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Fachhochschule Hof Mai 2004 Prof. Dr. Herbert Peiffer SS 2004 Einführung in die Kunststofftechnik Kompendium zur Vorlesung „Kunststofftechnik“ für: WIng, WOT Nur für den persönlichen Gebrauch

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Fachhochschule Hof Mai 2004Prof. Dr. Herbert Peiffer SS 2004

Einführung in die Kunststofftechnik

Kompendium zur Vorlesung „Kunststofftechnik“ für:

WIng, WOT

Nur für den persönlichen Gebrauch

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Inhaltsverzeichnis

1. Einführung in die Kunststofftechnik1.1 Überblick1.2. Eigenschaften der Kunststoffe, kurz gefasst

2. Aufbau und Synthese von Kunststoffen2.1 Molekularer Aufbau von Kunststoffen2.2 Synthesereaktionen von Kunststoffen2.2.1 Die Polymerisation2.2.1.1 Sonderformen der Polymerisation2.2.1.1.1 Die stereospezifische Polymerisation2.2.1.1.2 Die Co- und die Pfropfpolymerisation2.2.1.1.3 Polymerblends2.2.2 Die Polykondensation2.2.3 Die Polyadditionn

3. Überblick über wichtige Technologien

4. Die Extrusion4.1 Allgemeines über die Extrusion von Kunststoffen4.2 Die Klassifizierung von Extrudern4.3 Schneckenkennlinie (Schneckencharakteristik, Extruderkennlinie)4.4 Zonenweise Behandlung der Plastifizierextruder

5.

6.

7. Literatur

3

1. Einführung in die Kunststofftechnik1.1 Überblick

In der Vorlesung Kunststofftechnik werden die wesentlichsten, am Markt vorhandenen

Technologien besprochen. Die Kunststofftechnik umfasst generell die in der Tabelle

aufgelisteten Disziplinen

Kunststofftechnik

Kunststoffherstellung Kunststoffverarbeitung Kunststoffprüfung

• Morphologie • Erstellung von

Verfahrenskonzepten

• Bestimmung von

mechanischen,

chemischen, optischen und

elektrischen Eigenschaften

• Reaktionskinetik • Entwurf, Konstruktion und

Herstellung von

Verarbeitungsanlagen

• Produktionsprüfung

mittels zerstörungsfreier

Prüfmethoden,

einschließlich

Schadensanalyse

• Strukturmechanik • Einrichtung, Betrieb und

Unterhalt von derartigen

Produktionsmittel

• Statistische

Qualitätskontrolle

• Modifikation • Analyse mechanisch

thermischer Prozesse, deren

modellmäßige Simulation

und die Erstellung von

Optimierungskriterien

• Kunststoffaufbereitung

Compoundieren

Granulieren

Was soll uns die Vorlesung vermitteln?

Durch die Kunststofftechnik soll in erster Linie ein grundlegendes Verständnis für

• den Aufbau

4

• die Wirkungsweise und

• die Verfahrenstechnik

der geläufigen Technologien vermittelt werden. Die einzelnen Technologie werden dabei

ab Kapitel 3 besprochen. Zuvor soll eine kurze Einführung in die Begriffswelt der

Kunststoffe gegeben werden, die für das Verständnis der Vorlesung notwendig sind.

Was sind die Voraussetzungen für die Vorlesung?

Voraussetzungen für die Vorlesung: Grundverständnisse in Chemie und in technische

Zusammenhänge.

Definition von Kunststoffen (auch Polymere oder Plastic genannt)

• Kunststoffe sind Werkstoffe, die aus hochmolekularen organischen Verbindungen

bestehen (den Polymeren), die auf synthetischem Wege (oder durch Umwandlung von

Naturstoffen) hergestellt werden.

• Sie sind, je nach ihrem chemischen Aufbau, unter Anwendung von Wärme und Druck

einmal oder wiederholt formbar (solche Kunststoffe gehören zur Produktklasse der

sogenannten Thermoplaste).

• Das physikalische Merkmal der Formgebung der Kunststoffe sind thermodynamisch-

rheologische1 Zustandsänderungen, die eventuell mit chemischen Reaktionen

verbunden sind. Die chemische Reaktionen treten beispielsweise bei der Herstellung

und Verarbeitung von Elastomeren und Duroplasten auf.

Typische Beispiele für Kunststoffe

1. Massenkunststoffe

Polyethylen (PE), Polypropylen (PP)2, Polyvinylchlorid (PVC), Polystyrol (PS), Polyamid

(PA), Kautschuk, GFK-Platten, Polyester (PET), Polyurethane (PUR)

Anwendungen von Massenkunststoffe (Auswahl):

1 Rheologie heißt auf Deutsch Fließkunde2PE und PP gehören zur Produktklasse der Polyolefinen (Polyolefinen = Wachsartiger Kunststoff)

5

• Spritzgussartikel aller Art für den täglichen Gebrauch, Haushalt, Heimwerkermarkt,

Büroartikel, Automobilbau, etc.

• Verpackungsanwendungen, die zu unterteilen sind in starre und flexible Verpackung,

Getränkeflaschen aus PET, Menüschalen, Drogerieartikel, Beutel für Lebens- und

Genussmittel, Süßigkeiten (flow pack, Zigaretten, Schokoladenriegel)

• Profile für den Bau (Fenster- und Türrahmen, Rohre, Zierleisten)

• Kleidung (Hemden, Pullover, Jacken, Hosen), Schaumstoffe für Matratzen, Wärme- und

Schalldämmung.

2. Technische Kunststoffe

Spezielle Polyamide (PA), Polycarbonat (PC), spezielle aromatische Polyester (PET, PBT,

PEN), ABS-Polymere, Polyoxymethylen (POM), Flüssig-kristalline Kunststoffe (LCP =

Liquid Crystalline Polymer), Polyimide (PI), Technischer Kautschuk

Anwendungen:

• Faserverbundwerkstoffe für Seile, Teppiche, Garne aus Polyester

• Spritzgussartikel für den Automobilbereich aus ABS, PA, PC und POM (25 Volumen-

% des Autos bestehen aus Kunststoff)

• Konstruktionswerkstoffe aus POM (Uhren, Computer, Leiterplatten, Fensterscheiben)

• Reifen, Dichtungen, Transportbänder für Schüttgüter, Keil- und Zahnradriehmen aus

Natur- und Synthesekautschuk

• Medizintechnik (Blutkonserven, Schläuche, Gelenke, andere Implantate) aus PVC,

EPDM

3. Biologisch abbaubare Kunststoffe

Polylactidacid (PLA, gleichzusetzen mit Kunststoff auf Basis von Milchsäure),

aliphatische Polyester, Polymere aus modifizierter Stärke, Hydroxyalkylcellulose

Anwendungen

• Lebensmittel-Verpackung (Schätzung: In 10 Jahren sollen etwa 30% aller

Kunststoffverpackungen aus biologisch abbaubaren Kunststoffen bestehen)

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Bild 1.1 gibt eine Übersicht über die Weltproduktion der erzeugten Kunststoffe. Auf die

thermoplastischen Standardkunststoffe wie PE, PP, PS und PVC entfallen mehr als 2/3 der

gesamten Kunststoffproduktion.

Polypropylen 16%

Duroplaste 17%

PS /EPS 8%PUR 5%

PVC 15%

Polyethylen 29%

technische Kunststoffe, Blends 10%

Bild 1.1 Weltproduktion von Kunststoffen nach Kunststoffarten in 1998 (Thermoplasteinsgesamt 125 Mio t)

Bild 1.2 gibt eine Übersicht über die Einsatzgebiete der erzeugten Kunststoffe am Markt.

Man sieht, dass sich die Haupteinsatzgebiete auf das Bauwesen, Verpackung,

Landwirtschaft, Elektro-, Medizin- und Haustechnik sowie Fahrzeug- und Feingerätebau

aufteilen. Einen beachtlichen Markt stellen auch Spielzeuge, Hobby, Camping- und

Haushaltsgeräte dar. In der BRD ist der Pro-Kopf-Verbrauch an Kunststoffen 112 kg/Kopf

(USA 127 kg/Kopf, weltführend).

Verpackung 27%

Fahrzeugindustrie 8%

Haushaltswaren 4,5%

Landwirtschaft 2%

Möbelindustrie 8%

Sonstige 16,5%

Bau 27%

Elektroindustrie 7%

Bild 1.2 Haupteinsatzgebiete für Kunststoffe in der BRD in 2000

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4. Funktionspolymere

Neben den Standardkunststoffen und den technischen Kunststoffen gibt es daneben noch

eine weitere spezielle Gruppe von Kunststoffen, die sogenannten Funktionspolymere. Mit

dieser, sehr speziellen Polymerklasse, können heute und morgen Anwendungen

erschlossen werden, die hierdurch überhaupt ermöglicht werden. Funktionspolymere

machen nicht das Produkt aus, sondern übernehmen innerhalb eines Produktes eine ganz

spezielle technische Funktion. Beispiele für solche Polymere sind:

• Schaltbare Polymere (durch Wärme, elektrisches Feld, Strahlung, Fotoinitiator), z.B.

Polyacrylat mit eingebautem Fotoinitiator. Durch die Zugabe des Fotoinitiators kann

z.B. eine Vernetzung des Polymers hervorgerufen werden, die das ursprünglich

thermoplastische Material in einen hochfesten Kleber überführt.

• Thermotrope Polymere (PC+Vinyl-Caprolactam-Copolymer). Solche Polymere

sammeln z.B. Wärmestrahlen und leiten diese an das dunkle Mauerwerk weiter. Das

Funktionspolymer ist dabei ein sogenanntes thermotropes Polymer (VCC), das bei

niedrigen Temperaturen (im Winter) transparent ist und die Wärmestrahlung an das

Mauerwerk durchlässt. Im Sommer bei hohen Temperaturen, wird das thermotrope

Polymer kristallin, verliert damit seine Transparenz und lässt keine Wärme an das

Mauerwerk durch. Dies ist so gewollt.

• Elektrorheologische Flüssigkeiten (bei diesen Substanzen wird das rheologische

Verhalten durch ein starkes elektrische Feld verändert)

• Polymere Datenspeicher und polymere Displays. Bei ersteren handelt es sich um

photoadressierbare Polymere, die sich ordnen, wenn sie mit einem Laserstrahl bestrahlt

worden sind. Sie können dabei die Ordnungszustände 0 (dunkel = kristallin) und 1 (hell

= transparent) annehmen. Bei den polymeren Displays fungieren die Polymere als

Leuchtdioden, die durch Halbleitereigenschaften spezieller Polymere erzeugt werden.

Die Leuchtdioden können dabei verschiedene Farben annehmen.

In Bild 1.3 ist ein Überblick über die Entwicklung der Polymeren Werkstoffe gegeben, die

der sogenannten Delphi-Prognose aus dem Jahre 1996 entspringt. Der heutige technisch

verwertbare Stand wird in etwa durch den Übergang von der zweiten in die dritte

8

Generation dargestellt. Der Entwicklungsstand wird dagegen durch den Übergang von der

dritten in die vierte Generation dargestellt. Aus diesem Chart folgt unmittelbar:

Kunststoffe haben eine große Zukunft; gerade erst jetzt beginnt eine neue

Wachstumsphase.

3. Generation Super-

Engenineering Plastics

2. Generation Engenineering Plastics

1. Generation Massenkunst- stoffe

Polymere mit selektiver Abstoßung

Faserverstärkte Kunststofe

Polymerlegierungen

Hohe Festigkeit und SteifigkeitWärmefestigkeit

Flüssigkristalline Kunststoffe (LCP)

4. Generation molekular geordnete K.-stoffe

Hohe Kristallinität

Ultrahigh advaned composites

Hybrid-Werkstoffe

Im Nanobereich geordnet

Composites

Im submikroskopischen Bereich geordnet

Hochleistungskunststoffe

Funktionskunststoffe

Polymere für optische Funktionen

Leitfähige, Supraleitfähige, Halbleitende Polymere

Intelligente Polymere

Biologisch wirksame Polymere

Magnetische Polymere

Shape Memory Polymere

Bild 1.3 Die Entwicklung der polymeren Werkstoffe

1.2 Eigenschaften der Kunststoffe, kurz gefasst

Gegenüber anderen Werkstoffe (Eisenmetalle, Nichteisenmetalle) haben Kunststoffe

hervorstechende Eigenschaften. Diese „besonderen“ Eigenschaften bestimmen

hauptsächlich ihr Einsatzgebiet.

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• Kunststoffe sind leicht

Kunststoffe sind deutlich leichter als Metalle. Ihre Dichten liegen zwischen 0,8kg/dm3

(Polymethylpenten) und 2,2kg/dm3 (Polytetrafluorethylen). Dieser Eigenschaft verdanken

sie vielen Anwendungen im Fahrzeugbau, in der Verpackung (PET-Flaschen) und als

Leichtbauwerkstoffe in der Flugzeugindustrie.

• Kunststoffe sind flexibel

Der Elastizitätsmodul (= E-Modul) und die mechanischen Festigkeiten sind sehr weit

gespreizt (vgl. Bild 1.7). Sie reichen von denjenigen eines weichen Kautschuks bis zu

Metalle

Kautschuk

Faser

Elastizitätsmodul N/mm2

Zug

fest

igke

it

N/m

m2

10 10 10 10 10 1 2 3 4 5

Thermoplastische Polymere

Bild 1.7 Zugfestigkeits- und Elastizitätsmodulbereiche gummielastischer bisstahlelastischer Werkstoffe

denjenigen von Metallen. Die Flexibilität in den Eigenschaften von Kunststoffen wird von

keiner anderen Werkstoffgruppe auch nur annähernd erreicht.

• Kunststoffe haben niedrige Verarbeitungstemperaturen

Die Verarbeitungstemperaturen erstrecken sich von Raumtemperatur bis zu etwa 300°C.

Hierdurch können relativ einfache und damit billige Fertigungsmethoden angewendet

werden (z.B. Spritzgießen, Thermoformen, Extrudieren). Des Weiteren erlauben die

niedrigen Verarbeitungstemperaturen die Einarbeitung einer Vielzahl von teils

wärmeempfindlichen Füllstoffen, wie Farbpigmente, Fasern, Treibmitteln,

Verarbeitungshilfen, Stabilisatoren, etc.

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• Kunststoffe haben niedrige Leitfähigkeiten

Zu nennen sind hier die Wärmeleitfähigkeit � und der elektrische Durchgangswiderstand

R. Die Wärmeleitfähigkeit von Kunststoffen � liegt im Bereich von 0,1 bis 0,8 W/mK und

ist damit um drei Größenordnungen kleiner als diejenigen von Metallen (�Stahl =

50W/mK).

Kunststoffe gehören damit zu den wichtigsten thermischen Isolationswerkstoffen (z.B. PS-,

PUR-Schäume). Zusammen mit in ihnen enthaltenes Vakuum stellen sie die besten

bekannten Isolationswerkstoffe dar (= Vacuum Isolated Pannel, VIP). Anwendungen

finden sich vor allem im Baubereich, aber auch im Haushalt oder bei Kraftfahrzeugen.

Der elektrische Durchgangswiderstand R liegt bei homogenen Kunststoffen zwischen 1010

und 1018 �FP��(U�LVW�GDPLW�DOVR�PHKU�DOV����*U|�HQRUGQXQJHQ�K|KHU�DOV�EHL�GHQschlechtest leitenden Metallen (Konstantan). Kunststoffe werden daher speziell für die

Isolierung von elektrischen Leitungen und Kabeln genutzt (PVC, ABS, PET).

• Kunststoffe haben eine hohe chemische Beständigkeit

Das Wort Korrosion ist bei Kunststoffen so gut wie unbekannt. Kunststoffe sind nahezu

gegen alle Säuren beständig. Dies unterstützt ihren Einsatz bei Haus- und Elektrogeräten,

sowie bei Spielzeugen sehr. Andererseits können Kunststoffe in organischen

Lösungsmitteln (wie z.B. n-Heptan, Dichloressigsäure, THF, 1,3-Dioxolan) gelöst werden.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass die Lösungsmittel spezifisch wirken

und nicht von vornherein gesagt werden kann, ob der vorliegende Kunststoff von dem

vorliegenden Lösemittel gelöst werden kann (auch der Chemiker muss hier probieren,

welches Lösungsmittel geht und welches nicht).

• Kunststoffe lassen sich hervorragend recyclieren

Kunststoffe gelten als umweltfreundliche Material, da sie zu ihrer Herstellung und ihrer

Verarbeitung nur wenig Energie benötigen. Kunststoffabfälle können heutzutage

wiederverwertet werden, sei es als sogenanntes Eigenrecyclat oder als Reclyclat, welches

down-recycled wurde. Daneben sind die meisten Kunststoffe sehr gut brennbar, womit sie

als Energielieferer gelten.

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Kunststoffe haben ein ungewöhnlich breites und variables

Eigenschaftsspektrum und lassen sich vor allem recyclieren. Sie sind

daher als umweltneutral (umweltfreundlich) einzustufen.

2. Aufbau und Synthese von Kunststoffen2.1 Molekularer Aufbau von Kunststoffen

• Kunststoffe sind aus organischen Verbindungen aufgebaut. Organische Verbindungen

sind solche Verbindungen, die Kohlenstoff enthalten, bzw. aus Kohlenstoffatomen und

weiteren, anderen Atomen aufgebaut sind.

• Das kennzeichnende Merkmal von Kunststoffen ist, dass sie aus Makromolekülen

bestehen. Dies unterscheidet sie damit grundsätzlich von den meisten anderen

Werkstoffen, die aus einzelnen Molekülen aufgebaut sind. Ein Makromolekül kann

man sich relativ einfach als eine lange Kette vorstellen, die aus einer Vielzahl von

Wiederholungseinheiten besteht. Eine solche Kette ist in Bild 2.1 als Stäbchenmolekül

dargestellt.

Bild 2.1 Der Aufbau eines Ketten- oder eines Makromoleküls

12

• Die Länge einer solchen Kette besteht aus mehreren Hundert bis mehreren Tausend

solcher Wiederholungseinheiten. Die Anzahl der Wiederholungseinheiten wird auch

mit mittlerem Polymerisationsgrad n bezeichnet. Auf Grund des Mechanismus der

Kettenbildung sind nicht alle Ketten gleichlang, so dass man einen Mittelwert für den

Polymerisationsgrad angibt.

• Die Wiederholungseinheiten bestehen aus den sogenannten Monomeren und den

Bindungen zwischen den Monomeren.

• Die Bindungen zwischen den Monomermolekülen sind in der Regel kovalente

Bindungen (auch homöopolare Bindung oder Elektronenpaarbindung genannt). Bei

dieser Bindungsart werden die Lücken in der äußeren Schale des jeweiligen Atoms

durch die sogenannten freien Valenzen (das sind die fehlenden Elektronen in der

äußeren Schale) aufgefüllt. Beim Kohlenstoff z.B. fehlen auf der äußeren Schale 4

dieser Elektronen. Der Kohlenstoff versucht nun diese Lücken in seiner äußeren Schale

dadurch aufzufüllen, indem er sich Elektronen von anderen Atomen leiht.

• Das Kohlenstoffatom lagert sich daher mit anderen Atomen zusammen, teilt sich mit

ihnen die Elektronen und gelangt so quasi zur Edelgaskonfiguration. Da Kohlenstoff 4

dieser freien Valenzen aufweist, spricht man auch von einem 4-wertigen Atom.

• In Bild 2.2 sind Beispiele für mögliche Anordnungen der Valenzen beim

Kohlenstoffatom

Bild 2.2 Zur Valenztheorie von Kohlenstoffatomen

dargestellt. Zu unterscheiden ist hier generell zwischen Einfach- und

Mehrfachbindung, die das Kohlenstoffatom eingehen kann.

• Ketten- oder Makromoleküle entstehen z.B. durch die Verbindung oder die

Aneinanderlagerung solcher freien Valenzelektronen mit anderen Kohlenstoffatomen,

wie in Bild 2.3 dargestellt ist.

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Bild 2.3 Zur Entstehung von Ketten- oder Makromolekülen

• Die noch freien Valenzen werden durch andere Atome abgesättigt. Andere Atome

können z.B. Wasserstoff H, Sauerstoff O, Fluor F, Chlor Cl oder Stickstoff N sein, um

einige gängige Atome zu nennen.

• Im einfachsten Fall sind die noch fehlenden Atome Wasserstoff H. Bei der Anlagerung

von Wasserstoff an das Kohlenstoffatom entsteht Polyethylen, als den am einfachsten

aufgebauten Kunststoff (vgl. Bild 2.4). Die Kurzform für den Aufbau der Kette aus

Ethyleneinheiten ist im rechten Teil des Bildes dargestellt. Diese Form bezeichnet man

auch als Strukturformel, die in der Klammer die Monomereinheit (das Ethylen)

enthält. Die Zahl n bedeutet, dass es sich um ein Makromolekül mit dem

Polymerisationsgrad n handelt.

C

H

H

H

H

H

H

H

H

H

H

H

H

C CC C CH

H

H

H

C C

Bild 2.4 Zur Entstehung von Polyethylen

• Die wichtigste Größe zur Charakterisierung einer Kette ist das Molekulargewicht Mw

(auch Molmasse genannt). Das Molekulargewicht Mw ist definiert als das Produkt aus

Molmasse für das Monomer und dem mittleren Polymerisationsgrad n.

Mw = M * n 1.1

Die Fähigkeit des Kohlenstoffs, Kettenmoleküle zu bilden, liefert die

Grundlage für die meisten Polymere.

Der Polymerisationsgrad n und das Molekulargewicht Mw geben

Aufschluss über die Kettenlänge.

14

2.2 Synthesereaktionen von Kunststoffen

Es gibt im Wesentlichen drei Aufbaureaktionen von Kunststoffen, die technische

Bedeutung gewonnen haben. Es sind dies

• die Polymerisation

• die Polykondensation und

• die Polyaddition.

2.2.1 Die Polymerisation

Die Polymerisation hat die größte technische Bedeutung erlangt. Durch die Polymerisation

werden von der Molekülstruktur her vergleichsweise einfache Kunststoffe erhalten. Die

Polymerisation betrifft daher vornehmlich Massenkunststoffe, aber auch einige technische

Kunststoffe werden durch die Polymerisation hergestellt.

• Unter Polymerisation versteht man chemisch gesehen die Aneinanderreihung der

Monomeren bzw. den Wiederholungseinheiten, ohne das dabei ein Nebenprodukt

abgespalten wird. Die Monomere bleiben dabei für sich erhalten.

• Eine wesentliche Voraussetzung für den Start der Polymerisation ist das

Vorhandensein von Doppel- oder Dreifachbindungen zwischen zwei C-Atomen.

Moleküle mit Doppel- oder Dreifachbindungen werden als ungesättigt bezeichnet.

Dies bringt zum Ausdruck, dass die Moleküle sehr reaktiv sind und zur Absättigung

weitere Reaktionen eingehen können.

• Das einfachste Beispiel für ein ungesättigtes Molekül ist das Ethylen (chemisch auch

Ethen genannt). Das Ethylen besteht nur aus C- und H- Atomen.

• Wie entsteht nun aus dem Ethylen (oder Ethen) das Polyethylen, d.h., wie hat man sich

die Polymerisation vorzustellen?

• Dazu wollen wir uns zunächst die allgemeine chemische Bruttoreaktion anschauen, die

für die Polymerisation von Monomeren zum Polymeren (= Polymerisat) gilt (vgl. Bild

2.5). Die Polymerisationsreaktionen sind alle exotherm, besitzen eine

15

Reaktionsenthalpie ∆H zwischen 40 und 100kJ/mol Monomer und sind mit einer

Verringerung der Entropie verbunden.

R

Monomer Polymer (Polymerisat)

RH∆−

Bild 2.5 Die chemische Bruttoreaktion einer Polymerisation

• Erläuterungen zu obiger Formel. „R“ steht allgemein für „Rest“.

• Das Ergebnis der Polymerisation ist ein Polymerisat. Bei der Polymerisation wird

unterschieden in Masse-, Lösungsmittel- und in Emulsionspolymerisation. Die meisten

Stoff lassen sich nach allen drei Verfahren herstellen.

• Bei der Massepolymerisation enthält das Reaktionsvolumen außer dem Monomeren,

dem Initiator und dem Katalysator keine weitere Stoffe. Der Aggregatzustand des

Monomeren ist meist gasförmig, z.B. gasförmiges Ethylen. Mit dieser

Polymerisationsart werden die reinsten Polymerisate hergestellt.

• Bei der Lösungsmittel- und bei der Emulsionspolymerisation sind die Monomeren

entweder in einem Lösungsmittel gelöst oder in einem Emulgator dispers verteilt. Nach

der Polymerisation müssen das Lösemittel und der Emulgator vom Polymeren getrennt

werden.

• Die einfachsten Verbindungen mit C-C-Doppelbindungen sind die sogenannten

Vinylverbindungen, wobei der Vinylrest durch die chemische Formel CH2 = CH-

gekennzeichnet ist. Bekannte Beispiele hierfür sind das Polyvinylchlorid oder das

Polyvinylfluorid.

Bei der Polymerisation wächst die durch ein Radikal gestartete

Polymerkette durch Anlagerung einzelner Monomermoleküle in einer

Kettenwachstumsreaktion.

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2.2.1.1 Sonderformen der Polymerisation

Im Rahmen der Vorlesung wollen wir kurz auf drei verschiedene, aber technisch und

wirtschaftliche bedeutsame Sonderformen der Polymerisation eingehen. Es sind dies

• die stereospezifische Polymerisation,

• die Copolymerisation und

• die Pfropfpolymerisation.

2.2.1.1.1 Die stereospezifische Polymerisation

Die stereospezifische Polymerisation wollen wir am Beispiel von Polypropylen erläutern.

Bei der Verwendung bestimmter Katalysatoren (z.B. die Ziegler-Natta-Katalysatoren, die

ein Metallatom enthalten) ist man in der Lage , die CH3-Gruppe (die Methylseitengruppe)

in Bezug auf das C-C Gerüst sterisch (räumlich) verschieden anzuordnen.

• Isotaktisches Polypropylen (IPP): Hierbei ragen die Methylseitengruppen (die CH3-

Gruppen) von der Kohlenstoff-Hauptkette räumlich geordnet in gleicher Richtung

heraus (Bild 2.6).

C C C

H H H

H H H

CH3 CH3 CH3

H H H

R C C C

n-1

Bild 2.6 Isotaktisches Polypropylen (IPP)

Auf Grund des regelmäßigen Aufbaus des Makromoleküls ist isotaktisches PP in

hohem Maße zur Kristallisation befähigt. Es gehört damit zu den teilkristallinen

Thermoplasten. Die Kristallinität oder der kristalline Anteil von IPP beträgt etwa X =

65% (X = mkristallin/mgesamt) und der Kristallschmelzpunkt beträgt etwa TK = 164 °C.

Der restliche Anteil des Polymeren ist amorph. Die Kristallitschmelzpunktstemperatur

wird industriell mittels DSC gemessen. Nicht nur wegen seiner guten mechanischen

und optischen Eigenschaften stellt IPP den größten Anteil in der Wirtschaft dar.

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• Syndiotaktisches Polypropylen (SPP): Hierbei zweigen die Methylseitengruppen von

der Kohlenstoff-Hauptkette räumlich geordnet alternierend in entgegengesetzter

Richtung heraus (Bild 2.7).

C CC C

H H HH H H

H HH HCH3

CH3CH3

CH3 HH

R C CC C

n-1

Bild 2.7 Syndiotaktisches Polypropylen (SPP)

Das syndiotaktisches PP ist ebenfalls zur Kristallisation befähigt. Auf Grund neuer

Techniken und neuartiger Katalysatoren (Metallocene) hat sich die Einsetzbarkeit von

SPP deutlich erhöht, z.B. als Siegelrohstoff.

• Ataktisches Polypropylen (APP): Hierbei zweigen die Methylseitengruppen von der

Kohlenstoff-Hauptkette räumlich gesehen ungeordnet in entgegengesetzter Richtung

heraus (Bild 2.8).

C CC C

H H HH H

HH HH HCH3 CH3CH3

CH3 HH

R C CC C

Bild 2.8 Ataktisches Polypropylen (APP)

Das APP ist nicht zur Kristallisation befähigt. Es bildet sich daher ein amorpher

Thermoplast, der vergleichsweise weich und klebrig ist. Sein Einsatz ist

vergleichsweise beschränkt und bezieht sich hauptsächlich auf die Herstellung von

Schmelzklebstoffen (engl. „ hot melts“ ). Daneben ist APP immer zu Anteilen von 1 bis

5 Gew.-% im IPP vorhanden. Durch Einsatz spezieller, neuer Katalysatoren, den

Metallocenen, kann der ataktische Anteil im IPP deutlich gesenkt werden.

2.2.1.1.2 Die Co- und Pfropfpolymerisation

18

• Bei der Copolymerisation werden Gemische von verschiedenen Monomeren

(mindestens zwei, bei drei Monomeren spricht man auch von Terpolymeristion)

gemeinsam polymerisiert. Die Polymerkette ist daher mindestens aus zwei verschieden

Monomeren aufgebaut. Die Eigenschaften des Copolymerisats (TG, TK, …) sind in der

Regel verschieden zu denen der entsprechenden Homopolymeren.

• Ein einfaches Beispiel für ein Copolymerisat stellt das Ethylen-Propylen-Copolymer

(Bild 2.9) dar. Hier besteht die Molekülkette aus Ethylen- und Propylen-Einheiten. Bei

den

C C CC C

H H H HH H H

H H HH H HHCH3 CH3 CH3

H HH

R C C CC C

Bild 2.9 Molekularer Aufbau von Ethylen-Propylen-Copolymer

meisten technisch verwertbaren Copolymeren ist eine Komponente in einem

vergleichsweise geringen Anteil vorhanden. Z.B. wird bei vielen Ethylen-Propylen-

Copolymeren das Ethylen nur zu geringen Anteilen (gewöhnlich bis zu 8 Gew.-%

Ethylen) dem Propylen dazu gegeben.

• Welche vorteilhafte Eigenschaften des Copolymerisats erreicht man durch die

Copolymerisation von Propylen mit Ethylen?

• Hierzu einige Beispiele: Absenkung des Schmelzpunktes von 164°C auf 125°C durch

Zugabe von ca. 8Gew.-% Ethylen zum Propylen. Geringere Kristallinität des

Copolymeren. Das Material wird hierdurch heißsiegelbar und besser

oberflächenbehandelbar. Außerdem ist es deutlich duktiler als das vergleichbare

Homopolymerisat und ist in der Regel transparent.

2.2.1.1.3 Polymer-Blends

• Im Unterschied zu Copolymerisaten spricht man von Blends, wenn die fertigen

Homopolymerisate physikalisch miteinander vermischt und dann zu Produkten

verarbeitet werden. Man spricht in diesem Fall auch von einer Polymerlegierung. Die

Blends können dabei mischbar oder nicht mischbar sein.

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Mischbar z.B. PP+KWH. Hierbei lagern sich die KWHe in die amorphen

Phasen des PP und können auch mit Hilfe eines Lichtmikroskops

nicht von diesen unterschieden werden.

Nicht mischbar z.B. PP+PE. Dies hat gewöhnlich eine starke Rauhigkeit des Blends

(Mischpolymerisats) zur Folge.

Die Kombination verschiedener Monomere in Copolymeren oder

verschiedener Polymere in Blends liefert uns die Möglichkeit,

Eigenschaften verschiedener Kunststoffe gezielt einzustellen und zu

verbessern.

2.2.2 Die Polykondensation

• Unter Polykondensation versteht man die Vereinigung vieler gleichartiger oder

verschiedenartiger Grundmoleküle zu einem Makromolekül unter Abspaltung eines

Nebenprodukts. Bei der Polykondensationsreaktion ändert sich sowohl die Anordnung

der Atome als auch ihre chemische Zusammensetzung.

• Polykondensationen sind aus einzelnen Kondensationsschritten bestehende

Stufenreaktionen von mindestens bifunktionellen Komponenten (in diesem Fall besitzt

das Molekül zwei reaktive Endgruppen), wobei unter Abspaltung von einfachen

Molekülen, wie Wasser, Schwefelsäure oder Alkohol, makromolekulare Stoffe

entstehen.

• Als Nebenprodukt wird meist Wasser erhalten, das als Kondensat abfällt. Daher rührt

auch der Name. Das Nebenprodukt muss von dem Reaktionsprodukt abgetrennt

werden. Bei der Polykondensation wird ein Polykondensat gewonnen.

• Bei der Polykondensation werden in der Regel verschiedene Reaktionskomponenten

mit reaktionsfähigen Endgruppen miteinander verknüpft. Beispiele für funktionelle

Endgruppen sind

- bei Aromaten das -H (= Wasserstoffatom)

- Bei Alkoholen die -OH (= Hydroxylgruppe)

- Bei Isocyanaten die -N = C = O (= Isocyanatgruppe)

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- Bei Amiden die -NH2 (= Amingruppe)

• Am einfachsten kann die Polykondensation von linearen (nicht verzweigten)

Polykondensaten dargestellt werden. Hierzu werden als Ausgangsstoffe bifunktionelle

Verbindungen benötigt, wobei zwischen folgenden beiden Möglichkeiten

unterschieden wird:

1. Man geht entweder von einem Monomeren aus, welche zwei ungleiche, zur

Polykondensation geeignete funktionelle Gruppen im Molekül enthält oder

2. verwendet man zwei verschiedene Monomere, die jeweils zwei gleiche reaktive

Gruppen enthalten und miteinander reagieren können.

• Im Folgenden wird die letzte dieser beiden Möglichkeiten, das ist die

Polykondensation von Diolen mit Dicarbonsäuren beispielhaft dargestellt. Diese ist

technisch und wirtschaftlich gesehen am bedeutsamsten.

Polykondensation von Diolen mit Dicarbonsäuren unter Abspaltung von Wasser. In diesem

Fall bildet sich allgemein ein Polyester. Ausgangspunkt für diese Reaktion bildet die

folgende Gleichung, die immer gilt:

Alkohol + Säure = Ester + Wasser

Ester sind in diesem Fall chemische Verbindungen, die folgende spezifische Gruppe

enthalten:

- Ester (= Estergruppe)

• Wegen seiner großtechnischen Bedeutung wird an dieser Stelle kurz auf die

Polykondensation des Polyethylenterephthalats (abgekürzt PET) eingegangen. PET

entsteht durch Polykondensation von Therephthalsäure und Ethylenglykol, wobei als

Nebenprodukt Wasser abgespaltet wird. Auch hier handelt es sich um eine

Stufenreaktion. In Bild 2.10 sind die chemische Formeln für die Terephthalsäure und

das Ethylenglycol (= Äthandiol) dargestellt.

21

Bild 2.10 Terephthalsäure und Ethylenglycol (= Äthandiol)

• Die Herstellung von PET erfolgt heute großtechnisch meist über eine

Direktveresterung des Terephthalsäure und dem Ethylenglycol. Daneben wird für die

Herstellung kleiner Chargen die Umesterung über das Dimethylterephtalat (DMT) der

Terephthalsäure mit Diolen angewendet.

• Direktveresterung: Die Herstellung von Polyethylenterephthalat erfolgt in zwei Stufen

(Bild 2.11). Zunächst wird bei vergleichsweise niedriger Temperatur (< 200°C) mit

Hilfe von z.B. Zinkacetat als Katalysator aus der chemischen Reaktion von

Terephthalsäure und Ethylenglycol das Zwischenprodukt bis-

(hydroxyethyl)terephthalat (= BHET), unter Abspaltung von Wasser gebildet (vgl. Bild

2.11a, Summenformel; in Bild 2.11b zur besseren Verdeutlichung als Strukturformel).

In der zweiten Stufe (der Polykondensation) erfolgt durch stufenweise

Aneinanderlagerung des BHET’s mit entsprechenden Umlagerungen von Atomen die

Polykondensation zu Makromolekülen. Als Polykondensationskatalysator wird bis

heute SB angewendet, in Zukunft werden aus lebensmittelrechtlichen Gründen andere

Katalysatoren verwendet (z.B. Ti, Ge,...). Bei dieser Reaktion entsteht als

Nebenprodukt noch Diethylenglykol, das (zum

überwiegendem Teil) abgetrennt werden muss.

22

Bild 2.12a TPA-Prozess zur Herstellung von PET (Summenformel)

HO OH

Bild 2.11b TPA-Prozess zur Herstellung von PET (Strukturformel)

• Umesterung (= DMT-Methode): Die Herstellung von Polyethylenterephthalat erfolgt

ebenfalls in zwei Stufen (Bild 2.12, Strukturformel). Zunächst wird bei

vergleichsweise

23

Bild 2.12 DMT-Prozess zur Herstellung von PET (Strukturformel)

niedriger Temperatur (< 200°C) mit Hilfe von z.B. Zinkacetat als Katalysator aus der

chemischen Reaktion von Dimethylterephthalat und Ethylenglycol das

Zwischenprodukt bis-(hydroxyethyl)terephthalat (= BHET), unter Abspaltung von

Methylalkohol gebildet. In der zweiten Stufe (der Polykondensation) erfolgt dann die

Herstellung von Polyethylenterephthalat durch Umsetzung des BHET’s wie zuvor bei

dem TPA-Prozess beschrieben.

• Andere wichtige Polykondensate sind z.B. das Polycarbonat, die verschiedenen

Polyamide, Phenolharze, Polyimide und die wichtige Gruppe der Silikone. Auch hier

wird wiederum auf die Literatur verwiesen.

2.2.3 Die Polyaddition

• Bei der Polyaddition lagern sich mindestens zwei gleiche, meist jedoch

verschiedenartige bifunktionelle Verbindungen zu einem Makromolekül zusammen.

Die Verknüpfung der Grundbausteine erfolgt vielmehr in den meisten Fällen unter

gleichzeitiger Wanderung eines H-Atoms. Im Gegensatz zur Polykondensation wird

hier kein niedermolekulares Nebenprodukt abgespalten.

• Wie die Polykondensation ist auch die Polyaddition eine Stufenreaktion, die aus

voneinander unabhängigen Einzelreaktionen besteht, so dass auch hier das

Molekulargewicht der entstehenden Polymere im Lauf der Reaktion ständig zunimmt.

Die in den einzelnen Stufen gebildeten oligomeren bzw. späteren polymeren Produkte

24

besitzen die dieselben funktionellen Endgruppen und daher auch dieselbe Reaktivität

wie die Ausgangsstoffe.

• Als Beispiel zur Erklärung der Vorgänge bei der Polyaddition soll die Herstellung von

Polyurethan (PUR) herangezogen werden. Polyurethan ist allen als gelblicher, ziemlich

spröder Schaumstoff bekannt, der im Baugewerbe, aber auch in der Autoindustrie

Verwendung findet.

• Unter Polyurethane bezeichnet man Makromoleküle, bei denen die Grundbausteine

durch Urethangruppen miteinander verknüpft sind. Diese werden fast ausschließlich

durch Polyaddition von difunktionalen Hydroxygruppen eines Dialkohols (= Glykol)

mit der Isocyanatgruppe eines Diisocyanats hergestellt (Bild 2.13).

{

Bild 2.13 Schema einer Polyaddition

• Bei dieser Reaktion wird die Doppelbindung des N-Atoms aufgeklappt. An die frei

werdende Valenz des N-Atoms wandert das H-Atom der OH-Gruppe, während sich die

nunmehr freie Valenz des O-Atoms mit der freien Valenz des C-Atoms verbindet.

Angemerkt sei noch, das die Polyaddition über einen Übergangskomplex verläuft, der

hier nicht dargestellt ist.

• Das Ergebnis einer Polyaddition ist ein Polyaddukt. In der Regel entstehen hierbei

vernetzte Polyurethane, die umso engmaschiger vernetzt sind, je mehr reaktionsfähige

Bausteine im Molekülverbund enthalten sind. Neben Polyurethane werden auch

Epoxydharzkunststoffe durch Polyaddition gewonnen.

Bei der Polykondensation und bei der Polyaddition werden

Makromoleküle in einer Stufenwachstumsreaktion aus Monomeren mit

reaktiven Endgruppen gebildet. Bei der Polykondensation entstehen

niedermolekulare Nebenprodukte, bei der Polyaddition nicht.

25

3. Überblick über die wichtigsten Kunststofftechnologien

Die wichtigsten Verarbeitungstechnologien sind das Extrudieren, Spritzgießen,

Kalandrieren, Tiefziehen, Extrusionsblasen und das Schäumen. Die Verfahren werden in

späteren Vorlesungen ausführlich behandelt. Daher sollen sie an dieser Stelle nur ganz

kurz skizziert und erläutert werden.

3.1 Die Aufbereitung von Kunststoffen

• Nach ihrer Herstellung (in einer Chemiefabrik) liegen die Polymere als Pulver oder als

viskose Flüssigkeit vor.

• Für die Verarbeitung der Polymere zu Halbzeugen oder zu Endprodukten in der

kunststoffverarbeitenden Industrie müssen sie zunächst in eine geeignete Granulatform

gebracht und mit entsprechenden Zusatzstoffen, den Additiven (Farbpigmente,

Gleitmittel, Antiblockmittel) versetzt werden.

• Die geschieht im Chemiewerk selbst und zwar in der Aufbereitung (oder in der

Compoundierung), die der Herstellung direkt nachgeschaltet ist.

• In der Kunststoffaufbereitung wir in einem großen Extruder - dem Schmelzeextruder –

das flüssige Polymer homogenisiert, mit Zusatzstoffen beaufschlagt, filtriert und in

einem Granulator granuliert. Das Granulat wird in Säcken verpackt oder gelangt direkt

über Tankwagen in die Verarbeitung.

3.2 Das Extrudieren von Kunststoffen

Unter Extrusion oder Extrudieren versteht man die kontinuierliche Herstellung eines

Halbzeuges, Rohres oder einer Folie aus Kunststoff. Eine Extrusionsanlage (Bild 3.1) setzt

sich unter anderem zusammen aus dem Extruder, dem Filter, dem Werkzeug (Düse), der

Kühlung und der Konfektionierung. Der Extruder ist das Kernstück einer jeden

26

Extrusionsanlage und hat die Aufgabe, eine homogene Schmelze in ausreichender Menge

mit der notwendigen Temperatur und dem notwendigen Druck in das nachfolgende

Werkzeug zu fördern. Dort wird die Schmelze zu dem gewünschten Halbzeug (Rohr,

Platte, Profil) ausgeformt und in einem nachfolgenden Wasserbad erfolgt die Erstarrung

der Schmelze zum Produkt.

Bild 3.1 Prinzipsskizze einer Extrusionsanlage

3.2 Das Blasformen und das Streckblasen

Blasformen

• Beim Blasformen wird zunächst ein Polymerschlauch mittels Extrusion und Extrusion

dieses Schlauches in ein Werkzeug, das innen die Kontur /Form des herzustellenden

Produktes aufweist. Das Werkzeug wird dann geschlossen.

• Mit Pressluft wird der Schlauch in die Formgeblasen, das Formteil wird abgekühlt und

aus der Form ausgeworfen.

Streckblasen

• Eine Sonderform des Extrusionsblasens ist das Streckblasen, welches schematisch in

Bild 3.2 dargestellt ist.

• Hierbei wird ein spritzgegossener Vorformling in die Form gebracht und auf eine

Temperatur T, die zwischen Glastemperatur Tg und Schmelztemperatur Ts liegt,

erwärmt.

27

• In der beheizten Form wird der Vorformling in Längs- und in Umfangsrichtung

verstreckt, wobei sich die Moleküle im Wesentlichen planar orientieren.

• Durch die in den Werkstoff eingebrachten Orientierungen werden die mechanischen

Eigenschaften der Ausgangsrohstoffe deutlich verbessert

Bild 3.2 Prinzip des Streckblasprozesses

Bevorzugte Rohstoffe zur Herstellung von Flaschen ist Polyethylenterephthalat (PET),

dass hohe mechanische Festigkeiten und eine brillante Optik aufweist.

3.4 Das Spritzgießen

Das Spritzgießen ist eines der wesentlichen Produktionsverfahren bei der Verarbeitung

von Kunststoffen. Das Verfahren wird vorteilhaft bei der Herstellung von komplizierten

Formteilen für Massenartikel eingesetzt. Das Spritzgießen umfasst damit im Wesentlichen

die diskontinuierliche Herstellung von Formteilen aus polymeren Formmassen, wobei die

Umformung unter Druck geschieht. In Bild 3.3 ist schematisch der Verfahrensablauf beim

Spritzgießen dargestellt. Das Rohmaterial (Granulat oder Pulver) wird zunächst durch die

Rotation einer Schnecke plastifiziert. Nach Schließen des Werkzeuges (Schritt 1), welches

einen Hohlraum entsprechend dem Formteil aufweist, wird das plastifizierte Material

durch axialen Vorschub der Schnecke in das Werkzeug eingespritzt (Schritt 2).

28

Bild 3.3 Prinzipsskizze einer Spritzgussanlage

Anschließend wird die Schmelze im Werkzeug gekühlt (Schritt 3). Der letzte

Verfahrensschritt umfasst das Öffnen des Werkzeuges und das Auswerfen des Formteils

(Schritt 4).

3.5 Das Kalandrieren

Das Kalandrieren wird zur Herstellung von Folien und Platten (Fußböden) aus

Polyvinylchlorid (PVC) verwendet. Der Hauptvorteil des Kalandrieren besteht in den

kurzen Verweilzeiten und den vergleichsweise niedrigen Temperaturen, die angewendet

werden können. Dies kommt insbesondere dem thermisch sehr empfindlichen PVC zu

Gute.

In Bild 3.4 ist ein Beispiel für einen solchen Kalander dargestellt. Hierbei handelt es sich

um die sogenannte L-Form eines Kalanders. Der Durchmesser der einzelnen Walzen einer

29

Bild 3.4 Prinzipsskizze einer Kalanderanlage

solchen Anlage reicht bis etwa 900mm, die Breite bis zu 5m. Optimal werden diese

Kalander zur Herstellung von Folien mit Dicken zwischen 200 und 500µm eingesetzt.

Dünnere Folien (bis herab zu 20 µm) werden dann in einem weiteren Verarbeitungsschritt

durch Folienrecken hergestellt.

Durch die hohen Kräfte, die beim Kalandrieren im Walzenspalt auftreten, kommt es zu

einer beachtlichen Durchbiegung der Walzen. Die Folge hiervon ist ein konvexes

Dickenprofil der kalandrierten Folie über die Breite des Kalanders. Diesem kann man

entgegenwirken z.B. durch eine Bombierung der Walze, eine Vorspannung der Walze über

die Zapfen oder durch eine Schrägstellung der Walzen in den Hauptachsenrichtungen.

3.6 Das Thermoformen

Das Tiefziehen (auch Thermoformen genannt) von Folien und dünnwandigen Platten

eignet sich insbesondere für die Herstellung von Blistern und Jogurt-Bechern. Zum Einsatz

kommen hauptsächlich Polystyrol und Polypropylen. Mittels amorphem Polystyrol können

z.B. sehr transparente Produkte hergestellt werden. Bei allen Verfahrensvarianten (Beispiel

siehe Bild 3.5) wird das durch Erwärmung in den gummi-elastischen Zustand gebrachte

Halbzeug einer schnellen biaxialen Verstreckung unterworfen. Der Vorgang dauert im

30

Allgemeinen weniger als eine halbe Sekunde und kann daher als isotherm angenommen

werden.

Bild 3.5 Druckluftnegativ-Formen mit und ohne Stempel

3.7 Das Schäumen

Nach DIN 7726 ist ein Schaumstoff ein Werkstoff mit über der gesamten Masse verteilten

Zellen und einer Rohdichte, die niedriger ist als die der Gerüstsubstanz. Prinzipiell lassen

sich alle Kunststoffe verschäumen. Allerdings ist bei vielen eine ökonomische

Produktionsweise nicht möglich.

Die am häufigsten zum Verschäumen eingesetzten Kunststoffe sind aus der Gruppe der

• Thermoplaste (Polymerisate): PS, PVC, PE und PP

• Aus der Gruppe der Duroplaste:

Polyaddukte: Polyurethan (PU), Epoxidharz (EP)

Polykondensate: Harnstoff-Formaldehyd, Ungesättigte

Polyesterharze, Phenol-Formaldehyd

Schaumgleichmäßigkeit (vgl. Bild 3.6)

• Normalscham: Gleichmäßige Dichte über gesamten Querschnitt

• Integralschaum: Die Dichte steigt nach außen hin an. Es liegt eine

geschlossene Oberfläche vor.

31

a: Schaumstoff ohne Haut: Rohdichte: 0,1 g/cm3

b: Strukturschaumstoff: Rohdichte: 0,2 g/cm3

c: Strukturschaumstoff: Rohdichte: 0,6 g/cm3

d: Massiver Chemiewerkstoff: Rohdichte: 1,1 g/cm3

Bild 3.6 Schematische Darstellung des Schäumens

Zellstruktur

Die physikalischen Eigenschaften werden stark von der Zellstruktur beeinflusst. Schäume

werden entsprechend ihrer Größe eingeteilt in:

• Grobzellig: D > 2 mm

• Feinzellig: D <= 2 mm

• Mikrozellig D <= 0,3 mm

Hierbei unterscheidet man zwischen:

• Offenzelliger Schaum: Die Zellen sind nicht gegeneinander abgeschlossen.

Typisches Beispiel für einen offenzelliger Schaum ist.

der Schwamm. Technisch werden solche Schäume

vorwiegend in der Akustik eingesetzt.

• Geschlossenzelliger Schaum: Die einzelnen Zellen haben keine Verbindung

zueinander. Technisch werden solche Schäume

vorwiegend bei Isolieranwendungen eingesetzt.

32

Die Härte von Schäumen umfasst einen weiten Bereich von Härtegraden als auch

Verformungsarten. Je nach Kunststoff und Zellstruktur sind alle Kombinationen von weich

bis hart, bzw. plastische bis elastische Verformbarkeit möglich.

Chemische Schäumverfahren

Beim chemischen Schäumen werden Gase aus chemischen Reaktionen gebildet. Die

Bildung kann erfolgen durch :

• Zersetzung eines Treibmittels

• Reaktion der Grundkomponenten untereinander oder einer Grundkomponente mit

einem Zusatzstoff

• Weitere Kombinationen der genannten Verfahren.

Die chemischen Treibmittel werden dem Polymergranulat vor der Verarbeitung in fester

Form (Masterbatch, Pulver) wie andere Additive auch zugemischt.-> Beispiele:

Natriumbicarbonat, Azoverbindungen, organische Säuren.

Physikalische Schäumverfahren

• Gas werden in pastöse oder niedrigviskose Form des Kunststoffs eingerührt oder

eingedüst. Beispiel: Stickstoff und CO2.

4. Das Extrudieren von Kunststoffen

4.1 Allgemeines über die Extrusion von Kunststoffen

Unter Extrusion oder Extrudieren versteht man das kontinuierliche und das

diskontinuierliche Pressen von Strängen aus formbaren Stoffen. Früher wurde daher im

deutschen Sprachbereich überwiegend die Bezeichnung Strangpressen für das Verfahren

und Strangpresse anstelle von Extruder für die Maschine verwendet.

Größte technische Bedeutung hat das Extrudieren für die Herstellung von Halbzeug aus

leicht verformbaren Werkstoffen oder ihren Vorprodukten wie keramischen Massen,

duktilen Metallen, Kunststoffen, o.ä. erlangt. Seit langem nutzt man aber auch die

Extrusionstechnik in der Lebensmittelindustrie zur Erzeugung von Teigwaren (Nudeln mit

verschiedenartigem Querschnitt, Spaghetti, usw.), Wurst, Süßigkeiten. So kann der

sogenannte Fleischwolf als eine Vorstufe des Einschneckenextruders betrachtet werden.

Außerdem gibt es viele Anwendungen in der chemischen Industrie, wo man Extruder z.B.

für das Fördern, Dosieren und Formen von hochviskosen Stoffen, Pasten u.ä. nutzt.

Die Entwicklung der Extrusionstechnik für Kunststoffe unter Berücksichtigung der

Patentliteratur wird in dem 1963 erschienenen Buch von G. Schenkel ,“ Kunststoff-

Extrudertechnik“ , ausführlich und umfassend beschrieben.

Extruder verwendet man in der Hauptsache zur kontinuierlichen Fertigung von Halbzeug

aus thermoplastischen Kunststoffen (Rohre, Profile, Schläuche, Folien, Platten, usw.).

Außerdem kann man mit der von Extrudern ausgetragenen Schmelzen Ummantelungen

und Beschichtungen auf Produkte aus anderweitigen Werkstoffen aufbringen.

Eine Art Sonderstellung nimmt die Extrusionsbeschichtung ein, z.B. diejenige von

Stahlblechen mit Kunststoffschmelzen (Bild 4.1). Hierbei wird mit einer sogenannten

Schnabeldüse der Schmelzefilm in den Walzenspalt von zwei Walzen extrudiert. Nach

dem Abkühlen haftet das (amorphe) Polymer auf dem Stahlblech.

34

Niproll

Bild 4.1 Schema einer Extrusionsbeschichtungsanlage

Im Extruder nutzt man überwiegend die Förderwirkung rotierender Schnecken

(Schneckenextruder, Schneckenpressen), wobei die konstruktiv einfachen Maschinen nur

mit einer Schnecke (Einschneckenextruder) der Zahl nach überwiegen.

In derartigen Extrudern (Schema eines Extruders, siehe Bild 4.2) finden folgende

Verfahrensschritte statt:

DEF

GHI

JK

L

N

O PQ

Bild 4.2 Schema eines Einschnecken-Plastifizierextruders mit horizontalerSchneckea Fülltrichter, b Extrusionsmasse, c Einzugsöffnung, d Kanäle für Kühlmedium (MeistWasser, aber auch Luft), e Schnecke, f Zylinder, g Temperierzone für Heizung undKühlung, h Extrusionswerkzeug, i Heizzonen des Werkzeugs, k Extrudat, iElektromotor, m Untersetzungsgetriebe, n Anschlüsse für die Schneckentemperierung

35

• Fördern der als Granulat, Grieß oder Pulver durch den Fülltrichter zugeführten

Extrusionsmasse von der Einzugsöffnung in den beheizten Teil des Zylinders

• Verdichten der Extrusionsmasse zu einem kompakten Feststoff und Aufschmelzen der

Extrusionsmasse,

• Homogenisieren der Schmelze und Pumpen der Schmelze durch das

Extrusionswerkzeug (= Düse).

Die ursprünglich feste Extrusionsmasse wird also in einer solchen Maschine durch

Erwärmen, Verdichten und Scheren in eine homogene Schmelze überführt (die

Extrusionsmassse wird plastifiziert). Man bezeichnet deshalb einen solchen Extruder als

Plastifizierextruder. Führt man hingegen dem Extruder bereits eine pumpfähige Schmelze

zu, so spricht man von einem Schmelzeextruder.

Extrusionsanlagen umfassen, außer dem Extruder und dem Werkzeug, Vorrichtungen zum

Beschicken des Extruders sowie produktspezifische Nachfolgeeinrichtungen, welche das

Extrudat kalibrieren, kühlen, abziehen, umformen, nachbehandeln, auf Format schneiden,

aufwickeln, ablegen, usw.

Sämtliche Nachfolgeeinrichtungen müssen im Funktionsablauf dem jeweiligen Durchsatz

des Extruders angepasst werden. Demzufolge umfassen Extrusionsanlagen einen

beträchtlichen Anteil von Meß-, Steuer- und Regeleinrichtungen.

Bei der Anlagentechnik kann nach folgenden Produkten unterschieden werden:

• Rohre, Profile, Ummantelung von Kabeln

• Blasfolien

• Blasformen

• Flachfolien

• Platten

• gereckte Folien.

36

Die Extrusion von Elastomeren oder gar Duroplasten erfordert gegenüber Thermoplasten

veränderte Anlagen, da das Extrudat überwiegend durch Wärmebehandlung vernetzt

(vulkanisiert) wird.

4.1.1 Verfahrensvariante Coextrusion

Nahezu alle der vorgenannten Produkte lassen sich durch Coextrusion mit einem

mehrschichtigen Aufbau aus verschiedenen Thermoplasten herstellen.

Durch Kombination unterschiedlicher Werkstoffe kann man hierdurch Produkte erzeugen,

die den geforderten Anwendungszweck mit verringertem Werkstoffaufwand oder mit

verbesserter Qualität erreichen. Beispiele für solche Produkte sind coextrudierte Folien (bis

zu sieben Schichten), coextrudierte Spritzgussteile oder coextrudierte Blasformteile.

Die resultierenden wirtschaftlichen Vorteile wiegen den erhöhten Aufwand durch

zusätzliche Extruder und kompliziertere Werkzeuge auf. Bei der Coextrusion werden die

von mehreren Extrudern gelieferten Schmelzeströme in einem Werkzeug so

zusammengeführt, dass sich der gewünschte Schichtenaufbau ergibt (Bild 4.3).

Bild 4.3 Beispiele für Coextrusionsverfahrena das Pinolenverfahren mittels Adapter und Monodüse, b das Mehrschicht-düsenverfahren

37

Da die zu extrudierenden Kunststoffmassen in den Schneckengängen und in den Spalten

zwischen der Schnecke und dem Zylinder beträchtliche Scherverformungen erfahren,

eignen sich Schneckenextruder auch als Mischmaschinen. Dies gilt besonders für

Mehrschneckenextruder (siehe Bild 4.8), die eine noch größere Zahl von Spalten

aufweisen als Einschneckenextruder.

Derartige (Zweischnecken-) Extruder werden daher überwiegend für die kontinuierliche

Aufbereitung von Kunststoffen eingesetzt. Die Extrusion beschränkt sich meistens nur auf

das Austragen der aufbereiteten Masse in Form vieler Stränge, die nachfolgend granuliert

werden. Der Massendurchsatz solcher Maschinen kann bis zu etwa 20.000 kg/h betragen,

während der Massendurchsatz bei Extrudern in der Produktion meist kleiner als 3000 kg/h

ist.

Ausnahmen sind z.B. die Anlagen zur Herstellung von biaxial gereckten Folien aus PP

oder PET, deren Durchsatz zwischen 1000 und 6000 kg/h liegt (Bild 4.4).

Bild 4.4 Gegenüberstellung von Nutbuchsen- und Kaskadenextruder

38

Bei der Aufbereitung ist meistens eine Entgasung der Schmelze vorgesehen (Entga-

sungsextruder; Bilder 4.5a und 4.5b). Entgast werden Luft, Feuchtigkeit, Oligomere.

Bild 4.5a Beispiel für einen Entgasungsextruder in Tandemanordnung

A) Schmelzeentgasung, B) Agglomeratentgasung

Bild 4.5a zeigt Entgasungsextruder in Kaskaden- oder Tandemanordnung. Man erkennt die

Lage der Entgasungszone. Der Kunststoff wird vom ersten Extruder entweder in

Schmelzeform über eine Lochplatte oder als Agglomerat rieselnd in die Vakuumkammer

gefördert.

Bild 4.5b zeigt das Beispiel eines Einschnecken-Entgasungsextruders. Er besteht im

Wesentlichen aus zwei hintereinandergeschalteten Mehr-Zonen-Schnecken mit der

dazwischen liegenden tiefer geschnittenen, teilgefüllten, drucklosen Entgasungszone. Die

erste Schneckenstufe I mit Einzugs-, Kompressions- und Meteringzone übernimmt das

Fördern und Plastifizieren.

39

Bild 4.5b Schema eines Entgasungsextruders und Druckverlauf bei verschiedenenBetriebszuständena Einzugszone, b Kompressionszone, c erste Meteringzone, d Dekompressionszone, eEntgasungszone, f Kompressionszone, g zweite Meteringzone, h Ventil, i Werkzeug

Auch der umgekehrte Weg, die Begasung der Schmelze durch Einmischen leicht

verdampfender Flüssigkeiten im Extruder, wird für die Herstellung von Schaumstoffen

beschritten.

Man unterscheidet also auch zwischen Aufbereitungsextrudern, welche die

Kunststoffmasse ohne produktspezifische Formgebung austragen und

Verarbeitungsextrudern, welche extrusionsspezifische Halbfabrikate erzeugen.

Aufbereitungsextruder werden so ausgelegt, dass die Schergeschwindigkeiten und

Scherkräfte im Extruder eine ausreichende Verteilung und Zerteilung der mit

Dosiervorrichtungen zugeführten Komponenten bewirken.

Man geht auch zunehmend dazu über, im Extruder chemische Reaktionen zwischen den

zugeführten Komponenten gesteuert ablaufen zu lassen (Reactive Polymer Processing).

Die für die kontinuierliche Aufbereitung verwendeten Schneckenextruder bezeichnet man

mitunter auch als Schneckenkneter.

40

Schmelzeextruder verwendet man dort, wo bei der chemischen Herstellung der Polymeren

diese bereits als Schmelze anfallen. Die aus dem Reaktor abfließende Schmelze wird im

Schmelzeextruder entgast, mit Additiven vermischt, homogenisiert und in Form von

Strängen für die nachfolgende Granulierung extrudiert.

Dort, wo die Polymere bei der chemischen Herstellung als Pulver anfallen, verwendet man

für die Aufbereitung Plastifizierextruder.

4.1.1 Berechnung des Kompressionsverhältnisses beim Einschneckenextruder

Die Definition des Kompressionsverhältnisses κ lautet:

K =AE / AA (4.1)

A: Kanalquerschnitt senkrecht zu den Stegen

E, A: Eingang Schnecke, Ausgang Schnecke

Das Kompressionsverhältnis ist damit ein Maß dafür, um wie viel sich der

Schneckenkanalquerschnitt für die zu fördernde Masse mit fortschreitendem Weg

verringert. Bild 4.6a zeigt beispielhaft Schnecken mit verschiedenen Kompressions-

verhältnissen.

Bild 4.6a Schnecken mit unterschiedlichen Kompressionsverhältnissena Schnecke mit konstanter Gangtiefe (= kompressionslose Schnecke),b Dreizonenschnecke, c kernprogressive Schnecke

41

Nach Bild 4.6b gilt

A = B * H (4.2)

B: Kanal- oder Gangbreite (senkrecht zu den Stegen)

H: Kanal- oder Gangtiefe

AAEE HBHB ⋅⋅= /κ (4.3)

Bild 4.6b Kanalgeometrie einer Extuderschnecke

Sind die Kanalbreiten und Kanaltiefen am Eingang und Ausgang bekannt, z.B. durch

Messung mit der Schieblehre, so kann das Kompressionsverhältnis aus Gl. (4.3) einfach

berechnet werden.

Im Allgemeinen sind von einer Schnecke laut Zeichnung folgende Größen bekannt:

D Durchmesser

T Gangsteigung / Teilung

s Stegbreite

H Kanaltiefe

Aus diesen Größen lässt sich die Kanalbreite B wie folgt berechnen:

42

B + s

T

90°

Φ

sTB

TsB

−Φ⋅=⇒+=Φ

cos/)(cos

(4.4)

Berechnung des Steigungswinkels Φ durch Abwicklung der Schnecke:

T

πD Steg

)/(tan

/tan1 DT

DT

⋅=Φ⇒

⋅=Φ− ππ

(4.5)

Beispiel 1

Gegeben: D = 200 mm; T = 200 mm; s = 20 mm

Gesucht: Steigungswinkel Φ und Kanalbreite B

Da T = D, folgt für den Steigungswinkel Φ

tan Φ = 1/π

bzw. Φ = 17,7o

und B = (200 cos 17,7o – 20) mm = 170,6 mm

Sind Steigung, Teilung, Stegbreite und Kanaltiefe am Ein- und Ausgang unterschiedlich,

so berechnet sich das Kompressionsverhältnis wie folgt:

43

κ = BEHE / BAHA nach (1.3)

Einsetzen von Gl. (1.4) liefert:

AAAA

EEEE

HsTHsT

⋅−Φ⋅⋅−Φ⋅

=)cos()cos(κ (4.6)

Beispiel 2

Gegeben: D = 200 mm; TA = 150 mm; TE = 200 mm; sA,E = 20 mm; HE = 40 mm; HA

= 15 mm

Gesucht: Kompressionsverhältnis κ

6,315)203,13cos150(40)207,17cos200(

4,13)/(tan

7,17)/(tan1

1

=⋅−°⋅⋅−°⋅=⇒

°=⋅=Φ

°=⋅=Φ−

κ

κ

ππ

DT

DT

AA

EE

4.2 Klassifizierung von Extrudern

Der in Bild 4.7 dargestellte Einschneckenextruder ist der konstruktiv einfachste und

vielseitigste Extruder. Er wird am häufigsten in der Kunststoffverarbeitung verwendet.

Bild 4.7 Dreizonen-Einschneckenextruder

In diesen Maschinen wird die Förderung im Feststoffbereich durch die Reibung der

verdichteten Extrusionsmasse auf den Oberflächen von Zylinder und Schnecke bewirkt

44

(reibungsbedingte Förderung). Im Schmelzebereich hingegen geschieht die Förderung

durch das Mitschleppen der Schmelze an der bewegten Oberfläche der Schnecke

(Schleppströmungspumpe; hydrodynamische Förderung).

Die Drehzahlen der fliegend gelagerten Schnecken liegen überwiegend im Bereich 30 -

300 min-1. Bei der Extrusion von Polyolefinen werden sogenannte Schnellläuferextruder

(high speed extruder) mit Drehzahlen zwischen 100 und 1000 min-1 eingesetzt.

Hauptproblem bei der Auslegung von Einschneckenextrudern ist, die Geometrie der

Schnecke auf die verschiedenen Vorgänge im Extruder abzustimmen. Hierzu ist es

erforderlich, dass der Wärmeübergang an der Zylinderwand so beeinflußt werden kann,

dass ein stationärer Zustand bei optimalem Temperaturverlauf erreicht wird.

Alle Extruderzylinder sind deshalb mit Heiz- und Kühlelementen ausgestattet, so dass die

Temperatur des Zylinders zonenweise auf einem vorgegebenem konstanten Wert gehalten

werden kann (vgl. Bild 4.1). Eine Kühlung ist dann erforderlich, wenn die bei hohen

Schneckendrehzahlen in der Exrusionsmasse in Wärme umgewandelte Antriebsleistung

der Schnecke zu groß wird.

Mitunter temperiert man außerdem die Schnecken, z.B. durch umlaufende Flüssigkeiten.

Eine Schnecke ohne Temperierung nennt man neutrale Schnecke. Bei entsprechender

Auslegung der Schnecke lässt sich meistens bei hohen Schneckendrehzahlen erreichen,

dass die für den Extrusionsvorgang benötigte Leistung vollständig durch die größtenteils in

Wärme umgewandelte Antriebsleistung der Schnecke gedeckt wird. Zu- und Abfuhr von

Wärme sind also nicht erforderlich. Man spricht in diesem Fall von autogener

Betriebsweise des Extruders.

Mit der Fortentwicklung der Extrudertechnik haben Mehrschneckenextruder, insbesondere

Doppelschneckenextruder mit kämmenden Schnecken, zunehmend an Bedeutung

gewonnen. Bild 4.8 gibt eine Übersicht der in der Praxis gebräuchlichen Extruderarten.

45

Kämmende, gegenläufige Doppelschnecken (Gegendrall-Doppelschnecken) bilden C-

förmige, geschlossene Förderkammern, welche die Extrusionsmasse mit einer

drehzahlproportionalen Geschwindigkeit in Förderrichtung transportieren (Bild 4.8 F).

Diese Art des Stofftransports bezeichnet man als Zwangsförderung.

Bild 4.8 Zusammenstellung und Skizzierung der wichtigsten Extruder

46

Eine weitere Maschine mit Zwangsförderung, die als Schmelzeextruder oft Verwendung

findet, ist z.B. die Zahnradpumpe (Bild 4.8 K). Sie wird vor allen Dingen bei

dünnflüssigen Schmelzen eingesetzt und für Aufgaben, bei denen es auf einen sehr

konstanten Massendurchsatz ankommt.

Im Gegensatz dazu weisen Einschneckenextruder mit ihren in Längsrichtung beidseitig

offenen Schneckenkanälen keine Zwangsförderung auf. Bei zwangsfördernden

Doppelschneckenextrudern wird die Extrusionsmasse unabhängig von ihren tribologischen

Eigenschaften (Reibungseigenschaften) durch den Extruder gefördert. Die

Zwangsförderung hat demnach den Vorteil, dass keine Einzugsschwierigkeiten auftreten.

Die Schnecken drehen unter dem Fülltrichter auseinander, wodurch der Einzug unterstützt

wird (Bild 4.8 F).

Diese Maschinen finden bevorzugt als Plastifizierextruder für die Verarbeitung von PVC-

hart in Form von Trockenmischungen (Dryblend) zu Rohren, Profilen, Platten, usw.

Anwendung. Sie eignen sich aber auch für die Aufbereitung, da in den durch das Kämmen

der beiden Schnecken gebildeten Spalten und die Abrollbewegung große Scherkräfte

auftreten, die sich vorteilhaft für das Dispergieren von Zusatzstoffen ausnutzen lassen.

Doppelschneckenextruder mit gleichlaufenden, kämmenden Schnecken (Gleichdrall-

Doppelschnecken; Bild 4.8 E) bilden keine geschlossenen Förderkammern und haben dem

zu Folge keine Zwangsförderung. Die Extrusionsmasse wird in Kanälen gefördert, welche

beide Schnecken wendelförmig in Form einer Acht umschließen, wobei sich der

Querschnitt geometriebedingt im Eingriffsbereich verengt. An allen Punkten des

Eingriffsbereiches gleiten beide Schnecken mit der gleichen Relativgeschwindigkeit dicht

aneinander vorbei. Haftende Extrusionsmasse wird also dort abgestreift

(Selbstreinigungseffekt). Doppelschneckenextruder mit gleichlaufenden, kämmenden

Schnecken sind daher wichtige Aufbereitungsmaschinen.

47

Auch gegenlaufende, nicht kämmende Doppelschneckenextruder haben in der

Aufbereitungstechnik Bedeutung erlangt, wobei verschiedene Schneckenanordnungen,

entsprechend Bild 4.8 G, gebräuchlich sind.

Extruder mit mehr als zwei Schnecken haben nur für die Aufbereitungstechnik Bedeutung

erlangt. Im Planetwalzenextruder (Bild 4.8 H) treibt die Zentralschnecke mehrere

Planetenschnecken nach Art eines Planetengetriebes an. Die Abrollbewegung der

Planetenschnecken sowie die zahlreichen Spalte zwischen den Schnecken und dem mit

einer Innenzahnung versehenen Zylinder bewirken intensives Mischen und Dispergieren

(Walzwerkeffekt). Im Einzugs- und fallweise auch im Austragsbereich ist der

Planetwalzenextruder wie ein Einschneckenextruder mit glatter Zylinderinnenfläche

aufgebaut. Er wird daher zu den Sonderausführungen von Einschneckenextrudern

gerechnet.

Für die Entgasung werden mitunter vierwellige Schneckensysteme verwendet, die aus zwei

v-förmig angeordneten gleichlaufenden kämmenden Doppelschnecken bestehen (Bild 4.8

I). Man gewinnt durch diese Anordnung eine gegenüber zweiwelligen Anordnungen

größere Oberfläche für die Entgasung.

Einschneckenextruder in ihrer für die Verarbeitung gebräuchlichen Form (Bild 4.1) sind

als Aufbereitungsmaschinen nicht so wirksam wie Mehrschneckenextruder. Man hat daher

Anstrengungen unternommen, den Einschneckenextruder so zu verändern, dass die

Mischwirkung wesentlich verändert wird. Einige für die Praxis bedeutsame

Maschinentypen sind in Bild 4.8 B, C und D aufgeführt.

Bild 4.8 B zeigt das Prinzip des Stiftextruders, der vor allem für die Verarbeitung von

Kautschukmischungen Bedeutung erlangt hat. Durch die mit ihrer in den Schneckenkanal

ragenden Länge verstellbaren Stifte wird die Strömung vielfach aufgeteilt und wieder

zusammen geführt. Außerdem entstehen zwischen den Stiften und den Stegflanken hohe

Schergeschwindigkeiten, welche das Verteilen und Dispergieren von Zusatzstoffen

unterstützen.

48

Nach einem ähnlichen Prinzip arbeitet auch der Kokneter (Bild 4.8 C), der vor allem für

die Aufbereitung von Kunststoffen verwendet wird. An der Innenseite des Zylinders sind

drei symmetrisch verteilte Reihen von Knetzähnen angeordnet. Die Schneckenstege weisen

dementsprechend drei Reihen von hintereinander liegenden Lücken auf, so dass eine mit

gleichmäßiger Rotation verbundene Hin- und Herbewegung der Schnecken ermöglicht

wird. Durch die Relativbewegung zwischen Knetzähnen und Schnecke erreicht man

intensives Mischen und Dispergieren.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, im Zylinder Vertiefungen (Gewindegänge,

kugelsegmentförmige Vertiefungen u.ä.) so anzuordnen, dass die Strömung durch die

Relativbewegung zwischen Schneckenstegen und Zylinder aufgeteilt und wieder

zusammengeführt wird (Bild 4.8 D).

So weist der Frenkel-Mischer (= Transfermix) im Zylinder und in der Schnecke

Gewindegänge mit veränderlicher Gangtiefe auf (Bild 4.9). Einfacher aufgebaut ist der

Cavity-Transfer-Mixer (Bild 4.10).

Bild 4.9 Prinzipsskizze einer Transfermix

Bild 4.10 Prinzipsskizze eines Cavity-Transfer-Mixer

49

Die Mischwirkung im Einschneckenextruder bei glatter Zylinderinnenwand läßt sich

dadurch verbessern, daß man auf der Schneckenwelle Scher- und Mischteile anordnet

(Bild 4.11).

Bei Extrudern sind die Schnecken überwiegend horizontal angeordnet (Horizontalex-

truder, siehe dazu nochmals Bild 4.1). Die vertikale Anordnung (Vertikalextruder) hat nur

in Sonderfällen Bedeutung erlangt, z.B. dann, wenn man bei senkrechter Arbeitsrichtung

die Umlenkung des Massenstromes um 90° vermeiden will. Vertikalextruder ermöglichen

mitunter auch eine bessere Raumnutzung, z.B. beim Extrusionsblasformen. Bei der

Extrusionsrichtung senkrecht nach unten unterstützt die Schwerkraft das Einziehen und die

Förderung der noch nicht verdichteten Extrusionsmasse.

Ordnet man bei dieser Arbeitsweise den Antrieb auf der Ausstoßseite des Extruders an, so

hat man dort wegen der geringeren Gangtiefe der Schnecke einen größeren Querschnitt für

die Übertragung des Drehmomentes zur Verfügung. Da aber Antrieb und Werkzeug am

gleichen Ende der Schnecke liegen, wird die Werkzeugkonstruktion kompliziert und eine

Umlenkung des Massenstromes unvermeidlich.

50

Bild 4.11 Scher- und Mischteile für Schneckenmaschinen1 Schertorpedo, 2 System Maddock, 3 Schersteg im Gang, 4 System Maillefer, 5 Igel, 6durchbrochenes Rückfördergewinde, 7 System ODM-Rheotec, 8 Stiftextruder, 9 SystemRapra, 10 Knetschaufeln, 11 Knetscheiben, 12 Zahnscheiben

In Sonderfällen ergeben sich verfahrenstechnische Vorteile, wenn man zwei Extruder zu

einem Kaskaden- oder Tandemextruder kombiniert (siehe Bild 4.4). Da sich bei beiden

Extrudern die Betriebsvariablen wie Drehzahl und Zylindertemperaturen unabhängig

voneinander einstellen lassen, kann der Extrusionsvorgang besser optimiert werden als mit

einem Extruder allein. Dort, wo die vorplastifizierte Extrusionsmasse dem zweiten

51

Extruder zugeführt wird (Verbindungsstück, Adapter), kann man die Extrusionsmasse

wirksam entgasen (Bild 4.5a).

Schneckenlose Extruder weisen nur in wenigen Sonderfällen spezifische Vorteile

gegenüber Schneckenextrudern auf. In Bild 4.8 K-N sind die wichtigsten Typen dieser

Maschinen schematisch dargestellt. Große Bedeutung haben Zahnradpumpen als

zwangsfördernde Schmelzeextruder in Kombination mit Aufbereitungsextrudern, als

Dosierpumpen bei der Extrusion von Flachfolien und Monofilen und als Spinnpumpen bei

der Faserextrusion.

Kolbenextruder verwendet man zur Extrusion von Strängen aus pulverförmigen

Thermoplasten, die durch nachfolgendes Sintern in einen homogenen Werkstoff überführt

werden. Diese Arbeitsweise ist dann angebracht, wenn die Verarbeitung mit

Schneckenextrudern infolge zu hoher Viskosität der Extrusionsmasse (z.B. bei

ultrahochmolekularem PE) oder durch geringe thermische Stabilität (z.B. bei PTFE) nicht

möglich ist.

Grundsätzlich können auch die durch rotierende Walzen verursachten Schleppströmungen

für die Extrusion ausgenützt werden, doch haben derartige Walzenextruder bisher keine

technische Bedeutung erlangt (Bild 4.8M). Hingegen verwendet man Zweiwalzenkalander

in Kombination mit Breitschlitzwerkzeugen für die Herstellung eng tolerierter

Kautschukbahnen („ Roller Head“ ; siehe Bild 4.12).

Bild 4.12 Prinzipsskizze eines „ Roller Head“

52

Auch durch die Strömung zwischen rotierenden und feststehenden Scheiben lässt sich der

für die Extrusion benötigte Druck erzeugen (siehe Bild 1.8 N).

4.3 Schneckenkennlinie (Schneckencharakteristik, Extruderkennlinie)

Der Zusammenhang zwischen dem Volumendurchsatz V& und dem Druck pz am

Schneckenende (= Druck im Werkzeugeinlauf) wird durch die Schneckenkennlinie

(Schneckencharakteristik, Extruderkennlinie)

)(/ zpfmV == ρ&& (4.8)

beschrieben. ρ ist die Dichte der vom Extruder geförderten Schmelze. Bei konventionellen

Extrudern erweist sich V& als gegendruckabhängig, während bei förderwirksamer

Einzugszone die Förderung bis zu einem kritischen Durchsatz gegendruckunabhängig und

drehzahlproportional ist. Bild 4.13 veranschaulicht den grundsätzlichen Verlauf dieser

Kennlinien für die Drehzahlen N2 > N1.

Bild 4.13 Arbeitsdiagramme von Einschneckenextrudern mit gleichemSchneckendurchmessera konventionell, b mit förderwirksamer Einzugszone für zwei Schneckendrehzahlen N2 >N1, 1, 2 Düsenkennlinien, A Arbeitspunkte

53

Als Arbeitspunkt eines Extruders gilt der Schnittpunkt zwischen Schnecken und

Düsenkennlinie (im Bild 4.13mit A bezeichnet), wobei die Düsenkennlinie (Index D)

durch folgende allgemeine Beziehung beschrieben wird:

V& D = f (pz) (4.9)

Die Funktion f hängt in diesem Fall von der Geometrie der Düse und dem rheologischen

Stoffgesetz der Schmelze ab (z.B. Gesetz von Hagen-Poiseuille).

Wichtigstes Ziel bei der Auslegung von Extrusionswerkzeugen ist die Berechnung der

Düsenkennlinie V& D. Die Düsenkennlinie kann durch Drosselelemente im Werkzeug

(Lochplatten, Siebe, Schmelzefilter, verstellbare Stauelemente) nach geringeren

Durchsätzen bei höheren Drucken verschoben werden.

Die in Bild 4.14 dargestellte Arbeitsfläche (Arbeitsfeld) eines konventionellen

Einschneckenextruders kennzeichnet den Bereich, in dem ein solcher Extruder

wirtschaftlich arbeitet.

Bild 4.14 Arbeitsfläche eines konventionellen Einschneckenextruders (schraffiert)S1, S2 Schneckenkennlinien für die Drehzahlen N1 > N2 , Tmax, Tmin Isothermen, Qu

Qualitätsgrenze, W Wirtschaftlichkeitsgrenze, 1, 2 Düsenkennlinien.

54

Da sich mit wachsendem Durchsatz die Verweilzeit der Extrusionsmasse im Extruder und

damit die Zeit für das Plastifizieren verringert, sinkt die Homogenität (Qualität) des

Extrudates. Die Homogenitäts- bzw. Qualitätsgrenze gibt an, in welchem Bereich noch

akzeptable Qualität zu erwarten ist.

Eine weitere Beeinträchtigung der Qualität kann durch Überhitzung der Extrusions-masse,

z.B. in Folge übermäßiger Schererwärmung, bei zu hohen Schnecken-drehzahlen auftreten.

Demzufolge weist das Arbeitsfeld die durch Tmax gekennzeich-nete obere

Temperaturgrenze auf. Bei sinkendem Durchsatz erreicht man die

Wirtschaftlichkeitsgrenze, und die Verwendung einer kleineren Maschine ist

kostengünstiger. Der Arbeitspunkt des Extruders (Bild 4.14) soll also innerhalb der

Arbeitsfläche liegen.

Mit steigenden Energiekosten gewinnt auch der thermische Wirkungsgrad ηth eines

Extruders an Bedeutung. Im Extruder werden die von Außen zugeführte Wärme (Leistung

Q& ) und die Antriebsleistung P der Schnecken für die Plastifizierung und das Pumpen der

Extrusionsmasse durch das Werkzeug (Pumpleistung) ausgenutzt.

Wärmeverluste vQ& treten durch Kühlung von Zylinder und Schnecke sowie durch

Wärmeabgabe in die Umgebung in Folge Konvektion, Wärmeleitung über Maschinenteile

und Strahlung auf. Da die Pumpleistung des Extruders

WP = V& *pz (4.10)

im Werkzeug in Wärme umgesetzt wird, gilt folgende Energiebilanz für Extruder und

Werkzeug:

vQhmQP &&& +∆⋅=+ (4.11)

55

Hierin ist ∆h die Differenz der spezifischen Enthalpie der Extrusionsmasse zwischen der

Eintritts- und der Austrittstemperatur. Mithin lässt sich ein thermischer Wirkungsgrad wie

folgt definieren:

)/( QPhmth&& +∆⋅=η (4.12)

In ungünstigen Fällen kann der Wirkungsgrad um 0,5 liegen. Da im Allgemeinen Q&

wesentlich kleiner als P in Gleichung (4.12) ist, läßt sich diese näherungsweise wie folgt

schreiben:

thspez hmPP η// ∆== & (4.13)

Die spezifische Antriebsleistung Pspez ist damit ein wichtiges Kriterium für die

energiesparende Auslegung eines Extruders. Bei vergleichbarer Qualität sollte Pspez

möglichst niedrig sein. Die werte für Pspez liegen entsprechend den verschiedenen

stoffspezifischen Enthalpiewerten im Bereich von 0,3 bis 0,1 kWh/kg.

Realistische Vorausberechnungen der Wirtschaftlichkeit von Extrudern setzen voraus, dass

leistungsfähige Rechenprogramme und Näherungsformeln zur Bestimmung des

Arbeitspunktes sowie zuverlässige Daten über die thermodynamischen, rheologischen und

tribologischen Daten der Extrusionsmassen zur Verfügung stehen.

56

4.4 Plastifizierextruder

4.4.1 Extruderkonzepte

Schmelzeextruder haben vornehmlich die Aufgaben Fördern, Homogenisieren und

Ausformen von Schmelze zu übernehmen. Plastifizierextruder sind dagegen gleichzeitig

Fördereinrichtung für körnige und pulverige Feststoffe, Aufschmelzmaschine sowie

Homogenisier- und Ausformaggregat. Sieht man von der Ausformeinheit, dem Werkzeug

ab, so besteht der Extruder (Bild 4.15) aus drei Baugruppen:

• der Antriebseinheit, bestehend aus Motor und Getriebe,

• der verfahrenstechnischen Einheit, bestehend aus Fülltrichter, Zylinder, Schnecke und

Temperiersystem,

• der regelungstechnischen Einheit.

Bild 4.15 Schemata eines konventionellen Plastifizierextruders

Die Größe einer Maschine wird durch Durchmesser und Länge der Schnecke

charakterisiert, wobei die Länge als ein Vielfaches des Durchmessers angegeben wird.

Plastifizierextruder werden in dem Bereich zwischen 15 mm und 350 mm Durchmesser

und Schneckenlängen zwischen 20 D und 40 D gebaut.

Man unterscheidet zwischen konventionellen Plastifizierextrudern - hier wird das

Durchsatzverhalten von der gesamten verfahrenstechnischen Einheit bestimmt - und

Extrudern mit fördersteifer, d.h. mit durchsatzbestimmender Einzugszone.

57

Die Förderdominanz dieser Zone wird durch rechteckige, halbkreisförmige oder

sägezahnartige Axial - oder Wendelnuten erreicht (vgl. Bilder 4.15).

Bild 4.15 Praktisch bedeutsame Nutbuchsen für den Nutbuchsenextruder

Die Länge der Nutbuchsen ist schnecken - und buchsengeometrieabhängig. Sie liegt

zwischen 3 D und 5,5 D, wobei vornehmlich 3 D – lange Einzugszonen verwendet werden.

Für diesen Maschinentyp hat sich daher auch der Ausdruck Nuten - oder

Nutbuchsenextruder eingebürgert.

Im folgenden sollen die verfahrenstechnischen Unterschiede der Extruderkonzepte

dargestellt werden und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Schnecken-

gestaltung.

Grundsätzliche Unterschiede bestehen zunächst zwischen den Zylinderwandtempe-

raturprofilen. Während beim konventionellen Konzept die Einzugszonenwandtempe-

raturen oberhalb der Glasübergangstemperatur von amorphen, bzw. Schmelz-temperatur

von teilkristallinen Kunststoffen liegen müssen (Bild 4.16), ist beim Nutbuchsenextruder

eine Kühlung erforderlich.

58

Temperatur

EZ KZ AZ Adapter

Bild 4.16 Schematische Darstellung der Zylinderwandtemperaturen beimkonventionellen Plastifizierextruder

Bild 4.17 Zylinderwandtemperatur der Nutbuchse

Die Wandtemperatur muss unterhalb der Glasübergangs - bzw. Schmelztemperatur liegen

(Bild 4.17), da sich sonst ein Schmelzefilm bildet, der die Wirksamkeit der Nuten zunichte

macht. Aus energetischen Gründen geht man des öfteren bis nah an diese Grenze.

Bedingt durch die verschiedenen Maschinenkonzepte treten über der Schneckenlänge

unterschiedliche Druckprofile auf. Während beim konventionellen Konzept ein stetiger

59

Druckanstieg über der Schneckenlänge angestrebt wird (Bild 4.18), um ein Überfahren der

Ausstoßzone aus Produktqualitätsgründen zu vermeiden, tritt beim Nutbuchsenextruder der

Maximaldruck in der Regel am Ende der Einzugszone auf (Bild 4.19).

Bild 4.18 Druckprofil über die Schneckenlänge für konventionelle Plastifizierext-ruder

Die Folgezonen haben meistens einen negativen Druckgradienten, werden also überfahren.

Eine Druckänderung vor der Schneckenspitze durch Änderung des Werkzeugwiderstandes

bewirkt eine Parallelverschiebung des Druckprofiles zwischen Nutbuchse und

Schneckenspitze nach oben oder nach unten (Bild 4.19). Dieses Druckprofil ist erwünscht.

Bild 4.19 Druckprofil über die Schneckenlänge für Nutbuchsenextruder

60

Drehzahländerungen verändern beim konventionellen Konzept das Druckprofil und die

wirksame Schneckenlänge, d.h. die Länge, über die sich der Druck aufbaut.

Beim ideal arbeitenden Nutenextruder haben Drehzahländerungen in etwa die gleichen

Auswirkungen auf das Druckprofil wie Werkzeugwiderstandsänderungen, da durch sie

eine Durchsatz - und damit Druckänderung vor der Schneckenspitze hervorgerufen wird.

Beim konventionellen Extruder ist der Durchsatz gegendruckabhängig, beim

Nutbuchsenextruder dagegen weitgehend gegendruckunabhängig und bei gleicher

Maschinengröße in der Regel höher (vgl. Bilder 4.20 und 4.21).

Die Druckabhängigkeit des Durchsatzes kann beim konventionellen Konzept verringert

werden, indem die Schnecke verlängert wird. Eine gegendruckunabhängige Förderung

erzielt man ebenfalls durch eine unterdosierte Beschickung. Letztere ist in der

Betriebspraxis jedoch relativ selten anzutreffen.

Bild 4.20 Durchsatz in Abhängigkeit von Druck und Drehzahl für konventionellePlastifizierextruder

61

Bild 4.21 Durchsatz in Abhängigkeit von Druck und Drehzahl für den Nutbuchsen-extruder

Die hier über den Nutbuchsenextruder gemachten Aussagen gelten streng, wenn die

Einzugszone ideal arbeitet, d.h. der Feststoff nach Art einer gegen Verdrehung gesicherten

Mutter auf einer rotierenden Spindel gefördert wird.

In Wirklichkeit hängt das Systemverhalten jedoch erheblich von der Konsistenz des

eingespeisten Schüttgutes ab, d.h. von der Korngröße, Korngeometrie, Kornverteilung und

Art des Kunststoffes. Grundsätzlich wirkt aber eine genutete Einzugszone

förderstabilisierend, d.h. sie unterdrückt das bei konventionellen Extrudern in Folge einer

veränderlichen, wirksamen Schneckenlänge mögliche Pulsieren des Ausstoßes.

Bei konventionellen Extrudern werden in der Regel Dreizonenschnecken eingesetzt. Sie

bestehen aus Einzugszone, Kompressions- oder Umwandlungszone und Ausstoßzone (vgl.

Bild 4.22).

Bild 4.22 Konventionelle Dreizonenschnecke mit Mischteil

62

Je nach Thermoplastart erfüllen sie jedoch nicht immer alle Anforderungen bezüglich der

thermischen und mechanischen Homogenität der Schmelze, da aus dem Feststoffkeil in der

Umwandlungszone sich unkontrolliert Feststoffinseln ablösen können. Diese sind in der

Ausstoßzone nur schwer aufzuschließen. In diesen Fällen werden daher zusätzlich Scher-

und/oder Mischteile eingesetzt (vgl. Bilder Bild 4.23 und Bild 4.24).

Bild 4.23 Scherteile für SchneckenmaschinenA Extruderschnecke mit Scherstegen, B Scherteil Bauart Tröster, C Scherteil Bauart UnionCarbise, D-G Modifikationen

Bild 4.24 Mischteile für SchneckenmaschinenA Rechtsgewinde mit Durchbrüchen, B Stegdurchbrüche plus Stifte, C Stifte im Kanal,D Linksgweinde mit Durchbrüchen, E Zahnscheiben, F Pineapple, G Nocken inZylinder u. Schnecke, H Rapra-Mischteil

63

Scherteile haben eine zweifache Funktion:

• Sie zerteilen Agglomerate und in der Schmelze noch herumvagabundierende

Feststoffinseln.

• Sie wirken als Filter, da nur noch Kunststoffpartikel durchgelassen werden, die kleiner

als der Scherspalt sind oder genauer, mindestens eine Länge kleiner als der Scherspalt

ist.

In der schmelzegefüllten Ausstoßzone kann lediglich ein laminares Mischen stattfinden.

Hierunter versteht man ein Ausstreichen von Schmelzevolumenelementen durch Scher-

und Dehndeformationen. Die Mischgüte ist abhängig von der Deformationsgeschwindig-

keits- und Verweilzeitsverteilung.

Mischelemente haben dagegen Verteilaufgaben zu erfüllen. Dies wird durch ein ständiges

Aufteilen und Wiedervereinigen des Schmelzestromes erreicht. Verbessert wird dadurch

die thermische und mechanische Homogenität. Mischelemente werden meistens am Ende

der Schnecke angeordnet.

Scher- und Mischteile haben in der Regel einen negativen Druckgradienten. Sie reduzieren

daher bei konventionellen Extrudern den Durchsatz.

Neben der Dreizonenschnecke bzw. der Dreizonenschnecke mit Scher- und/oder Mischteil

werden Schnecken mit Separierzonen (Barriere-Schnecken) eingesetzt. Ihre Entwicklung

ergab sich aus der Erkenntnis, dass das unkontrollierte Ablösen von Feststoffinseln aus

dem Feststoffkeil in der Umwandlungszone das Aufschließen des Kunststoffes in hohem

Maß erschwert.

Die Urform dieses Schneckentyps ist die sog. Maillefer-Schnecke, deren wesentliches

Konstruktionsmerkmal die Überlagerung von zwei Gewindegängen mit unterschiedlicher

Steigung ist (vgl. Bild 4.25).

Durch das abnehmende Teilvolumen für den Feststoff und das zunehmende Teilvolumen

für die Schmelze wird eine Phasentrennung zwischen Schmelze und Feststoff vollzogen.

64

Bild 4.25 Prinzipsdarstellung einer Maillefer-SchneckeA abgewickelter Schneckengang, a Schneckenkanal, b Barrieresteg, c SchmelzekanalB Gangquerschnitte, Zone 1: Feststoff, Zone 2: Schmelzfilme, Zone 3: separierteSchmelze

Eine Weiterentwicklung dieses Konzeptes ist die sog. Barr-Schnecke (vgl. Bild 4.26).

Diese Schnecke hat in der Separierzone eine konstante Feststoffkanalbreite und eine in

Förderrichtung abnehmende Kanaltiefe. Ihr Vorteil liegt in der nahezu konstanten

Wärmeübertragungsfläche für den gesamten Feststoffkanal.

Bild 4.26 Prinzipdarstellung einer Barriere-SchneckeA abgewickelter Schneckengang, B Gangquerschnitte

Nutbuchsenextruder erlauben aufgrund ihrer fördersteifen Einzugszone eine

konsequentere Aufteilung der Schneckenzonen in die Funktionen Fördern, Aufschmelzen

und Homogenisieren (vgl. Bild 4.27).

65

Bild 4.27 Funktionszonen eines NutbuchsenextrudersA Fördern, B Aufschmelzen, C Homogenisieren

Diese drei Grundfunktionen können streng getrennt vorliegen, wenn das System ideal

fördersteif arbeitet. Da dann keine störenden Kopplungen auftreten läuft der Prozeß

geordneter und damit besser durchschaubar und beherrschbar ab.

Einen typischen Grundaufbau einer Fünfzonenschnecke zeigt Bild 4.28. Sie besteht aus

Einzugszone, Kompressionszone, einer Zone konstanter Gangtiefe mit integriertem

Scherteil, Dekompressionszone und Homogenisierzone.

Bild 4.28 Fünfzonenschnecke für Nutbuchsenextruder

Einige Thermoplaste bzw. Füllstoffe nehmen Wasser auf. Um eine Vortrocknung

derartiger Werkstoffe zu umgehen, werden Plastifizierextruder auch als

Entgasungtsmaschinen ausgelegt. Hier sind mehrere Schnecken, die verschiedene

Funktionen zu erfüllen haben, hintereinander geschaltet. In der Regel sind es zwei, bei

stufenweiser Entgasung drei Systeme, die meist im gleichen Zylinder angeordnet sind und

gemeinsam angetrieben werden. Bild 4.29 zeigt den Grundaufbau derartiger Maschinen.

66

Bild 4.29 EntgasungsmaschinenA 1 Extruderzylinder, 2 zweite Schneckenstufe, 3 Entgasungskanal, 4MaterialeintrittsöffnungA Einzugsbereich der ersten Schneckenstufe (SSt), B Kompressionszone der erstenSSt, C Meteringzone der ersten SSt, D Dekompressionszone der ersten SSt, EEntgasungszone zwischen erster und zweiter SSt, F Kompressionszone der zweitenSSt, G Ausstoßzone der zweiten SStB, a Extruderzylinder, b zweite SSt, c Entgasungskanal, d Schneckenabschnitt mitgegenläufigem Gangprofil, e erste SSt, f Drosselventil, g Druckmessgerät, hUmleitungskanal

Entscheidend für den störungsfreien Betrieb sind folgende Grundforderungen:

• Die Gänge in der Entgasungszone dürfen nur teilweise mit Schmelze gefüllt sein, da

bei vollständiger Füllung keine freie Oberfläche für das Entweichen der Gase

vorhanden ist und zum anderen Schmelze aus der Entgasungsöffnung austritt.

• Die Ausstoßzone muss stets vollständig gefüllt sein, damit keine Pulsationen, d.h.

Durchsatzschwankungen auftreten.

Die erste Forderung kann nur erfüllt werden, wenn die zweite Schnecke, oder besser die

zweite Schneckenstufe, bei druckloser Förderung einen höheren Durchsatz hat als die

erste. Da die Drehzahl für beide Schneckenstufen dieselbe ist, muß beim System A (Bild

4.29) die Geometrie der beiden Schneckenstufen aufeinander abgestimmt werden. Beim

67

System B erfolgt die Abstimmung über die Drosselung des Durchsatzes im

Umleitungskanal. System B ist variabler.

Bis hier überarbeitet-09-05-2004

4.4 Zonenweise Behandlung der Plastifizierextruder4.4.1 Die Feststoff-Förderzone

Eine einwandfreie Feststoff-Förderung ist nur dann möglich, wenn der Reibungskoef-

fizient an der Zylinderwand größer als der an der Schnecke ist. Die mathematische

Behandlung der Einzugszone ist dann unter folgenden Voraussetzungen möglich:

- Das Material (Pulver, Granulat) verhält sich wie ein Kontinuum, d.h. die innere

Reibung im Feststoffbett ist so hoch, daß innerhalb des Feststoffes keine Relativbewegung

auftritt,

- die Schneckengänge sind vollständig gefüllt,

- ein Aufschmelzen des Feststoffes findet nicht statt,

- die Schneckengangtiefe ist konstant,

- das radiale Schneckenspiel wird vernachlässigt,

- die Druckverteilung im Feststoffbett ist anisotrop,

- die Schüttdichte ist vom äußeren Druck unabhängig.

2.2.1.1 Reibverhalten von Kunststoffgranulaten und -pulvern

Der Massentransport, der Energieumsatz und der Druckaufbau in der Einzugszone von

Einschneckenextrudern werden außer von der Geometrie- und den Betriebsparametern in

hohem Maße durch die Reibungsverhältnisse in diesem Extruderabschnitt festgelegt.

Will man also die kinematischen und thermischen Vorgänge in der Feststoffzone

modellmäßig beschreiben, so müssen tribologische Kenndaten von Kunststoffgranulaten

68

und -pulvern als Funktion der das jeweilige Tribo-System charakterisierenden Größen

bekannt sein.

Hierbei unterscheidet man i.A. zwischen dem sog. „ äußeren“ Reibungskoeffizienten µa

(Kunststoff / Stahl) und dem sog. „ inneren“ Reibungskoeffizienten µ i (Kunststoff /

Kunststoff). Da die meßtechnische Ermittlung derartiger Reibbeiwerte aufgrund der

vielfältigen Einflußparameter außerordentlich problematisch ist, finden sich in der

einschlägigen Literatur häufig widersprüchliche Daten.

So wird z.B. darauf verwiesen, daß die Reibungskoeffizienten, entsprechend dem

Coulombschen Ansatz, unabhängig von der Normalkraft FN, nominaler Kontaktfläche und

Gleitgeschwindigkeit v seien.

Daneben werden Reibbeiwerte vorgestellt, die Funktionen von Flächenpressung,

Temperatur und Oberflächenzustand der Stahloberfläche sind. Daß die veröffentlichten

Daten so große Unterschiede aufweisen, liegt mit darin begründet, dass die Reibung keine

stoffcharakteristische Größe wie etwa die spezifische Wärmekapazität cp oder die

Wärmeleitfähigkeit λ darstellt, sondern als spezifische Reaktion eines komplexen System

zu interpretieren ist. D.h. bei der Angabe von Reibbeiwerten muß immer das gesamte

Tribo-System mit in die Betrachtung einbezogen werden.

Die Abhängigkeit der Reibungskoeffizienten µ von Flächenpressung, Temperatur und

Gleitgeschwindigkeit kann heute mit Hilfe eines sog. Scheibentribometers reproduzierbar

gemessen werden.

Bild 2.19 zeigt prinzipiell, wie die Messung vor sich geht. Es gilt für die Messung des

inneren Reibungskoeffizienten.

69

Bild 2.19 Messung des inneren Reibungskoeffizienten

Bei der Messung des inneren Reibwertes werden die Granulat- oder Pulverkörner

gegeneinander geschert. Gemessen werden die Reibkraft FR und die Normalkraft FN.

Der innere Reibwert µ i ist dann:

µ i = FR/FN (2.1)

Zur Messung des Reibkoeffizienten Granulat gegen eine Stahloberfläche wird der gesamte

untere Ring durch eine Stahlplatte getauscht. Es reiben dann die Granulatkörner gegen eine

Stahloberfläche. Den Meßwert nennt man dann „ äußerer“ Reibwert µa. Er tritt an der

Schnecke und am Zylinder auf. Auch hier gilt:

µa = FR/FN (2.2)

Bild 2.20 zeigt beispielhaft µa für PE hoher Dichte.

70

Bild 2.20 Äußerer Reibungskoeffizient µa von HDPE (Hostalen GF 7740) als

Funktion der Flächenpressung, der Gleitgeschwindigkeit und der

Temperatur

Der innere Reibungskoeffizient µ i wurde bislang in erster Linie für

Polymerpulverstrukturen ermittelt, wobei aber aus versuchstechnischen Gründen in den

wenigsten Fällen Druck- und Geschwindigkeitswerte zu Grunde gelegt werden konnten ,

wie sie in der Einzugszone von Nutbuchsenextrudern real auftreten.

71

Gerade auf dem Sektor der Ermittlung innerer Reibungskoeffizienten, ,die für eine

zuverlässige Berechnung der Einzelvorgänge in dieser Funktionszoen unabdingbar

notwendig sind, besteht zur Zeit noch ein großer Nachholbedarf. Für ein PE hoher Dichte

ist in Bild 2.21 der innere Reibwert µ i dargestellt. Er liegt bei etwa 0,55. Der Vergleich

zum äußeren Reibwert µa zeigt, dass

µ i > µa

gilt.

Bild 2.21 Innerer und äußerer Reibwert als Funktion der Druckes

2.2.1.2 Die Dichte von Kunststoffgranulaten und -pulvern

72

Bei der Messung der Schüttdichte ρs läßt man das Granulat oder Pulver in ein Becherglas

vom Volumen VG rieseln. Aus der Wägung der Granulat- oder Pulvermasse mG und dem

Volumen VG ergibt sich die Schüttdichte ρs wie folgt:

ρs = mg / VG (2.3)

Im Extruder wird das Material unter Druck gebracht und komprimiert. Die Folge davon ist

eine Zunahme der Dichte. In den Bildern 2.22 und 2.24 ist die Dichte in Abhängigkeit vom

Druck für hochmolekulares PE dargestellt.

Bild 2.22 Dichte in Abhängigkeit von Druck und Zeit (Hostalen GM 7255 P)

73

Bild 2.23 Dichte in Abhängigkeit von Druck und Zeit (Lupolen 4261 A)

2.2.1.3 Mathematische Behandlung der Feststoff - Förderzone

Ziel dieses Abschnittes ist die Entwicklung einer Berechnungsformel für den Durchsatz

einer Feststoff - Förderzone mit zunächst glattem Zylinder aus den Verfahrens-,

Geometrie- und Stoffparametern.

Bild 2.24 zeigt die Definition von 4 Geschwindigkeiten:

1. Umfangsgeschwindigkeit: vu = π n D (2.4)

n: Schneckendrehzahl

D: Zylinderdurchmesser

Dies ist die Geschwindigkeit, mit der sich der Schneckensteg (oder z.B. ein auf den Steg

gemalter Punkt) bewegt.

74

Bild 2.24 Geschwindigkeiten im Schneckenkanal

Das zu transportierende Material hat nur die Möglichkeit sich ebenfalls mit vu in

Umfangsrichtung mit der Schnecke mit zu bewegen (wie als wäre es auf die Schnecke

aufgeklebt), oder aber sich relativ zur Schnecke mit v? in Kanalrichtung zu bewegen.

2. Geschwindigkeit in Kanalrichtung:v �

Demzufolge ergibt sich die Absolutgeschwindigkeit des Schüttgutes als Hintereinander -

Ausführung der Bewegungen in Umfangs- und Kanalrichtung (vektorielle Addition, Bild

2.25).

3. Absolutgeschwindigkeit: va = vu + vΦ (2.5)

Die Absolutgeschwindigkeit va kann ihrerseits zerlegt werden in eine Umfangs- und eine

Axialkomponente vx. Die Axialkomponente liefert den Materialdurchsatz.

4. Axialgeschwindigkeit: vx

Umfangsgeschwindigkeit und Absolutgeschwindigkeit schließen den sog. Förderwinkel ω0

ein. Dieser Winkel gibt an, inwieweit das Schüttgut nur mit der Schnecke mitrotiert (ω0 =

0), oder aber eine Axialgeschwindigkeit entwickelt

(ω0 > 0). Daher der Name Förderwinkel.

75

Der Winkel Φ heißt Gangsteigungswinkel. Nach Bild 2.24 ist er gegeben durch:

tan (Φ) = T / π n D (2.6)

Aus den Geschwindigkeitsdreiecken in Bild 2.24 lassen sich folgende Beziehungen

herleiten:

Sinus - Satz im Dreieck va, v?, vu :

va / sin (Φ) = vu / sin (180 -�Φ - ω0) = vu / sin (Φ+ ω0) (2.7)

rechtwinkliges Dreieck va, vx :

vx = va sin (Φ 0) (2.8)

Aus (2.6), (2.7) und (2.8) kann man folgern:

vx = π n D sin (Φ) sin (ω0) / sin (Φ + ω0) =

= π n D tan (Φ) tan (ω0) / [tan (Φ) + tan (ω0)] (2.9)

Damit ist die axiale Geschwindigkeitskomponente auf die o.g. Eingangsdaten und den

Förderwinkel zurückgeführt.

Um den Durchsatz zu erhalten, muß man sie mit der Schüttdichte und der freien

Ringquerschnittsfläche multiplizieren:

fxss AvVm ⋅⋅=⋅= ρρ && (2.10)

wobei die freie Ringquerschnittsfläche Af gegeben ist durch:

76

Af = ¼ π (D2 - d2) - s h / sin (Φ) (2.11)

s: Stegbreite

h: Gangtiefe

Damit ergibt sich zusammenfassend für den Durchsatz:

0

022

tantantantan

]sin

)(4

[ωωππρ

+Φ⋅Φ

⋅Φ

⋅−−⋅⋅⋅⋅⋅= hsdDDnm s& (2.12)

Der Förderwinkel ω0 muß aus einer Kräftebilanz am Kanaleingang gewonnen werden

(Bild 2.25).

Bild 2.25 Kräfte am Längenelement des Feststoffkanals

Die dargestellten Kräfte haben folgende Bedeutung:

P Druckkraft im Feststoff - Element in Kanalrichtung am

Elementanfang

P + ∆P Druckkraft im Feststoff - Element entgegen Kanalrichtung am

77

Elementende

RS Reibkraft, welche die Schnecke auf das Element ausübt. Da sich

das Element relativ zur Schnecke unter dem Winkel ω bewegt,

greift diese Kraft auch unter dem Winkel ω an.

RZ Reibkraft, welche der Zylinder auf das Element ausübt. Da sich

das Element relativ zum Zylinder unter dem Winkel ωo bewegt,

greift diese Kraft auch unter dem Winkel ωo an.

Ra Reibkraft, welche der aktive Steg ausübt

Na Normalkraft, welche der aktive Steg ausübt

Rp Reibkraft, welche der passive Steg ausübt

Np Normalkraft, welche der passive Steg ausübt

Die Kräftebilanz in Kanalrichtung liefert:

-∆P - Ra - Rp + RZ cos (ω0+Φ) - RS = 0 (2.13)

und die Kräftebilanz senkrecht dazu ergibt:

Na - Np - RZ sin (ω0+Φ) = 0 (2.14)

Mit

Ra = µS Na und (2.15)

Rp = µS Np

78

µS: Reibungsbeiwert an der Schnecke

und (2.13) und (2.14) ergibt sich bei Eliminierung von Na:

- ∆P - 2µS Np + RZ [ cos (ω0+Φ) - µS sin (ω0+Φ)] - RS = 0 (2.16)

In der Nähe des Einfüllstutzens sind der Anstieg der Druckkraft ∆P und die Normalkraft

am passiven Steg gegenüber den Reibkräften an der Schnecke und der Buchse

vernachlässigbar. Aus (2.16) folgt damit:

RS / RZ = cos (ω0+Φ) - µS sin (ω0+Φ) (2.17)

Setzt man in (2.17) die Beziehungen

RZ = µZ p OZ (2.18)

RS = µS p OS (2.19)

OZ / OS = D / d (2.20)

OZ: Oberfläche des Elementes am Zylinder

OS: Oberfläche des Elementes an der Schnecke

p: Druck im Element

so folgt:

µS d / µZ D = cos (ω0+Φ)- µS sin (ω0+Φ) (2.21)

(2.21) kann wie folgt nach ω 0 aufgelöst werden:

79

+⋅⋅−

++

⋅⋅+

+⋅⋅

−+Φ−= 2

22

2

2

2

2

1

)/(1)

1

/

1

/arcsin

s

zs

s

zs

s

zso

uDduDduDd

µµ

µµ

µµω

(2.22)

Der Massendurchsatz kann jetzt berechnet werden.

Beispiel

D = 100 mm, d = 90 mm, s = 10 mm, Φ = 17,7 °, n = 120 min-1, ρs = 500 kg/m³,

µs = 0,2 und µz= 0,22

Aus (2.11) folgt: Af = 1327 mm2

Aus (2.22) folgt: ω0 = 7,6 °

Aus (2.9) folgt: vx = 59,2 mm / s

Aus (2.10) folgt: m& = 141 kg / h

2.2.1.4 Die genutete Einzugszone

Höhere Durchsätze erhält man, wenn ein hoher Reibungskoeffizient an der Zylinderwand

in Verbindung mit einem geringen Reibungskoeffizienten an der Schnecke vorliegt. Dies

wird durch eine Nutung der Einzugszone erreicht (Bild 2.26).

Bild 2.26 Querschnitt der genuteten Einzugszone eines Nutbuchsenextruders

80

Im Bereich der Nuten kommt dann der höhere innere Reibungskoeffizient µ i zur Wirkung.

Für den Durchsatz gelten dann die gleichen Zusammenhänge (Gleichungen (2.4) bis

(2.22)) wie bei einer glatten Einzugszone, man muß lediglich den Reibungskoeffizienten

an der Zylinderwand µZ durch einen neuen, sog. effektiven Reibungsbeiwert ersetzen,

welcher das Vorhandensein der Nuten modelliert:

(2.23)

Gleichung (2.23) folgt aus einer einfachen Kräftebilanz am Umfang der genuteten

Zylinderwand. Die Symbole haben folgende Bedeutung:

µeff: effektiver Reibungskoeffizient an der Zylinderwand

NN: Anzahl der Nuten

bN: Breite der Nuten

Um den Einfluß der Nutung weiter zu untersuchen wird das voraus gegangene Beispiel

bezüglich des Reibungskoeffizienten an der Zylinderwand wie folgt abgeändert:

µ i = 0,5, bN = 5 mm, NN = 10

Es ergibt sich an der Zylinderwand ein effektiver Reibungskoeffizient von:

µeff = 0,25

Benutzt man die Daten des vorausgegangenen Beispiels und ersetzt µZ = 0,22 durch µeff =

0,25, so folgt:

aus (2.11): Af = 1327 mm2

aus (2.22): ω0 = 16,1 °

aus (2.9): vx = 95,2 mm / s

81

.

aus (2.10): m& = 227 kg / h

Somit konnte durch das Nuten der Einzugszone eine erhebliche Durchsatzsteigerung erzielt

werden.

Bild 2.27 zeigt schematisch den Durchsatz einer Einzugszone als Funktion der

Reibkoeffizienten und des Gegendruckes.

Bild 2.27 Durchsatz der Einzugszone als Funktion der Reibkoefizienten und des

Gegegndruckes – schematische Darstellung

Die Abhängigkeit von den Reibkoeffizienten wurde dabei mit dem hier vorgestellten

Modell ermittelt, die Abhängigkeit vom Gegendruck mit einem komplizierteren, hier nicht

erwähnten, Modell.

Man erkennt, daß wenn das Verhältnis µZ/µS nur schwach größer als 1 ist, sich nur geringe

Durchsätze ergeben. Diese sind zudem stark gegendruckabhängig.

82

Bereits geringe Steigerungen der Verhältnisses der Reibkoeffizienten (µZ/µS =

1,5 - 2) führen zu großen Durchsatzsteigerungen. Die Abhängigkeit vom Gegendruck

verringert sich.

2.2.2. Die Aufschmelzzone

Beim Aufschmelzen ist zwischen wandhaftenden und wandgleitenden Schmelzen zu

unterscheiden.

In beiden Fällen bildet sich zunächst an der Zylinderwand durch Wärmeleitung ein

Schmelzefilm (Bild 2.28).

Bei wandhaftenden Schmelzen gelangt dieser z.T: über die Leckströmung in den nächsten

Schneckengang, z.T. wird er durch die aktive Schneckenflanke abgeschabt. Es bildet sich

ein Schmelzewirbel, der in Förderrichtung wächst.

In der Zone 3 - der sog. Übergangszone - werden durch den Schmelzewirbel teilweise

Feststoffpartikel mitgerissen und aufgeschmolzen. Durch die Leckströmung bildet sich

zusätzlich auch an der passiven Schneckenflanke ein Schmelzefilm. Hinzu kommt der

Wärmestrom von der Schnecke, der den Feststoff am Schneckengrund aufschmilzt.

Dadurch wird der Feststoff schließlich von Schmelze umströmt und aufgeschmolzen. Dies

geschieht durch Wärmeleitung und Schererwärmung.

Bei wandgleitenden Schmelzen wird nahezu kein Material durch die aktive

Schneckenflanke abgeschabt. Das angesinterte bzw. an der Zylinderwand aufgeschmolzene

Material gelangt über den Schneckensteg an die passive Flanke.

83

Bild 2.28 Aufschmelzen in einem Extruder

Der gesamte Aufschmelzvorgang erfolgt vornehmlich durch Wärmeleitung.

Homogenisiereffekte können hier nicht auftreten.

84

Die Aufschmelzlänge kann heute theoretisch berechnet werden. In Bild 2.30 sind die

Aufschmelzlängen von 3 Schneckengeometrien (Bild 2.29) wiedergegeben. Danach

schneidet die Barr-Schnecke wegen ihrer konstanten Wärmeübergangsfläche am besten ab.

Bild 2.29 Verschiedene Aufschmelzgeometrien

85

Bild 2.30 Aufschmelzlängen

Eine komplette Berechnung von Aufschmelzzonen ist heute zwar möglich, allerdings

immer noch sehr aufwendig. Auf eine mathematische Behandlung und Beispielrech-

nungen soll hier daher verzichtet werden.

2.2.3. Die Metering- oder die Ausstoßzone

In der Meteringzone ist das Material vollständig aufgeschmolzen und liegt als zähe

Schmelze vor. Zum Verständnis der Meteringzone ist es hilfreich, zwischen

konventionellem und Nutbuchsenextruder zu unterscheiden.

Konventioneller Extruder: Die Meteringzone hat die Funktion des Druckaufbaues, des

Scherens und des Mischens. Sie bestimmt den Durchsatz mit. Die Schmelze wird durch die

Schnecke mitgeschleppt und vom Zylinder gebremst (vgl. Einzugszone). Braucht die

Schnecke keinen Druck aufzubauen, so ist das Geschwindigkeitsprofil linear und man

spricht von einer reinen Schleppströmung (Bild 2.31 a). Wird hingegen

86

Bild 2.31 Geschwindigkeitsverläufe in der Meteringzone

Druck aufgebaut, z.B. mittels einer Drossel, so wirkt die Druckströmung der

Schleppströmung entgegen und es ergibt sich Bild 2.31 b. Durch die kräftige Scherung

entsteht eine gute Mischwirkung.

87

Nutbuchsenextruder: Der Verlauf des Druckgradienten ist hier meistens negativ. Man

sagt dann, daß die Meteringzone überfahren wird. Druck- und Schleppströmung addieren

sich (Bild 2.31 c). Die Scherwirkung ist hier weniger intensiv, d.h. die Misch- und

Homogenisiereffekte sind geringer. Dadurch hat die Meteringzone ihre eigentliche

Bedeutung verloren. Neue Konzepte sehen daher vor, sie durch Scher- und Mischteile zu

ersetzen (vgl. Bild 1.11).

2.2.3.1 Mathematische Behandlung der Meteringzone

Nach Bild 2.31. läßt sich die Strömung in der Meteringzone in drei Anteile zerlegen:

a) Eine rotierende Strömung quer zur Kanalrichtung

Man kann allgemein zeigen, daß diese Strömung die Strömung längs zur Kanalrichtung

nicht beeinflußt. Da sie außerdem keinen Beitrag zum Durchsatz der Meteringzone leistet

und mathematisch sehr schwierig zu behandeln ist, wird hier darauf verzichtet, sie weiter

zu verfolgen.

b) Schleppströmung in Kanalrichtung

Die Strömung in Kanalrichtung ist eine sog. ebene Schichtenströmung. Dieser

Strömungstyp kann in eine Schleppströmung (auch Scherströmung oder Couette -

Strömung genannt) und eine Druckströmung (auch Poiseuille - Strömung genannt) zerlegt

werden.

Die Schleppströmung ist in Bild 2.32 genauer erläutert.

88

Bild 2.32 Schleppströmung in der Meteringzone

Die Flüssigkeit befindet sich zwischen zwei ebenen Platten. Die obere Platte bewegt sich

in ihrer eigenen Ebene mit der Geschwindigkeit UW. Im Falle einer Meteringzone gilt UW

= π n D cos (Φ). Die untere Platte ruht (UW = 0). Daher bildet sich das skizzierte lineare

Geschwindigkeitsprofil aus. In Scherströmungen wird kein Druck auf - oder abgebaut.

Daher sind die Drucke an Kanalein - und - ausgang gleich. Die Breite des Kanals ist gleich

der Kanalbreite B in der Meteringzone, die Spaltweite gleich der Kanalhöhe der

Meteringzone HMet. Die Länge des Kanals L entspricht der abgewickelten Länge des

Meteringzonen - Kanals.

Für die Geschwindigkeitsverteilung über den Spalt gilt:

u(y) = π n D cos(Φ) y/HMet (2.24)

Daraus resultiert für den Volumenstrom:

VSchlepp = ½ B HMet π n D cos(Φ) (2.25)

und den Durchsatz:

mSchlepp = ½ ρ B HMet π n D cos(Φ) (2.26)

89

Dabei bezeichnet ρ die Dichte der Schmelze.

c) Druckströmung in Kanalrichtung

Die Druckströmung ist in Bild 2.33 genauer erläutert.

Bild 2.33 Druckströmung in der Meteringzone

Der Aufbau von Bild 2.33 ist ähnlich zur Schleppströmung, wobei jedoch die obere Wand

ruht und statt dessen die Strömung durch den Druckunterschied p2-p1 angetrieben wird. Im

Fall sog. newtonscher Flüssigkeiten (konstante Viskosität; nur newtonsche Flüssigkeiten

werden weiter betrachtet) ergibt sich ein parabelförmiges Geschwindigkeitsprofil, welches

leicht berechnet werden kann:

u(y) = - y (HMet - y) (p2 - p1) / 2 η L (2.27)

η symbolisiert die Viskosität der Schmelze und L die abgewickelte Länge des

Meteringzonen - Kanals.

90

Für den Durchsatz ergibt sich das sogenannte Gesetz von Hagen-Poiseuille:

mDruck = ρ B HMet3 (p1 - p2) / 12 η L (2.28)

Fügt man (2.26) und (2.28) zusammen, so folgt für den Durchsatz in der Meteringzone:

mMet = ρ B HMet [½ π n D cos(Φ) - HMet2 (p2 - p1) / 12 η L ] (2.29)

Für die abgewickelte Länge des Meteringzonen - Kanals L gilt:

MetwNTDL ,222 ⋅+⋅= π (2.30)

NW,Met gibt die Anzahl der Schneckenwindungen in der Meteringzone an.

Beispiel

Ein Schmelzeextruder wird so gefahren, dass stets der Druck am Eingang auf 50 bar und

der Druck am Ausgang auf 100 bar konstant geregelt sind.

Länge der Schnecke: 10 D

Schneckendurchmesser: 100 mm

Teilung: T = D

Stegbreite: 10 mm

Schmelzedichte: 1170 kg / m³

Viskosität: 100 kg/m s

Gangtiefe: 5 mm

Für 30 Upm und 50 Upm berechne man den Durchsatz und konstruiere eine m& -

n - Kennlinie für paus - pein = 50 bar = konst.

Wie groß muß die Drehzahl mindestens sein, damit der Extruder Schmelze in

Maschinenrichtung fördert?

91

Wegen T = D folgt Φ = 17,7° und cos(Φ) = 0,95 (Gleichung (1.5))

Wegen B = T cos(Φ) - s folgt B = 0,085 m (Gleichung (1.4))

Für die abgewickelte Kanallänge folgt: L = 3,3 m (Gleichung (2.30))

Einsetzen in (2.29) liefert:

m& = 0,075 n - 0,015 (alle Einheiten im MKS - System)

Für n = 30 Upm folgt: m& = 81 kg/h

Für n = 50 Upm folgt: m& = 171 kg/h

Dies liefert folgende Kennlinie (nach (2.28) eine Gerade, Bild 2.34):

20 Upm 40 Upm 60 Upm

100 kg/h

200 kg/h

Bild 2.34 Zur Druckströmung in der Meteringzone

Bei etwa 12 Upm ergibt sich der Durchsatz von 0. Um einen positiven Durchsatz zu

erreichen muß der Extruder also mit einer Drehzahl > 12 Upm betrieben werden.

92

5. Filter

Nachdem das Material im Extruder aufgeschmolzen ist, wird es durch ein Filter gedrückt

und über eine Düse ausgeformt (Bild 3.1). Die Abkühlung der Schmelze erfolgt

beispielsweise über eine Abzugswalze (Folie) oder über ein Wasserbad mit Kalibrierung

(Rohre und Profile).

Bild 3.1 Prinzipsskizze eines kompletten Extrusionssystem

Die Schmelze muß nicht nur homogen sondern auch rein sein. Sie darf keine störenden

Einschlüsse aufweisen, da diese zu einer Qualitätsminderung führen. Filter müssen so

aufgebaut sein, daß obige Aufgaben erfüllt werden und nur geringe Totzonen auftreten

können.

In den Bildern sind Filter mit großen Totzonen (Bild 3.2) und mit geringen Totzonen (Bild

3.3) gegenübergestellt.

Es ist möglich, durch einfache konstruktive Maßnahmen zu Schmelzefiltern mit nur

geringen Totzonen zu gelangen. Bei der Auslegung werden zwei Prinzipien beachtet:

93

1.) Das Filter wird voll durchflutet

2.) Der Fließwiderstand auf allen Stromlinien ist etwa gleich groß

Das erste Prinzip ist erfüllt, wenn der Strömungsquerschnitt mit dem Querschnitt des

Filtergehäuses identisch ist. Diese Forderung ist bei den in Bild 3.3 dargestellten Filtern

verwirklicht:

In Bild 3.3 a ist ein Topffilter dargestellt, das wegen der besonderen Ausformung des

Filtergehäuses und des Filterkörpers auf allen Fließwegen nahezu gleiche Fließwiderstände

hat. Der Filterkörper kann wie eine Filterkerze aufgebaut sein. Die Form gibt ein grobes

Stahlgewebe, das auch die tragende Form übernimmt.

Lagen feineren Drahtgewebes übernehmen die Aufgabe der Filtrierung. Die Kontur des

Verdrängers im Filterkörper und die Kontur der Innenwand des Filtergehäuses sind

aufeinander abgestimmt. Der wichtigste Nachteil dieses Filterkonzeptes ist die geringe

Filterfläche, die bei der Filtration stark verschmutzten Rohstoffes zu geringen Standzeiten

führen würde.

Das strömungsgünstige Kerzenfilter, Bild 3.3b, erlaubt die Verwirklichung einer sehr

großen Filterfläche in einem geringen Volumen. Der ankommende Schmelzestrom wird

durch eine Verteilerplatte auf den Fließquerschnitt des Filtergehäuses gebracht. Dadurch

werden tangentiale Kräfte auf die Filterkerzen reduziert. Die Bohrungen der Verteilerplatte

sind beidseitig angesenkt, so dass zwischen den Bohrungen keine der ursprünglichen

Flächen verbleibt.

Bild 3.2 Strömungsungünstige Schmelzefilter

95

Bild 3.3 Strömungsgünstige Schmelzefilter

Die Filterkerzen werden so auf der Bodenplatte montiert, dass aufgrund ihres Abstandes

zueinander der Fließwiderstand auf der Stromlinie 1 ungefähr der gleiche ist wie auf der

Stromlinie 2. Die Köpfe der Filterkerzen sind als kleine Verdrängerkörper ausgebildet, so

dass hier kein Material stagnieren kann.

Die Bohrungen in der Bodenplatte werden beidseitig angesenkt, so dass auch hier keine

Totstellen auftreten können. Einlauf und Auslauf werden trompetenförmig ausgebildet. Sie

sollen ausreichend langgestreckt sein, damit keine größeren Fließwiderstände, keine

Toträume und keine zu unterschiedlichen Verweilzeiten auf den Stromlinien entstehen.

In Fällen, wo große Standzeiten und große Filterflächen bei gegebenem Filtervolumen und

geringen Totzonen notwendig sind, hat sich nach vorliegenden Erfahrungen das

Filterkonzept von Bild 3.3 b bewährt. Etwa gleich zu bewerten ist aber auch ein Konzept

wie in Bild 3.3 b, wobei jedoch statt Filterkerzen Filterscheiben benutzt werden. Diese

führen zu einer noch kompakteren Unterbringung von Filterfläche im Volumen.

Das Siebwechselfilter von Bild 3.3 c hat keine Toträume, wird voll durchströmt und

beeinflußt die Homogenität der Schmelze nicht. Im Vergleich zu den Bildern 3.3 a und b

ist die Filterfläche jedoch weitaus kleiner. Deshalb kann dieses Filter nur dann eingesetzt

werden, wenn bestimmte Produktionsbedingungen erfüllt sind.

Wo soll ein Schmelzefilter angebaut werden?

Eine normale Extrusionsstrecke besteht aus Extruder, Schmelzeleitung, Filter, Düse und

ggf. (im Laufe der zeit immer häufiger) Zahnradpumpe. Somit ergeben sich eine ganze

Reihe von Anordnungsmöglichkeiten der Einzelaggregate und im Fall der Benutzung einer

Zahnradpumpe von Regelungstypen.

Bild 3.4 zeigt beispielhaft einige davon.

97

Bild 3.4 Verschiedene Aufbaumöglichkeiten von Schmelzesystemen

Welcher Aufbau der bessere ist, kann nur von Fall zu Fall in Abhängigkeit von der

jeweiligen Aufgabenstellung des Extrusionssystems entschieden werden.

98

4. Literatur

[1] Menges, G., Haberstroh, E., Michaeli, W., Schmachtenberg, E.: Werkstoffkunde

Kunststoffe, 5., völlig überarbeitete Auflage, C. Hanser Verlag, 2002

[2] Becker, G.W, Braun, D.: Die Kunststoffe, Chemie, Physik, Technologie,

Kunststoffhandbuch1, C. Hanser, München, 1990

[3] Gnauck, B., Fründt, P.: Einstieg in die Kunststoffchemie, C. Hanser, München, 3.

neubearbeitete Auflage, 1991

[4] Christen, H.R.: Chemie, Otto Salle Verlag, Frankfurt

[5] Schwister, K. Taschenbuch der Chemie, 2., verbesserte Auflage, Fachbuchverlag

Leipzig im C. Hanser Verlag, 1999