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Bundeselterninitiative zum Schutz von Mutter und Kind während Schwangerschaft, Geburt und 1. Lebensjahr Mother Hood e.V. Brahmsstr. 12a 53121 Bonn [email protected] www.mother-hood.de Geschäftsführender Vorstand: Katharina Desery Franziska Kliemt Myriam Maldacker Registergericht: Amtsgericht Bonn Register-Nr.: VR 9958 GLS Gemeinschaftsbank eG IBAN: DE15 4306 0967 4093 8386 00 BIC: GENODEDM1GLS #sichereGeburt für Eltern Positionspapier der Elterninitiative Mother Hood e. V. zur geburtshilflichen Versorgung in Berlin Als Eltern verfolgen wir mit großer Sorge die Entwicklungen in der geburtshilflichen Versorgung der Stadt Berlin. Wir begrüßen die Bereitschaft des Senates, sich des Themas mit einem Runden Tisch anzunehmen und bitten dies auch mit den Betroffenen selbst, den Eltern, zu tun. Laut Grundgesetz sind Gesundheitswesen und Bildung Ländersache. 1 Daher fordern wir die Stadt Berlin auf, entsprechende Maßnahmen zur Sicherung der geburtshilflichen Versorgung zu ergreifen. Insbesondere sehen wir Handlungsbedarf in folgenden Bereichen: 1. Datenerhebung & Monitoring zur Versorgungslage der Eltern Um sicherzustellen, dass die Versorgung der Eltern während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett durch Hebammen gewährleistet werden kann, ist eine Bezifferung des Angebots und des Bedarfs erforderlich. Dazu erstellt das Land Berlin eine Versorgungsstrukturanalyse der Angebote an und Bedarfe der Eltern. 2. Transparenz geburtshilflicher Daten Für eine informierte Entscheidung zur Auswahl des Geburtsortes und der fachlichen Begleitung brauchen Eltern zugängliche und verständliche Informationen. www.wegweiser.bzga.de/bot_wwbereiche_sid- 5.html 1 Berlin, 13.11.2017

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Bundeselterninitiative zum Schutz von Mutter und Kind während Schwangerschaft, Geburt und 1. Lebensjahr

Mother Hood e.V. Brahmsstr. 12a 53121 Bonn

[email protected] www.mother-hood.de

Geschäftsführender Vorstand:Katharina Desery Franziska Kliemt Myriam Maldacker

Registergericht: Amtsgericht BonnRegister-Nr.: VR 9958

GLS Gemeinschaftsbank eG IBAN: DE15 4306 0967 4093 8386 00 BIC: GENODEDM1GLS

#sichereGeburt für Eltern

Positionspapier der Elterninitiative Mother Hood e. V. zur geburtshilflichen Versorgung in Berlin

Als Eltern verfolgen wir mit großer Sorge die Entwicklungen in der geburtshilflichen Versorgung der Stadt Berlin. Wir begrüßen die Bereitschaft des Senates, sich des Themas mit einem Runden Tisch anzunehmen und bitten dies auch mit den Betroffenen selbst, den Eltern, zu tun.

Laut Grundgesetz sind Gesundheitswesen und Bildung Ländersache. ‑ 1Daher fordern wir die Stadt Berlin auf, entsprechende Maßnahmen zur Sicherung der geburtshilflichen Versorgung zu ergreifen. Insbesondere sehen wir Handlungsbedarf in folgenden Bereichen:

1. Datenerhebung & Monitoring zur Versorgungslage der Eltern Um sicherzustellen, dass die Versorgung der Eltern während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett durch Hebammen gewährleistet werden kann, ist eine Bezifferung des Angebots und des Bedarfs erforderlich. Dazu erstellt das Land Berlin eine Versorgungsstrukturanalyse der Angebote an und Bedarfe der Eltern.

2. Transparenz geburtshilflicher Daten Für eine informierte Entscheidung zur Auswahl des Geburtsortes und der fachlichen Begleitung brauchen Eltern zugängliche und verständliche Informationen.

www.wegweiser.bzga.de/bot_wwbereiche_sid- 5.html1

Berlin, 13.11.2017

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Das Land Berlin veröffentlicht dazu jährlich einen Klinikbericht über sämtliche Geburtskliniken in der Stadt. Dieser enthält Informationen zum genauen Standort der Klinik, Geburtenzahl, Versorgungsstufe, Personalschlüssel, Sectioraten (primär und sekundär und Anteil der Sectioraten bei risikoarmen Geburten) sowie die Raten vaginal-operativer Geburten (Zange/Saugglocke), Episiotomieraten (Dammschnitte) und medikamentöse Einleitungen.

Diese Informationen werden als Handreichung zur Verfügung gestellt.

3. Geburtshilfestärkungsgesetz zur Sicherung und Verbesserung der Versorgung Ein guter Start ins Leben ist prägend für die spätere körperliche und emotionale Gesundheit und bedarf dieser Priorisierung auch in der Gesellschaft. Das Land Berlin hält die Ziele und Grundsätze dazu bspw. mit einem eigenen „Geburtshilfestärkungsgesetz“ fest.

In diesem sind u.a. folgenden Punkte enthalten:

3.1 Kontinuierliche 1:1-Betreuung aller Geburten

Das Land setzt sich für eine Verbesserung und Neuberechnung des benötigten Personals in der Geburtshilfe ein. Der Personalschlüssel wird den heutigen Aufgaben und Anforderungen angepasst. Ziel ist eine kontinuierliche 1:1-Betreuung aller Geburten auch außerhalb der Austreibungsphase. Dies spiegelt auch den derzeitigen Stand der Wissenschaft wider. 2

Die Cochrane-Analyse von 2013 belegt deutlich weniger Periduralanästhesien, weniger Dammschnitte, weniger operative Geburten, weniger Frühgeburten und eine höhere Wahrscheinlichkeit einer vaginalen Geburt, wenn eine kontinuierliche 1:1-Betreuung durch eine vertraute Bezugshebamme erfolgt. , 3 4

Laut einer aktuellen bundesweiten Umfrage betreuen 95% der Hebammen in den Kliniken häufig mindestens zwei Gebärende gleichzeitig; 46% der

Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages zum Sachstand: 2

www.bundestag.de/blob/498952/e6d987867d45ea04396edc12a38aa6d3/wd-9-079-16-pdf-data.pdf

Cochrane-Review 2013 “Hebammengeleitete Kontinuitätsmodelle im Vergleich zu 3

anderen Versorgungsmodellen für Frauen während der Schwangerschaft“, www.cochrane.org/de/CD004667/hebammengeleitete-kontinuitatsmodelle-im-vergleich-zu-anderen-versorgungsmodellen-fur-frauen-wahrend McGrath, Susan K. und Kennel, John H. A randomized controlled trial of continuous 4

labour support for middle-class couples: effect of cesarean delivery rates. Birth, 35(2):92-97, 2008

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Hebammen müssen sich häufig um mindestens drei Frauen gleichzeitig kümmern. 5

Eine ausreichende Betreuung ist so nicht gewährleistet. Dies gefährdet die Sicherheit von Mutter und Kind. Darauf wies bereits auch der Berufsverband der Frauenärzte insbesondere für Berlin hin. 6

3.2 Erhalt der aufsuchenden häuslichen Versorgung der Familien durch Hebammen

Viele Familien finden keine Hebamme, selbst wenn sie sich in den ersten Wochen der Schwangerschaft um eine Wochenbettbetreuung bemühen und Dutzende von Hebammen kontaktieren. So müssen junge Familien Kinderärzte oder Notaufnahmen der Kliniken aufsuchen, um Hilfe und Antwort auf ihre Fragen zu bekommen. Dort besteht die Gefahr, dass sich die Neugeborenen mit weit gefährlicheren Keimen infizieren. Zudem sind die Anlaufstellen oft überlastet.

Die aufsuchende häusliche Versorgung durch Hebammen ist eine unverzichtbare präventive Unterstützung junger Familien. Das Land unterstützt den Erhalt dieses Angebotes politisch und ggf. durch geeignete regionale Maßnahmen. Eine ausreichende Finanzierung muss sichergestellt werden.

3.3 Netzwerk Geburtshilfe mit Elternbeteiligung

Es wird ein „Netzwerk Geburtshilfe“ eingerichtet, in dessen Rahmen vielfältige Maßnahmen zur Weiterentwicklung und Verbesserung der Schwangeren- und geburtshilfichen Versorgung beschlossen werden. Zu den Zielen gehören u.a. die WHO-geforderten Maßnahmen zur „Vermeidung und Beseitigung von Geringschätzung und Misshandlung bei Geburten in geburtshilflichen Einrichtungen.“ 7

Durch die Netzwerkarbeit sollen alle Akteure der Geburtshilfe zu starken Partnern der Geburtshilfe, Schwangeren- und Wochenbettversorgung werden.

Elternvertreter*innen erhalten hier ein Mandat und Mitspracherecht.

3.4 Erhalt und Ausbau der freien Wahl des Geburtsortes und der Geburtsbegleitung

Umfrage des DHV: www.hebammenverband.de/fileadmin/download/PDF/5

DHV_Hebammenbefragung_Nov_2015_final.pdf

www.aerzteblatt.de/nachrichten/79361/Frauen-und-Kinderaerzte-warnen-vor-6

Hebammenmangel http://apps.who.int/iris/bitstream/10665/134588/22/WHO_RHR_14.23_ger.pdf?ua=17

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Eltern haben laut SGB V mit dem § 24 f Satz 1 & 2 das Recht auf die freie Wahl des Geburtsortes.

Die freie Wahl betrifft nicht nur die Entscheidung zwischen einer klinischen oder außerklinischen Geburt. Darüber hinaus sollte die Frau auch das Recht haben, die Art der Klinik selbst bestimmen zu können. Hier muss die Wahl zwischen einem hochtechnisierten Krankenhaus und einer minimalinvasiven Geburtshilfe möglich sein.

Nicht mehr gewährleistet ist die freie Wahl auch, wenn Frauen unter der Geburt von ihrem ausgewählten Krankenhaus, in dem sie in der Regel auch schon angemeldet sind, abgewiesen werden.

Bereits an „32 Tagen mussten bereits in einer der Berliner Geburtskliniken Kreißsäle für Schwangere geschlossen werden, weil Räume oder Personal fehlte.“ . Solche Situationen stellen einen enormen Stressfaktor unter der 8

Geburt dar. Dies wirkt sich negativ auf Mutter und Kind sowie den Geburtsverlauf aus.

Die Stadt Berlin stellt sicher, dass Frauen die freie Wahl gewährleistet werden kann.

3.5 Sicherung der Qualität der Betreuung von Geburten unabhängig vom elterlichen Einkommen.

Geburten mit garantierter kontinuierlicher 1:1-Betreuung durch eine vertraute Bezugshebamme in der Klinik (Beleghebamme), im Geburtshaus oder Zuhause werden ausschließlich von freiberuflichen Hebammen begleitet. Eltern müssen sich darum frühzeitig und in Eigeninitiative kümmern. Es fallen dabei hohe Pauschalen für die Rufbereitschaft an, die von den Krankenkassen nicht vollständig erstattet werden.

Somit haben nur Eltern mit ausreichenden finanziellen Mitteln die Möglichkeit einer Geburt mit garantierter 1:1-Betreuung. Nur diese Eltern haben tatsächlich eine freie Wahl des Geburtsortes − im Rahmen des bestehenden knappen Angebots.

Dieser Diskriminierung tritt die Stadt Berlin entschieden entgegen. Bis auf Bundesebene eine tragbare Lösung gefunden ist, fordern wir Sie daher auf, auf kommunaler Ebene geeignete Unterstützung für Hebammen und Eltern zur Verfügung zu stellen, wie dies in anderen Städten und Landkreisen bereits geschieht. 9

Berliner Zeitung, www.berliner-zeitung.de/28776594, 20178

www.mother-hood.de/fileadmin/user_upload/Medien/9

MH_Kommunale_Unterstuetzung_hochaufloesend.pdf

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3.6 Aufklärung über natürliche Schwangerschaft, Geburt und Stillen an Schulen

Im Rahmen des Sexualkundeunterrichtes werden den Schülerinnen und Schülern die Themen „Natürliche Geburt“, „Schwangerschaft“ und „Stillen“ näher gebracht.

Durch die veränderte Lebensweise in Kleinfamilien haben nur wenige Kinder die Gelegenheit, die Geburt und Stillzeit eines Geschwisterchens oder nahen Familienmitgliedes bewusst zu erleben. Informationen über diese Zeit werden vermehrt über das Fernsehen und andere Medien aufgenommen. Diese vermitteln ein verzerrtes Bild. Ein früher Kontakt mit einer Hebamme in der Grundschule und auch in weiterführenden Schulen kann diesen Mangel an Erleben zwar nicht auffangen, jedoch können Angste minimiert und falsche Vorstellungen berichtigt werden. Dies führt langfristig zu einem Umdenken bei werdenden Familien im Hinblick auf Schwangerschaft, Geburtsmodus und Stillen.

Für die Aufklärung in der Schule gibt es bereits u.a. Ansätze:

• Modellprojekt Kassel des DHV (www.hebammen-an-schulen.de/index.htm)

• Konzept ERZÄHLCAFÈ-Aktion junior, das sich insbesondere in den weiterführenden Schulen anbietet (http://erzaehlcafe.net/junior-erzahlcafes/)

Über Mother Hood e. V.:

Bei Mother Hood e.V. setzen sich Eltern bundesweit für eine gute Versorgung von Mutter und Kind vor, während und nach der Geburt ein. Durch Kreißsaalschließungen, Personalmangel in Kliniken und Lücken in der Hebammenversorgung ist eine sichere Geburtshilfe nicht mehr überall gegeben. Zu den Hauptforderungen von Mother Hood gehören unter anderem die 1:1-Betreuung durch eine Hebamme und das Recht auf die freie Wahl des Geburtsortes (www.mother-hood.de).

Mother Hood e . V. - Bundeselterninitiative zum Schutz von Mutter und Kind während Schwangerschaft, Geburt und 1. Lebensjahr

Kontakt:

Regionale Ansprechpartnerin Berlin:Anja Mocker, E-Mail: [email protected]

Geschäftsführender Vorstand / Bundeskoordination der Regionalgruppen: Franziska Maria Kliemt, E-Mail: [email protected]

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Berliner Erfahrungsberichte der Roses Revolution 2016

Zahlreiche Berichte erreichten uns durch persönlichen Kontakt und Anfragen via Mail und Facebook. Zum jetzigen Zeitpunkt besitzen wir jedoch keine Freigabe zur Weitergabe.

So führen wir beispielhaft persönliche Erfahrungsberichte aus den veröffentlichen Berichten der Roses Revolution 2016 auf.

„Die Roses Revolution ist eine weltweite Aktion gegen Respektlosigkeit und Gewalt in der Geburtshilfe. Am 25. November, am internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen, legen Betroffene an den Orten, an denen sie Gewalt während der Geburt erlebten, einen Brief und eine Rose nieder, um ein Zeichen für würdevolle Geburtsbegleitung zu setzten. Online wird die Aktion auf Facebook Roses Revolution Deutschland begleitet.“ 10

2014 forderte die WHO fordert explizite Maßnahmen gegen Gewalt in der Geburtshilfe in ihrer Erklärung "Vermeidung und Beseitigung von Geringschätzung und Misshandlung bei Geburten in geburtshilflichen Einrichtungen", welche sich direkt an die Regierungen wendet. 11

Die folgenden Berichte sind veröffentlicht unter https://www.facebook.com/ RosesRevolutionDeutschland/ .

#Geburtsbericht2016 Nr. 64 - Sana-Klinikum Lichtenberg in Berlin "... Warum werden Grenzen, die ein Patient absteckt, nicht respektiert?..." #rosrev2016

Eigentlich wollte ich gern eine Beleghebamme für die Geburt meines Sohnes, aber da im Dezember 2010 alle Beleghebammen in Berlin streikten, fiel da von vornherein ins Wasser. Am Infoabend in der Klinik (Sana-Klinikum Lichtenberg in Berlin) kamen die anwesenden Hebammen leicht angeheitert rüber, was nach eigener Aussage am kürzlich getrunkenen Sekt gelegen habe. Es wurde die Stillfreundlichkeit und die verschiedenen Varianten der Gebärpositionen der Klinik angepriesen. Im persönlichen Beratungsgespräch wurde mein

www.gerechte-geburt.de10

www.gerechte-geburt.de/wissen/gewalt-in-der-geburtshilfe/who-erklärung/11

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potentieller Wunsch nach einer PDA sowie nach einem Familienzimmer aufgenommen.

Am entscheidenden Tag stand ich etwa um halb 8 morgens mit regelmäßigen Wehen recht gefaßt und nüchtern vor der Kreißsaaltür, wurde aufgenommen, untersucht, bekam einen Zugang gelegt („Das machen wir nur zur Sicherheit“) und bekam von der Hebamme ein Schmerzmittel angeboten („Ich sehe nämlich schon, Sie können nicht ganz so gut mit Schmerzen umgehen.“), was ich auch angenommen habe.

Alle Kreißsäle schienen belegt, denn ich blieb mit meinem Mann und meiner Freundin als Begleitperson im Vorwehenzimmer (oder wo auch immer das war) und sah in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen die Hebamme, die ich dann tatsächlich irgendwann um eine PDA bat. Im Gegensatz zu den vorherigen Versicherungen war das aber nicht so ohne weiteres möglich und scheinbar auch nicht ganz so erwünscht. Macht ja Arbeit. Klar, andere Frauen schaffen es auch ohne - aber da ich ja offenbar „mit Schmerzen nicht gut zurechtkomme“ und die Hebamme keine Zeit hatte, in irgendeiner Hinsicht anderweitige Hilfe zu leisten, wollte ich eben eine PDA. Man müsse erst den Anästhesisten heranbekommen, und der sei gerade noch woanders tätig. Ich bekam deshalb erst einen Tropf, dann sollte ich einen Einlauf bekommen, und danach die PDA. Meine Freundin sollte dann aber nicht dabei sein dürfen, das sei dann mit der PDA ja nicht mehr nötig, und ich hätte ja schon meinen Man dabei.

Dann ging es aber nach den ersten 5cm mit den Wehen innerhalb von 2 Stunden relativ flott voran; ich übergab mich zweimal, wurde dann von der Hebamme abgeholt und sollte mit ihr rüber in den Kreißsaal laufen. Mir schien es, als hätte sie nicht so die rechte Zeit oder Geduld, auf meine wackeligen kleinen Schlurfschrittchen zu warten, die aber alles waren, was ich - mit Kotztüte unterm Kinn - in dem Moment noch leisten konnte. Sie kritisierte mich nicht, aber ich fühlte mich dennoch unter Druck.

Im Kreißsaal nahmen die Wehen so zu, daß es zwischendrin keine rechten Pausen mehr gab. Als ich deshalb irgendwann völlig außer mir vor Schmerzen anfing zu kreischen, fuhr mich die Hebamme (die diese Bezeichnung meiner Meinung nach spätestens ab diesem Zeitpunkt nicht mehr verdiente) an: „Nee, Frau XXX, das muß nicht sein. Reißen sie sich bitte ein bißchen zusammen, so viel Beherrschung hat jeder!“ Und ich Dussel bekam doch allen Ernstes ein schlechtes Gewissen. Alles, was die Hebamme an hilfreichen Tips parat hatte, war: „Haben Sie keinen Geburtsvorbereitungs-kurs besucht? Doch? Na, machen Sie mal so wie im Geburtsvorbereitungskurs!“

Das Ende ging dann relativ schnell: Der junge Mann hatte es eilig, wir waren relativ plötzlich bei 10cm, es gab also auch keine PDA mehr; ich bekam Preßdrang und wollte auf der Seite liegend meinen Job machen. Die Stimme

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der Hebamme ertönte: „Ach, müssen Sie schon pressen, Frau XXX? Dann legen Sie sich mal bitte auf den Rücken!“ Ich: „Och nee!“ Hebamme: „Oh doch!“ Und ich Dussel komme der Aufforderung nach. Auf dem Rücken liegend bekam ich keine Luft, konnte dadurch auch nicht vernünftig pressen, und ich durfte beim Pressen auch kein Geräusch machen. Das CTG war nicht mehr so gut; man öffnete daher (nach meiner Einwilligung) die Fruchtblase, um irgendwie den Sauerstoffgehalt am Babykopf messen zu können. Als irgendwann die Herztöne rapide im Sinkflug waren, musste ich meine Einwilligung zur Entbindung mit Saugglocke geben - nach knapp 20 Minuten Preßwehen, die ich auf dem Rücken liegend verbringen mußte und die deshalb für mich und mein Kind komplett vertan waren. Mein Sohn wurde also eiligst geholt - unten wurde gezogen, von oben wurde geschoben. Als das Baby endlich draußen war, war ich fix und fertig, mir fielen die Augen zu und ich wollte nichts und niemanden mehr sehen. Auch nicht mein Kind. Man versuchte, es mir zu zeigen („Gucken Sie mal, Frau XXX, hier!“), aber ich konnte nur noch mal eben mit dem Kopf schütteln. Man brachte ihn schnell zum Kinderarzt (APGAR 6/9/10) und dann gleich wieder zurück. Ich bat darum, ihn mir NICHT auf den Bauch zu legen. „Doooch!“ Also: Ein mehrere Kilo schweres Baby wird ungebeten auf den Bauch gepackt, was sehr drückte und deshalb fürchterlich unangenehm war. Warum das nicht einfach auch auf der Seite neben mir liegend möglich war - keine Ahnung. Das wurde erst beim ersten Anlegen (auch im Kreißsaal) gestattet. Die Risse wurden fast eine Dreiviertelstunde genäht. Das dafür wenigstens sehr ordentlich. Jemand kam mit ein paar Globuli in der Hand zu mir und sagte: „Hier, machen Sie mal den Mund auf!“ Ich fragte, was das sei. Etwas, das gut nach der Geburt sei, blablabla, mehr erfuhr ich nicht.

Auf der Wochenbettstation bekamen wir nach einigen Diskussionen das beantragte Familien-zimmer, da mein Mann deutlich zum Ausdruck brachte, daß wir das bereits von Anfang an beantragt hatten und wir eben auch diejenigen waren, die zuerst „fertig waren“. Etwas anderes hätte ich auch nicht ertragen.

Auf der Wochenbettstation verfuhr man weiter nach Schema F: Als ich meldete, daß ich zur Toilette müßte, aber keinesfalls selbst aufstehen könne, wurde mir nicht geglaubt. „Ach, probieren Sie es doch erstmal, Frau XXX!“ (Ich reagiere heute zutiefst allergisch auf diesen Satz!) Man klappte das Rückenteil des Bettes hoch - mir wurde schwummerig. „Was haben Sie denn? Haben Sie Ohrensausen?“ - „Nein, aber…“ - „Na kommen Sie, hier drüben ist ne Bettpfanne auf dem Stuhl, das probieren wir mal zusammen.“ Der genaue Wortlaut ist nicht mehr rekonstruierbar, aber entscheidend war das Resultat: Ich wurde auf den Stuhl mit Bettpfanne genötigt. Ich weiß auch noch, wie ich mich hingesetzt habe. Und dann ging das Licht aus. Und zwar nicht wegen Stromausfall. Ich hing ca. 5-10 min in den Armen der Stationshebamme, bis ich

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wieder zu mir kam. Sie und die Schwester, die beim Saubermachen halfen, akzeptierten fortan meinen Zustand: „Sie bleiben liegen!“ (Ach wirklich?!).

Alle weiteren Schwestern, die sich nach jedem Schichtwechsel bei uns vorstellten, forderten mich bei diesen Gelegenheiten immer wieder dazu auf, „doch mal aufzustehen und auf dem Gang spazieren zu gehen, um den Kreislauf ein bißchen anzuregen.“ Daß ich vom Spazierengehen nicht plötzlich mehr Blut in meinen Kreislauf bekomme, schien den Damen nicht einleuchtend zu sein. Leider wurde auch mir erst verzögert kommuniziert, daß ich viel Blut verloren hatte. „Ach, Sie sind die mit dem schlechten Hb-Wert?“, fragte eine Schwester, als ich auch am nächsten oder übernächsten Tag das Essen im Bett einnahm. Woher sollte ich das wissen? Mir hatte niemand was gesagt! Mir wurden daraufhin Eisenpräparate angeboten, von denen ich aber wußte, daß ich sie nicht vertrage. „Nun, dann müßten wir vielleicht über eine Bluttransfusion nachdenken.“ Ich war total überrascht und stellte erst einmal in Frage, ob das wirklich nötig sei. Ich wollte auch vermeiden, daß eine Blutkonserve mit einer seltenen Blutgruppe „unnötigerweise“ verbraucht wird. Ich rechnete damit, daß später noch ein Arzt mit mir darüber sprechen würde, dem ich auch Fragen dazu hätte stellen können. Aber es wurde nicht mehr angesprochen; im Entlassungsbericht stand, daß ich die Transfusion abgelehnt hätte. Hätte ich aber nicht, wenn man mich vernünftig über meinen Zustand informiert hätte!

Am ersten oder zweiten Tag nach der Entbindung sagte man mir, daß ich „heute auch mal duschen gehen müßte“. Ich fühlte mich unsicher wegen der Nähte und fragte nach, ob das so früh schon wieder geht. „Wir haben hier Frauen mit Kaiserschnitt, die duschen schon am selben Tag!“ Da war er wieder - der angedeutete Vorwurf, ich würde mich zimperlich anstellen. Ins Bad half man mir - aber nicht ohne mich auf dem Weg dorthin ständig zu ermahnen, aufrecht und gerade zu laufen, weil das gut für die Rückbildung sei. Ich hingegen war froh, mich überhaupt irgendwie auf den Beinen voranschleppen zu können und wäre am liebsten gekrochen. Man riet mir auch dazu, mich direkt auf die Nähte draufzusetzen, weil das gut sei. Macht ja niemandem was aus, wenn es drückt und unangenehm ist - außer mir.

(Zu Hause wurde ich von meiner Nachsorgehebamme betreut, die nicht nur bei den Untersuchungen sehr viel vorsichtiger war, sondern auch diesen Punkt mit den Nähten zu meiner Erleichterung revidierte. Es dauerte Monate, bis ich wieder richtig sitzen konnte.)

Auf der Wochenbettstation war ich die Mutter, die die ganze Zeit nicht einmal den Speiseraum von innen gesehen hat, weil ich zu klapprig auf den Beinen war. Die ihr Kind nicht einmal selbst gewickelt hat während der Zeit im Krankenhaus, weil ich dazu schlichtweg nicht in der Lage war. Und dann noch

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eine, die ein, zwei Tage lang mehr Arbeit machte wegen Bettpfannen und so. Und die ganze Zeit hatte ich das Gefühl, als wäre ich deswegen eine Kuriosität für das Stationspersonal.

Warum werden Grenzen, die ein Patient absteckt, nicht respektiert? Ich sag doch nicht aus Jux, daß ich nicht aufstehen kann. Als ob es mir Spaß machen würde, mir von einer Krankenschwester eine Blechschüssel unter den Hintern schieben zu lassen. Als ob ich gerne nur im Bett rumliege und mir da Essen bringen lasse, um mich verwöhnen zu lassen. Ach ja, Weihnachten war es da auch noch. Frohes Fest…"

Berlin, Kreißsaal Nr. 1 der Charité Mitte. "Ich war mit meinem Mann auf der Station, um die Rose niederzulegen. Wir haben die Krankenschwestern ignoriert. Es ging nur um unsere Trauer und unsere Wut. Es ist eineinhalb Jahre her, dass man uns das angetan hat. Meiner Tochter geht es gut, ich kämpfe mit den Folgen des Traumas durch die Geburt: Eine Hebamme, die mich fertig gemacht hat, ein unangekündigter Dammschnitt und kein einziges unterstützendes Wort. Nie wieder Charité."

Geburtsbericht #27/2016 – Helios Klinikum Berlin-Buch „Kaum eine Hebamme sah ich mehr als einmal. Ständig untersuchte mich jemand anderes. Eine Hebamme meinte zu mir, wenn ich wieder Augenflimmern haben sollte, oder merke dass mein Blutdruck steigt, solle ich mich melden. Das war etwas später der Fall und als wir dann zu ihr hin sind meinte sie "Also, jetzt übertreiben sie aber, hören sie auf so in sich hinein zu fühlen"“

Ich habe im April 2014 meine erste Tochter dort entbunden und es war kein schönes Geburtserlebnis. Sicherlich nicht so schlimm wie die Geburten vieler Frauen hier, die ich gelesen habe, aber ich hatte lange daran zu knabbern.

2 Tage vor ET kam ich ins Krankenhaus mit Kopfschmerzen, Augenflimmern und viel zu hohem Blutdruck. Verdacht auf HELLP Syndrom, es sollte eingeleitet werden. Ich habe noch 2 Tage ausgehandelt und bin dann am ET mit meiner Kliniktasche ins Krankenhaus gekommen.

Die Einleitung begann. Wir sollten laufen, waren viel am CTG.... ständig wechselten die Hebammen. Es tat sich nichts. Die Klinik ist 60min vom Wohnort entfernt und ich machte mir langsam Sorgen, wie lange das wohl gehen würde und machte mir Gedanken um meinen Mann, der ja ständig hin und her fahren muss. Der 1. Tag verging, ohne dass sich etwas tat und am

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Abend fuhr mein Mann dann nach Hause. Für ihn gab es keine Ruhemöglichkeit im Krankenhaus.

Dass er nach Hause gefahren ist, wurde dann von einer Hebamme kommentiert mit: „Na das ist ja nett, dass er sie jetzt hier alleine lässt." Ich war todtraurig. Was blieb uns denn anderes übrig?

Um Mitternacht platzte mir die Fruchtblase. Aufgeregt ging ich rüber in den Kreißsaal. Dort empfing mich eine der unfreundlichsten Hebammen überhaupt. Das Fruchtwasser lief und lief und wurde dann kalt an der Hose. Ich empfand das als echt eklig, wollte mich gerne frisch machen. Aber sie pampte mich an: „Daran müssen sie sich gewöhnen, hören sie auf zu jammern, wir machen jetzt erstmal ein CTG" und beförderte mich auf die Liege. Dort lag ich dann im kalt werdenden Fruchtwasser, war allein, verzweifelt und hatte keine Möglichkeit, meinen Mann zu informieren. Irgendwann war das CTG vorbei und ich fragte, ob es Sinn macht, meinen Mann anzurufen im 60min entfernten zu Hause. Ihre Antwort war: "Na, wenn’s Ihnen hilft..." Unter den Umständen, wie sie mit mir umging, brauchte ich emotionale Unterstützung. Also rief ich an. Er machte sich in der Nacht auf den Weg. Ich hatte wieder Sorge, ob er gut ankommt...alles Landstraße, mitten in der Nacht...was wenn er einen Unfall hat? Diese Sorgen haben mich völlig blockiert.

Irgendwann traf er dann ein, ich bin in der Zwischenzeit durch die Klinik gewandert. Dann wanderten wir zusammen. Ich hatte leichte, gut auszuhaltende Wehen. Ich durfte dann in die Wanne zum Entspannen und nach einem weiteren CTG wurde ich untersucht. Muttermund bei 3cm "Da tut sich erstmal nichts, gehen sie schlafen" Auf die Nachfrage wo mein Mann sich ausruhen könne, kam die Antwort "Das ist nicht mein Problem. Sie haben ja hier ein Bett" Ich war völlig verzweifelt, habe nur geweint. Mein Mann hat die restliche Nacht im Auto auf dem Parkplatz verbracht. Im Regen bei 5Grad draußen. Zum Glück hatte er eine Decke im Auto, sonst wäre er wohl erfroren.

Der nächste Vormittag verging mit leichten Wehen, Einleitungstabletten, spazieren gehen, CTG. Kaum eine Hebamme sah ich mehr als einmal. Ständig untersuchte mich jemand anderes. Eine Hebamme meinte zu mir, wenn ich wieder Augenflimmern haben sollte, oder merke dass mein Blutdruck steigt, solle ich mich melden. Das war etwas später der Fall und als wir dann zu ihr hin sind meinte sie "Also, jetzt übertreiben sie aber, hören sie auf so in sich hinein zu fühlen" ....vielen Dank auch.

Gegen Mittag kam dann eine liebe Hebamme die merkte dass mich etwas bedrückt. Ich erzählte ihr dann dass es mich sehr belastet dass mein Mann nicht durchgehend bei mir sein kann und es mir schon davor graut wenn es wieder abend wird und er nach Hause muss und ich alleine bin. Diese Frau war ein Engel, sie sagte dann "Wir machen einen Deal. Ich stecke sie in ein

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Vorwehenzimmer und sie liefern mir ein paar schöne Wehen" Mein Mann fuhr dann nach Hause um Sachen für die Übernachtung zu holen. Ich war überglücklich gewesen, packte meinen Koffer wieder ein um in den Kreißsaal zu ziehen. Dabei merkte ich dass der gepackte Koffer in der Form nicht in den verschließbaren Schrank passt. Also bat ich den Mann meiner Zimmernachbarin (6Bett Zimmer) ob er mir den Koffer ins Vorwehenzimmer tragen könne. Als die Hebamme das sah und bemerkte war sie sauer. "Jetzt wollen die bestimmt auch ein Vorwehenzimmer, was haben sie sich dabei gedacht, das war aber sehr unüberlegt..." und wieder fühlte ich mich schlecht.

Als mein Mann dann kam war ich auf einmal wie befreit. Ich wusste jetzt muss ich nicht mehr alleine sein. Und zack gingen die Wehen los! So veratmete ich fleißig die Wehen. Dass in der Zeit kaum mal eine Hebamme nach uns sah störte mich nicht weiter. Ich bekam einmal eine Schmerzspritze zwischendurch von der mir schlecht wurde. Ich musste mich laufend übergeben. Im Verlauf des Abends wurden die Schmerzen unerträglich. Ich wollte dem Ganzen nur noch ein Ende setzen und bettelte um eine PDA.

Die wurde dann gegen Mitternacht auch gelegt. Mir wurde gesagt dass ich Bescheid sagen soll wenn eine Wehe kommt. Das tat ich. Als die PDA saß, jammerte ich dann über die nächste kommende Wehe. Die Antwort darauf war, ich solle nun still sein und es wäre nun nicht mehr notwendig jede Wehe zu kommentieren.

Dank der PDA ließen sich die Schmerzen dann gut aushalten. Es waren 2 Hebammen, 1 Ärztin und 4 gleichzeitig laufende Geburten. Mit gleichzeitig meine ich dass wir Frauen alle unsere Babys 10min hintereinander weg bekamen wie ich später auf der Tafel im Foyer sah. Jedenfalls gerieten die Hebamme und die Ärztin in Zeitdruck und nahmen an mir einen Dammschnitt vor. Außerhalb der Wehe. Wahrscheinlich damit es schneller geht und sie zur nächsten Frau können. Ich habe geschrien wie am Spieß. Meine kleine Maus kam dann zum Glück raus und wurde mir auf die Brust gelegt.

Dann sollte ich genäht werden. Während des Nähens wurde ich 3mal!!! allein liegen gelassen weil die Ärztin zur nächsten Entbindung musste. Ich lag da wie ein Stück Fleisch. Beine rechts und links hoch und Faden raushängend. Die Ärztin kam zwischenzeitlich zurück, spritzte die Betäubung nach, nähte ein paar Stiche weiter, ließ mich wieder liegen und eilte zur nächsten Frau. So ging das dreimal. Ich war vollkommen geschockt. Mein Mann saß mit dem kleinen Bündel neben mir.

Ich wurde dann nach 4h auf die Station gebracht wo es auch nicht besser war. Ich habe rechtsseitig eine Schlupfwarze und versuchte nun auf der Seite zu stillen. Vergeblich. Als ich klingelt kam eine genervte Krankenschwester rein, schaute im Dämmerlicht auf meine Brust und schmiss mir ein Stillhütchen hin

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mit den Worten "Na mit so einer Brustwarze können sie auch nicht stillen" und war ohne Erklärung verschwunden. Erst meine Zimmernachbarin erklärte mir dann wie man sie benutzt. Ich habe am Nachmittag das Krankenhaus fluchtartig verlassen, musste dafür unterschreiben aus eigener Verantwortung zu gehen. Eine richtige Bindung zu meiner Tochter konnte ich erst im Laufe der Wochen aufbauen.

Dass es anders laufen kann habe ich vor zwei Wochen gesehen. Da habe ich meine zweite Tochter in wunderbarer Atmosphäre in der Praxis meiner Hebamme des Vertrauens zur Welt gebracht. Sie ist einer der wenigen Hebammen die noch Hausgeburten und außerklinische Geburten anbietet. Diese Frau ist ein Engel und die Geburt war wunder, wunderschön und hat mich ein bisschen mit der ersten verkorksten Entbindung versöhnt.“

#Geburtsbericht #10/2016 - Rosenniederlegung am Abend zuvor im Urbankrankenhaus, Berlin. „Die Frau war so tief in der Geschichte, dass sie darüber die Zeit vergaß und die Rose " zu früh" brachte. Ihr ging/geht es sehr schlecht. Sie hat es unterschätzt.“

Hier der Brief der Mutter an das Urbankrankenhaus:

„Mein Kind ist vor ein paar Wochen in diesem Kreißsaal geboren worden.

Es ist ein gesundes, starkes, schönes Kind, über das ich glücklicher bin, als ich es je sagen könnte. Es ist durch einen Notkaiserschnitt geboren worden. Vielleicht wäre es sonst gestorben, sehr wahrscheinlich wäre es sonst gestorben. Es wurde also hier nicht nur geboren, sondern auch gerettet. Und dafür bin ich dankbar. Und doch lege ich hier heute eine Rose vor die Tür.

Auch wenn ich lieber schlafen würde, denn Schlaf ist gesegnet dieser Tage, und selten.Auch wenn mir schönere Ziele für einen Spaziergang einfielen. Auch wenn ich lieber nie wieder dieses Krankenhaus betreten würde.

Es ist mir wichtig zu sagen: Mir wurde hier Gewalt angetan.

Es kostet mich sehr viel Kraft, darüber zu schreiben. Es kostet mich Kraft, diese Rose vor diese Tür hier zu schleppen. (Das Kind vor meinem Bauch ist leicht dagegen.)

Ich bin noch nie so behandelt worden.

Ich habe mich noch nie so hilflos, so ausgeliefert, so verkannt, nicht ernstgenommen, allein gelassen, beschämt, beschimpft, bedroht gefühlt wie an diesem Tag, in dieser Nacht, an diesem Tag.

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Ich hatte noch nie in meinem Leben solche Schmerzen.

Und mir wurde nicht geglaubt.

Und ich habe während dieser Schwangerschaft schon Schmerzen erlebt, die mich bewusstlos gemacht haben; ich habe Wochen damit verbracht, einfach nur Atmen zu veratmen; ich war Schmerzen gewohnt und den Umgang damit, und damals – vor diesem Tag, vor dieser Nacht – war ich auch noch einigermaßen gut darin, Schmerzen zu nehmen.

An diesem Tag hatte ich solche Schmerzen, ich war gar kein Mensch mehr. Ich war fast nicht mehr da. Und mir wurde nicht geglaubt. Deshalb hatte ich auch noch nie in meinem Leben solche Angst, Angst um mich und mein Kind: Ich dachte, ich müsste sterben vor Schmerzen, und mir wurde nicht geglaubt. Und mir wurde nicht geholfen. Und wenn so etwas passiert, dann reagiert der Körper mit Gefahr. Denn dann ist man in Gefahr.

Und ein Körper in Gefahr kriegt keine Geburt hin. Weder in der Steinzeit noch heute.

Überhaupt wurde mir nicht geglaubt. Weder mir, noch meinen Geburtsbegleitern. Uns wurde nicht geglaubt. Ich wurde gar nicht gefragt, davon ab. Aber meine Empfindungen? Irrelevant. Das, was ich weiß, weil – verdammt noch mal – ich es spüre – das war gar kein Faktor. Das war nicht wichtig.

Dies ist nur ein Beispiel:

Ich kam aufgrund eines Blasensprungs. Aber die Ärztin machte einen Test und sagte, es sei kein Blasensprung, ich solle wieder nach Hause.

Natürlich war es ein Blasensprung. Ich weiß das, ich war ja dabei. Ich habe es sogar irgendwie reißen gespürt, auf jeden Fall aber erinnere ich mich an das warme Gefühl des Wassers, das zwischen meinen Beinen herunterrinnt, und an mein Verwundern darüber. Ich erinnere mich, wie ich in der Pfütze stand und realisierte, dass es nun passieren würde. Dass ich das Wasser prüfte, es war klar und leicht seifig zwischen den Fingern. Es war Fruchtwasser. Dass ich da stand und versuchte, mich zu wappnen, und Angst hatte, und mich freute.

Das war nur ein Beispiel.

Ja, ich war ein komplizierter Fall. Ja, mir war klar, dass man mir nicht und dieser schrecklichen Schwangerschaftsgeschichte nicht vollends würde gerecht werden können. Mir war klar: niemand, der nicht dabei war, würde innerhalb weniger Momente verstehen können, was ich da bis jetzt durchgemacht hatte,

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was da medizinisch genau alles los war, welche Schmerzen bei mir schon vom Dauerschmerz her kaum auszuhalten waren etc. usw. usf.

Was ich aber erwartete, war, dass mir oder den Menschen, die ich ja extra dafür mit dabei hatte, zugehört werden würde. Dass uns zugeguckt werden würde. Dass man das doch irgendwie alles begreifen müsse, man muss ja nur hinschaue oder zuhören.

Noch ein Beispiel:

Ich hatte solche Schmerzen, wenn sich jemand auf mein Bett setzte, musste ich aufschreien, und nach dem ersten Aufprall tat das pure Atmen des Anderen, das sich als rhythmischer Schmerz in meinen Körper bohrte, irre, unglaublich, nicht zum Aushalten weh. Und das sagte ich den Menschen, die sich um uns kümmern sollten. Den Hebammen, der Ärztin. Und das konnten sie an meinen Schmerzlauten erkennen. Und doch schmissen sie sich immer wieder auf mein Bett, so dass ich schreien musste. In Situationen, in denen das durch keinerlei Notfall notwendig gewesen wäre. Und doch waren sie grob mit mir. Wie weh ein beschissener Wehenschreiber tun kann, wenn man solche Schmerzen hat wie ich. Und wenn – in einer Untersuchungssituation, nicht in einer Notsituation – irgendwo irgendetwas geweitet werden muss, dann wüsste man vielleicht zuvor davon oder auch den Grund, gerade dann, wenn man vor Schmerz sowieso gerade schreit, aber nicht nur dann. Und doch machten sie meiner Doula Vorwürfe, warum sie mich nicht massiere, warum sie mir nicht andere Stellungen zeige. Immer wieder diese Vorwürfe. Warum ich nicht dies oder dies tun würde, oder mein Partner dies, oder meine Doula dies. Wenn überhaupt jemand in unser Zimmer kam – und das war aufgrund akuten Personalmangels, für den die Personen nichts können, sondern mir im Gegenteil aufrichtig Leid tun, auch dies ist mir wichtig zu sagen! – sehr selten der Fall! Absurd. Andere Stellungen?? Seit drei Monaten lag ich doch nur noch auf der linken Seite! Seit drei Monaten brauchte ich Minuten, um mich von links zur Mitte zu bewegen! Und meistens rutschte das Baby dann sofort so unglücklich auf die Schlinge des Doppel-J-Katheters in meiner Blase, oder vielleicht war es auch die Symphyse, oder Endometriose, was weiß ich, das konnte mir ja niemand sagen, egal zu welchem Arzt ich rannte – jedenfalls setzte dann oft sofort ein dermaßen schlimmer Schmerz ein, dass ich da nur noch lag wie ein Käfer und nicht mehr wusste, wie so liegen, und nicht mehr wusste, wie zurück. Seit Monaten tat mir jede Bewegung, jede Bewegung weh! Und ja, das kann niemand nachfühlen. Selbst mir ist mittlerweile schleierhaft, wie ich das aushalten konnte. Aber ich habe es gesagt. Ich habe es immer wieder gesagt, und geschrien. Und mein Freund und meine Doula haben es auch versucht zu erklären.

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Stattdessen haben die Hebammen sich mit meiner Doula angelegt. Ich kann das nicht anders nennen. Auch mein Partner hat dies alles übrigens ebenso wahrgenommen. Wenn ich dieser nur einen fragenden Blick zugeworfen habe, geschweige denn mit ihr oder meinem Freund etwas besprechen wollte – so wie man doch, als verantwortungsvolle Patientin und vor allem als Mutter, die man doch schon längt ist, wichtige Entscheidungen abwägen, besprechen sollte, solange zumindest doch Zeit dafür ist, oder nicht? – wurde das als Abwertung der eigenen Kompetenz wahrgenommen und schnippisch kommentiert: „Ich glaube, wir wissen doch etwas mehr darüber als die“.

Klar, ja, bestimmt, vielleicht, wissen Sie. Trotzdem würde ich gerne eine Entscheidung treffen, die mit meinen Vertrauenspersonen in Einklang steht. Eigentlich würde ich mich gerne jetzt von Entscheidungen wegbewegen und meinen Körper eine Geburt machen lassen, und dafür brauche ich auch die Sicherheit meiner vertrauten Personen. Und vor allem kann ich dafür keine Situation brauchen, die mich unsicher macht. Ich kann keinen Streit brauchen, keine Aufregung, kein Kompetenzgerangel, keinen Stress, keine unwirschen Worte, keine schnippischen Bemerkungen. Es bringt mich raus, wenn die Hebamme fragt, mit einer Kopfbewegung hin zu meiner Doula: „Will die nicht mal nach Hause gehen?“ – Und ich frage ganz verwundert zurück: „Das ist doch meine Doula.“ Und sie antwortet: „Ich weiß.“

Auch das waren nur Beispiele.

Ich bin noch immer verwundert über das, was da passiert ist. Mit den Menschen. Warum die sich so verhalten haben. Denn es war mehr als ein schlechter Job. Es war auch mehr als Überforderung angesichts der furchtbaren Arbeitsbedingungen. Da war mehr Energie dahinter als pures Unterlassen. Ich habe es als mitunter sogar als boshaft erlebt.

Und das kann ich mir nicht erklären.

Ich weiß, dass hier eigentlich Menschen arbeiten, die anderen Menschen helfen möchten.

In meinem Fall ist es gelungen, dafür muss ich nur mein Kind ansehen. Noch einmal: Ich bin dankbar dafür.

Ich bin so froh, dass es nicht gestorben ist. Danke.

In meinem Fall ist aber auch etwas richtig schlimm schief gelaufen.

Alles ist schief gelaufen.

Der Tag der Geburt meines Kindes war der schlimmste Tag in meinem Leben. Wäre ich gerade nicht so eingebunden, wie man es als Mutter in den ersten

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Monaten ist, so unaufhörlich gefordert, hätte ich gerade wirklich ein Problem damit, Menschen zu vertrauen. So schlimm schief gelaufen ist es.

Ich wünschte, man hätte das gefilmt. Sie würden es selbst nicht glauben, wenn sie es sehen könnten.

So etwas darf nicht noch einmal passieren. Bitte. Deshalb auch diese Rose, dieser Brief.“

#Geburtsbericht #12/2016 – Geburt im Sommer, St. Gertrauden, Berlin 2016. Heute legt die Doula der Frau die #rosrev-Rose stellvertretend für die Mutter ab. Dies ist ihr Brief:

„Ich hatte mir das St. Gertrauden Krankenhaus für meine Geburt bewusst ausgesucht, da ich in Gesprächen mit einer Hebamme sowie der Oberärztin einen guten Eindruck hatte und mich für eine natürliche Geburt, bei der ich möglichst in Ruhe gelassen und doch emotional unterstützt würde, am richtigen Ort wähnte. Nicht zuletzt deshalb hatte ich mir auch eine Doula besorgt, da ich Sorge um eine gute und durchgehende Betreuung hatte. Ich traute mir eine autonome Geburt sehr wohl zu, eine letzte Unsicherheit jedoch war natürlich vorhanden, und hierfür wollte ich sicher gehen die richtige Unterstützung zu haben.

Zunächst verlief auch alles sehr gut, ich hatte bereits stundenlang die Wehen gut zu Hause im Griff gehabt. In der Klinik angekommen sagte mir die Hebamme im Dienst, Tina* [alle Namen in der Veröffentlichung geändert], noch wie schön ich das alles machte und das sein doch kein Fall für die Klinik, ich hätte doch eine Hausgeburt wählen sollen. Ich befand mich ohne Schmerzmedikamente in einem guten Trance ähnlichen Zustand, ließ mich ganz auf alles ein und vertraute meinem Körper. Die Länge der Geburt störte mich nicht. Ich war sehr mit mir und meiner Atmung beschäftigt. Das CTG irritierte mich, insbesondere verrutschte die Elektrode in jeder Pause zwischen den Wehen wenn ich meinen Kopf auf die Liege ablegte, um mich zu erholen. Somit wurde mein eigener Puls gemessen. Wäre eine Hebamme/ die Ärztin einmal daneben im Zimmer gestanden, so hätte sie dies klar erkannt. Von außen am Monitor wurde dies fälschlicherweise als Abfallen der Herztöne gedeutet..

Irgendwann ging es auch voran und endlich war der Muttermund 10cm geöffnet. Tina rief “dann kann ich ja jetzt alles für die Geburt vorbereiten”.

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In dem Moment war ich schon ganz verunsichert- würde mir jetzt die Autonomität entrissen und man würde ‘mich entbinden’ anstelle mich mein Kind auf die Welt bringen zu lassen?

Als Tina mich dann nötigte, für die Pressphase auch bei fehlenden Presswehen in Seitenlage auf dem Bett zu liegen, obwohl ich ihr mehrfach sagte, dass sich dies nicht richtig anfühlte und ich im Stehen/ in der Hocke bleiben müsste wie ich auch schon die 20 Stunden zuvor verbracht hatte- dies wäre für mich die richtige Gebärposition gewesen- ließen meine Wehen oh Wunder nach. Keine Kuh gebärt in Ruhe Ihr Kalb, wenn sie in ihrem natürlichen Geburtsvorgang gestört wird und sich äußeren Bedrohungen ausgesetzt fühlt.

Es war aber eben nun einmal der Dienstwechsel in Sicht und so sollte doch das Kind noch schnell in ihrer Schicht, und zwar in so bequemer Position wie möglich- für die Hebamme- zur Welt gebracht werden. Als dies wohl nun nicht mehr zu klappen schien, verließ sie den Kreißsaal und ließ mich dort ohne weitere Unterstützung oder Hilfe für eine gefühlte Ewigkeit zurück, um Übergabe zu machen. Im Endeffekt blieb sie noch bis nach Mitternacht in der Klinik, nur eben nicht in meinem Saal. (??!!)

Ich fühlte mich zutiefst verunsichert und alleingelassen, hatte den Gedanken, sie würde vielleicht zurück kommen und bei mir bleiben, wenn ich ihr das Zugeständnis des Pitocin Tropfes machte, den ich im Grunde aus tiefster Überzeugung nicht haben wollte.

Ich hatte somit meine Bastion aufgegeben, in der Folge entfaltete sich eine Kaskade von immer stärker interventionellen Eingriffen. Vom Katheter über das Kristellern, Pudendusblock bis zu Saugglocke und Dammschnitt. Alles unter der Leitung der komplett Empathie-unfähigen Dienstärztin, deren Namen ich nicht mehr weiß, die mir aber als schwäbischer Feldwebel eindrücklich im Gedächtnis geblieben ist. Sie kam herein gestürmt, rief lauthals "also das geht ja hier nicht voran, wir haben jetzt 2 Möglichkeiten, entweder ich drücke von oben oder ich ziehe von unten!" Allein den mir noch im selben Atemzug angedrohten Not-Kaiserschnitt konnte ich vermeiden, wenngleich ich auch gerne wüsste, welche Not bei ständig guten Herztönen des Babys jemals bestanden haben soll. Den Pudendusblock versuchte sie kompetenter Weise während einer Wehe zu setzen. Die Notwendigkeit eines Dammschnittes ist mir nach wie vor höchst fragwürdig.

Ich konnte dieser fürchterlichen und für mich höchst traumatischen Situation nur durch Dissoziation entfliehen, ich war nicht mehr in meinem Körper anwesend. Schritt für Schritt lief vor meinen Augen ein unfassbarer Film ab, bestätigten sich Schritt für Schritt meine schlimmsten Schreckensvorstellungen, die ich doch durch die bewusste Wahl dieser Klinik hatte vermeiden wollen.

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Dieses Gefühl des Ausgeliefert seins, der Unzulänglichkeit, und der Gedanke, dass ich meine Tochter nicht hatte beschützen können auf so brutale Weise in die Welt gezerrt zu werden- ganz abgesehen von den physischen Folgen eines Dammschnittes, hauten mich die nächsten Tage dermaßen um und ließen mich Tagelang verzweifeln, so dass ich mit dem Stillen große Schwierigkeiten hatte. Erst nach 4 Wochen harter Arbeit konnte ich meine Tochter glücklicherweise doch noch problemlos stillen. Gerade die ersten 2 Stunden nach der Geburt sind hierbei für die Beziehung zwischen Mutter und Kind doch so wichtigen absolut unerlässlich, das Kind muss in Ruhe die Brust finden können- und auch dies war vom Schwaben Feldwebel unterbrochen worden. Obwohl ich die Kollegin mehrfach bat mit der Untersuchung zu warten bis meine Tochter getrunken hatte.

Geburtshilfe sollte die werdende Mutter unterstützen, ihr Ruhe geben und Ängste nehmen, nicht jene weiter ausbauen, die Schwangere bedrohen und emotional sowie körperlich verletzen. Ausreden und Begründungen, fadenscheinige Indikationen gibt es freilich immer genug. Letztlich war die einzige wirkliche Indikation hier jedoch die offensichtlich unzureichende Erfahrung der Diensthabenden Assistentin in Geburtshilfe gepaart mit kompletter Empathielosigkeit derselben. Strukturelle Probleme wie Dienstwechsel, Personalmangel und fehlende Beleghebammen führten überhaupt in diese Situation.

So erlebte ich die traumatische Geburt, wie ich sie mir nicht schlimmer hätte ausmalen können.

Dr. med. C. H. mit Tochter N.“

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