Michow: Die vertragsrechtlichen Besonderheiten der Veranstaltungsbranche

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K Veranstaltungsrecht K4 Rechtsverhältnisse Künstler/Veranstalter 29 Kultur & Recht Juli 2005 K 4.1 S. 1 Die vertragsrechtlichen Besonderheiten der Veranstaltungsbranche Jens Michow Rechtsanwalt in Hamburg; Präsident und Geschäftsführer des Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft (idkv) e.V. Inhalt Seite 1. Der Vertragsschluss in der Veranstaltungsbranche 2 1.1 Angebot und Annahme 2 1.2 Probleme des mündlichen Vertragsschlusses 2 2. Leistungsstörungen bei Veranstaltungsverträgen 4 2.1 Vorbemerkung 4 2.2 Einleitung 4 2.3 Unmöglichkeit 5 2.4 Verzug 11 2.5 Schlechtleistung (früher: Positive Forderungsverletzung) 16 2.6 Besonderheiten des Dienstvertragsrechts 17 2.7 Besonderheiten des Werkvertragsrechts 21 3. Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) 26 3.1 AGB bei Standardverträgen 26 3.2 Voraussetzungen für das Vorliegen von AGB 26 3.3 Die Inhaltskontrolle von AGB, §§ 307–309 BGB: 29 3.4 Rechtsfolgen der Unwirksamkeit von AGB 31 3.5 Verwendung von AGB gegenüber einem Unternehmer i.S.d. § 14 Abs.1 BGB einschließlich des Kaufmanns i.S.d. HGB 32 _________________________________________________________________ Muss ein Vertrag in der Veranstaltungsbranche immer schriftlich abgeschlossen werden? Welche Rechtsfolgen hat es, wenn ein Open-Air-Konzert aufgrund schlechten Wetters ausfällt? Kann der Künstler sein Honorar verlangen, wenn der Veranstalter das Konzert wegen mangelnden Vorverkaufs kurzfristig absagt? Die folgenden Seiten werden Ihnen bei der Beantwortung dieser und weiterer Fragen behilflich sein.

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K4 Rechtsverhältnisse Künstler/Veranstalter

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K4.1S. 1

Die vertragsrechtlichen Besonderheitender Veranstaltungsbranche

Jens MichowRechtsanwalt in Hamburg; Präsident und Geschäftsführer des Bundesverband derVeranstaltungswirtschaft (idkv) e.V.

Inhalt Seite

1. Der Vertragsschluss in der Veranstaltungsbranche 21.1 Angebot und Annahme 21.2 Probleme des mündlichen Vertragsschlusses 22. Leistungsstörungen bei Veranstaltungsverträgen 42.1 Vorbemerkung 42.2 Einleitung 42.3 Unmöglichkeit 52.4 Verzug 112.5 Schlechtleistung (früher: Positive Forderungsverletzung) 162.6 Besonderheiten des Dienstvertragsrechts 172.7 Besonderheiten des Werkvertragsrechts 213. Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) 263.1 AGB bei Standardverträgen 263.2 Voraussetzungen für das Vorliegen von AGB 263.3 Die Inhaltskontrolle von AGB, §§ 307–309 BGB: 293.4 Rechtsfolgen der Unwirksamkeit von AGB 313.5 Verwendung von AGB gegenüber einem Unternehmer i.S.d. § 14

Abs.1 BGB einschließlich des Kaufmanns i.S.d. HGB 32_________________________________________________________________

Muss ein Vertrag in der Veranstaltungsbranche immer schriftlich abgeschlossenwerden? Welche Rechtsfolgen hat es, wenn ein Open-Air-Konzert aufgrundschlechten Wetters ausfällt? Kann der Künstler sein Honorar verlangen, wenn derVeranstalter das Konzert wegen mangelnden Vorverkaufs kurzfristig absagt? Diefolgenden Seiten werden Ihnen bei der Beantwortung dieser und weiterer Fragenbehilflich sein.

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1. Der Vertragsschluss in derVeranstaltungsbranche

1.1 Angebot und Annahme

Ein Vertrag ist die von zwei oder mehr Personen erklärte Willensübereinstim-mung über die Herbeiführung eines bestimmten rechtlichen Erfolges (vgl. Pa-landt, Einf. v. § 145, Rn.1). Ein wirksamer Vertrag setzt also (mindestens) dasVorliegen zweier übereinstimmender Willenserklärungen (Angebot und Annah-me) verschiedener Rechtssubjekte, d.h. der Vertragsparteien, voraus (vgl. Palandt,a.a.O).

Die Verträge im Konzertgeschäft sind (anders als beispielsweise im Grundstücks-oder Erbrecht) grundsätzlich formfrei und können daher auch mündlich (etwatelefonisch) oder durch konkludentes (schlüssiges) Verhalten abgeschlossen wer-den. Dies gilt für alle vorgenannten Verträge der Konzertbranche.

Auch wenn mündlich abgeschlossene Verträge grundsätzlich wirksam sind unddie vertraglich versprochenen Leistungen deshalb in einem Prozess grundsätzlicheingeklagt werden können, liegt es auf der Hand, dass der Nachteil einer „nur“mündlich getroffenen Vereinbarung in der Problematik ihrer Beweisbarkeit liegt.

1.2 Probleme des mündlichen Vertragsschlusses

Zu Problemen kommt es regelmäßig, wenn sich die Parteien auf den Standpunktstellen, dass die (mündliche) Vereinbarung noch von einer schriftlichen Fixierungabhängig sein sollte. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Künstler(bzw. seine Agentur oder eine Gastspieldirektion) die einzelnen Vereinbarungenmit dem Veranstalter (Honorar, Auftrittsort, Auftrittszeit, Übernachtung usw.)zunächst mündlich vereinbart, dann allerdings eine schriftliche Ausfertigungeines ausformulierten Vertrages zur Gegenzeichnung an den Veranstalter über-sendet.

Leider kommt es in vorgenannter Konstellation in der Praxis immer wieder vor,dass der Vertragspartner des Künstlers oder einer Gastspieldirektion, den Vertrag- entgegen seiner ausdrücklichen Zusicherung - nicht unterzeichnet zurücksendetund sich den mündlichen Vereinbarungen später mit der Begründung entzieht,man habe sich doch lediglich im „Angebotsstadium“ befunden; verbindlicheVereinbarungen seien bisher nicht getroffen worden. Da der übersandte Vertragnicht unterzeichnet wurde, sei man „zu nichts“ verpflichtet.

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In derartigen Fällen läuft der Künstler regelmäßig Gefahr, im Prozess zu unterlie-gen, weil das Gericht sich auf den Standpunkt stellen könnte, dass zwischen denParteien aufgrund der §§ 125, 126, 127 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)i.V.m. § 154 Abs. 2 BGB kein Vertrag zustande gekommen sei. § 154 Abs. 2BGB lautet:

„Ist eine Beurkundung des beabsichtigten Vertrages verabredet worden, soist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen, bis die Beurkundung erfolgtist“.

Unter einer „Beurkundung“ ist nicht nur die allgemein bekannte Beurkundungdurch einen Notar, sondern auch die einfache schriftliche Fixierung („Errichtungeiner privatschriftlichen Urkunde“) beispielsweise eines Konzertvertrages zuverstehen (vgl. dazu: Palandt, § 154, Rn.4).

Die Gerichte begründen das Nicht-Zustandekommen des Vertrages in vorge-nannten Fallkonstellationen unter Berufung auf § 154 Abs.2 BGB mit der fehlen-den verabredeten Beurkundung. Der Künstler bzw. dessen Agentur habe mit derÜbersendung des schriftlichen Vertrages dokumentiert, dass zwischen den Partei-en die Schriftform i.S.d. §§ 126, 127 BGB und damit auch die „Beurkundung“vereinbart wurde; eine solche sei aber nicht erfolgt. Es handelt sich hierbei alsoum eine Ausnahme zur grundsätzlichen Formfreiheit von Verträgen, nämlich diesog. gewillkürte Schriftformvereinbarung gemäß § 127 BGB. Wer es bei einermündlichen Vereinbarung nicht bewenden lassen will und auf Unterzeichnungeines schriftlichen Vertrages pocht, wird sich, sofern der Vertragspartner dieUnterzeichung verweigert und es zum Streit kommt, vorhalten lassen müssen,dass er selbst das Zustandekommen des Vertrages von einer schriftlichen Eini-gung abhängig gemacht habe.

Ein weiteres Problem besteht häufig darin,, dass in dem nachgesandten schriftli-chen Vertrag zumeist noch weitere, über die mündlichen Vereinbarungen hinaus-gehende Punkte geregelt werden, wie z.B. die Vorauszahlungsverpflichtungen desVeranstalters, technische Details (Bühnenanweisung), Cateringbestimmungen etc.Auch wenn es sich dabei nach Ansicht des Künstlers und Agenten um Selbstver-ständlichkeiten handeln mag, gehen die Gerichte, sofern der Beklagte eine Eini-gung über derartige Punkte bestreitet, unter Verweis auf § 154 Abs. 1 Satz 1 BGBregelmäßig davon aus, dass mangels vollständiger Einigung über alle vertragswe-sentlichen Punkte ein Vertrag noch nicht zustandegekommen ist :

„Soweit nicht die Parteien sich über alle Punkte eines Vertrages geeinigt ha-ben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarunggetroffen werden soll, ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen.“

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Auf diese Auslegungsregel wird allerdings nur im Zweifel zurückgegriffen. Ha-ben sich die Parteien erkennbar geeinigt, und lassen sich die Vertragslücken aus-füllen, findet die Vorschrift keine Anwendung. Ferner kann im Einzelfall auchdas tatsächliche Verhalten einer Partei (ihr schlüssiges / konkludentes Verhalten )zur Untermauerung eines wirksamen Vertragsschlusses dienen. So können Zwei-fel am Zustandekommen eines Vertrages wegen nicht erfolgter Unterzeichnungauch dadurch ausgeräumt werden, das ein Vertragspartner unter Beweis zu stellenvermag, dass der andere Vertragspartner bereits mit dem Vollzug eines grund-sätzlich ausgehandelten aber nicht unterzeichneten Vertrages begonnen hat(Künstler kündigt Termin auf seiner Website an, Veranstalter eröffnet den Vor-verkauf und/oder beginnt mit der Werbung für die Veranstaltung). Ein derartigesVerhalten kann zumindest als Indiz dafür gesehen werden, dass der Vertragspart-ner sich selbst auf die Basis einer getroffenen Vereinbarung gestellt hat, d.h. aufGrundlage eines bereits geschlossenen Vertrages handelt. Dokumentiert ein Ver-anstalter durch sein Handeln, dass er selbst davon ausgeht, dass der Vertrag zwi-schen ihm und dem Künstler geschlossen ist, wird er mit dem Einwand, ein Ver-trag zwischen den Parteien bestehe nicht, nicht mehr gehört (vgl. zu dieser Pro-blematik: AG Brakel vom 29. Mai 1998, 7 C 110/98). Allerdings wird durch einderart schlüssiges Verhalten noch keine Einigung auch über die Übernahme vonCateringkosten oder technischen Nebenleistungen unter Beweis gestellt.

2. Leistungsstörungen beiVeranstaltungsverträgen

2.1 Vorbemerkung

Der Gesetzgeber hat das Bürgerliche Gesetzbuch zum 1. Januar 2002 in einerVielzahl von Vorschriften - insbesondere im Bereich des Schuldrechts - grundle-gend geändert und mehrere Nebengesetze (u.a. Gesetz zur Regelung des Rechtsder Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Haustürwiderrufsgesetz) ins BGB inte-griert. Das neue Schuldrecht findet auf alle Verträge, die seit dem 1. Januar 2002geschlossen worden sind, Anwendung (Art. 229 § 4 EGBGB). Für Dauerschuld-verhältnisse gilt das neue Schuldrecht erst ab dem 1. Januar 2003. Den nachfol-genden Ausführungen liegt das neue Schuldrecht zugrunde.

2.2 Einleitung

Mit dem wirksamen Abschluss eines Konzertvertrages haben sich die ParteienVerpflichtungen auferlegt, die erfüllt werden müssen und auf deren Erfüllung derjeweils andere Teil einen klagbaren Anspruch hat. Erfüllt ein Vertragspartner dieihm obliegende Leistung überhaupt nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vertrags-gemäß, gelangt das „Recht der Leistungsstörungen“ zur Anwendung.