, die Körner. Ein neuer Ansatz ist die Verwendung pflanzlicher Biomasse:

mensch+umwelt 2/2007 5

wissenschaftliche Gemeinschaft gestalten. Je nach Fragestel-lung sind nationale und internationale Forschungsverbünde zubilden. Die Bedingungen in Scheyern sind ausgezeichnet.Schon lange erstellen wir Ertragskarten aller Böden und ken-nen die Ertragspotentiale. Dank moderner und berührungslo-ser Boden- und Pflanzenanalytik, die den Acker aus der Luft undmit dem Bodenradar erfasst, kennen wir die Bodeneigenschaf-ten für fast jeden Quadratmeter. So sind wir optimistisch undwollen schon nach der Ernte 2008 erste Bilanzen erstellen.■ Sibylle Kettembeil

Literatur:H. Flessa et al.: Integrated evaluation of greenhouse gas emissions (CO2, CH4, N2O)from two farming systems in southern Germany. Agriculture, Ecosystems and Envi-ronment 9 (2002) 175-189.

M. von Lützow et al.: Indications for soil organic matter quality in soils under diffe-rent management. Geoderma 105 (2002) 243-258.

W. Levy et al.: Harsh summer conditions caused structural and specific functionalchanges of microbial parameters in an arable soil. European Journal of Soil Science58 (2007) 736-745.

TERENOObservatorien für terrestrische Ökosysteme

D as Versuchsgut Scheyern ist Teildes Helmholtz-Projekts TERENO,für das vor kurzem der Startschuss

gefallen ist. Über 15 Jahren lang werdenWissenschaftler der beteiligten fünfHelmholtz-Zentren in drei großen Land-schaftsräumen die Auswirkungenmenschlichen Handelns auf Ökosystemeanalysieren. TERENO steht für TerrestrialEnvironmental Observatoria und wirdvon der Helmholtz-Gemeinschaft Deut-scher Forschungszentren mit insgesamtzwölf Millionen Euro gefördert. ■ Die GSF wird gemeinsam mit dem inGarmisch-Partenkirchen ansässigen Institut für Meteorologie und Klimafor-schung des Forschungszentrums Karls-ruhe das Observatorium Alpenvorlandbetreiben: ein über 1 000 Quadratkilome-ter großes Areal, das von alpinen Gebie-ten im Süden bis ins tertiäre Hügellandreicht und etablierte Freilandlabore wieden Versuchsstandort Höglwald odereben das Gut Scheyern umfasst. Beob-achtungen und Messwerte sollen Prog-nosen – beispielsweise zur Klimaerwär-mung – absichern und umfangreichesDatenmaterial für die zugrunde liegen-den Rechenmodelle liefern. Die Daten al-ler Experimente laufen im Forschungs-zentrum Jülich zusammen, unter dessenFederführung das Projekt TERENO steht.Des Weiteren sind das Helmholtz-Zen-trum für Umweltforschung Leipzig-Halleund das Deutsche Zentrum für Luft- undRaumfahrt beteiligt.■ ck

■ Als neuer Direktor des GSF-Instituts für Strahlenbiologie wur-de der Biologe PD Dr. Michael J.

Atkinson ernannt. Atkinson hatparallel einen Ruf auf den Lehr-stuhl für Strahlenbiologie derTechnischen Universität Münchenerhalten. Michael J. Atkinson warzuletzt stellvertretender Direktordes GSF-Instituts für Pathologie.

Forschungsaufenthalte führten ihn an die Univer-sität Hannover, an die Harvard University, USA undan das Max Planck-Institut für Experimentelle Endo-krinologie, Hannover.

■ Dr. Christoph Hoeschen, Leiter der Ar-beitsgruppe Medizinphysik am GSF-Ins-titut für Strahlenschutz, wurde mit demBehnken-Berger-Preis geehrt. Die mit 10 000 Euro dotierte Auszeichnung derBehnken-Berger-Stiftung würdigt seineArbeiten, die zu neuen Verfahren geführthaben, die Strahlenbelastung für Patien-ten etwa bei der Computertomographieund der Projektionsradiographie zu ver-

ringern und zu beschreiben. Die Auszeichnung wurde imRahmen der Mitgliederversammlung auf der 14. Jahres-tagung der Berlin-Brandenburgischen Gesellschaft für Nuklearmedizin überreicht.

Kurz notiert

chsende Rohstoffe?“

Maissorten für die Biodieselherstellung haben hohe Wasser-

und Nährstoffansprüche. Ob der Boden die dafür benötigten

Ressourcen bereitstellt und nachhaltig seine Leistungen auf-

recht erhält, untersuchen GSF-Forscher in Scheyern. Foto: FAM-Archiv

Foto: mvdh Foto: Ulla Baumgart

Page 6: mensch umwelt - helmholtz-muenchen.de · Biodiesel aus Rapsöl, wobei aber nur ein Teil der Pflan-zen genutzt wird, die Körner. Ein neuer Ansatz ist die Verwendung pflanzlicher Biomasse:

6 mensch+umwelt 2/2007

Vor und nach der GeburtToxine können das Hormonsystem beeinflussen

I n Deutschland werden heutedeutlich mehr als die Hälfte allerNeugeborenen und Babys mit in-

dustriell gefertigter Milch oder Fest-stoffnahrung wie Gemüsebrei er-nährt. Allerdings wurde bislangnoch nicht untersucht, wie sich che-mische Rückstände in kommerziellerBabynahrung auf die Gesundheitund insbesondere das Hormonsys-tem von Babys auswirken.■ Diese Wissenslücke soll das jetztbeginnende und auf zwei Jahre an-gelegte europaweite Projekt „Baby-food“ des multinationalen Konsorti-ums CASCADE schließen. Die Ar-beitsgruppe „Ökotoxikologie“ vonProf. Dr. Dr. Karl-Werner Schrammam GSF-Institut für ÖkologischeChemie hat „Babyfood“ initiiert undist maßgeblich an der Umsetzungund Finanzierung beteiligt. Im Rah-men von CASCADE kooperierenmehr als 24 wissenschaftliche Ar-beitsgruppen aus neun Ländern derEuropäischen Union. ■ Kleinkinder müssen besonders ge-schützt werden, denn „Chemikalienin kommerzieller Babynahrung be-einflussen noch unausgereiftes Ge-webe eines wachsenden kindlichenOrganismus stärker als das eines Erwachsenen mit abgeschlossenemWachstumsprozess“, warnt der Ökotoxikologe Schramm. ■ Schon sehr geringe Chemikali-enmengen in Lebensmitteln könnendas Hormonsystem des Menschenbeeinträchtigen: Sie imitieren häufigHormone und wechselwirken mitRezeptoren, die im Kern der Körper-zellen lokalisiert sind. Zu diesergroßen Familie strukturell verwand-ter Rezeptoren gehören auch jenefür die Hormone Östrogen undTestosteron sowie für das Schilddrü-senhormon Thyroxin. Werden nuk-leare Rezeptoren durch Umweltche-mikalien fehlgesteuert, kann dieslangfristig zu gesundheitlichen Be-einträchtigungen führen. Deshalbstehen bei Babyfood vor allem Um-weltchemikalien, die Hormonrezep-toren aktivieren, im Mittelpunkt desInteresses.■ GSF-Forscher wollen im Rahmendes Projekts Trockenmilch, Sojanah-rung, hypoallergene Milchnahrungund Feststoffnahrung wie Gemüse-brei chemisch auf Dioxin und PCBanalysieren. Kollegen anderer For-schungseinrichtungen werden Pro-

ben auf den Gehalt an Cadmium undPestizid-Organochlorverbindungenuntersuchen und in hypoallergenerMilchnahrung speziell noch nach Genistein, ein Phytoöstrogen, das inder Sojabohne vorkommt, fahnden.■ Neun Proben werden sowohl invitro als auch in vivo getestet, umherauszufinden, wie nukleare Rezep-toren auf das komplexe Gemisch anUmweltchemikalien reagieren undum zu klären, ob die heutigen Ver-fahren überhaupt in der Lage sind,

die benötigte Diagnostik in der kom-plexen Matrix „Babyfood“ tatsäch-lich bereit zu stellen. „Es gibt zumBeispiel Hinweise, dass Cadmiumund Pestizide Östrogenrezeptorenbeeinflussen und Dioxin und PCB anjenen Rezeptor andocken, der in ei-ner Zelle schädigenden oxidativenStress hervorruft“, erklärt Schramm.Auffällige Proben sollen zusätzlichan Larven und Eiern des Zebrafischs(Danio rerio) und am Krallenfrosch(Xenopus laevis) untersucht werden;die molekularen Mechanismen ihrernuklearen Rezeptoren ähneln näm-lich in einer frühen Entwicklungspha-se denen des Menschen. ■ Die Studie soll eine möglichstschadstoffarme Ernährung des Klein-kindes in den ersten neun Monatenermöglichen. Erste Ergebnisse für Ba-bys, die mit Trockenmilch und Soja-nahrung gefüttert wurden, sollen be-reits Ende Oktober beim nächstenJahrsetreffen von CASCADE vorlie-gen.

Möglichst rückstandsfreie Nahrung

für Kleinkinder soll das Projekt

„Babyfood“ ermöglichen. Foto: Nestlé

Pestizide im Mutterleib

■ Zusammen mit dänischen und finni-schen Kollegen untersuchte Schrammaußerdem den Einfluss von chlororga-nischen Chemikalien auf Kryptorchis-mus – eine angeborene Form des Ho-denhochstands, die zunehmend häufi-ger bei männlichen Neugeborenen be-obachtet wird. Das Team fand heraus,dass DDT und andere chloroganischePestizide bereits die embryonale Ent-wicklung schädigen können. ■ „Da die Pestizid-Kontamination der Plazenta mit jener in der Muttermilch korreliert, konnten wir über die Milch aufdie Belastung der Mutter – auch währendder Schwangerschaft – schließen“, er-klärt Schramm. Der Vergleich von Milch-proben von Müttern mit gesunden Jun-gen und solchen mit Kryptorchismuszeigte, dass acht chlororganische Pestizi-de in allen Proben vorhanden waren, inerhöhter Konzentration jedoch nur beiMüttern mit kranken Neugeborenen. „Ver-mutlich begünstigen einige oder alle die-ser acht Pestizide möglicherweise auch inKombination mit genetischen oder ande-ren Umweltfaktoren die Entwicklung vonHodenhochstand, weil sie als sogenannteendokrine Disruptoren in das körpereige-ne Hormonsystem eingreifen“, soSchramm. ■ Schramm und Kollegen konntenaußerdem zeigen, dass die Enantiomeremancher Pestizide – also Verbindungenvon denen Strukturen wie Bild undSpiegelbild exisiteren – in unterschiedli-chen Konzentrationen in den Plazentasvorkommen. „Sie sind daher ein gewe-bespezifischer Indikator dafür, wie diejeweilige Chemikalie aufgenommenund verarbeitet wurde“, so Schramm. ■ Gerlinde Felix und Susanne Wedlich

Literatur:H. Shen et al.: From mother to child: Investigation of prenatal and postnatal exposure to persistent bio-accumulating toxicants using breast milk and placentabiomonitoring. Chemosphere 67 (2007) 256-262.

Pestizide in

Muttermilch

und Plazenta:

Hohe Konzen-

trationen könn-

ten das embryo-

nale Hormon-

system stören. Foto: Bernd Müller

Page 7: mensch umwelt - helmholtz-muenchen.de · Biodiesel aus Rapsöl, wobei aber nur ein Teil der Pflan-zen genutzt wird, die Körner. Ein neuer Ansatz ist die Verwendung pflanzlicher Biomasse:

D istickstoffmonoxid (N2O), auchLachgas genannt, stellt heuteein großes Risiko für die Um-

welt dar: In der Stratosphäre fördertes den Abbau der Ozonschicht undals Treibhausgasmolekül ist es in derAtmosphäre 13-mal so wirksam wieMethan und 320-mal so gefährlichwie Kohlendioxid. ■ Mit rund 70 Prozent der vom Men-schen verursachten Austräge ent-weicht das süßlich riechende Gasvor allem aus der Landwirtschaft,Emissionen aus dem Waldboden ma-chen landesweit weniger als fünfProzent aus. Ursache dafür ist derunterschiedliche Stickstoffeintrag indie Böden: Während beim gleich-mäßig und langsam wachsendenWald etwa 20 Kilogramm Stickstoffpro Hektar und Jahr vor allem durchmineralische Deposition aus der At-mosphäre in den Boden gelangen,düngt der Landwirt mit der zehn bis20-fachen Menge den Acker. So ge-langen große Stickstoffmengen anein bis drei Tagen pro Jahr in denBoden.■ „Die Dynamik im Acker ist viel-schichtiger und kurzfristiger“, erklärtDr. Eckart Priesack vom GSF-Institutfür Bodenökologie. „Bodenbeschaf-fenheit, Temperatur, Feuchte, Be-pflanzung und Düngestrategien be-einflussen, ob der Stickstoff dasWachstum der Pflanzen unterstütztoder aber ins Grundwasser ver-sickert beziehungsweise durch mik-robielle Denitrifikation und Nitrifikati-on als klimarelevantes N2O ent-weicht.“ Den richtigen Düngezeit-punkt zu finden, wird durch unge-naue Wettervorhersagen erschwertund dadurch, dass sich verschiedeneLandwirte Arbeitsgeräte über einenMaschinenring teilen; nicht immerkann so die notwendige Maschineam richtigen Ort zur richtigen Zeitgenutzt werden.■ Um die Stickstoffdüngung den-noch zu optimieren, spezialisiert sichPriesack heute auf die genaue Erfas-sung der natürlichen Standorteigen-schaften und deren Verbreitungs-muster. „Auf unserem nordwestlichvon München gelegenem VersuchgutScheyern haben wir festgestellt, dasssich sogenannter präzisierter Acker-bau sowohl ökologisch als auch öko-nomisch auszahlt“, erklärt Priesack.Gemeint ist, dass entsprechend des

Bodentyps angebaut und gedüngtwird und zusätzliche Einflussgrößenwie Niederschlag und Entwicklungs-stand der Pflanzen berücksichtigtwerden. GSF-Wissenschaflter habenin Scheyern auf schlechten, sandigenBöden, in denen Stickstoff zusam-men mit dem Regenwasser schnellins Grundwasser ausgewaschenwird, eine geringere Pflanzendichteausgesät, auf guten lösshaltigen Bö-den, in denen Wasser und Nährstoffeder Pflanze länger zur Verfügung ste-hen, mehr angepflanzt und entspre-chend auch mehr gedüngt. „Die Öko-bilanz dieser Anbau-und Düngestra-tegie zum Zeitpunkt der Ernte dientuns heute als Richtlinie für unsereneuen Projekte“, so Priesack. „Aufdie ganze Fläche gesehen, erzieltenwir nämlich einen höheren Ertrag,als wenn wir nicht differenziert ange-baut hätten. Zudem verwendeten wirweniger Stickstoff.“ ■ Das nützt der Umwelt und rechnetsich. Priesack will deshalb einheimi-sche Bauern individuell beraten unddie präzisierte Landwirtschaft in derUkraine – der europäischen Kornkam-

Doppelt Öko für präzisierten AckerbauAngepasste Landwirtschaft schont Umwelt und Finanzen

mer, wo derzeit noch extensiv Landwirt-schaft betrieben wird – nach neuestemKenntnisstand etablieren. Gerade aufden zum Teil 6 000 Hektar großenFlächen würde sich eine N2O-Reduktionfür die Umwelt bemerkbar machen undzudem Kosten einsparen. Unter Leitungder TU Müchen und zusammen mitgeo-konzept GmbH, Wimex Agrarpro-dukte Import und Export GmbH, Agro-lab GmbH und der Universität Ham-burg ist Priesack am Projekt GEOSTEP –Geoinformationstechnologien für stand-orteffiziente Pflanzenproduktion – be-teiligt. Damit wollen die Wissenschaft-ler Landwirten Informationen zu Wetter,Bodenqualität, Stickstoff- und Wasser-Verteilung in den Böden geben und soGrundlagenwissen zur Anwendungbringen. Unterstützt wird die Transla-tion von der Bayerischen Forschungs-stiftung. ■ Sonja Duggen

Literatur:I. Rühling et al.: Kapitel 3: Kohlenstoff und Stick-stoff in Agrarökosystemen. Landwirtschaft undUmwelt – ein Spannungsfeld. Ergebnisse des For-schungsverbunds Agrarökosysteme München(FAM), Oekom Verlag, München (2005) 99-154.

mensch+umwelt 2/2007 7

Versuchsparzellen in Scheyern: Präzisierter Anbau verbessert das Aufwands-/

Ertragsverhältnis und verringert die Abgabe von klimarelevantem N2O in die

Atmosphäre. Foto: FAM-Archiv

Page 8: mensch umwelt - helmholtz-muenchen.de · Biodiesel aus Rapsöl, wobei aber nur ein Teil der Pflan-zen genutzt wird, die Körner. Ein neuer Ansatz ist die Verwendung pflanzlicher Biomasse:

8 mensch+umwelt 2/2007

Transgenem Soja auf die Wurzel geschautGentransfer wird in geschlossenem System überwacht

Mit den Wurzeln von Soja sind Knöll-

chenbakterien vergesellschaftet. Die-

se versorgen ihren Wirt mit Stick-

stoff aus der Luft und bekommen

von ihm Nährstoffe.Foto: GSF-Institut für Bodenökologie

Weil es in Deutschland zu kalt ist,

kommt transgener Soja nicht zur

Reife, kann sich also nicht ausbreiten.Foto: Sascha Reth

Geschlossene Systeme: In Lysime-

tern können Stoffumsätze analysiert

werden, ohne dass Gentransfer auf

angrenzende Äcker zu befürchten ist.Foto: Sascha Reth

■ Transgene Sojabohnen sind daherideale Modellpflanzen, weil sie unterunseren klimatischen Bedingungennicht zur Reife kommen und sich so-mit auch nicht ausbreiten können.Zudem geht Soja eine enge Symbio-se mit Knöllchenbakterien, soge-nannten Rhizobien, ein. Von dieserPartnerschaft profitieren beide:

S eit drei Jahren wachsen aufGSF-Grund gentechnisch ver-änderte Sojapflanzen: Mit ihrer

Hilfe untersuchen unter anderemdie GSF-Wissenschaftler Dr. MichaelSchloter, Prof. Dr. Anton Hartmannund Dr. Reiner Schroll vom Institutfür Bodenökologie zusammen mitDr. Dieter Ernst vom Institut für Bio-chemische Pflanzenpathologie, obund wie der Anbau transgenerPflanzen den Boden oder das Bo-denleben beeinflusst. Bisher er-scheint es unwahrscheinlich, dassunter landwirtschaftlichen Bedin-gungen genetische Information ausdem Genom der transgenen Pflan-zen auf andere Organismen über-springen kann. Problematischerkönnte der Einsatz des HerbizidsGlyphosat sein, der oft mit ihrenAnbau einhergeht. Zur Überra-schung der Forscher reicherte sichGlyphosat nach wiederholter Appli-kation in den obersten zwei Zenti-metern des Bodens an, was das Bodenleben in dieser Schicht nach-haltig beeinflusst.■ „Unser Ziel ist, Kriterien zu erar-beiten, mit denen die Folgen grünerGentechnik eingeschätzt werdenkönnen“, erklärt Schloter, „die Lysi-meteranlage ist hierfür besondersgeeignet, weil wir hier ein geschlos-senes System unter Freilandbedin-gungen haben, in dem kompletteStoffbilanzen möglich sind.“

Die Rhizobien fixieren Stickstoff aus derLuft und teilen diesen mit ihrer Wirts-pflanze, die sie ihrerseits mit Stoffwech-selprodukten versorgt. „Durch die engeVergesellschaftung ist zu erwarten, dass,wenn es überhaupt irgendwo zu einemGentransfer von der transgenen Pflanzein Mikroorganismen kommt, dann hier“,ist Ernst überzeugt. ■ Die untersuchte Sojasorte ist resistentgegen das Herbizid Glyphosat, das unterdem Handelsnamen Roundup in derLandwirtschaft häufig eingesetzt wird.Durch den kombinierten Einsatz von Gly-phosat und transgenem Soja kann derLandwirt das Wachstun von „Ackerun-kräutern“ unterdrücken – nur die er-wünschten Sojapflanzen bleiben übrigund der Einsatz weiterer Pestizide wirdminimiert, so die Hoffnung. Verglichenmit anderen Herbiziden gilt Glyphosat alsumweltfreundlich, weil es biologisch ab-baubar und für Menschen nicht toxischist. Allerdings werden Bodenbakterienwie Rhizobien durch Glyphosat ebenfallsgeschädigt – eine Übertragung des Resis-tenzgens aus der Pflanze würde ihnendemnach einen Selektionsvorteil bieten. ■ „Wir haben Glyphosat in landwirt-schaftlicher Menge aufgebracht undwährend der bisherigen Versuchsdauervon drei Jahren noch keinen Transfer desResistenzgens auf die Rhizobien festge-stellt“, betont Ernst. Im weiteren Ver-suchsverlauf wollen die Wissenschaftlerdie Glyphosat-Gaben erhöhen, um denspezifischen Selektionsdruck für einenGentransfer zu steigern. ■ Dass die Forscher hohe Glyphosat-Kon-zentrationen in den oberen zwei Zentime-tern des Bodens fanden, deutet auf eineverringerte Stickstoff-Fixierung durch dieRhizobien hin. Als Folge litten die Pflan-zen unter Stickstoffmangel. „Werden Gly-phosat-resistente Pflanzen häufiger inFruchtfolgen angebaut, könnte das mas-sive Effekte auf generelle Bodenprozessegeben und der Selektionsvorteil für resis-tente Organismen so hoch werden, dassResistenzgene irgendwann doch von derPflanze auf die Mikroorganismen übertra-gen werden“, warnen die Wissenschaft-ler. Eine endgültige Bewertung des Herbi-zidverhaltens sei allerdings erst möglich,wenn nach Versuchsende in zwei bis dreiJahren Komplettbilanzen erstellt werdenkönnen.■ Monika Gödde

Literatur:T. Wagner et al.: The probability of a horizontal gene transfer from Roundup ready® soybean to micro-organisms: a risk assessment study on the GSF lysime-ter station. Soil Water Air Pollution (2007) in press.

Page 9: mensch umwelt - helmholtz-muenchen.de · Biodiesel aus Rapsöl, wobei aber nur ein Teil der Pflan-zen genutzt wird, die Körner. Ein neuer Ansatz ist die Verwendung pflanzlicher Biomasse:

P ilze, Bakterien und Viren sind– neben Insekten, Unkräuternund ungünstigen Witterungs-

verhältnissen – die ärgsten Wider-sacher der Landwirtschaft. Umsowichtiger ist es, die Pflanzen effek-tiv gegen diese Feinde zu schützen.■ Zusammen mit Kollegen konnteDr. Jörg Durner, Leiter der Arbeits-gruppe „Pflanzliche Immunität“ am GSF-Institut für Pflanzenpatho-logie nun zeigen, dass Pflanzen antimikrobielle Peptide produzieren,nachdem ihre angeborene Immun-abwehr stimuliert wurde. Dabeihandelt es sich um Eiweiße, dieBakterien, Pilze und Viren schädi-gen. „Antimikrobielle Peptide wer-den auch von Insekten, Fröschenund Säugetieren, ja sogar von dermenschlichen Haut hergestellt – ein Hinweis auf ihren universellenWirkmechanismus“, so Durner.Tatsächlich sind sie alle so konstru-iert, dass sie sich leicht in die Mem-branen der Bakterienhüllen einla-gern können. Dort bilden sie Poren,durch die Wasser und Salze unge-regelt ein- und austreten könnenund – so die gängige Theorie – dieBakterienzellen zerstören. Durnerist allerdings überzeugt, „dass derWirkmechanismus komplizierter istals einfach nur Löcher in der Mem-bran zu verursachen.“ Herauszufin-den, welcher Trick wirklich dahin-tersteckt, ist eine spannende Auf-gabe für weitere Grundlagenfor-schung. ■ Doch vorerst begnügen sich dieGSF-Wissenschaftler damit, die zer-störerische Eigenschaft dieser Ei-weiße zu optimieren: Durner undseinem Kollegen Dr. Christian Lin-dermayr gelang es, künstliche anti-mikrobielle Peptide zu entwickeln,die stärker wirken als die bekanntennatürlichen – und zwar gegen einebreite Palette pathogener Bakterien.

Außerdem sind sie leicht abbaubarund weder für pflanzliche noch fürtierische oder menschliche Zellengiftig. „Für unsere synthetischenPeptide wurde bereits ein Patenterteilt“, freut sich Durner. Nachteilder neuen Peptide: Ihre Herstellungim Labor ist sehr teuer. Kosten-günstiger wäre es, die neuen Anti-biotika im großen Maßstab mit biotechnologischen Methoden zuproduzieren, so wie dies bereits mitInsulin und vielen anderen pharma-zeutisch wichtigen Substanzen geschieht. ■ Eine viel versprechende Alterna-tive sind transgene Pflanzen, die ei-ne Anleitung zum Bau der neuenAntibiotika – in Form von im Labor

Grüne Gentechnik als Vorbild Mikrobielle Peptide aus Pflanzen wirken antibiotisch

mensch+umwelt 2/2007 9

Viele der natürlich vorkommenden Peptide besitzen eine helikale Konformation, die als Leitstruktur zur Entwicklung

hochwirksamer antimikrobieller Peptide verwendet wurde (im Bild links). Im Modell blau eingezeichnete Aminosäu-

ren sind positiv geladen, rot dargestellte sind hydrophob. Bilder: Christian Lindermayr

Begehrtes Modell: Arabidopsis thali-

ana, die Ackerschmalwand, eignet

sich auch für Studien zur Pflanzen-

stärkung wegen ihres vollständig

entschlüsselten Genoms hervorra-

gend. Foto: Anton Schäffner

„maßgeschneiderter“ DNA – insich tragen. Externe Kooperationengarantieren eine optimale Anpas-sung und Weiterentwicklung derTransformationstechnologien. Einpositiver Nebeneffekt hierbei ist,dass durch die Produktion der anti-mikrobiellen Peptide die Pflanzenselbst widerstandsfähiger gegenpflanzenpathogene Pilze und Bak-terien werden. Als Produktionsma-schinerien haben Durner und Lin-dermayr transgene Kartoffeln, Tabak- und Tomatenpflanzen ge-wählt. Zu einem späteren Zeit-punkt ist auch der Einsatz in „Ener-giepflanzen“ wie Raps oder China-schilf vorstellbar. Neben diesenAnwendungsmöglichkeiten in derLandwirtschaft bieten die Verbin-dungen auch einen Weg aus derProblematik der weltweit zuneh-menden Antibiotikaresistenzen.Denn mit dieser neuen Stoffklasselassen sich neben Pflanzenpatho-genen auch verschiedenste Krank-heitserreger bei Menschen undTieren bekämpfen; wegen der zu-nehmenden Resistenzen ist esdringend erforderlich, eine neueKlasse antibiotisch wirksamer Me-dikamente zu entwickeln. Im Ge-gensatz zu herkömmlichen Anti-biotika können sich Erreger gegenantimikrobielle Peptide kaum weh-ren: Dazu müssten sie ihre Mem-branstruktur komplett ändern unddas ist offenbar mit ihrem eigenenÜberleben nicht vereinbar – somiteröffnen die Arbeiten über die an-geborene Immunität bei Pflanzenunverhofft auch neue Perspektivenfür die Medizin.■ Monika Offenberger

Literatur:U. von Rad, M. J. Mueller, J. Durner:

Evaluation of natural and synthetic stimulants ofplant immunity by microarray technology.New Phytol. 165 (2005) 191-202.

Page 10: mensch umwelt - helmholtz-muenchen.de · Biodiesel aus Rapsöl, wobei aber nur ein Teil der Pflan-zen genutzt wird, die Körner. Ein neuer Ansatz ist die Verwendung pflanzlicher Biomasse:

10 mensch+umwelt 2/2007

W ie giftig Quecksilber fürMensch und Tier ist, zeigtesich 1956 als Bewohner der

japanischen Küste an Symptomender Minamata-Krankheit litten. Undnoch Anfang der 70er Jahre kam esim Irak zu Massenvergiftungen, weilMenschen mit Quecksilber behandel-tes Saatgut verzehrten. Dennoch istdas Schwermetall nicht in jeder Formgleich gefährlich: Währendhöhere Konzentrationen or-ganischer Quecksilberver-bindungen in der Nahrungs-kette das zentrale Nervensys-tem schädigen, sind zweiNanogramm gasförmigenQuecksilbers in einem Ku-bikmeter Atemluft absolutharmlos. ■ Im Ökosystem befindetsich Quecksilber in einemglobalen Kreislauf, bei demgasförmiges Quecksilberaus der Atmosphäre mitSauerstoffradikalen reagiert und vomRegen ausgewaschen wird. Dieseweitaus schädlichere positiv gela-dene Form des Metalls gelangt in Bö-den und Gewässer, wo es organischeund anorganische Verbindungen ein-geht. Aber auch von hier kann eswieder in die Atmosphäre gelangen.Fast zwei Drittel des atmosphäri-schen Quecksilbers sind anthropoge-nen Ursprungs, das meiste davonentsteht, wenn Kohle, Öl und Erdgasverbrannt werden. ■ Wissenschaftler der GSF-Institutefür Toxikologie und für BiochemischePflanzenpathologie haben die Rolleder Vegetation im Quecksilberkreis-lauf unter die Lupe genommen. Da-bei konnten sie nachweisen, dassPflanzen kein passives Durchgangs-element sind, sondern bei ihremStoffwechsel ionisches Quecksilber(Hg2+) aus dem Boden in gasförmi-ges Quecksilber (Hg°) umwandeln.Ähnliche Beobachtungen wurden1978 an Schilfstandorten in den USAgemacht, jedoch ohne den Mechanis-mus aufzuklären. ■ Dr. Florian Battke, Dr. Dieter Ernstund Prof. Dr. Stefan Halbach nahmendiesbezüglich Gerste und Arabidop-sis thaliana ins Visier und konntennachweisen, dass Pflanzen über ei-nen eigenen Mechanismus zur Re-duktion von Quecksilber verfügen:Dieser funktioniert unabhängig vonBodenbakterien, ist aber eng an ei-nen Schutzmechanismus der Pflanze

geknüpft, den sie für Fehlreaktionenbei der Photosynthese braucht. Wan-deln Pflanzen nämlich Kohlendioxidin zweiwertigen Sauerstoff um, kannes immer wieder vorkommen, dassfreie Sauerstoffradikale entstehen.Diese würden die Pflanzenzellen schä-digen, wäre da nicht eine antioxidati-ve Abwehr, bei der beispielsweise dieals Vitamin C bekannte Ascorbinsäure

die freien Radikale reduziert. „Für dieQuecksilber-Reduktion nutzt die Pflan-ze den gleichen Mechanismus, densie gegen aggressive Sauerstoffradi-kale anwendet“, erklärt Halbach.■ Die entscheidende Rolle der Ascor-binsäure konnten die Forscher durcheinen Vergleich nachweisen: Zunächstanalysierten sie in einem geschlosse-nen System die Quecksilber-Emissionüber Gerstenpflanzen, die einen Taglang in einem quecksilberhaltigenNährmedium wuchsen und maßendann die Ausgasung über einerquecksilberhaltigen Pufferlösung, diesie einmal mit zerkleinerten Gersten-blättern und ein anderes Mal mit rei-

ner Ascorbinsäure versetzt hatten.„Während wir über zerkleinerten Ger-stenblättern oder der Ascorbinsäureetwa gleich hohe Quecksilber-emissionen gemessen haben, konntenetwa Arabidopsis-Blätter mit geneti-schem Ascorbatmangel das Metallnicht im gleichen Maße entgiften", so Halbach.■ Entsprechend entdeckten die For-

scher, dass bei queck-silberbelasteten Gersten-pflanzen jene genetischenSequenzen aktiver waren,die das Enzym Dehydroas-corbatreduktase – verant-wortlich für die Regenerati-on der reduzierten Ascor-binsäure – mobilisieren.■ Andere pflanzeneigeneReduktionsmittel – Glutathi-on (GSH) und Nicotin-amiddinucleotid-Phosphat(NADPH) – zeigten als Rein-substanz im Vergleich zu

Ascorbinsäure keinen vergleichbarenAnstieg der Quecksilberemission.■ Für Halbach ist dies ein Zeichen,dass gewöhnliche Pflanzen mit einemhohen Vitamin C-Gehalt sich als billigeund effiziente Bodensanierer erweisenkönnen und aufwendige gentechni-sche Veränderungen – wie etwa dasEinschleusen von Enzymen aus queck-silberreduzierenden Bakterien –womöglich unnötig ist. ■ „Zwar wird sich das Quecksilberauch durch den Einsatz von Pflanzennicht aus der Welt schaffen lassen,denn es ist ein persistenter Umwelt-schadstoff, wie alle Metalle. Aber man kann es hochbelasteten Bödenentziehen und es mit sehr geringer,unwirksamer Konzentration in der Atmosphäre verteilen“, so Halbach.Quantitative Messungen des Um-satzes, die auch Pflanzen mit großenBlattflächen einbeziehen, könnten dazu beitragen, die pflanzliche Queck-silber-Reduktion in das globale Modell zu integrieren.■ Jutta Blume

Literatur:F. Battke et al.: Ascorbate promotes emission ofmercury vapour from plants. Plant, Cell and Envi-ronment 28 (2005) 1487-1495.

S. E. Lindberg et al.: Transpiration of gaseous ele-mental mercury through vegetation in a subtropicalwetland in Florida. Atmospheric Environment 36(2002) 5207-5219.

UNEP: Global Mercury Assessment. UNEP Chemi-cals, Geneva, Switzerland 2002.

Quecksilber-RecyclingPflanzen können giftiges Metall aus dem Boden in weniger schädliches Gas umwandeln

Ascorbinhaltige Pflanzen als Queck-

silber-Recycler: Gerste atmet das

Metall als weniger giftiges Gas aus.Foto: Evelyn Bieber

In der linken Schale wachsen Gers-

tenpflanzen auf Hg2+-haltigem Me-

dium. Rechts ist eine Kontrollschale

zu sehen, wie sie im obigen Ver-

suchsaufbau verwendet wird. Foto: Evelyn Bieber

Page 11: mensch umwelt - helmholtz-muenchen.de · Biodiesel aus Rapsöl, wobei aber nur ein Teil der Pflan-zen genutzt wird, die Körner. Ein neuer Ansatz ist die Verwendung pflanzlicher Biomasse:

■ S. Sausenthaler, S. Koletzko, B. Schaaf, I. Lehmann, M. Borte,

O. Herbarth, A. von Berg, H.-E. Wichmann, J. Heinrich for the LISA

Study Group:

Maternal diet during pregnancy in relation to eczema and allergicsensitization in the offspring at 2 y of age. Am J Clin Nutr 85(2)(2007) 530-537.Daten von 2600 Kindern der Geburtskohortenstudie LISA zeigen,dass die Ernährung der Mutter in der Schwangerschaft mit dem Ri-siko, allergische Sensibilisierungen gegenüber häufigen Allergenenwährend der ersten zwei Lebensjahre zu entwickeln, assoziiert ist.Die Zufuhr von allergenhaltigen Nahrungsmitteln in der Schwanger-schaft und Nahrungsmitteln, die reich an n-6 vielfach ungesättigtenFettsäuren sind, erhöhen das Risiko für allergische Erkrankungen,während die vermehrte Zufuhr von Nahrungsmitteln in der Schwan-gerschaft, die reich an n-3 vielfach ungesättigten Fettsäuren sind,das Risiko senken.

■ S. L. Ma, A. B. Sørensen, S. Kunder, K. D. Sørensen, L. Quintanil-

la-Martinez, D. W. Morris, J. Schmidt, F. S. Pedersen:

The Icsbp locus is a common proviral insertion site in mature B-celllymphomas /plasmacytomas induced by exogenous murine leuke-mia virus Virology 352 (2006) 306-318.Icsbp ist ein Interferon-gamma-induzierbarer Transkriptionsfaktor,der hauptsächlich in hämatopoietischen Zellen exprimiert wird undbei akuten und chronisch myeloischen Leukämien herunterreguliertist. In 14 von 1250 durch murine Leukämievirus-induzierten Lym-phomen wurden erstmals Provirusinsertionen im Icsbp Locus nach-gewiesen; dabei handelte es sich in 13 von 14 Fällen um reife B-ZellLymphome oder Plasmazytome. Icsbp RNA und Protein war in allenTumoren im Endstadium exprimiert. Das weißt darauf hin, dass die-ser Transkriptionsfaktor als früher Modulator der Immunantwort aufeine Retrovirusinfektion in der B-Zellpopulation gewirkt hat und beider Proliferation von reifen B-Zell Lymphomen beteiligt war.

Berichte + PublikationenEine Auswahl

Haushaltsgeräte schleudernKupfer-Nanopartikel in den InnenraumW issenschaftler um Dr. Wilfried Szymczack vom GSF-

Institut für Strahlenschutz haben vor kurzen Univer-sal-Elektromotoren als Quelle ultrafeiner Kupferpartikel imInnenraum identifiziert. Diese Motoren kommen in alltägli-chen Haushaltsgeräten etwa im Staubsauger, im Fön undin Heimwerkermaschinen wie der Bohrmaschine zum Einsatz. Durch den Funkenschlag des laufenden Motors werdenvor allem Nanopartikel aus Kohlenstoff und Kupfer freige-setzt. Der mechanische Abrieb trägt weniger als ein Tau-sendstel zur Teilchenanzahlkonzentration bei, jedoch 50Prozent zur ausgestoßenen Masse. Durch die übliche Leistungsregelung, der sogenanntenPhasenanschnittsteuerung, verhält sich die Teilchenan-zahlkonzentration proportional zum Sprung in der Span-nungsamplitude beim Phasenschnitt. So erhöht sich sogardie Teilchenanzahlkonzentration bei verringerter Leistung,beispielsweise um den Faktor fünf bei etwa 55 Prozent dermaximalen elektrischen Leistung und bei 90 Prozent dermaximalen Drehzahl. Vor allem ultrafeine Nanopartikel,die zunehmend mehr Kupfer enthalten, werden zusätzlichfreigesetzt. Das Verhalten wurde am Beispiel eines Universal-Motorsaus einem Industriestaubsauger untersucht. „Wir gehen davon aus, dass elektrische Haushaltsgeräte,die von einem leistungsfähigen Universalmotor angetrie-ben werden zur Aerosolinnenraumbelastung mit kupfer-haltigen Nanopartikeln beitragen, sofern der Abrieb ausdem Motorgehäuse gelangt und nicht ausreichend durchFilter zurückgehalten wird“, fasst Szymczak zusammen.

Diese Publikation ist erschienen in:W. Szymczak, N. Menzel, L. Keck: Emission of ultrafinecopper particles by universal motors controlles by phaseangle modulation. Aerosol Science 38 (2007) 52-531.

mensch+umwelt 2/2007 11

Lysimeter sind nach oben offene,der natürlichen Witterung ausge-setzte Gefäße, die mit Boden ge-füllt sind. Den unteren Abschlussdes Gefäßes bildet gewöhnlich ei-ne Filterschicht, die für das Sicker-wasser durchlässig ist. Der Zweckist, das Sickerverhalten des Bo-denwassers und der darin gelös-ten Stoffe, sowie die physiko-che-mischen und biologischen Prozes-se im Boden zu erforschen. DasFunktionieren von Atmosphäre-Pflanzen-Boden-Wasser-Syste-men, die dem globalen Wandelausgesetzt oder unter neuartigeragrarischer Nutzung sind, kann sountersucht werden. Mit der neuen Technik des Lysi-meterrückbaus (LSR) ist es erst-mals möglich, nach Ende eines

Lysimeterversuchs Bodenproben in Form scheibenförmiger Bodenseg-mente von zehn bis 20 Zentimeter Dicke ohne nennenswerte Störungder ursprünglichen Struktur und im vollen Querschnitt aus der Bo-densäule (Monolith) zurück zu gewinnen.

Ein mit Boden gefüllter Lysimeter mit einer Gesamtmasse von etwafünf Tonnen, mit einem Quadratmeter Querschnittsfläche und zwei Me-tern Länge wird in die neu entwickelte LSR-Vorrichtung eingehoben,ausgerichtet und mit einer Spannmanschette fixiert. Mithilfe eines klei-nen Stechbohrers wird eine am Rand des Lysimeters gelegene vertikaleBohrung in den Monolith eingebracht, durch die das Diamantseil einerSeilschneideinrichtung hindurchgeführt wird. Die beiden Seilendenwerden danach mit einem Seilschloss verbunden.

Das Diamantseil selbst wird über Rollen gespannt und tangentialzum Randbereich des Monolithen ausgerichtet. Mit der hohen Schnitt-geschwindigkeit von größer-gleich 25 Metern pro Sekunde, die über ei-nen Hydraulikantrieb erzeugt wird, erfolgt das Freischneiden des Mono-lith von der Lysimeterwand. Das Lysimetergefäß wird dabei um 360Grad um seine eigene Achse gedreht und so ein radialer Schnitt ausge-führt.

Dabei wird das Gefäß mittels einer Spannmanschette in Position ge-halten, die mit einem Rollenführungssystem verbunden ist. Der nun freigeschnittene Monolith wird durch einen Teleskop-Hydraulikzylinderschrittweise aus dem Lysimeter herausgehoben. Die überstehende Bo-densäule wird nun mit einer Horizontal-Seilschneidtechnik vom übrigenMonolithen mit unbeeinflusster Struktur abgetrennt. Hierzu wird dieherausgehobene Bodensäule durch einen Haltering fixiert. Unter demHaltering schneidet sich das Bodenblech mit dem umlaufendenSchneidseil in die herausstehende Bodensäule ein und trennt das Bo-densegment scheibenförmig vom Monolithen ab. Das Diamantschneid-seil wird dabei von Spannrollen, die mit einem Schwenkarm verbundensind, geführt.

Nach dem Durchtrennen der Bodensäule wird das Bodenblech mitdem Haltering verschraubt und mittels eines schwenkbaren Kettenzu-ges aus der Lysimeterrückbauvorrichtung gehoben. Die so gewonnenenBodenscheiben können nun wissenschaftlich untersucht werden.

Lysimeterrückbautechnik

Angemeldet beim Deutschen Patentamt am 27.02.2006 Patentnr. 10 2006 010 158

Dr. Sascha Reth, GSF-Institut für Bodenökologie, Abteilung Experimentelle Umweltsimulation Tel. 089/3187-2956E-Mail: [email protected]

Dr. Manfred Seyfarth, Umwelt-Geräte-Technik GmbHTel. 033432/89575E-Mail: [email protected]

Auskunft über GSF-Patente sowie Informationen

zum Technologietransfer erhalten Sie bei:

Katharina SeligerPatente und Technologietransfer Tel.: 089/3187-2805Fax: 089/3187-4000E-Mail: [email protected]

Patente + Technologietransfer

Lysimeterrückbautechnik

Dank der neuen Lysimeter-

rückbautechnik können nun

scheibenförmige Bodenseg-

mente gewonnen und ana-

lysiert werden. Grafik: Manfred Seyfarth

Page 12: mensch umwelt - helmholtz-muenchen.de · Biodiesel aus Rapsöl, wobei aber nur ein Teil der Pflan-zen genutzt wird, die Körner. Ein neuer Ansatz ist die Verwendung pflanzlicher Biomasse:

aufkonzentrieren. Dabei liefert dieimmunochemische Analytik – Krä-mer betont das „chemische“, dennes handelt sich nicht um einen her-kömmlichen Bioassay – ebenso ex-akte quantitative Ergebnisse wie an-dere Verfahren. Die Biologin hat ihreAnalytik schon auf viele Substanzenangewendet: In Wasserproben hatsie Herbizide wie Isoproturon undDiuron ebenso nachgewiesen wieden Sprengstoff TNT in Erdproben.Bei diesem Projekt im Auftrag desBundesministerium für Bildung undForschung musste das TNT zunächstaus dem Feststoff Erde extrahiertwerden. Aber auch das ist für dieMethode kein Problem: Zwei Minu-ten mit einem Lösungsmittel schüt-teln, Extrakt filtrieren, stark verdün-nen – und die quantitative Analysekann beginnen.■ In einem 2006 beendeten EU-Pro-jekt untersuchten die Wissenschaftlermit selbst hergestellten AntikörpernWasser und Sedimente aus afrikani-schen Flüssen in Kenia auf DDT. Hierkam erstmals ein optischer Immun-sensor auf Biochip-Basis zum Einsatz,den sie für ihre speziellen Bedürfnissemodifiziert hatten: Dieses Gerät kannmehrere Analyte gleichzeitig messen.

Antikörper identifizieren UmweltgifteImmunochemische Analyse für Marker im Körper,

in der Natur und in Lebensmitteln

D en Begriff Antikör-per assoziiert manmeistens mit Medi-

zin. Ärzte ziehen die vomOrganismus als Waffe ge-gen eingedrungene Anti-gene gebildeten Molekülefür diagnostische Zweckeheran. Doch Antikörperhaben ein viel größeresAnwendungsspektrum: ImGSF-Institut für Ökologi-sche Chemie analysiertPD Dr. Petra M. Krämermit ihnen unter anderem Umwelt-chemikalien.■ Allerdings bedarf es einigerTricks, um mithilfe von Antikörpernetwa Pflanzenschutzmittel aufzu-spüren. Denn Pestizide sind nieder-molekulare Substanzen, deren Ein-heiten zu klein sind, um die Bil-dung von Antikörpern anzuregen.Damit das Immunsystem sie den-noch entdecken kann, koppelt dieArbeitsgruppe um Krämer sie übereine angeheftete funktionelle Grup-pe an ein größeres Trägerprotein.Mit den Konjugaten aus Proteinund Probenmolekül stellt Immuni-sierungsexpertin Dr. ElisabethKremmer vom GSF-Institut für Molekulare Immunologie die ge-wünschten hoch spezifischen monoklonalen Antikörper her. Hybridome, das sind Zellen, die durch Kreuzung aus Milz- undKrebszellen von Mäusen gewon-nen wurden, bilden das passendeImmunglobulin zum Umweltgift.Komplettiert wird der Immunoas-say durch eine Substanz, die letzt-lich eine messbare Farbreaktionliefert. Die Arbeitsgruppe Krämerverwendet dazu Enzyme oder Flu-oreszenzfarbstoffe. ■ „Mit diesem System kann manschnell und preiswert Proben ana-lysieren, ohne sie vorher langwie-rig vorbehandeln zu müssen“, er-läutert Krämer die Vorzüge des Im-munoassays. Bei gängigen Analy-semethoden wie Flüssigkeits- undGaschromatographie (HPLC, GC)muss man die Proben erst stark

Hierzu werden die verschiede-nen Antikörper mit dem glei-chen Fluoreszenzfarbstoff mar-kiert. Unterscheiden lassen sichdie Analyte daran, wo auf demChip die von ihnen hervorgeru-fenen Signale erscheinen.■ Noch konnte sich derImmunoassay nicht als Routi-neverfahren neben HPLC und

GC etablieren, bedauert Krämer:„Die immunochemische Methodeist so vielseitig. Ihre Einsatzmög-lichkeiten sind fast unbegrenzt –nicht nur in der Umweltanalytikkann diese Technologie guteDienste leisten, sondern beispiels-weise auch für Lebensmittelanaly-sen und natürlich in der Medizin.“Das Team um Krämer hat kürzlichein EU-Projekt gestartet, in dem esmit selektiven monoklonalen Anti-körpern bestimmte Strukturen imOrganismus aufspüren will, die als Marker für einige verbreiteteKrankheiten identifiziert wurden.Damit will die Gruppe Systeme fürdie Point-of-care-Diagnostik, alsoLaboruntersuchungen, die nicht ineinem Zentrallabor, sondern imKrankenhaus unmittelbar auf derKrankenstation oder in der Praxiseines niedergelassenen Arztesdurchgeführt werden, aufbauen.■ Sibylle Kettembeil

Literatur: P. M. Krämer et al.: ELISAs (Enzyme-Linked Im-munosorbent Assays) Based on Rabbit Polyclo-nal and Rat Monoclonal Antibodies Against Isoproturon. Journal of Agricultural and FoodChemistry 52 (2004) 2462-2471.

12 mensch+umwelt 2/2007

Entnahme von Wasser- und Sedi-

mentproben am Nairobi River

(oben). Die Proben wurden spä-

ter im Labor mit dem optischen

Immunosensor „AQUA-OPTO-

SENSOR“ auf DDT und Pyrethro-

ide getestet. Foto: Petra Krämer

Foto: Rainer Dittrich