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Stefan Kühl Petra Strodtholz (Hg.) Methoden der Organisationsforschung Stefan Kühl 7 Visualisierte Diskussionsführung Ein Handbuch 1 Einleitung rowohlts enzyklopädie im Rowohlt Taschenbuch Verlag dDD~ Die Methode der visualisierten Diskussionsführung wird unter den Markennamen Meta plan -Moderationsrnethode, Pinnwand- Tech- nik, Neuland-Moderation oder ModerationsMethode bei der Strukturierung von Gruppengesprächen in Unternehmen, Verwal- tungen und Verbänden eingesetzt.' Die Methode basiert auf der Sti- mulierung von Gruppendiskussionen durch interaktionsauslösen- de Fragen und der Mitvisualisierung der Diskussionen auf Karten, die anschließend an Pinnwänden geordnet werden. Die Entstehung der Methode der visualisierten Diskussionsfüh- rung in den späten 1960er, frühen 1970er Jahren ist nur vor dem Hintergrund der damaligen gesellschaftlichen Umbrüche zu ver- stehen (vgl. KlebertfSchraderlStraub 1996, S. 5; Neuland 1999, S. 56-58; Dauscher 1996, S. 7). Erstens gewannen durch die poli- tischen Umbrüche am Ende der 1960er Jahre (Stichworte: Studen- tenbewegung, Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit und Proteste gegen den Vietnamkrieg) offene Gesprächssituationen an Bedeutung. Teilnehmer an einer Diskussion waren nicht mehr bereit, einem Vorsitzenden die Entscheidungsgewalt darüber zu überlassen, wer auf einer Sitzung sprechen darf und wer nicht. Zweitens kam es durch ein wachsendes Interesse an der Gruppen- dynamik verstärkt zu Forderungen, Gesprächsmethoden zu ent- wickeln, die nicht hierarchisch geprägt sind und den Diskussions- 7 Visualisierte Diskussionsführung 243

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Stefan KühlPetra Strodtholz (Hg.)

Methodender Organisationsforschung

Stefan Kühl

7 VisualisierteDiskussionsführung

Ein Handbuch

1 Einleitung

rowohlts enzyklopädieim Rowohlt Taschenbuch Verlag dDD~

Die Methode der visualisierten Diskussionsführung wird unter denMarkennamen Meta plan -Moderationsrnethode, Pinnwand- Tech-nik, Neuland-Moderation oder ModerationsMethode bei derStrukturierung von Gruppengesprächen in Unternehmen, Verwal-tungen und Verbänden eingesetzt.' Die Methode basiert auf der Sti-mulierung von Gruppendiskussionen durch interaktionsauslösen-de Fragen und der Mitvisualisierung der Diskussionen auf Karten,die anschließend an Pinnwänden geordnet werden.

Die Entstehung der Methode der visualisierten Diskussionsfüh-rung in den späten 1960er, frühen 1970er Jahren ist nur vor demHintergrund der damaligen gesellschaftlichen Umbrüche zu ver-stehen (vgl. KlebertfSchraderlStraub 1996, S. 5; Neuland 1999,S. 56-58; Dauscher 1996, S. 7). Erstens gewannen durch die poli-tischen Umbrüche am Ende der 1960er Jahre (Stichworte: Studen-tenbewegung, Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit undProteste gegen den Vietnamkrieg) offene Gesprächssituationen anBedeutung. Teilnehmer an einer Diskussion waren nicht mehrbereit, einem Vorsitzenden die Entscheidungsgewalt darüber zuüberlassen, wer auf einer Sitzung sprechen darf und wer nicht.Zweitens kam es durch ein wachsendes Interesse an der Gruppen-dynamik verstärkt zu Forderungen, Gesprächsmethoden zu ent-wickeln, die nicht hierarchisch geprägt sind und den Diskussions-

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teilnehmern größere Entfaltungsfreiheiten bieten. Drittens standenwährend der Planungseuphorie Anfang der 1970er Jahre keine ad-äquaten Methoden zur Organisation von umfassenden Planungs-prozessen unter der Beteiligung der Betroffenen zur Verfügung. InPlanungsprozessen wurden häufig nur Gutachten erstellt, die dannnach einer zentral gefällten Entscheidung umgesetzt wurden.

In diesem gesellschaftlichen Umfeld entwickelte ab Mitte der1960er Jahre eine Gruppe um die Brüder Eberhard und WolfgangSchnelle unter dem Namen Metaplan-Moderationsmethode dieGrundzüge der Methode der visualisierten Diskussionsführung.Bei der Entwicklung der Methode griff die Gruppe auf Elementeaus der Soziologie, der Organisationslehre, der humanistischenPsychologie, der Gruppendynamik und Gruppentechnik sowie derPlanungs- und Visualisierungstechnik zurück (vgl. E. Schnelle1966; 1973; 1978).

Nachdem die Methode Anfang der 1970er Jahre in Seminarenund Workshops mit den Schwerpunkten Problemsondierung undLösungsfindung erprobt worden war, fand sie im Laufe der letzten30 Jahre in immer neuen Feldern der Organisation ihre Anwen-dung: als interaktionell ausgerichtetes Instrument der Fort- undWeiterbildung (vgl. W. Schnelle 1978), in der Form des Informati-onsmarktes oder der Großkonferenz als Mittel zur Strukturierungder Diskussion von mehreren hundert oder tausend Mitarbeitern(E. Schnelle 1981), als qualitatives Marketinginstrument, als inter-aktives Element auf Messeständen, als methodischer Kernbestand-teil von Qualitätszirkeln, Lernstätten und Werkstattzirkeln (vgl.Mauch 1981), als didaktisches Instrument in Schulen und Univer-sitäten (Nissen/Nissen 1995), als Mittel zur Unterstützung der Pla-nung von Entwicklungshilfeprojekten (vgl. GTZ 1987) oder als In-strument zur Strukturierung von Bürgerversammlungen.

Bisher gibt es jedoch nur wenige systematische Überlegungen,wie die Methode der visualisierten Diskussionsführung zur (wis-senschaftlichen) Analyse von Organisationsstrukturen eingesetztwerden kann.? Von Betriebswirten, Soziologen und Psychologenwird die Methode nur selten in der empirischen Sozialforschungeingesetzt. Auch in der Organisationspraxis werden zwar Work-

244 Visualisierungsmethoden

shops häufig mit Unterstützung dieser Methode durchgeführt, zuErkundungen im Vorfeld und zur Analyse der Organisationsstruk-turen und Machtverhältnisse wird aber eher auf klassische Instru-mente wie das Expertengespräch oder das Gruppeninterviewzurückgegriffen. Einsichten in die Funktionsweise von Organisa-tionen fallen so eher zufällig als das Nebenprodukt von visualisier-ten Workshops oder Seminaren an.

Diese weitgehende Ausblendung des Fokus auf die Organisati-onsanalyse hängt damit zusammen, dass ein zentraler Kontext beider Weiterentwicklung der visualisierten Diskussionsführung dieGruppendynamik war. Durch die Anreicherung mit Elementen derThemenzentrierten Interaktion, des Psychodramas und der Trans-aktionsanalyse rückte die Sorge um das Wohlbefinden der Gruppeauf den Seminaren stärker in den Mittelpunkt. Die Rückbindungan die organisationstheoretischen Wurzeln dieser Methode wurdeeher vernachlässigt.

2 Datenerhebung

Mit der Methode der visualisierten Diskussionsführung wird be-zweckt, eine Form der Diskussionsführung zu finden, bei der jederGesprächspartner sich einmischen kann und bei der auch halbreifeGedanken geäußert werden können. Ziel ist es, dass jede Äußerung- unabhängig von der Bedeutung eines Sprechers und der einge-setzten Rhetorik - dasselbe Gewicht zugewiesen bekommt. Dabeisoll die Interaktion zwischen den Teilnehmern so stimuliert wer-den, dass diese durch Einlassungen und Widersprüche andererneue Einsichten gewinnen.

Die Methode der visualisierten Diskussionsführung ruht auf vierPfeilern: erstens einer Visualisierung des Diskussionsverlaufs, zwei-tens einer ausgefeilten Frage-Antwort-Technik, drittens einer Me-thode, mit der eine Dramaturgie (eine durchstrukturierte und vor-gedachte Folge von Frage- und Sageelementen) entwickelt wird,und viertens auf Verhaltensmustern des Moderators als Diskus-sionsführer.

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Erster Pfeiler:Visualisierung der DiskussionEin zentraler Pfeiler der Methode ist das Visualisieren, d. h. dasbildhafte Darstellen und Entwickeln von Beiträgen. Dabei geht esnicht allein um die optische Präsentation von Ergebnissen, wie siebeim Einsatz von Folien oder Flipcharts im Mittelpunkt steht. Viel-mehr soll der gesamte Gesprächsverlauf optisch entwickelt werden,indem jeder Diskussionsteilnehmer auch Visualisierer seiner eige-nen Beiträge wird. Die Methode erlaubt es dabei der Gruppe, Augeund Ohr gleichzeitig für den Informationsaustausch zu nutzen(Schnelle-Cölln 1988, S. 12).

Das äußere Kennzeichen der visualisierten Diskussionsführungist die Verwendung von großen Packpapierbögen, von gelben, grü-nen, orangen und weißen Kärtchen in der Form von Rechtecken,Ovalen und Kreisen, von Klebepunkten und von Filzstiften. MitHilfe dieses Handwerkszeugs werden die Äußerungen in der Dis-kussion an Pinnwänden für alle Diskussionsteilnehmer sichtbar ge-macht.

Zweiter Pfeiler:Fragen und Behauptungen - die «Erhebungstechniken»Einen zweiten Pfeiler stellen Fragen oder Behauptungen dar, mitdenen die Diskussionsteilnehmer aktiviert werden, eigene Ansich-ten einzubringen. Durch Fragen oder Behauptungen werden beiden Teilnehmern simultane Äußerungen ausgelöst. Es wird bei denTeilnehmern eine Spannung und Neugierde geweckt, ob die eige-nen Antworten durch andere Beiträge bestätigt werden oder obandere Antworten zu den eigenen im Widerspruch stehen. Durchdie Auslösung von simultanen Äußerungen soll das Verlangen beiden Teilnehmern ausgelöst werden, Widersprüchlichkeiten zu klä-ren, unterschiedliche Perspektiven herauszuarbeiten und Konflikt-linien aufzudecken.

Um eine solche Interaktionsdynamik in einer Gruppe auszulö-sen, muss die Frage offen formuliert sein, ohne dabei zu allgemeinoder zu vage zu werden. Solche offenen Fragen beginnen in derRegel mit Fragewörtern wie «Weshalb», «Warum», «Wann» oder

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«Wie» und schließen JafNein-Antworten aus. Die Fragen sollen dieTeilnehmer herausfordern und betroffen machen, ohne dabei denDiskussionsteilnehmern gegen den Strich zu gehen. Fragen, diepeinlich berühren, führen in der Regel zu einer Blockierung derDiskussion. Die Fragen sollen auf ein Ziel hinführen, dürfen abernicht (zu) suggestiv gestellt sein. Rhetorische Fragen werden schnellals solche entlarvt und führen nicht zu einer Auslösung von Inter-aktion. Interaktionsauslösende Fragen sollen nicht Wissen erfra-gen. Fragen, zu denen die Antworten richtig oder falsch sein kön-nen, brauchen in der Regel nicht in einer Gruppe ausführlichbehandelt zu werden (vgl. Metaplan Ewige Werte 1998, S. 201;E. Schnelle 1982, S. 30).

Ziel ist es, mit den Fragen Antworten zu generieren, die dann inder Gruppe diskutiert werden können. Mit «Blitzen» können dieDiskussionsteilnehmer Antworten markieren, mit denen sie nichteinverstanden sind oder die sie gern vertiefen wollen. Durch denModerator werden die Kontroversen auf ovalen weißen Kartenmitprotokolliert und so die Facetten der Auseinandersetzung visu-ell ausgebreitet. Die interaktionsauslösenden Impulse werden da-bei vorrangig mit Hilfe von vier Instrumenten gesetzt: der Karten-frage, der Zuruffrage, der Gewichtungsfrage und der These.

Beim ersten Instrument, der Zuruffrage, lässt sich der Modera-tor die Antworten auf seine Frage zurufen und notiert diese selbstauf Karten, die er an die Pinnwand heftet. Die Zuruffrage wird ein-gesetzt, wenn kein allzu langes Nachdenken erforderlich ist und be-kannte Aspekte schnell zusammengetragen werden sollen. Sie eig-net sich besonders in Situationen, in denen nur wenige Antwortenmöglich sind und nicht alle Teilnehmer zur Diskussion beitragenkönnen. Bei der Zuruffrage beeinflussen sich die Teilnehmer gegen-seitig, und eine Anonymität der Beiträge ist nicht gegeben.

Bei der Moderation einer Zuruffrage leitet der Moderator diean die Tafel geschriebene Frage mit wenigen Worten ein und liestsie deutlich vor. Dann bittet er um Antworten der Diskussionsteil-nehmer. Er wiederholt bei jedem Beitrag eines Diskussionsteilneh-mers den Kern der Aussage. Dadurch stellt er einerseits Klarheit inder Diskussionsgruppe her und diktiert andererseits einem Helfer

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(falls dieser verfügbar ist) den Text, den dieser auf eine rechteckigeKarte schreibt. Diese rechteckigen Karten werden dann vom Mo-derator für alle sichtbar mit Stecknadeln an der Tafel befestigt. BeiEinwänden markiert der Moderator mit einem roten Filzstift einenBlitz auf der rechteckigen Karte und lässt die Einwände vom Hel-fer auf ovale Karten notieren. Diese hängt er dann neben die recht-eckigen Karten. Bei einer intensiven Diskussion einer Antwortkann so eine ganze Kette von ovalen Karten entstehen. Wenn achtbis zehn Argumente gesammelt sind, liest der Moderator nochmalsalle Karten vor, ordnet sie dabei nach und rahmt die entstandenenCluster ein (vgl. Metaplan Ewige Werte 2000, S. 311).

Mit welchen Problemen muss sich eine Führungs-kraft von heute immer wieder herumschlagen?

Terminproblemedurch Kapazi-tä tsengpässe

Kundenwünscheerkennen, er-ahnen, erfüllen

vorhandene Or-ganisations-strukturenlJ behindern Y/ aber"::======,(7 Strukturen sind

zum Handelnnötig

unklare Zielvor-gaben durch dasTopmanagement

Erwartungenaller Mitarbeiterunter einen Hut

bringen

zu wenigRessourcen, umZiele zuerreichen

diese sindschwer zu

beeinflussen

Beispiel für eine Zuruffrage zum Thema«Anforderungen an Führungskräfte»

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Das zweite Instrument, die Kartenfrage, stellt die wirklicheNeuerung gegenüber unstrukturierten Diskussionen dar. Dabeilässt sich der Moderator die Antworten von den Teilnehmernschriftlich auf Karten geben und breitet diese dann an der Tafel aus.Ziel ist es, Gedanken, Meinungen und Standpunkte aller Gruppen-mitglieder zu sammeln und so ein möglichst breites Antwortspek-trum entstehen zu lassen. Bei der Kartenfrage soll jeder zum Nach-denken gebracht werden und erst einmal unbeeinflusst vonanderen seine Gedanken entwickeln können.

Bei der Moderation einer Kartenfrage liest der Moderator dieauf einen weißen Streifen geschriebene und an eine Pinnwand ge-heftete Frage mit wenigen Worten vor. Dann lässt er sich von denTeilnehmern eine erste Antwort zurufen, an der er dann eine Mus-terantwort formuliert. Die Karte mit dieser Musterantwort hefteter an die Pinnwand. Dann verteilt er Karten an die Teilnehmer undbittet diese, ihre Antworten auf Karten zu schreiben. Dabei werdendie Teilnehmer darum gebeten, nur jeweils eine Antwort auf eineKarte zu schreiben. Wenn alle Teilnehmer ihre Antworten auf Kar-ten formuliert haben, sammelt der Moderator die Karten ein undliest sie vor. Dabei ordnet er die Karten an den Tafeln sogleich nachSinnzusammenhängen. Bei Einwänden bringt er einen Blitz auf derKarte an.

Wenn er alle Karten an der Tafel ausgebreitet hat, liest er dieKarten nochmals vor und ordnet sie nach.

Dabei bildet er Cluster, die er mit einem dicken Filzstift ein-rahmt. Zu den Clustern lässt er sich von den Teilnehmern Oberbe-griffe vorschlagen, die von einem Helfer auf weißen Kreisen aufge-schrieben werden. Zu den Blitzen erfragt der Moderator dieArgumente. Diese Diskussionsbeiträge werden von einem Helferauf ovalen Karten mitgeschrieben und vom Moderator an derPinnwand befestigt.

Das dritte Instrument, die Gewichtungsfragen,dient der quanti-tativen Priorisierung von Antworten. Gewichtungsfragen wie«Welche Fragen sollen wir vertiefen?» oder «Was ist aus Ihrer Sichtvordringlich?» dienen dazu, die Teilnehmer die bisherige Diskus-sion noch einmal reflektieren zu lassen und herauszuarbeiten, wo

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die Gruppe Schwerpunkte setzen will. Über die Gewichtungsfragekann man den Teilnehmern die Möglichkeit zum Mitsteuern in derDiskussion einräumen und die Gruppe für die weitere Diskussionausrichten.

Bei der Moderation der Gewichtungsfrage schreibt der Modera-tor diese auf einen weißen Streifen, hängt diesen auf die untereHälfte eines Posters, auf dem er vorher mit einer Kartenfrage be-reits Antworten gesammelt hat, und bittet jeden Diskussionsteil-nehmer, drei, vier bzw. fünf Cluster auszuwählen. Wenn bei derKartenfrage weniger als zwölf Cluster entstanden sind, empfehlensich drei Punkte, bei zwölf bis 20 Clustern vier Punkte und bei über20 Clustern fünf Punkte. Dann liest er die Oberbegriffe oder Ein-zelkarten vor und nummeriert diese dabei durch. Er bittet die Teil-nehmer, ihre Auswahl auf einen Spickzettel zu schreiben. Wer sichvon den Teilnehmern auf seine Auswahl festgelegt hat, bekommtKlebepunkte, und auf ein Zeichen hin kleben alle gemeinsam ihrePunkte. Der Moderator zählt mit Hilfe der Teilnehmer die Punktedurch und hebt die hoch gewichteten Cluster optisch hervor (Me-taplan Ewige Werte 2000, S. 331).

Das vierte Instrument, die These, ist eine Behauptung mit einemAusrufezeichen, das um ein Vier-Felder-Schema von + + bis - - er-gänzt ist. Eine These wird in der Regel dazu eingesetzt, zu Beginneines Diskussionsblocks eine erste Interaktion zu stimulieren. Siekann nur sehr begrenzt zur Vertiefung einer Diskussion eingesetztwerden. Eine gut formulierte These deckt gestreute Meinungen auf,lässt sich durch eine eher unscharfe Formulierung von den Diskus-sionsteilnehmern ausdeuten und soll auf die Meinung der anderenneugierig machen. Sie sollte positiv formuliert sein, weil doppelteVerneinungen in der Form «Der These <Diese Moderation warnicht gelungen> stimme ich nicht zu» verwirren (Metaplan EwigeWerte 1998, S. 401).

Bei der Moderation der These leitet der Moderator die auf einenStreifen geschriebene und an eine Pinnwand geheftete These mitwenigen Worten ein und liest sie vor. Dann erklärt er die Abstu-fung auf der Skala von + + bis - - und fordert die Diskussionsteil-nehmer auf, gleichzeitig ihre Punkte auf die Skala zu kleben. Nach-

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dem alle Punke geklebt sind, erfragt er zuerst die Argumente derMinderheit und lässt sie von einem Helfer notieren. Nach der drit-ten oder vierten Karte wechselt er zur Gegenposition über. Gegebe-nenfalls erfragt er Argumente für die mittlere Position. Wenn ins-gesamt sechs bis acht Argumente gesammelt sind, liest er alleKarten nochmals vor und ordnet sie nach.

Neben diesen vier Hauptinstrumenten - Zuruffrage, Kartenfra-ge, Gewichtungsfrage, These - wurden noch andere Instrumenteentwickelt. So lässt sich das Instrument der These beispielsweisedurch gleitende Skalen oder numerische Skalen variieren. Die glei-tende Skala funktioniert wie eine These, nur dass keine genauenAbstufungen zwischen den Polen vorgenommen werden. Bei dernumerischen Skala wird anstatt des Vier-Felder-Schemas von + +bis - - ähnlich wie bei quantitativ ausgerichteten Fragebögen einSchema a la «+3, +2, +1, 0, -1, -2, -3» verwendet.

Schließlich ist der Themenspeicher eine stark strukturierte Kom-bination von Zuruffrage und Gewichtungsfrage. Es wird eine Ta-belle auf eine Tafel gemalt, in der Probleme oder Vorschläge ge-sammelt werden. Die Teilnehmer können dann mit Klebepunktengewichten, welche Probleme oder Vorschläge sie gern vertiefenmöchten.

Dritter Pfeiler:DramaturgieDer dritte Pfeiler der visualisierten Diskussionsführung ist die Dra-maturgie. Dabei handelt es sich um eine vorgedachte Folge vonSage- und Frageelementen, die dazu dienen, die Gruppenkommu-nikation zu strukturieren. Die Entwicklung einer Kombination ausZuruffragen, Kartenfragen, Gewichtungsfragen und Thesen mitElementen von Präsentation und Kleingruppenarbeit stellt quasidas Drehbuch für die Gruppendiskussion dar und ist vergleichbarmit einem Interviewleitfaden oder einem Beobachtungsraster. ZurVorbereitung der Dramaturgie werden Interviews oder kleineGruppengespräche geführt, in denen herausgearbeitet wird, welche«Knackpunkte» in der Organisation existieren und welche Fallgru-ben man vermeiden sollte (KlebertiSchraderlStraub 1996, S. 78).

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Die Rolle von Führungskräftenwird zunehmend schwieriger!

I:·:l:hl·:·.I~-IMitarbeiterübernehmenmehr Aufgabenselbst

Man hat vielmehr verant-wortungsvolleMitarbeiter

Man kann sichnicht mehr nurauf seine Chef-rechte berufen

Lj Man mussimmer Sach-argumenteliefern

Die Marktan-forderungenwerden wider-sprüchlicher Die Mitarbeiter

sind für Pro-bleme von Chefssensibilisiert

Es muss häufigviel schnellerentschiedenwerden

Man erhält vielmehr Trainingals früher

Die Führungs-spannen werdengrößer

Beispiel für eine These zum Thema«Anforderungen an Führungskräfte»

Es lassen sich zwei Arten von Dramaturgien unterscheiden. In ei-ner geschlossenen Dramaturgie werden alle Sage- und Frageele-mente vor Beginn der Veranstaltung ausformuliert. Es wird genaufestgelegt, an welcher Stelle Zuruf-, Karten-, Gewichtungsfrageoder These eingesetzt werden. Es existiert also ein genaues Text-und Drehbuch der Diskussion. Die für die Diskussion benötigteZeit lässt sich so genau vorausberechnen.

Bei einer offenen Dramaturgie werden lediglich die Eröffnungs-sequenz und die Sequenz der Problemaushebung vorher formuliertund die Instrumente dafür bestimmt. Für den weiteren Verlauf hältman Regeln bereit, um die Dramaturgie am Prozess zu entwickeln.

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Dabei sollte der Moderator darauf achten, immer einen Schrittweiter zu denken, als er die Gruppe führen muss. Eine offene Dra-maturgie eignet sich für die Exploration von Problemfeldern. Siekann auch eingesetzt werden, wenn es keine ausreichende Zeit fürVorgespräche gegeben hat, um eine geschlossene Dramaturgie zuentwickeln.

Eine einfache Dramaturgie von 1V2 bis 3th Stunden Dauer be-steht aus einem Trailer in Form einer These oder einer Zuruffrage,durch die die Teilnehmer an das Thema herangeführt werden sol-len. Dann folgt zur Vertiefung in der Regel eine Kartenfrage. Dabeisoll die Problemstellung möglichst umfassend ausgebreitet und dis-kutiert werden. Dann werden mit einer Gewichtungsfrage Kern-punkte herausgehoben. Diese Kernpunkte werden entweder durcheine zweite Kartenfrage oder durch Kleingruppenarbeit mit an-schließender Präsentation der Kleingruppenergebnisse vertieft. DenAbschluss bildet eine Zuruffrage, ein Themenspeicher oder eineThese (vgl. Metaplan Ewige Werte 1991, S. 701).

Zu Beginn der Erarbeitung einer Dramaturgie sollte klargestelltwerden, wie das Thema genau lautet und was durch die Modera-tion erreicht werden soll. Für die Entwicklung der Dramaturgiewird eine ähnliche Vorgehensweise wie bei der Abfassung eines Ar-tikels empfohlen. Man beginnt mit der Vertiefung. Dabei wird er-arbeitet, worum es in der Vertiefung genau gehen soll, wie die Fra-geformulierungen lauten und in welcher Reihenfolge sie bearbeitetwerden sollen. Danach überlegt man, was ein geeigneter Abschlussder Dramaturgie sein könnte. Erst am Schluss entwickelt man denTrailer für den Diskussionsblock.

Vierter Pfeiler:Rolle des ModeratorsEinen vierten Pfeiler der visualisierten Diskussionsführung stellendie Verhaltensmuster des Moderators dar. Die Aufgaben des Mo-derators bestehen darin, den Diskussionsverlauf vorzuplanen unddabei die Thematik, die Interessen und Widerstände vorzudenken.Er ist dafür verantwortlich, dass die Gedankengänge für alle sicht-bar gemacht werden und der sachliche Teil der Argumentation ge-

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schärft wird. Er trägt letztlich die Verantwortung dafür, dass dieDiskussion ohne Gängelung und in der vorgesehenen Zeit voran-kommt.

Die ursprüngliche Auffassung besagte, dass der Moderator als«Dienstleister der Gruppe» den Meinungs- und Willensbildungs-prozess der Gruppe unterstützen solle (Neuland 1999, S. 59). Eswurde proklamiert, dass der Moderator inhaltlich nicht eingreifenund eigene Meinungen, Ziele und Wertungen zurückstellen solle.Es wurde jedoch bei der Entwicklung der Moderationsmethodedeutlich, dass bestimmte in der Organisation tabuisierte Themennicht allein durch Fragen und Thesen - quasi aus der Gruppe selbstheraus - auf die Tagesordnung kommen. Deshalb wird inzwischenzunehmend ein inhaltlich intervenierendes Rollenverständnis desModerators propagiert. Dabei soll dieser durch paradoxe Interven-tionen, Aufzeigen von Widersprüchlichkeiten und Ansprechen vonTabus selbst inhaltlich in die Diskussion eingreifen.

Beim Einsatz der visualisierten Diskussionsführung in der empi-rischen Sozialforschung hängt die Antwort auf die Frage, ob derModerator inhaltlich intervenieren soll oder nicht, davon ab, wasder Forscher erreichen will. Wenn es um die Erhebung einer mög-lichst unbeeinflussten Selbstbeschreibung der Organisation geht,empfiehlt sich eine eher zurückhaltende Rolle des Moderators.Wenn die Methode eher als Instrument zur Informationsgenerle-rung für den forschenden Moderator genutzt werden soll, mit demer selbst Beobachtungen, Hypothesen und Eindrücke testen möch-te, können auch stärkere inhaltliche Interventionen des Modera-tors sinnvoll sein.

Visualisierte Diskussionsführung in Abgrenzungzu anderen Methoden der Visualisierung wie Brainwriting,Mind-Mapping und Participatory AppraisalParallel zur visualisierten Diskussionsführung wurden verschie-dene andere Methoden entwickelt, die auf der Visualisierung vonIdeen, Meinungen, Überlegungen und Argumenten basieren: Brain-writing, Mind-Mapping und Participatory (Rural) Appraisal.

Beim Brainwriting handelt es sich um eine Variation des Brain-

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storming, bei der die Teilnehmer dazu angehalten werden, ihrenGedanken freien Lauf zu lassen. Dies wird durch ein Regelwerk er-reicht, das bewirken soll, dass die Teilnehmer die Beiträge anderernicht in Frage stellen. Beim Brainwriting werden die Beiträge undIdeen entweder von den Teilnehmern selbst auf ein Poster geschrie-ben oder von einem Diskussionsleiter an einem Flipchart mitproto-kolliert. Der zentrale Unterschied zwischen visualisierter Diskus-sionsführung und Brainwriting liegt darin, dass zwar auch bei dervisualisierten Diskussionsführung viel Wert auf eine Überwindungder in Gruppen vorzufindenden Zensurmechanismen (<<Dasgehtja sowieso nicht», «Das haben wir doch schon einmal versucht»)gelegt wird, dass die Äußerungen in einer zweiten Phase dann aberintensiv diskutiert und kritisiert werden können.

Beim Mind-Mapping handelt es sich um eine von Tony Buzanentwickelte Methode, die dazu dient, bestimmte Gedanken aufzu-schreiben, ohne sich dabei an eine bestimmte Reihenfolge haltenzu müssen (siehe den Beitrag zu Organisationskarten in diesemBand). Dadurch soll die Kreativität bei der Ideenentwicklung un-terstützt werden. Beim Mind-Mapping wird die zentrale Themen-stellung in den Mittelpunkt einer Fläche geschrieben. Von der Mit-te zweigen dann Äste ab, an denen Gedanken zu dem zentralenThema notiert werden. Von diesen Hauptästen zweigen wiederumUnteräste ab, an denen weitere Überlegungen notiert werden kön-nen. Beim Einsatz in Gruppen funktioniert das Mind-Mappingquasi wie eine Zuruffrage bei der visualisierten Diskussionsfüh-rung - nur dass die Beiträge in einer Netzform geordnet werdenund Konflikte und Widersprüche nicht in der gleichen Weise erfasstwerden können .

Die Methode des Participatory Appraisal (auch Diagnostic Ra-pid, Marp oder Participatory Rural Appraisal) entstand Anfangder 1980er Jahre in der Entwicklungszusammenarbeit, um sehrschnell Informationen über ein System zu erheben. Die Entwick-lung der Methode war eine Reaktion auf die Probleme, die beimEinsatz konventioneller Methoden der empirischen Sozialfor-schung in der Entwicklungshilfe zu beobachten waren: BestimmtePersonengruppen (beispielsweise Arme) wurden systematisch über-

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sehen; die erhobenen Informationen konnten nur von den For-schern analysiert und benutzt werden.

Die Methode des Participatory Appraisal basiert auf dem Prin-zip des «Visual Sharing». Alle Gesprächsteilnehmer arbeiten anvisualisierten Karten, Modellen und Diagrammen mit. Auf Trans-sekten (Visualisierung der Raumstruktur eines Dorfs oder einer Or-ganisation), Kalendern (Visualisierung der Veränderung der Ar-beits- und Lebensschwerpunkte über einen Zeitraum) und Kartenzur Sozialstruktur (Plan der Sozialbeziehungen) werden wichtigeInformationen über das soziale System dargestellt. Anhand dieserModelle können die Teilnehmer dann Problemfelder aufzeigen undÄnderungsvorschläge einbringen.

Im Gegensatz zur Methode der visualisierten Diskussionsfüh-rung basiert die Methode des Participatory Appraisal stark auf derVerbildlichung von Informationen. Die Ergebnisse werden nichtvorrangig in Schriftform festgehalten, sondern durch Zeichnungenund Symbole dargestellt. Dadurch wird zwar die Reichweite dervisualisierten Gesprächsführung auf die Gruppe der Analphabetenausgedehnt, es bestehen aber nicht die gleichen Möglichkeiten ei-ner strukturierten, verbal vermittelten Dramaturgieentwicklungwie bei der weitgehend auf Verschriftlichung basierenden Methodeder visualisierten Diskussionsführung.

Kombinationsmöglichkeitender visualisierten DiskussionsführungEs ist möglich, die Methode der visualisierten Diskussionsführungin «Reinforrn» einzusetzen. Dabei wird die erste Informationser-hebung bereits in Kleingruppengesprächen durchgeführt, die Dis-kussionsprozesse werden mit Frage- und Sageelementen vorstruk-turiert und die Ergebnisse entsprechend mitvisualisiert. Aufgrundder Diskussion in den Kleingruppen kann dann eine Dramaturgiefür einen Workshop mit größeren Gruppen entstehen. Aus demWorkshop heraus können wiederum Fragesequenzen für Gesprä-che mit Einzelpersonen und Kleingruppen entwickelt werden.Diese Gespräche werden dann wiederum entsprechend mitvisuali-siert und dienen als Ausgangspunkt für einen nächsten Workshop

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mit größeren Gruppen. Auf diese Weise können mehrere Schleifenaneinander gereiht werden, bis der Moderator den Eindruck hat,das Innenleben der Organisation weitgehend verstanden zu ha-ben.

Wahrscheinlicher ist jedoch der Einsatz der Methode der visua-lisierten Diskussionsführung als Ergänzung zu anderen Methodender empirischen Sozialforschung. Dabei wird ein Erstzugang zu derThemensteIlung über unstrukturierte und nicht visualisierte Einzel-interviews und Kleingruppengespräche hergestellt. Auf der Grund-lage der Information aus diesen Gesprächen wird dann eine Dra-maturgie für einen Workshop entwickelt, mit der bestimmteEinsichten aus den Einzelinterviews und Kleingruppengesprächenüberprüft oder neue Konfliktfelder herausgearbeitet werden.

3 Dateninterpretation und Feedback

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Bei der Diskussion über Möglichkeiten eines reflexiven Methoden-einsatzes in der Organisationsforschung stehen zwei Fragen imMittelpunkt: Wie können Informationen so gewonnen werden,dass sie nicht nur von den Forschern benutzt werden können, son-dern auch den Beforschten als Material zur Verfügung stehen? Wielassen sich die Informationen und Interpretationen so zu den Be-forschten zurückspielen, dass erstens die Forscher ihre Interpreta-tionen durch die Beforschten kritisch begutachten lassen könnenund zweitens durch die Diskussion ihrer Ergebnisse einen zusätz-lichen Erkenntnisgewinn haben?

Die Methode der visualisierten Diskussionsführung allein kanndie Herausforderung einer Institutionalisierung von Feedback-schleifen natürlich nicht abschließend lösen, erleichtert aber an ei-nigen Stellen das Zurückspielen von Informationen zu den Be-forschten.

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Datensicherung und InterpretationZur Datensicherung dienen in der Regel die während des Diskus-sionsprozesses produzierten Poster. Die Protokolle der moderiertenGruppengespräche zielen dabei darauf ab, den visualisierten Ein-druck der gemeinsam erarbeiteten Poster möglichst genau wieder-zugeben. Zur Erstellung der Protokolle gibt es drei Methoden: Dieerste Methode besteht darin, die Plakate hand- oder maschinen-schriftlich auf DIN-A4-Blätter zu übertragen. Bei der zweiten Me-thode werden die Poster mit einer Kamera abfotografiert. Dabeikann man entweder eine Kleinbildkamera (die Negative werdenauf DIN A4 vergrößert), eine Polaroidkamera (in der Regel einegute Wiedergabe) oder eine Digitalkamera (ermöglicht eine Weiter-bearbeitung der Fotoprotokolle) verwenden. Die dritte Methodebesteht im Einsatz einer speziellen Fotografiermaschine, mit der diePoster direkt auf Faxpapierrollen übertragen werden.

Da das Protokoll des Diskussionsprozesses nicht nachträglichvon einem Protokollführer, einem Moderator oder einem Forschererstellt wird, sondern gemeinsam an den Postern entwickelt wird,wird diese Form der Datensicherung auch als Simultanprotokollie-rung bezeichnet. Da in den Simultanprotokollen nur die Punkteauftauchen, die auf den Plakaten visualisiert wurden, ist es von be-sonderer Wichtigkeit, die Komplexität des Gesprächsverlaufs aufden Plakaten festzuhalten. Gerade die sich an Blitzen entspinnen-den Diskussionen sollten dabei genau mitprotokolliert werden, uman dieser Stelle die KonfIiktlinien in den Gesprächsgruppen aufzei-gen zu können.

Der Vorteil dieser Form der Datensicherung ist, dass sie erstenssehr zeitsparend ist, weil keine zusätzliche Transkribierarbeit not-wendig ist, und dass man zweitens mit den auf den Postern basie-renden Protokollen ein von der Gesamtgruppe akzeptiertes Ver-laufsprotokoll der Diskussion hat. Der größte Nachteil dieser Formder Datensicherung ist, dass durch die Simultanprotokolle wichti-ge Informationen verloren gehen. Erstens wird durch die Reformu-lierung der Antworten durch den Moderator die Aussage in ihrerKomplexität reduziert. Zwar wird der Inhalt der Aussage bei derReformulierung durch den Moderator nicht verfälscht, aber die

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Aussage hat nicht mehr die gleiche Authentizität wie das wortwört-liche Erfassen eines Beitrags. Zweitens kann selbst beim genauenMitprotokollieren der Diskussion die Dynamik des Gesprächsnicht umfassend auf den Karten erfasst werden. ZustimmendesNicken oder ablehnendes Murmeln geht verloren. Drittens könnendie Antworten beim Einsatz von Zuruffragen später nur sehrschwer und bei Kartenfragen überhaupt nicht auf einen Teilneh-mer zugerechnet werden. Auch bei Gewichtungsfragen kann nach-träglich nicht rekonstruiert werden, wer welche Position einge-nommen hat. Dadurch gehen wichtige Informationen für eineInterpretation der Ergebnisse verloren. Die Zitierbarkeit der Aus-sagen ist eingeschränkt.

Aufgrund dieser Problematik bietet es sich beim Einsatz dervisualisierten Diskussionsführung in der empirischen Sozialfor-schung an, parallel zur Erstellung des Protokolls an den Posterndas Gespräch auf Tonband aufzuzeichnen. Dieses kann dann wiebei einem Gruppeninterview ausgewertet werden. Durch den Ein-satz des Tonbandes bleibt jedoch das Problem der Zurechnung vonBeiträgen bei Kartenfragen und Gewichtungsfragen bestehen. DieTeilanonymisierung bei diesen beiden Instrumenten, die dazu dient,die Teilnehmer zu einer möglichst freien Meinungsäußerung zu be-wegen, wirkt sich bei einer nachträglichen Interpretation eindeutignegativ aus. Der geäußerte Sachverhalt ist zwar erfasst, aber erkann nicht mehr auf einen Autor zugerechnet werden.

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Bei der Rückmeldung von Ergebnissen an die Beforschten wird beiden meisten Methoden nicht direkt auf das erhobene Datenmate-rial zurückgegriffen: Das Vorspielen von aufgezeichneten Inter-viewsequenzen und das Abspielen von beobachteten und mitVideokameras gefilmten Handlungssequenzen verbietet sich meis-tens wegen der zugesagten Anonymität. Daher werden bei Feed-backrunden häufig nur die Interpretationen der Forscher vorge-stellt, und es wird nur indirekt auf das erhobene Material Bezuggenommen.

Mit der Methode der visualisierten Diskussionsführung wird

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7 Visualisierte Diskussionsführung 259

dieses Problem wenigstens ansatzweise überwunden. Dadurch,dass die Poster ein von der Diskussionsgruppe erstelltes und ak-zeptiertes Gesamtergebnis darstellen, in dem die Beiträge einzelnerPersonen nicht mehr zurechenbar sind, hat der Moderator in derRegel keine Schwierigkeiten, von der Gruppe ein Okay zu erhal-ten, das Simultanprotokoll auch organisationsintern weiterzuge-ben. Er kann in Feedbackrunden ein Poster aus einem vorherigenWorkshop entweder im Ganzen einsetzen, um seine Interpretationan einer Diskussionssequenz zu illustrieren, oder er kann Teile auseinem Poster herausschneiden und diese Teile dann in seine eigenevisualisierte Präsentation integrieren.

Auf diese Weise können mehrere Schleifen aus Dateninterpre-tation, Präsentation von Ergebnissen und Kommentierungen in-einander verflochten werden. So kann der Moderator bei einerFeedbackrunde beispielsweise seine Interpretationsergebnisse aufmehreren Postern ausbreiten und dabei zur Illustration Teile ausSimultanprotokollen der vorher geführten Gruppengespräche inte-grieren. Die eigenen Poster lässt er dann von den Teilnehmern derFeedbackrunde kommentieren und kritisieren. Dabei lässt er dieKommentare entweder von den Teilnehmern selbst auf Karten no-tieren und an den Postern befestigen, oder er schreibt die verbalgeäußerten Kommentare der Teilnehmer selbst auf Karten, die erdann an den Postern befestigt. Die Ergebnisse dieser ersten Feed-backrunde kann er in einer zweiten Feedbackrunde mit anderenTeilnehmern vorstellen. Diese zweite Gruppe hat dann die Mög-lichkeit, sowohl auf die Interpretationen des Moderators als auchauf die Kommentare der ersten Gruppe zu reagieren.

Es sind aber auch Feedbackmechanismen vorstellbar, in denensich der Forscher mit seinen Interpretationen stärker zurücknimmt.Dafür werden die Simultanprotokolle einer Gruppe direkt als Im-puls in einem Diskussionsprozess mit einer zweiten, anders zusam-mengesetzten Gruppe eingesetzt. Bei diesem Vorgehen werden diePoster der ersten Gruppe von der zweiten Gruppe auf rechteckigenoder ovalen Karten kommentiert und ergänzt. Diese Kommentarekönnen dann wieder in die erste Gruppe zurückgespielt werden.Dadurch ist es beispielsweise möglich, dass Mitarbeiter aus Mon-

260 Visualisierungsmethoden

tage und Fertigung im Gruppengespräch eine eigene Einschätzungeiner Situation erarbeiten, die dann in einem anschließenden Grup-pengespräch von Führungskräften kommentiert wird. Diese durchdie Verschriftlichung auf Karten anonymisierten Kommentare kön-nen wiederum an die Mitarbeiter in der Montage und Fertigungzurückgespielt und von diesen kritisiert und ergänzt werden.

Der Einsatz der Methode der visualisierten Diskussionsführungallein stellt noch nicht sicher, dass es zu vielfältigen Feedbackschlei-fen im Rahmen eines Forschungs- oder auch Beratungsprojekteskommt. Durch die Halbanonymisierung der Beiträge, die Visuali-sierung auf Postern und die problemlose und zeitsparende Daten-sicherung wird jedoch das Aneinanderreihen von Feedbackprozes-sen in einer Organisation stark erleichtert.

Kombination von qualitativen und quantitativen Ansätzenbei der visualisierten DiskussionsführungDie visualisierte Diskussionsführung ist vorrangig eine qualitativeMethode der empirischen Sozialforschung. Die Stärken liegen inder Erhebung von nicht-quantifizierten Informationen über sozialeSysteme. Dies bedeutet aber nicht, dass die Methode nicht auchdurch einen quantifizierenden Methodeneinsatz ergänzt und erwei-tert werden kann. Sowohl das Instrument der These als auch dasInstrument der Gewichtungsfrage erheben quantifizierbare Infor-mationen, die von den Forschern verwendet werden können.

Durch den hohen Formalisierungsgrad der Interaktionssequen-zen bei geschlossenen Dramaturgien ist es möglich, die gleicheModeration in verschiedenen Gruppen durchzuführen. So könnenbeispielsweise beim Einsatz von Thesen quantifizierbare Unter-schiede zwischen den einzelnen Gruppen (z.B. in Abhängigkeit vonHierarchieebenen oder Abteilungszugehörigkeiten) herausgearbei-tet werden. Diese quantifizierbaren Informationen können dannvom Forscher weiterverwendet werden.

Bisher gibt es kaum Erfahrungen mit dem systematischen Ein-satz der Methode der visualisierten Diskussionsführung in derquantitativ ausgerichteten empirischen Sozialforschung (vgl. aberKühl/Kullmann 1999, 5. 108 ff.). Es gibt berechtigte Zweifel, ob

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7 Visualisierte Diskussionsführung 261

die Methode beispielsweise quantitative Fragebögen punktuell er-setzen kann. So ist etwa die Anonymität beim Kleben von Punktenzu Thesen oder Gewichtungsfragen nicht gegeben. Auch ist mit ei-ner gewissen Ermüdung von Workshop-Teilnehmern zu rechnen,wenn quantitative Informationen über diese Methode erhobenwerden.

Was möglich erscheint, ist jedoch, gezielt in mehreren Gruppenüber eine Anzahl von Thesen oder Skalen eine quantifizierbare Po-sitionierung zu erheben und die quantifizierten Ergebnisse als Im-puls in ein Gruppengespräch zurückzuspielen. Ziel wäre es dannnicht, vorrangig für die eigene Forschungsanalyse quantifizierbareErgebnisse zu haben, sondern vielmehr die Zahlen als Impuls fürdie Erhebung qualitativer Aussagen in weiteren Gruppengesprä-chen zu nutzen. Die Quantifizierung von Ergebnissen wäre dannletztlich ein effektives Mittel zum Zweck der Erhebung qualitativerInformationen.

4 Anwendungsbeispiel

Im Folgenden soll der Einsatz der visualisierten Diskussionsfüh-rung in einem Projekt über Dezentralisierungsmaßnahmen in mit-telständischen Unternehmen dargestellt werden. Ziel dieses Pro-jekts war es, neben den Mechanismen der Dezentralisierung in denwertschöpfenden Bereichen und in der strategischen Ausrichtungder Geschäftsfelder auch die Vernetzung dieser Mittelständler mitanderen Unternehmen zu untersuchen. Eine Untersuchung beschäf-tigte sich dabei mit einem norddeutschen Handelsunternehmen mitknapp 200 Mitarbeitern, das versuchte, seine Internationalisierungüber ein Franchise-System voranzutreiben. Dazu wurden selbstän-dige Franchise-Partner in verschiedenen Ländern Europas ange-werben.'

Bei den leitfadengestützten Einzelinterviews wurde deutlich,dass bei den Mitarbeitern große Zurückhaltung bei Aussagen zudem Franchise-System herrschte: Das System war noch nicht langeetabliert, und die Mitarbeiter zeigten Widerwillen, sich über die

262 Visualisierungsmethoden

Funktionsweise des Systems zu äußern. Außerdem galt das Fran-chise-System als Lieblingskind des dominanten Unternehmens-chefs, und man fürchtete, sich mit allzu kritischen Äußerungen indessen Schusslinie zu begeben. Aufgrund dieser schwierigen Situa-tion wurde versucht, diesen Komplex zusätzlich zu den in Einzel-interviews und Gruppeninterviews erhobenen Informationen mitder Methode der visualisierten Diskussionsführung zu analysie-ren.•t

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DramaturgieentwicklungIn den zu Beginn der Untersuchung geführten Experteninterviewsund Kleingruppengesprächen wurden zusätzlich zu Informationenüber die Dezentralisierungs- und Vernetzungsstrategien des Unter-nehmens zwei weitere Themen angesprochen. Erstens wurdeerfragt, welche Punkte in Bezug auf das Franchise-System als beson-ders diskussionswürdig erschienen. Zweitens wurden die Ge-sprächspartner gefragt, ob sie bereit wären, an einem Workshopteilzunehmen, in dem interessante Punkte zum Franchise-Themavertieft werden sollten. Anhand der Informationen aus den Exper-teninterviews und Kleingruppengesprächen und der Hinweise derGesprächspartner wurde für den Workshop «Stärken und Schwä-chen des Franchise-Systems» eine geschlossene Dramaturgie ent-wickelt. Zu dem Workshop wurden sieben Personen aus denAbteilungen Franchising, Informations- und Kornrnunikationstech-nologien, Personal, Marketing, Lager und Finanzen eingeladen.Weil befürchtet wurde, dass die Anwesenheit des Chefs die Ge-sprächsbereitschaft der anderen Teilnehmer beeinträchtigen würde,wurde auf dessen Einbeziehung in den Workshop verzichtet. Sowaren lediglich Personen aus zwei unterschiedlichen Hierarchieebe-nen an dem Workshop beteiligt.

Der Einstieg in den Workshop erfolgte über die These «Durchdas Franchise-System ist die Arbeit bei uns leichter geworden!».Mit dieser These sollten gleich zu Beginn das Interesse der Teilneh-mer am Workshop geweckt und die verschiedenen Facetten desThemas aufgezeigt werden. Die anschließend eingesetzte Zuruffra-ge «Wodurch unterscheidet sich das Franchise-System von der

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7 Visualisierte Diskussionsführung 263

Auftragsbearbeitung durch eigene Abteilungen?» diente dazu, dieHauptunterschiede zwischen dem Franchise-System und der vor-her favorisierten Bearbeitung von Auslandsaufträgen durch ein ei-genes internes Callcenter herauszuarbeiten.

264 Visualisierungsmethoden

Wodurch unterscheidet sich das Franchise-System vonder Auftragsbearbeitung durch eigene Abteilungen?

Wir haben weni-ger Kontroll-möglichkeiten

Es können keineAnweisungenmehr gegebenwerden

Probleme amMarkt erreichenuns später

~hise-nehmer hat

Interesse, uns diemitzuteilen

Die Verhandlungüber Rahmenbe-dingungen wirdzentral

Zuruffrage in der Diskussionüber das Franchise-System

Es sitzen nichtmehr alle in derZentrale

Die Abstimmungist häufigaufwendiger

viele Problemewerden aber aufFranchisenehmer

verlagert

in der Zentralekümmert es

niemanden mehr

Nicht jederspricht mehrdeutsch

Unsere Anwältinhat jetzt vielmehr Arbeit aber nicht

betrogen

7 Visualisierte Diskussionsführung 265

Mit der Kartenfrage «Welche Problemen stellen sich für das Unter-nehmen durch das Franchise-System?» sollte eine möglichst kom-plette Bestandsaufnahme der Konfliktpunkte in Bezug auf dasFranchise-System vorgenommen werden. Es entspann sich an die-ser Stelle eine über 45-minütige Diskussion darüber, an welchenStellen neue Probleme beim Marketing, bei der Auftragsahwiek-lung, bei der Lagerhaltung und bei der EDV aufgetreten waren.Anschließend wurden mit der Gewichtungsfrage «Welche Proble-me sind besonders schwerwiegend?» die Diskussionsteilnehmerdazu angehalten, die an der Tafel mitvisualisierte Diskussion nocheinmal zu durchdenken und eine Priorisierung der Problemberei-che vorzunehmen. Wenn Zeit gewesen wäre, hätte man an dieserStelle mit einer Kleingruppenarbeit zu der Frage «Was steckt hinterdieser Schwierigkeit?» die drei am höchsten gewichteten Problem-bereiche noch näher ausleuchten lassen können.

Feed backsch leitenDurch die im Rahmen des Workshops entstandenen Poster standMaterial zur Verfügung, das als Impuls in weiteren Gesprächeneingesetzt werden konnte. So wurde in einem Gespräch mit demGeschäftsführer, in dem dieser sich in seinen Darstellungen auf denErfolg des Franchise-Systems beschränken wollte, durch das Auf-zeigen des Posters zu der Kartenfrage «Welche Probleme stellensich für das Unternehmen durch das Franchise-Systern?» ermög-licht, das Gespräch gezielt auf Problembereiche zu lenken. Der Ge-schäftsführer konnte dazu motiviert werden, die Poster seiner Mit-arbeiter zu kommentieren. Als eine weitere Schleife wäre es hiermöglich gewesen, die Kommentare des Geschäftsführers auf denPostern zu notieren und anschließend die Workshop-Runde mitdiesen Kommentaren zu konfrontieren. So hätte ein komplexesBild der Funktionsweise des Franchise-Systems erzeugt werdenkönnen.

Die Ergebnisse des Workshops konnten auch bei der Ab-schlusspräsentation vor den Mitarbeitern eingesetzt werden. Da-bei wurden im Vorfeld die zehn maßgeblichen Interpretations-punkte der Forscher auf knapp 40 Karten visualisiert. Die auf

266 Visualisierungsmethoden

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zwei Poster geklebten Karten wurden dann bei der Abschlussprä-sentation den Mitarbeitern vorgelesen. Bei den beiden Interpreta-tionspunkten zum Franchise-System konnte zur Illustration aufein Poster aus dem Franchise-Workshop verwiesen werden. DieAbschlusspräsentation wurde von den anwesenden Mitarbeiternauf ovalen Karten kommentiert, die neben die zehn Interpreta-tions-Cluster geheftet wurden. Den Abschluss bildete eine offeneDiskussion über die Interpretationen der Forscher und die Kom-mentare der Mitarbeiter.

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und Grenzen der Methode,I';y,.

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"!\ Die Stärken der Methode der visuellen Diskussionsführung sindam besten vor dem Hintergrund der Schwächen und Probleme an-derer Methoden der empirischen Sozialforschung, besonders vonEinzelinterviews und Gruppeninterviews, zu verstehen. Im Laufeder Methodendiskussion in der empirischen Sozialforschung sindbestimmte strukturelle Probleme von leitfadengestützten Einzel-interviews herausgearbeitet worden (siehe auch den Beitrag zu Ex-perteninterviews in diesem Band): Es gibt Widerstände der Inter-viewten. Der Interviewpartner geht nur begrenzt auf die Fragenein, weicht aus und gibt Allgemeinheiten von sich. Nicht seltenwird der Interviewer mit Antworten bedacht, die der Interviewtegern in der Organisation verbreitet sehen möchte. Den strategi-schen Charakter der Beiträge wird der Interviewer häufig nicht so-fort durchschauen, weil er in der Interviewsituation keine anderenMitglieder der Organisation zur Verfügung hat, die den strategi-schen Charakter offensichtlich machen könnten. Konflikte werdenin den Einzelinterviews in der Regel nur dann offen gelegt, wenn esdem Interviewer gelingt, ein Vertrauensverhältnis zu seinem Ge-sprächspartner aufzubauen, und wenn die Zusicherung der Anony-mität glaubhaft vermittelt werden kann. Ferner gibt es das Pro-blem, dass der Frager leicht in eine dominante Rolle hineingerätund der Interviewer nur schwer einen unabhängigen Erzählfluss

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7 Visualisierte Diskussionsführung 267

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beim Interviewten auslösen kann (nach Workshop «Möglichkeitenvisualisierter Gesprächsführung als Instrument zur Organisations-analyse» 1998).

Zur Abfederung dieser strukturellen Probleme von Einzelinter-views wird in der empirischen Sozialforschung das Einzelinterviewdurch Gruppeninterviews ergänzt und teilweise sogar ganz ersetzt.Die Hoffnung besteht darin, durch das Zusammenziehen mehrererGesprächspartner mit unterschiedlichen Auffassungen die Kon-fliktlinien besser sichtbar zu machen und einen eigenständigen Dis-kussionsprozess zwischen den Gesprächsteilnehmern auslösen zukönnen. Bei offenen, nicht visualisierten Gruppengesprächen ent-stehen jedoch häufig Probleme: Erstens erfordern überwiegendmündlich geführte Diskussionen eine hohe Konzentration aller Be-teiligten. Beiträge müssen über einen längeren Zeitraum im Ge-dächtnis bleiben, weil man sich nicht immer sofort äußern kann.Als negative Effekte davon stellen sich Missverständnisse, Errnü-dungen und die Notwendigkeit häufiger Wiederholungen ein.Zweitens ist es schwierig, in einer nur mündlich geführten Diskus-sion den roten Faden zu behalten. Es gibt eine Tendenz von Grup-pen, sich an Kleinigkeiten festzubeißen und dabei die Gesamtstruk-tur des Diskussionsverlaufs außer Acht zu lassen. Drittens sindmündliche Diskussionen nicht sehr ökonomisch, weil sich dabeiimmer nur ein einziger Teilnehmer äußern kann. Die Anzahl derWortergreifungen pro Stunde - die so genannte Interaktionsdichte- liegt bei unstrukturierten, vorrangig mündlich geführten Diskus-sionen bei 50 bis 60. Bei schwierigen und angespannten Situatio-nen reduziert sich die Interaktionsdichte häufig auf weniger als 20bis 30 Wortergreifungen pro Stunde. Viertens schließlich ist es inder klassischen Form der Diskussion sehr schwierig, Außenstehen-de in das Gespräch zu integrieren. Nur sporadisch anwesendenTeilnehmern fällt es schwer, an die Diskussion anzuknüpfen. Per-sonen, die von der Diskussion betroffen sind, aber an der Diskus-sion selbst nicht teilgenommen haben, lassen sich nur schwer inden Stand der Diskussion einführen (vgl. Schnelle-Cölln 1983,S. 12; Dauscher 1996, S. 8).

268 Visualisierungsmethoden

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Vorteile der VisualisierungDie Methode der visualisierten Diskussionsführung setzt - wie an-dere Methoden der Visualisierung auch - an diesen strukturellenProblemen von Gruppeninterviews an. Durch die Visualisierungwerden mehrere Effekte angestrebt. Erstens soll durch die Visuali-sierung das zeitraubende Nacheinander verbaler Beiträge punktuellaufgelöst werden. Durch den Zugang der Teilnehmer zu Schreib-materialien und -flächen besteht kein Zwang zur Einhaltung einerbestimmten Rednerfolge, sondern mehrere Beiträge können gleich-zeitig festgehalten werden. Durch das gleichzeitige Abfassen vonBeiträgen kann die Interaktionsdichte bei einer 20-köpfigen Perso-nengruppe auf 300 bis 600 Wortergreifungen pro Stunde erhöhtwerden. Zweitens wird die Spontanität der Äußerungen wenigergehemmt. Jedes Gruppenmitglied kann an einer vom Moderatorfestgelegten Stelle ohne Hast und unbeeinflusst von der Diskussioneigene Gedanken formulieren. Auch eher zurückhaltenden Perso-nen wird damit die Möglichkeit zur Äußerung gegeben. Drittenssoll durch die Visualisierung die Beibehaltung des roten Fadens er-leichtert werden. Da die beschriebenen Plakate für alle sichtbarsind, bleiben die bereits erbrachten Diskussionsbeiträge präsent.Die Gruppe hat die Struktur der Diskussion immer im Blickfeld.Viertens soll durch die visualisierte Diskussionsführung die Doku-mentation des Gesprächs erleichtert werden. Durch die Visualisie-rung entsteht ein simultan erzeugtes Ablaufprotokoll der Sitzung,das durch das Abfotografieren der Plakate jedem Teilnehmer amEnde der Sitzung zur Verfügung gestellt werden kann.

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,.,Versachlichung der Diskussiondurch die Methode der visualisierten DiskussionsführungDie Methode trägt erheblich zu einer Versachlichung von Diskus-sionen bei, indem die freie Entfaltung der Emotionalität der Dis-kussionsteilnehmer und Auseinandersetzungen über persönlicheSympathien und Antipathien in der Gruppe eher gehemmt werden.Durch den Kanon von Methoden und Spielregeln - von der Frage-technik bis hin zur Visualisierung - wird ein standardisierter Kon-text hergestellt, in dem nicht auf die Sache bezogene Aspekte sich

7 Visualisierte Diskussionsführung 269

nur schwer als Gesprächsthema durchsetzen können. Auch dieSitzordnung wird so gewählt, dass die Kommunikation nicht in ei-nem Stuhlkreis «face to face» verläuft, sondern dass durch einenHalbkreis die Aufmerksamkeit auf den inhaltlichen roten Faden anden Pinnwänden gerichtet wird (Freimuth 1996, S. 38).

Wegen der Tendenz zur Versachlichung der Diskussion eignetsich die Methode nicht, um gruppendynamische Prozesse in Grup-pen zu untersuchen. Je systematischer die Methode angewendetwird, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass persönlicheAntipathien und Sympathien der Teilnehmer zur Sprache kommen.Deshalb ist für vorrangig psychologisch orientierte Ansätze derOrganisationsforschung diese Methode wohl nur begrenzt geeig-net. Durch die Unterstützung bei der Versachlichung von Diskus-sionen kann die Methode jedoch sehr hilfreich sein, wenn es umdie Analyse von Organisationsstrukturen geht.

Halbanonymität und zeitweise Herauslösungder Diskussion aus einem hierarchischen Kontext:die visualisierte Diskussionsführungim vorhierarchischen RaumIn der empirischen Organisationsforschung ist häufig thematisiertworden, dass die Anwesenheit von Personen aus mehreren hierar-chischen Ebenen bei einem Diskussionsprozess zu starken Zensur-mechanismen führen kann. Ein Vorteil des Experteninterviews istdaher sicherlich, dass dieser Zensurmechanismus sich in einem Ein-zelgespräch nur indirekt (in der Angst vor der Rückmeldung derÄußerungen an einen Vorgesetzten) ausdrückt. In Gruppeninter-views wird dieses Problem häufig dadurch umgangen, dass nur Per-sonen einer Hierarchieebene gleichzeitig interviewt werden. Eswerden dabei jedoch die Einsichtsmöglichkeiten vergeben, diedurch eine offene Auseinandersetzung zwischen Personen unter-schiedlicher Hierarchiestufen gewonnen werden können.

Ein Ziel der Methode der visualisierten Diskussionsführung istes, dass ein «vorhierarchischer Raum» entsteht, in dem für einebegrenzte Zeit eine Reihe von hierarchischen Regelungen außerKraft gesetzt wird (vgl. E. Schnelle 1982; Metaplan 1991a). So

270 Visualisierungsmethoden

wird in dem Prozess der visualisierten Diskussionsführung demHierarchen weitgehend das Recht genommen, Beiträge zu zensie-ren, Wortmeldungen zu verteilen und über das Ende einer Diskus-sion zu entscheiden.

Diese Einschränkung der Rechte des Hierarchen im Diskus-sionsprozess entsteht als Effekt aus verschiedenen Regeln und In-strumenten der Diskussionsführung. Erstens werden diskussions-hemmende Monologe des Hierarchen dadurch verhindert, dassdurch die Mitvisualisierung seiner Beiträge sein Redefluss auto-matisch unterbrochen wird. Zweitens werden durch die Anony-misierung der Beiträge bei Kartenfragen die Argumente erst ein-mal vom jeweiligen Sprecher gelöst. Der Bedeutungs-Bias, mit demder Beitrag eines ranghohen Diskussionsteilnehmers normalerwei-se ausgestattet ist, kann sich so nicht entfalten. Drittens werdendurch das halb anonyme Schreiben von Karten die Diskussions-teilnehmer ermutigt, ihre Gedanken in einem durch die Diskus-sionsregeln und den Moderator geschützten Raum zu äußern. Derdirekte Zensurmechanismus durch einen Hierarchen wird da-durch verhindert.

Sicherlich darf die Bedeutung des «vorhierarchischen Raums»bei der visualisierten Diskussionsführung nicht überschätzt wer-den. Die Anonymität bei der Kartenfrage ist lediglich eine zer-brechliche Halbanonymität. Häufig entsteht durch den Kontextder Antwort, durch die Handschrift auf der Karte oder durch spä-tere mündlich geäußerte Diskussionsbeiträge bei den Diskussions-teilnehmern eine Ahnung, von wem eine bestimmte Äußerungstammt. Auch können die Sanktionsmechanismen für kritischeÄußerungen sehr wohl erst nach einer Diskussionsrunde einsetzen,in einem Moment also, in dem der Diskutant nicht mehr durchSpielregeln und durch den Moderator geschützt ist. Wegen desWissens aller Teilnehmer über die Möglichkeit zeitverzögerterSanktionsmechanismen kann daher auch im «vorhierarchischenRaum» ein Zensurmechanismus wirksam werden.

7 Visualisierte Diskussionsführung 271

Ansatzpunkt einer Organisationsanalyse:Herausarbeiten von Konfliktlinien und Interventionendes Moderators und ForschersDie Stärke der Methode in der Herausarbeitung von Konfliktlinienwird im konkreten Einsatz der Methode häufig verschenkt. DieMethode wird nur zum Einsammeln von Meinungen durch dieTeilnehmer genutzt, die sich anschließenden Kontroversen werdenaber nicht mehr sauber visualisiert und dokumentiert. Dieses Ver-säumnis hängt meines Erachtens mit dem Umstand zusammen,dass bisher im Beratungsverständnis von Moderatoren die visuali-sierte Diskussionsführung als effektives Instrument galt, um Über-einstimmung und Konsens in einer Gruppe zu erzeugen. Durchdiese Konsensfixierung wurde die saubere Dokumentation vonKontroversen eher vernachlässigt.

Bei einem Einsatz der Methode in der empirischen Sozialfor-schung (aber vermutlich auch in einer sozialwissenschaftlich orien-tierten Beratung) kommt es dagegen gerade darauf an, die Konflik-te in Organisationen sichtbar zu machen. Ziel von empirischenForschungsprojekten (und von Beratungsprojekten) ist es nichtvorrangig, Konsens oder Übereinstimmung in einer Gruppe herzu-stellen, sondern vielmehr Interessengegensätze, Perspektivunter-schiede und Widersprüche sichtbar zu machen. Aus dieser Perspek-tive interessiert sich der Forscher und Moderator dann vorrangigfür die «Blitze» in der Diskussion, weil an dieser Stelle unterschied-liche Auffassungen, Konfliktlinien und Widersprüchlichkeitendeutlich werden. Durch die Mitprotokollierung der sich an Blitzenentspinnenden Diskussionen kann er die Komplexität einer Aus-einandersetzung sich entfalten lassen.

Mit dieser Orientierung auf Konfliktlinien, Widersprüchlichkei-ten und Perspektivunterschiede hin verändert sich auch die Rolledes Moderators. Das ursprüngliche Verständnis der Rolle einesModerators war, dass dieser sich aus der Diskussion inhaltlichherauszuhalten und die Gruppe schließlich zu einem Konsens zuführen habe (vgl. Dauscher 1996, S. 1). Durch diese inhaltlicheZurückhaltung kann er jedoch in der Regel nicht an die Problem-bereiche herankommen, die durch die Gruppe bewusst tabuisiert

272 Visualisierungsmethoden

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;\ werden oder die sich als kollektive blinde Flecken im Alltagsge-schäft ausgebildet haben. Der Einsatz der Frage- und Visualisie-rungstechniken allein reicht nicht aus, um in den «verdeckten Be-reich» einer Organisation vorzudringen.

Aufgrund der Einsicht in dieses Problem wird zunehmend einintervenierendes Verständnis der Rolle des Moderators propagiert.Durch bewusst eingesetzte inhaltliche Interventionen des Modera-tors soll die Gruppe an blinde Flecken herangeführt und sollen in-haltliche Tabus angesprochen werden. Dabei kann man zwischenkontrollierten und spontanen Interventionen des Moderators un-terscheiden. Bei kontrollierten inhaltlichen Interventionen überlegtsich der Moderator vor dem Gruppengespräch, mit welchem in-haltlichen Impuls er in das Gruppengespräch eingreifen will. Er be-reitet beispielsweise ein Poster mit seinen inhaltlichen Argumentenvor und erhebt dann etwa mit einem Interaktionsimpuls wie «DieBotschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt ... » die Meinung der Teil-nehmer zu diesen Argumenten. Bei spontanen inhaltlichen Inter-ventionen bringt der Moderator seinen Diskussionsbeitrag verbalin die Gruppe ein. Er macht durch einen Positionswechsel (bei-spielsweise von den Postern weg zur Seite des Raums) oder durcheinen Rollenwechsel (beispielsweise Rollentausch zwischen Mode-rator und Helfer) deutlich, dass er jetzt ein inhaltliches Argumentbringt, und stellt dieses dann in den Raum.

Ob ein Forscher bei der Moderation eine eher intervenierendeRolle einnimmt oder sich inhaltlich eher zurücknimmt, hängt vonden methodischen Vorüberlegungen, der konkreten Situation imGruppengespräch und dem organisatorischen Kontext ab. Es kannaber auf alle Fälle hilfreich sein, beide Verhaltensmuster zur Verfü-gung zu haben und sich der Möglichkeiten und Gefahren der je-weiligen Verhaltensmuster bewusst zu sein.

7 Visualisierte Diskussionsführung 273

Anmerkungen

Der Begriff der visualisierten Diskussionsführung wird hier benutzt, weil er präziserals der Begriff der Moderationsmethode ist. Die anderen Bezeichnungen für die Me-thode wie Metaplan-Moderationsmethode, Neuland-Moderation, ModerationsMe-thode oder Pinnwand-Technik sind alle markenrechtlich geschützt und eignen sich sonur begrenzt als generische Bezeichnung für die Methode.

2 Erste Ansätze dazu gibt es unter dem Begriff der Sondierungsgespräche bei verschie-denen Beratungsfirmen. Dabei wird die visualisierte Diskussionsführung bereits imVorfeld von Workshops und Seminaren als Instrument zur Analyse von Struktureneingesetzt.

3 Aufgrund der zugesagten Anonymisierung gegenüber den Mitarbeitern und dem Un-ternehmen werden an dieser Stelle Informationen über das Unternehmen und dasProjekt, die für die Darstellung an dieser Stelle nicht relevant sind, weggelassen oderverändert. .

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Sonja Barth und Ho/ger Pfaff

8 Organisationskarten

1 Einleitung

Beim Anlegen von Organisationskarten handelt es sich um einGruppendiskussionsverfahren, bei dem als zentrales Visualisie-rungsinstrument das Mind-Mapping1 eingesetzt wird. Demzufolgelassen sich in einer Kurzformel Organisationskarten als spezifi-sche, auf Organisationen bezogene Mind-Maps bezeichnen. Wäh-rend jedoch Mind-Maps in ihrer ursprünglichen Form auf dieOptimierung und Unterstützung von Lern- und Problemlösungs-prozessen zielen, steht bei Organisationskarten die Erfassung der

~ 7intersubjektiv geteilten und vorwiegend impliziten Grundannah-., men der Organisations mitglieder (vgl. Sackmann 1997) im Vor-

dergrund.Organisationskarten stellen folglich keine offiziellen Abbildun-

gen wie Organigramme dar. Zudem sind sie von den von Argyrisund Schön so bezeichneten organizational maps (Argyris/Schön1978, S. 17 f.) zu unterscheiden, da sie sowohl die tatsächlich hand-lungsrelevanten Theorien als auch die sie bestimmenden darunterliegenden impliziten Phänomene und latenten Sinngehalte (vgl.Sackmann 1991) zu erheben suchen.

276 Visualisierungsmethoden

Im Folgenden wird aufgezeigt, wie man sich diesem organisatio-nalen -Bedeutungsgewebe- (vgl. Geertz 1994, S. 9) mittels Organi-sationskarten .nahern kann. Hierzu ist es notwendig, ausführlichdas Mind-Mapping vorzustellen, da es die Gru~~~:,d~.,Q:-ganis'ätlonskarten darstellt.'__ •.~_f.'_'~~'~,.•". '•.....••••.••,__,,"

Von Mind-Maps zu OrganisationskartenZiel von Mind-Maps ist es, komplexe Sachverhalte durch die Auf-gliederung in ihre Einzelaspekte umfassend zu strukturieren undsie damit u. a. Problemlösungsprozessen zugänglich zu machen.

Als Landkarte des Gedächtnisses, des Geistes und der Assozia-tionen - so oder ähnlich schwerfällig lässt sich der Begriff -Mind-Map> übersetzen (Malorny/Schwari/Backerra 1997, S. 70). Undwenn auch die deutsche Formulierung nicht so griffig wie das Ori-ginal klingt, so kommt doch zum Ausdruck, worum es hier geht:Ideen, Gedanken und Assoziationen werden bezogen auf ein aus-gewähltes Thema gesammelt, ihre Bezüge zueinander werden her-ausgearbeitet, und das hieraus entstehende thematische Geflechtwird graphisch abgebildet.

Als Hilfsmittel beim Memorieren, Planen und Analysieren fürden individuellen Bedarf, als Instrument zur Wissensvermittlungund -aneignung z. B. in der Aus- und Weiterbildung (vgl. MentolMartinelli/jones 1999; Michelini 2000; Steps 1997; Lewis 1997)und schließlich als so genanntes Kreativwerkzeug (MalornylSchwarz/Backerra 1997, S. 44 f.) in der Organisationsberatung und-entwicklung werden Mind-Maps eingesetzt, um auf unterschied-lichen Organisationsebenen vor allem Prozesse der Planung und

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Qualitätsverbesserung zu unterstützen.-r-rrtwickeltwürde das Instrument Mind-Map bereits in den1970er Jahren von dem Engländer Tony Buzan. Sein Anliegen wares, Prozesse des Lernens, Denkens und der Problemanalyse mitHilfe einer geeigneten Methode zu erleichtern und zu optimieren.Den Erkenntnissen der Gehirnforschung zufolge unterstützen her-kömmliche Arten der Dokumentation von Daten und Gedankennur suboptimal die Denkvorgänge im Gehirn. Vielmehr wirkt sichdie in unserem Kulturkreis dominierende lineare Form der Ver-

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