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Jürgen Richter Messum 1, Zentrale Namib. Prähistorische Jäger in extrem arider Umwelt (mit einem Beitrag von K. Brunnacker) Beiträge zur Allgemeinen und Vergleichenden Archäo- logie 9/10, 281-358 1990 Universität zu Köln Institut für Ur- und Frühgeschichte Weyertal 125 50923 Köln www.ufg.uni-koeln.de

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Jürgen Richter

Messum 1, Zentrale Namib. Prähistorische Jäger in extrem arider Umwelt (mit einem Beitrag von K. Brunnacker)

Beiträge zur Allgemeinen und Vergleichenden Archäo-logie 9/10, 281-358

1990

Universität zu KölnInstitut für Ur- und FrühgeschichteWeyertal 12550923 Kölnwww.ufg.uni-koeln.de

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Jürgen Richter mit einem Beitrag von Kar1 Brunnacker

Messum 1, Zentrale Namib. Prähistorische Jäger in extrem arider Umwelt

Die Ausgrabungen am Abri 1 im Messum-Krater in der südwestafrikanischen Zentralnamib waren Bestandteil eines langfristigen Forschungsprojektes: Seit 1963 betrieb E.R. Scherz eine planmäfiige Aufnahme der Felsbildvorkommen in Südwestafrikal, die vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Köln betreut wurde. Die immer dringender in den Vordergrund tretenden Fragen nach Urheberschaft und Datierung der Felsbilder führten zu einem parallelen archäologischen Pro- gramm, welches durch Ausgrabungen an geeigneten Felsbildfundstellen hier Klärung schaffen sollte.

W. E. Wendt (Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Köln) begann daher 1968 mit systematischen Grabungen2. Zunächst konzentrierten sich die Forschungen auf die an Felskunst rei- chen Gebiete im Mittelwesten des Landes rund um den Brandberg. Hier wurden während der Jahre 1968 und 1969 14 Fundstellen untersucht.

Unter diesen Fundplätzen ist Messum 1 mit rund 50000 Steinartefakten das reichste ergrabene In- ventar und bot sich damit vorrangig zur Bearbeitung an. Im Vordergrund standen besiedlungsge- schichtliche Fragen: Ein chronologischer Rahmen fehlte für das namibische Holozän noch, so daß die Erarbeitung stratigraphischer Fakten Priorität besafi.

So stellte sich in Messum 1 zunächst die Aufgabe3, eine Bestandsaufnahme der materiellen Kultur zu leisten und typische Artefaktensembles für die einzelnen Belegungsphasen herauszustellen: Wie- viele Belegungen lassen sich nachweisen? Welche Eigenheiten der materiellen Kultur besitzen die ein- zelnen Belegungsphasen? Weiterhin stellt sich aber auch die Frage, in welcher Beziehung die mate- riellen Hinterlassenschaften in Messum 1 zu ihrer heute extrem ariden Umwelt stehen. Beim jetzigen Forschungsstand ist es hierbei selbstverständlich, dafi dieser Aspekt nur beschreibend, kaum erklä- rend, behandelt werden kann: Wie sehen die heutigen Umweltbedingungen aus, und wieweit lassen sie sich in die Vergangenheit zurückverfolgen?

Entdeckungsgeschichte

Die ersten Europäer sahen das Messum-Gebiet in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Ein eng- lisches Handelsschiff unter Captain Messum war bei Cape Cross vor Anker gegangen und hatte eine Expedition in das nähere Umfeld des Ankerplatzes unternommen. Dabei wurde der nach ihm be-

zuletzt Scherz, Ernst R., Felsbilder in Südwestafrika, Teil 111. Fundamenta A7/III (Köln 1986). Wendt, W. E., Preliminary report on an archaeological research Programme in South West Africa: Cimbebasia B2,

1972, 1-61. - W.E. Wendt übertrug mir 1981 die Bearbeitung der Fundstellen aus dem Mittelwesten, die 1988 zum Abschlui3 kam. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft gewährte hierzu vielfältige Unterstützung im Rahmen des DFG- Projektes »Felsbilder im südwestlichen Afrika« (Leitung zunächst H. Schwabedissen, später R. Kuper, Universität Köln), für die an dieser Stelle gedankt sei. Zusammenfassend dazu: Richter, Jürgen, Studien zur Urgeschichte Nami- bias. Holozäne Stratigraphien im Umkreis des Brandberges. Archäologische Informationen 11, 1988, 215-217.

Die Bearbeitung der Fundstelle Messum 1 erfolgte zunächst 1982/83 als Magisterarbeit (Institut für Ur- und Frühge- schichte, Universität Erlangen), deren veränderte, um Datenmaterial erweiterte und von U. Tegtmeier (Forschungsstelle Afrika, Institut für Ur- und Frühgeschichte, Universität Köln) redigierte Fassung der vorliegende Aufsatz darstellt.

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nannte Messum-Komplex entdeckt. Eine erste kartographische Erwähnung der Messum-Berge geht auf Carl Johan Anderson zurück4, einen schwedischen Händler, Forscher und Schriftsteller. Danach geriet das Gebiet in Europa wieder für kurze Zeit in Vergessenheit, denn auf den folgenden Karten ist es nicht mehr verzeichnet. Selbst die Übersichtskarte (Stand 1886) des Schweizer Botanikers H . Schinz5, der in deutschem Regierungsauftrage die neuerworbene Kolonie Deutsch-Südwestafrika be- reiste, enthält keinen Hinweis auf die Messum-Berge. Erst auf einer Karte von 1906 findet sich wie- der ein Eintrag6.

Schon vor dem Zweiten Weltkrieg wurde der Messum-Krater geologisch aufgenommen. H . Korn und H . Martin führten einen detaillierten Survey durch7 und entdeckten dabei mehrere prähistorische Fundstellen, unter anderem einen sehr fundreichen Middle Stone Age-Platz im Osten des Gebietes. Eine andere, weiter westlich gelegene Middle Stone Age-Freilandfundstelle auf einem Höhenrücken wurde von A. Viereck registriert und veröffentlicht8. E. R. Scherz nahm dann die Felsbilder von Mes- sum 2 für seine Publikation auf9 und konnte so W. E. Wendt auf die Messum-Fundstellen aufmerk- sam machen. Während der Ausgrabungen 1968 fand W.E. Wendt noch einige andere Fundplätze am Ufer des Messum-Riviers, die jedoch nicht weiter erforscht wurden.

Zentrale Namib und Messum-Berge als Lebensraum

Der Messum-Komplex - bei 21'22' südlicher Breite und 14'17' östlicher Länge gelegen - gehört zu den Inselgebirgen der Sand- und Felsenwüste Namib (Abb. 1). Sie ist das Ergebnis einer ausgedehn- ten küstenparallelen Flä~henbi ldun~, deren Ursprünge bis in die Tertiärzeit z~rückreichen'~.

Die bis zu 120 km breite, gleichmäßig flache Ebene (Rumpffläche) steigt in östlicher Richtung etwa um 1" bis auf rund IOOO m an und endet vor der auf bis 2000 m steil ansteigenden Großen Randstufe (Great Escarpment), die den größeren Teil des südafrikanischen Subkontinentes umzieht, jedoch auf der Breite von Messum, Brandberg und Erongo kaum ausgebildet ist; man spricht hier von der Rand- stufenunterbrechung Die Einförmigkeit der Namib wird durch einzelne Inselberge unterbrochen, die - ohne ausgeprägten Hangfuß - unvermittelt aus der Fläche aufragen.

Vulkanite weisen die Inselgebirge der zentralen Namib als genetisch verschieden vom granitischen Sockel des präkambrischen Damaraland-Grundgebirges aus. Sie stehen in enger Verbindung mit den in Nord-Süd-Richtung streichenden Basaltgängen der Namib und verdanken ihre Entstehung einer Periode intensiver vulkanischer Aktivität, deren Datierung auf etwa 120 Mio. Jahre vor heute einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Aufspaltung des Gondwana-Kontinentes in das heutige Afrika, Südamerika und die Antarktis vermuten läßtl1.

Solche Inselgebirge aus subvulkanisch-vulkanischen Gesteinsvorkommen werden aufgrund ihrer kreisrund umgrenzten Gestalt als Ringkomplexe bezeichnet. Die Messum-Berge und der weiter öst-

Anderson, Carl J., Reisen in Südwestafrika bis zum See Ngami. 2 Bde. (Leipzig 1857, 1858) Beilage. Siehe auch Vedder, Heinrich, Das alte Südwestafrika (Nachdruck Windhoek 1981) 396.

Schinz, H., Deutsch-Südwestafrika. Forschungsreisen 1884-1887 durch die deutschen Schutzgebiete (Oldenburg- Leipzig 1891).

Z. B. Schwabe, K., Der Krieg in Südwest-Afrika 1904-1906 (Berlin 1907) Beilage. ' Korn, H./Martin, H., The Messum Igneous Complex in South West Africa: Transactions of the Geological So-

ciety of South Africa 57, 1954. Unveröffentlichte Aufzeichnungen und Manuskripte zur Archäologie der Zentralnamib im Nachlaß Korn, Sam-Cohen-Library, Swakopmund/Namibia.

Viereck, Albert, Steinzeitkultur am Messum: Der Kreis 2 (9), 1961, 68-70. Scherz (Anm. 1).

' O Besler, Helga, Klimaverhältnisse und Klimage~gra~hische Zonierung der Zentralen Namib (Südwestafrika). Stutt- garter Geographische Studien 83 (Stuttgart 1972). Blümel, Wolf-Dieter / Emmermann, Rolf / Hüser, Klaus, Der Er- ongo. Geowissenschaftliche Beschreibung eines südwestafrikanischen Vulkankomplexes (Windhoek 1979) 18.

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lich gelegene Erongo sind Plutonruinen: Um ein Zentrum sind mehrere, durch Erosion freipräpa- rierte Ringe gruppiert.

An den Ringkomplexen stehen für die Steinbearbeitung wichtige Rohmaterialien in großer Menge an: Gangquarz, Bergkristall - hier vielfach durch Eisenoxidanlagerung rötlich gefärbt - und Basalt und Dolerit12.

Klimatische Determinanten lassen sich aus den Untersuchungen von H. Besler zu Klimaverhältnis- Sen im Bereich des Wendekreises und zu einer geomorphologischen Zonierung der zentralen Namib für das Messum-Gebiet herleiten13.

Der kalte Benguela-Strom, dem Humboldt- und Peru-Strom an der südamerikanischen Pazifikkü- ste entsprechen, kondensiert die über dem Meer sich bildenden feuchten Luftmassen zu Nebeln. Vom Südwestwind auf das Festland gedrückt, werden sie erwärmt und steigen ohne Niederschlagsbildung auf. Es entsteht somit ein tageszeitlich sich regelnder Kreislauf im westlichen Teil der Namib. Der östliche Streifen der Namib erhält dagegen spärliche Sommerregen aus gelegentlichen, äuRersten süd- westlichen Ausläufern der Innertropischen Konvergenz. Prägend für das Namib-Klima ist also nicht nur das geringe Niederschlagsaufkommen, sondern auch dessen unregelmäßiges Auftreten1" Das Wassernetz der Namib besteht daher ausschließlich aus Rivieren (Wadis, Trockenflüsse), die nur sai- sonal, zumeist als Fremdlingsflüsse in Ost-West-Richtung aktiv werden, wie etwa auch das den Mes- sum-Komplex im Norden tangierende Messum-Rivier. Allerdings führen die großen Riviere - auRer während extremer Trockenperioden - ganzjährig Grundwasser, so daß sich ihre Flußbetten häufig als schmale Vegetationsstreifen in der Landschaft abzeichnen.

H . Besler, die wie erwähnt die Klimaverhältnisse in der zentralen Namib untersucht hat, teilt die- ses Gebiet in drei Hauptzonen ein, für deren Abgrenzung sowohl Klima-Meßdaten als auch geomor- phologische Fakten vorliegen15.

Zone I: Die kiihle Nebelwiiste erstreckt sich bis zu 40 km landeinwärts. Der größte Anteil des ge- ringen Niederschlages (50 bis 100 mm p. a.) wird durch Nebel erzeugt. Es kommen Flechten vor.

Zone 11: Die Nebelwechsel- Wiiste in einer 20-30 km breiten Mittelzone. Große Temperatur- und Luftfeuchte-Amplituden bei häufigen Morgennebeln. Lochverwitterung, Schattenverwitterung, Ab- blätterung/Abschuppung als Produkte der Feuchteverwitterung. Keine Flechtengesellschaften, kein Grasbewuchs, Niederschlagsaufkommen O bis 50 mm p. a.

Zone 111: Die Wiistensteppe der randstufennahen Region. Echte kleine Regenzeiten (60 bis 200 mm Niederschlag pro Jahr). Kein Nebel. Rotbraune Pseudorinden, großflächige Abplattungen, Großta- foni (Gipfelhöhlen). Ausgedehnte, wildreiche Grasländer.

In den Messum-Bergen fällt schon aus der Ferne die weit verbreitete rostrote Färbung der Fels- oberfläche auf, die Bildung von Pseudorinden. Hinzu kommt die spärliche Strauchvegetation an ge- schützten Stellen und die Makro-Lochverwitterung in Form von Gipfelhöhlen (Tafoni), zu denen auch Abri 1 zu rechnen ist.

Diese Kennzeichen sprechen für eine Zuordnung der Messum-Berge zu Zone 111 nach Besler. Die geringe Entfernung von der Küste bedingt jedoch auch das Vorhandensein von Merkmalen der Ne- belwechselwüste (z. B. Welwitschia mirabilis). Auch liegt der Messum-Krater im Einzugsgebiet der Küstennebel. Da jedoch einige Merkmale der Zone I11 im Bereich des Messum-Kraters 50-40 km an die Küste heranreichen, scheint eine Überschneidung mit der Mittelzone (Zone 11, »Nebelwechsel-

l1 Blümel u.a. (Anm. 10) 19. l2 Korn/Martin (Anm. 7). l3 Besler (Anm. 10) Beilage. l4 2.B. Stengel, H. W., Vom Regen und von Regenkarten in Südwestafrika: Journal der SWA Wissenschaftlichen

Gesellschaft 7, 1966, 2-14. l5 Besler (Anm. 10) 105.

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Abb. 1. Zentral-West-Namibia. Arbeitsgebiet des DFG-Projektes »Felsbilder im südwestlichen Afrika« und Messum-Fundstellen.

Abb. 2. Fundstellen im Messum-Gebiet (A-D Gruppen von Hüttenringen).

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wüste«) vorzuliegen. Es ist zu erwarten, daß es im Messum-Gebiet selten und in unregelmäßigen Ab- ständen zu »kleinen Regenzeiten« kommen kann, wie sie auch sonst - jedoch häufiger - in Zone 111 auftreten. Ein solches Regenereignis im Messum-Krater ist zuletzt in den dreißiger Jahren beobachtet worden16.

Die klimageographische Betrachtung des Messum-Gebietes liefert damit Argumente, warum ge- rade in dieser - auf den ersten Blick unwirtlichen - Gegend Zeugnisse menschlicher Anwesenheit möglich sind. Vielleicht bildete das Messum-Gebiet einst eine Art Brückenkopf, von dem aus die Kü- ste mit ihrem Muschel-, Fisch- und Robben-Reichtum leicht erreichbar war. Verbinduqswege zwi- schen Inland und Küste waren vermutlich die großen, Ost-West verlaufenden Riviere, die - als eine

Art lineare Oasen - lange Grundwasser speichern können. Das Messum-Rivier entspringt in der Hungarob-Schlucht des westlichen Brandbergmassives und mündet nördlich von Cape Cross in den Atlantik.

Die zentrale Namib umfaßt nach W. Giess eine einheitliche Vegetationszone (Zone 2)17, die durch weitgehende Pflanzenarmut charakterisiert ist. Während trockener Perioden fallen nur wenige grö- ßere Pflanzenarten auf, so Welwitschia mimbilis, Sarcocaulon mossamedense (umgangssprachlich

less er- Buschmannkerze) und Euphorbia virosa (unmittelbar am Messum nicht vorhanden). W. G ' wähnt, daß bereits nach geringen Niederschlägen die Flächen mit Gräsern der Arten Stipagrostis hochstetterana und Stipagrostis subacaulis bedeckt sein können, wie zuletzt vor 50 Jahren beobachtet.

Bei solchen Gelegenheiten können neben Schakalen auch Antilopenarten auftreten, wie Skelettreste einer Oryx-Antilope belegen, die in einer Felsspalte nahe Abri 1 steckten. Huftiere (Zebras, Spring- böcke) und StrauRe, die einige Zeit ohne offenes Wasser auskommen können, werden während sol- cher Gunstperioden sehr rasch einwandern und die ephemere Vegetation ausnutzen. Kleinsäuger dürften dagegen im Messum-Gebiet selten sein, da sie auf ein kleinräumig zuverlässiges Nahrungsan- gebot angewiesen sind.

Die Fundstellen: Messum 1 und benachbarte Siedlungsplätze

Die prähistorischen Fundstellen des Messum-Komplexes liegen auf einem Syenitrücken, der zum nördlichen Teil des inneren, zentralen Ringes des Messurn-Komplexes gehört (Abb. 2).

Neben den beiden Abri-Fundstellen Messum 1 und Messum 2 befinden sich hier zahlreiche weitere Feldsdächer, die Nischen von weniger als einem Kubikmeter Volumen bis zu Räumen beträchtlicher Größe überspannen. Die meisten liegen in der Westwand des östlichen Gipfels (Abb. 2,E), sind also zur Seeseite hin offen. Sie enthalten keine oder nur sehr spärliche Sedimentreste und sind einer Star- ken Erosion ausgesetzt, die vermutlich auf die in Ost-West-Richtung streichenden Küstennebel zu- rückgeht. Die Decke des ebenfalls nach Westen orientierten Abri 1 wittert noch heute ständig weiter aus. Abri 2 hingegen weist gut erhaltene Felsbilder auf; die Deckenerosion ist hier also seit der Ent- stehung der Felsbilder nicht weiter fortgeschritten. Abri 2 liegt im westlichen Teil des Rückens in der Ostböschung einer nach Norden ausgreifenden Felszunge. Sicherlich hat diese Lee-Position die Wände des Abris vor der Zerstörung bewahrt. Die fast entgegengesetzte Orientierung der beiden Felsschutzdächer wie auch ihre unterschiedliche Höhenlage (Messum, Abri 1: etwa 460 m ü.NN, Messum 2: 440 m ü.NN) setzen verschiedenartige Entstehungsbedingungen voraus: Während Abri 1 als GroDtafone anzusprechen ist, handelt es sich bei Abri 2 um eine Spaltenhöhle.

l6 Giess, W., Die in der zentralen Namib von SWAINamibia festgestellten Pflanzenarten und ihre Biotope: Dinteria 15, 1981, 13-72.

l7 Giess, W., A preliminary vegetation map of South West Africa. Dinteria 4, 1971.

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Abb. 3. Schematische Darstellung der drei Hüttenring-Typen am Messum-Krater: I einfacher Ring, I1 Ring mit Annex, 111 an Böschung angelegter Teilring.

0 1 2 3 m 0 I I I I i I lm

Abb. 4. Einige Hüttenringe der Gruppe A im Grundrii;;.

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Beide Felsdächer sind nach außen durch die gewaltigen Blöcke des alt verstürzten Traufes ge- schützt, wodurch sie an zusätzlicher Attraktivität für die Bewohner gewannen. Abri 1 bietet zusätz- lich den Vorteil eines ungehinderten Blickes auf die nördlich vorgelagerte Fläche bis zu den Höhen des äußeren Kraterrandes. Wenige Schritte oberhalb von Abri 1 befindet sich ein schmaler Sattel zwi- schen den beiden Gipfeln des Syenitrückens (Taf. 94a), von dem aus das südlich gelegene Zentrum des Kraters mit seinen Basaltkuppen zu übersehen ist.

Zwischen Abri 1 und Fundstelle B (vgl. Abb. 2) erstreckt sich eine tief eingeschnittene Erosions- rinne mit spärlicher, bodenbedeckender Vegetation (Taf. 94b). Am östlichen Rand dieser Erosions- rinne befindet sich eine mehrere Meter lange, schmale, tiefe, teilweise mit Sediment verfüllte Spalte. Hier liegt offensichtlich ein temporäres Wasserloch vor. Eine halbkrei~förmi~e Steinsetzung, die jene Spalte zur Talseite hin begrenzt, könnte dem Zweck gedient haben, das nach Niederschlägen in der Spalte Wasser daran zu hindern, abzufließen.

Neben den beiden Abris zeugen auch zahlreiche Freilandfundstellen von der ehemaligen Bedeu- tung des Messum-Gebietes (Abb. 2). Dies sind zumeist in dorfartigen Grüppchen zusammengefaßte Steinsetzungen. Sie befinden sich stets an geschützten Stellen, in Einbuchtungen und Mulden und lehnen sich dabei an Böschungen von Rinnen und Depressionen an, so daß sie hintereinander aufge- reiht sind (Abb. 2, Pos. A, D); sie können aber auch kreisförmig aufeinander bezogen sein, in der Mitte einen kleinen Platz lassend (Abb. 2, Pos. B, C, F).

Die Steinsetzungen lassen sich auch nach ihrer Bauart gliedern (Abb. 3): Typ I: Einfache Steinringe mit einer Eingangsöffnung: Typ 11: Steinringe mit einer Offnung und einem angebauten oder zuge- ordneten, kleineren Annex; Typ 111: Teilkreise, die an Felsen oder Böschungen angelehnt sind.

Der Durchmesser der Steinkreise liegt immer bei etwa 2 m. Zu den genannten Typen kommen noch Sonderformen hinzu, wie die Setzung A 2 (Abb. 4), die der Offnung gegenüber wahrscheinlich einmal eine weitere Eingangsöffnung hatte, die dann mit kleineren Steinen zugesetzt wurde. - Eine Besonderheit stellt auch A 9 (Abb. 4) dar. Hier sind inmitten eines locker mit kleinen Blöcken gesetz- ten Kreises aufrecht stehende, flache Steinplatten in zwei parallelen Reihen angeordnet und exakt nach Norden gerichtet. Zwei aufrecht stehende Platten aus Basalt rahmen die Eingangsöffnung des sonst aus Syenit aufgebauten Ringes B 6 (Abb. 6).

Die drei genannten Haupttypen, die auch anderweitig in Namibia bekannt sind18, schließen sich am Messum-Krater räumlich gegenseitig aus. Dieses macht die eigentliche Bedeutung aus, die die Steinsetzungen im Messum-Krater für die Diskussion um die hut &cles haben. Zwei besonders typi- sche Gruppen des Messum illustrieren dies: Fundstelle A (Abb. 5) enthält vorwiegend Setzungen der beschriebenen Typen I und 111. Diese sind reihenartig angeordnet, ihre Öffnungen haben keine regel- hafte Ausrichtung. Fundstelle B dagegen (Abb. 6) hat Ringe des Typs 11 mit Annex in angebauter (B 1-7) oder zugeordneter Position (B 6). Die Steinkreisrudimente B 9 und B 10 bleiben hier wegen mangelnder Erhaltung unberücksichtigt. Die Gesamtanlage von Gruppe B ist mehr kreisförmig ange- ordnet. Die Offnungen weisen alle eine mehr oder weniger nördliche Orientierung auf (Aufnahme durch den Verfasser 1982, Ungenauigkeiten bis zu 10% sind möglich). Die Gruppe A ist aus Basalt-, Gruppe B aus Syenitsteinen gesetzt. Beide Materialien stehen unmittelbar am Orte an. Zwei der ring- förmigen Steinsetzungen befinden sich direkt vor Abri 1 (vgl. Abb. 7).

Möglicherweise standen sie mit den Freilandfundplätzen in einer Beziehung.

j8 Carr M. J./Carr, A. C./Jacobson, L., Hut remains and related features frorn the Zerrissene mountain area: Their distribution, typology and ecology: Cimbebasia B2, 1978, 237-254.

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Abb. j. Grundplan der Fundstelle A.

Abb. 6. Grundplan der Fundstelle B.

Die Ausgrabungen in Messum 1

Messum - Fundstel le B

Messum 1 ist ein Riesentafone von 7 m Breite, 2 m Höhe und 5 m Tiefe (auf die Trauflinie bezogen). Die Blöcke des verstürzten Traufes schließen das Innere des Felsdaches zu einem annähernd runden Raum ab und bilden somit einen bis zu 1,50 m hohen Wall.

Die im Innenraum an der Oberfläche liegenden kleineren Platten und Trümmer schienen dem Aus- gräber nicht von der Syenitdecke zu stammen, zumal einige der Stücke aus vulkanischem Material be- standen, wie es in nächster Umgebung aufgesammelt werden kann. Manche dieser herumliegenden Stücke wiesen grobe Abschlagnegative auf.

Außerhalb des Abri - vor den verstürzten Traufblöcken und zum Teil in diese oder deren Reste eingepaßt - befinden sich zwei ringförmige Steinsetzungen (Abb. 7, S 1. S 2). S 1 bildet einen Halb- kreis, S 2 einen Dreiviertelkreis, wobei die Öffnungen in Richtung des Abriraumes deuten. Die bei- den Steinsetzungen sind bis zu 35 cm hoch erhalten und lassen sich mit Steinsetzungen des Typs I (Abb. 5, Fundstelle A) vergleichen, denn es handelt sich um einfache Ringe ohne Annex. Aus der Steinsetzung S 2 wurden Artefakte geborgen (Abb. 29).

Die Grab~ngsmethode '~ wurde in einem Vorbericht von W. E. Wendt ausführlich erläutert: Das Innere des Abri 1 wurde zunächst durch einen 1 m breiten Schnitt erschlossen, der sich von den ver- stürzten Traufblöcken im Eingangsbereich bis zur Rückwand des Abri erstreckte (Abb. 7, AI-A8).

l9 Grabungsdokumentation von W. E. Wendt 1968. Der Nullpunkt für Flächenmaße und Nivellement wurde bei A8 mit roter Farbe auf der Abrirückwand markiert, auf den sich alle im folgenden genannten Tiefenmaße beziehen. Beim Tieferlegen der Grabungsfläche suchte W.E. Wendt - sofern dies möglich war - dem gegebenen Schichtverlauf zu fol- gen. Allerdings zeigte die Erfahrung auch mit anderen Grabungsstellen in Südwestafrika, daß die meist geringmächtigen

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Abb. 7. Messum 1. Grabunpflächen 1968 im Abri und Steinringe am Vorplatz des Abri.

Sedimente stratigraphisch oft kaum gliederbar oder allenfalls in ein oberes und unteres Schichtpaket teilbar sind, wobei diese Einteilung nicht immer archäologisch relevant sein muß - vgl. hierzu Wendt (Anm. 2) 7. Deshalb orientierte sich W. E. Wendt außer am stratigraphischen Befund zusätzlich an einem System künstlicher Niveaus. Diese Niveaus wur- den - innerhalb der Meterquadrate - in durchschnittlich 5-cm-Schritten (Abhüben) tiefergelegt. Je nach Sedimentbe- schaffenheit und tatsächlichem Schichtverlauf wurden die Abhübe aber auch mehr oder weniger mächtig gewählt. Der Abtrag jeder Einheit ist durch regelmät3iges Nivellieren der Eckpunkte, meist auch des Mittelpunktes und bei Bedarf weiterer Punkte dokumentiert. Die Dichte des so entstandenen Raumgitters kann demnach in den verschiedenen Me- terquadraten variieren. Ebenso wurden benachbarte Quadrate derart ausgegraben, dai3 sie zunächst unterschiedliche Niveaus hatten, so daf3 im Profil und im Planum eventuell vorhandene archäologische Horizontgrenzen besser erfaßt oder gegebenenfalls überprüft werden konnten. Einzelne Funde sind häufig gesondert eingemessen worden. Das schrittweise abgehobene Sediment wurde dann gesiebt (Maschenweite 4x4 mm). Funde aus dem Siebrückstand wurden nach verschiedenen F ~ n d ~ a t t u n g e n getrennt, wobei besondere Funde einzeln verpackt wurden. Alle Arbeitsgänge wie auch Beobachtungen über Sedimentcharakter, Befunde und Fundanfall wurden für jede Grabungseinheit in einem Feld- buch vermerkt. Ein Grundplan der Grabungsfläche im Mai3stab 1:100 sowie ein Planum im Maßstab 1:50 und zwei Profil~eichnun~en im Mai3stab 1:50 ergänzen die Dokumentation.

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I 1 I I -- -- -- -- -- I 1 -

Abb, 8. Profil A (2-7 Graues Paket. 9,10 Rote Schicht; siehe auch Legende Abb. 10).

Der Schnitt wurde später in etwa südwestlicher Richtung erweitert (Abb. 7, A9-A14). Dabei wurde die Grabungsfläche in Meterquadrate unterteilt, die in der Reihenfolge ihrer Eröffnung numeriert sind. Die Grabung erreichte so eine Flächenausdehnung von 14 m2. Das Vorgehen in die Tiefe er- folgte in unterschiedlich dicken Abhüben (durchschnittlich 5 cm) bis zum Anstehenden in einer ma- ximalen Tiefe von 1.20 m.

Wie auf dem Planum verzeichnet (Abb. 7), wurden 1968 zwei Profile aufgenommen. Eines (Profil A) läuft etwa in NW-SE-Richtung in einem Winkel von 125' zur Nordsüd-Achse senkrecht auf die Rückwand des Abri zu, das andere (Profil B) bildet dazu die Senkrechte.

Profil A (Abb. 8) zeigt die Hauptkomponenten der Stratigraphie: Das Profil gliedert sich in ein oberes, Ca. 30 cm mächtiges Paket (Abb. 11,I-7; im folgenden: Graues Paket) aus graubraunem, pulvrig-lockerem Sediment und ein unteres, ebenfalls bis zu 30 cm mächtiges Schichtenpaket (9,10; im folgenden Rote Schicht) aus homogenem, braunrotem, feinem Sand, dessen unterer Teil steinhart verkittet ist (10). Der Sedimentwechsel zwischen Grauem Paket und Roter Schicht ist durch plattige und polyedrische Versturzstücke von zum Teil beträchtlicher GröBe aus dem Syenit der Abridecke gekennzeichnet (8), was besonders Profil B (Abb. 9) deutlich macht. Innerhalb des oberen Schichtpa- ketes (1-7) war bei den Quadraten A12, A l3 und A l4 zudem eine hellgrau-aschige Lage erkennbar (Abb. 9). Ein drittes Profil von einer Sondage 1981, das nun als Standardprofil dient, liegt gegenüber von Profil A, die Flächen AG bis A8 nach Nordosten begrenzend (Abb. 10).

Während der Grabung wurden einige wichtige Befunde vermerkt: In A7/A8 konnte eine Eintie- fung (Durchmesser Ca. 1.20 m, Tiefe bis zu 25 cm) festgestellt werden, die mit mehreren Lagen orga- nischen Materials verfüllt war, darunter Gräser, Straußenfedern, Kokons (Abb. 10,2-5). Eher pfo- stenlochartigen Charakter haben zwei weitere Eintiefungen, wobei sich in jeder ein Keramikfragment befand (Abb. 11, A3.Al3). Da die genannten Befunde alle von der Oberfläche (1) ihren Ausgang neh-

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_I_ - I - -1- - I -

Abb. 9. Profil B (2-7 Graues Paket. 9,10 Rote Schicht; siehe auch Legende Abb. 10).

men, ist damit zu rechnen, dai3 Kulturreste aus dem Grauen Paket mit solchen jüngerer Belegungen an die Oberfläche befördert wurden und dort vermischt liegen.

Innerhalb des Grauen Pakets fanden sich einige Aschelinsen: In A3 und A4 (bei -25 und -30) so- wie, etwas tiefer gelegen (bei -25 bis -40) in AS/AlO/All (Abb. l l ) . Erwähnenswert ist auch eine mehrere Zentimeter dicke Salzkonzentration in A6/A10 (Abb. 11).

Auswertungsmethode

Der reiche Fundstoff von Messum 1 einerseits, und andererseits die Konzentration auf stratigraphi- sche Fragen machten es notwendig, nicht die gesamte Fundstelle mit gleicher Exaktheit vorzulegen, sondern nur einen fundreichen Schnitt zur detaillierten Bearbeitung auszuwählen, in dem stratigra- phische Merkmale besonders deutlich hervortreten.

Die rund 50 000 Artefakte von Messum 1 werden daher zunächst nur nach den von Anfang an be- kannten Einheiten getrennt (Oberfläche, Graues Paket, Rote Schicht, Steinsetzung S2 und Funde ohne Angabe) vorgelegt. Dabei wird das Graue Paket wie ein großer, vermischter Komplex behan- delt. In einem zweiten Arbeitsschritt wird dann versucht, anhand eines ausgewählten Grabungs- schnittes auch für das Graue Paket einzelne Belegungsphasen zu unterscheiden. Probeweise vorge- nommene Profilprojektionen typischer Artefaktformen (Segmente, Keramik) zeigten, daO Projektio- nen auf die Profile A und C zwar Horizontierungen zuließen, dabei aber größere Überschneidungs- bereiche auftraten als bei Profil B. Deshalb wurden die Quadrate A5, A12, A l3 und A l4 zur Bearbeitung ausgewählt (vgl. Abb. 7), zumal sie die größte Fundkonzentration aufweisen und, wie schon anhand des Grabungsbuches von W. E. Wendt vermutet, alle wesentlichen stratigraphischen Komplexe von Messum, Abri 1 anschneiden.

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J. Richter

J

Abb. 10. Profil 1981. 1 Oberfläche, feines graubraunes Sediment, 2 Grubenfüllung/Oberfläche. Etwas helleres, graugelbbraunes, feines Sediment, im rechten Teil plattige Syenitstücke pflasterartig verlegt. 3 Zweiteilige (rechts und links) und mehrlagige Packung vor allem aus Gräsern, auf der Grubensohle wiederum einige plattige Syenit- stücke. 4 Feinstes graubraunaschiges Sediment, im linken Teil mit feinsten Holzkohleschüppchen durchsetzt. 5 von 4 eingetiefte Mulde mit Füllung aus Gräsern und Straußenfedern. Sohle deutlich als Artefaktlage erkennbar. 6 Grau kiesiges Sediment mit Kalkpartikeln. 7 Dunkelgrau-aschiges Sediment, im unteren Teil etwas verfestigt. Hauptfundschicht mit Mikrolithen. 8 Deckenschutt aus Syenit. 9 Rotbrauner Sand. Artefakte zeigen gelbe Pati-

nierung. 10 Wie 9, jedoch steinhart nodulär verbacken, liegt auf dem anstehenden Syenitfels auf.

Wie bereits erläutert, ließe sich das gesamte Inventar nach einem Raumgitter aus Quadratmeter- Flächen mit durchschnittlich 5 cm Tiefe darstellen (Grabung~s~s tem der artifiziellen Niveaus). Auf dieses - im folgenden auf die Quadrate A5, A12, A l3 und Al4 beschränkte - Raumgitter werden alle Funde dieser F lä~hen~uadra te projiziert (Profilprojektion B')20, um später quantitative (Fundkonzen- tration) und qualitative (Typenverteilung) Horizontierungen erkennen zu können. Die Ergebnisse dieser Profilprojektionen bilden die Grundlage für die Rekonstruktion der Kulturabfolge innerhalb des Grauen Pakets.

Die Funde

Rohmaterial der Steindrtefakte

Trümmerstücke, Abschläge, Kerne und Geräte wurden im wesentlichen aus drei Gesteinsarten ge- wonnen: Quarze (meist Bergkristall), Silices und Kieselschiefer und schliefilich Massengesteine wie Basalt und Dolerit2'.

20 Aus technischen Gründen ist dabei der Tiefenmaßstab gegenüber dem Flächenmaßstab 2fach überhöht dargestellt und die stets unterschiedlichen Abhubmächtigkeiten sind auf ihren Mittelwert von etwa 5 cm eingeregelt (Einige ge- ringmächtige Abhübe wurden dazu zusammengefaßt).

21 Aufnahme der Grundformen nach Rohmaterial, Stückzahl und Gewicht: W. E. Wendt.

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Messum 1. Prähistorische Jäger- in extrem arider Umwel t

Anstehender Fels

I::::::::::::::::] Asche,insen ,

................. .................

,,pfostenloch ............... .............. ............... .............. ..............

1 Mulde mit Pf lanzenmater ia l

Abb. 11. Kombination von Befunden der Niveaus -15 bis -25.

Quarz und Bergkristall: Quarze treten meist in Form von Gangquarzen auf. Sie kommen im Sy- enit der Umgebung vor, sind vermutlich als aus primärer Lagerstätte abgebaut und als grob zuge- formte Rohstücke mitgebracht worden. Die Fundstelle erbrachte jedoch auch einige wenige, an ihrer Rinde kenntliche Abschläge von Flußgeröllen aus Quarz, die vielleicht aus dem Bett des nahegelege- nen Messum-Riviers stammen.

Große Bedeutung innerhalb der Gruppe der Quarzgesteine kommt dem Bergkristall zu, der bevor- zugt zur Herstellung von Mikrolithen Verwendung fand. Die Rohstücke selbst, aber auch Kristallflä- chenreste an Artefakten zeigen, daß häufig primäre Lagerstätten ausgebeutet wurden (Kristallflächen ohne Verwitterungs- oder Verrundungsspuren). Ungleich höher bemessen ist jedoch der Anteil jener Stücke, die eine deutliche Windma t t i e r~n~ aufweisen, also lange Zeit an der Oberfläche der Namib der Verwitterung ausgesetzt waren. Oft verrät der leicht rötliche Farbton einer Kristallfläche die An- lagerung von Eisenpigmenten, auf die auch die Einfärbung der anstehenden Syenite und Basalte zu- rückgeht.

Eine weitere Farbveränderung, die sowohl bei grobem Quarz wie auch bei feinem Bergkristall all- gemein auftritt, macht sich durch eine patina-artige Vergilbung und eine gleichzeitige, kaum wahr- nehmbare Mattierung bemerkbar. Diese Merkmale dürfen als typisch für die aus der Basisschicht

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294 J . Richter

(»Rote Sandschicht«) ergrabenen Funde gelten, da sie im Hangenden dieser Schicht nur ausnahms- weise vorkommen und vereinzelt dann zusätzlich frische Gebrauchspuren zeigen. Diese Stücke (z. B. Abb. 29,8.10) mögen zufällig aufgegraben oder auch dem Erosionskegel der Basisschicht vor dem Abri entnommen worden sein,

Als Sonderformen des Bergkristalls sind einige grün gefärbte Stücke, solche mit Amethyst-Tönung, vereinzelte Rauchquarze und ein kleiner Kern aus Zitrin bemerkenswert.

Die Beschaffung der genannten Quarzvarietäten war sicher kaum problematisch, da sie in der ge- samten Namib zahlreich an der Oberfläche zur Verfügung stehen. Wie nicht anders zu erwarten, spiegelt der hohe Anteil der Bergkristalle/Quarze diesen Umstand wider.

Silices: Bei den Silices steht ihr geringer Anteil am Inventar in umgekehrter Proportion zu ihrer Sortenvielfalt. Chalcedone sind in einer breiten Skala von Blau- und Grautönen vorhanden, die aber auch zu gelb und braun changieren können, wobei transluzide und opake, homogene und gebänderte Arten vertreten sind. Jaspis und Achat in allen Gelb- und Brauntönen, oft auch gesprenkelt und mit

- -

kleinen dunkelgrünen ~inschlüssen (Moosachat) wie auch opake Karneole fehlen nicht. Vorkommen dieser Sorten sind aus der Umgebung der Fundstelle nicht bekannt. Reiche Rohstoff-

lager befinden sich aber in den Sedimentgesteinen der nördlich gelegenen Karoo-Formation und an der »Skelettküste« der nördlichen Namib in Form von Strandgeröllen, die allerdings wegen des Feh- l e n ~ von Geröllrinden an diesen Rohmaterialien in Messum, Abri l nicht in Frage kommen.

Die große Vielfalt an Varietäten läßt eher an mehrere, voneinander unabhängige Provenienzen den- ken. Ein Import dieser Materialien ist daher zwar wahrscheinlich, doch lassen sich die Ressourcen nicht exakt benennen. Die Silices werden im folgenden zusammenfassend als »Kryptokristalline Silex- varietäten« (KKS) angesprochen.

Wohl ebenfalls importiert sind die Objekte aus Kiesel- bzw. Tonschiefer, die in grauen und grünli- chen Sorten vorliegen. Als Liefergebiete kommen hier der Brandberg und für manche Sorten wohl auch Lagerstätten in Sedimentgesteinen in Betracht, wie etwa die Dolomitkalke des nördlichen Ka- roo.

Die geradezu verschwenderische Produktionsweise (viele Trümmerstücke) bei der Herstellung der Artefakte aus Silex und Kieselschiefer läßt aber keineswegs den Eindruck entstehen, hier habe eine - durch die Erschwernis des Imports bedingte - hohe ~ o h s t o f f k n a ~ ~ h e i t geherrscht.

Basalte: In der Umgebung der Fundstelle können mehr oder weniger feinkörnige, schwarzgraue Vulkanite - teilweise mit roter Pseudorinde - leicht gesammelt werden. Ihr dennoch geringer Anteil am Inventar gibt Anlaß, nach einer funktion~s~ezifischen Einschränkung bei der Verwendung dieses Rohstoffes zu fragen, der naturgemäß eher zur Herstellung von Grobgerät taugt als zur Mikrolithen- produktion.

Ein meißelartiges Artefakt aus tiefschwarzem, hellklingendem, ebenfalls sehr dichtem und hartem Basalt, das rundum stark windgeschliffen ist, bezeugt die Nutzung der entsprechenden Vorkommen an der Küste. Das Stück stammt aus einem Basaltaufschlui3 der Namib im küstennahen Windschliff- bereich der Namib, vielleicht von der Mündung des Ugab- oder Messum-Riviers, wo identische Sor- ten anstehen (Abb. I).

Die unterschiedliche Beschaffbarkeit der Rohmaterialien ergibt eine Rangfolge für die einzelnen Gesteinssorten: 1. Basalte aus der unmittelbaren Umgebung der Fundstelle; 2. Quarz und Bergkri- stall aus dem Nahbereich (Quarzgänge im anstehenden Tiefengestein primär; Namibflächen, Rivier- betten sekundär); 3. Basalt aus dem Windschliffbereich der Küste; 4. Kieselschiefer aus dem Brand- berg; 5. Silices, evtl. aus den Sedimentgesteinen der nördlich gelegenen Karoo-Formation.

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Messum 1. Prlihistorische Jäger in extrem arider Umwel t

Unretuschierte Steinartefakte

Mengenkautierimg: Die Meterquadrate der Grabung spiegeln eine sehr unterschiedliche Artefaktver- teilung wider (Abb. 12). Mit 6348 Stücken bildet das Quadrat A l2 den Mittelpunkt der Fundkonzen- tration, die nach Nordosten, also zum zentralen Bereich des Abri hin extrem abfällt: Im nordöst- lichen Nachbarquadrat A5 befinden sich kaum halb so viele Stücke, nämlich 2549. Weniger abrupt sinken die Fundzahlen nach Südosten, also abri-einwärts. In A9 mit 5518 Stücken darf sogar ein zweiter Konzentrati~nsmittel~unkt angenommen werden.

Damit ist von den Kulminationspunkten der Verteilung in Al2 und A9 ein leichter Rückgang der Fundmengen zur Abriwand im Südwesten, jedoch ein starker Rückgang zum Abrizentrum im Nord- osten zu konstatieren. Dies sei nur ein grober Anhalt, denn stratigraphische Gesichtspunkte blieben bei der vorangegangenen Betrachtung unberücksichtigt. Sie wird jedoch in erster Linie auf die Later Stone Age-Inventare der Abfolge zu beziehen sein, da diese den weitaus überwiegenden Teil des Fundaufkommens ausmachen.

Überraschend bleibt der Abfall der Fundmenge zum Zentrum des Abri hin. Vielleicht folgt im Nordosten des Abri eine zweite Aktivitätszone, und mit den Quadraten A3 bis A8 ist lediglich ein Zwischenbereich erfaßt. Möglich ist aber auch, daß in der nordöstlichen Abrihälfte das Sediment eine nur geringe Mächtigkeit erreicht, die Fundschichten also allmählich nach Nordosten auskeilen. Jeden- falls kann die Form des Abriraumes hier kaum zur Erklärung herangezogen werden, denn auch der linke Teil des Abri erlaubt mit einer Höhe von wenigstens 1,50 m bequemes Verweilen.

Die Artefakte aus Basalt (Abb. 13) zeigen im Vergleich zur Gesamtmenge der unretuschierten Ar- tefakte ein entgegengesetztes Verteilungsverhalten: gerade dort, wo die Gesamtsumme aller Artefakte sehr hoch ist, bleibt der Anteil der Basaltstücke unter 6% (Abb. 13, A9.Al0). Uber 10% erreicht diese Materialgruppe erst an den Abriwänden und im Nordwesten an den großen Blöcken des ver- stürzten Traufes. Dabei ist zu bedenken, da6 die Artefakte aus Basalt im Durchschnitt erheblich schwerer und größer sind (vgl. Abb. 44) als die aus den anderen Fundstellen vertretenen Rohmateria- lien. Es ist unklar, ob Rohmaterialart oder Gr~bs t ück i~ke i t für dieses in jedem Falle sehr charakteri- stische Verteilungsbild der Artefakte aus Basalt heranzuziehen sind.

Abb. 12. Mengenkartierung aller Steinartefakte. Abb. 13. Flächenkartierung des Anteils der ~ r t e f a k t e aus Basalt und Dolerit an der Gesarntmenge der Steinartefakte.

Abb. 14. Flä~henkartierun~ des Anteils der Kernsteine an der Gesamtmenge der Steinartefakte.

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296 J. Richter

Technische Merkmale: Die verarbeitungstechnischen Merkmale, die an den untersuchten Artefak- ten festgestellt werden können, sind stark durch das Rohmaterial vorgegeben. So sind die Schlagwin- kel an Basaltabschlägen im Durchschnitt größer (häufig 100" bis 120") als an Quarzabschlägen und Si- lices (häufig 90" bis 110'). Silex- und Quarzartefakte zeigen hier technologische Verwandtschaft im Unterschied zu solchen aus Basalt und Dolerit.

Abschläge aus Vulkaniten zeichnen sich - nicht sehr häufig, aber ausschließlich - durch das Auf- treten eines >>accident de taille<< (Schlagunfalles) aus, bei dem sich im Moment des Aufschlages der Abschlag vom Schlagpunkt ausgehend entlang der Längsachse des Stückes in zwei Hälften mit nun- mehr dreieckigem Querschnitt zerteilt - ein Hinweis auf eine harte Schlagtechnik, zugleich aber auch eine Folge der spröderen Materialqualität.

Demgegenüber zeigen unretuschierte Artefakte und Geräte aus Silex und Quarz - vereinzelt auch solche aus Basalt - nicht selten eine Präparation der Kernkante.

Ausschließlich an den Artefakten der unteren, >>Roten Sandschicht<< tritt eine sorgfältige Facettie- rung der Schlagflächen auf (Abb. 27-28). Von den wenigen Funden mit diesem Merkmal, welche die oberen und mittleren Straten erbrachten, sind die meisten durch ihre gelbe Patinierung ausgewiesene, zweitverwendete oder umgelagerte Stücke, die ursprünglich ebenfalls der Basisschicht zugehörten.

Es finden sich sonst fast nur glatte Schlagflächen. Gelegentlich wurden auch natürliche Oberflä- chen des jeweiligen Rohmaterials als Schlagfläche genutzt. Hierfür kommen vor allem Spalt- und Kluftflächen beim Quarz, Kristallflächen beim Bergkristall, Schichtflächen beim Tonschiefer und die oft rötlichen Schliff-, Bruch- oder Kluftflächen der Vulkanite in Frage. Die für die Brandberg-Indu- strie belegte, stark konkave Schlagflächenform wurde in Abri 1 nicht beobachtet, kennzeichnet aber zwei in der unmittelbaren Umgebung aufgelesene Geräte aus Kieselschiefer (Abb. 29,11-12).

Das Mengenverhältnis der einzelnen Grundformen (Abschläge, Klingen, Trümmer) zueinander wird nicht für die gesamte Grabung dargelegt, sondern nur für die Profilprojektion B' (siehe unten). Klingen sind in Abri 1 die Ausnahme (Abb. 32,7), wenngleich ein Teil der unretuschierten Abschläge ein Längen-Breiten-Verhältnis von 1 :2 gerade erreicht und nur höchst selten überschreitet. Dem ent- spricht das Fehlen von eigentlichen Klingenkernen. Die dagegen nicht so selten vorkommenden schlanken mikrolithischen Geräte erhielten wohl ihre endgültige Form erst sekundär durch eine ent- sprechende Zurichtung der Kanten.

Nach Rohmaterialien aufgeschlüsselt ergibt sich folgender Umfang des Steinartefaktinventars (Trümmer und Abschläge ohne Kerne und Steinwerkzeuge; QZ: Quarz/Bergkristall; KKS: Krypto- kristalline Silexvarietäten mit Kieselschiefer; BS: BasaWDolerit):

Einheit Qz KKS BS Summe

Oberfläche Graues Paket Rote Schicht Ohne Angabe Steinring S2

Gesamtsumme 48 788

Kernsteine

Der Anteil der 813 Kernsteine beträgt nur 1,75% an der Gesamtmenge der Artefakte aus Messum, Abri 1, einschließlich der 28 von der Oberfläche geborgenen Exemplare sowie der 21 Nuklei aus der Steinsetzung S2 am Abri-Eingang (Abb. 7).

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Messum 1. Prähistorische Jäger in extrem arider Umwelt 297

Den größten Teil machen die Bergkristall- und Quarz-Kernsteine aus, mit erheblichem Abstand folgen Silex, und Basalt und Dolerit.

Betrachtet man - wiederum ohne Rücksicht auf stratigraphische Aspekte - die Verteilung der Kernsteine über die Grab~n~sf läche (Abb. 14), so erhält man ein ähnliches Bild, wie es die Flächen- verteilung der unretuschierten Artefakte aus Basalt vermittelte (vgl. Abb. 13): Die höchsten Konzen- trationen sind randlich erfaßbar, während dort, wo die Gesamtverteilung der Artefakte ihren höch- sten Ausschlag zeigt (A12, A13), das Kernsteinaufkommen unter 1,5% liegt.

Der Vergleich aller erstellten Flächen-Verteil~ngs~läne miteinander Iäßt vermuten, daß die Vertei- lungsmodi grobstückiger Objekte sich grundsätzlich von denen der mittel- und kleinstückigen Funde unterscheiden (Zentrifugaleffekt).

Folgende Kernsteinformen wurden unterschieden: Kegelförmiger Kemstein: Von einer Schlagfläche (Bruch-, Kluft-, oder Ventralfläche eines dicken

Abschlages) ausgehend, wird mehr oder weniger steil umlaufend abgebaut. Einseitige Kernsteine mit nur wenigen Abschlagnegativen wurden als Frühstadium der kegelförmigen Kernsteine angesehen und daher hier mitgezählt.

Schildförmiger Kernstein: Als Rohstücke dienen dicke Abschläge, von deren Ventralfläche ausge- hend umlaufend flach abgebaut wird. Die Abschlagnegative treffen sich in der Mitte der Abbaufläche.

Linsenförmiger Kemstein: Zweiseitige Ausprägung des schildförmigen Kernsteins. Strunkförmiger Kernstein: Von einer Schlagfläche wird umlaufend abgebaut, wobei gegenüber der

Schlagfläche eine weitere Fläche angelegt ist. Selten - wohl eher zufällig - dient diese Fläche als zweite Schlagfläche. Es handelt sich also in der Regel nicht um bipolare Kerne.

Polyedrischer Kernstein: Mehrere Schlagflächen, die an jeweils vorhergehenden Abschlagnegativen angelegt sind.

Weiterhin werden amorphe Kernsteine, deren Gestalt sich nach der Ausprägung des jeweiligen Rohstückes richtet und sonstige Formen, etwa Kombinationen der vorgenannten Kernsteinformen, unterschieden.

Aus Abri 1 sind ~ t runkförmi~e , kegelförmige, doppelkegelförmige, polyedrische, schild- und lin- senförmige Kernsteine bekannt, wobei die kegelförmigen Stücke den weitaus größten Anteil stellen, gefolgt von schild- und l in~enförmi~en und amorphen Nuklei. Amorphe Nuklei sind fast ausschließ- lich aus Bergkristall gewonnen.

Die vorhandenen Kernsteinformen bestätigen das Fehlen der Klingenproduktion. Schlankere For- men können am ehesten die kegelförmigen Kernsteine geliefert haben. Jedoch ist - wie bereits er- wähnt - bei lamellenartigen Abschlägen das Längen-Breiten-Verhältnis selten größer als 1:2. Die meisten kegelförmigen Kernsteine sind sehr klein (unter 3 cm Durchmesser), so daß sie - ebenso wie die schild- und linsenförmigen Nuklei - als Mikrolithenkerne angesehen werden können. Wo sie in der Stratigraphie bevorzugt verteilt sind, sollten also auch entsprechend mikrolithische Industrien zu erwarten sein (vgl. Pr~f i l~ro jek t ion B', -20 bis -35; Abb. 46). Viele kegelförmige Kernsteine weisen Kantenpräparation auf.

Wegen der vorgegebenen Rohform bieten sich Bergkristalle für eine spezielle Abschlagtechnik an: Am Kristallfuß wird durch Bruch oder Schlag eine glatte Schlagfläche geschaffen. Von dort aus wer- den die Schläge in Richtung auf die Kristallspitze geführt, so daß zunächst ein einseitiger Kernstein, dann ein Teilkegel und schließlich ein kegelförmiger Kernstein entsteht.

Insgesamt liegt folgendes Kernsteininventar vor, wobei aufgrund der größeren Materialstücke die Rohmaterialien Quarz und Bergkristall einzeln aufgeschlüsselt wurden. Dies geschah nicht bei den Steinwerkzeugen und Grundformen (QZ: Quarz; K: Bergkristall; KKS : Kryptokristalline Silexvarie- täten; KiS: Kieselschiefer; BS: Basalt):

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298 J. Richter

Einheit Form Qz K KKS KiS BS Summe

Oberfläche kegelförmig 0 18 1 1 O 20 strunkförmig O O 1 O O 1 schildförmig O 1 0 0 O 1 linsenförmig 0 4 0 0 0 4 polyedrisch 1 4 1 0 0 6 amorph 0 3 2 0 0 5

Graues Paket kegelförmig 5 385 17 1 5 413 strunkförmig 0 10 1 0 1 12 schildförmig 1 58 8 0 0 6 8 linsenförmig 0 55 6 3 2 66 polyedrisch 0 3 0 4 2 2 38 amorph 0 114 9 0 0 123 sonstige 0 4 1 1 0 6

Rote Schicht kegelförmig 0 15 0 0 0 15 schildförmig O 5 O O O 5 lins enförmig 0 1 0 0 0 1 polyedrisch 0 2 1 0 0 3 amorph O 2 1 O O 3

Steinring S2 kegelförmig O 12 O O O 12 strunkförmig 0 0 1 0 0 1 schildförmig O 2 O O O 2 linsenförmig 0 4 0 0 0 4 polyedrisch O O 0 1 O 1 amorph O 5 O 0 0 5

Gesamtsumme 8 15

Steinwerkzeuge: Beschreibungsschlüssel

Die nachstehend dargelegten retuschierten Steinartefakte folgen einem typologischen System, das an mehreren südwestafrikanischen Fundstellen entwickelt wurde. Die chronologische Relevanz der ver- wendeten Typdefinitionen - hier im Sinne von Formbeschreibungen - wird dabei keineswegs vor- ausgesetzt, sondern soll sich erst aus der Fundvorlage der einzelnen Grabungsinventare ergeben. Die Definitionen, die sich zum Teil an Vorgaben von Wendtz2 orientieren und mit den Begriffen J. Dea- consz3 abgestimmt sind, lauten (Abb. 15):

A. Geometrische Mikrolithen: In dieser Gruppe sind kleinformatige Gerätetypen zusammengefaßt, denen eine steile Retusche an einer oder mehreren Kanten eine annähernd kreissegmentartige, drei- eckige oder trapezoide Form verleiht. Ihre sicher funktionsbedingt weitgehende morphologische Normierung ermöglicht die hohe typologische Gliederbarkeit dieser Geräte und legitimiert auch sehr eng gefaßte Typendefinitionen.

22 Wendt (Anm. 2) 54. 23 Deacon, Janette, The Later Stone Age of southernmost Africa: BAR 1nt.Ser. 213 (Oxford 1984) 369; dies., Nume-

rical coding scheme for southern African Stone Age artefacts with Special reference to the Later Stone Age: Hall, M./ Avery, G./Avery, D. MJWilson, M. LJHumphreys, A. J. B. (Hrsg.), Frontiers: Southern African Archaeology Today: BAR 1nt.Ser. 207 (Oxford 1984) 311-327.

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Messum 1. Pnihistorische Jäger in extrem arider Umwel t 299

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Abb. 15. Schemata zur Terminologie der Steinwerkz

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300 J . Richter

Segmente (Nr. 1-4): Mikrolithen dieser Art weisen stets eine gerade, unretuschierte Kante auf. Die ge- genüberliegende Kante ist durch steile Retusche als mehr oder weniger konvex verlaufender Rücken aus- gebildet. Retuschierte und unretuschierte Kanten bilden dabei an beiden Enden des Gerätes einen spitzen Winkel. Die Rückenretusche muß dazu die gesamte Länge der konvexen Kante einnehmen.

Ist die Kantenretuschierung in der Mitte unterbrochen, die Gesamtform der Kante jedoch weiter- hin konvex, wird von einer segmentförmigen Mikrospitze gesprochen. Kleinstsegmente sind Stücke von weniger als 14 mm Länge und 7 mm Breite. Stücke, die über 30 mm lang sind, können nicht mehr als Mikrolithen gelten und werden als »Große Segmente<< bezeichnet. Segmente, deren Rücken von einem Ende her dorsal, vom anderen Ende aber ventral retuschiert wurde, bilden eine eher sel- tene Sonderform. Es wird hier von wechselendig dorso-ventral retuschierten Segmenten gesprochen. Von einer Einteilung in schlanke und gedrungene Segmente wird hier abgesehen, da der Vergleich der LängedBreiten-Ratio an einer größeren Menge von Segmenten keine Ergebnisse lieferte, die die Fest- legung eines relevanten Grenzbereiches gestattet hätten. >>Doppelsegmente<<, die in der früheren For- schung eine Rolle spielten, werden hier unter den Mikroschabern mitbehandelt.

Termini: Einfaches Segment Nr. 1, Segment mit reflektierender Rückenretusche Nr. 2, Kleinstseg- ment Nr. 3, Wechselendig dorso-vental retuschiertes Segment Nr. 4.

Dreiecke (Nr. 5-6): Mindestens zwei Kanten oder Enden eines Mikrolithen sind durch steile Retu- schierung so gestaltet, daß sie die Schenkel eines Winkels bilden. Die dem Scheitelpunkt jenes Win- kels gegenüberliegende Kante ist oft unretuschiert, sie darf jedoch ebenfalls eine (steile) Kantenbear- beitung aufweisen.

Je nach dem Längenverhältnis der Schenkel zueinander soll von einem gleichschenkligen oder von einem ungleichschenkligen Dreieck gesprochen werden, je nach Öffnung des Winkels von einem spitzwinkligen, rechtwinkligen oder stumpfwinkligen Dreieck.

Da Dreieckmikrolithen im Arbeitsgebiet bislang eine sehr seltene Erscheinung darstellen, wird auf eine breit gefächerte Aufgliederung verzichtet. Vorerst sollen nur gleichschenklige und ungleich- schenklige Dreiecke unterschieden werden.

Um eine klare Trennung vom Segment zu gewährleisten, werden nur Stücke mit absolut geraden Schenkeln und deutlichen Ecken zu den Dreieckmikrolithen gezählt. Termini: Gleichschenkliges Dreieck Nr. 5, ungleichschenkliges Dreieck Nr. 6.

Vierecke (Nr. 7-9): Zwei gegenüberliegende Enden haben eine steile Retusche, die gerade oder auch mehr oder weniger schräg ausgebildet sein kann.

Es kommen langgestreckte ( 1 2 und mehr) und gedrungene Viereckformen vor. Stücke, deren Form Segmenten nahestehen, die aber wegen des Ausbleibens der Rückenretusche im medialen Be- reich nicht zu diesen gerechnet werden können, fallen damit automatisch unter die Vierecke. Ihrer morphologischen Eigenart wird jedoch mit der Ausgliederung eines eigenen Typs - Aegmentförmi- ges Viereck« - Rechnung getragen. Termini: Gedrungenes Viereck Nr. 7, langes Viereck Nr. 8, seg- mentförmiges Viereck Nr. 9.

B. Mikrospitzen: Schmale Abschläge, die durch wenigstens partielle, steile Retuschierung der Kan- ten oder auch einer Kante eine Zuspitzung erfuhren, lassen sich zu drei Gruppen zusammenfassen, nämlich zu einkantig retuschierten Mikrospitzen, beidkantig retuschierten Mikrospitzen sowie alter- nierend beidkantig retuschierten Mikrospitzen. Dazu kommen solche Spitzen, deren Retusche weni- ger als Kantenretusche ausgebildet ist, sondern die sich mehr nach einem Ende des Stückes orientiert. Mikrospitzen sollen nicht länger als 3 cm sein.

Einkantig retuschierte Mikrospitzen (Nr. 10-12): Je nach Stellung und Form der Retusche werden unterschieden: Schlanke einkantig retuschierte Mikrospitzen, die mindestens dreimal so lang wie breit sein müssen, wobei die Winkelöffnung der Spitze unter 30" liegen muß. Die Kante kann partiell oder ganz, gerade oder leicht konvex retuschiert sein. Ist an beiden Enden eine deutliche Spitze ausgebil- det, liegt eine schlanke, einkantig retuschierte Doppelspitze vor.

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Messum 1. Prähistorische Jäger in extrem arider Umwelt 301

Gedrungene einkantig retuschierte Mikrospitzen haben immer eine stärker konvexe Randretusche. Das Verhältnis von Länge zu Breite muß unter 3:l liegen. Die einkantig retuschierte, gedrungene Doppelspitze ist identisch mit dem Segment und wird daher nicht als Typ geführt.

Termini: Schlanke einkantig retuschierte Mikrospitze Nr. 10, schlanke einkantig retuschierte Dop- pelspitze Nr. 11, gedrungene einkantig retuschierte Mikrospitze oder einfache Mikrospitze Nr. 12.

Beidkantig retuschierte Mikrospitzen (Nr. 13-20): Beide Kanten sind wenigstens partiell gerade oder mehr oder weniger konvex konvergierend retuschiert.

Je nachdem, ob beide Kanten gleichmäiiig konvex oder aber ungleich gerade bzw. konvex sind, er- hält das Gerät eine symmetrische oder asymmetrische Form.

Aus den Kombinationen des zuletzt genannten Aspektes mit den Merkmalpaaren >>gedrungen/ schlank<< (Länge/Breite 3:1) und »einendig/beidendig<< lassen sich folgende Typen konstruieren:

Termini: Beidkantig retuschierte Mikrospitze, schlank symmetrisch, einendig Nr. 13, asymme- trisch, einendig Nr. 14, beidkantig retuschierte Doppelspitze, schlank symmetrisch Nr. 15, asymme- trisch Nr. 16, beidkantig retuschierte Mikrospitze, gedrungen symmetrisch einendig Nr. 17, asymme- trisch einendig Nr. 18, beidkantig retuschierte Doppelspitze, gedrungen symmetrisch Nr. 19, asym- metrisch Nr. 20.

Beidkantig alternierend retuschierte Mikrospitzen (Nr. 21-22): Eine Kante ist ventral, die gegen- überliegende Kante dorsal wenigstens partiell gerade oder mehr oder weniger konvex konvergierend retuschiert (vielfach auch »Bohrer«).

Termini: Beidkantig alternierend retuschierte Mikrospitze Nr. 21, beidkantig alternierend retu- schierte Doppelspitze Nr. 22.

Endretuschierte Mikrospitzen (Nr. 23-24): Mikrolithen, deren retuschierte Kanten zur Geräte- achse einen spitzen Winkel zwischen 30" und 60" bilden, nehmen somit eine Mit te l~tel lun~ zwischen echten kantenretuschierten Spitzen und Lamellen mit schräger Endretusche ein. Die kombinierte Ty- penbezeichnung »Mikrospitze mit schräger Endretusche« soll diesem Sachverhalt Rechnung tragen und zugleich eine allzu schematische Kategorisierung vermeiden.

Termini: Mikrospitze mit schräger Endretusche Nr. 23, schräg-endretuschierte Mikrospitze mit Basisretusche oder Trapezspitze Nr. 24.

C. Mik~olithische Riickenmesser: Schlanke Abschläge, die eine gerade, steil retuschierte Kante ha- ben und basal und/oder terminal abgebrochen wurden, sind im Arbeitsgebiet selten anzutreffen. Oft mag es sich dabei um Fragmente anderer mikrolithischer Typen handeln.

Endretusche an solchen Rückenmesserchen konnte bislang nicht beobachtet werden, so daß es nicht notwendig ist, mehrere Typen zu unterscheiden. Zweifelhafte Stücke sollten Nr. 40 zugewiesen werden. Terminus: Mikro-Rückenmesser Nr. 25.

D. Mikrolithische Schaber: Mikrolithische Schaber stellen im gesamten südlichen Afrika einen ent- scheidenden Anteil am Formenschatz des Late Stone Age. Stücke, die neben der konvexen, halbstei- len Kantenretuschierung auch eine Rückenretusche aufweisen, wurden früher vielfach als >>Doppel- segmentea von verwandten Stücken ohne Rücken (Einfache Mikroschaber) abgetrennt; In der eng- lischsprachigen Literatur ist in den letzten Jahren ein treffender Begriff eingeführt worden, der die fragliche Typengruppe als xBacked Scrapers« bezeichnet. Deshalb soll auch hier von >>Mikroschabern mit Rückenretusche« die Rede sein. Mikroschaber sollen nicht länger als 2,5 cm sein.

Einfache Mikroschaber (Nr. 26): Eine konvexe, flächige Randretusche liegt einer unretuschierten Kante gegenüber. Stücke mit unregelmäßiger Form oder nicht deutlich konvexer Retusche müssen Nr. 38 zugeordnet werden. Terminus: Einfacher Mikroschaber Nr. 26.

Beidkantig retuschierte Mikroschaber (Nr. 27-28): Die beidflächig randretuschierten konvexen Kanten bilden basal und terminal je einen Winkel und geben dadurch dem Mikrolithen eine mandel- förmige Gestalt. Stücke mit trapezförmigem Querschnitt sind flacher, solche mit dreieckigen Quer- schnitt höher.

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302 J. Richter

Termini: Beidkantig retuschierter Mikroschaber mit dreieckigem Querschnitt Nr. 27, beidkantig retuschierter Mikroschaber mit trapezförmigem Querschnitt Nr . 28.

Rückenretuschierte Mikroschaber (Nr. 29-32): Einer flächig randretuschierten, mehr oder weniger konvexen Kante liegt eine steil retuschierte konvexe Kante gegenüber, wobei ebenfalls eine mandel- förmige Gestalt entsteht.

Der Verdacht auf stratigraphische Relevanz führte zu der Unterscheidung von Stücken mit hohem Rücken (größte Dicke des Stückes auf der Rückenlinie) und solchen mit niedrigem Rücken (größte Dicke an einem Grat auf der Dorsalfläche).

Neben Mikroschabern mit vollständigem Rücken treten auch Exemplare auf, deren Rückenretu- sche unterbrochen ist. Sie kann im basalen oder terminalen Bereich fehlen, so daß der kurze, steil re- tuschierte Abschnitt mit der stets vollständig vorhandenen Schaberkante nur an einem Ende einen Winkel bildet (Dreieckförmiger Mikroschaber). Sie kann aber auch im medialen Bereich fehlen, wäh- rend terminaler und basaler Teil eine steile Retusche aufweisen (Trapezförmiger Mikroschaber).

Termini: Mikroschaber mit hohem Rücken Nr. 29, Mikroschaber mit niedrigem Rücken Nr. 30, trapezförmiger Mikroschaber Nr. 3 1, dreieckförmiger Mikroschaber Nr. 32.

E. Mikrolithische Kratzer: Kleine Abschläge, die basal, terminal oder ganz oder teilweise umlau- fend mit einer sehr stark konvexen Retusche (Kratzerkappe) ausgestattet sind, werden gelegentlich auch als »Daumennagelkratzer« bezeichnet.

Eine weitere Untergliederung nach Lage und Länge der Retusche hat sich als unzweckmäßig er- wiesen. Die relative Seltenheit dieses Typs in den bisher durchgesehenen Inventaren aus dem tropi- schen Teil Namibias erstaunt. Terminus : Mikrokratzer Nr. 33.

F. Andere Mikrolithen: Mikrolithen, die nicht den vorgenannten Typen entsprechen, kommt nur untergeordnete Bedeutung zu.

Mikrolithen mit Endretusche (Nr. 34-37): Stücke, deren Retusche immer basal oder terminal liegt, können nach Form und Stellung der Retusche als gerad-endretuschierte (Retusche annähernd senk- recht zur Geräteachse), als schrägendretuschierte (das retuschierte Ende bildet einen spitzen Winkel über 45" zur Geräteachse; unter 45": Nr. 23/24) sowie als konkav- oder konvex-endretuschiert gelten.

Termini: Gerad-endretuschierter Mikrolith Nr. 34, schrägendretuschierter Mikrolith Nr. 35, kon- kav-endretuschierter Mikrolith Nr. 36, konvex-endretuschierter Mikrolith Nr. 37.

Mikrolithen mit Kantenretusche (Nr. 38-40): Lateral retuschierte Stücke, die den vorgenannten Typen nicht zugeordnet werden können, werden nach der Art ihrer Retusche unterschieden: flächige Retusche, Perlretusche, steile Retusche.

Termini: Mikrolith mit flächiger Kantenretusche Nr. 38, Mikrolith mit lateraler Perlretusche Nr. 39, Mikrolith mit Rückenretusche Nr. 40.

Gekerbte Mikrolithen (Nr. 41, 42): Stücke können an einer oder an mehreren Stellen durch kon- kave Retuschierung erzielte Kerben aufweisen, so daß von einem gekerbten Mikrolith zu sprechen ist, oder auch Kerbenreihen ausbilden, so daß von einer >>Zähnung« die Rede ist. Termini: Gekerbter Mikrolith Nr. 41, Gezähnter Mikrolith Nr. 42.

Untypische Mikrolithen (Nr. 43): Alle Mikrolithen, auf die keine der Definitionen zutrifft, und alle unbestimmbaren Fragmente von Mikrolithen werden hier eingeordnet.

G. Normalg~oj3e rückenretuschieute Stücke: Rückenmesser (Nr. 44): An einer Klinge ist eine Kante mit einer steilen Retusche versehen. Es kann ein ein- oder beidendiger Bruch vorliegen. Terminus: Rückenmesser Nr. 44.

Rückenspitzen (Nr. 45-48): Die steil retuschierte Kante eines Stückes bildet mit der gegenüberlie- genden Kante einen spitzen Winkel. Der Rücken kann partiell ausgebildet sein, wie dies bei der Schräg-endretuschierten Spitze der Fall ist. Weist bei sonst gleicher Gestalt auch der mediale Teil eine Retusche auf, entsteht ein geknickter Rücken. Bei einem konvex gestalteten Rücken soll von einer Einfachen Rückenspitze gesprochen werden. Falls terminal und basal dabei ein spitzer Winkel ent-

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Messum I . Prähistorische Jäger in extrem arider Umwelt 3 03

steht (Doppelspitze) liegt ein >>Großes Segment<< vor (Abgrenzung gegen Einfache Segmente bei 2,5 bis 3 cm).

Termini: Schräg-endretuschierte Spitze Nr. 45, geknickte Rückenspitze Nr. 46, einfache Rücken- spitze Nr. 47, großes Segment Nr. 48.

H. Schaber und Kmtzer: Schaber (Nr. 49): Die konvexe Retusche ist lateral gelegen und von halb- steil bis flächiger Ausprägung. Terminus: Schaber Nr. 49.

Kratzer (Nr. 50-53): Die kappenartige, stark konvexe Retusche ist terminal oder basal angebracht. Kratzer können (sehr selten) an Klingen oder an Abschlägen angelegt sein. Beim >>Schnauzenkratzer<<

' ist zwischen zwei Kerben ein Vorsprung stehengeblieben, der eine Kratzerkappe trägt. Besonders dicke Stücke werden als »Massive Kratzer« bezeichnet (HöheIBreite des Querschnittes mindestens 1:2). Termini: Schnauzenkratzer Nr. 50, Klingenkratzer Nr. 51, Abschlagkratzer Nr. 52, Massiver Kratzer Nr. 53.

I. Unterschiedlich retuschierte Stücke: Beim Bohrer wird durch bilaterale oder alternierende, kon- kave oder konvergierende Retusche ein Ende zu einer Spitze verjüngt. Termini: Gekerbtes Stück Nr. 54, Gezähntes Stück Nr. 55, Bohrer Nr. 56.

Beim ausgesplitterten Stück bilden beidseitig flächige Au~s~li t terungen eine kurze gerade oder leicht konkavelkonvexe, scharfe Kante. Es können auch zwei gegenüberliegende Enden des Stückes betroffen sein. Als Grundform fanden häufig Mikrolithenkerne Verwendung. Termini: Ausgesplitter- tes Stück Nr. 57, weiterhin geradendretuschiertes Stück Nr. 58, schräg-endretuschiertes Stück Nr. 59, untypisch retuschiertes Stück (0. Abb.) Nr. 60.

Bei vorstehenden, nicht näher beschriebenen Formen gilt die für die jeweiligen mikrolithischen Entsprechungen gegebene Definition mit dem Unterschied, das Nichtmikrolithische Geräte größer als 2,5-3 cm sind.

Steinwerkzeuge aus dem Grauen Paket24.

Segmente (Form Nr. 1-4, Abb. 16,149): Die einfachen Segmente (Form Nr. 1) von Abri 1 (Abb. 16,l-24) zeigen heterogene Erscheinungsformen. Die retuschierte Kante kann unregelmäßig verlaufen (Abb. 16,4-6.11.13) und eine Spitze kann wenig deutlich ausgebildet sein Abb. 16,4.12). Die betreffenden Stücke gelangen damit in den Grenzbereich zum Viereck bzw. zur einfachen Mi- krospitze. Es kommen häufig Exemplare vor, die auf der Dorsalseite keine Grate aufweisen (Abb. 16,5.8.15-16.22). Hierbei handelt es sich keineswegs um Kernkantenab~chlä~e, es sind viel- mehr breite Abschläge, die durch Aufarbeitung von einer Kante her eine schlankere Form erhalten haben - ein Bearbeitungsmodus, der die fehlende Klingentechnik ersetzt. Eine kräftige, flache Grundretusche, die der eigentlichen Kantenretuschierung vorausging, diente bei einigen Stücken wohl der schlanken Formgebung (Abb. 16,2-3.11).

Einige Segmente weisen an der geraden Kante feine Au~s~li t terungen oder Gebrauchsspuren auf (Abb. 16,13.17-18.24), die nahelegen, daß die Stücke mit der konvexen, retuschierten Kante in der Schäftung steckten, während die scharfe, unretuschierte, gerade Kante die eigentliche Arbeitskante gewesen sein muß. Für die Kleinstsegmente (Form Nr. 3) gilt dies ebenso (Abb. 16,2548). Aller- dings wirken sie insgesamt einheitlicher: Die konvexe Kante ist meist mit großer Regelmäßigkeit her- ausgebildet. Unterschiede ergeben sich nur durch jeweils gedrungene und schlankere Formen. Ledig- lich ein Exemplar aus einem Rinden-Abschlag fällt aus dem Rahmen und tendiert wegen seines

24 Artefakt~eichnun~en: I. Schmid/Windhoek, R. Sapper/Erlangen und Verf., Pläne und Karten: H. Reeb/Köln und Verf.

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J. Richter

Abb. 16. Graues Paket. Geometrische Mikroliten (Form Nr. 1-9).

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Messum 1. Prähistorische Jäger in extrem arider Umwelt 301

Abb. 17. Graues Paket. Segmente (Form 1-4). Mai3e (X: Länge/y: Breite) nach Niveau-Intervallen und Rohmaterial ( Bergkristall, Quarz/+Silexvarietäten).

eckigen Umrisses zum Viereck (Abb. 16,46). Eine seltene Form ist das Segment mit reflektierender Rückenretusche (Form Nr. 2, Abb. 16,49).

In der gesamten Grabung beherrschen Kleinstsegmente besonders den Horizont um -25, während unterhalb davon der Anteil der Einfachen Segmente erheblich zunimmt. Anhand dieses Phänomens ließe sich also der Segment-Horizont (zwischen -25 und -45) nochmals zweiteilen. Darüber hinaus fällt auf, daß gerade jene Stücke, die an der metrischen Obergrenze der Einfachen Segmente liegen (Abb. 17, -35, -45, rechts oben) häufiger aus Silexmaterial sind.

Dreiecke und Vierecke (Form Nr. 5-9), Abb. 16,5O-65): Nur eines der abgebildeten gleichschenk- lig-stumpfwinkligen Dreiecke (Form Nr. 5) weist eine einwandfrei klassifizierbare Form auf (Abb. 16,51). Häufiger sind Exemplare mit unregelmäßig retuschierten Kanten (Abb. 16,50). Manch- mal kann trotz gerader Schenkel der Winkel eher abgerundet als eckig ausgebildet sein, so daß das Stück einem einfachen Segment sehr nahe kommt (Abb. 16,52). Unter den gleichschenklig-spitzwink- ligen Dreiecken fällt ein Sonderfall auf, dessen Schenkel stark konkav geformt sind (Abb. 16,54).

Die Vierecke können an zwei Kanten, vereinzelt aber auch an drei Kanten retuschiert sein (Abb. 16,56-57.61). Dies gilt natürlich nicht für die ~e~mentförmigen Vierecke, die dann als einfache Segmente angesprochen werden müßten (Abb. 16,63-65): Form Nr. 9 (>>segmentförmiges Viereck«) dürfte funktional eine Variante des einfachen Segmentes sein. Dies gilt ebenso für die anderen, typo- logisch klarer ausgebildeten Viereckformen (Form Nr. 7 und 8).

Mikrospitzen (Form Nr. 10-24, Abb. 18,l-47; Abb. 18,l-11): Schlanke Formen fehlen unter den Mikrospitzen vollständig (Form Nr. 10,l l , l 3 und 16, Abb. 18). Die gedrungenen, einkantig retu- schierten Mikrospitzen (Form Nr. 12, Abb. 18,l-30) stellen die größte Gruppe innerhalb der Mikro- spitzen und bewegen sich - je nach Ausdehnung der oft konvexen Kantenretu~chierun~ - häufig im Grenzbereich zum Segment (z. B. Abb. 18,5.7.10.15.20-21.24): Wenige Stücke tragen eine völlig ge-

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J. Richter

5 crn

Abb. 18. Graues Paket. Mikrospitzen (Form Nr. 12-20).

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Messum I . Prähistorische Jäger in extrem arider Umwel t 307

Abb. 19. Graues Paket. Mikrospitzen (Form Nr. 12). Mai3e (X: Länge/ y: Breite) nach Niveau-Intervallen und Roh- material ( @ Bergkristall, Quarz/+Silexvarietäten).

rade Kantenretusche (Abb. 18,25-26). Selten weisen sie eine - dann aber immer konvexe - Basisretu- sche auf (Abb. 18,28-30). Ein Sonderfall ließe sich auch als Kerbspitze ansprechen (Abb. 18,18). Die Maßverhältnisse der Form Nr. 12 belegen die enge Verwandtschaft mit den Segmenten. Im oberen Teil des mittleren Horizontes (-201-25) kommen sie der Variationsbreite der Kleinstsegmente (Abb. 19) sehr nahe, während die Werte im unteren Teil (-30 bis -35) stärker streuen, wie dies auch für die Segmente festgestellt worden war.

Die gedrungenen, symmetrischen, beidkantig retuschierten Mikrospitzen (Form Nr. 17, Abb. 18,31-37.46) können konvexe Kanten haben (Abb. 18,31-35), aber auch bei geradem oder leicht konvexem und konvergierendem Kantenverlauf nadelartig zugespitzt sein (Abb. 18,36-37). Ein Exemplar zeigt an der Spitze deutliche Gebrauch~s~uren (k~ppen fö rmi~e Verrundung bzw. Glät- tung).

Sehr einheitlich wirken die gedrungenen, asymmetrischen, beidkantig retuschierten Mikrospitzen (Form Nr. 18, Abb. 18,38-42). Bei den gedrungenen, beidkantig retuschierten Doppelspitzen (Form Nr. 19 und 20, Abb. 18,43-45.47) ist fraglich, ob die zweite Spitze als solche gedient hat, wie eine nur an einem Ende deutlich verrundete Doppelspitze zeigt (Abb. 18,47).

Eine kleine Gruppe innerhalb des Inventars der Mikrospitzen bilden die alternierend retuschierten, gedrungenen Mikrospitzen (Form Nr. 21, Abb. 20,l-3, jeweils Dorsal- und Ventralansicht). Dabei kann die Retusche nur die Spitze betreffen (Abb. 20,l) oder eine der Kanten ganz begleiten (Abb. 20,2-3). Im oberen Horizont ist die bevorzugte Benutzung von Silex für solche Mikrospitzen bemerkenswert, während im unteren Teil eher Bergkristall Verwendung fand. Diese Beobachtung zeigt auch die Darstellung aller Fundstücke des Typs 17 nach ihrer Fundtiefe (Abb. 21). Dabei verän- dern sich die Maßverhältnisse dieser Geräte nicht.

Eine viel geringere Rolle als die soweit behandelten kantenretuschierten Mikrospitzen spielen die wenigen Spitzen mit schräger Endretusche (Form Nr. 23, Abb. 20,4-10 und Form Nr. 24,

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Abb. 20. Graues Paket. Mikrospitzen, Mikroschaber, Mikrokratzer (Form Nr. 21-33).

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Messum 1. Prähistorische Jäger in extrem arider Umwelt

Abb. 21. Graues Paket. Mikrospitzen (Form Nr. 17-21). MaRe (X: Länge/ y: Breite) nach zusammengefaRten Niveau-Intervallen und Rohmaterial (

Bergkristall, Quarz/+Silexvarietäten). Abb. 22. Graues Paket. Mikrospitzen (Form Nr. 23). MaRe (X: Länge/ y: Breite) nach Niveau-Intervallen und Rohmaterial ( Bergkristall, Quarz/

+Silexvarietäten). Abb. 23. Graues Paket. Einfache Mikroschaber (Form Nr. 26). MaRe (X:

Länge1 y: Breite) nach Niveau-Intervallen und Rohmaterial ( Bergkristall, Quarz/+Silexvarietäten).

Abb. 24. Graues Paket. Rückenretuschierte Mikroschaber der Form Nr. 30.

24 MaRe (X: Länge/ y: Breite) nach Niveau-Intervallen und Rohmaterial ( @ Bergkristall, Quarz/+Silexvarietäten).

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Abb. 2j. Graues Paket. Mikrokratzer, endretuschierte Mikrolithen, kantenretuschierte Mikrolithen und andere Mikrolithen (Form Nr. 33-43).

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Messum 1. Prähistorische Jäger in extrem an'der Umwel t

Abb. 26. Graues Paket. Steinwerkzeuge normaler Gröfie, NB 3,4 groi3e Segmente; 9,10 Doppel- bohrer.

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312 J. Richter

Abb. 20,ll). Die verwendeten Grundformen erwecken nahezu den Eindruck der Zufälligkeit: Kurze Lamellen (Abb. 20,4-6), kleine Abschläge (Abb. 20,7) und Abschläge mit Rindenrest (Abb. 20,8-11) kamen zur Verarbeitung. U m so mehr fällt die große Einheitlichkeit in den Maßverhältnissen dieser Gruppe auf, die etwa den Segmenten keineswegs nachsteht (Abb. 22). So liegt die schwerpunktmä- ßige Verteilung deutlich zwischen etwa 13-20 mm Länge und 7-12 mm Breite. Das bedeutet auch, daß Kleinstformen (z. B. vergleichbar den Kleinstsegmenten) dieser Geräteart völlig fremd sind.

Mikroschaber (Form Nr. 26-32, Abb. 20,12-39): Die Mikroschaber stellen für bestimmte Later Stone Age-Facies die eigentlichen Leitformen dar. Um so schwerer wiegt daher die Tatsache, daß sie an den Messum-Fundplätzen schon zahlenmäßig eine deutlich untergeordnete Rolle spielen, und zwar in allen ergrabenen Horizonten.

Auch aus der formalen Ausbildung dieser Typengruppe lassen sich kaum Schlüsse ziehen: Der Grundtypus, der >>Einfache Mikroschaber« ist meist von sehr unregelmäßiger Form (Abb. 20,12-23). Die Retusche kann sowohl randlich verlaufen (Abb. 20,12-14) als auch mehr auf die Fläche ausgrei- fen (Abb. 20,15.17-21.23). Die Größe kann stark differieren (vgl. Abb. 20,13 mit Abb. 20,19), be- wegt sich jedoch nicht in den Bereich der Kleinstgeräte unter 7x14 mm (Abb. 16).

In den Tiefen -25 und -35 ist das Verhältnis Silex zu Bergkristall jeweils umgekehrt; allerdings verliert dieses Resultat wegen der insgesamt geringen Zahl der Stücke an Aussagefähigkeit (Abb. 23).

Selten anzutreffen sind beidkantig retuschierte Mikroschaber (Doppelschaber) mit flachem (Form Nr. 28, Abb. 20,24) und hohem Querschnitt (Form Nr. 27, Abb. 20,25), Mikroschaber mit Rücken- retusche und flachem (Form Nr. 30, Abb. 20,30-32) und hohem Querschnitt (Form Nr. 29, Abb. 20,26-29) und dreieckförmige (Form Nr. 32, Abb. 20,33-35) sowie viereckförmige (Form Nr. 31, Abb. 20,36-39) rückenretuschierte Mikroschaber (Maße zusammenfassend: Abb. 24).

Mikrokmtzer (Form Nr. 33, Abb. 20,40-44; Abb. 1-10): Mikrokratzer (Form Nr. 33) sind in Abri 1 in vielen Varianten, jedoch nicht sehr zahlreich anzutreffen. Variationen erfahren etwa die Form der verwendeten Abschläge (querbreit: Abb. 25,I-6), der Verlauf der Retusche (stark konvexe Kratzer- kappe: Abb. 25,lO) und die Art der Retusche (flach: Abb. 25,41;4,3 und steil: Abb. 25.42;4,1.4.7.9.) sowie der Zustand des Bulbus (durch Basisreduktion entfernt: Abb. 25,5-6). Oft wurden Abschläge mit Rindenresten verwendet (Abb.25,42;4,2-3) und solche mit Kristallflächenresten (Abb. 25,40-41;4,5). Ein Exemplar zeigt eine sorgfältige Präparation der Basis (Abb. 25,8).

Endretuschierte Stücke (Form Nr. 34-37, Abb. 25,ll-32): Nur die schräg-endretuschierten Stücke bilden eine einheitliche Fundgruppe (Form Nr. 35, Abb. 25,15-31), während die wenigen gerad-end- retuschierten Stücke den Eindruck von Zufallsprodukten machen (Form Nr. 34, Abb. 25,11-14), ebenso die konkav-endretuschierten Geräte (Form Nr. 36, Abb. 25,32). Eine leichte Anschrägung ha- ben im Grunde alle Exemplare, und der Unterschied zwischen einigen Stücken (wie etwa Abb. 25,ll-12 im Vergleich mit Abb. 25,17-18) ist nur gradueller Natur.

Besonderheiten bilden die ventrale Anlage einer Retusche (Abb. 25,19), eine sehr feine Basisretu- sche (Abb. 25,16) und in einigen Fällen Reste der Kernkantenpräparation (Abb. 25,2 1-24).

Kantenretuschierte Stücke (Form Nr. 38-40, Abb. 25,33-45): Die Stücke mit flächiger Kantenretu- sche unterscheiden sich von den Einfachen Mikroschabern nur durch ihre unregelmäßige Formge- bung (Form Nr. 38, Abb. 25,33-40). Sie können beidkantig retuschiert sein (Abb. 25,35) und auch der Schaberkante gegenüber einen retuschierten Rücken aufweisen (Abb. 25,37). Stücke mit lateraler Perlretusche sind selten und wenig standardisiert (Form Nr. 39, Abb. 25,41-43). Zu den rückenretu- schierten Stücken zählen auch alle unbestimmbaren Fragmente mit Rückenretusche (0. Abb.). Dane- ben gibt es aber auch Exemplare, die sich keinem sonstigen rückenretuschierten Mikrolith-Typus zu- ordnen lassen (Abb. 25,44 dorsal und ventral retuschiert; Abb. 25,45-46 rechtslaterale Perlretusche der Rückenretusche gegenüber).

Gekerbte und gezähnte Stücke (Form Nr. 41, Abb. 25,47-51): Von den wenigen gekerbten Exem- plaren sind einige bohrenartig gestaltet (Abb. 25,48-51). Das Stück auf Abb. 25,50 wurde aus dem

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Messum 1. Prähistorische Jäger in extrem arider Umwelt 313

Medialteil eines Einfachen Mikroschabers hergestellt, so daß es sowohl als Bohrer wie auch als ge- stielter Mikrokratzer angesprochen werden kann.

Normalgroße, beidkantig retuschierte Spitzen (Abb. 26,l-2.14): Die Stücke dieser Gruppe zeigen kein geschlossenes Typenbild. Ein sehr sorgfältig und schlank gearbeitetes Stück (Abb. 26,l) sieht wie eine Gravettespitze aus, während bei einem anderen Stück (Abb. 26,2) die Spitze schlecht ausgebildet ist. Auf Abb. 26,14 ist dagegen bei zwar schlanker, regelmäßiger Form eine Spitze mit sehr hohem Querschnitt abgebildet. Diese Geräte, alle aus Silexvarietäten, müssen also wenigstens teilweise aus regelrechten Klingen hergestellt sein. Die zugehörige Kernsteinform fehlt jedoch im Inventar von Abri 1.

Die stratigraphische Position dieser Form ist entsprechend wenig aussagekräftig: Die Spitze von Abb. 26,2 stammt von der Oberfläche (Quadrat A14), die von Abb. 26,14 war während der Grabung aus einem verstürzten Profil gefallen und die von Abb. 26,l liegt mit A6/-20 gerade an der Grenze zwischen oberem und mittlerem Horizont.

Große Segmente (Form Nr. 48, Abb. 26,3-4): Die Großen Segmente (Abb. 26,3-4) zeigen an der dem Rücken gegenüberliegenden Kante immer eine deutliche Gebrauchsretusche. Sie sind aus massi- ven Abschlägen hergestellt und stellen eine kennzeichnende Form des oberen Horizontes dar.

N o m l g r o ß e Kratzer (Form Nr. 52, Abb. 26,5-8): Unter den Kratzern fällt besonders ein Stück auf, dessen Retusche ventral angelegt ist (Abb. 26,6). Ein Exemplar hat einen mittels Retuschierung herausgearbeiteten, breitdreieckigen Stiel, sicherlich eine Schäftungshilfe (Abb. 26,7).

Normalgroße Schaber (Form Nr. 49, Abb. 26,12-13): Die konvexe Kantenretusche der Schaber ist - wie auf Abb. 26,12-13 zu sehen - meist nur als Perlretusche ausgeprägt.

Bohrer (Form Nr. 56, Abb. 26,9-10): Versuchsweise sollen einige Stücke als »Doppelbohrer« an- gesprochen werden (z. B. Abb. 26,9-10). Sie folgen demselben Herstellungsmodus: Ein querbreiter Abschlag aus Basalt wird durch steile Retuschierung so zugeformt, daß rechts- und linkslateral je- weils eine Spitze entsteht. Sehr ungewöhnlich ist dabei der Winkel, in dem die Retusche angebracht ist: Bei Abb. 26,lO sind basale (von dorsal her geführte) und terminale (von ventral nach dorsal ge- führte) Retuschierung wegen ihrer sehr unterschiedlichen Größe der Winkel nur auf der Ventralan- sicht des Stückes sichtbar.

Sonstige normalgroße Geräte: Alle übrigen Formen sind so selten, daß keine formenkundliche und stratigraphische Aussage aus ihnen zu ziehen ist. Abb. 26,ll zeigt ein langgekerbtes Stück, das wegen seiner Klingenform bemerkenswert ist.

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J. Richter

Im grauen Paket sind damit folgende Steinwerkzeuge vorhanden (QZ: QuardBergkristall, KKS: Kryptokristalline Silexvarietäten, KiS: Kieselschiefer):

Formen Qz KKS KiS Summe

Nr. 1 Nr. 2 Nr. 3 Nr. 4 Nr. 5 Nr. 6 Nr. 7 Nr. 8 Nr. 9 Summe Geometrische Mikrolithen

Nr. 12 91 Nr. 17 0 Nr. 18 3 Nr. 19 0 Nr. 20 0 Nr. 21 0 Nr. 23 20 Nr. 24 3 Nr. 25 23 Summe Mikrospitzen und Rückenmesser

Nr. 26 1 Nr. 27 1 Nr. 28 5 Nr. 30 10 Nr. 31 1 Nr. 32 3 1 Nr. 33 12 Summe Mikroschaber und Mikrokratzer

Nr. 34 Nr. 35 Nr. 36 Nr. 37 Nr. 40 Nr. 41 Nr. 43 Summe sonstige Mikrolithen

Nr. 47 Nr. 48 Nr. 49 Nr. 50 Nr. 52 Nr. 54 Nr. 57 Nr. 60 Summe normalgroße Geräte

Gesamtsumme graues Paket 851

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Messum 1. Prdhistorische Jäger in extrem arzder Umwelt

S t e i n w e r k ~ e u ~ e aus der Roten Schicht

Die Rote Schicht an der Basis der Abfolge hat kein umfangreiches Typenrepertoire aufzuweisen. Bei den Mikrolithen (Abb. 27,l-18) ist das völlige Fehlen von Segmentformen wichtig. Stattdessen

finden sich stumpfwinklig-gleichschenklige (Abb.27,I) und spitzwinklig-gleichschenklige (Abb. 27,2-3) Dreiecke (entsprechend Later Stone Age Form Nr. 5). Unter den Einfachen Mikro- spitzen (Abb. 27,4-7,23) fallen ein Stück mit Basisretusche (Abb. 27,7) und ein recht großes, feder- messerartiges Exemplar (Abb. 27,6) mit von dorsal erfolgter Basisreduktion und linkskantig partieller Ventralretusche auf. Mit vier Exemplaren sind schräg-endretuschierte Mikrospitzen vertreten (Abb. 27,8-10, 24), darunter ein größeres Gerät mit einer zusätzlichen, kurzen, linkslateralen, dorsa- len Kantenretusche (geknickter Rücken; Abb. 27,lO) und weiterhin ein sehr großes Exemplar mit Ba- sisfacettierung (Abb. 27,24). Ein Einzelstück ist der kleine Breitkratzer (Abb. 27,ll). Dem einzigen eindeutigen Kratzer (Abb. 27,12) können ein Stück mit linkslateral-dorsaler Kerbe zugeordnet wer- den (Abb. 27,13). Zu zwei unregelmäßigen Mikroschabern (Abb. 27,14-15) kann ein Stück mit wenig typischer, aber doch konvexer Kantenretusche gehören (Abb. 27,16). Ein kleiner Abschlag mit Basis- facettierung und gerader Endretusche (Abb. 27,17) und ein dorsal und ventral beidkantig retuschier- tes Stück (Abb. 27,18) zählen ebenfalls zu den Mikrolithen; vielleicht handelt es sich um Querschnei- der.

Das auffälligste Element des Inventars ist eine herzförmige, beidflächig bearbeitete Spitze mit kon- kaver Basis aus braunem Chalcedon (Abb. 27,25).

Hinzu kommt eine dorsal und ventral beidkantig retuschierte Rückenspitze aus Basalt (Abb. 28,26). Zwei großen Schabern (Abb. 28,l-2) und einem Doppelschaberfragment (Abb. 28,3) schließen sich weniger typische Schaber und kantenretuschierte Formen an (Abb. 28,4-10). Bei einem Stück (Abb. 28,5) wurde mit einem kräftigen Schlag auf die Ventralfläche der Basalteil gekappt. Boh- rerartig, jedoch stumpf wirkt ein Exemplar, bei dem zwischen zwei Kerben ein Fortsatz herausretu- schiert wurde (Abb. 28,ll). Solche >>Schnauzen<</>>Nasen<< zeigen auch weitere, sonst unregelmäßige Stücke (Abb. 28,19-22), im folgenden provisorisch als >>Zipfelbohrer<< angesprochen. Außer einem schrägendretuschierten Stück (Abb. 28,13), einem kleinen Kristallkern mit Gebrauchsspuren (Abb. 28,14) und einer Klinge mit dorsal partieller und ventral konkaver Kantenretusche (Abb. 28,16) seien noch zwei Exemplare mit Basisfacettierung hervorgehoben (Abb. 28,12 mit Endretusche; Abb. 28,15 mit schräger Endretusche). Ebenfalls eine facettierte Basis hat ein Stück, das als Stichel an Endretusche angesprochen werden könnte (Abb. 28,18). Freilich hat es kein deutliches Stichel-Ar- beitsende, und die Stichelbahn selbst ist nachträglich kantenretuschiert. Zwei Stichelbahnen und Be- nutzungsspuren zeigt Abb. 28,17.

Für das Inventar der Basisschicht ergibt sich damit folgende Werkze~~ l i s t e (QZ: Quardgelb pati- nierter Bergkristall; KKS: Kryptokristalline Silexvarietäten, vorwiegend Chalcedon; BS: Basalt):

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J. Richter

Abb. 27. Rote Schicht. Steinwerkzeuge. NB 1,2 Dreiecke; 3,17,18 Querschneider (?); 20,21, 22 Zipfelbohrer; 25 flächenretuschierte Spitze.

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Messum I . Prähistorische Jäger in extrem arider Umwel t

Abb. 28. Rote Schicht. Steinwerkzeuge. NB 17,lS Stichel.

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318 J. Richter

Form Qz KKS BS Summe

Dreieckmikrolithen Mikrospitzen Mikrokratzer Mikroschaber Mikrobohrer »Zipfelbohrer« Querschneider (?) Gekerbte Mikrolithen Spitze Flächenretuschierte Spitze Schaber »Stichel« Rückenretuschierte Stücke Sonstige

Gesamtsumme 91

Steinwerkzeuge aus der Steinsetzung S 2

Unter den 1060 Artefakten aus der Steinsetzung S 2 fanden sich nur 12 Steingeräte:

einkantig retuschierte, gedrungene Mikrospitze (Abb. 29,2) schräg-endretuschierte Mikrospitzen (Abb. 29,1-2) gerad-endretuschierter Mikrolith (Abb. 29,6) schaberartig kantenretuschierter Mikrolith (Abb. 29,7) atypisch rückenretuschierter Mikrolith (Abb. 29,5) kleiner Abschlagkratzer (Abb. 29,9) ausgesplitterte Stücke (Abb. 29,lO) linkslateral retuschierter Abschlag mit facettierter Schlagfläche (Abb. 29,8) 1 Doppelbohrer aus Basalt (Abb. 29,4) 1 gezähntes Stück (0. Abb.)

as ausgesplitterte Stück weist eine doppelte Patinierung auf, unter der noch eine alte, konkave Retu- schierung sichtbar ist (Abb. 29,10, rechtes Bild oben). Auch der Abschlag, der seiner facettierten Schlagfläche nach aus der »Roten Sandschicht« stammen muß, kann innerhalb dieses Inventars als wiederverwendet angesehen werden (Abb. 29,8).

Steinwerkzeuge aus der Umgebung von Abn' 1

In der Umgebung von Abri 1 lagen jeweils in der Nähe von Steinsetzungen zwei Artefakte aus schwarzem Kieselschiefer, wie er am Fuß des Brandberges vorkommt: Die linkslateral retuschierte Klinge stammt von Fundstelle B 2, der breite Abschlag mit Gebrauchsspuren von Fundstelle E (Abb. 29,ll-12).

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Messum I . Pdis tor ische Jäger in extrem arider Umwel t

Abb. 29. Steinring S2. 1-11 Steinwerkzeuge, NB 4 Doppelbohrer. - Hüttenring-Gruppe B. 12 Steinwerkzeug.

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J. Richter

Felsgesteingeräte

Rohmaterialien für die Felsgesteingeräte waren meist Vulkanite. Die sehr individuellen Formen lassen sich kaum in ein typologisches Schema einpassen. Auch stratigraphische Aussagen gestattet diese Ge- rätegruppe kaum. Sie begleitet alle in Abri 1 vertretenen Industrien.

Die hier angewandte Gliederung in massive Kratzer und Schaber, Kerngeräte und sonstige Geräte kann behelfsmäßig die Übersicht über diese Gerätegruppen erleichtern, ohne als - auch nur vorläufiger - Versuch einer Systematik zu gelten (alle retuschierten Groben Steingeräte von Abri 1 sind abgebildet).

Massive Kratzer und Schaber (Abb. 30,l-5. Abb. 31,1.3-5): Massive Kratzer haben meist eine mehr oder weniger ovale Form und eine sorgfältig gearbeitete, terminale Kratzerkappe (Abb. 30,l-4; weniger qualitätvolle Kratzerkappe: Abb. 30,5), wobei die Größe der Stücke stark variiert. Auch kann die Arbeitskante als sehr steile, stufige Retusche angelegt sein (Abb. 30,7). Die seltenen Schaber- formen wurden - öfter als die Kratzer - aus Abschlägen mit flachem Querschnitt gewonnen (Abb. 31,3.5). Bei dem Stück Abb. 31,l findet sich gegenüber der rechtslateral-dorsalen Schaberkante eine ventral ausgebildete Kerbe. Abb. 31,4 sei diesen Stücken nur lose zugeordnet, denn die fast ge- rade Arbeitskante verläuft nicht deutlich lateral, sondern in einem spitzen Winkel zur Geräteachse.

Kerngeräte: Einige kegelförmige Kernsteine, die sich jedoch nicht durch langschmale sondern mehrstufig-kurze Abschlagsnegative auszeichnen, weisen starke Gebrauchsspuren auf (Abb. 31,6-7). Ein dicker Abschlag (Abb. 31,8) kann hier ebenso zugerechnet werden, da er kernartig weiter abge- baut wurde. Außer üblichen Gebrauchsspuren zeigt er auch Aussplitterungen. Bemerkenswert ist ein kreisrundes Narbenfeld auf der Ventralfläche und die durch drei kräftige, von dorsal her geführte Schläge erfolgte Entfernung des Bulbus. Es fällt auf, daß die beiden erstgenannten, technisch ver- wandten Exemplare aus dem oberen Horizont der Grabung stammen (bei -20).

Andere Grobe Steingeräte: Zwei schmale Abschläge weisen klingenartigen Habitus auf. Dabei hat einer eine ventrallaterale Retusche (Abb. 32,1 I), der andere neben einer flüchtigen, terminalen Retu- sche rote Farbs~uren auf der Dorsalfläche (Abb. 32,8) und alle Merkmale eines >>accident de taille. (Abb. 32,8, Querschnitt).

Ebenfalls von schlanker Form sind ein Exemplar mit sorgfältig ausgeführter konkav-konvexer Kantenretuschierung (Abb. 32,7) und zwei kleinere Stücke mit konvexer Kantenretusche (Abb. 32,l-2). Eigenartig ist ein großer ovoider Abschlag, der einem groben Halbkeil ähnelt (Abb. 32,lO).

Nur der Vollständigkeit halber seien genannt: Ein triangulärer, plattiger Abschlag mit gerader Endretusche (Abb. 30,6), ein unregelmäßig-querbreiter Abschlag mit rechtslateraler >>Kratzerkappe<< (Abb. 3 1 J), ein kratzerartiges (Abb. 3 1 J ) , ein kleiner, rundum gezähnter Abschlag (Abb. 3 1,5), drei kerngeräte-artig unterschiedlich zugeformte und retuschierte dicke Abschläge (Abb. 31,7.8.9), ein breiter Abschlag mit terminal-ventraler und basal-dorsaler Retusche (Breitschaber Abb. 31,5) und schließlich zwei Abschläge mit unregelmäßiger Kantenretusche (Abb. 32,4.6).

Klopfsteine: Ein retuschiertes, längliches Basaltstück mit Aussplitterungen ist zwischen groben, re- tuschierten Geräten und Klopfsteinen einzuordnen (Abb. 33,I).

Zwei ebenfalls langschmale Basaltstücke weisen an einem konvexen Ende Narbenreihen auf (Abb. 33,2-3). Vertreter dieser Gruppe sind die beiden Quarzgerölle mit dreieckigem Querschnitt und Narbenfeldern auf den Schmalseiten (Abb. 33,4-5).

Ein meißelartiges, langschmales, windgeschliffenes Basaltrohstück wurde an der Breitkante mit ei- ner Retusche versehen, die Bestoßungen/Aussplitterungen zeigt (Abb. 37,l).

Läufersteine: Bei den Läufersteinen sind kleine, aus kantigen Basalttrümmern hergestellte Stücke mit kleiner Schleiffläche (Abb. 33,8-9) von größeren, aus knolligen Basaltstücken hergestellten mit runder oder ovaler, ausgedehnter Schleiffläche zu unterscheiden (Abb. 34,6 mit roten Farbspuren; Abb. 33,7 mit leicht konvexer Schleiffläche).

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Messum 1. Prähistorische Jäger in extrem arzder Umwel t

Abb. 30. Graues Paket. 1-3, 5-7 Fel~~esteingeräte. - Rote Schicht. 4 Felsgesteingerät.

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Messzem 1. Prdhistoriscbe Jäger in extrem arider Umwelt

Abb. 32. Graues Paket. Felsgesteingeräte. NB 7 mit Farbspuren.

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J. Richter

Abb. 33. Graues Paket. Felsgesteingeräte: Klopfsteine, Läufer, Unterlieger. NB 6 Läufer mit Farbspuren: 10 kernartig abgebaute Seitenfläche eines Unterliegers mit zwei Mahlflächen (Seitenansicht).

Wie rote Farbspuren beweisen, dienten Läufersteine nicht nur zur Zubereitung der Nahrung, son- dern auch zur Herstellung von Farbpulver.

Reibplatten: Zwei der insgesamt drei Basalt-Reibplatten aus Abri 1 wurden beidseitig benutzt. Das auf Abb. 33,lO abgebildete Stück wurde zudem an einer der Seitenflächen als Kernstein verwendet. Die Reibflächen messen 18x20 Cm.

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Messum 1. Prähistorische Jäger in extrem arider Umwelt

Abb. 34. Graues Paket. Felsgesteingeräte: Unterlieger. NB 1 mit Farbresten; 2 mit Narbenfeldern; 3 Palette aus Kalkstein.

Abb. 34,l zeigt eine Reibplatte, die auf einer Fläche rote Ockerreste, auf der anderen einige kleine Narbenfelder aufweist. Ein Exemplar mit nur einer Reibfläche ist aus einem schweren Basaltblock mit ovalem Querschnitt hergestellt (Abb. 34,2).

Paletten: Von den plattigen Fragmenten, deren Ränder durch eine Art Retuschierung zugearbeitet wurden, pal3ten zwei zusammen (Abb. 34,3). Die Stücke sind aus Dolornitkalk, dessen nächstgelege- nes Vorkommen innerhalb der Karoo-Formation im nördlichen Damaraland liegt. Die Stücke sind also von weit her importiert; ein drittes palettenartiges Stück ist aus Basalt (Abb. 37,2).

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326 J. Richter

Verziertes Schieferstick: Ein 2 mm dickes Schieferplättchen mit einem geschliffenen, konvexen Rand und Strichreihenverzierung sowie zwei weitere Schieferfragmente mit bearbeitetem Rand stam- men aus dem mittleren Horizont der Grabung (Abb. 37,18). Schiefer kommen in der Zentralnamib nicht vor.

Klopfsteine, Läufersteine, Reibplatten, Paletten und verzierte Stücke beschränken sich auf den obe- ren und mittleren Horizont von Abri 1.

Übersicht Felsgesteinartefakte (Graues Paket, wo nicht anders angegeben):

Form Anzahl Rohmaterial

Felsgesteingeräte Kratzer Kratzer Schaber Kernkratzer Sonstige

Basalt Basalt, Rote Schicht Basalt Basalt Basalt

Reib- und Mahlsteine Läufer Unterlieger Palette Palette Klopfs teine Klopfsteine

Basalt Basalt Basalt Kalkstein Quarzgeröll Basalt

Schmuck Anhängerfragment 2 dto., verziert 1

Schiefer Schiefer

Gesamtsumme 4 8

Artefakte aus Stmu(3enei und Knochen

Reste von Straußeneiern (insgesamt rund 2 kg) treten in unterschiedlichen Erhaltungsstadien auf. Ne- ben scharfkantigen, gut erhaltenen Fragmenten existieren solche mit termischen Ausplatzungen und im unteren Bereich des Grauen Pakets kreidig verwitterte Exemplare (Taf. 95a).

Terminologie: Die Schale eines Straußeneies ist etwa 2 mm dick und besteht aus einer harten, glän- zenden Außenhaut und einer kreidigen, weniger harten Innenschicht. Straußenei läßt sich schleifen, bohren und retuschieren. Bohrungen können am günstigsten von der Innenseite ihren Ausgang neh- men, sind aber dennoch riskant, wie die große Anzahl angebohrter und dann zerbrochener Halb- zeuge in allen Inventaren beweist. Halbzeuge verschiedenen Charakters konnten zwei Produktions- modi wahrscheinlich machen: Nach der gängigeren Herstellungstechnik (Abb. 35, Spalte 1) wird die Straußeneierschale zunächst auf eine handliche Größe gebracht, wobei durch Zurechtbrechen ein un- regelmäßiges Fragment entsteht (A); dieses wird nun von innen durchbohrt (B,C), durch polygonales Abknipsen auf annähernd runde Form gebracht (D) oder aber nicht weiter zugeformt und schließlich auf eine Schnur aufgezogen. Zu Gruppen zusammengefaßt, kann man nun durch Schleifen auf einem Rillenstein die Perlen völlig abrunden (E). Eine zweite Methode (Abb. 35, Spalte 2) bevorzugt die po- lygonale Ausformung (A) vor der Durchbohrung (B,C). Beim Schleifen auf dem Rillenstein wird nur der Rand der Perle erfaßt, während die Fläche unbehandelt bleibt.

Daneben blieb natürlich die Möglichkeit, jede Perle einzeln zu schleifen oder darüber hinaus nach- zuschleifen, wie durch Perlen nachzuweisen ist, die auch auf die Fläche Schleifspuren zeigen.

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Messum 1. Prähistorische Jäger in extrem arider Umwel t

Halbzeuge

Abb. 3J. Schematische Darstellung der Perlenproduktion aus Straufieneischerben. Abb. 36. Schemata zur Terminologie der Straufieneiperlen.

Die bei den Produktionsvorgängen anfallenden Formen können zum Teil noch zu Größenklassen zusammengefaflt werden, die sich nach den bisherigen Reihenmessungen ergaben.

Für Perlen und Halbfabrikate - für andere Straußenei-Artefakte besteht kein terminologisches Sy- stem - werden folgende Begriffe verwendet: Der Zusatz OES (Ostrich Egg Shell) soll der Verwechs- lung mit Steingeräte-Typennummern vorbeugen.

Termini (Abb. 36): Perlen: Kleine polygonale Perle OES 1, große polygonale Perle OES 2, kleine Perle OES 3, g o ß e Perle OES 4, Perle mit geschliffener Fläche OES 5; Halbfabrikate: Durchbohrtes Scherbchen OES 6, angebohrtes Scherbchen OES 7, polygonale Scheibe OES 8, angebohrte polygo- nale Scheibe OES 9.

Für Knochenartefakte ist momentan ein ähnliches Begriffssystem nicht notwendig. Stmuj3eneiperlen aus dem Gr-auen Paket: Die verschiedenen Formen der Straußeneiperlen stehen

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Abb. 37. Graues Paket. 1,2 meiflelartiges Artefakt und Palette aus Basalt; 3,4 Knochenspitzen; 18 verziertes Schieferstück; 5-12,17,19 Fragmente von Anhängern und verzierte Fragmente aus Straufienei; andere StrauGeneiartefakte.

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Abb. 38. Graues Paket. 1-7 Ovale Schalen, Anhängerfragmente aus Straui3enei; 10-11, 13-14 Keramik; 12 verknotete Faser von Welwitschia mirabilis.

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330 J. Richter

alle in einem deutlichen Zusammenhang mit dem mittleren Horizont der Grabung; Dementspre- chend sind in Abri 1 Formen nicht vertreten, welche sich andernorts als sehr jung erwiesen habenz5.

Einen interessanten Einblick in die Herstellungstechnik von Straußeneiperlen erlaubt der hohe Anteil von fragmentierten, durchlochten Straußeneischerbchen (Form Nr. 6). Sie beweisen, daß Durchboh- rung von Scherben, Aufziehen auf eine Schnur und gemeinsames Rundschleifen auf oder unter einem Rillenstein die bevorzugte Herstellungstechnik war. Durch Bruch unbrauchbar gewordene Halbfabri- kate belegen au~erdem, daß am Or t ~ t raußene i~er len tatsächlich hergestellt worden sind (o.Abb.).

Anhänger: Aus zwei Fragmenten konnte ein nierenförmiger Anhänger rekonstruiert werden (Abb. 37,7). Zwei Anhänger (Abb. 37,5-6) dürften kleinere Exemplare des gleichen Typs sein; ein weiterer (Abb. 37,8) läßt sich eher zu einem scheibenförmigen Anhänger ergänzen, da das teils erhal- tene Loch im Verhältnis zu dem sehr gleichmäßig konvexen Rand genau zentriert ist. Die restlichen Fragmente (Abb. 37,9-11) weisen sich entweder durch Vorhandensein eines Loches oder durch abge- drückte und zusätzlich angeschliffene Ränder als Anhängerfragmente aus. Wie bei Perlen sind auch hier die Löcher immer von der weichen Innen- zur härteren Außenseite der Schale gebohrt (Fund- lage: O bis -30).

Auch zwei Fragmente mit einem spitzen Winkel könnten wegen ihrer geschliffenen Ränder als Be- standteile von Anhängern gelten (Abb. 38,8,9).

Verzierte Fmgmente: Das bereits behandelte, strichverzierte Schieferfragment (Abb. 37,18) findet zwei Gegenstücke aus Straußenei (Abb. 37,17.19): Der Rand ist abgedrückt und geschliffen und mit einer Strichreihe versehen. Wie die genannten Stücke stammt auch ein drittes ritzverziertes Exemplar aus dem mittleren Horizont (Abb. 37,12). Es zeigt ein Schachbrettmuster aus abwechselnd leeren und kreuzschraffierten Quadrat- bzw. Rechteckfeldern.

Ovale Schalen: Dieser Artefakttyp ist bisher in der Region sehr selten belegt. Mehrere Straußenei- fragmente könnten - obwohl sie nicht anpassend sind - zu zwei ovalen Schalen rekonstruiert wer- den, die zu etwa 2/3 erhalten sind (Abb. 38,l-7). Die Fragmente haben konvexe geschliffene Ränder. Wegen ihrer Größe ist eine Zuordnung zu den Anhängern nicht möglich. Abb. 37,28-33 zeigt ähn- liche, doch lediglich kantenabgedrückte Stücke. Es ist bemerkenswert, daß alle auf diese Weise zu- sammengestellten Funde aus dem oberen Horizont der Grabung stammen (0 bis -2O), für den somit ovale Schalen als typisch angesehen werden können.

Spatel: Annähernd rechteckige Stücke aus Straußeneischerben mit abgedrückten Rändern (Abb. 37,15-16.26) wurden bislang nicht publiziert. Diese als Spatel bezeichneten Stücke gehören in den oberen Horizont (0 bis -20).

Andere Fmgmente mit bearbeiteten Kanten: Die restlichen Fragmente mit abgedrückten (Abb. 37,13-14,20-25,27,33-34) und geschliffenen Rändern (Abb. 37,35) sind nicht aussagekräftig genug für eine Benennung. Es ist durchaus möglich, daß sie zu weiteren, bisher noch unbekannten Formen gehören. Ein solches Fragment stammt aus der Steinsetzung S2 (0. Abb.).

Fragmente mit anhaftenden Harzresten: Taf. 95b zeigt einige unbearbeitete Straußeneischerben, an denen Harz von der als Buschmannkerze bekannten Pflanze Sarcocaulon mossamedense haftet. Mög- licherweise diente das Harz zum Flicken eines defekten Straußeneibehälters.

Nachweis von Stmußenei-Behältern: Ganze Straußeneier werden heute als Wasserbehälter genutzt. Hierzu wird das Ei meist am spitzen Ende angebohrt, die kreisförmige Öffnung später mit einem Pfropfen aus Gras verschlossen.

Drei Fragmente mit stark konkav abgedrückten Kanten gehören in diesen Zusammenhang (0. Abb.). Ein Stück stammt aus dem oberen (oberhalb -2O), ein weiteres aus dem mittleren Horizont (-20 bis -40).

25 Jacobson, L., The size variability of ostrich eggshell beads from central Namibia and its relevance as a stylistic and temporal marker: South African Archaeological Bulletin 42, 1987, 51-54; Jacobson, L./Noli, D., More on ostrich egg- shell bead size variability: the Geduld early herder assemblage: South African Archaeological Bulletin 42, 1987, 174.

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Messum 1. Priihistorische Jäger in extrem arider Umwelt 331

Knochenspitzen: geschliffenen und

ist nur (Abb. 37,3) ' schnitt vorhanden Mulde in A8 und L„.

Das StrauiSenei- und Knochenartefakt-Inventar vom Messum 1 umfaiSt damit (Graues Paket, wo nicht anders angegeben):

Neben einer schlanken, aus der Kompakta eines Röhrenknochens hergestellten, geglätteten Pfeilspitze, die in nutartigen Vertiefungen rote Farbreste aufweist das schlecht erhaltene Fragment einer weiteren GeschoiSspitze mit rundem Quer- (Abb. 37,4). Beide Exemplare stammen aus der mit Pflanzenmaterial verfüllten A Q

Form Anzahl

Perlen OES 1 OES 2 OES 3 OES 4 OES 5

Halbfabrikate OES 6 OES 7 OES 8

Andere Straufienei- Artefakte

Anhänger/Frgmt. Frgmt. m. geschliff. Kante Frgmt. m. geschliff. Kante verziertes Fragment Ovale Schale Frgmt. m. retusch. Kante

5 2 1 (Steinring S2) 2 6

16

Knochenartefakte Knochenspitzen 2

Gesamtsumme 2 74

39 40

Abb. 39. Einzelkartierung der Keramikfunde nach Grabungsflächen (schraffierte Symbole: verzierte Scherben).

Abb. 40. Kartierung passender Scherben.

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J. Richter

Artefakte ans Pflanzenfaser

Aus der Grasfüllung in Quadrat A8 stammt ein geknoteter Faserstrang, der aus einem Blatt von Wel- witschia mirdbilis Hook. fil. hergestellt wurde. Es handelt sich um einen in beiden Richtungen ver- schiebbaren Kreuzknoten. Eine weitere Verbiegung und Verdrehung am oberen Ende dieser Welwit- schia-Faser (Abb. 38,12) läßt vermuten, daß nach etwa 4 cm ein weiterer, gleichartiger Knoten folgte. Außerdem gibt es weitere Faserreste von durchschnittlich 4 cm Länge, die zum Teil auf Knotung zu- rückgehende Verbiegungen, Verdrehungen und Knickungen aufweisen (Taf. 95 C.)

Vielleicht liegen hiermit Fragmente eines Tragenetzes mit 4 cm Maschenweite vor; Tragenetze wer- den noch heute von den San der Kalahari benutzt.

Keramik

Unter den 44 Keramikfragmenten von Messum, Abri 1 befinden sich folgende verzierte Stücke, die zum Teil durch Zusammensetzungen ergänzt werden konnten:

Abb. 38,lO Eine Wandscherbe, Ton ziegelrot, innen tongrundig, Quarzmagerung. Oberfläche aui3en leicht geglättet (matt). Verzierung: Zwei annähernd parallele Ritzlinien, zwischen diesen und an ihnen entlang je eine Reihe von Punkteindrücken.

Abb. 38,13.14 Zwei Randscherben und eine passende Wandscherbe desselben Gefäi3es mit annähernd konischer Halspartie. Brüchiger, grober Scherben mit goldglimmerhaltiger Magerung, aui3en schwarz geglättet (matt), im Bruch rostrot, innen fleckig braunrot und schwarzgrau. Verzierung: Je zwei sich gegenüberliegende Ritzlinien, zu einem Oval oder Spitzoval ergänzbar.

Abb. 38,ll Eine Wandscherbe eines bauchigen Gefäßes von 35-40 cm Durchmesser. Harter Scherben mit mittelgrober Quarz- und goldglimmerhaltiger Magerung, aui3en tiefschwarz ge- glättet (matt), im Bruch grau, innen dunkel-rotbraun. Verzierung: Zwei schwache, parallele Fingerriefen.,

o. Abb. Kleine Wandscherbe ( 2 ~ 3 . 5 cm) aus Steinsetzung S2. Harter Scherben mit grober Quarzmagerung bis 1 mm, auf3en grau, im Bruch hellrot, innen hellrot. Verzierung: Eine einfache gerade Ritzlinie.

Für das gesamte keramische Inventar kennzeichnend ist die Uneinheitlichkeit der Keramikqualitäten. Ohne beim jetzigen Forschungsstand Vergleichsmöglichkeiten für organische oder anorganische Ma- gerungsmittel, Tonsorten, Brenntechniken (im Inventar oxidierende, reduzierende und kombinierte Brände nachweisbar) zu haben, darf dennoch festgehalten werden, daß nur choro- und chronologisch unterschiedliche Provenienzen in Frage kommen, also keinesfalls eine lokale Keramikproduktion dem Inventar zugrunde liegen kann.

Die verzierten Stücke Abb. 38,10.13.14 stammen von der Oberfläche, das auf Abb. 38,11 fand sich an der Sohle der Graseinfüllung in A8. Keramische Funde kommen ausschließlich aus dem oberen Horizont der Grabung und aus der Steinsetzung S 2 (0. Abb.).

Die Kartierung der Flächen-Verteilung der Keramik verdeutlicht eine starke Konzentration bei A7/A9 (Abb. 39), also in der unmittelbaren Nähe der mit Gräsern verfüllten Mulde A8, deren Bedeu- tung durch die Eintragung der Anpassungslinien noch unterstrichen wird (Abb. 40). Nur die in A7/A9 und in A3 enthaltenen Exemplare zeigen kurze Verbindungen, während sich alle Stücke in den zentralen Grabungsquadraten auf die randlich gelegenen beziehen lassen.

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Messum 1. Prähistorische Jäger in extrem arider Umwelt 333

Das keramische Inventar umfaßt (oberer Teil des Grauen Pakets und Oberfläche, wo nicht anders angegeben):

Randscherben, verziert 2 Wandscherben, verziert 2 Wandscherbe, verziert 1 (Steinring S2) Wandscherben, unverziert 39 Gesamtsumme 44

Metallartefakte

Drei 13-15 cm lange zugeschnittene Eisenstücke von der Oberfläche des Abri 1 bezeugen den euro- päischen Einflug während der letzten Belegungsphase (Taf. 95d). Die Eisenteile sind zusammen ge- funden worden. Möglicherweise stellen sie einen kleinen Metallhort dar, der an dieser Stelle in einem Beutel oder ähnlichem deponiert warz6.

Faunenreste

Säugetiere: Wegen der außerordentlich schlechten Knochenerhaltung war der Großteil der Faunenre- ste nicht bestimmbarz7. Nur 15 Faunenreste, darunter 11 von Antilopen, konnten genauer identifi- ziert werden. Mit Ausnahme eines Klippschlieferknochens von der Oberfläche stammen sie alle aus Fundtiefen zwischen 23 und 45 cm und gehören damit in den unteren Teil des Grauen Paketes. Es liegen folgende Artenbestimmungen vor:

Klippschliefer (Procavia sp.) Hase (Lepus sp.) Springbock (Antidorcas marsupialis)

unbest. kleine Antilope unbest. mittlere Antilope unbest. große Antilope

Die starke Fragmentierung des Knochenmaterials kann auf die Anwesenheit der Gefleckten Hyäne zurückgehen, die im unteren Teil der Pflanzenfüllung A8 (Einheit 5; Abb. 10) durch einige Koproli- then nachgewiesen ist. Im Gegensatz zur Braunen Hyäne, die heute in der Region vorkommt, frißt und verdaut die gefleckte Hyäne Aastiere einschließlich der Knochen. Wie deshalb bei der gefleckten Hyäne üblich, sind auch die aus dem Fundstoff stammenden Koprolithen mit kleinen Knochenparti- keln durchsetzt. Die insgesamt gute Erhaltung organischen Materials im Fundstoff spricht dafür, dai3 die Knochenreste selektiv - eben durch Verbiß - zerstört worden sind.

Vögel: Straußenfedern stammen aus dem unteren Teil der Pflanzenfüllung in Fläche A8. Straußen- eireste (insgesamt etwa 2 kg) dürften als Straußeneibehälter in die Messum-Fundstelle gelangt sein. Strauße können zwar die ephemere Vegetation während unregelmäßiger Regenzeiten in der Zentral- namib ausnutzen, die Brutgebiete liegen jedoch in der Savannenzone des Inlandes.

Reptilien: Aus Fläche A4/-35 stammt ein Fragment eines Schildkrötenpanzers. Schildkrötenpanzer werden heute von den San der Kalahari als Gefäße benutzt. Da die Umgebung von Messum 1 keine Lebensgrundlage für Schildkröten bietet, ist anzunehmen, daß das Fragment - ebenso wie die Strau- ßeneireste - als Teil eines Gefäßes in das Abri gelangte.

26 Wendt (Anm. 2) 33. 27 Bestimmung der Faunenreste: R. G. KleinIChicago: Cruz-Uribe, K./Klein, R. G., Fauna1 remains from some

Middle and Later Stone Age archaeological sites in South West Africa: Journal SWA Wiss.Ges. 36/37, 1982183, 91-114.

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334 J. Richter

Fische: Ein Fischwirbel stammt aus Fläche A l 1/-20. Mollusken: Insgesamt 84 Seemuschelreste der Arten Donax serra, Perna pernu, Coromytilus mer-i-

dionalis und weiterer, unbestimmter Arten fanden sich in allen Flächen des Grauen Pakets und des Steinringes S2 (zwei Donur serra), weiterhin Reste je einer marinen und einer terrestrischen Schnek- kenart2'. Zwei Muschelreste zeigen Durchlochungen, doch können diese natürlich (durch Parasiten- befall) entstanden sein.

Pflanzenreste

Pflanzenreste sind völlig auf die Pflanzenfüllung in Fläche A8 beschränkt; hier konnten bestimmt werden (Sedimenteinheiten nach Abb. 10)29:

Einheit 2: Aloe asperifolia (Blatt), Enneapogon scoparius (Samen), Hel ichr~sum tomentosulum subsp. aromaticum (Zweige, Blätter), Petalidium canescens (Blätter), Stipagrostis sp. (Ahren), Stipagrostis dinteri (Stengel, Blüten), Stipagro- stis hochstetterana, Welwitschia mirabilis (Samen);

Einheit 3: Dicoma capensis (Holz, Blätter, Blüten), Enneapogon sp., Petalidium canescens (Blätter), Sarcocaulon mos- samedense (Holz), Stipagrostis sp. (Stengel), Stipagrostis ciliata (Stengel), Stipagrostis dinteri (Stengel), Stipagrostis hoch- stetterana (Blüten), Welwitschia mirabilis (Samen), Zygophyllum stapfii (Zweige);

Einheit 4: Celosia sputhulifolia (Blüten), Commicurpus sp. (Samen), Dicoma capensis, Enneapogon scuber (Samen), Enneapogon sp. (Samen), Eragrostis sp., cf. E. biflora, Monechma genistifolium, Osteospermum m i c r o c a p m subsp. sep- tentrionale, Sarcocaulon mossamedense (Holz), Stipagrostis sp. (Ahren), Stipagrostis hochstetterana (Blüten), Welwit- schiu mimbilis (Samen, Blätter), Zygophyllum stapfii (Holz, Zweige, Blätter);

Einheit 5: Aloe, Enneapogon scaber (Samen), Enneapogon sp. (Samen), Helichrysum tomentosulum subsp. aromati- cum, Petalidium sp. (Blätter), cf. Rhus marlothii, Stipagrostis sp. (Ähren, Samen), Stipagrostis hochstetterana (Blüten), Stipagrostis dinteri (Blüten), Tiraphis sp. (Blüten), Welwitschia mirabilis (Samen), Zygophyllum stapfii (Holz);

Wichtige Nahrungslieferanten sind unter den vorhandenen Pflanzenarten, die alle heute noch .- zu- mindest nach Niederschlägen - in der Umgebung des Abri vorkommen, nicht vertreten. Die Gräser dienten, neben Straußenfedern, zum Auspolstern der Mulde in Fläche A8. Die Sarcocaulon-Reste fal- len an, wenn man die Harz-Hülle vom Holz der Pflanze trennt, um das Harz als Flickmittel (siehe oben), etwa für Straußeneibehälter, zu verwenden. Welwitschia-Blätter dienten offensichtlich als Fa- sern für Schnüre oder Netze (siehe oben).

Mineralien

Pigmente: Rote und weiße Pigmentbröckchen stammen aus dem mittleren Horizont (Abb. 58) der Profilprojektion B'. In der gesamten Grabung fanden sich:

Rote Pigmente 26 Stücke (1 Stück in Steinring S2) Weii3e Pigmente 7 Stücke Salzkruste (Al O/Oberfläche und A7/-18)

28 Vorläufige Ansprache der Molluskenreste: W. E. Wendt. 29 Bestimmung der Pflanzenreste: M. Müller/staatl. Herbarium, Windhoek.

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Messum 1. Prihistorische Jäger in extrem arider Umwelt

Kulturabfolge in der Profilprojektion

Die kombinierte A~s~rabunstechnik, nach der die während der Grabung festgestellten sedimentologi- schen Einheiten zusätzlich durch künstliche Niveaus unterteilt sind, gestattet die Darstellung aller Funde in einem Gitter künstlicher Niveaus. Im folgenden werden die zuvor gesamthaft vorgelegten Fundgruppen sowie einige zusätzliche Merkmale (Grundformenanteile, Fraktionsverteilung) auf die künstlichen Niveaus der Flächen A5, A12, A13, A l4 innerhalb der Profilprojektion B'projiziert.

Mengenverteilung der Steinartefakte: Aus Abb. 41 gehen sowohl die vertikale Verteilung der Ge- samtartefaktmengen in Pr~f i l~ro jek t ion B' als auch die Anteile von Quarz, Silex und Basalt in den einzelnen Grab~n~seinhei ten hervor: In AI3 lassen sich drei fundreiche Abschnitte erkennen (Abb. 41, bei 0, -20, -35), zwischen die sich jeweils fundarme Horizonte einschieben. Ein vierter Kumulationshorizont liegt jeweils an der Basis der Quadrate A5 und A l2 und scheint - dem etwas ansteigenden Anstehenden folgend - nach Südwesten auszukeilen. Er gehört in die >>Rote Sand- schicht<< der Sedimentfolge (vgl. Abb. 8, 9). In A l3 und A l4 ist dieser Horizont nicht mehr erkenn- bar, wie auch die drei oben konstatierten Artefakthäufungen nicht überall mit gleicher Deutlichkeit auftreten. In A l4 scheinen die Horizonte zusammenzufließen. Dies bedingen wohl der ansteigende Boden des Abri und die damit verbundene geringere Sedimentmächtigkeit. In der Fläche A l2 hebt sich der oberste Horizont deutlich von den beiden darunter liegenden ab, die offensichtlich in Kon- takt miteinander geraten sind, vielleicht wegen des sehr hohen Fundvolumens in diesem Quadrat (vgl. Abb. 12). Im linken Teil des Profils (A5) lassen sich - wie in A14 - die drei oberen Horizonte nicht unterscheiden, da hier in etwas größeren Schritten gegraben ist.

Auch im Verhältnis der Materialgruppen zueinander ergeben sich innerhalb des Profils Unter- schiede: Der Anteil der Basaltartefakte nimmt von oben nach unten stetig ab (besonders A14). Die Si- lices erreichen in den fundreichen Horizonten bei -20 den höchsten Prozentsatz (A13, A14), der et- was weiter unten merklich zugunsten der Quarzartefakte zurückgeht.

Aus der Mengenverteilung der Steinartefakte im Profil (Abb. 41) lassen sich deutlich wenigstens vier Belegungsphasen erkennen (deutliche Fundhäufung in den Abschnitten O bis -15 cm, -20 bis -25 cm, -30 bis -45 cm und -60 bis -70 cm), wobei die unterste unproblematisch ist, da sie durch einen Hiatus von den oberen Phasen getrennt und an die sedimentologisch klar unterscheidbare »Rote Sandschicht« gebunden ist.

Grundformenanteile der Steinartefakte: Bei den Artefakten aus Quarz überwiegt die Menge der Abschläge jene der Trümmerstücke (Abb. 42). Dies gilt in viel stärkerem Maße für die Mittelzone des Profils (Abb. 42, -25, -20 bis -40) als für den oberen und unteren Bereich. Hier halten die Trümmer einen etwas höheren Anteil; bei A12/-60 entspricht ihr Prozentsatz sogar dem der Abschläge. Ge- rade umgekehrt verhalten sich die Trümmer aus Basalt zu den Abschlägen desselben Materials (Abb. 43). Dies erstaunt kaum, denn Basalt ist ein in unmittelbarer Umgebung des Abri leicht zu ge- winnendes Rohmaterial, mit dem man offensichtlich sorglos umging. Demzufolge konnte der Anteil des groben Abfallmaterials (namentlich Trümmerstücke) hoch sein.

Zwischen den beiden - hinsichtlich des Verhältnisses von Trümmern zu Abschlägen sich extrem verhaltenden - Materialien Quarz und Basalt vermittelt der Silex (Abb. 43). Wenngleich die Trüm- merstücke niemals die Abschläge überwiegen, so ist der Anteil ersterer noch gelegentlich deutlich hö- her als in der Gruppe der Quarzartefakte (Abb. 42, z. B. A12/-20 und A13/-20). Dies überrascht, da nach den Erwägungen zur Beschaffbarkeit des Rohmaterials und nach der Vermutung, bei den Silex- varietäten handele es sich um Importe, eigentlich ein sehr sparsamer Gebrauch, also ein möglichst ge- ringer Anteil an unbrauchbaren Abfällen zu erwarten gewesen wäre.

F~dkt ionsver te i lun~ der Steinartefakte: Der Fraktionsindex ist das als Dezimalbruch ausgedrückte Verhältnis von Stückzahl zu Gewicht der unretuschierten Artefakte einer Materialgruppe innerhalb einer Grabungseinheit. Abb. 44 zeigt den Verlauf der Fraktionsindices der drei Materialgruppen in-

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J. Richter

44 Abb. 41. Profilprojektion B'. Vertikale Mengenkartieruq der Steinartefakte und Einzel-

kartierung der Keramikscherben. Abb. 42. Profilprojektion B'. Vertikale Mengenkartierung der Trümmer (A) und Abschlä-

ge/Klingen (B) aus Quarz. Abb. 43. Profilprojektion B'. Vertikale Mengenkar t ier~n~ der Trümmer und Abschläge/

Klingen aus Basalt (A) und Silexvarietäten (B). Abb. 44. Profilprojektion B'. Vertikale Fraktionsverteilung der Abschläge/Klingen.

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Messmn 1. Prähistorische Jäger in extrem ander Umwelt 337

nerhalb von Profilprojektion B'. Das grobstückige Basaltmaterial (in der Graphik um 0,5 bis 1,0 nach links versetzt) setzt sich deutlich von den feinstückigen Silex- und Quarzartefakten ab. Wiederum er- staunt, daß der importierte Silex den gleichen Amplitudenbereich einnimmt wie die zweifellos leich- ter beschaffbaren Quarzvarietäten. Indes besteht innerhalb dieses Schwankungsbereiches geradezu eine negative Relation: Dort, wo die Quarzartefakte besonders kleinteilig erscheinen, sind die Silexar- tefakte eher grob, und umgekehrt. Die Spitzen der beiden Indexkurven verlaufen oft entgegengesetzt, besonders extrem in dem nur in A5 bis A l3 vertretenen Bereich zwischen -40 und -60.

Demgegenüber zeigt der Vergleich von Basalt mit Quarz eine erstaunliche Gleichläufigkeit. Dies gilt vor allem für A5 und A14, für A l2 und A l3 nur streckenweise (Abweichung bei A121-30 bis -40 und bei A131-20).

Im rechten äußeren Teil der Profilprojektion (A14), also im Bereich der Abriwand, übersteigen die Indices niemals einen Wert von 1,25. Das besonders feinteilige Material fehlt hier also (vgl. A12, A13: bis 2,O).

Aus der Fraktionskartierung besonders des Quarzmaterials lassen sich stratigraphische Aussagen machen: Mehrere, sehr charakteristische Ausschläge kehren in allen Profilabschnitten in regelhafter Abfolge wieder (in Abb. 44 durch Buchstaben a-e gekennzeichnet).

An der Oberkante der Profilprojektion zeigt der Quarz-Fraktionsindex einen sehr einheitlichen Wert zwischen 0,75 und 1,0 (a), bei -15 bis -20 folgt ein weiterer Ausschlag (b), etwas tiefer bleiben die Werte konstant oder gehen etwas zurück (A121-25), um dann zu einem dritten Ausschlag (C) auf etwa 1,2 anzusteigen (in A5 nicht erkennbar). Der vierte Spitzenwert (d) ist nur in A l2 und A l3 identifizierbar, während er in A5 und Al4 wohl mit (C) zusammenfällt - wiederum ein Hinweis auf den etwas geringeren stratigraphischen Aussagewert von A5 und A l l . Darauf folgt in allen Abschnit- ten eine deutliche Tendenz zur groberen Verteilung des Quarz-Materials (d/e bei 4 5 / 4 5 ) , wobei für den betreffenden Horizont die sehr ausgeprägte Gegenläufigkeit des Silexwertes typisch ist (in Al4 nicht erfaßt). - In den anderen Grabungsquadraten ergibt sich an der Basis nochmals ein Anstieg (e), wenn er auch recht uneinheitlich in Erscheinung tritt (Werte zwischen 0,5 und 1,2), der in Al4 ebenfalls nicht fai3bar ist.

Überblickt man nun 2.B. den Verlauf der Quarz-Indices in der gesamten Profilprojektion, so fällt auf, daß die signifikanten Ausschläge in einer für alle Quadrate verbindlichen Reihung aufeinander folgen, daß aber auch die absoluten Tiefenmaße der Peaks (a-e) von rechts nach links etwas ansteigen (2. B. c-d: A141-30, A131-25 bis -40, A121-30 bis -40 und A51-35 bis -45).

Nimmt man nach dem zuvor Erläuterten an, daß die Horizontierung der Fraktionswert-Zyklen (Spitzen und Rückgänge) Belegungshorizonte anzeigt, dann müi3ten jene Horizonte auch von Südwe- sten (rechts) nach Nordosten (links) etwas einfallen.

Die Fraktionsanalyse ist also ein Instrument, um nicht nur materialbedingte (z. B. Basalt grobstük- kiger als Silex) und anthropographische (grobstückiges Material an der Abriwand) Verteilungsmerk- male zu beleuchten, sondern auch vertikalstratigraphische, also kulturchronologische Merkmale. Ent- gegen der Erwartung erlaubte die Fraktionsanalyse in der angewandten Form jedoch keine Rück- schlüsse zur Importfrage des Rohmaterials. Zudem wird das Fraktionsverhalten offensichtlich auch von Aspekten mitbestimmt3', deren Ursache und Art noch unklar sind. Offenbar hängt der Index-

30,. Grundlegend hierzu: Lauxmann, CorneliaIScheer, Anne, Zusammensetzungen von Silexartefakten. Eine Methode zur Uberprüfung archäologischer Einheiten: Fundberichte aus Baden-Württemberg 11, 1986, 101-131. In mobilen, ho- mogenen Sedimenten erfolgt offensichtlich eine postsedimentäre Fraktionssortierung, die auch Artefakte mit betrifft. Neben Zusammensetzungen, die in Messum nicht durchgeführt wurden, eignen sich daher auch Fraktionskartierungen zum Nachweis postsedimentärer Verlagerungen von Steinartefakten: Siiriäinen, Ari, Pieces in vertical movement - a model for rockshelter archaeology: Proceedings of the Prehistoric Society 43, 1977, 349-353. Experimente hierzu bei Cahen, D./Moeyersons, J., Subsurface movements of stone artefacts and their implications for the prehistory of Central Africa: Nature 266, 1977, 812-815. Anthropogene Einflüsse auf das Sedimentationsgeschehen in Namibia fanden: Bur- gess, RobinIJacobson, Leon, Cultural Sediment formation in openair sites and rock shelters on the BrandbergINamibia: Journal of Field Archaeology 11, 1984, 233-239.

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J. Richter

0

15 20

25 30 35 40

0

15 20

:E 35

40

48 Abb. 45. Profilprojektion B'. Vertikale Einzelkartierung der kegelförmigen Kernsteine. Abb. 46. Profilprojektion B'. Vertikale Einzelkartierung der schild- (A) und linsenförmi-

gen (B) Kernsteine. Abb. 47. Profilprojektion B'. Vertikale Einzelkartierung der Segmente (Form Nr. 1-4). Die Symbolfarben bedeuten in allen folgenden Profilprojektionen der Steinwerkzeuge: weii3,

Bergkristall; schwarz, Quarz; schwarz-weifS, Silexvarietäten. Abb. 48. Profilprojektion B'. Vertikale Einzelkartierung der Dreiecke und Vierecke (Form

Nr. 5-9).

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Messum 1. Prdhistorische Jäger in extrem arider Umwel t

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Abb. 49. Profilprojektion B'. Vertikale Einzelkartierung der einfachen Mikrospitzen (Form Nr. 12).

Abb. 50. Pr~fi l~rojekt ion B'. Vertikale Einzelkartierung der beidkantig retuschierten Mikrospitzen (Form Nr. 17-21).

Abb. J1. Profilprojektion B'. Vertikale Einzelkartierung der Mikroschaber (Form Nr. 26-31).

Abb. X?. Profilprojektion B'. Vertikale Einzelkartierung der Mikrokratzer (Form Nr. 33).

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340 J. Richter

Arnplitudenbereich (Wert) von der Struktur des Rohmaterials ab, denn die feinkörnigen (kryptokri- stallinen) Quarze und Silices nehmen den gleichen Schwankungsbereich ein (durchschnittlich 0,7 bis 1,3), während der Basalt deutlich darunter bleibt (ca. 0,3). Die Form der Einzelkurve hingegen ändert sich - innerhalb des vorgegebenen Schwankungsbereiches - nach Horizonten in fester Regel (Spitzen a-e), könnte also anthropogen verursacht sein. Tatsächlich ähneln sich die Kurven der am Ort vor- handenen Basalte und Quarze und sind in ihrer Form gegensätzlich zur Kurve des importierten Silex.

Die Fraktionskartierung der unretuschierten Artefakte gibt somit für die Oberfläche ganz andere Verhältnisse wieder, als sie etwa 5 cm tiefer (bei -15 cm) herrschen (vgl. Spitze a und b in Abb. 42). Es ist also durchaus möglich, daf3 allein innerhalb des oberen Horizontes mehrere Belegungen enthal- ten sind. Eine Nachgrabung in Quadrat A8 bestätigte dies, denn die »Pflanzenmulde« in A8 teilt sich in eine obere, von der Oberfläche aus eingetiefte, mehrlagige Stipagrostis-Packung und in eine untere, vom Liegenden jener aus eingetiefte Grube mit Stra~ßenfederfüllun~ und anderem organischen Mate- rial (Abb. 10). Durch die Anlage der Mulde wurde der obere Horizont in A7/A8 ungewöhnlich weit auseinandergezogen (0-35) und somit gut gliederbar. Das gilt leider nicht für die anderen Teile der Grabungsfläche, wo der obere Horizont sich nur auf die wenigen Zentimeter zwischen der Oberflä- che (meist um -10 liegend) und etwa 15 cm unter der Null-Linie beschränkt. Er war größtenteils be- reits mit einem einzigen Aushub von 5 cm voll erfaßt. Daraus folgt, daß für die Dokumentation des oberen Horizontes in den schematischen Darstellungen von Profil B außer der Zeile 0, die den reinen Oberflächenfunden vorbehalten ist, nur noch eine weitere Abhub-Zeile (-15) zur Verfügung steht. Eine typologische Feingliederung des oberen Horizontes bleibt problematisch.

Die Fraktionskartierung zeigt im mittleren und unteren Horizont des Profils drei weitere Zyklen an (c,d,e), die sich mit den Mengenkartierungen weitgehend decken.

Verteilung der Kernsteinformen: Kegelförmige Kernsteine treten in allen Teilen von Profilprojek- tion B' auf (Abb. 45). Dabei verhalten sie sich auch nach den Materialanteilen proportional zur Ge- samtverteilung der unretuschierten Artefakte (vgl. Abb. 41) und zeigen ebenfalls die schon dort beob- achteten Hauptkonzentrationen an (0 bis -15, -20 bis -25, -35 und -70). Kegelförmige Stücke aus Basalt und Dolerit sind in Profilprojektion B' nicht vorhanden, es ließen sich jedoch einige wenige aus anderen Teilen der Grabung beibringen.

Mehr stratigraphische Relevanz haben die schild- und linsenförmigen Kernsteine (Abb. 46). Im sehr fundreichen Quadrat A l2 treten sie ausschließlich in einem mittleren Horizont (zwischen -20 und -35) auf, vorzugsweise in dessen oberen Abschnitt (-20 bis -25). Auch in den anderen Teilen des Profils liefern die oberen Straten und die Basisschicht sehr wenige schild- und linsenförmige Nuklei. Bemerkenswert ist die starke Akkumulation von linsenförmigen Nuklei bei A12/-20 bis -30. Ebenfalls nur in einem mittleren Horizont (-15 bis -35) treten strunkförmige Kernsteine auf. Auf dessen oberen Abschnitt sind doppelkonische Nuklei beschränkt (-20). Die Gesamtzahl der genann- ten Typen ist allerdings sehr gering.

Verteilung der Steinwerkzeuaformen: Die Verteilung der vier Segmenttypen innerhalb der Profil- projektion B' verdeutlicht, wie sehr die Segmente an den mittleren Horizont gebunden sind (-25 bis -45). In A l2 liegt eine Tendenz zu immer stärkerer Mikrolithisierung vor (Form Nr. 1 tritt nach oben gegenüber Form Nr. 3 zurück). Sie ist in A l3 und Al4 zugunsten einer deutlicheren Zweitei-

- -

lung des mittleren Horizonts weniger ausgeprägt (Abb. 47). Dagegen sind die gleichschenkligen Drei- ecke (Abb. 48, Form Nr. 5) ganz deutlich auf den oberen Teil des mittleren Horizontes (-15 bis -25) beschränkt.

Die einfachen Mikrospitzen (Form Nr. 12) lassen sich nur allgemein einem oberen und mittleren Horizont zuweisen (Abb. 49, etwa O bis -40)) den sie aber immerhin auf die schon bekannten drei Abschnitte zu gliedern vermögen (0 und -2O/-25 und -35/-40).

Die stratigraphische Verteilung der kantenretuschierten Mikrospitzen (Form Nr. 17-21) in der Profilprojektion B' (Abb. 50) weist diese ausschließlich im mittleren Horizont nach (-20 bis -45).

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Messum 1. Prähistorische Jäger in extrem arider Umwelt

0 Form Nr. 34

U Form Nr. 36 O Form Nr. 37

56 Abb. 53. Profilprojektion B'. Vertikale Einzelkartierung der endretuschierten Mikrolithen

(Form Nr. 34-37). Abb. 54. Profilprojektion B'. Vertikale Einzelkartierung der Geräte normaler Gröfle

(Form 48,49,52,57). Abb. >J. Profilprojektion B'. Vertikale Einzelkartierung der Straugeneiperlen. Abb. J6. Profilprojektion B'. Vertikale Einzelkartierung der Straugeneiperlen-Halbfabri-

kate.

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342 J. Richter

Auch hier wird eine Zweiteilung deutlich: Der obere Teil des umrissenen Bereiches (-15 bis -25) ist beherrscht von den gedrungenen, beidkantig retuschierten, symmetrischen und asymmetrischen Mi- krospitzen (Form Nr. 17 und 18), während die Vielfalt aller hier kartierten Typen zusammen nur in dessen unteren Teil (-30 bis -45) anzutreffen ist.

Die Mikroschaber mit hohem Querschnitt und Rückenretusche (Form Nr. 29) treten im mittleren Horizont auf (Abb. 51, -20 bis -35), vorzugsweise in dessen unteren Bereichen. Der analoge Typ mit flachem Querschnitt (Form Nr. 30) kommt auch in den oberen Straten vor, kumuliert allerdings ebenfalls bei etwa -35 (Abb. 51).

Mikrokratzer (Form Nr. 33) sind kennzeichnend für den mittleren Horizont des Profils (Abb. 52, -15 bis -35). Das Auftreten der gerad-endretuschierten Formen (Nr. 34) im oberen Bereich der Pro- filprojektion weist diese als relativ junge Form aus (Abb. 53). Große Segmente sind in der Profilpro- jektion B' niemals unterhalb -15 anzutreffen (Abb. 54; Form Nr. 48). Wie Abb. 52 zeigt, gehören die nichtmikrolithischen Kratzer in den oberen Teil des mittleren Horizontes (-20 bis -30). Schaber kommen im oberen Teil des mittleren Horizontes vor (Abb. 52, -20 bis -30).

Die Verteilung der Steingeräteformen im Profil zeigt somit einen oberen Horizont mit Großen Segmenten, geradendretuschierten Stücken und anderen, wenig typischen Formen in Fundgesellschaft mit Keramik. Darunter folgt, durch eine fundarme Zone zweigeteilt, ein reicher mikrolithischer Ho- rizont mit Segmenten und einer Vielzahl weiterer Formen. Die Rote Schicht an der Basis lieferte in- nerhalb Profilprojektion B' kaum aussagekräftige Formen und ist im Profil daher als fundarme Zone unter der Hauptfundschicht kenntlich.

Andere Artefakte: Die zahlreichen Straußeneiperlen und Halbfabrikate sind deutlich auf den mitt- leren Horizont konzentriert, wobei auch hier mehrfach dessen Zweiteilung erkennbar ist (Abb. 55 und 56). Die anderen Artefakttypen treten in Profilprojektion B' nur in kleinen Stückzahlen auf, so daiS eine Kartierung nicht vorgenommen wurde.

Molluskenreste: Muschelschalen sind nur im oberen Horizont des Profils anzutreffen (Abb. 57). Mineralien: Die Pigmente sind völlig auf den - wiederum zweigeteilten - mittleren Horizont be-

schränkt (Abb. 58). Die K~ l tu r ab fo l~e von Messum, Abri 1 umfaDt innerhalb Profilprojektion B' (von unten nach

oben) somit folgende Komplexe (Abb. 59): Komplex e: Unterer Horizont, Rote Schicht: Das kleine Inventar (ca. 5% Geräte) weist einen mi-

krolithischen Anteil von etwa 35% auf (Abb. 6O), der durch gleichschenklige Dreiecke, einfache Mi- krospitzen und schräg-endretuschierte Mikrospitzen gekennzeichnet ist. Unter den nichtmikrolithi- schen Steingeräten fallen eine beidflächig retuschierte Spitze, Schnauzenkratzer und stichelähnliche Geräte auf. Manche Stücke haben facettierte Basen.

Komplex d: Graues Paket, Mittlerer Horizont, unterer Teil: Wichtigste Gerätform in dem fast rein mikrolithischen Inventar ist das Segment (33% der Geräte), wobei neben den üblichen Segmentgrö- Gen auch Klein~tse~mente vorhanden sind. Als Leitform - da nur hier vorkommend - können die ge- drungenen, beidkantig retuschierten Mikro-Doppelspitzen (Form Nr. 19 und 20) gelten.

Komplex C: Mittlerer Horizont, oberer Teil: Das Segment ist nach wie vor die beherrschende Ge- rätform, tritt jedoch gegenüber dem Komplex d etwas (auf 27%) zugunsten der Dreieckmikrolithen (Form Nr. 5) zurück, die ausschließlich in Komplex C vorhanden sind. Innerhalb der Segmente ge- winnen die Klein~tse~mente erheblich an Bedeutung (Form Nr. 3), während hier etwa die Hälfte we- niger Einfache Segmente als in Komplex d vorhanden sind. Neue Segmentformen liegen in Segmenten mit reflektierender Rückenretusche und in solchen mit wechselendig dorso-ventraler Retusche vor (Form Nr. 2 und 4). Eine deutliche Zunahme gegenüber Komplex d ist bei den dreieckförmigen Mi- kroschabern (Form Nr. 31) und den Mikrokratzern (Form Nr. 32) zu verzeichnen. Die nichtmikro- lithischen, flachen Kratzer tauchen nur in Komplex C auf (Form Nr. 39). Komplex C enthält erstmals Seemuschelreste.

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Messum I . Prähistorische Jäger in extrem ar-ider Umwelt

JU

35 Komplex 6 40 I 45 I 50 1 Komplex e CC

I I I

J9 Abb. 57. Profilprojektion B'. Vertikale Einzelkartierung der Seemuschelreste und einer

marinen Schnecke (S). Abb. J8. Profilprojektion B'. Vertikale Einzelkartierung der Pigmentreste. Abb. J9. Profilprojektion B'. Einteilung des Profils in vier bzw. fünf Komplexe aufgrund

der Mengen- und Einzelkartierungen.

Wichtiger als die Unterschiede sind jedoch die Gemeinsamkeiten der Komplexe C und d: Beides sind extrem mikrolithische Komplexe. Hier und dort machen die Geschoßbestandteile (geometrische Mikrolithen und Mikrospitzen) mehr als die Hälfte aller Geräte aus, während die kleinen Mikroscha- ber unter 10% bleiben. Beide Komplexe führen zahlreiche Exemplare einer bisher im südlichen Afrika kaum bekannten Kleinstform des mikrolithischen Segmentes.

Komplex alb: Graues Paket, oberer Horizont/Oberfläche: Das typologische Spektrum des oberen Horizontes ist nicht nur durch die geringe Schichtmächtigkeit schwer zu fassen, sondern vor allem

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J. Richter

Abb. 60. Verteilung der Steingeräteformen auf die fünf Komplexe innerhalb Profilprojektion B' (100%: alle Steinwerkzeuge der Profilprojektion).

Für die Komplexe der Profilprojektion B' ergeben sich folgende Inventare:

Form Komplex Summe

a b C d e a-e

Geom. Mikrol. Nr. 1 Nr. 2 Nr. 3 Nr. 4 Nr. 5 Nr. 6 Nr. 7 Nr. 8 Nr. 9

Mikrospitzen Nr. 12 Nr. 17 Nr. 18 Nr. 19 Nr. 20 Nr. 21 Nr. 23 Nr. 24

Mikroschaber1 Nr. 26 Mikrokratzer Nr. 28

Nr. 30 Nr. 31 Nr. 32 Nr. 33

Sonstige Mikrolithen Nr. 34 Nr. 35 Nr. 36 Nr. 37 Nr. 38 Nr. 39 Nr. 40

Normalgroi3e Werk- Nr. 48 zeuge Nr. 49

Nr. 52 Nr. 57 Nr. 60

Summe 24 2 3 146 129 41 363

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Messum I . Pnihistorische Jäger in extrem arider Umwel t 34J

Form Komplex Summe

a b C d e a-e

Kernsteine kegelförmig 25 23 5 6 55 2 161 strunkförmig 1 O 2 1 O 4 schildförmig 2 2 19 4 0 2 7 linsenförmig 1 2 16 7 1 2 7 amorph 3 4 18 16 3 44 sonstige 6 0 9 4 2 2 1

Summe 38 3 1 120 8 7 8 284

Grundformen Trümmer 540 444 2 057 1 464 399 4 904 Abschläge 226 137 671 897 124 2 055 K1. Abschläge 818 58 1 3 184 3 620 391 8 594 Klingen 34 38 203 323 72 670

Summe 1618 1200 6115 6 304 986 16223

Felsgesteingeräte Schaber 0 0 0 1 0 1 Kratzer 0 0 1 0 1 2 Kernkratzer 2 0 2 0 1 5

Reib- und Mahlsteine Läufer 0 0 1 0 0 1 Unterlieger 0 0 0 1 0 1

Schmuckanhänger Fragmente 0 0 0 2 0 2

Straugeneiperlen OES 1 OES 3 OES 4

Straugenei-Halbfabrikate OES 5 OES 6 OES 7 OES 8

Anhänger ~eliälter-Öffng. Verz. Frgm. Bearb. Kanten

Summe OES 15 0 43 56 1 122

Sonstiges Knochenspitze 1 0 0 0 0 1 Keramik 3 1 0 0 0 4 Seemuscheln 5 9 12 0 0 26 Schnecke o O O 1 O 1 Pigmente 0 0 4 6 0 10

auch durch die Pfostenlöcher und Mulden, die von hier aus bis in die Mikrolith-Schichten eingetieft sind und bei deren Anlage Material aus den Komplexen C und d an die Oberfläche befördert wurde, wie z. B. in den Flächen A13, A3 und A71A8 (Abb. 11). Sicher muß so das Vorkommen der wenigen in Komplex a/b befindlichen Segmente (Abb. 47) U. a. erklärt werden, während die demgegenüber überproportional häufigen Einfachen Mikrospitzen (Form Nr. 12) ohne weiteres ein original zum oberen Horizont gehörendes Element sind. Das gleiche dürfte für die gerad-endretuschierten Mikro-

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346 J. Richter

lithen gelten (Abb. 51, Form Nr. 34). Hinzu kommen ausgesplitterte Stücke (Form Nr. 57) und als sehr charakteristische Leitformen die Großen Segmente (Form Nr. 48) und die Doppelbohrer. Wenn auch Mengenangaben aus den genannten Gründen unzuverlässig sind, so steht doch außer Zweifel, daß auch dieses Inventar einen - wenn auch weniger bedeutenden - Anteil an Mikrolithen hat. Als prägend darf außerdem das Auftreten von Knochengeräten gesehen werden sowie die aus Straußenei- schalen gefertigten Schmuckanhänger und ovalen Schalen. Das wesentlichste Unter~cheidun~smerk- mal zu allen anderen Komplexen bilden aber die Keramikfragmente.

Die Grabungen in Messum, Abri 1 erbrachten somit zuunterst einen Horizont mit einer flächenre- tuschierten Spitze und Mikrolithen, darüber zwei rein mikrolithische, einem einzigen Kulturkomplex angehörende Straten und schließlich zwei nicht überall trennbare Komplexe einer keramischen Phase (Abb. 59 und 60).

Chronologie nach C 14-Daten

Fünf Radiokarbon-Datierungen - in Pretoria3' und Köln32 erarbeitet - liegen bislang für Abri 1 vor, die zum Teil seit der Erstveröffentlichung modifiziert wurden3?:

Probe 1: 860 I 55 bp (KN-I 636) Holzkohlensplitter aus Profil B (A12/-14). Zuweisung: eindeutig zu Komplex a/b.

Probe 2: 2070 + 90 bp (KN-I 637) Holzkohlenkonzentration direkt unter einer Salzkruste (Abb. 11, A6/A10 bei AIO/-19). Zuweisung: Der Ausgräber vermutet schon während der Grabung, er befinde sich gerade an der Oberkante des eigentlichen Mikrolith-Horizontes. Die Probe datiert somit Komplex C.

Probe 4: 2090 2 45 bp (KN-1 639) Verstreute Holzkohlen von AIO/-25 bis -28. Das Datum scheint identisch mit Probe 2, liegt jedoch im Profil etwas tiefer (Komplex C reicht sonst in Profil B bis etwa -25). Zuweisung: direkt unter Probe 2 zu Komplex C.

Probe 3: 2820 + 55 bp (KN-I 638) Verstreute Holzkohlenreste aus A7/-30. Zuweisung: Das Datum legte bereits bei der Publikation durch W. E. Wendt 1972 den Verdacht nahe, der mikrolithische Horizont bestehe aus zwei getrennten Ensembles, was sich später im Laufe der Arbeit bestätigt hat. Allerdings ist gerade in der Fläche A7 die Situation durch die unmittelbar be- nachbarte PflanzenPackung unklar. Würde die Probe aus dem Profil B statt aus A stammen, so hätte man bei der angegebenen Tiefenlage von -30 natürlich keinerlei Bedenken, sie dem Komplex d zuzu- weisen. In der Tat ist dies im Vergleich mit der sicher zu Komplex C gehörigen Probe 2 höchst wahr- scheinlich, da der nächsttiefere Abhub (bei -36) bereits bis auf den rotbraunen Sand der Basisschicht reichte. Die Probe 3 datiert somit vermutlich doch den unteren Teil des mikrolithischen Horizontes, den Komplex d.

Probe 5: 1370 + 50 bp (Pta-2681) Organisches Material (Straußenfedern U. a.) aus einem Ausläufer der unteren, in Profil A (A7/A8) er- kennbaren Pflanzenmulde bei A9/-30. Es handelt sich um das einzige bisher aus Straußenfedern ge- wonnene Radiokarbon-Datum, so daß an seiner Zuverlässigkeit Zweifel möglich sind.

31 Vogel, J. C./Visser, E., Pretoria Radiocarbon Dates 11: Radiocarbon 23/1, 1981, 43-80. 32 Freundlich, J. C./Schwabedissen, H./Wendt, W. E., Köln Radiocarbon Measurements 11: Radiocarbon 22/1, 1980,

68-81. 33 Wendt (Anm. 2) 63.

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Messtlm I . Prähistorische Jäger in extrem arider Umwelt 347

Zuweisung: Die untere, mit organischem Material verfüllte Mulde in A7/A8 (Abb. 13) war ein Ar- gument für das mögliche Vorhandensein einer älteren keramischen Belegungsphase. Die stratigraphi- sche Zuordnung zu Komplex b ist daher eindeutig, auch die zeitliche Größenordnung im Vergleich mit Probe 1 (Komplex a) läßt dies plausibel erscheinen.

Besiedlungsgeschichte: Jagd in der Wüste

Die Schichtenabfolge des Abri 1 weist - wie beschrieben - einen grundlegenden Sedimentwechsel von rotsandigem Material zu graubraun-aschigen Schichten auf, der durch einen Blockschutthorizont betont ist. Es ist zu vermuten, daß für so unterschiedliche Ablagerungen auch unterschiedliche Kli- mate verantwortlich sind.

Der an der Basis liegende, rötliche, schlecht sortierte Sand besitzt keine organischen Bestandteile. Seine Zusammensetzung zeigt, daß er von der Abridecke stammt. Die feine Fraktionierung dieses Materials weist auf reine Insolationsverwitterung unter extrem ariden Bedingungen (mit verringerter Nebelwirkung?) hin. Die markante Schichtgrenze zwischen den aschigen und rotsandigen Schichten, die von einer Schuttlage begleitet wird, muß als Diskordanz gewertet werden.

Der an der Schichtgrenze zwischen grau-aschigem Schichtpaket und Roter Schicht auftretende, scharfkantige Deckenversturz findet - im Gegensatz zu geringer Abschälung kleiner, plattiger Stücke - heute am Messum-Krater keine Entsprechung. Als Folge von Verwitterung durch Feuchtigkeit bei gleichzeitigen Temperaturschwankungen dürfte die Bildung des Schutthorizontes auf wesentlich an- dere (humidere?) Verhältnisse hinweisen als sie gegenwärtig vorliegen. Vielleicht gehen auch die ver- stürzten Traufblöcke auf solche Klimabedingungen zurück.

Zu der in diesem Zusammenhang wesentlichen Datierungsfrage des Schutthorizontes und der Ro- ten Schicht vermag das Abri 1 nicht mehr beizutragen als einen terminus ante quem: 2820 $_ 50 bp. Es darf daher als glücklicher Zufall gelten, daß die einzige publizierte moderne Grabung in der Na- mib eine sehr gut vergleichbare Stratigraphie liefern konnte: die Fundstelle Mirabib Hill Shelter bei Gobabeb im Kuiseb-Gebiet. B. Sandelowsky fand hier ebenfalls eine Folge von sterilen Sanden und aschigen Schichten mit hohem Anteil an Pflanzenmaterial, doch erfolgte zwischen den extremen Sedi- menttypen der Ubergang ohne sichtbare Ab~tufungen)~. Wichtig und in den veröffentlichten Profilen von Mirabib gut sichtbar ist die Häufung von Versturztrümmern im mittleren Bereich der Abfolge, d. h. der zentralen sandigen Schicht und dem helleren Sand35. Hierfür und ebenso für einen Teil des allmählichen Sedimentwechsels ergibt sich damit ein zeitlicher Rahmen, der zwischen 5000 und 8500 bp liegt. Das umfaßt zwar eine relativ große Zeitspanne, aber schon allein die Feststellung, dai3 Sedi- mentwechsel und Schuttlage dort in eine Phase des Holozän datiert werden mu& ist ein wichtiges Er- gebnis.

Die kulturchronologische Einordnung von Komplex e kann beim derzeitigen Forschungsstand nur angedeutet werden. Die flächenretuschierte Spitze findet eine Parallele in einem blattförmigen Gerät, das ebenfalls aus frühem Late Stone Age-Zusammenhang von der Fundstelle AusterlitzlDamam-

34 Sandelowsky, Beatrice, Mirabib - An archaeological study in the Namib: Madoqua 10, 1977, 245. 35 Sandelowsky (Anm. 34) 240.

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land36 stammt. Von dort liegt ein C14-Datum des zehnten Jahrtausends vor heute vor37. In Messum 1 wie in Austerlitz kommen Vierecksmikrolithen, stichelartige Geräte und häufig gekerbte und zinken- artige Geräte vor. Weiterhin unterscheidet sich Horizont e besonders durch das Vorkommen von fa- cettierten Schlagflächen (selbst an Mikrolithen: Abb. 27,6.19) von den späteren Late Stone Age-Facies in Abri 1.

35% der retuschierten Stücke sind Mikrolithen und damit vermutlich als Bestandteile von Kompo- sitgeräten für die Jagd anzusehen. Außerdem sind noch die nicht-mikrolithischen Spitzen zu berück- sichtigen, die den Gebrauch schwerer Geschoßarten belegen. Vielleicht ist der Platz - wenn nicht nur zur Jagd - auch zur Gewinnung hochwertigen Rohmaterials (Bergkristall) für Einsatzgeräte aufge- sucht worden. Vermutlich diente Messum 1 zur Zeit des Komplex e nicht als Rastplatz auf der Durchreise zur Küste, da es dafür keinerlei Hinweise wie die später belegten Muscheln und Fischre- ste gibt. Dagegen bezeugen die Chalcedonartefakte eine mehr inland-orientierte Mobilität.

Die aschigen Schichten des Hangenden, deren Sedimentation - wie die C14-Daten zeigen - wäh- rend der letzten dreitausend Jahre sehr gleichförmig verlief, gehören vermutlich einem mit heutigen Verhältnissen vergleichbaren Klima an. Vielleicht waren die Verhältnisse vor zwei- bis dreitausend Jahren sogar etwas trockener als heute3'. Dabei läßt der hohe Anteil an Asche und - im oberen Be- reich des Profils - an Pflanzenresten vermuten, da13 das Sediment teilweise selbst Produkt mensch- licher Anwesenheit ist.

Spätholozän

Setzt man für die über Komplex e liegenden Komplexe d, C, b und a ein Klima voraus, das dem heuti- gen ähnlich ist, so müßte das zur rezenten Klimageomorphologie des Messum erarbeitete Bild für die entsprechenden Phasen Gültigkeit haben. Es läßt sich damit auf diesen Zeitraum auch die These an- wenden, Messum könne wegen seiner zugleich relativ klimagünstigen und küstennahen Lage als Sta- tion für den Weg vom Inland durch die plioaride Zone der Namib zur Küste hin geeignet gewesen sein: Verbindungen in den genannten Richtungen sind zahlreich in den Komplexen a bis C, in Kom- plex d gering dokumentiert.

In den Komplexen C und d kann auch die Verarbeitung des Bergkristalls eine wichtige Rolle ge- spielt haben. Zahlreiche weitere Indizien werden durch die materielle Kultur dieser zwei Komplexe illustriert: Straußeneiperlen und - nur in Komplex C - Schiefer- und Straußeneianhänger stehen für das Schmuckbedürfnis. Pigmentreste sind ausschließlich in diesen beiden Phasen belegt. Dazu gehö- ren Reibsteine, denen teilweise noch Farbreste anhaften. Es ist daher überlegenswert, ob nicht einige der am Messum vorhandenen Felskunstwerke diesen Epochen zuzurechnen sind. Natürlich käme als Verwendungszweck für Pigmente auch Körperbemalung in Frage, die in großem Umfange wohl nur für die Komplexe C und d wahrscheinlich ist. Mit der erwähnten Knochenspitze mit Farbspuren aus den Komplexen a und b ist auch dort Pigmentgebrauch nachgewiesen, wobei unklar ist, ob die Farbe unabsichtlich (z. B. durch Berührung mit dem bemalten Körper) auf das Knochengerät kam.

Kieselschiefer, Chalcedonvarietäten und eine Dolomitschieferplatte belegen eine sehr expansive Mobilität, wie sie - mehrere hundert Kilometer umfassend - bei rezenten Jäger-Sammler-Gesell- schaften nicht zu beobachten ist: Das heutige Besiedlungsbild der Kalahari ist ein geschlosseneres Sy- stem, in dem einzelnen !Kung-Gruppen der San begrenzte Lebensräume zur Verfügung stehen39.

36 Wendt (Anm. 2). 37 Richter, Jürgen, Early Holocene stone tool assemblages in the central Namib Desert and the African background.

One World Archaeology 7 (London 1989). 38 Vgl. unten: Beitrag Brunnacker. 3%ee, Richard B., The !Kung San (Cambridge 1979) 263.

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Messum 1. Prähistorische Jäger in extrem arider Umwel t 349

Wasserstellen und Nahrungsquellen sind zugeteilt und bilden das Grundmuster für eine kleinräumige Mobilität.

Die Namib als unbesiedelter und unverteilter Großraum mag daher weniger Hindernis als vielmehr Anreiz zur Mobilität gewesen sein und damit ein im Hinterland vorhandenes System saisonaler Zyk- len zu einem ephemeren Aktionsraum erweitert haben4'. Die Funde von Messum 1, Komplexe C und d erlauben daher eine nicht ausschließlich negative Bewertung der Art und Weise, wie sich ein arider Großraum auf Mobilität, Sozialstruktur und materielle Kultur einer Jäger-Sammler-Gesellschaft aus- wirken kann41.

I I

Abb. 61. Messum 1. Ergebnisschema zur Kulturabfolge.

40 Richter, Jürgen, Messum 1: A Later Stone Age mobi l i t~ Pattern in the Namib Desert: Kinahan, John (Hrsg.), Re- Cent archaeological research between Orange and Kunene Rivers in Southwestern Africa: Cimbebasia B4, 1984, 1-11.

41 Richter, Jürgen, Im Zeichen der Giraffe. Jäger - Sammler - Maler in Namibia: Archäologie in Deutschland 1989/2, 38-41.

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350 J. Richter

Abb. 62. Messum 1. Komplex C und gleichzeitige Inventare des 4. und 3. Jt. bp in Zentral-West-Namibia. Deutlich ist die extreme Spezialisierung des Komplex c im Vergleich mit den Inventaren des Hinterlandes zu erkennen. Le- gende: 1 Austerlitz, 2.3 Twyfelfontein, 4 Messum 1, 5,6 Etemba, 7 Omandumba-West. A Geometrische Mikrolit- hen, B einfache Mikrospitzen, C andere Mikrospitzen, D Mikroschaber, E Mikrokratzer, F normalgrofie Kratzer, G

andere normalgrofie Geräte.

Das ausschlaggebende Motiv, den Messum-Krater aufzusuchen, dürfte jedoch die Jagd auf die in den Faunenresten nachgewiesenen Antilopenarten sein. Springböcke und Oryxantilopen können eine Zeitlang ohne offenes Wasser auskommen und daher rasch in die ephemeren Grasländer der Zentral- namib einwandern, die nach seltenen und unregelmäßigen Regenereignissen entstehen. Hier haben sie dann weniger Nahrungskonkurrenten als in der Savannenzone. Die extreme Jagdspezialisierung wird durch das hohe Aufkommen an geometrischen Mikrolithen und einfachen Mikrospitzen, also Ge- schofleinsätzen, dokumentiert.

Die nur saisonale Belegung des Abri 1 setzt voraus, dai3 im Inland entsprechende Fundstellen vor- handen sein müssen. Ein gut parallelisierbares Inventar zu Messum erbrachte das Big Elephant Shel- ter, Farm Ameib, am Südrand des Erongo-Komplexes in der Savannen~one~~ . Auch dort bilden die geometrischen Mikrolithen einen erheblichen Anteil des Inventars. Es überwiegen Kleinstsegmente

42 Wadley, Lyn, Big Elephant Shelter and its role in the Holocene prehistory of central South West Africa: Cimbe- basia B3, 1979, 1-76.

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Messum 1. Pr-ähistorische Jäger in extrem aGder Umwelt 351

(Form Nr. 3) die einfachen Segmente (Form Nr. 1)) hier wie dort gilt, da13 dorso-ventral retuschierte Segmente (Form Nr. 4) und gleichschenklige Dreiecke (Form Nr. 5) vorhanden sind, Doppel-Mikro- spitzen (Form Nr. 19 und 20) jedoch fehlen. Mikrolithische Schaber und Kratzer sind häufiger als in Messum, wobei hier wohl eine geographisch bedingte funktionale Variabilität vorliegen kann (Savan- nenlandschaft mit größerem Bedarf an Holz- oder Lederbearbeitung). Basalte und Silices wurden in Big Elephant Shelter nicht getrennt ausgewertet. Das Verhältnis beider Rohmaterialien zu Quarz be- trägt etwa 3:7 und ist damit erheblich höher als in Messum 1, wo es immer unter 1 :I0 liegt. Stücke aus Bergkristall zeigen häufig die namib-typische Rotfärbung und können als Beweis für Verbindun- gen von Big Elephant Shelter zur Wüste herangezogen werden. Auch Seemuscheln waren im Fund- stoff, leider in stratigraphisch unklarer Position". Radiokarbon-Daten von 2550 ir 80 bp, 2600 + 50 bp und 3130 k 40 bp" passen recht gut zur allgemein-typologischen Verwandtschaft beider Fund- stellen. Die sorgfältig untersuchten Faunen- und Pflanzenreste von Big Elephant Shelter dokumentie- ren ein ganzjähriges Ernährungspotential und weisen das Abri somit als Teil eines ganzjährig genutz- ten Basisbiotops aus".

Im Gegensatz hierzu läßt sich Messum 1 als ephemer - und dann saisonal - genutzter Platz inter- pretieren, der von kleinen, mit Vorräten versehenen Gruppen gezielt zur Jagd aufgesucht worden ist.

Vegetabilische Nahrung ist hier praktisch nicht vorhanden. Menschlicher Aufenthalt ist nur kurz- fristig möglich, nämlich genau solange, wie etwa in Straußeneibehältern mitgebrachte Wasservorräte ausreichen oder aber solange, wie Hohlformen in der Umgebung Wasser speichern. In jedem Fall werden Belegungen nur wenige Tage oder Wochen gedauert haben. Die Geltung heutiger - oder eher ungünstigerer - Klimadeterminanten vorausgesetzt, stellt Messum 1 daher den Modellfall einer Sied- lungslage dar, in der nur ganz bestimmte Aktivitäten für einen saisonal festgelegten, aber nicht vor- hersehbaren (unregelmäßigen), immer kurzen Zeitraum ausgeführt werden konnten. Entsprechend zeigen die Inventare C und d im Vergleich mit zeitgleichen Fundplätzen im Landesinnern einen er- heblich höheren Spezialisierungsgrad (Abb. 62).

Das in ähnlich extremer Umwelt, weiter südlich in der Zentralnamib gelegene Mirabib Hill Shel- erbrachte ebenfalls Industrien des Late Stone Age, jedoch mit einer deutlich andersartigen Ty-

penverteilung: Die Segmente erreichen nicht einmal 20%, dagegen machen die ~n~leichschenkligen Dreiecke (Form Nr. 6) 8% aus. Die Schaber/Kratzer sind mit fast 35% des Inventars vertreten. Die entsprechenden C14-Daten sind alle älter als 5000 bp, so daß hier eine ältere LSA-Facies vermutet werden darf. Nimmt man in Analogie zum - im Vergleich zu Messum 1 - ebenfalls vermehrten Vor- kommen von Schabern/Kratzern in Big Elephant Shelter an, daß diese Geräteformen auf Aktivitäten in weniger extremen Umweltverhältnissen hindeuten, dann könnte das Mirabib-Inventar auf günsti- gere Umweltbedingungen in der Zentralnamib vor 5000 bp zurückgehen, wie sie von B. Sandelowsky auch aufgrund der Sedimente und Pflanzenreste angenommen werden.

Eine Zusammenstellung der südwestafrikanischen C14-Daten zeigt4', daß der Zeitraum 6. Jt. und älter im Norden von Namibia kaum belegt ist, während es zwischen dem späten 3. und dem 5. Jt. von dort und aus Angola Daten gibt. Die Vorstellung von G. J. Fock48, daß der Wendekreis, der Namibia etwa in der Mitte teilt, als archäologische Grenzlinie angesehen werden kann, gewinnt damit - wenn

43 Wadley (Anm. 42) 66. 44 Wadley (Anm. 42) 51. 45 Wadley (Anm. 42) 30. 46 Sandelowsky (Anm. 34). 47 Vogel/Visser (Anm. 31). 48 Fock, Gerhard J., Zum Stand der Vorgeschichtsforschung in Südwest-Afrika: Quartär 10/11, 195811 959,

213-226.

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auch seinerzeit eher intuitiv geäußert - an Aktualität. Dies bestätigt auch der Vergleich mit zeitglei- chen südafrikanischen Fundstellen: Das Interior Wilton erreicht in keiner Phase ein Segment-Auf- kommen von 1O%, während Mikroschaber und Mikrokratzer deutlich häufiger sind49. Auch im Co- astal Wilton halten sich Segmente und SchaberIKratzer ungefähr die Waage. Vergleichbar ist nur der als Classic Phase bezeichnete Horizont des Coastal Wilton, da die früheren und entwickelteren Hori- zonte einen erheblich höheren Anteil an nicht-mikrolithischen Schabern aufweisen5'. Einen sehr viel höheren Prozentsatz an Segmenten haben Fundplätze des Zarnbian Wilton und des Nachikufdn II B und 111, doch ergeben die Cl4-Daten noch keine klare Aussage zur Zeitstellung5'. Die mikrolithi- schen Straten C und d in Messum 1 zeigen also wohl am ehesten Anklänge an die nördlicheren Wil- ton-Facies, in denen Jagdaktivitäten ebenfalls eine ähnlich wichtige Rolle gespielt haben müssen, wäh- rend am Kap und im südafrikanischen Inland vegetabilische Nahrung die wesentliche Lebensgrund- lage bildete und somit Geschoßeinsätze geringere Anteile an den Inventaren haben.

Jingste Besiedlung

Der obere Komplex a/b in Messum 1 ist weitaus fundärmer als der mittlere (c und d), doch treten hier neue Fundgattungen hinzu, die zuvor nicht vorhanden waren: Dies sind die zahlreichen Pflan- zenreste, die Knochengeräte und die Keramikfragmente. Aui3erdem erbrachte der obere Horizont ei- nige interessante Befunde, die Einblicke in die Wohnweise der letzten, subrezenten Jäger und Samm- ler geben:

Innerhalb des Abri gehören die mit Pflanzenresten ausgefüllten Mulden in diesen Zusammenhang. Die Graspackung in A7/A8, mit einem C14-Datum von 860 rfr 55 bp, findet Parallelen in den in Big Elephant Shelter so bezeichneten occupation hollows5*, die als Schlafmulden gedeutet wurden. Auch dort sind jene Befunde mit keramischen Horizonten verknüpft. Die darunter liegende Packung in Messum 1 (C14-Datum 1370 + 50 bp) wirft mit den vielen Straußenfedern die Frage auf, warum Strauße in der Jagdbeute fehlen. Die bislang von anderen Fundstellen nicht referierte Pflasterung ei- ner solchen Mulde mit Steinplatten, wie sie für Messum l , A7/A8 vorliegt, macht es wiederum schwierig, sich darin Schlafmulden vorzustellen; gleiches gilt wohl auch für die Häufung von Kera- mikfragmenten in solch einem Ruhebereich.

Die beiden schmalen Eintiefungen in A3/A13 können möglicherweise als Pfostenlöcher bezeichnet werden. Im Abri FackelträgerlNord-Er~ngo~~ liege sich ein vergleichbarer Befund mit noch in situ stehendem Rest eines Pfostens nachweisen. Eine Interpretation kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht geboten werden, doch kommt aui3er der Möglichkeit eines Windschirmes auch ein Gestell in Be- tracht, wie es zur Aufbewahrung von Hausrat aus heutigen traditionellen Siedlungen in Namibia be- kannt 1s t.

Die Steinsetzungen vor dem Abri (S 1 und S 2) lassen sich über das in S 2 ausgegrabene Inventar mit dem oberen Komplex a/b in Verbindung bringen: Die in S 2 vertretenen Industrien und der Komplex a/b führen Doppelbohrer, Einfache Mikrospitzen und Kratzer sowie Keramik. Das ist ein Inventartyp, der bislang in Namibia nicht bekannt war und nach den C14-Daten aus Komplex a/b äl-

49 Sampson, C. Garth, The stone age archaeology of southern Africa (New York - London 1974) 327. 50 Deacon, Janette, Later Stone Age people and their descendants in southern Africa: Klein, Richard G. (Hrsg.),

Southern African prehistory and palaeoenvironments (Rotterdam-Boston 1984) 221-328. 51 Sampson (Anm. 49) 342, 354. 52 Wadley (Anm. 42) 20. Ferner: Clark, J.D./Walton, J., A Late Stone Age site in the Erongo Mountains, South

West Africa: Proceedings of the Prehistoric Society 28, 1962, 1-16. 5 3 Grabung Wendt 1968.

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Messum 1. Prähistorische Jäger in extrem arider Umwelt 353

ter als die Brandberg-Industrie sein muß, denn die Daten der grobgerätigen Brandberg-Industrie lie- gen innerhalb der letzten 500 Jahre. J. R ~ d n e r ~ ~ und L. J a c ~ b s o n ~ ~ konnten mehrfach Zusammen- hänge zwischen der Brandberg-Indmtrie und Steinsetzungen n a ~ h w e i s e n ~ ~ . Bei den Fundstellen B und E von Messum fanden sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu den hut circles zwei Artefakte, die nach Material und Habitus der Brandberg-Industrie nahestehen. Auch L. Jacobson bemerkte die Af- finität zur Bmndberg-Industries7.

Wie aber die Funde der Steinsetzung S 2 zeigen, gibt es neben den der Brandberg-Industrie zuge- schriebenen Steinringen noch eine ältere Gruppe von Ringen mit Bautypen in homogenem Verband und assoziierten Steinindustrien. Sie legen nahe, daß möglicherweise zum älteren Komplex a/b Stein- setzungen ohne Annex (Typ I) gehören (S 1, S 2, Fundstelle A), während die jüngere Brandberg-ln- dustrie mit Steinringen eines anderen Typs (Typ 11) einhergeht (Fundstelle B).

Durch die Funde von Seemuscheln in Komplex a/b sind auch für die keramische Phase, die Hüt- tenring-Phase, Verbindungen zur Küste nachweisbar. Entsprechende Hinweise fand L. Jacobsons8 in den Ringen der Fundstelle Zewissene Berge. H u t circles werden im allgemeinen stets in das Ceramic age gesetzt, für die Keramik selbst wird jedoch ein erstes Auftreten im Norden von Namibia um 2000 bp angenommen. Diesen frühesten Keramikdated9, die alle anzweifelbar sind, kann das von Abri 1 mit 1370 k 50 bp nichts Entscheidendes hinzufügen. Die frühen Keramikdaten im Süden Na- mibias bewegen sich innerhalb der letzten 500 Jahrebo.

Die späteste Belegung des Abri 1 schließlich steht weder mit den Radiokarbon-Daten noch mit der Stratigraphie in Beziehung: Die bandförmigen Eisenstücke von der Oberfläche des Felsdaches reprä- sentieren den europäischen Einfluß der letzten Jahrhunderte. Es handelt sich hierbei um Teile von Faßreifen, die vielleicht von der Ladung eines der vielen an der nebligen Namibküste gestrandeten Schiffe stammen.

Die Vertreter einer späten Generation von Jägern und Sammlern in der zentralen Namib sind in der Mitte des 19. Jh. von Kapitän Messum gesehen worden - nicht weit von den Messum-Fundstellen entfernt.

Sedimentanalyse (Beitrag Kar1 Brunnacker)

Die Sedimentproben aus Messum 1 wurden in unserem Laboratorium durch Herrn Dipl. Geol. Langhammer analysiert (Abb. 63).

Es handelt sich um schlecht sortierte Mittelsande. Die darin enthaltenen Quarzkörner sind norma- lerweise kantig ausgebildet. Nu r vereinzelt treten kantenrunde und noch seltener runde Körner auf. Dies spricht dafür, daß es sich im wesentlichen um vom Dach abgewittertes Material handelt. Eine Flugsandkomponente ist nicht erkennbar, wenngleich generell eine gewisse Mattierung der Quarz- körner vorhanden ist.

54 Rudner, J., The Brandberg and its archaeological remains: Journal der SWA Wissenschaftlichen Gesellschaft 12, 1957, 7-44.

55 Carr u. a. (Anm. 18). 56 Jacobson, L./Vogel, J.C., Recent radiocarbon dates from the Brandberg: South African Journal of Science 71,

1975, 349. 57 L. Jacobson: persönl. Mitteilung. 58 Carr U. a. (Anm. 18). 59 Z. B. Kinahan, John, Archaeological notes from SWAINamibia: Journal der SWA Wissenschaftlichen Gesellschaft

35, 198011981, 43-47. 60 Wendt, W. E., Ein Rekonstruktionsversuch der Besiedlungsgeschichte des westlichen Groi3-Namalandes seit dem

15. Jh.: Journal der SWA Wissenschaftlichen Gesellschaft 29, 197411975, 23-56.

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354 J. Richter

2 Korngrößenverteilung (%I I Rundung ( Kalkgehalt I Schwermineralverteilung 101

Opake 24

B 0,063 0.4- 0.63 B kantig Zirkon Andalusit

0.063 - 0.1 0 0,63- 1,O 0 kantengerundet H Turmalin Granat

0,l-0.2 1.0 - 2.0 gut gerundet / Staurolith B Epidot-Gruppe

H 0.2-0,L m, 2,O Irnrn] sehr gut gerundet D~sthen @ Hornblende

Hypersthen

Abb. 63. Messum 1. Profil 1981 (vgl. Abb. 10). Sedimentanalyse.

Aus der Sicht der Schwerminerale deutet sich über einen höheren Anteil an Metamorphen ein Aus- gangsgestein der Gneisgruppe an.

Im höheren Profilteil sind Kalkausscheidungen vorhanden (bis 27%). Man kann davon ausgehen, daß es sich gemäß der Profilskizze (Abb. 10) um Zulieferungen von Karbonatlösungen handelt, die am Trauf abgetropft sind. Die Kalkausscheidungen lassen sich nicht über aufsteigendes Kapillarwas- ser erklären. Dafür ist die Sedimentzusammensetzung zu sandig.

Genetisch deutet sich damit folgender Ablauf an: 1. Bildung einer abri-artigen Hohlform; 2. Me- chanische Abwitterung nächst dem Trauf und Sedimentniederschlag am Boden. Relativ trocken (In- solationsverwitter~n~); 3 . Gegen Ende der Ablagerungsphase Kalkimprägnation über Tropfwasser am Trauf - zeitweilig etwas feuchter.

Anschrift: Jü-en Richter, Institut für Ur- und Frühgeschichte, Weyertdl 12J, D-J000 Köln-41

Summary

Messum IINamibia is among the richest stone age sites in the world to have ever been found in ex- treme arid landscape with average precipitation rates lower than 50 mm p. a.: 50000 artefacts come from this rock shelter in the Central Namib Desert (21°22'S/14"17'E).

The 1968 excavations at Messum I bad been Part of a long term archaeological research Programme conducted by W. E. Wendt throughout Namibia and sponsored by the Deutsche Forschungsgemein- schaft.

The Messum hills are Part of an igneous complex which differs from the surrounding syenite for- mations by its basalt component. Like Brandberg, Erongo and Spitzkoppe mountains, Messum is known to be a >>Ringkomplex. of concentric rock outcrops. While being situated in one of the most

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Messum I . Prähistorische Jäger in extrem arider Umwel t 3JJ

arid parts of the Namib Desert, huge grass plains have been noted after rare and irregular precipita- tion. Thus game may visit the area occasionally.

The Messum 1 and Messum 2 rock shelters are Part of a longish shallow syenite hill north of the Center of the Messum Ringkomplex. Some other shelters in the vicinity do not contain any sediment. All around the hill are groups of hut circles. Various types of the mentioned stone structures compare well with other hut circles in Namibia.

Messum 1 is a shelter 7 m wide, 2 m high and 5 m deep. The entrance is protected by large syenite boulders eroded from the roof. In front of the boulders and between them are two hut circles. They are well preserved up to 0.35 m. The 1968 excavation started up with a 6 m NW-SE trench and was later ex- tended to a total excavation area of 14 m2. Wendt excavated in square meter units and in artificial spits of 0,05 m average thickness. Two rectangular sections were documented, a third one during a 1981 excava- tion. The main features of stratigraphy are: An upper grey layer (unit 1-7) of 0.3 m referred to as Graues Paket with an occupation hollow (diameter 1.2 m, 0.25 m deep) filled with organic material such as gras- Ses and ostrich feathers (unit 2-5). A discordant interface with roof debris (unit 8). A 0.3 m lower red sandy layer referred to as Rote Schicht (unit 9,lO) which is firmly consolidated at the bottom (unit 10).

Five occupations have been identified, partially corresponding to the sediment layers. Complex a/b: This very thin layer cannot be clearly seperated because of several disturbances such as postholes and pits. Some iron pieces have been collected from its surface. These document the European influ- ence of the last 400 years. Characteristic tools from this layer are micro-points, end-retouched micro- blades, double-borers, large crescents, bone points and ostrich eggshell pendants. Pottery is present in this complex. Seashells and fish bones have been found either. Among the plants were different parts of grasses such as seeds and inflorescences. Ostrich feathers filling the lower one of two super- imposed occupation hollows gave a radiocarbon date of 1370 bp. A charcoal sample from another square provided a date of 860 bp. Complex a/b belongs to a ceramic Later Stone Age facies older than the Brandberg Industry.

Complex C: The upper Part of the ashy layer contained 27% microlithic quartz crescents, mostly very small pieces. There are also micro-sidescrapers and micro-endscrapers. Micro-triangles and me- dium-sized end-scrapers did not appear in any complex else. More than 90% of the toolkit is of mi- crolithic size. Ostrich eggshell Ornaments and seashells were also found. Charcoal from this layer provided radiocarbon dates of 2070 bp and 2090 bp.

Complex d: The lower Part of the ashy layer yielded a very similar industry of predominantly mi- crolithic type. Here fewer very small crescents were found than in complex C. Micro-double-points only occur in complex d. A marine snail was found but no shells or fish bones. A radiocarbon date of 2820 bp is associated with this complex. From both complexes C and d large numbers of pigment lumps were discovered. Imported raw materials and the sea shells and snail argue for extensive mobi- lity of the occupants.

Complex e: The basal red sand contained fewer artefacts and tools. With the exception of a few ostrich eggshell fragments, there was no organic material. Micro-triangles and micro-points are asso- ciated with a bifacial point, burins and scrapers. Some medium-sized and even microlithic artefacts show facetted platforms. All artefacts can easily been distinguished from artefacts of the later comple- xes by their yellowish patina. A similar industry from Austerlitz/Northern Damaraland is radiocar- bon-dated to the 10th millennium bp.

It has probably never been possible for people to subsist throughout the year at Messum. Prehisto- ric groups were able to live at the site only for short spells. They probably stayed for some weeks ei- ther during or after occasional rains when some grass was available and antelope visited the area. The huge amount of microliths argues for a high turnover of projectile points which had been intensively retooled and hafted. Thus Messum 1 appears to be a paradigmatic case of a short-term, highly specia- lised hunting-camp in an extreme arid ecotope.

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J. Richter

A bbildungsverzeichnis

Abb. 1. Zentral-West-Namibia. Arbeitsgebiet des DFG-Projektes »Felsbilder im südwestlichen Afrika« und Messum- Fundstellen.

Abb. 2. Fundstellen im Messum-Gebiet (A-D Gruppen von Hüttenringen).

Abb. 3. Schematische Darstellung der drei Hüttenring-Typen am Messum-Krater: I einfacher Ring, I1 Ring mit An- nex, I11 an Böschung angelegter Teilring.

Abb. 4. Einige Hüttenringe der Gruppe A im Grundriß.

Abb. 5. Grundplan der Fundstelle A.

Abb. 6. Grundplan der Fundstelle B.

Abb. 7. Messum 1. Grabungsflächen 1968 im Abri und Steinringe am Vorplatz des Abri.

Abb. 8. Profil A (2-7 Graues Paket. 9,10 Rote Schicht; siehe auch Legende Abb. 10).

Abb. 9. Profil B (2-7 Graues Paket. 9,10 Kote Schicht; siehe auch Legende Abb. 10).

Abb. 10. Profil 1981. 1 Oberfläche, feines graubraunes Sediment, 2 Grubenfüllung/Oberfläche. Etwas helleres, grau- gelbbraunes, feines Sediment, im rechten Teil plattige Syenitstücke pflasterartig verlegt. 3 Zweiteilige (rechts und links) und mehrlagige Packung vor allem aus Gräsern, auf der Grubensohle wiederum einige plattige Syenitstücke. 4 Feinstes graubraunaschiges Sediment, im linken Teil mit feinsten Holzkohleschüppchen durchsetzt. 5 von 4 eingetiefte Mulde mit Füllung aus Gräsern und Straußenfedern. Sohle deutlich als Artefaktlage erkennbar. 6 Grau kiesiges Sediment mit Kalkpartikeln. 7 Dunkelgrau-aschiges Sediment, im unteren Teil etwas verfestigt. Hauptfundschicht mit Mikrolithen. 8 Deckenschutt aus Syenit. 9 Rotbrauner Sand. Artefakte zeigen gelbe Patinierung. 10 Wie 9, jedoch steinhart nodulär verbacken, liegt auf dem anstehenden Syenitfels auf.

Abb. 11. Kombination von Befunden der Niveaus -15 bis -25.

Abb. 12. Mengenkartierung aller Steinartefakte.

Abb. 13. Flächenkartierung des Anteils Artefakte aus Basalt und Dolerit an der Gesamtmenge der Steinartefakte.

Abb. 14. Flächenkartierung des Anteils der Kernsteine an der Gesamtmenge der Steinartefakte.

Abb. 1J. Schemata zur Terminologie der Steinwerkzeuge.

Abb. 16. Graues Paket. Geometrische Mikroliten (Form Nr. 1-9).

Abb. 17. Graues Paket. Segmente (Form 1-4). Maße (X: Länge/y: Breite) nach Niveau-Intervallen und Rohmaterial ( Bergkristall, Quarz/+Silexvarietäten).

Abb. 18. Graues Paket. Mikrospitzen (Form Nr. 12-20).

Abb. 19. Graues Paket. Mikrospitzen (Form Nr. 12). Mafle (X: Länge/ y: Breite) nach Niveau-Intervallen und Roh- material ( @ Bergkristall, Quarz/+Silexvarietäten).

Abb. 20. Graues Paket. Mikrospitzen, Mikroschaber, Mikrokratzer (Form Nr. 21-33).

Abb. 21. Graues Paket. Mikrospitzen (Form Nr. 17-21). Maße (X: Länge/ y: Breite) nach zusammengefaflten Niveau- Intervallen und Rohmaterial ( @ Bergkristall, Quarz/+Silexvarietäten).

Abb. 22. Graues Paket. Mikrospitzen (Form Nr. 23). Maße (X: Länge/ y: Breite) nach Niveau-Intervallen und Roh- material ( @ Bergkristall, Quarz/+Silexvarietäten).

Abb. 23. Graues Paket. Einfache Mikroschaber (Form Nr. 26). Maße (X: Länge/ y: Breite) nach Niveau-Intervallen und Rohmaterial ( Bergkristall, Quarz/+Silexvarietäten).

Abb. 24. Graues Paket. Rückenretuschierte Mikroschaber der Form Nr. 30. Mafle (X: Länge/ y: Breite) nach Niveau- Intervallen und Rohmaterial ( @ Bergkristall, Quarz/+Silexvarietäten).

Abb. 2fi. Graues Paket. Mikrokratzer, endretuschierte Mikrolithen, kantenretuschierte Mikrolithen und andere Mi- krolithen (Form Nr. 33-43).

Abb. 26. Graues Paket. Steinwerkzeuge normaler Größe, NB 3,4 große Segmente; 9,10 Doppelbohrer.

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Messum 1. Prdhistorische Jäger in extrem arider Umwel t 3J7

Abb. 27. Rote Schicht. Steinwerkzeuge. NB 1,2 Dreiecke; 3,17,18 Querschneider (?); 20,21,22 Zipfelbohrer; 25 flä- chenretuschierte Spitze.

Abb. 28. Rote Schicht. Steinwerkzeuge. NB 17,18 Stichel.

Abb. 29. Steinring S2. 1-11 Steinwerkzeuge, NB 4 Doppelbohrer. Hüttenring-Gruppe B. 12 Steinwerkzeug.

Abb. 30. Graues Paket. 1-3, 5-7 Fel~gestein~eräte. - Rote Schicht. 4 Felsgesteingerät.

Abb. 31. Graues Paket. Felsgesteingeräte.

Abb. 32. Graues Paket. Felsgesteingeräte. NB 7 mit Farbspuren.

Abb. 33. Graues Paket. Felsgesteingeräte: Klopfsteine, Läufer, Unterlieger. NB 6 Läufer mit Farbspuren: 10 kernartig abgebaute Seitenfläche eines Unterliegers mit zwei Mahlflächen (Seitenansicht).

Abb. 34. Graues Paket. Felsgesteingeräte: Unterlieger. NB 1 mit Farbresten; 2 mit Narbenfeldern; 3 Palette aus Kalk- stein.

Abb. 35. Schematische Darstellung der Perlenproduktion aus Straußeneischerben.

Abb. 36. Schemata zur Terminologie der Straußeneiperlen.

Abb. 37. Graues Paket. 1,2 meißelartiges Artefakt und Palette aus Basalt; 3,4 Knochenspitzen; 18 verziertes Schiefer- stück; 5-12,17,19 Fragmente von Anhängern und verzierte Fragmente aus Straugenei; andere Straußeneiartefakte.

Abb. 38. Graues Paket. 1-7 Ovale Schalen, Anhängerfragmente aus Straußenei; 10-11, 13-14 Keramik; 12 verknotete Faser von Welwitschia mirabilis.

Abb. 39. Einzelkartierung der Keramikfunde nach Grabungsflächen (schraffierte Symbole: verzierte Scherben).

Abb. 40. Kartierung passender Scherben.

Abb. 41. Profilprojektion B'. Vertikale Mengenkartierung der Steinartefakte und Einzelkartierung der Keramikscher- ben.

Abb. 42. Profilprojektion B'. Vertikale Mengenkartierung der Trümmer (A) und AbschlägeIKlingen (B) aus Quarz.

Abb. 43. Profilprojektion B'. Vertikale Mengenkartierung der Trümmer und AbschlägeIKlingen aus Basalt (A) und Silexvarietäten (B).

Abb. 44. Profilprojektion B'. Vertikale Fraktionsverteil~n~ der AbschlägeIKlingen.

Abb. 4J. Profilprojektion B'. Vertikale Einzelkartierung der kegelförmigen Kernsteine.

Abb. 46. Profilprojektion B'. Vertikale Einzelkartierung der Schild- (A) und linsenförmigen (B) Kernsteine.

Abb. 47. Profilprojektion B'. Vertikale Einzelkartierung der Segmente (Form Nr. 1-4). Die Symbolfarben bedeuten in allen folgenden Pr~f i l~rojekt ionen der Steinwerkzeuge: weiß, Bergkristall; schwarz, Quarz; schwarz-weiß, Silexva- rietäten.

Abb. 48. Profilprojektion B'. Vertikale Einzelkartierung der Dreiecke und Vierecke (Form Nr. 5-9).

Abb. 49. Profilprojektion B'. Vertikale Einzelkartierung der einfachen Mikrospitzen (Form Nr. 12).

Abb. 50. Profilprojektion B'. Vertikale Einzelkar t ier~n~ der beidkantig retuschierten Mikrospitzen (Form Nr. 17-21). Abb. 51. Profilprojektion B'. Vertikale Einzelkartierung der Mikroschaber (Form Nr. 26-31).

Abb. 52. Profilprojektion B'. Vertikale Einzelkartierung der Mikrokratzer (Form Nr. 33).

Abb. 53. Profilprojektion B'. Vertikale Einzelkartierung der endretuschierten Mikrolithen (Form Nr. 34-37).

Abb. 54. Profilprojektion B'. Vertikale Einzelkartierung der Geräte normaler Größe (Form 48,49,52,57).

Abb. 5J. Profilprojektion B'. Vertikale Einzelkartierung der Straußeneiperlen.

Abb. 56. Profilprojektion B'. Vertikale Einzelkartierung der Straußeneiperlen-Halbfabrikate.

Abb. 57. Profilprojektion B'. Vertikale Einzelkartierung der Seemuschelreste und einer marinen Schnecke (S).

Abb. 58. Profilprojektion B'. Vertikale Einzelkartierung der Pigmentreste.

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J. Richter

Abb. J9. Profilprojektion B'. Einteilung des Profils in vier bzw. fünf Komplexe aufgrund der Mengen- und Einzel- kartierungen.

Abb. 60. Verteilung der Steingeräteformen auf die fünf Komplexe innerhalb Profilprojektion B' (100%: alle Stein- werkzeuge der Profilprojektion).

Abb. 61. Messum 1. Ergebnisschema zur Kulturabfolge.

Abb. 62. Messum 1. Komplex C und gleichzeitige Inventare des 4. und 3. Jt. bp in Zentral-West-Namibia. Deutlich ist die extreme Spezialisierung des Komplex c im Vergleich mit den Inventaren des Hinterlandes zu erkennen. Legende: 1 Austerlitz, 2.3 Twyfelfontein, 4 Messum 1, 5,6 Etemba, 7 Omandumba-West. A Geometrische Mikrolithen, B einfache Mikrospitzen, C andere Mikrospitzen, D Mikroschaber, E Mikrokratzer, F normalgrof3e Kratzer, G andere normal- grof3e Geräte.

Abb. 63. Messum 1. Profil 1981 (vgl. Abb. 10). Sedimentanalyse.

Ta6 94a. Blick von Norden über die vegetationslosen Flächen im Zentrum des Messum-Kraters auf den Syenitrücken mit den Fundstellen Messum 1 (1) und Messum 2 (2); Foto W.E. Wendt.

Tafi 94b. Blick aus dem Abri Messum 1 über die Erosionsrinne auf die Hüttenring-Gruppen A und B. Im Hinter- grund Höhenrücken des äui3eren Ringes des Messum-Kraters; Foto W. E. Wendt.

TaJ 95a. Graues Paket. Straufleneischerben in drei Erhaltungsstadien (von links nach rechts): scharfkantig, thermi- sche Ausplatzungen, kreidig verwittert.

Ta6 9Jb. Graues Paket, Oberfläche. Straufleneischerben mit anhaftenden, teils verkohlten Harzresten von Sarcocnu- lon mossamedense.

Tab 9.5~. Graues Paket. In Streifen geschnittene Blattreste von Welwitschia mirabilis.

Tab 9Jd. Bandeisenstücke von der Oberfläche.

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TAFEL 94

a Blick von Norden über die vegetationslosen Flächen im Zentrum des Messum- Kraters auf den Syenitrücken mit den Fundstellen Messum 1 (1) und Mes-

sum 2 (?). Photo W.E. Wendt. b Blick aus dem Abri Messum 1 auf die Hüttenring-Gruppen A und B. Photo

W. E. Wendt.

RICHTER

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RICHTER TAFEL 95

a Straußeneischerben aus dem Grauen Paket. b Straußeneischerben mit anhaftenden Harzresten, Graues Paket, Oberfläche. c in Streifen geschnittene Blätter, Graues Paket. d Bandeisenstücke von der Ober-

fläche.