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Michael KrauseWo Menschen und Teilchenaufeinanderstoßen

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Weitere Sachbücher und Titel aus derErlebnis Wissenschaft Reihe von Wiley-VCH:

Ganteför, G.Alles NANO oder was?Nanotechnologie für Neugierige2013ISBN: 978-3-527-32961-8

Schwedt, G.Plastisch, elastisch, fantastischOhne Kunststoffe geht es nicht2013ISBN: 978-3-527-33362-2

Synwoldt, C.UmdenkenClevere Lösungen für die Energiezukunft2013ISBN: 978-3-527-33392-9

Böddeker, K. W.Denkbar, machbar, wünschenswert?Wie Technik und Kultur die Welt verändern2013ISBN: 978-3-527-33471-1

Kricheldorf, H.R.Menschen und ihre MaterialienVon der Steinzeit bis heute2012ISBN: 978-3-527-33082-9

Heuer, A.Der perfekte TippStatistik des Fußballspiels2012ISBN: 978-3-527-33103-1

Lutzke, D.Surfen in die digitale Zukunft2012ISBN: 978-3-527-32931-1

Bührke, T., Wengenmayr, R. (Hrsg.)Erneuerbare EnergieKonzepte für die Energiewende3. Auflage2012ISBN: 978-3-527-41108-5

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Michael Krause

Wo Menschen und Teilchenaufeinanderstoßen

Begegnungen am CERN

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Autor

Michael KrauseKnesebeckstraße 9210623 Berlin

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Über den Autor

Michael Krause, geboren 1956, studier-te Geschichte. Er arbeitet heute als Au-tor, Regisseur und Schauspieler. In sei-nen Büchern über Naturwissenschaftund Technik interessiert er sich vor al-lem für die Menschen, die hinter bahn-brechenden Entdeckungen, spektakulä-ren Misserfolgen oder auch kleinen,aber wichtigen Fortschritten stehen unddie, von der Öffentlichkeit weitgehendunbemerkt, mit ihren Forschungen zueinem besseren Verständnis dessen bei-

tragen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Von Michael Krau-se ist bei Wiley auf Deutsch außerdem erschienen: »Wie Nikola Tesladas 20. Jahrhundert erfand«.

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Inhaltsverzeichnis

Über den Autor V

CERN – In den Kathedralen der Technologie IX

Danksagung XV

Liste der CERN-Generaldirektoren (CERN Director-General) XVII

1 Geschichte des CERN 1

2 Der Praktiker: Rolf-Dieter Heuer 65

3 Der Beginn der modernen Physik 81

4 Der Experimentalist: Tejinder Virdee 85

5 Dalton, Thomson, Rutherford, Bohr 99

6 Der Erbauer des LHC: Lyn Evans 105

7 Physik, Musik, Kunst: Tara Shears 115

8 Der Theoretiker: John Ellis 129

9 Oersted, Ampère, Faraday, Maxwell 145

10 Der Kommunikator: Rolf Landua 151

11 Albert Einstein 163

12 Der japanische Weg: Masaki Hori 167

13 Der Nobelpreisträger: Carlo Rubbia 183

14 Der amerikanische Freund: Sebastian White 189

VII

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15 Die freundlichen Konkurrenten: Sebastian White und Albert DeRoeck 205

16 Rock ’n’ Roll, Bier, Billard und Musik: Jonathan Butterworth 209

17 Das Higgs – und wie weiter? 229

Literaturnachweis 233

Glossar 235

Stichwortverzeichnis 245

VIII Inhaltsverzeichnis

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CERN – In den Kathedralen der Technologie

Auf der Suche nach dem, was die Welt im Innerstenzusammenhält

Die moderne Welt erfüllt die Zeit der Menschen mit immer mehrEreignissen, Aufgaben und Informationen. Alles ist schnelllebiger ge-worden und es gibt kaum noch Freiräume zum Innehalten und Nach-denken. Doch gerade die kontemplative Reflexion, die eigene Suchenach den Antworten auf die wichtigsten Fragen des Lebens ist eineder Grundlagen des menschlichen Daseins. Der Mensch sucht undforscht, er findet und erfindet – Neugier ist ein großer Teil seines We-sens. Diese ewige Suche des Menschen nach dem Grund des Daseins,dem Beginn der Welt und dem Ursprung aller Materie ist Thema die-ses Buches, das sich den Menschen am CERN widmet. Wie, was undwarum sucht der Mensch – und was bringt manche Menschen dazu,ihr gesamtes Leben nach der faustischen Frage auszurichten: Was istes, das die Welt im Innersten zusammenhält?

CERN ist eines der größten wissenschaftlichen Forschungszentrender Welt. Der stärkste jemals gebaute Teilchenbeschleuniger, der Lar-ge Hadron Collider (LHC) ist hier seit Ende 2008 in Betrieb. In ei-nem Tunnel in 100 Metern Tiefe unter der Erdoberfläche, die Staats-grenze zwischen Schweiz und Frankreich durchquerend, werden mitdieser riesigen Maschine Zustände erzeugt, wie sie kurz nach demBig Bang, dem Beginn des Universums geherrscht haben. Die Expe-rimente am CERN – ATLAS, CMS, ALICE, LHCb und mehrere Dut-zend weitere – sind darauf ausgerichtet, unser momentan gültigesModell des Universums in Frage zu stellen, zu vervollständigen undmöglicherweise zu erweitern. Das allgemein gebräuchliche und an-erkannte sogenannte Standardmodell der Physik hat nämlich funda-mentale Lücken. In diesem physikalischen Gesamtbild unserer Weltsind unter anderem zwei Fragen bisher ungeklärt:

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� Welcher Mechanismus und welches Teilchen verleiht den bislangbekannten kleinsten Bausteinen der Welt, den Elementarteilchen,ihre Masse?

� Welcher Mechanismus und/oder welches Teilchen ist für dieSchwerkraft verantwortlich?

Im Standardmodell gibt es auf diese beiden Fragen auch schon Ant-worten, zumindest teilweise. Überträger der Masse eines Teilchens istdemnach das unter anderen vom schottischen Physiker Peter Higgstheoretisch vorhergesagte Higgs-Boson. Für die Schwerkraft wieder-um sucht man nach einem noch nicht nachgewiesenen »Graviton«.Bei der Suche nach dem Higgs-Boson ist man sich am CERN inzwi-schen relativ sicher, dass es wirklich existiert. Die Schwerkraft und dasdamit verbundene Graviton ist bis jetzt nur innerhalb eines weitge-hend ungesicherten »Anbaus« an das Standardmodell skizziert, aberkeineswegs theoretisch und schon gar nicht praktisch nachgewiesen.

Neben diesen beiden fundamentalen Eigenschaften (Masse,Schwerkraft) des uns umgebenden Kosmos fehlen in der gängigenwissenschaftlichen Erklärung die mit Abstand größten Anteile desMassen- und Energiegehalts des Universums: Dunkle Materie undDunkle Energie. Die Dunkle Materie ist dafür verantwortlich, dassrotierende Systeme wie zum Beispiel Galaxien nicht auseinander-fliegen. Sie ist so etwas wie ein zäher Brei, der diese Systeme zuumgeben scheint. Dunkle Energie wiederum soll dafür verantwort-lich sein, dass sich unser Universum seit einigen Milliarden Jahrenimmer schneller ausdehnt. Was diese allergrößten Anteile des Uni-versums, immerhin 96 Prozent, ausmacht, ist nach dem jetzigenStand der Physik noch völlig unbekannt. Was die Welt also – außerselbstverständlich der für die Menschen so wichtigen Liebe – imInnersten zusammenhält bzw. auseinandertreibt, ist weiterhin undimmer noch größtenteils Terra incognita. Der LHC, der größte undenergiereichste Teilchenbeschleuniger der Welt, wurde erbaut, umdieses bis heute unbekannte Terrain zu erkunden. Mit der hohenArbeitsenergie des LHC, dieser riesigen, komplexen physikalischenArbeitsmaschine, wird man die Türen zu diesem Neuland aufstoßenund Licht in das dahinterliegende neue physikalische Gebiet bringenkönnen.

X CERN – In den Kathedralen der Technologie

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Allerneueste Technologien, wissenschaftliche Monster-Maschinenund die abenteuerliche Reise jenseits der uns bekannten physikali-schen Welt sind die spannenden Ingredienzien – doch der Mensch,Triebfeder, Initiator und staunender Beobachter steht im Mittelpunktdieses Buches. Nicht die Technologie ist wichtig, sondern derjenige,der sie beherrscht. Nicht alles ist wichtig, sondern das, was man ver-steht. Unter diesen beiden Maximen entstand dieses Buch, das haupt-sächlich anhand von Interviews mit den am CERN arbeitenden Men-schen ein Bild des CERN-Kosmos liefern soll – das Bild des moder-nen Wissenschaftlers in der bahnbrechend innovativen Epoche desbeginnenden 21. Jahrhunderts. Diese Epoche scheint ähnliche Be-dingungen wie zu Beginn des vorigen Jahrhunderts zu erfüllen, alsdie Welt um 1900 gesellschaftliche, politische und wissenschaftlicheQuantensprünge erlebte: Atomphysik, politische Krisen und gewal-tige gesellschaftliche Umbrüche – und die unendliche Neugier desMenschen an der Schwelle eines neuen Zeitalters zu immer weiter-gehenden Entdeckungen anspornte.

Die Protagonisten dieses Buchs sind am CERN arbeitende Wissen-schaftler. Sie leiten Projekte und Experimente, erforschen bisher Un-bekanntes, verfolgen neue Theorien und scheinen doch alle Teil einesGanzen zu sein, das sich zielgerichtet und dabei dennoch unspezi-fisch mehreren spannenden Fragen annähert: Was ist es, das die Weltim Innersten zusammenhält? Wie sieht das Terrain, zu dem der LHCdie Tür aufschlägt, aus? Was sind die nächsten Fragen, um die nächs-ten wichtigen Antworten zu erhalten? In den über einen Zeitraumvon mehreren Jahren entstandenen Interviews geht es dabei in ersterLinie um die Person und die Persönlichkeit der Menschen, anhandderer wir durch die einzigartige Welt des CERN geführt werden. Ihreberuflichen und menschlichen Erfahrungen, Wünsche und Überle-gungen sollen uns die Welt dieser manchmal »kuriosen Spezies desMenschen« (New York Times) näher bringen und einen Einblick indie menschlichen Voraussetzungen für fundamentale Forschungenund neue Entdeckungen ermöglichen.

Die Interviews sind darüber hinaus Anlass und Leitfaden für in-haltliche Einschübe, die bestimmte Begriffe erklären, historische Bei-spiele benennen und thematische Zusammenhänge und grundsätzli-che Fragen erläutern. Die historischen Einschübe bestehen zu einem

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gewissen Teil aus Zitaten. Es sind grundlegende wissenschaftlicheAussagen oder Sentenzen, die ihre Kraft und Bedeutung als Grund-lage des wissenschaftlichen Denkens und Forschens bis heute behal-ten haben. Sie behandeln die Grundlagen und Methoden der wissen-schaftlichen Forschung im Lauf der Jahrtausende. Dabei ist erstaun-lich, wie sich der menschliche Geist im Lauf seiner Entwicklung im-mer mehr zu Klarheit und gesicherter Eindeutigkeit hin entwickelt.Die moderne Forschung spekuliert nicht, sie rechnet – immer auf denSchultern ihrer Vorgänger stehend, die schon seit der Vorzeit an derErforschung und wissenschaftlichen Erklärung des uns umgebendenKosmos arbeiten.

Dieses Buch begibt sich auf eine spannende Reise, um anhanddes CERN und der dort forschenden Menschen Lauf, Sinn, Ziel undZweck der ewigen menschlichen Suche nach dem Innersten der Weltdarzustellen. Es interessiert uns alle, woher wir kommen und wohinwir gehen. Was ist es, aus dem wir geschaffen sind? Wie ist diese Weltwirklich, die uns umgibt? Gibt es Ewigkeit oder Endlichkeit? Was istEnergie? Welchen Platz nehme ich als Mensch im riesigen Weltradvon Kreation und Vergänglichkeit ein? All diese Fragen, die Ur-Fragender Menschheit werden in diesem Buch angesprochen und vielleichtzu einem kleinen Teil beantwortet werden können.

»Wo Menschen und Teilchen aufeinanderstoßen« dokumentiertdarüber hinaus einen historischen Moment in der Geschichte derMenschheit. Die Wissenschaftler am CERN suchen nach eindeutigenBeweisen für die Existenz des Higgs-Bosons, das von Leon Lederman,dem ehemaligen Direktor der amerikanischen Konkurrenz-AnlageTevatron, als »Gottesteilchen« bezeichnet wurde, und seitdem inder Presse weiterhin gerne so genannt wird. Das Higgs-Boson ist derletzte fehlende Baustein des Standardmodells, in dem alle fundamen-talen Teilchen und Kräfte der uns bekannten Natur beschrieben sind.Das Higgs-Boson hat der Theorie nach die Funktion, den Elementar-teilchen Masse zu geben. Ob das Higgs-Boson wirklich existiert undob es tatsächlich so ist, wie es theoretisch sein soll, ist bis jetzt nichtsicher nachgewiesen. Es ist auch möglich, dass noch weitere Mecha-nismen bei der Erzeugung von Masse und Gravitation gelten – oder,dass das Higgs-Teilchen nur ein Vertreter einer ganzen Reihe bisherunbekannter Teilchen ist.

XII CERN – In den Kathedralen der Technologie

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»Wissenschaft ist menschlich und Menschen sind nie cool. MenschlicheDinge sind voller Emotionen und Tragödien.«

Victor Weisskopf (1908–2002, Generaldirektor CERN 1961–1966)

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Danksagung

� Professor Dr. Rolf-Dieter Heuer, CERN Generaldirektor (DGCERN)

� Professor Dr. Tejinder Virdee, CMS Collaboration, ImperialCollege London, FRS (Fellow Royal Society London)

� Dr. Lyndon Rees Evans, LHC Project Leader, CBE (Commander ofthe British Empire), FRS

� Dr. Tara Shears, Reader University of Liverpool, LHCb Experiment� Professor Dr. John Ellis, CERN Theory Division, CBE, FRS� Dr. Rolf Landua, Leiter Education and Public Outreach, CERN� Professor Dr. Masaki Hori, ASACUSA-Experiment,

Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Garching� Professor Dr. Carlo Rubbia, Nobelpreis für Physik 1984,

Wissenschaftlicher Direktor IASS Potsdam� Dr. Sebastian White, ATLAS-Experiment,

Zero-Degree-Calorimeter-(ZDC) Experiment,Rockefeller Universität, New York

� Professor Dr. Albert De Roeck, CMS-Experiment, UniversitätAntwerpen

� Professor Dr. Jonathan Butterworth, ATLAS-Experiment, UCLGroup, Professor der Fakultät für Physik und AstronomieUniversity College London (UCL)

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Liste der CERN-Generaldirektoren(CERN Director-General)

� Edoardo Amaldi 1952–1954 (Generalsekretär)� Felix Bloch 1954–1955� Cornelis Jan Bakker 1955–1960� John Adams 1960–1961 (Interim)� Victor Frederick Weisskopf 1961–1965� Bernard Gregory 1966–1970� Willibald Jentschke 1971–1975� John Adams 1976–1980� Léon van Hove 1976–1980 (Theorieabteilung)� Herwig Schopper 1981–1988� Carlo Rubbia 1989–1993� Christopher Llewellyn Smith 1994–1998� Luciano Maiani 1999–2003� Robert Aymar 2004–2008� Rolf-Dieter Heuer seit 2009

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1Geschichte des CERN

»Je weiter man zurückblicken kann, desto weiter wird man vorausschauen.«

Winston Spencer Churchill (1874–1965, Nobelpreis für Literatur 1953)

Die Gründungsgeschichte des CERN, der Europäischen Organi-sation für Kernforschung, enthüllt in vielen historisch und wissen-schaftlich interessanten Details die Einzigartigkeit dieses Projekts.CERN ist das erste Joint Venture eines nach dem Zweiten Weltkrieglangsam wieder zusammenwachsenden Europa und ein Sinnbildfür die Fruchtbarkeit des europäischen Gedankens, der sich in derGeschichte des CERN als eine der überzeugendsten Grundideen be-wiesen hat. Viele der Strukturen des heutigen CERN lassen sich aufdie Geschichte seiner Gründung zurückverfolgen und dadurch ver-ständlich machen. In der Gründungsphase des CERN entsteht derGeist, der noch heute an diesem auf der ganzen Welt einzigartigenWissenschaftsstandort zu verspüren ist.

Der Geist Europas – die Züricher Rede Churchills

Winston Churchill, seit dem Jahr 1900 Mitglied des englischen Un-terhauses und Premierminister Englands ab 1940, war noch währendder Potsdamer Konferenz, auf der wichtige Entscheidungen über dasweitere Vorgehen der Alliierten USA, Russland und Großbritanni-en in Deutschland und gegen Japan entschieden wurden, bei denWahlen zum britischen Unterhaus abgewählt worden. Er musste sei-nen Posten als Premierminister an den Labour-Politiker Clemens Att-lee abgeben. Churchill blieb weiterhin politisch aktiv und präsentier-te im März 1946 seine Idee vom Eisernen Vorhang, die während desKalten Krieges das Bild Europas und die Politik zwischen Ost undWest bestimmen sollte.

Am 19. September 1946 hielt Churchill vor Studenten der Züri-cher Universität seine berühmt gewordene Züricher Rede. Churchillskizzierte darin vor der akademischen Jugend der neutralen Schweiz

Wo Menschen und Teilchen aufeinanderstoßen. Erste Auflage. Michael Krause.© 2013 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA.

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seine Ideen für die Zukunft Europas. Unter dem wenig verheißungs-vollen Titel »Über die Tragödie Europas« stellte Churchill den WegEuropas in die Zukunft dann doch durchaus positiv und verheißungs-voll dar. Churchills visionäre Skizze sollte seinen Realitätscharakterbis heute behalten. Damals war sie überraschend, geradezu revolu-tionär. Churchill malt das Bild eines wiedererstarkenden Europa, dasim Kern weiterhin auf den beiden stärksten europäischen Staaten,Frankreich und Deutschland beruhen sollte. Doch Churchill bestehtnicht nur auf der Wiederannäherung dieser beiden Staaten, die alsKriegsgegner noch bis vor kurzem gegeneinander gekämpft hatten.Er plädiert darüber hinaus für ein neues, höheres Ziel, die Errichtungeiner Art Vereinigte Staaten von Europa (». . . a kind of United Statesof Europe«).

Winston Churchill:

»Dieser edle Kontinent, der alles in allem die schönsten und kultivier-testen Regionen der Erde umfasst [. . . ] ist die Heimat aller großen Mut-tervölker der westlichen Welt. Hier liegen die Quellen des christlichenGlaubens und der christlichen Ethik, hier ist der Ursprung der meistenKulturen, Künste, der Philosophie und Wissenschaften sowohl des Al-tertums wie auch der Neuzeit. Wäre Europa jemals darin vereint, die-ses gemeinsame Erbe teilen zu können, wären Glück, Wohlstand undEhre seiner drei- oder vierhundert Millionen Einwohner keine Grenzengesetzt. [. . . ]Man muss die europäische Familie wieder erschaffen – oder so viel da-von wie uns möglich ist – und ihr eine Struktur geben, in der sie in Frie-den, Sicherheit und Freiheit bestehen kann. Wir müssen eine Art Verei-nigte Staaten von Europa errichten. [. . . ] Wenn wir die Vereinigten Staa-ten von Europa erschaffen wollen – welchen Namen oder welche Formauch immer dazu nötig ist – dann müssen wir jetzt damit beginnen.«

(EU-Archiv, Übersetzung CVCE)

Churchills Züricher Rede wurde viel beachtet, sie wird oft zitiertund sehr oft missverstanden. Im Kern beschäftigt sie sich mit derIdentität und der Basis Europas, die auf Gerechtigkeit, Freiheit undKultur beruht und nicht mit der Schaffung eines staatlich vereinigtenEuropa. Als Churchill seine visionäre Rede hielt, lagen große TeileEuropas noch in Trümmern. Von den europäischen Tugenden hattedie Kultur am ehesten und am meisten gelitten. Aber genauso wider-standsfähig wie Kultur nun einmal ist kam sie auch am ehesten wie-der zu Tage. Churchills Idee war, Europa kulturell in der Familie der

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europäischen Völker wieder zu vereinen. Diesem grundlegenden Ge-danken folgend reifte innerhalb der wissenschaftlichen Forschungs-gemeinde Europas ein großes, gemeinsames europäisches Projektheran.

CERN – die Vorgeschichte

Nach dem Ende des 2. Weltkriegs hatte die europäische Wissen-schaft keineswegs mehr die führende Position wie vor dem Krieg.Ihre Vorrangstellung als ehemaliges Zentrum der Grundlagenfor-schung war verloren. Die Lage hatte sich durch den brain drain, denExodus einer ganzen Generation von Wissenschaftlern vor dem Na-ziregime und aus Europa grundlegend geändert. Die VereinigtenStaaten von Amerika, die USA, gaben jetzt den Ton an, besonders inder Nuklear- und Teilchenphysik. Die Vereinigten Staaten von Euro-pa – wie von Churchill ersonnen – existierten real nicht und warenpolitisch auch kaum vorstellbar.

Europas Physiker suchten dennoch einen Weg, um wieder An-schluss an die internationale Forschung zu bekommen. Die Ur-sprungsidee war, die europäische Wissenschaft wieder dorthin zubringen, wo sie vor dem Zweiten Weltkrieg gestanden hatte. Manwollte – frei nach Churchill – die europäische Völkerfamilie wiederzusammenbringen und ein Zentrum für die Bündelung der kreativenEnergie forschender Wissenschaftler erschaffen. Der Entschluss, sichzusammenzutun und eine gemeinsame, europäische Forschungsin-stitution ins Leben zu rufen, war dazu der erste Schritt.

Initiativen

CERN geht auf die Initiativen zweier Kräfte zurück, die in der Pha-se der Neuorientierung Europas nach 1945 zusammenkamen: euro-päisch denkende Kulturpolitiker und aus ganz Europa stammendeTeilchenphysiker. Die Kulturpolitiker suchten nach Ideen für den nö-tigen Wiederaufbau; den in eigener Sache oftmals sehr praktisch ver-anlagten Physikpionieren war klar, dass man die nationalen Kräftebündeln musste, um die europäische Teilchenphysik auf ein Niveauzu heben, das sie gegenüber den Vereinigten Staaten wieder konkur-renzfähig machen würde. Nur eine gemeinsame, transnationale und

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politisch sanktionierte Anstrengung würde die hohen Investitionenaufbringen können, die für den Bau eines neuen Kernforschungsla-bors benötigt wurden.

Die Arbeiten von Werner Heisenberg, Niels Bohr, Erwin Schrödin-ger, Wolfgang Pauli und Paul Dirac zur Atomtheorie und Quanten-mechanik hatten die wissenschaftliche Ausrichtung der Forschungschon vor dem Krieg festgelegt. Die neuen Theorien forderten nebenden bekannten Elementarteilchen wie Protonen und Elektronen dieExistenz einer Reihe bislang unbekannter Teilchen – und man warder Sache auch schon seit langem auf der Spur. Beim Zerfall von indie Erdatmosphäre eindringenden hochenergetischen Teilchen, dersogenannten kosmischen Strahlung, hatte man eine völlig neue, abervon der Theorie (Yukawa Hideki, 1907–1981, Nobelpreis für Physik1949) bereits vorhergesagte Teilchenart entdeckt, die Mesonen. Al-lerdings: Die Mesonen (griechisch meson D das in der Mitte Befind-liche) zerfallen sehr schnell und die Ereignisse (Kollisionen) inner-halb der Erdatmosphäre sind zu selten beobachtbar, um damit präzi-se wissenschaftliche Aussagen machen zu können. Zur Erforschungder beim Zerfall der kosmischen Strahlung (zumeist hochenergeti-sche Wasserstoffkerne, deren Ursprung bis heute nicht genau identi-fiziert ist) entstehenden Mesonen und zum weiteren Studium des ge-samten Atomaufbaus musste man also die Zerfallsprozesse währenddes Eindringens der hochenergetischer Teilchen in die Erdatmosphä-re unter Laborbedingungen nachbauen. Im Prinzip wird dabei dasgleiche Modell wie in der Natur angewendet, nur wird der Vorgangdurch Maschinen induziert und im Labor kontrolliert. Forschungs-richtung und Forschungsgegenstand waren damit klar definiert, wassich knapp und eindeutig im Titel der ersten großen europäischenPhysikkonferenz nach dem 2. Weltkrieg, der Solvay-Konferenz 1948,ausdrückt: »Elementarteilchen«.

Nach diesem und mehreren folgenden Fachtreffen reichte der fran-zösische Physiker Louis de Broglie (1892–1987, Nobelpreis für Physik1929) schließlich im Dezember 1949 den ersten offiziellen Vorschlagfür ein europäisches Kernforschungslabor zur Diskussion auf der Eu-ropäischen Konferenz für Kultur (European Cultural Conference) in Lau-sanne ein. Die Konferenz von Lausanne verfolgte die Fragestellung,wie man die friedliche Zusammenarbeit auf verschiedensten Gebie-ten innerhalb Europas befördern könne. Physiker, Diplomaten undVertreter wissenschaftlicher Institutionen, insgesamt 170 Teilnehmer

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aus 22 Staaten, befassten sich intensiv mit den Möglichkeiten zur Zu-sammenarbeit und zur Lösung europäischer Fragen. Die Konferenzmachte es möglich, dass in der Schweiz – auf neutralem Boden al-so – eine transnationale Ebene der Diskussion und des Gedanken-austauschs entstand.

In Lausanne traf die bereits bestehende Initiative der europäischenKernphysik auf die zur Umsetzung nötigen politischen Kräfte, dennbis jetzt fehlte der Idee noch die Unterstützung offizieller Institutio-nen, von Staaten und Regierungen. Nach Lausanne, einem Initialmo-ment der europäischen Geschichte, waren auch deutsche Diploma-ten und Physiker eingeladen worden, um die Kooperation mit ihnenwieder zu ermöglichen. Die Deutschen erkannten im gemeinsameneuropäischen Projekt sicherlich die Chance, das durch die Vergan-genheit stark geschädigte Ansehen aufpolieren zu können und sichso allmählich wieder in die zusammenfindende Völkergemeinschafteinzugliedern. Der deutsche Vertreter auf der Konferenz in Lausan-ne war Carlo Schmid (1896–1979), einer der Väter des DeutschenGrundgesetzes und des Godesberger Programms der SPD. SchmidsRede trug den programmatischen Titel: »Der kreative Geist ist euro-päisch!«

Der Initiator der Konferenz von Lausanne war der nach mehrjähri-gem Aufenthalt aus den USA zurückgekehrte Schweizer Schriftstel-ler Denis de Rougemont (1906–1985). Europa war für de Rougemontkeine Utopie mehr, sondern eine Notwendigkeit, und er setzte sichin den folgenden Jahren unermüdlich für das Entstehen und die Wei-terentwickelung einer neuen europäischen Identität ein. Auf seine In-itiative hin wurde im Oktober 1950 das Centre Européen de la Culture(CEC, Europäisches Kulturzentrum) in Genf gegründet, das maßgeb-lich an der weiteren Entwicklung eines paneuropäischen Labors fürKernphysik, dem späteren CERN, beteiligt war. De Rougemonts tiefeÜberzeugung für die europäische Idee und ihrer kulturellen Wertelässt sich mit seinen eigenen Worten am besten nachempfinden. EinHauch dieses europäischen Geistes ist bis heute am CERN zu verspü-ren.

»Zu welchem Zweck wollen wir diese Mittel für Kultur und eine Erzie-hung zu einem gemeinsamen europäischen Bewusstsein eigentlich? Seitewigen Zeiten schon hat sich Europa der ganzen Welt geöffnet. Ob rich-tig oder falsch, durch Idealismus oder Unwissen, durch die Kraft seines

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Geistes oder für imperialistische Ziele hat es seine Zivilisation immer alseine Ansammlung universeller Werte empfunden. Wir wollen keine eu-ropäische Nation als Gegner der großen Nationen in Ost und West undkeine künstliche europäische Kultur, die nur für uns gilt und nur auf unsabgestimmt ist. Unser Ziel ist es, eine Union unserer Länder zu fördern,denn das wird die einzige Lösung sein: die Wiedergeburt unserer Kulturin der Freiheit des Geistes.«

Denis de Rougemont, Gesammelte Werke, 1994

Während der Konferenz in Lausanne wies de Rougemont auf diezunehmende Geheimhaltung innerhalb der Nuklearphysik hin. DieUSA und das Vereinigte Königreich monopolisierten die Atomfor-schung. Nach der Entwicklung der Atombombe und den verhee-renden Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki warendie europäischen Staaten in der Nuklearforschung weit abgeschla-gen. De Rougemont plädierte ausdrücklich für ein gemeinsameseuropäisches Zentrum für Atomforschung, um den Anschluss aufdiesem wichtigen Gebiet nicht zu verlieren. Als nächster Tagesord-nungspunkt wurde der Vorschlag de Broglies von Raoul Dautry, demGeneralverwalter des Französischen Commissariat à l’Energie Ato-mique (CEA) vorgebracht. De Broglies Beitrag wies vor allem daraufhin, dass eine Kollaboration der europäischen Staaten Projekte er-möglichen würde, die auf rein nationaler Ebene nicht zu verwirkli-chen waren. Von dieser Tatsache konnte Dautry den ebenfalls an derKonferenz von Lausanne teilnehmenden französischen Nuklearphy-siker Pierre Auger (1899–1993) überzeugen, der inzwischen Wissen-schaftsdirektor der 1945 gegründeten UNESCO war.

Die UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultu-ral Organization, deutsch: Organisation der Vereinten Nationen fürErziehung, Wissenschaft und Kultur) bildete den internationalen po-litischen Rahmen, in dem eine gemeinsame europäische Atomfor-schungsinstitution möglich erschien, die von den USA und Großbri-tannien akzeptiert werden würde. Ein weiterer wichtiger Schritt indiese Richtung fand auf der fünften UNESCO-Generalversammlungim Mai 1950 in Florenz statt. Die weltweite politische Situation hattesich seit der Konferenz von Lausanne radikal verändert: Im August1949 hatte die UdSSR ihre erste Atombombe gezündet. Nachdemnun klar geworden war, dass die UdSSR ebenfalls über umfangrei-

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Page 27: Michael Krause...Über den Autor Michael Krause, geboren 1956,studier-te Geschichte. Er arbeitet heute als Au-tor, Regisseur und Schauspieler. In sei-nen Büchern über Naturwissenschaft

ches Knowhow in der Nuklearphysik verfügte, musste die Position dereuropäischen Nuklearforschung gestärkt werden – durch die USA.

»Ich denke, dass Physiker die Peter Pans der Menschheit sind. Sie wer-den niemals erwachsen und sie sind immer neugierig.«

Isidor I. Rabi

Auf der UNESCO-Generalversammlung in Florenz setzte der ame-rikanische Teilchenphysiker Isidor Isaac Rabi (1898–1988, Nobel-preis für Physik 1944) die von seinen europäischen Kollegen entwi-ckelten Ideen für ein Labor für Teilchenphysik kurzerhand neu aufdie Tagesordnung. Rabi hatte bei einem Treffen mit dem italieni-schen Experimentalphysiker Edoardo Amaldi (1908–1989) von deneuropäischen Plänen erfahren und sah in dem Vorschlag für ein eu-ropäisches Forschungszentrum eine unterstützenswerte Idee. Nacheinem ähnlichen Modell wurde unter Rabis federführender Beteili-gung der neue amerikanische Teilchenbeschleuniger (»Cosmotron«)in Brookhaven, dem amerikanischen Nuklearforschungszentrum inder Nähe von New York als Gemeinschaftsprojekt von neun wichti-gen Universitäten des Landes (Columbia, MIT, Harvard etc.) gebaut.Rabi war maßgeblich am Manhattan-Projekt, dem Bau der amerika-nischen Atombombe, beteiligt gewesen und hatte als Mitglied deramerikanischen Atomic Energy Commission immensen Einfluss imUS-Wissenschaftsbusiness.

Pierre Auger, Edoardo Amaldi und Isidor Rabi verfassten einenschriftlichen Antrag an die UNESCO, der die Weltorganisation da-zu aufforderte, »die Bildung und die Organisation regionaler For-schungszentren und Labore zu fördern, um die internationale Zu-sammenarbeit der Wissenschaftler zu steigern und ertragreicher zumachen, gerade wenn es um neues Wissen in Gebieten geht, derenErforschung für ein Land nur unzureichend möglich wäre.« DieserAntrag wurde von den Konferenzteilnehmern einstimmig verabschie-det – damit war der Idee eines europäischen Physik-Großlabors derpolitische Rahmen gegeben, der die nötige Stabilität für ein solches,noch nie dagewesenes Projekt geben konnte.

Rabis Motivation, europäischen Physikern in einem politisch soheiklen Bereich wie der Atomphysik mit Rat und Tat behilflich zusein, liegt möglicherweise auch darin begründet, dass Rabi die Deto-nation der ersten Atombombe »Little Boy« über Hiroshima miterlebt

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