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Zusammenfassung Skript Methoden September 2005 - 1 - Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung Text 1: Planung und Ablauf von Forschung (v. Alemann) 1 Planung und Ablauf von Forschung es gibt zahlreiche unterschiedliche Anlässe und Anstöße für politikwissenschaftliche Forschung und ebenso viele unterschiedliche Methodologien es gibt Versuche, feste Ablaufschemata für diese Forschungsprozesse zu entwickeln, die Wirklichkeit entspricht aber selten diesem Schema. Aber es gibt wichtige Hauptstufen und Grundregeln des Forschungsprozesses. Basis für jedes wissenschaftliche Vorhaben ist ein Plan, ein Arbeitsprogramm. (siehe S. 73 – Aufbau eine Forschungsantrags) Aufteilung des Forschungsprozesses in 3 Hauptstufen: 1. Das Problem 2. Das Material 3. Die Lösung Die drei Hauptstufen lassen sich in Einzelstufen zerlegen. Die Reihenfolge ist allerdings nicht unumstößlich. 1.1 Erste Hauptstufe: Das Problem 1. Der Forschungsanstoß 2. Der Forschungsstand 3. Die Fragestellung 4. Die Analyseebenen 5. Das Projektdesign 1.1.1 Der Forschungsanstoß Am Anfang steht immer ein konkreter Anstoß, eine Frage, eine Idee, ein Problem, ein Vorschlag von außen, ein Auftrag Problemsuche kann sehr schwierig sein. Gibt viele mögliche Quellen (aktuelles Problem; faszinierendes Problem; Problem, auf das man bei Lektüre gestoßen ist; Hinterfragen einer Selbstverständlichkeit; ...) Hilfsfragen zu Themensuche (siehe S. 76) Häufige Probleme: Thema zu eng, zu weit oder es fehlt politikwissenschaftliche Perspektive. Wenn Thema von außen vorgegeben: hält man sich selbst für kompetent, das Thema für interessant und relevant genug? Problemstellung muss machbar, bearbeitbar, methodisch und materialmäßig realisierbar sein. Klare Arbeitsplanung ist notwendig. 1.1.2 Der Forschungsstand Erfassung des Forschungsstandes ist wichtig, um sich mit dem Thema bekannt zu machen, sich einzuarbeiten. 3 Fragen sind zu klären: - ist das Forschungsprojekt bereits früher wissenschaftlich untersucht worden?

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Methodologie politikwissenschaftlicher Forschung Text 1: Planung und Ablauf von Forschung (v. Alemann) 1 Planung und Ablauf von Forschung es gibt zahlreiche unterschiedliche Anlässe und Anstöße für politikwissenschaftliche Forschung und ebenso viele unterschiedliche Methodologien es gibt Versuche, feste Ablaufschemata für diese Forschungsprozesse zu entwickeln, die Wirklichkeit entspricht aber selten diesem Schema. Aber es gibt wichtige Hauptstufen und Grundregeln des Forschungsprozesses. Basis für jedes wissenschaftliche Vorhaben ist ein Plan, ein Arbeitsprogramm. (siehe S. 73 – Aufbau eine Forschungsantrags) Aufteilung des Forschungsprozesses in 3 Hauptstufen:

1. Das Problem 2. Das Material 3. Die Lösung

Die drei Hauptstufen lassen sich in Einzelstufen zerlegen. Die Reihenfolge ist allerdings nicht unumstößlich. 1.1 Erste Hauptstufe: Das Problem

1. Der Forschungsanstoß 2. Der Forschungsstand 3. Die Fragestellung 4. Die Analyseebenen 5. Das Projektdesign

1.1.1 Der Forschungsanstoß Am Anfang steht immer ein konkreter Anstoß, eine Frage, eine Idee, ein Problem, ein Vorschlag von außen, ein Auftrag Problemsuche kann sehr schwierig sein. Gibt viele mögliche Quellen (aktuelles Problem; faszinierendes Problem; Problem, auf das man bei Lektüre gestoßen ist; Hinterfragen einer Selbstverständlichkeit; ...) Hilfsfragen zu Themensuche (siehe S. 76) Häufige Probleme: Thema zu eng, zu weit oder es fehlt politikwissenschaftliche Perspektive. Wenn Thema von außen vorgegeben: hält man sich selbst für kompetent, das Thema für interessant und relevant genug? Problemstellung muss machbar, bearbeitbar, methodisch und materialmäßig realisierbar sein. Klare Arbeitsplanung ist notwendig. 1.1.2 Der Forschungsstand Erfassung des Forschungsstandes ist wichtig, um sich mit dem Thema bekannt zu machen, sich einzuarbeiten. 3 Fragen sind zu klären:

- ist das Forschungsprojekt bereits früher wissenschaftlich untersucht worden?

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- Lässt sich das Problem überhaupt in einen wissenschaftlichen Bezugsrahmen setzen?

- Kann die Forschungsfrage mit dem vorhandenen methodologischen Instrumentarium (und seiner möglichen erweiterung) beantwortet werden?

Forschungsstand bearbeiten = Literaturanalyse betreiben Vorsicht vor übermäßigem Fotokopieren! Alibiwirkung! Der Umfang der Literaturanalyse ist dem geplanten Projektvolumen anzupassen. 1.1.3 Die Formulierung von Fragestellungen Präzisierung und Konkretisierung der Fragestellung. „Konzeptionalisierung“ = Festlegen grundlegender Konzepte und Begriffe und Anstellen von Vermutungen über deren Zusammenhang. Konzentration auf das Wesentliche und Erforschbare Ab- und Eingrenzung des Themas. Muss früh und rechtzeitig geschehen. Wissenschaftliche Forschung muss zielgerichtet und theoriegeleitet sein. Wir gehen immer mit Vorurteilen und eigenen Erkenntnissinteressen an die Wirklichkeit heran. Daher brauchen wir Ziel und Plan damit Wissenschaft nicht beliebig und unverbindlich wird. 1.1.4 Die Auswahl der Analyseebene Analyseebenen = spezifische wissenschaftliche Herangehensweisen an den Forschungsgegenstand, um unterschiedliche Dimensionen zu erfassen 7 Analyseebenen:

1. Ebene der Originalität - Primärerhebung - Sekundärerhebung

2. Ebene der Reichweite - Vergleichende Analyse - Fallstudie

3. Zeitebene - Diachrone Analyse - Synchrone Analyse

4. Auswahlebene - Vollerhebung - Auswahl

5. Aggregationsebene - Individualdaten - Aggregatdaten

6. Akteur/System-Ebene - Akteur - System

7. Realitätsebene - Feldstudie - Esperimentelle Studie

1 Zur Ebene der Originalität

Primärerhebung vs. Sekundäranalyse Primärerhebung: Primärdaten = selbst erstellte Daten Der Forscher begibt sich persönlich ins Feld. Vorteil: eigener Einblick; nicht auf Daten anderer angewiesen.

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Nachteil: Risiko, sich durch persönliche Perspektiven, Sympathie oder Antipathie ablenken zu lassen. Größere Erhebungen nur arbeitsteilig möglich, zeitaufwendig und teuer. Sekundäranalyse: Sekundärdaten können Daten sein, die von „dritten“ für Forschungszwecke erhoben worden sind. Es können auch Prozessdaten sein, die vom Staat für politische, wirtschaftliche oder Planungszwecke erhoben worden sind. Vorteile: einfacherer und preiswerterer Zugang; Rückgriff auf lange Zeitreihen möglich; Nachteile: gezwungen, alte Grundhypothesen zu übernehmen; alte Fehler vervielfältigen sich, da Datenerhebung nicht mehr kontrollierbar; begrenzte Vergleichbarkeit von Daten aus unterschiedlichen Quellen; 2 Zur Ebene der Reichweite Vergleichende Analyse vs. Fallstudie Vergleichende Analyse: Vergleich = Spezifikum der Politikwissenschaften (� Vergleich politischer Systeme) Vergleich einer möglichst begründeten Auswahl von Fällen Zweck = Generalisierung; Überprüfung von Hypothesen; - Forschungsmaterial so ordnen, dass der vergleichende Charakter der untersuchten sozialen Gegenstände erkennbar bleibt Fallstudie: Fallstudie = Untersuchung eines Objekts in einem bestimmten Zusammenhang Forschungsmaterial so ordnen, dass jede soziale Einheit als ein Ganzes gesehen wird. Oft werden mehrere Methoden eingesetzt, um möglichst viele Aspekte zu erfassen. Fallstudien spielen bedeutende Rollen in Powi. Vergleich und Fallstudie schließen sich nicht gegenseitig aus. Vergleich kann Fallstudien einschließen und in eine Fallstudie können Vergleiche einbezogen werden. 3 Zur Zeitebene Diachronische Analyse vs. Synchrone Analyse Diachronische Analyse (Längsschnittuntersuchung): Es werden zu verschiedenen Zeitpunkten Beobachtungen an denselben oder verschiedenen Untersuchungsobjekten vorgenommen. Kann Fallstudie, Vergleich, Primärerhebung oder Sekundäranalyse sein. Sekundäranalyse allerdings häufiger als Primärerhebung. Synchrone Analyse (Querschnittanalyse): Es werden die untersuchten Einheiten nur zu einem Zeitpunkt beobachtet. Kann auch Fallstudie, vergleich, Primärerhebung oder Sekundäranalyse sein. 4 Zur Auswahlebene Vollerhebung vs. Auswahlanalysen Vollerhebung: Die Summe aller Analyseeinheiten entspricht der Grundgesamtheit. Bei einer kleinen Grundgesamtheit ist eine Auswahl problematisch und kann nie repräsentative und verallgemeinerbare Ergebnisse bringen. Vollerhebung wird empfohlen, wenn

- auf die Sicherheit der Aussagen sehr viel Wert gelegt wird - Daten zur Verfügung stehen sollen, mit denen andere Stichproben verglichen und

geeicht werden können - Eine tief gegliederte Tabellenanalyse durchgeführt werden soll - Die Grundgesamtheit nicht sehr groß ist.

Auswahlanalysen:

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Repräsentative Stichproben auf der Basis der mathematischen Wahrscheinlichkeitstheorie (Stochastik). Sinnvolle Reduktion der Datenmenge.

- einfache Zufallsstichprobe: jede Einheit der Grundgesamtheit hat gleiche Chance, in die Stichprobe zu gelangen. � selten

- Wahrscheinlichkeitsstichproben: Wahrscheinlichkeit, mit der Einheit in Stichprobe gelangt, kann angegeben werden.

- Quotenauswahl: ein einzelnen Bereichen werden getrennte Stichproben gezogen. - Expertenbefragung: selektiv, willkürlich

5 Zur Aggregationsebene: Individualdaten vs. Aggregatdaten Individualdaten: Beruhen auf individuellen Objekten, Personen und Ereignissen Aggregatdaten: Zusammenfassung von Individualdaten über Merkmale von individuellen Objekten, Personen oder Ereignissen Nachteil: Forscher muss Daten akzeptieren, die er vorfindet. Vorteil: sind in viel größerem Umfang und viel einfacher und billiger erhältlich; Problem der Interaktion zwischen Forscher und Objekt wird weitgehend ausgeschaltet. Vorsicht ist geboten beim Rückschluss von Aggregatdaten auf individuelles Verhalten („ökologischer Fehlschluss“). Und umgekehrt, beim Schluss von Individualdaten auf Aggregatebene. Sowi-Untersuchung sollte nach Möglichkeit mehrere Ebenen berücksichtigen. 6 Zur Akteur/Systemebene: Unterscheidung wichtig in der Internationalen Politik Akteurperspektive: Akteure können Einzelpersonen sein, aber auch kollektive Akteure wie Regierungen, Beratergremien, supranationale Organisationen oder multinationale Konzerne. Systemische Perspektive: Die Struktur des internationalen Systems determiniert das außenpolitische Handeln der Staaten und nicht die einzelnen Akteure. In Innenpolitik und Vergleichender Politik hat Politikwissenschaften Hang zur Konzentration auf Systeme, Strukturen und Prozesse oder höchstens auf kollektive Akteure. 7 Zur Realitätsebene: Feldforschung vs. Experiment Feldforschung: Der Wissenschaftler begibt sich in die politisch-gesellscahftliche Realität und studiert sie vor Ort. Möglichkeiten: Umfragebögen, Expertenbefragung, ... Der Wissenschaftler versucht nicht, die Situation zu kontrollieren oder simulieren Experiment: Nicht prüfungsrelevant!!!!!!!!!! 1.1.5 Das Projektdesign Übersichtliche Formulierung und Niederschrift des Projekts für die Kritik der Beurteiler. (siehe S. 94 – Aufbau von Projektanträgen und S. 95 – Exposé einer wissenschaftlichen Arbeit) 1.2 Zweite Hauptstufe: Das Material

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= eigentliche Durchführung der Forschung; „Feldphase“; 4 Einzelstufen:

- Die Methodenauswahl - Die Operationalisierung - Die Datenerhebung - Die Datenauswertung

1.2.1 Die Methodenauswahl Fixierung der konkreten Methoden der Datenerhebung und Planung der praktischen Durchführung im einzelnen. 1.2.2 Die Begriffe klären und operationalisieren Zweck von Operationalisierung:

- Auswahl von Indikatoren für den theoretischen Begriff - Auswahl wird veröffentlicht und damit kritisierbar - Indikatoren werden quantifiziert, d.h. messbar

Um durch Quantifizierung zu objektivierbaren Daten zu gelangen, müssen klare Indikatoren und operationalisierbare Definitionen festgelegt werden. Operationalisieren = messbar, objektivierbar machen Der operationalisierte Begriff kann nie voll mit der Realität übereinstimmen. Deshalb müssen die Schritte der Operationalisierung immer offengelegt werden, damit sie kritisch diskutiert werden können. Auch bei einer großen Zahl von Indikatoren erhält man keine Objektivität. Mann sollte sich der subjektiven Entscheidung immer bewusst bleiben und diese der wissenschaftlichen Kritik zugänglich machen. 1.2.3 Die Datenerhebung eigentlicher Kern empirischer Forschung. Später näher erläutert. 1.2.4 Die Datenauswertung

- hermeneutische Methode - historische Methode - juristische Methode - statistische Methode

statistische Analyseverfahren erhalten am meisten Geld, Ressourcen und öffentliches Interesse. Trend zur Quantifizierung wird daher immer weiter verstärkt. 1.3 Dritte Hauptstufe: Die Lösung

- Formulierung des Berichts - Publikation - Rezeption

1.3.1 Die Formulierung des Berichts Bericht muss die Wissenschaft und/oder Praxis überzeugen von der Relevanz und Stichhaltigkeit der Forschung. Gefahr: sie durch immer neue „Vorarbeiten“ von der Formulierung des Berichts drücken und zu wenig Zeit für die Formulierung einzuplanen.

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„Don’t fake!“ Zitieren von wörtlichen und sinngemäßen Wiedergaben anderer Erkenntnisse; Nachprüfbarkeit gewährleisten, geistiges Eigentum anderer respektieren und schützen. In das Allgemeingut aufgenommene Erkenntnisse brauchen nicht mehr zitiert zu werden. „Du sollst nicht langweilen!“ Lesbarkeit von Berichten muss gewährleistet bleiben. Fachausdrücke nur verwenden wenn sinnvoll und notwendig. Nützlich, von vornherein 3 – 4 Versionen seines Textes einzuplanen. Rohversion, verbesserte Rohversion, Endversion Tips:

- beseitige Wiederholungen von Gedanken, Informationen und Ausdrücken! - Sorge für größtmögliche Klarheit - Teile lange Sätze in kurze Sätze auf - Gliedere die Sätze - Nutze Strichaufzählungen für die Übersichtlichkeit - Bemühe dich um eine gut klingende, treffende, mit Lust zu lesende Sprache

Grundaufbau:

- Einleitung: Problemanstoß, Vorgehen - Schluss: bringt Ergebnisse auf den Punkt - Anhang: Literaturverzeichnis, Anmerkungen - Hauptteil: variabel

Bericht muss mehrfach Korrektur gelesen werden. 1.3.2 Die Publikation die wichtigsten wissenschaftlichen Publikationsarten:

- wissenschaftlicher Vortrag auf einem Fachkongress: sehr aktuell - wissenschaftliche Fachzeitschrift: strenges Ausleseprinzip - wissenschaftliche Monographie: bei Dissertationen und Habilitationen vorgeschrieben.

Graue Literatur: Im Selbstverlag von einzelnen Instituten und Institutionen. Publikation, d.h. Offenlegung, Veröffentlichung, Diskussion, Debatte und Diskurs. Wissenschaft muss für Kritik offen sein. Missbrauch: Missbrauch privater, personenbezogener Daten; Verletzung der Intimsphäre der Beforschten; � Anonymisierung der Daten. Publikation wird grundsätzliche Fragen der Forschungsethik auf. (siehe S. 106) 1.3.3 Die Rezeption Publikation wird Teil des Forschungsstandes. Das Werk wird rezensiert, kritisiert, zitiert. Forschungsergebnisse wirken auch auf die breite Öffentlichkeit. Wissenschaft sollte sich daher einem emanzipatorischen Erkenntnisinteresse verpflichtet fühlen. Sich bewusst sein, dass der Einfluss eines Werkes missbraucht werden kann.

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Text 2: Theorie und Methode in der PW (Bürklin/Welzel) Methoden und Arbeitsweisen Theoretische und methodische Grundlagen der Politikwissenschaft

1. Einleitung 5 zentrale Elemente der Grundlagen der Politikwissenschaft:

- Metatheorien - Theorieansätze - Methodenorientierungen - Untersuchungsanordnungen - Forschungstechniken

2. Theorie und Methode in der Politikwissenschaft

Powi hat sich erst spät von Nachbardisziplinen emanzipiert und ist daher immer noch in deren Kontext eingebettet. Zielsetzung: Erkenntnisse über gesellschaftliche Wirklichkeit gewinnen. Wissenschaftliche Erkenntnis: basier auf objektivierbaren Informationen Methoden: Instrument, um empirische Informationen zu gewinnen. Theorien: verallgemeinernde Aussageform, in der wissenschaftliche Erkenntnisse ausgedrückt werden. Erfahrungsbezogene Theorien vs. Wissenschaftstheorien Wissenschaftstheorien = Metatheorien = Fundament der Wissenschaft. Begründen Erkenntnisprämissen und Leitbilder.

3. Metatheoretische Grundpositionen Metatheorien liegen als Grundannahmen dem Forschungsprozess zugrunde. Zweiteilung – geistes- und naturwissenschaftliche Tradition Widerspruch zwischen Verstehen und Erklären 3 zentrale Unterschiede zwischen verstehender und erklärender Position:

- theoretisches Erkenntnisinteresse - Werturteilsproblem (Auffassung über den wissenschaftlichen Stellenwert von

Sollaussagen) - Erkenntnisanspruch (Verständnis von wissenschaftlicher Wahrheit)

Drei-Schulen-Gliederung:

- Freiburger-Schule (normativ-ontologisch) � verstehen - Frankfurter-Schule (historisch-dialektisch) � verstehen - Mannheimer-Schule (empirisch-analytisch) � erklären

Unterscheidung nicht trennscharf, da Attribute keine ausschließliche Zuordnung erlauben.

3.1 „Verstehende“ Positionen

3.1.1 Theoretische Erkenntnisinteressen Zweck – gesellschaftliche Abläufe und Zustände interpretieren; den inneren Sinngehalt eines gesellschaftlichen Phänomens verstehen; � Abstraktion Beispiele: Leitbegriffe powi-Denkens: Herrschaft, Legitimität, Demokratie

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Varianten:

- ontologisch (überzeitliche ethische Grundlagen gesellschaftlichen Seins) - dialektisch (materialistische Entwicklungsprinzipien gesellschaftlichen Seins)

Beispiel S. 311 – 313

3.1.2 Werturteilsproblematik Praktisches Erkenntnisinteresse: Werte formulieren, die für die Gestaltung eines in seiner Gesamtheit idealen Gemeinwesens handlungsleitend sind. Powi = lebenspraktische Gestaltungswissenschaft, entzieht sich der Verantwortung für die politische Verwendung ihres Gestaltungswissens nicht. Ablehnung der Trennung zwischen Werturteilen und Tatsachenaussagen. Begründung: Gefahr des politischen Missbrauchs; Sollen und Sein untrennbar verwoben; wissenschaftliche Hauptaufgabe ist Aufzeigen gesellschaftlicher Werte; Normativ-ontologische Denkströmung: Geht davon aus, dass Mensch ein auf gemeinschaftliche Ordnung ausgerichtetes Wesen ist. Frage ist, welchen Werten eine Herrschaftsordnung gerecht werden muss, um das gemeinsame Wohl der Bürger zu sichern. � Gemeinwohlverständnis, dass an der Sicherung bürgerlicher Freiheiten orientiert ist. Dialektische Denkströmung: Grundverständnis basiert auf dem Begriff der Entfremdung. Herrschaftsverhältnisse werden als gesellschaftlicher Widerspruch angesehen, die die Selbstentfaltung des Menschen blockieren. � umfassende Gesellschaftskritik dialektisches Prinzip folgt immer wiederkehrendem Dreischritt:

- Ausgangspunkt ist ein stabiler gesellschaftlicher Zustand, in dem vorhandene Widersprüche sich noch nicht artikuliert haben (These)

- Diese Widersprüche lassen sich nicht unter Kontrolle halten und führen zur Bildung von gesellschaftlichen Gegenkräften (Antithese)

- Diese führen durch soziale Umbrüche zu einem neuen stabilen Zustand (Synthese).

3.1.3 Wissenschaftliche Wahrheitsverständnis Verstehende Positionen teilen eine gemeinsame Auffassung über das Verhältnis zwischen Wirklichkeit und Erkenntnis. Die Art unseres Wissens über die Wirklichkeit hängt von der Beschaffenheit der Wirklichkeit ab. Gesellschaftliche Phänomene sind das Produkt willensgeleiteter menschlicher Handlungen und enthalten daher Sinn- und Zwecksetzungen. Gesellschaftliche Phänomene wie der Staat werden durch einen übergeordneten inneren Sinn gebildet. Es handelt sich um eine andere Art von Wissen, und daher muss dieses Wissen auf anderem Wege erschlossen werden. Angemessene Erkenntnismethode ist die Hermeneutik. Hermeneutik ist ein Verfahren. Im hermeneutischen Verstehensprozess spielt Deutungskompetenz des Wissenschaftlers große Rolle. Wissenschaftler muss sich in die Rolle der von ihm untersuchten Akteure hineinversetzen. Das eigene Vorverständnis fließt aber immer in die Interpretation ein, gleichzeitig führt die Interpretation aber auch zu einer Verbesserung des Vorverständnisses. Das subjektive Verständnis passt sich so immer besser dem Sinngehalt der untersuchten sozialen Situation an.

3.2 „Erklärende“ Positionen

3.2.1 Theoretische Erkenntnisinteressen Ziel: Verallgemeinerung gesellschaftlicher Abläufe und Zustände anhand ihrer außerlich erkennbaren Merkmale zu Gesetzes- oder Regelaussagen.

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� Generalisierung beobachtbarer Merkmalskombinationen Erkenntnisinteresse: Prognosen, praktische Problemlösung; wünschbaren Sollzuständen näherkommen

3.2.2 Werturteilsproblematik Trennung zwischen Werturteilen und Tatsachenaussagen. Begründung: Befinden sich auf verschiedenen Aussageebenen. Ist unzulässig, Werturteile mit dem Anspruch auf wissenschaftliche Objektivität zu vertreten. Aber Handlungsempfehlungen sind möglich. Werte dürfen nicht als Ergebnis wissenschaftlicher Analyse ausgewiesen werden.

3.2.3 Wissenschaftliches Wahrheitsverständnis Heuristischer Standpunkt: Alles, was wir über die Wirklichkeit wissen, ist von unseren subjektiven Wahrnehmungsvoraussetzungen und nicht von den Objekten unserer Erkenntnis abhängig. Kein Wissen besteht unabhängig vom Standpunkt des Betrachters. Wissenschaftlich wahrheitsfähig sind nur die beobachtbaren und messbaren Merkmale sozialer Realität. Zur Feststellung der Gültigkeit wissenschaftlicher Aussagen ist allein die Prüfung anhand allgemein nachvollziehbarer Verfahren maßgeblich (Inter-Subjektivitäts-Bedinung) Erklärende Position fragt danach, durch welche Merkmale eine Sache hinreichend beschrieben werden kann. Leitkriterien: logische Schlüssigkeit, empirische Prüfbarkeit. Zusammenfassend: Verstehende Position: Geht davon aus, dass die Beschaffenheit gesellschaftlicher Phänomene durch spezifische Sinngehalte charakterisiert ist, die nur durch Interpretation zu verstehen sind. Methoden der Erkenntnisgewinnung müssen sich der Eigenart der Erkenntnisgegenstände anpassen. Resultat sind normative Positionen. Lehnen Trennung von reiner Erkenntnis und gesellschaftspolitischer Verwertungsmöglichkeit ab. Philosophisch-normative Fragen sind untrennbarer Bestandteil. Konflikte innerhalb verstehender Position sind gesellschaftstheoretisch-philosophisch bestimmt. Erklärende Position: Trennt strikt zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und deren gesellschaftspolitischen Verwertungsmöglichkeiten. Gesellschaftswissenschaft soll sich nicht in den Dienst der Alltagspolitik stellen. Forderung nach Inter-Subjektivität und Prüfverfahren. Methode muss unabhängig von der Eigenart ihrer variierender Objekte sein. Philosophische Fragestellungen werden ausgegrenzt. Konflikte innerhalb der erklärenden Position sind erkenntnistheoretisch-methodologisch bestimmt.

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Text 3: Politikwissenschaftliche Forschungsansätze (Bürklin/Welzel)

4. Politikwissenschaftliche Theorieansätze Theorieansatz = die auf den Untersuchungsgegenstand bezogene Betrachtungsperspektive, durch die Methodik und Theoriebildung in eine bestimmte Richtung gelenkt werden. Betrachtungsperspektiven sind durch Auswahlentscheidungen thematischer Art bestimmt. Theorieansätze liegen vermittelnd zwischen den ihnen vorgeordneten Metatheorien und den ihnen nachgeordneten Methoden. 4.1 Historisch-genetische Ansätze Einer der traditionellen Zugänge der ersten Nachkriegsjahrzehnte. Den „verstehenden“ Positionen zugerechnet. Prämisse: gegenwärtige politische Phänomene sind erst aus ihrer Entstehung und Entwicklung zu verstehen. � geeignet, geschichtliche Grundlagen aktueller Politik herauszuarbeiten. Klare Grenzziehung bzw. Gegenüberstellung Geschichte und Politik schwer möglich. Nützlich ist Ansatz, wenn er die Wirkung historischer Entwicklungen in der politischen Gegenwart aufzeigt.

- sozialgeschichtliche Studien: politische Veränderungen in den Kontext grundlegender gesellschaftlicher Entwicklungslinien stellen.

- Ideengeschichte: ideelle Wurzeln heutiger Parteiideologien oder andere Ausprägungen politischer Kultur aufzeigen.

- Zeitgeschichtliche Arbeiten: Beitrag zum Verständnis der Entstehungsgründe heutiger politischer Ordnungen.

Geschichte als Reservoir von Vergleichsfällen für die Powi. Vertreter: St. Rokkan, S. M. Lipset, 4.2 Institutionelle Ansätze „verstehend“- ontologische Strömung oft Überschneidungen mit staatsrechtlichen Fragestellungen aber politische Untersuchungen konzentrieren sich auf Gegenüberstellung von gesetzlichen Entscheidungsregeln und tatsächlichem Institutionenhandeln. Prämisse: öffentliche Entscheidungsprozesse erfolgen im modernen Staat grundsätzlich im Rahmen institutioneller Regelungen. Die Bedeutung von Institutionen wird dabei vor allem in der verhaltensstabilisierenden Wirkung ihrer Handlungsregeln gesehen. Frühere Studien: Regierungsformenlehre Später: Verfassungssystematiken, die unterschiedliche politische Ordnungsformen nach ihrer institutionellen Mechanik klassifizieren. Betrachtungsweise ist von gesellschaftlichen Konfliktlagen isoliert � Kritik von seiten des Behavioralismus. � Erweiterung: Rolle politischer Institutionen bei der Vermittlung zwischen gesellschaftlichen Konfliktlagen und staatlichen Handlungen untersuchen (Politikfeldforschung und Korporatismusforschung) � Neoinstitutionalsmus – Institutionen als vermittelndes Element zwischen gesellschaftlichen Bedingungen und politischen Handlungen. Vertreter: Karl Loewenstein, Carl Joachim Friedrich, Samuel E. Finer 4.3 Behavioralistische Ansätze

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Abkehr vom institutionellen Ansatz „erklärende“ Strömung (sehr kompromisslos) wichtig nach dem 2. Weltkrieg in den USA heute Bedeutung bei Wählerverhaltens- und politischer Kulturforschung Kernbegriff = politisches Verhalten:

- politisches Verhalten nur als Summer individueller Verhaltensweisen fassbar - Individualverhalten durch psychologische Merkmale bestimmt, die man messen kann.

Wenn wir alles über die Gesellschaft wissen wollen, müssen wir alles über die Individuen wissen. (methodologischer Individualismus) Untersuchung der sozialpsychologischen Voraussetzungen der Politik. Gesellschaftliche Verteilung individueller Wert- und Einstellungsmerkmale alsFunktionsgrundlagen politische Systeme. Erklärung politischer Prozesse durch Heranziehen individueller Einstellungsmerkmale von Machteliten. Datengewinnung durch Einsatz standardisierter Befragungstechniken. Vertreter: D. Truman, H.D. Lasswell, P. Converse, B. Berelson 4.4 Ökonomische Theorie der Politik Einsicht, dass ökonomische Prozesse angesichts der Verflechtung zwischen privaten Wirtschaftsunternehmen, gesellschaftlichen Interessensorganisationen und staatlichen Institutionen nicht mehr ohne Berücksichtigung politischer Entscheidungen erklärt werden können. Übertragung von Handlungsmodellen, die aus der Analyse nutzenorientierten Handelns gewonnen wurden, auf die Politik. Rekonstruktion der Logik politischen Handelns mittels ökonomischer Verhaltensmodelle. „erklärende“ Strömung – hochstandardisierte Methoden. Zentral ist das Prinzip der rationalen Auswahl zwischen Handlungsalternativen. (rational choice Ansätze) d.h. Individuen folgen in ihren Handlungen einer interessensbedingten Präferenzordnung von Sollzuständen. Handlungsziele werden durch Anreize (Gratifikationen) und Kosten (Restriktionen) beeinflusst. Entscheidung für jene Alternative, die das günstigste Verhältnis aus zu erwartenden Kosten und Nutzen bietet. Modelle: Spieltheorie Vertreter: A. Downs, J.M. Buchanan, M. Olson 4.5 Struktur-funktionale Ansätze “erklärend”-analytische Denkströmung, z.T. auch „verstehend“-dialektische Denkströmung steht im Widerspruch zum methodologischen Individualismus Prämissen: gesellschaftliche Phänomene tragen angesichts ihrer organisierten Komplexität grundsätzlich Systemcharakter. Systemcharakter heißt, dass sich gesellschaftliche Einheiten,

- aus interdependenten Teilsystemen zusammensetzen, die - von ihrer Umwelt abgegrenzt sind, mit ihr aber - dennoch in Wechselwirkung stehen

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Systeme zwingen individuelles Handeln durch Rollenzuweisungen in eine systemeigene Funktionslogik. Strukturen gelten in diesem Verständnis als normierte Handlungsmuster, deren Funktion in der Stabilisierung des Systems insgesamt oder in spezifischen Prozessleistungen besteht. � methodologischer Funktionalismus Prsons AGIL-Schema: A (adaption) – Funktion der Anpassung der Systemstruktur an die Anforderungen der Umwelt G (goal attainment) – Behauptung der Systemziele gegenüber der Umwelt I (integration) – Aufrechterhaltung des Zusammenhangs der Systemelemente L (latent pattern maintenance) – Bewahrung der internen Strukturmuster des Systems Funktion des politischen Systems bestehe darin, die zu gesellschaftlichen Steuerung erforderlichen Wertorientierungen und Entscheidungen zu erzeugen. Politisches System als Regelkreis, in welchem gesellschaftliche Inputs in Form von Unterstützungen und Forderungen in das politische System einfließen, um dort in staatliche Outputs an die Gesellschaft umgewandelt zu werden. Durch staatliche Leistungen gesellschaftlichen Forderungen gerecht werden = Stabilisierungsleistung Weiterführung des Modells durch G.A. Almond: Gesellschaftliche Inputseite: Interessensartikulierung, Interessensaggregierung, Kommunikation Staatliche Outputseite: Regelfindung, Regeldurchsetzung, Regelkontrolle Ausbalancierung der verschiedenen Systemfunktionen = Stabilisierungsleistung Ansatz = Orientierungsrahmen für politische Systemvergleiche; Verbesserung des Verständnis für Mechanismen, die politische Systeme zusammenhalten. Autopoietische Systemtheorie von N. Luhmann: Einzelne Teilsysteme wie Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Wissenschaft differenzieren sich innerhalb einer Gesellschaft aus und entwickeln eigene Sinnordnungen. Selbststeuerungsfähigkeit (autopoiesis) der Teilsysteme nimmt dadurch zu. Zentrale staatliche regelungsstruktur muss sich daran anpassen. These, dass gesellschaftliche Teilsysteme nicht mehr durch rational handelnde Akteure zu steuern seien, ist umstritten. Vertreter: D. Easton, G.A. Almond, Parson, N. Luhmann 4.6 Neuere Ansätze Mehr-Ebenen-Modelle: Integration der über Jahre getrennt entwickelten Traditionen von individualistischer und struktureller Theorie. Lösung des Mikro-Makro-Problems ist Ziel. Mikro-makro-Problem: Zusammenhänge, die zwischen Individuen (Mikroebene) festgestellt werden, finden sich nicht immer zwischen den Kontexteinheiten (Makroebene) wieder. � Fehlschlüsse:

- individualistische Fehlschlüsse bei Verallgemeinerungen von der Mikro- auf die Makroebene

- ökologische Fehlschlüsse bei Verallgemeinerungen von der Makro- auf die Mikroebene

neue statistische Verfahren zur Lösung entwickelt. Argument: Kontextmerkmale können deshalb keine Summe von Individualmerkmalen bilden, weil Kontextstrukturen n ur bestimmte Verknüpfungen von Individualmerkmalen zulassen.

5. Methodologische Grundlagen

5.1 Methodenorientierungen „verstehende“ Positionen � qualitative Methoden (aufgrund der Beschaffenheit sozialer Seiensbereiche) „erklärende“ Positionen � quantitative Methoden (präziserer Informationsgehalt) quantitative Verfahren arbeiten mit statistische Messmodellen alles andere sind qualitative Verfahren

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Neigung der Forscher = Methodenorientierung Methodenorientierung kann auf zugrundeliegende Begriffstypen und Aussageformen zurückgeführt werden. Qualitative Begriffstypen: Nominal Die begriffe geben Ausprägungen eines empirischen Merkmals an, die sich wechselseitig ausschließen und dabei nicht mehr als die Existenz von Gleichheit oder Ungleichheit ausdrücken. Aussageform: Klassifikationsaussagen Ordinal Die Begriffe bilden Merkmalsausprägungen ab, deren Beziehung eine Rangordnung darstellt. Aussageform: Rangordungsaussage Quantitative Begriffstypen: Metrisch Die Begriffe bringen empirische Quantitäten zum Ausdruck. Skalenwerte sind inhaltlich interpretierbar. Aussageform: Differenzaussagen Statistischer Informationsgehalt nicht von nominalen über ordinale zu metrischen Begriffen zu. Oft kann die Beschaffenheit politischer Phänomene nur durch Sinnqualitäten bestimmt werden, nicht durch Quantitäten. Lassen sich nicht in metrischen Begriffen ausdrücken. Qualitativ orientierte Politikwissenschaftler untersuchen vorwiegend nicht-metrisch strukturierte Wirklichkeitsmerkmale. Empirisches Informationsmaterial: Textdokumente Entwickelte Theorien basieren auf inhaltsanalytischen Interpretationsverfahren Quantitativ orientierte Politikwissenschaftler untersuchen metrisch abbildbare Wirklichkeitsmerkmale. Empirisches Informationsmaterial: maschinenlesbare Datensätze Entwickelte Theorien basieren aus standardisierten statistischen Rechenverfahren. Qualitative und quantitative Verfahren schließen sich nicht wechselseitig aus, sondern sind ergänzende Zugänge. Beleuchten unterschiedliche Aspekte. Bieten unterschiedliche methodologische Vorzüge: Qualitative Verfahren: weniger standardisiert; größere Flexibilität; Quantitative Verfahren: Standardisierung, befähigt zu strengen Prüfung präziser Hypothesen. � kombinierte Verfahren: Ethnomethodologie; hermeneutisch-klssifikatorische Inhaltsanalyse.

5.2 Induktion und Deduktion Induktion: einzelne Beobachtungen zu theoretische Hypothesen oder Theorien verallgemeinern Deduktion: aus Theorien oder theoretischen Hypothesen konkrete Sachverhalte oder Aussagen anleiten Induktives design � explorativer (suchender) Zugang; gelangt durch Beantwortung von Forschungsfragen zur Theoriebildung Deduktives Design � konfirmatorischen (prüfenden) Zugang, trägt durch Test alternativer Hypothesen zur Theoriefortbildung bei. Forschungsablauf (siehe S. 335) Wenn keine geeignete Theorien vorliegen � induktive Untersuchungsanordnung Wenn Theorien vorhanden sind � deduktive Untersuchungsanordnung Induktion und Deduktion schließen sich nicht gegenseitig aus.

5.3 Forschungstechniken Methoden gliedern sich in 2 Arbeitsschritte: Erhebung und Analyse von empirischen Informationen. Schritte unterliegen Regeln, den Forschungstechniken Alle Forschungstechniken können qualitativ oder quantitativ sein.

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Erhebungstechniken Gewinn empirischer Informationen durch Auswertung von Textdokumenten, Statistiken, durch Befragung, Beobachtung, Experiment. Bei Befragung, Beobachtung und Experiment können genau die infos erhoben werden, die erforderlich sind. Bei Dokumenten und Statistiken ist man auf bereits aufgezeichnetes Material angewiesen. Anforderungen an Erhebungstechniken:

- Reliabilität (Verlässlichkeit): durch Wiederholung der gleichen Erhebungsprozedur werden die gleichen Informationen erzeugt.

- Validität (Gültigkeit): es werden die Merkmale erfasst, die zur Beantwortung der Forschungsfragen erforderlich sind.

Befragung Wichtigste Erhebungstechnik zur Gewinnung von Individualdaten Expertenbefragung: Befragung einer kleinen Zahl von Sachverständigen, z.B. Elitenbefragung Bevölkerungsumfrage: Befragung einer repräsentativen Stichprobe der Bevölkerung; Schluss auf die Grundgesamtheit (Repräsentationsschluss) Beobachtung Forscher verfolgt ein zu untersuchendes Geschehen direkt mit. Konstruktion eines Beobachtungsleitfadens. Geeignet zur Erhebung von Info über institutionelle Entscheidungsprozesse. Es gibt offen und verdeckte, teilnehmende und nicht-teilnehmende Beobachtung Experiment Infogewinn aus Versuchen, in denen der Forscher die Randbedingungen der Versuchsanordnung kontrolliert In der powi von untergeordneter Bedeutung 2 weitere Arbeitsschritte der Erhebung von Info: Kategoriebildung die interessierenden Merkmale des Untersuchungsgegenstandes nach inhaltlich sinnvollen Ausprägungen aufschlüsseln und mit verbalen und/oder numerischen Kategorien versehen. Operationalisierung Den interessierenden Merkmalen des Untersuchungsgegenstand empirische Indikatoren zuweisen, anhand derer die Merkmalsausprägungen identifiziert werden können. Wichtig, dass alle denkbaren Ausprägungen vollständig erfasst werden, sich gegenseitig ausschließen und aus demselben Unterscheidungskriterium gebildet werdn. Analysetechniken Inhaltsanalytische Interpretationsverfahren (qualitativ) Richten sich auf empirische Infos, die in überlieferten Textquellen dokumentiert sind. Durch hermeneutische Interpretationsverfahren wird versucht, den Sinn des Textinhalts in bezug zur historisch-politische Situation zu entschlüsseln. Statistische Rechenverfahren (quantitativ) Setzt numerisch kodierte Info voraus. Es lässt sich die Stärke von Merkmalszusammenhängen berechnen. Beispiele: Regressions-, Varianz- und Faktorenanalyse Ziel einer Untersuchungsmethode

- Beschreiben von Zusammenhängen zwischen den interessierenden Merkmalen in Protokollsätzen

- Ziehen von theoretisch verallgemeinernden Schlussfolgerungen aus den Zusammenhängen

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Zusammenfassung Skript Methoden September 2005

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5.4 Der Vergleich als allgemeine Methode

5.4.1 Der methodische Status von Vergleichen Vergleich = Quasi-Experiment, da kontrolliertes Experiment in powi kaum durchführbar.

5.4.2 Die Logik von Vergleichen Möglichst viele Fälle werden unter möglichst ähnlichen Randbedingungen verglichen (ähnliche Logik wie bei Experiment) Im allgemeinen werden ausgesuchte Fälle auf Merkmale untersucht, deren Bedingtheit im Rahmen eines Forschungsproblems interessiert. Merkmale = abhängige Variablen. Die vermuteten Bestimmungsgrößen auf die abhängigen Variablen = unabhängige Variablen Auswahl von Fällen, bei denen die Ausprägung der unabhängigen Variablen voneinander abweichen um Einfluss der unabhängigen Variablen prüfen zu können. Kann Zusammenhang festgestellt werden, muss Prüfung auf Konstanz der Rahmenbedingungen durchgeführt werden. Die nachgewiesenen allgemeinen Zusammenhänge gilt es zu interpretieren.

5.4.3 Prüfung von Alternativhypothesen Siehe S. 340 - 341 Formulierung von zwei alternativen Hypothesen:

- Nullhypothese: kein Zusammenhang - Zusammenhangshypothese: positiver oder negativer Zusammenhang

Vor der Hypothesenüberprüfung, müssen Variablen durch Indikatoren operationalisiert werden.

5.4.4 Drittvariablenkontrolle Die Zusammenhangsvermutung kann erst bestätigt werden, wenn gesichert ist, dass man die Wirkung der unabhängigen Variablen isoliert von den Einflüssen dritter Variablen erfasst hat. � Verfahren der Drittvariablenkontrolle siehe S. 341 – 342 kann intervenierende Variablen geben

5.4.5 Theoriebildung und Handlungsempfehlungen Siehe s. 342

6. Schlussfolgerungen Es bestehen Verbindungen von einzelnen Metatheorien zu jeweils bestimmten Theorieansätzen, Methodenorientierungen und Forschungstechniken. (siehe S. 343, 344) Verstehende Positionen historisch.genetische und institutionelle Ansätze ontologische Denkströmung – ideengeschichtliche und institutionenrechtliche Aspekte dialektische Denkströmung – sozialgeschichtliche und ideologiekritische Aspekte qualitative Methodenorientierung erklärende Positionen Ansätze des methodologischen Individualismus Polit-ökonomische und behavioralistische Ansätze Quantitative Ausrichtung, statistische Rechenverfahren Keine starren Abgrenzungen

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Text 5: Methoden der Datenerhebung – Überblick (Patzelt) Die Methoden der Politikwissenschaft

1. Theorien, Forschungsansätze und Methoden Theorien: Gefüge von Aussagen, die eine bestimmte Perspektive festlegen, in der ein Gegenstandsbereich betrachtet wird. Stellen Begriffe zur Beschreibung bereit. Benutzung einer bestimmten Theorie prägt die Erforschung eines Gegenstandsbereichs nachhaltig. Forschungsansätze = Verbindungen von Theorien und Methoden die benutzte Theorie lenkt das Untersuchungsinteresse auf bestimmte Bereiche des Gegenstands und erzwingt damit die Nutzung bestimmter Theorien. Die Theorie legt fest, was im einzelnen untersucht werden muss, und die dergestalt ausgewählten Untersuchungsgegenstände bestimmen dann ihrerseits die konkret anzuwendenden Methoden. Methoden = die konkreten Verfahren der Informationsgewinnung (Datenerhebung) durch Dokumentanalyse, Befragung, Beobachtung, Experiment und Simulation, oder der Informationsauswertung (Datenanalyse) durch die Nutzung der hermeneutischen Methode, der historischen Methode, der juristischen Methode oder der statistischen Methode. Arbeits- bzw. Forschungstechniken z.B. konkrete Vorgehensweise, um die bei Interviews erhaltenen Antworten aufzuzeichnen. Arbeitsinstrumente z.B. Fragebogen, Datenbankprogramme, PC

2. Die Methoden der Datenerhebung a. Daten und Methoden Methoden der Datenerhebung

- Dokumentanalyse - Befragung - Beobachtung - Experiment - Simulation

Daten werden erzeugt, indem die getätigten Beobachtungen aufgezeichnet werden. Daten sind somit nichts „gegebenes“, sondern etwas „Erzeugte“. Forschungsleitende Theorie: legt fest, welche Sachverhalte beobachtet und aufgezeichnet werden müssen Beobachtungstheorie: gibt an, ob man wirklich die interessierenden Sachverhalte beobachtet und sie korrekt aufzeichnet. Niemals sprechen Beobachtungen und Zahlen für sich: die in ihnen geborgenen Infos können nur anhand von Beobachtungstheorien entschlüsselt und mittels der forschungsleitenden Theorie(n) interpretiert werden. Individualdaten: Info über Beschaffenheit einzelner „Untersuchungseinheiten“ Aggregatdaten: Info über Beschaffenheit von Gruppen von Untersuchungseinheiten Von Aggregatmerkmalen kann nicht auf Individualmerkmale geschlossen werden („ökologischer Fehlschluss“) Konkrete Auswahl der jeweils anzuwendenden Methoden hängt von der Forschungsfrage ab. Forschungsfrage � Auswahl untersuchungsleitende Theorien � Forschungsgegenstände � Methoden der Datenerhebung = eine Einheit

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b. Dokumenten- und Inhaltsanalyse Dokumente = Dinge, die Infos bergen, welche für die Beantwortung der Forschungsfrage oder für die Lösung eines gestellten Problems nützlich sein können. Dokumente

- Texte aller Art - Bild- bzw. Tondokumente - Gegenstände - Sachverhalte, Zustände

Textauswertung � Bibliographieren Auswertung von Bild-, Film- oder Tondokumenten � Archivrecherchen, Gespräche mit Fachleuten Auswertung von Gegenständen � entweder reichen Beschreibungen und Fotos aus, oder Gegenstand selbst muss besorgt werden Auswertung von Sachverhalten oder Zuständen � über sie informierende Dokumentationen oder Beschreibungen Anzahl Dokumente sehr gering � alle untersuchen Anzahl Dokumente groß � entweder schrittweise Anzahl Dokumente erhöhen, bis keine überraschenden Infos mehr („Theoriegesteuertes Auswahlverfahren“), oder von vornherein ein Auswahlverfahren anwenden, das zutreffende Schlüsse von der untersuchten Stichprobe auf die interessierende Grundgesamtheit zulässt. Inhaltsanalyse Arbeitsinstrumente

- Analyseleitfaden - Inhaltsanalytisches Kategorienschema

Analyseleitfaden Liste von Fragen, mit welchen an die zu analysierenden Texte herangetreten wird. Inhaltsanalytisches Kategorienschema Enthält eine Reihe von Begriffen („Kategorien“), denen Textpassagen zugeordnet werden � Codierung Kategorien = Codes Wege zur Erarbeitung eines Kategorienschemas:

- induktives Vorgehen: wenig Vorwissen; Entwicklung von Kategorien in einem ersten Arbeitsdurchgang

- deduktives Vorgehen: Kategorien werden von Anfang an festgelegt bedarf einer Beobachtungstheorie: Annahmen darüber, welche Textpassagen welchen Kategorien zugeordnet werden. Intra-Reliabilität: ein Codierer ordnet immer wieder die gleichen Textpassagen den gleichen Codes zu. Inter-Reliabilität: verschiedene Codierer ordnen unabhängig voneinander gleichen Textpassagen den gleichen Code zu. = Maß für Verlässlichkeit der Codierung siehe S. 201 Sekundäranalyse: systematische Entnahme von Info aus Literatur, oft anhand eines Kategorienschemas Ergebnisse der Inhaltsanalyse werden entweder in Form von frei formulierten Antworten auf die Fragen des Analyseleitfadens oder als Eintragung auf ein Formblatt festgehalten, welches das Kategorienschema wiedergibt. c. Befragung

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Infogewinn durch Befragung von Personen Instrumente: Fragebogen, Interviewleitfaden Tatsächlich gestellte Fragen sind nur Mittel zum Zweck, dass die Befragten die Info preisgeben, di man erlangen will, um Forschungsfrage zu beantworten. Man käme nicht sehr weit, würde man auf die Benutzung detaillierter Fragen als „Mittel zum Zweck“ verzichten und statt dessen die zu untersuchenden Personen direkt die Forschungsfrage fragen. (Was für eine politische Einstellung haben Sie eigentlich?) Ausarbeitung eines Interviewleitfadens oder Fragebogens ist daher ein anspruchsvoller, korrekturbedürftiger und folgenreicher Prozess. Neben der Formulierung muss auch die Reihenfolge der Fragen bedacht werden: jede Frage stiftet einen Verständnishorizont für die folgende Frage. 2 Grundformen der Befragungsmethoden:

- Expertenbefragung: Befragung von Menschen, die über Gegenstandsbereich besonders gut Bescheid wissen

- Umfrage: gesuchte Info sind persönliche Meinungen, Wertungen, Wissensbestände oder Erinnerungen.

Befragungstechniken:

- Vollstrukturiertes Interview: Fragebogen legt Fragen und ihre Reihenfolge wörtlich fest (Interviewer kann Antworten auf Fragebogen schnell festhalten)

- Halbstrukturiertes Interview: Leitfadengeführtes Interview; Interviewer kann flexibel auf Befragten eingehen. (Aufzeichnung auf Band)

- Realkontaktbefragung: Interviewer schlüpft in die Rolle, in der dem Befragten üblicherweise solche Personen begegnen, die von ihm Auskunft wünschen. Durchführung verdeckter Interviews. (Gespräch anschließend aus dem Gedächtnis festhalten)

- Gruppeninterview: Antworten der Befragten nehmen wechselseitig auf sich Bezug. Infos über strukturelle Zusammenhänge zwischen Wissensbeständen, Meinungen, Wertvorstellungen, Wünschen, Gefühlen, Denkweisen und Sinndeutungen lassen sich besser als in Einzelinterviews erlangen (Band- oder Videoaufzeichnung; Gedächtnisprotokoll)

- Gruppendiskussion: Gruppe von Personen wird zu einer thematisch gelenkten Diskussion gebracht. Gelingt es, die Diskussion anzuheizen, so lassen sich Schranken der Selbstkontrolle durchbrechen und ansonsten ungeäußerte Ansichten erfahren. Vgl. Experiment (Band- oder Videoaufzeichnung; Gedächtnisprotokoll)

- Schriftliche Befragung: meist mit Begleitschreiben des Forschers, der den Befragten zur Ausfüllung und Rücksendung des Fragebogens motivieren will. Wesentlicher Bestandteil dieser Methode. (Befragte hält seine Angaben selbst fest)

d. Beobachtung wird angewandt, wenn die zu erlangenden Infos in beobachtbaren Verhaltensweisen bestehen und man es nicht mit durch Befragungsmethoden zu erlangenden Berichten über solches Verhalten bewenden lassen will. Arbeitsinstrumente:

- Beobachtungsleitfaden: lenkt durch konkrete Anweisungen die Aufmerksamkeit des Beobachters auf Sachverhalte, auf die sich die zu beantwortende Forschungsfrage bezieht.

- Beobachtungsschema: zusätzlich kann getätigte Beobachtung durch Ankreuzen vorgegebener Kategorien sofort festgehalten werden. Erarbeitung kann induktiv oder deduktiv erfolgen.

Formen der Beobachtungsmethoden:

- offene vs. Verdeckte Beobachtung: offen – Beobachtete wissen, dass sie beobachtet werden; führt zu Veränderungen ihres Verhaltens; verdeckt – Beobachter nimmt Rolle ein, in der niemand bemerkt, dass er die anderen beobachtet.

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- Teilnehmende vs. Nicht-teilnehmende Beobachtung: teilnehmend – Forscher beteiligt sich an den Handlungen der Beobachtetet; intensiverer Kontakt; Veränderung; nicht-teilnehmend – Forscher mischt sich nicht ein; kann zu Irritationen bei Beobachteten führen, wenn es keine nicht-teilnehmende Rolle im Geschehen gibt;

Kombinationen möglich. e. Experiment nicht prüfungsrelevant???

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Text 6: Befragung I (Atteslander) Befragung 1.1 Allgemeines Antworten beziehen sich auf erlebte und erinnerte soziale Ereignisse, stellen Meinungen und Bewertungen dar. Die Befragung erfasst nicht soziales Verhalten insgesamt, sondern lediglich verbales Verhalten. Repräsentative Umfragen sind das rationellste Mittel, um an einigermaßen verlässliche Infos zu gelangen. Oft werden Umfrageergebnisse überschätzt. Es kommt zu Fehldeutungen durch unkritische oder verkürzte Wiedergabe von Umfragedaten. Durchführung wird immer schwieriger, stößt auf Ablehnung. Klassische Befragung wird immer seltener und durch Telefonbefragung ersetzt. 1.2 Alltägliche Befragung – wissenschaftliche Befragung 1.2.1 Alltagsgespräche als Austausch von Infos Die meisten Gespräche im Alltag sind ein Austausch von gegenseitigen Mitteilungen. Nichtverbale Äußerungen, wie Erscheinung oder Mimik des Gesprächspartners, beeinflussen das Verhalten der Menschen. Alltägliche Befragung: Person X tritt an Person Y heran, um sich die nötigen Infos zu verschaffen. Dient bewusst oder unbewusst individueller Problemlösung.

- alltägliche Befragung ist ein sozialer Vorgang - Alle Befragungen sind zielgerichtet. - Zur Situation Befragung zählen wir verwendete Mittel (Sprache) und die unmittelbare

Umwelt (z.B. Räumlichkeit, Zeitdruck, andere anwesende Personen, ...) 1.2.2 Kriterien der Wissenschaftlichkeit

- systematische Vorbereitung (auch bei alltäglichen Befragungen) - Zielgerichtetheit (auch bei alltäglichen Befragungen) - Theoriegeleitete Kontrolle der gesamten Befragung

Aufgaben der Kontrolle:

- Einsatz der Befragung als wissenschaftliche Methode gewährleisten - Feststellen , inwieweit die Ergebnisse von den Bedingungen, unter denen die

Befragung stattgefunden hat, beeinflusst worden sind. 1.3 Interview als soziale Situation Jede Befragung stellt eine soziale Situation dar. Gegenseitige Erwartungen, Wahrnehmungen aller Art beeinflussen Verhalten und verbale Reaktion. Eine Totalkontrolle der sozialen Situation Interview ist nicht möglich. Umso wichtiger zu wissen, was als wesentlich anzusehen ist, was unbedingt so gut wie möglich kontrolliert werden müsste. Interviewer kann bewusst oder unbewusst Antworten beeinflussen und verzerren. 1.3.1 Stimulus-Reaktions-Modelle S � R-Modell Annahme, dass ein direkter, ausschließlicher Zusammenhang zwischen Stimulus und einer bestimmten Reaktion besteht. Höchstmögliche Kontrolle des Stimulus Frage oder Fragebogen, um die Verlässlichkeit der Reaktion zu gewährleisten. Die Beeinflussung durch die soziale Situation Interview wird als Störfaktor angesehen, des es zumindest als konstant zu halten gilt.

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S � P � R-Modell P = Person Annahme, dass zwingende und unmittelbare Beziehung zwischen Stimulus und Reaktion im Allgemeinen nicht bestehen. Stimulus wirkt immer in einer Umgebung, auf die das Individuum bewusst oder unbewusst als Ganzes reagiert. Empfindungen, Ängste, Erwartungen beziehen sich nicht nur auf die Frage selbst, sondern auf die gesamte Befragungssituation. Die Reaktion des Befragten kann nicht nur durch Vergangenes, sondern auch durch Überlegungen, die die Zukunft betreffen beeinflusst werden: “Was erwartet der Befrager von mir, und wie wirkt meine Antwort auf ihn?“ Modell erfasst die Interviewsituation als Reaktionssystem (siehe S. 119) Ein Befragter deutet den Reiz, bewertet ihn und überlegt eine Antwort. Jeder dieser Schritte ist insgesamt von Vorstellung und Erwartungen, mithin von internalisierten sozialen Normen beeinflusst. Diese Einflüsse werden nicht mehr als Störfaktoren, sondern als Bedingungen der Reaktionsermittlung überhaupt angesehen. � die gesamte Situation des Interviews ist einer systematischen Kontrolle zu unterziehen. Was im Befragten tatsächlich vor sich geht, kann nur hypothetisch und analytisch dargestellt werden. Verstehen, Bewerten und Urteilen sind stark untereinander verbunden, beeinflussen sich gegenseitig. Weitgehend unterforscht blieb bisher die Funktion der Sprache im Interview. Vor Befragungen muss der Sprachgebrauch der Untersuchenden geklärt werden. Für ein und denselben objektiven Befund ergeben sich vielfach höchst unterschiedliche Worte und Beschreibungen. Sie sind durch Herkunft, soziale Lage, Erfahrung, Bildungsstand geprägt. Eine Antwort, wie immer sie zustande gekommen ist, kann also nur innerhalb eines fundierten und nachvollziehbaren Bezugsrahmens interpretiert werden. S. 122ff – Beispiel Normensyndrome

- gesamtgesellschaftliche Normen - gruppenspezifische Normen - interviewspezifische normen

S.124, S. 125 - Grafik Bei Verwendung eines S � R-Modell steigt die Gefahr, dass Antwortungen Bedeutungen zugemessen werden, die ihnen nicht zukommen. 1.3.2 Verbindliche und unverbindliche Meinungen Gibt Antworten unterschiedlicher Verbindlichkeit s. 125f – Beispiel Vom erlebten Verhalten kann nicht ohne weiteres auf die Meinungsstruktur geschlossen werden. Allgemeine Fragen in Befragungen werden oft als völlig unverbindlich erlebt. (S. 126 –127) Je allgemeiner die Fragen, desto unverbindlicher die Antworten und desto weniger Betroffenheit ist die Folge. Latente Überzeugungen bedürfen eines Anlasses, um explizit, d.h. beobachtbar oder befragbar zu werden. � Frage nach dem Grad der Zentralität Unter Zentralität ist zu verstehen einerseits der Grad der Betroffenheit, andererseits der Bezug zu wesentlichen existentiellen Überzeugungen und Glaubensvorstellungen. Je höher der Grad der Zentralität, desto wahrscheinlicher auch die Übereinstimmung zwischen geäußerter Meinung und effektivem Verhalten. Bei der Planung der Befragung ist zu klären, welche Zentralität der zu erhebenden Meinungen angestrebt wird. Bei der Analyse der Antworten ist zu prüfen, welcher Grad an Zentralität ihnen zugerechnet werden kann. (S. 128)

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1.3.3 Meinungen als Artefakte Ziel jeder Befragung ist die Erhebung tatsächlicher Meinungen und nicht deren Herstellung. Artefakt = die durch das Instrument eingeschränkte oder provozierte Meinungsäußerung Artefakte liegen immer dann vor, wenn

- Begriffe Verwendung finden, die vom Befragten nicht verstanden werden - Sich der Antwortende bedroht fühlt (aus Unsicherheit, Unwissenheit) - Durch die Frage eine willkürliche Eingrenzung erfolgt - Hypothetisches erfragt wird.

Es ist das Ziel von Befragungen, Menschen zum Antworten zu beeinflussen. Daher weisen alle Befragungen einen mehr oder minder hohen Grad an Künstlichkeit auf. Fragen haben auch die Aufgabe, aus latenten Einstellungen Meinungen ins Bewusstsein zu bringen. Es geht vor allem um das Feststellen des Ausmaßes an Künstlichkeit, also um die systematische Kontrolle der Abläufe. Beispiele S. 129 – 134 In der Praxis werden sehr oft ausgewertete Antworten präsentiert, die einen Rückschluss auf ihr Entstehen nicht erlauben, die auch zu politisch scherwiegenden Fehleinschätzung und Fehlentscheidungen führen können. Es ist eine Norm entstanden, als müsste man zu den befragten Themen stets eine Meinung äußern. Aber: außer bei Befragungen äußern viele Menschen zu vielen Themen kaum eine Meinung, weil sie dies nicht können oder nicht wollen. Zusammenfassend: In der Praxis wird eher nach dem traditionellen, eingeschränkten S � R-Modell gearbeitet, während die Forschung nach Prinzipien von S � P � R-Modellen erst am Beginn steht. Aber die Einsicht, die soziale Situation als Ganzes unter wissenschaftliche Kontrolle zu bringen, wächst. Motivation ist asymmetrisch verteilt: Der Interviewer ist stärker interessiert, Antworten zu erhalten, als der Befragte, solche zu geben. Je größer das Ungleichgewicht, desto größer die Möglichkeit einseitiger Beeinflussung. Ziel einer Befragung muss sein, eine möglichst hohe Gemeinsamkeit in der Kommunikation zu erreichen. Eine solche ist Indiz dafür, dass das Ungleichgewicht die Motivation verringert und die Gültigkeit einer Meinungsäußerung höher wird. Je geringer der Grad der Gemeinsamkeit der Kommunikation, desto selektiver die Reaktionen. Je höher der Grad der Gemeinsamkeit der Kommunikation, ein umso größerer Reaktionsspielraum ergibt sich. Je mehr eigene Erfahrungswelt in die Antwort einfließen kann, desto höher der Reaktionsspielraum. Je geringer der Grad der Gemeinsamkeit ist, desto asymmetrischer ist die Motivation der Beteiligten. (S. 137) Strukturmerkmale beziehen sich immer auf die gesamte soziale Situation Interview. Die mehr oder weniger starke Strukturiertheit des Instrumentes Fragebogen ist nur ein Teil der Strukturiertheit des gesamten Interviews. Daraus folgt, dass einmal mehr von der Strukturiertheit des gesamten Interviews. Daraus folgt, dass einmal mehr von der Strukturiertheit des Instrumentes und dessen Kontrolle im Forschungsverlauf noch nicht auf die Strukturiertheit der sozialen Situation Befragung geschlossen werden darf. 1.4 Formen der Befragung Instrumentalisten vs. Interaktionisten Instrumentalisten Auffassung entspricht einem S � R-Modell. Wesentlich ist die Perfektionierung des Instrumentes Fragebogen

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Interaktionisten Auffassung entspricht S � P � R-Modell Annahme, dass Sinn von Gesprächen und auch die Reaktionen auf Fragen nur im je einzelnen Kontext einer ganz bestimmten Situation verstehbar. Im Interview ergibt sich eine verbale Vieldeutigkeit, die der Tatsache entspricht, dass die soziale Realität nur in seltensten Fällen verbal eindeutig erfasst und wiedergegeben werden kann. Es sind einzelne Antworten nie als isolierte Daten zu werten, sondern vornehmlich als Hinweise auf Zusammenhänge. Interview strukturiert sich nicht selbst, braucht Strukturierung Weder Befrager noch Befragter sind ohne Interesse an der Situation. 1.4.1 Vom wenig strukturierten zum stark strukturierten Interview Siehe S. 139 – Grafik „Typen der Befragung“ Unterscheidung: wenig strukturiert – teilstrukturiert – stark strukturiert Gibt keine soziale Situation ohne Struktur Wenig strukturiertes Interview Kontrolle wird Interviewer übertragen. Kein Fragebogen � hoher Freiheitsspielraum, flexible Gesprächsführung Ziel ist, Erfahrungsbereich des Befragten zu erkunden � Interviewer hört vor allem zu. Die jeweils nächste Frage ergibt sich aus den Aussagen des Befragten. Sorgfältige Schulung des Forschers ist Voraussetzung. Er hat die Aufgabe, den Infofluss, das Gespräch, in Gang zu halten. Stark strukturiertes Interview Konstruktion eines Fragebogens. Fragebogen schränkt Freiheitsspielraum des Interviewers und des Befragten stark ein. Fragebogen legt Inhalt, Anzahl und Reihenfolge der Fragen fest. Dauer eines Interviews sind, durch die nachlassende Aufnahmefähigkeit des Befragten sowie dessen nachlassende Antwortbereitschaft, natürliche Grenzen gesetzt.30 – 60 Minuten sind in der Regel zumutbar. Teilstrukturiertes Interview Gespräche, die aufgrund vorbereiteter und vorformulierter Fragen stattfinden, wobei die Abfolge der Fragen offen ist. Benutzung eines Gesprächleitfadens. Stark strukturierte Befragungen sind ohne vorherige wenig- oder teilstrukturierte Befragungen undenkbar. Es gibt viele Situationen, in denen es weder sinnvoll noch möglich wäre, mit stark strukturierten Befragungen zu operieren. 1.4.2 Kommunikationsart: mündlich – schriftlich Oft ist nur mündliche Befragung möglich, etwa bei qualitativen Erhebungen in der persönliche Kontakt unverzichtbar. Aus Kostengründen wird oft schriftlich befragt. Interviewer stellt bei der persönlichen Befragung sowohl einen Verzerrungsfaktor (er nimmt Einfluss auf Gesprächsverlauf) dar, übernimmt aber auch Regel- und Kontrollfunktionen. Es sind auch Kombinationen aus mündlicher und schriftlicher Befragung möglich. Etwa wenn schriftliche Vorlagen sind von Befragten mündlich zu beantworten. 1.4.2.1 Interviewerverhalten: weich, hart, neutral Weiches Interview (non-directive method)

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Interviewer muss Gedankengang des Befragten folgen; darf nicht versuchen, Gegenstand zu wechseln; darf Gespräch nicht unterbrechen; muss aufmerksam zuhören; Befragter bestimmt Gang des Gesprächs; Interviewer ist zurückhaltend, redet nicht viel; Reaktionsmöglichkeiten des Befragten sind sehr hoch; höchstmögliche Übereinstimmung der Kommunikationsbereiche; Hartes Interview Fragen so schnell stellen, wie sie der Proband irgendwie auffassen und beantworten kann. Zwang zu spontanen Antworten ohne viel Überlegungen. Wirksames Mittel, um Schwindeleien aufzudecken. Es ist leicht, „nein“ zu sagen, wenn man nur fragt, ob eine bestimmte Betätigung jemals ausgeübt wurde. � Frage, wann diese Betätigung zuerst angefangen wurde. Weniger Grund es abzuleugnen. = „Verhörtechnik“ Situation wird sehr stark strukturiert. Neutrales Interview Gefühle in der Beziehung zwischen Interviewer und Befragtem sollen möglichst ausgeschaltet werden. = Versuch, die Vergleichbarkeit der Infos zu erhöhen. Aber: es gibt in menschlichen Beziehungen grundsätzlich keine Neutralität. Interviewer kann nicht verhindern, dass sich Befragter Vorstellung von ihm macht. Gelockerte Form des neutralen Interviews: Interviewer soll seriösen Eindruck machen, den Befragten ernst nehmen. Soll keinen zu steifen Eindruck machen, sondern echtes Interesse zeigen. Interviewer darf kein Befremden oder Missbilligung und auch keine enthusiastische Zustimmung zeigen. 1.4.2.2 Schriftliche Befragung Vorteile:

• kostengünstiger, • weniger Zeitaufwand, • weniger Personalaufwand, • gleichzeitig größere Zahl von Befragten, • Interviewer fällt als Fehlerquelle, aber auch als Kontrollinstanz weg.

Nachteile:

• Befragungssituation ist kaum kontrollierbar; • andere Personen können Antworten beeinflussen; • jede Frage muss zweifelsfrei verständlich sein; • komplizierte Fragestellungen von vornherein ausgeschlossen; • großes Risiko unvollständiger Antworten; • Zahl der Ausfälle meist groß

Schriftlicher Fragebogen eignet sich nicht für schreib- und denkungewandte Personen. Erfassung spontaner Antworten nicht möglich. Begleit- und Einführungsbrief ist nötig. Fragebogen muss leicht ausfüllbar sein. Hinweis auf Anonymität darf nicht fehlen. Rücksendung des Fragebogens muss leicht möglich sein (Beilage eines adressierten und frankierten Briefumschlags) 1.4.2.3 Telefoninterviews Kostensparendes, zeitlich effizientes Verfahren. Vorteile:

• Erhöhte Erreichbarkeit • Rasche Verarbeitungsmöglichkeit der erhaltenen Daten • Relativ rascher Ersatz für Ausfälle

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Nachteile:

• Erschwerte Kontrolle der Situation Interview (Wer antwortet wirklcih?) • Erinnerungsstützen etwa durch Vorlage von Tabellen entfallen • Begrenzung auf relativ einfache Fragegegenstände • Fast gänzliche Ausrichtung auf stark strukturierte Stimuli

Bedingungen für Gestaltung des Fragebogens:

• Muss Bereitschaft zur Teilnahme wecken • Muss Aufmerksamkeit des Befragten für die Gesamtdauer des Interviews aufrechterhalten

können • Muss leicht handhabbar sein • Muss es dem Befragten leicht machen, dem gesamten Interview zu folgen

Blitzumfragen bergen Gefahr der Beeinflussung von Meinungsstrukturen. 1.4.3 Anwendungsbereiche einzelner Befragungstypen 1.4.3.1 Offene Konzepte – wenig strukturierte Befragung Verwendung zur Klärung von Zusammenhängen. Explorative Ziele werden im informellen Gespräch, bei Experteninterviews und Gruppendiskussionen verfolgt. Wichtiges Instrument bei qualitativ ausgerichteter Forschung Sieben Punkte, die zu beachten sind:

1. Abgrenzung des Problems: genauere Abgrenzung des Problems vor der Durchführung der eigentlichen Erhebung.

2. Abfolge der Fragen: Einige Fragen als Anlaufphase. Entscheidende Fragen sollten nicht gleich zu Anfang gestellt werden, sondern eingeleitet werden.

3. Relevante Antwortkategorien: Überprüfung der Vollständigkeit und Klarheit der angenommen Antwortkategorien durch wenig strukturierte Interviews.

4. Reichweite der Antwortkategorien: bezieht sich auf den qualitativen Aspekt der Antwortkategorien.

5. Auffinden der richtigen Informanten: 6. Sprachliche Besonderheiten: soziale Gruppen entwickeln sprachliche Besonderheiten, die es

Außenstehenden oft schwer machen, mit solchen Gruppen ins Gespräch zu kommen. 7. Hemmschwellen der Kommunikation: oft werden Fragen nicht oder bewusst falsch

beantwortet, weil bei den Befragten individuelle oder soziale Hemmschwellen bestehen. Bei Experteninterviews sprechen wir mit Menschen, die entweder im Umgang mit unseren Probanden Erfahrungen haben oder die über unseren Forschungsgegenstand besondere und umfassende Erfahrungen haben. 1.4.3.2 Befragung in Gruppen Gruppenbefragung: z.B. ein Fragebogen wird in Gruppensituation unter Anwesenheit eines Forschers beantwortet. Gruppeninterview: der Interviewer lässt nach einem offenen Konzept Fragen in einer Gruppensituation beantworten. Gruppendiskussion: vom Forscher beobachtete, von ihm höchstens ausnahmsweise durch Fragen beeinflusste freie Interaktion der Gruppenmitglieder zu einem gestellten Thema. Mit Hilfe von Gruppendiskussionen können bewusst bestimmte Hemmschwellen abgebaut werden. Gruppendiskussionen können spontan entstehen oder durch den Froscher angeregt werden. Gruppendiskussionen unterscheiden sich von Gruppenbefragungen u.a. dadurch, dass die Teilnehmer nicht nur Fragen des Forschers beantworten, sondern solche selber stellen. Interaktion führt zu Manifestierung von Auffassungen und Normen, die nicht als Reaktion auf Stimuli von außen entstehen. 1.4.3.3 Leitfaden-Befragung

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Einzelpersonen werden mündlich anhand von Leitfaden befragt. Intensivinterview: Voraussetzung ist eine besonders hohe Bereitschaft des Befragten. Wird dort angewendet, wo besondere individuelle Erfahrungen zu eruieren sind. Leitfadengespräche dienen zur Hypothesenentwicklung. Wesentlich ist die Fähigkeit des Forschers, zentrale Fragen im geeigneten Moment zur Diskussion zu stellen. Wichtig, in allen Gesprächen eine Reihe von Schlüsselfragen oder Eventualfragen zu stellen. Wiedergabe: Notizen des Interviewers während der Befragung; Anfertigung von Gedächtnisprotokollen nach der Befragung; Tonbandaufzeichnungen. Nachteile:

• Höhere Anforderungen an den Interviewer# • Stärkere Interviewereinflüsse • Höhere Anforderungen an die Bereitschaft des Befragten • Höherer Zeitaufwand • Geringe Vergleichbarkeit der Ergebnisse

Expertenbefragung Delphi-Methode: es werden in der je folgenden Fragerunde Ergebnisse, Schätzungen und Widersprüche aus der vorhergehenden Fragerunde zur Beurteilung gestellt. Jeder muss seine eigenen Aussagen mit denen anderer vergleichen. Individuelle Mutmaßungen über zukünftige Entwicklungen sind zu korrigieren, das Entstehen einer fachmännischen Gruppennorm stellt das Ergebnis dar. 1.4.3.4 Narratives Interview Es wird weder Fragebogen noch Leitfaden verwendet. Ziel ist das Verstehen, das Aufdecken von Sichtweisen und Handlungen von Personen sowie deren Erklärung aus eigenen sozialen Bedingungen. Der Stimulus des Forschers besteht lediglich darin, eine „Erzählung eigenerlebter Geschichten“ in Gang zu bringen. Aufnahme auf Video oder Tonband, inhaltsanalytische Verarbeitung. 1.4.3.5 Befragung mit Fragebogen Mündliche Führung eines Interviews anhand eines stark strukturierten Fragebogen. Panel-Befragung Längsschnitt-Analyse. Eine repräsentativ ausgewählte Gruppe wird wiederholt zum gleichen Thema befragt. Eignet sich für das Erfassen von Veränderungen der Einstellungen und wird vor allem im Bereich der Markt- und Meinungsforschung verwendet Trenduntersuchungen Wiederholte Anwendung derselben Fragen, beziehen sich jedoch nicht auf den identischen Befragtenkreis Zusammenfassung Je geringer die Strukturiertheit, desto eher dienen sie dem Erfassen qualitativer Aspekte. Je stärker die Strukturiertheit, desto eher dienen sie dem Erfassen quantitativer Aspekte.

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Text 7: Befragung II (Schumann) 1 Fragenformulierung und Fragebogenkonstruktion Fragen zur Messung von Merkmalen und ihre Einteilung

1. nominales, ordinales, Intervall- oder Ratioskalenniveau 2. Manifeste vs. Latente Merkmale

Manifest : direkt oder indirekt beobachtbar (Geschlecht, Gewicht) � Formulierung von Fragen zur direkten Messung des betreffenden Merkmals Latent: weder direkt noch indirekt beobachtbar („Sparsamkeit“, „Konservatismus“) � Formulierung von Fragen mit denen manifeste Merkmale gemessen werden können, aus denen auf die Ausprägung des zu messenden latenten Merkmals geschlossen werden kann.

3. Messung von Eigenschaften, Überzeugungen, Verhalten, Einstellungen, Meinungen

Eigenschaften: schwer veränderbar; z.B. Alter, Schulbildung, Familienstand Überzeugungen: was hält die Person für wahr bzw. für falsch. Verhalten: erfasst wird der Bericht einer befragten Person über ihr Verhalten. Muss nicht unbedingt dem tatsächlich an den Tag gelegten Verhalten entsprechen. Einstellungen und Meinungen: was hält Befragter für gut und/oder wünschenswert, was für schlecht und/oder nicht wünschenswert.

Drei besondere Typen von Fragen zur Erfassung von Merkmalen

1. Rückerinnerungsfragen (Recallfragen) Gefahr von „Erinnerungsverzerrungen“. „Bandwagon-Effekt“ bei Wahlforschung: Befragte tendieren offenbar nach der Wahl dazu, anzugeben, diejenige Partei gewählt zu haben, die sie (nach dem Ergebnis der Wahl) als den Sieger ansehen.

2. hypothetische Frage

Antworten schwer interpretierbar: direkter Schluss auf ein entsprechendes Verhalten in einer Situation, wie sie in der hypothetischen Frage angesprochen wird, ist problematisch. Wahlsonntagsfrage = hypothetische Frage

3. „Frage nach dem Grund“

Frage ist sinnvoll, falls man daran interessiert ist, welchen Grund ein Befragter selbst für seine Entscheidung sieht.

Filterfragen Aufgabe besteht darin, je nach der Antwort auf die betreffende Frage, das Interview an einer ganz bestimmten Stelle fortzusetzen. Fragen aus „taktischen“ Gründen Fragen, an deren Beantwortung man inhaltlich gar nicht interessiert ist. Ziel kann sein, Befragten auf einen neuen Fragekomplex einzustimmen oder um „Peinlichkeiten“ zu vermeiden. Kontrollfragen für „willkürliches Ankreuzen“ Erkennen von willkürlich beantworteten Fragebögen ist wichtig, da es sinnvoll ist, solche aus dem Datensatz zu entfernen. Möglichkeiten:

1. unsinnige Fragen Fragen, die nur mit „nein oder äquivalenten Formulierungen bzw. mit „weiß nicht“ beantwortet werden können. Z.B. unsinniges Sprichwort

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2. Fragen, die in einer ganz bestimmten Weise zu beantworten sind

3. Antwortkombinationen

Bilden von „Kontrollpaaren“.

4. ein und dieselbe Frage doppelt stellen an zwei unterschiedlichen, möglichst weit auseinanderliegenden Stellen im Fragebogen. Gefahr, den Befragten durch das wiederholte Stellen der Frage zu verärgern.

Kontrollfragen für „Zustimmungstendenz“ Antwortkombinationen, die aus Gründen der Logik aus einer zustimmenden und einer ablehnenden Antwort bestehen müssten, können dazu verwendet werden, abzuschätzen, ob und inwieweit ein Befragter Zustimmungstendenz zeigt. Geht auch mit einzelnen Fragen. Fragen, die in aller Regel (oder sogar immer) mit „nein“ beantwortet werden müssten. Zustimmungstendenz kann als Persönlichkeitsmerkmal von Befragten mit geringer Ich-Stärke oder als erlerntes verhalten angesehen werden. Kontrollfragen für „sozial erwünschte“ Antworten Antworten, von denen der Befragte glaubt, sie würden von ihm ganz allgemein bei „normgerechtem“ Verhalten erwartet oder auch in der speziellen Situation der Befragung. (kultureele und situationale soziale Erwünschtheit) Das geben sozial erwünschter Antworten kann Ausdruck eines Persönlichkeitsmerkmals sein (Streben nach sozialer Anerkennung), oder eine Strategie, die Interviewsituation zu beeinflussen. Kontrollfragen:

• Statements, die sozial erwünschtes Verhalten beinhalten aber so formuliert sind, dass sie bei ehrlichem Antworte in aller Regel nicht so beantwortet werden können

• Statements, die sozial unterwünschtes Verhalten beinhalten, die aber so formuliert sind, dass sie bei ehrlichem Antworten in aller Regel nicht so beantwortet werden können.

Zur Trennung der Effekte Schwierig, diese Effekte zu trennen. Oft führen unterschiedliche Antworttendenzen zu ein und demselben Effekt. Die „auffälligen“ Antworten bei Kontrollfragen für willkürliches/unwahres Antworten treten nur mit ein gewissen Wahrscheinlichkeit auf. Siehe S. 58 – Tabelle „Geeignete Kontrollfragen für unterschiedliche Antworttendenzen. Frageformulierung: Offene versus geschlossene Fragen Offene Fragen: der Befragte formuliert seine Antwort selbst Geschlossene Frage: dem Befragten sind Antwortalternativen zur Auswahl vorgegeben. Geschlossene Fragen setzen voraus, dass die möglichen Antworten bekannst sind. Ist dies nicht der Fall bietet sich an, die Frage offen zu formulieren. Um die Antworten auf offene Fragen statistisch auswerten zu können, muss ein Kategorienschema entwickelt werden, um die offen formulierten Antworten zu verkoden. Damit kann die Frage bei der späteren Auswertung formal wie eine geschlossene Frage behandelt werden. Vor- und Nachteile geschlossener Fragen: Möglicherweise werden dem Befragten Antworten vorgegeben, auf die er selbst bei offener Beantwortung gar nicht gekommen wäre, die ihm aber plausibel erscheinen und die er deshalb auch

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auswählt. Es kann auch sein, dass er gar keine Meinung zu der gestellten Frage hat, dass ihm auch keine der vorgegebenen Antwortalternativen plausibel erscheint und dass er dennoch auch Verlegenheit eine Antwort auswählt. Nachteile offener Fragen: Entwicklung eines Kategorienschemas ist sehr aufwendig. Die Arbeitsgänge erfordern gut geschultes Personal, viel Zeit und verursachen hohe Kosten. Offene Fragen mit Feldverschlüsselung: Im Rahmen eines Interviews wird der betreffenden Person eine offene Frage gestellt, die Antwort jedoch sofort vom Interviewer einer Antwortkategorie zugeordnet. Relativ grobes Kategorienschema. Offene Fragen bieten sich auch an, wenn die möglichen Antworten zwar prinzipiell bekannt sind, jedoch extrem zahlreich. Halboffene Fragen: Geschlossen Fragen, bei denen nur bei ganz bestimmten Antworten eine offene „Nachfrage“ angehängt ist. Frageformulierung: eindimensional! Fragen zur Messung von ordinal oder metrisch skalierten Merkmalen sind eindimensional zu formulieren. Bei zweidimensionalen Fragen ist nicht mehr ersichtlich, auf welche Frage sich die Antwort bezieht. Die Antwort kann somit auch nicht mehr sinnvoll interpretiert und ausgewertet werden. Eine besondere Art der Mehrdimensionalität entsteht, wenn in Fragen Worte wie „immer“, „niemals“, „alle“, „niemand“, „keine“ oder ähnliche verwendet werden. .... s. 61, 62 Frageformulierung: keine mehrdeutigen Formulierungen! Fragen werden auch mehrdimensional, wenn mehrdeutige Formulierungen oder hochgradig abstrakte Ausdrücke verwendet werden. Die Antworten auf solche Fragen können nicht mehr sinnvoll interpretiert werden, da nicht klar ist, wie die Frage verstanden worden ist. Frageformulierung: einfach! Fragen sollten so wenig Anforderungen wie möglich an den Befragten stellen. Es ist z.B. ratsam statt nach dem Alter nach dem Geburtsjahr der Personen zu fragen. Vier wichtige Fälle des Gebots einfacher Frageformulierung:

1. keine möglicherweise unbekannten Ausdrücke! Insbesondere keine Fachausdrücke

2. keine doppelten Negationen!

3. kurze Fragen stellen!

Lange Fragen überfordern leicht. Mit der Länge der Frage steigt auch die Mehrdimensionalität. Eine Möglichkeit, extrem kurze Fragen zu stellen, sind Schlagworte. Je kürzer eine Frage ist, desto billiger ist es, sie im Rahmen einer repräsentativen Umfrage zu stellen.

4. Möglichst konkrete Frageformulierungen verwenden!

Insbesondere Verhaltensfragen sollten möglichst konkret formuliert werden. Frageformulierung: „Härte“ der Frage berücksichtigen! Erfahrungsgemäß wird „hart“ formulierten Fragen (oder Antwortalternativen) in aller Regel seltener zugestimmt als „weicher“ formulierten. Aber: welche Frageform ist denn nun die „richtige“?

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Frageformulierung: (normalerweise) keine suggestiven Formulierungen! Bei suggestiven Formulierungen wird dem Befragten eine bestimmte Antwort in den Mund gelegt, worunter die Qualität der Frage leidet. In manchen Ausnahmefällen werden solche Formulierungen bewusst und gezielt eingesetzt, insbesondere um bei „heiklen Fragen“ Antworthemmungen abzubauen. Frageformulierung: stereotype Formulierungen vermeiden! Ausdrücke, die derart stark positiv oder negativ wertbesetzt sind, dass allein durch sie eine Antwort in der entsprechenden Richtung gegeben wird. (Diktator, Ausbeuter, Terrorismus – Demokratie, Menschenrechte, Freiheit) Frageformulierung: heikle Fragen

- Sachverhalt entschärfen oder verharmlosen - Mitläufereffekt - Als etwas selbstverständliches darstellen - Überrumpeln (Denkaufgabe) - Möglichst allgemein gehaltene Antworten vorgeben (Einkommenskategorien)

Randomized-Response-Technik: kompliziert, nicht erklärt Antwortvorgaben: möglichst keine „offenen“ oder „ungleich breite“ Klassen vorgeben! Klassen sollten eine einheitliche Breite aufweisen und es sollten möglichst keine nach oben oder nach unten hin offenen Klassen verwendet werden. Das führt nur zu Schwierigkeiten bei der Auswertung. Antwortvorgaben: einseitig oder zweiseitig? Einseitig: einem Statement kann zugestimmt, oder es kann abgelehnt werden Zweiseitig: Entscheidung zwischen zwei inhaltlichen Alternativen (positiv, negativ) (S. 68 – Beispiel) Antwortvorgaben: „weiß nicht“, „keine Meinung“ und Ähnliches Bei Vorgabe: Risiko, dass wenig entscheidungsfreudige Befragte mit „weiß nicht“ antworten, obwohl sie „im Grunde“ doch eine der inhaltlichen Antwortvorgaben präferieren. Bei Nicht-Vorgabe: Risiko, dass Befragte, die zu dem betreffenden Thema keine Meinung haben, sich eine der vorgegebenen inhaltlichen Antworten „aussuchen“, da die eigentlich zutreffende Antwort „weiß nicht“ nicht zur Auswahl steht. Welches der beiden Risiken eher in Kauf genommen werden kann, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. „weiß nicht“ in Form einer Vorfilterfrage. Nachteil, dass sich die Anzahl der zu stellenden Fragen deutlich erhöht. Es ist auf jeden Fall unzulässig, „weiß nicht“ als mittlere Antwortalternative zu verwenden. Antwort wird dann nicht mehr eindeutig interpretierbar. „weiß nicht“ als „weiß nicht“-Antwort und als mittlere Antwort. (Beispiel S. 70) Antwortvorgaben: Mittelkategorie vorgeben? Argument für Vorgabe: wenn die Meinung einer Person exakt einer Mittelposition zwischen den übrigen Antworten entspricht, dann sollte sie auch die Möglichkeit haben, dies zu äußern. Argument gegen die Vorgabe: Die Meinung wird in der Regel nicht so exakt der Mittelposition entsprechen, dass nicht ein ganz kleiner Ausschlag zugunsten der einen oder anderen inhaltlichen Richtung zu verzeichnen wäre. Und es gibt zudem Befragte, die aus verschiedenen Gründen, unabhängig vom Inhalt der Frage dazu neigen, die Mittelkategorie anzukreuzen. Entscheidung über Vorgabe abhängig vom Inhalt der Frage und von den Zielen der Untersuchung.

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(Beispiel S. 71) Symmetrie der Antwortvorgaben Anzahl der Kategorien sollte diesseits und jenseits der (inhaltlichen) Mitte gleich groß sein. Ansonsten entsteht suggestive Wirkung. Antwortvorgaben werden von den Befragten „interpretiert“ Antwortvorgaben werden in ihrer Gesamtheit von den befragten Personen interpretiert. Wichtig, sich dieses Effektes bewusst zu sein. (Beispiel S. 71) Antwortvorgaben: Ranking oder Rating? Rating: jedes einzelne „Ding“ wird anhand einer sogenannten Ratingskala eingeschätzt. Die verschiedenen „Dinge“ können so anhand eines gemeinsamen Maßstabs eingeordnet werden. Ranking: Die einzelnen „Dinge“ werden in eine Rangordnung gebracht. Rangplätze dürfen nicht mehrfach vergeben werden � eindeutige Rangreihe. Beide Verfahren führen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Welches Verfahren vorzuziehen ist, hängt wieder vom Ziel der Untersuchung ab. (Beispiel S. 73) Antwortvorgaben: Mehrfachantworten zulassen? Wenn den Befragten eine Reihe von unterschiedlichen Antwortmöglichkeiten vorgegeben werden, gibt es zwei Möglichkeiten: es können eine oder mehrere Antworten als zutreffend angekreuzt werden. Der erste Fall ist ein Spezialfall des Rankings, in dem nur nach dem Spitzenplatz gefragt wird. Der zweite Fall ist ein Spezialfall des Ratings. Anzahl der Antwortvorgaben Die Anzahl sollte ganz allgemein die Fähigkeiten eines „durchschnittlichen Befragten“ nicht überfordern. Bei mündlichen ( oder telefonischen) Befragungen, in denen keine zusätzlichen Hilfsmittel eingesetzt werden, gelten z.B. als Faustregel maximal sieben Antwortalternativen als Obergrenze. Antwortvorgaben: Primacy- und Recencyeffekte vermeiden Insbesondere wenn sich die Befragten unter sehr vielen inhaltlich unterschiedlichen Antwortmöglichkeiten zu entscheiden haben, treten oft Primacy- und/oder Regencyeffekte auf, d.h. die ersten und die letzten Antwortmöglichkeiten werden – unabhängig von ihrem Inhalt- vermehrt ausgewählt. Einige Regeln für die Fragebogenkonstruktion: Beginn: Einleitungsfragen („Eisbrecherfragen“); Ein Abbruch des Interviews geschieht, wenn überhaupt, in den meisten Fällen ganz zu Beginn des Interviews, also nach den ersten Fragen. Gesprächssituation herstellen: Fragen in Themenbereiche zusammenfassen, überleitende Fragen oder Bemerkungen zwischen den einzelnen Themenbereichen einbauen. „Trichterung“: bei einem bestimmten Thema von allgemeineren Fragen zu immer spezielleren kommen „umgekehrte Trichterung“: von speziellen Fragen auf allgemeinere kommen Trennung von schwierigen Phasen von „Erholungsphasen“. Verwendung möglichst einheitlicher Frage- und Antwortformate Möglichst kurze Beantwortungszeit

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Demographische Angaben am Ende. Manchmal werden Einstellungsfragen in diesen „unverfänglichen“ Teil „hineingeschmuggelt“. Abschlussfragen - Info über die Befragungssituation Gestaltung des Fragebogens muss sich danach richten, ob eine Befragung in mündlicher, schriftlicher oder telefonischer Form vorgenommen wird. Bei schriftlicher Befragungen sind eine einfache Filterführung und ein gutes Lay-Out wesentlich. Pretest: eine kleine Anzahl von „Probebefragten“ wird gebeten, den vorläufigen fertigen Fragebogen auszufüllen und ihre Erfahrungen bei der Beantwortung in irgendeiner Weise zu dokumentieren. Mögliche Methode: „laut denken“ So können missverständliche Formulierungen und ähnliche, nicht intendierte Effekte vor dem eigentlichen Einsatz des Fragebogens aufgedeckt und behoben werden. Führt ein Pretest zu gravierenden Veränderungen des Fragebogens, dann sollte mit der überarbeiteten Version erneut ein Pretest durchgeführt werden. Zur Fragebogenkonstruktion: Halo-Effekte Fragen können auf die jeweils hinter ihnen platzierten Fragen „ausstrahlen“. Halo-Effekte werden manchmal bewusst eingesetzt, um auf bestimmte Fragestellungen hinzuführen oder um bestimmte Fragen ganz bewusst zu färben. In der Regel möchte man sie jedoch vermeiden. � Fragen die aufeinander ausstrahlen, sollte man räumlich voneinander trennen. Zur Fragebogenkonstruktion: Zusatzfragen für Wiederholungsbefragungen

- Einverständniserklärung für spätere nochmalige Befragung und Speicherung Name und Adresse

- Erfragung Name und Adresse Zur Fragebogenkonstruktion: Anonymitätszusicherung Sinn:

- Vertrauen gewinnen - Befragte sollen sich frei fühlen, auch bei heiklen Fragen ehrlich zu antworten - Größere Bereitschaft überhaupt zu antworten

Zur Fragebogenkonstruktion: Gemeindekennziffer für Mehrebenenanalyse Bei Umfragen werden Individualdaten erhoben und analysiert. Zusätzlich können Aggregatdaten in die Analyse einbezogen werden. Lesen S. 78,79

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Text 8: Forschungsartefakte (Kriz)

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Text 11: Inhalts- und Dokumentenanalyse (Atteslander) 1 Inhaltsanalyse 1.1 Gegenstand sozialwissenschaftlicher inhaltsanalytischer Verfahren Mittels Inhaltsanalysen lassen sich Kommunikationsinhalte wie Texte, Bilder und Filme untersuchen, wobei der Schwerpunkt auf der Analyse von Texten liegt. Inhaltsanalyse = empirisches Datenerhebungsverfahren (S. 201 – Grafik – Überblick textanalytischer Ansätze) Sprache: Untersuchung von Phänomenen, die sich auf die Verwendung von Sprache beziehen, nicht auf deren Inhalt. Unterscheidung von Datenbankanwendungen und linguistischen Analyseverfahren.

- Datenbankanwendungen: Suchen und Finden von Texten - Linguistische Ansätze: z.B. Lexikographie, Lemmatisieren.

Inhalt: Kommunikationsinhalte. Unterscheidung zwischen empirisch und hermeneutisch bzw. quantitativ und qualitativ. Mit empirischen Ansätzen werden Hypothesen verifiziert oder falsifiziert, mit hermeneutischen nicht. Quantitative Inhaltsanalyse: Gegenstand sind alle Kommunikationsinhalte, die in irgendeiner Form festgehalten wurden (Texte, Bilder, Videos, Schmuck, Kleidung, Bauten, ...) Für nicht-verbale Kommunikationsinhalte existieren kaum geeignete Analyseverfahren und nicht ihrem wachsenden Einfluss entsprechend betrachtet. Kommunikation findet in einer spezifischen sozialen Umwelt, in einer sozialen Situation statt. Das einfache Modell der sozialen Kommunikation kann beschrieben werden als Zeichenverkehr zwischen Sender und Empfänger, in dem ein bestimmter Inhalt übermittelt wird, dessen Erzeugung und Entschlüsselung von einer Vielzahl von Bedingungen (soziale Situation) bestimmt wird. Ein Ziel der Inhaltsanalyse neben der Beschreibung und Auswertung des eigentlichen Textinhaltes ist also, aus den manifesten Merkmalen eines Textes auf Zusammenhänge seiner Entstehung und Verwendung zu stoßen. (S. 203 – Grafik – Einfaches Kommunikationsmodell S. 203 – mögliche Problembereiche) Inhaltsanalysen ermitteln und messen Textzusammenhänge, um soziale Sachverhalte aufdecken zu können. Drei Funktionen der Inhaltsanalyse:

1. diagnostische Funktion: Die Bedingungen, aus denen Texte hervorgegangen sind. Zielt auf den Sender und auf die Situation, in der ein Inhalt produziert wurde

2. prognostische Funktion: Das zukünftige Verhalten der Textquelle ...

3. kommunikationstheoretische Funktion: Der Wirkungszusammenhang zwischen Sender und Empfänger von Inhalten will Zusammenhänge im Kommunikationsprozess aufdecken. Analyse von der Wirkungsweise bestimmter Inhalte.

Hermeneutische inhaltsanalytische Verfahren = qualitative Inhaltsanalyse = qualitative „data analysis“ Je nach Erkenntnisinteresse muss das adäquate Analyseverfahren angewendet werden. Ziel = Erschließung des gesamten Bedeutungsinhalts, um z. B. Hypothesen zu finden, die später getestet werden können. Vorwurf an quantitative Verfahren: exakt, aber inhaltsleer Vorwurf an qualitative Verfahren: mangelnde Objektivität, Repräsentativität; Beliebigkeit 1.2 Zur Geschichte der Methode Das Interesse an einem Problem mündet in der Regel in Überlegungen, wie man es empirisch bearbeiten kann. � enge Verknüpfung inhaltlicher und methodischer Entwicklung 5 Phasen der Entwicklung der Inhaltsanalyse:

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1. Die Phase der Intuition (bis 1900) 2. die quantitativ-deskriptive Phase (7.Jh. – 1926) 3. die Phase der Reifung zum eigenständigen Erhebungsinstrument sozialer Wirklichkeit (1926 –

1941) 4. die Phase der interdisziplinären Erweiterung (1941 – 1967) 5. die Phase der theoretisch-methodischen Fundierung (seit 1967)

(1) intuitiver Schluss von manifesten Inhalten auf latente Zusammenhänge.

Beispiele: Bauernkalender; einzelner Mensch im Alltagsleben; (2) siehe S. 206 –207 (3) Auftreten neuer Medien (Radio, Film); Ausdehnung des Interesses von inhaltsinternen

auf inhaltsexterne Merkmale; Analyse von Wirkungen bestimmter Texte. Die meisten Arbeiten zu der Zeit sind politisch motiviert. Einführung der qualitativen Dimension „Bewertung eines Symbols“ anhand einer einfachen Ordinalskala (negativ-neutral-positiv) (später � Symbolanalyse) (siehe S. 208)

(4) 1941: Konferenz über Massenmedien – erstmals wird Inhaltsanalyse systematisch und von verschiedenen Ansätzen her diskutiert. 1955: Allerton House Conference – Diskussion über Fragen der Inferenz von Text und Kontext

(5) drei Problemfelder: - Inferenz-Problem - Verfeinerung der Notationssysteme - Entwicklung von Software für computerunterstützte Textanalyseverfahren

Die Mehrzahl inhaltsanalytischer Arbeiten untersuchen entweder ein bestimmtes Medium wie Tageszeitung, Illustrierte, Film, Fernsehen, Comic oder analysieren die Darstellung eines bestimmten gesellschaftlichen Problems in einem oder mehreren Medien. Auseinandersetzung zwischen Anhängern der quantitativen und der qualitativen Inhaltsanalyse.

- qualitative Verfahren seien selektiv, berücksichtigten bestimmte Aspekte nicht - qualitative verfahren seien schwer nachvollziehbar, subjektiv und willkürlich.

Wahl eines Verfahrens richtet sich nach Erkenntnisinteresse, somit Ergänzen sich die beiden Ansätze

1.3 Gegenstandsbereiche der Inhaltsanalyse Inhaltsanalyse entwickelte sich aus Vorgehensweise des Alltags. Neben der Deutung manifester Inhalte schließt die alltagsweltliche Inhaltsanalyse immer auch eine interpretative Vorgehensweise ein, um latente Infos über den Hintergrund eines Textes oder Filmes zu erhalten. Die Entschlüsselung von Inhalten und Zeichen im Alltag ist meistens unsystematisch und intuitiv. Je nach methodologischer Grundposition sind unterschiedliche Ziele und Definitionen entwickelt worden. „Inhaltsanalyse ist eine Methode zur Erhebung sozialer Wirklichkeit, bei der von Merkmalen eines manifesten Textes auf Merkmale eines nicht manifesten Kontextes geschlossen wird.“ Inhaltsanalyse ist eine Methode der Datenerhebung zur Aufdeckung sozialer Sachverhalte, bei der durch die Analyse eines vorgegebenen Inhalts (Z.B. Text, Bild, Film) Aussagen über den Zusammenhang seiner Entstehung, über die Absicht seines Senders, über die Wirkung auf den Empfänger und/oder auf die soziale Situation gemacht werden. 1.4 Kategorienbildung und ihre Probleme Kategoriensystem = Gesamtheit der Kategorien Forderungen an Kategorien: müssen vom Erkenntnisinteresse geleitet und in Hypothesen fixiert sein. (S.212,213 – Kategorien, die ein Kategoriensystem erfüllen muss + Erläuterungen)

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Verschlüsselung, Codierung: Überführung von Merkmalen des Kommunikationsinhaltes in numerische Daten. Bei der Vercodung der Zähleinheiten werden meistens mehrere Codierer eingesetzt. Um Verzerrungen beim Codieren auszuschließen, müssen die Vercoder besonders geschult werden und die Kategorien präzise definiert sein. Inhaltsanalysen müssen valide und reliabel sein. Validität: wird mit den Kategorien tatsächlich das gemessen, was gemessen werden soll. Reliabilität: Verlässlichkeit der Messung. Bei gleichem Analysematerial und gleichem Kategoriensystem müssen die Ergebnisse gleich sein. Intercoderreliabilität: Unterschiede zwischen mindestens zwei verschiedenen Codierern. Abhängig von Anzahl der Ausprägungen eines Merkmals, Codiererschulung, Sorgfalt der Codierung, Güte des Kategoriensystems Intracoderreliabilität: Unterschiede zwischen derselben codierenden Person. Abhängig von selben Gründen wie Intercoderreliabilität, Lerneffekte, eventuelle Änderungen des Kategoriensystems. 1.5 Typologie inhaltsanalytischer Verfahren nach Zielen und Mitteln Mittel (semiotische Ebene):

- Syntaktik: beschäftigt sich mit Zeichen als solches, nicht mit der Bedeutung oder Wirkung

- Semantik: Beziehung zwischen Zeichen und dem, was sie bezeichnen - Pragmatik: Relation der Zeichen zu ihren Benutzern

Ziele:

- Kommunikator: Verfasser des Kommunikationsinhaltes - Rezipient: Empfänger des Kommunikationsinhaltes - Situation: die Situation und deren Einflüsse

(S. 216, 217 – Matrix und Beispiele) 1.6 Forschungsablauf

- Auflistung der zentralen Forschungsfragen, um entscheiden zu können, welche Methode die geeigneten Instrumente bietet.

- Entscheidung für Datenerhebungsinstrument hängt ab vom speziellen Interessen, den entwickelten Detailfragen der geplanten Untersuchung, den vorhandenen personellen und finanziellen Arbeitsmöglichkeiten und von den schon vorhandenen empirischen Untersuchungen.

- Entdeckungszusammenhang: umfasst Motive und Interessen. Festlegung des

Untersuchungsziels. Entscheidung für deduktives oder induktives Vorgehen.

- Begründungszusammenhang: mit welchem spezifischen methodischen Verfahren, mit welchen Textunterlagen ist das Problem zu bearbeiten.

- Verwertungszusammenhang: Präsentation und Wirkung der Ergebnisse in der

Öffentlichkeit In der Phase des Begründungszusammenhanges werden alle zentralen methodenspezifischen Entscheidungen getroffen.

1. Wichtig bei der Festlegung des Analysematerials ist, dass.. - die Texte relevant für den Zweck der Untersuchung sind - die Texte existieren - die Texte zugänglich sind

2. Abgrenzung der Zähleinheiten, d.h. festlegen, welche Merkmalsträger für die zu erhebenden

Merkmale vorliegen. 3. Vornahme einer Stichprobe aus der Klasse aller festgelegten Texte, vor allem bei

quantitativen Analysen

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4. Festlegung der Zähleinheiten in den texten. Das können je nach Untersuchungsziel bestimmte listenmäßig vorgegebene Wörter, Wortarten, Wortgruppen, Sätze oder Satzteile, Schlagzeilen, Artikel sein.

5. Aufstellen eines Kategoriensystems, d.h. Formulierung der Hypothesen und die Operationalisierung der daraus abgeleiteten Variablen. Kategorien gewinnt man entweder durch die Auflistung beispielhafter Wörter oder durch alle Wörter, die zu einer Kategorie gehören.

6. Codierung: Bei einem quantitativen Design gehen ein oder mehrere Codierende das Analysematerial Untersuchungseinheit für Untersuchungseinheit durch und übertragen die Ergebnisse der Kategorisierung auf Codierblätter. Bei der Codierung werden Textdaten in numerische Daten überführt. Mithilfe einer Statistiksoftware werden die Zahlen auf den Codierblättern in den Computer eingegeben.

Noch mal der Ablauf:

- Aufstellen der Hypothesen - Grundgesamtheit und Stichprobe festlegen - Untersuchungsmaterial beschaffen - Untersuchungseinheit festlegen - Kategoriensystem entwickeln und testen (Pretest) - Codierung durchführen - Statistische Auswertung anhand der Hypothesen - Publikation der Ergebnisse

1.6.1 Grundlagen qualitativer Verfahren Qualitative Verfahren haben keine Theorie und kein Paradigma. Qualitative und quantitative Verfahren bedingen andere inhaltsanalytische Vorgehensweisen bei der Datenauswertung. Bei beiden muss aber die Forschungsfragestellung eindeutig beschrieben werden. Allgemeine Merkmale zur prinzipiellen Vorgehensweise

- Offenheit: sowohl bezogen auf das theoretische Konzept als auch auf das Verhalten gegenüber den Probanden und die Erhebungssituation

- Kommunikativität: entweder durch direkten Kontakt zwischen den Forschenden und Beforschten oder durch geeignete Aufzeichnungsmittel wie Protokolle, Tonband- oder Videoaufzeichnungen

- Naturalistizität: Prinzip der Natürlichkeit in der Erhebungssituation einhalten. - Interpretativität: Gewinnung von Hypothesen auf Basis des Materials auf dem Wege

der Interpretation Verfahren von Mayring – S. 222,223 1.6.2 Unterschiede zwischen quantitativen und qualitativen Ansätzen Matrix S. 224

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Text 12: Hermeneutik und interpretative Verfahren (Karlhofer) Hermeneutische Analyse – an einem Beispiel demonstriert

1. In jeder Fragestellung drückt sich ein bestimmtes Vorverständnis des zu untersuchenden Zusammenhanges aus. Der Interpret würde unreflektiert verfahren, würde er sich dieses (sein eigenes) Vorverständnis nicht bewusst machen. Vor allem ist dieses ‚Vorverständnis nicht ein bedauerlicher Störfaktor für das Interpretationsverfahren, so als wäre das voraussetzungslose Herangehen an einen Text (eine Forschungsfrage) das anzustrebende Ideal; vielmehr ist die Fragestellung und das darin eingeschlossene Vorverständnis die Voraussetzung dafür, dass überhaupt interpretiert werden kann. Entscheidend ist freilich, sich sein eigenes Vorwissen (seine eigenen Vorurteile) bewusst zu machen.

2. Die ursprüngliche Fragestellung und das darin sich ausdrückende Vorverständnis müssen am

Text (und am Kontext) immer wieder überprüft werden. Wir dringen in den Text sukzessive ein, wir lernen ihn immer besser verstehen.

3. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Analyse (nicht nur) historischer Texte ist die

Text- und Quellenkritik. Wichtig ist also, sich sog. Kritische Textausgaben zu besorgen, die verschiedene Versionen und deren Entstehungsgeschichte gegenüberstellen.

4. Notwendige Momente der interpretativen Erschließung sind die semantische Analyse

einzelner Begriffe oder Textpassagen und die Berücksichtigung etymologischer (Etymologie = Wortgeschichte) Aspekte.

5. Politische (auch politikwissenschaftliche) Texte entstehen häufig als Stellungnahmen im

Zusammenhang mit Kontroversen, sie ergreifen Partei, sind Ausdruck praktischen Engagements, nicht allein theoretischen Erkenntnisstrebens. Sie sind also nicht nur textimmanen (=der Text für sich allein stehend) zu interpretieren, sondern stets auch in einem breiteren Kontext zu sehen.

6. Zur Interpretation eines gegebenen Textes ist es notwendig, über den immanenten

Zusammenhang hinauszugehen und weitere Quellen heranzuziehen. Da umgekehrt aber auch die textimmanenten Informationen zur Klärung textübergreifender Zusammenhänge beitragen können, kann man prinzipiell vom einem Verhältnis wechselseitiger Erklärungen textimmanenter und textübergreifender Zusammenhänge sprechen.

7. Syntax

Für die Ermittlung eines Argumentationszusammenhanges eines Textes haben die syntaktischen Mittel, die Sätze oder Satzteile miteinander verbinden, große Bedeutung. Wissenschaftliche Interpretation muss folglich diesem Aspekt der Syntax eines Textes besondere Aufmerksamkeit schenken.

8. Gliederung eines Textes

Was die Ermittlung der syntaktischen Beziehungen zwischen Sätzen und Satzgliedern im kleinen zu leisten vermag, muss vom Interpreten auch für den gesamten Text systematisch geleistet werden. Die gedankliche Gliederung muss übersichtlich herausgearbeitet werden: Hauptthesen, Begründungen, Erläuterungen, Beispiel, Nebengedanken, Exkurse usf. sind durch Interpretation voneinander abzuheben und nach Möglichkeit in einem differenzierten Gliederungsschema zusammenzufassen. Diese Aufgabe ist dann besonders dringlich, wenn ein Autor seinen Text nicht ausdrücklich und detailliert gegliedert hat und insofern er seine Gliederung nicht selbst kommentiert.

9. Innere Logik eines Textes

Soweit es sich bei zu interpretierenden Texten um Argumentationszusammenhänge handelt, ist der Gesichtspunkt der inneren Widerspruchsfreiheit der logischen Stringenz ein entscheidender Auslegungsaspekt. Der Interpret muss die Begründungen, Folgerungen, Herleitungen des Autors nicht nur mitvollziehen, sondern kritisch überprüfen. Er muss prinzipiell unterstellen, dass dem Autor logische Fehler unterlaufen sein können (oder von ihm sogar bewusst hingenommen wurden).

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10. Hermeneutischer Zirkel als Instrument des Zusammenhangsverstehens Interpretation bewegt sich ständig im hermeneutischen Zirkel: Die einzelne Aussage und ihre sprachlichen Elemente werden im Gang der Interpretation immer wieder im Zusammenhang größerer Aussagenzusammenhänge ausgelegt; das einzelne Wort wird erst im Kontext größerer Satzzusammenhänge verständlich usf.; später in einem Text auftretende Aussagen wirken ergänzend und verändernd auf das Verständnis des früher Gesagten zurück. Zugleich gilt aber auch: der jeweils unfassendere Zusammenhang kann nicht ohne seine einzelnen Elemente verstanden werden.

11. Es ist grundsätzlich immer möglich, dass die Auffassungen, Zielsetzungen, Thesen,

Argumentationen, die in einem Text bzw. in einigen Texten von einem Autor geäußert werden, entscheidend durch die gesellschaftliche Position, in der sich dieser Autor befindet, bestimmt sind, mit anderen Worten: durch seine gesellschaftlichen Interessen, ohne dass sich der Autor dieser Zusammenhänge überhaupt oder in vollem Umfang bewusst ist. Daher muss eine konsequente Textinterpretation immer auch die ideologiekritische Frage stellen, d.h. die Frage nach dem Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher Lage und Bewusstsein. – Dieser erste Aspekt der ideologiekritischen Frage muss durch einen zweiten ergänzt werden, sobald nach der Wirkung eines Textes – seiner Aufnahme, Umdeutung oder Ablehnung durch bestimmte Rezipienten – gefragt wird, oder auch dem Auftreten von Nachfolge- oder Gegenschriften. Positive oder negative Reaktionen auf einen Text können selbst wiederum ideologisch, d.h. durch undurchschaubare gesellschaftliche Interessen von Menschen oder Menschengruppen, die Stellung nehmen, bestimmt sein.