Migration nach dem Zweiten Weltkrieg - School-Scout
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Migration nach dem Zweiten Weltkrieg
School-Scout.de
VI.41
20./21. Jahrhundert
Migration nach dem Zweiten Weltkrieg – Das
Grenzdurchgangslager Friedland (1945 bis 1956)
Thomas Koch
Das Thema „Flucht“ ist hochaktuell. In dieser Unterrichtseinheit erhalten die Schülerinnen und
Schüler einen Einblick in die Migrationssituation am Ende des Zweiten Weltkriegs und danach, als
ebenfalls Millionen Menschen auf der Flucht waren. Die Besatzungsbehörden standen vor der gro-
ßen Herausforderung, die Migration zu lenken und zu versorgen. Sie ordneten 1945 die Gründung
von Grenzdurchgangslagern an. Eines dieser Lager ist das Grenzdurchgangslager Friedland, das bis
heute in Betrieb ist.
KOMPETENZPROFIL
Klassenstufe: 9/10
Dauer: 7 Unterrichtsstunden
Kompetenzen: Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges auf die Menschen in Euro-
pa darstellen; Aufgaben eines Grenzdurchgangslagers benennen,
den Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit in der
Bundesrepublik analysieren
Thematische Bereiche: Zweiter Weltkrieg, Nationalsozialismus, Nachkriegsdeutschland
Medien: Texte, Bilder
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Rund um die Reihe
Warum wir das Thema behandeln
Das Thema Migration erfährt seit 2015 in Deutschland und Europa eine hohe öffentliche Aufmerk-
samkeit. Die Entscheidung der Bundesregierung, in Ungarn festsitzende Gelüchtete aufzunehmen
und damit die Anwendung der Dublin-III-Verordnung vorübergehend auszusetzen, löste und löst
immer noch heftigen Widerspruch in Teilen der Bevölkerung aus. Über die aufgeregte Diskussion
gerät manchmal in Vergessenheit, dass sich Deutschland auch am Ende des Zweiten Weltkrieges
mit großen Fluchtbewegungen konfrontiert sah. Mithilfe dieser Unterrichtssequenz beschäftigen
sich die Schülerinnen und Schüler mit den großen Migrationsbewegungen am Ende des Zweiten
Weltkrieges. Dabei können sie Bezüge zur Gegenwart herstellen und Parallelen und Unterschiede
aufzeigen.
Was Sie zum Thema wissen müssen
Flüchtlinge, Vertriebene, Kriegsevakuierte, Kriegsgefangene, DPs
Am Ende des Zweiten Weltkriegs und in den Jahren danach waren Millionen von Menschen unter-
wegs. Die Ursachen dieser Migrationsbewegungen waren dabei sehr heterogen. Oftmals werden
diese Kategorien unter „Flüchtlinge und Vertriebene“ zusammengefasst und die Zahlen schwanken
stark. Neben den wahrscheinlich 16 Millionen deutschen Flüchtlingen und Vertriebenen1 strömten
„Kriegsevakuierte“ zurück in die zerbombten Städte. Daneben zogen Millionen entlassener Kriegs-
gefangene – deutsche und alliierte – nach Hause und schließlich gab es Millionen befreiter Zwangs-
arbeiter und KZ-Insassen. Diese sogenannten „Displaced Persons“ waren oftmals staatenlos, viele
von ihnen wollten auswandern.
Die vier Besatzungsmächte – Großbritannien, Frankreich, die USA und die Sowjetunion – mussten
diese Migrationsströme bewältigen. Dabei waren die Zustände in den Städten schwierig: Es mangel-
te an Wohnraum und Lebensmitteln, die hygienischen Verhältnisse waren oft katastrophal. Schon
um Seuchen zu vermeiden, richtete jede Besatzungsbehörde Lager ein, um die Migrationsbewegun-
gen zu erfassen und zu steuern.
Das Grenzdurchgangslager Friedland
Eines dieser Lager war das in der britischen Besatzungszone liegende Grenzdurchgangslager Fried-
land, das bis heute in Betrieb ist. Bereits am 20. September 1945 ordnete die für die britische Besat-
zungszone zuständige Militärverwaltung dessen Einrichtung an. Damit sollten die Migrationsströme
in die britische Besatzungszone – hierzu zählte auch das bevölkerungsreiche und stark zerstörte
Ruhrgebiet – gelenkt werden.
Für den kleinen, bei Göttingen gelegenen kleinen Ort Friedland sprach, dass er nahe dem Übergang
zur amerikanischen und sowjetischen Besatzungszone lag und über eine halbwegs intakte Infra-
struktur verfügte. Die ehemalige Reichsstraße 27 (heute Bundesstraße) führt an Friedland vorbei
und es gab einen Bahnanschluss, sodass die Menschen in den Ort kommen und ihn zügig wieder
verlassen konnten. Außerdem konnten Gebäude der Universität Göttingen genutzt werden. Nach-
dem dieser Bereich infolge eines Hochwassers unter Wasser stand, wurde das gesamte Lager auf
das heute noch genutzte Areal verlegt. Die zu Beginn von der britischen Armee verwendeten Zelte
und Wellblechbaracken wichen gegen Ende der 1940er Jahre Holzbaracken.
1 Diese Angabe stammt aus: Benz, Wolfgang: Infrastruktur und Gesellschaft im zerstörten Deutschland, in:
Informationen zur politischen Bildung. Deutschland 1945–1949. Heft 259, 2005, S. 23.
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Der Einsatz der britischen Militärverwaltung beschränkte sich auf die Kontrolle der deutschen La-
gerleitung und die Durchführung bzw. Abnahme von Flüchtlings-, Vertriebenen- und Kriegsgefan-
genentransporten, vor allem an der Grenze zur sowjetischen Besatzungszone. Ansonsten lag die
Verwaltung in deutscher Hand. Hierfür waren zunächst 500, schließlich 200 Beschäftigte angestellt,
die von diversen karitativen Hilfsorganisationen unterstützt wurden.
Ankommende Personen wurden erfasst, kontrolliert, ärztlich untersucht, entsprechende Zuzugs-
genehmigungen wurden erteilt. Friedland war als Durchgangslager gedacht, die Menschen sollten
es so schnell wie möglich wieder verlassen. Aufgrund des immensen Andranges insbesondere in
den Anfangsjahren mussten dennoch nahezu täglich 1000 Menschen im Lager übernachten. Durch-
gangslager wie Friedland waren für die hier ankommenden Personen auch mit der Hoffnung auf ein
Wiederinden von Angehörigen verbunden. Daher war der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes
auch in Friedland aktiv. Über die Befragung jedes Ankommenden und einer doppelten Karteiführung
– sowohl der Gesuchte als auch der Suchende wurden geführt – wurde versucht, Angehörige wieder
zusammenzuführen.
Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Friedland Mitte der 1950er-Jahre bekannt, als die letzten deut-
schen Kriegsgefangenen aus der sowjetischen Haft entlassen wurden. Diese „Rückkehr der letz-
ten Zehntausend“ war ein Medienereignis und wurde entsprechend inszeniert. Zusammenhänge
zur nationalsozialistischen Vergangenheit wurden dabei ausgeblendet: Die Entlassenen sah man
pauschal als Kriegsgefangene an, die zu Unrecht so lange von der Sowjetunion interniert worden
waren. Doch befanden sich auch Zivilisten aus der sowjetischen Besatzungszone oder Angehörige
von Polizei- und SS-Verbänden unter den Entlassenen. Auch 450 Personen, die von der Sowjetunion
als Kriegsverbrecher verurteilt waren, übergab man den deutschen Behörden mit der Aulage, sie
juristisch zu belangen. Doch dies geschah nur in seltenen Fällen.
In einer Dauerausstellung im historischen Bahnhof von Friedland kann man sich über die Geschich-
te des Lagers bis in die heutige Zeit informieren und sich damit gleichzeitig auf die Spuren bundes-
republikanischer Migrationsgeschichte begeben.
Weiterführende Medien
Bauer, Joachim/Bluche, Lorraine (Hrsg.): Fluchtpunkt Friedland. Über das Grenzdurchgangs-
lager, 1945 bis heute. Göttingen: Wallstein 2017.
Das Begleitheft zur Ausstellung im Museum Friedland.
Informationen zur politischen Bildung: Deutschland 1945–1949. Heft 259, Bonn: Bundes-
zentrale für politische Bildung, 2005.
Das Heft bietet einen Überblick über die politische Neugestaltung Deutschlands nach 1945.
Kossert, Andreas: Kalte Heimat. Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945.
Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2015.
Umfangreiches Werk über die deutschen Vertriebenen nach 1945.
https://www.museum-friedland.de
Die Ausstellung zeigt die Geschichte des Grenzdurchgangslagers Friedland.
https://www.dhm.de/lemo/zeitzeugen
Die Zeitzeugenberichte umfassen auch Berichte von Flüchtlingen und Vertriebenen.
https://www.zeitzeugen-portal.de/
Das von Guido Knopp initiierte Zeitzeugen-Portal bietet Zeitzeugenberichte vom Ersten Weltkrieg
bis in die jüngere Vergangenheit.
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Didaktisch-methodisches Konzept
Aufbau der Reihe
Für die Bearbeitung des Materials sollten sieben Stunden eingeplant werden. Sollte ein Besuch im
Museum Friedland geplant werden (M 11), erweitert sich der Zeitbedarf.
Der Einstieg erfolgt über ein Schreibgespräch. Bildimpulse wecken vorhandenes Vorwissen und über
das Schreibgespräch werden alle Schülerinnen und Schüler in den Arbeits- und Denkprozess invol-
viert. Über die Struktur ergibt sich ein grober Überblick über die Einheit und es bietet sich an, aktu-
elle Bezüge herzustellen. Diese müssen allerdings immer in den historischen Kontext eingeordnet
werden. Während die Materialien M 3–M 6 die Migration am Ende des Zweiten Weltkriegs und die
Leistung des Grenzdurchgangslagers Friedland auf einer abstrakteren Ebene behandeln, macht die
Thematisierung des Suchdienstes des Deutschen Roten Kreuzes (M 7) und zweier Fluchtbiograien
(M 8) die Geschichte für die Lernenden unmittelbarer erfahrbar. Hier bietet sich zudem eine Diffe-
renzierungsmöglichkeit über das Zeitzeugen-Portal an (s. Tipps zur Differenzierung). In den Stunden
6 und 7 steht das Schicksal von Displaced Persons im Fokus (M 9).
Abgeschlossen wird die Einheit mit einer kritischen Analyse des Umgangs mit der nationalsozialisti-
schen Vergangenheit im Zusammenhang mit der Freilassung der letzten Kriegsgefangenen (M 10).
Das optionale Material M 11 kann zur Vorbereitung eines optionalen Besuchs des Museums Fried-
land verwendet werden.
Voraussetzungen in der Lerngruppe
Der Zweite Weltkrieg sollte vorab thematisiert werden. Auch der politische Neubeginn im Nach-
kriegsdeutschland sollte den Lernenden bekannt sein (Besatzungszonen, Militärverwaltung, Entna-
ziizierung). Vorteilhaft wären darüber hinaus Erfahrungen im Umgang mit kooperativen Lernformen.
Allerdings kann diese Unterrichtssequenz auch für die Einführung und das Training kooperativer
Lernformen genutzt werden, da der Schwerpunkt auf der Arbeit in einem Tandem liegt (Marktplatz,
Lerntempoduett, Partnerpuzzle). Mit der vorgeschalteten Einzelarbeit ist insofern die Einübung ko-
operativen Arbeitens gut möglich. In einem solchen Fall müsste aber ggf. mehr Zeit – zum Beispiel
für die Relexion der einzelnen Arbeitsschritte – eingeplant werden.
Tipps zur Differenzierung
Die hier eingesetzten kooperativen Lernformen – Marktplatz, Lerntempoduett und Partnerpuzzle
– sind Varianten der Partnerarbeit. Hier bietet sich die Zuordnung von leistungsstarken und leis-
tungsschwächeren Schülerinnen und Schülern an. Dann sollte allerdings auf das Lerntempoduett
zugunsten einer klassischen Partnerarbeit verzichtet werden, da hierbei tendenziell die leistungs-
stärkeren Schülerinnen und Schüler zusammeninden.
Darüber hinaus können bei einer insgesamt leistungsschwächeren Lerngruppe einzelne Biograien
auch als Filmsequenz bearbeitet werden. Hierfür bietet sich das Zeitzeugen-Portal an. Eine Einfüh-
rung und einen Überblick über die Flüchtlinge und Vertriebenen erhält man hier:
https://www.zeitzeugen-portal.de/zeitraeume/epochen/1945-1949/neue-heimat-die-vertrieb-
enen/6CfMaE1XS5A
Auf der Seite lassen sich einzelne Interviews aufrufen und abspielen. Die Aufgaben von M 8 können
entsprechend angepasst werden.
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Auf einen Blick
1. Stunde
Thema: Flucht und Vertreibung als Ergebnis des Zweiten Weltkriegs
M 1 Schreibgespräch Flucht und Vertreibung (1)
M 2 Schreibgespräch Flucht und Vertreibung (2)
M 3 Flucht und Vertreibung als Folge des Zweiten Weltkriegs
Benötigt: DIN-A1-Tonpapier oder Flipchart
ggf. großformatig kopierte Versionen der Bildquellen (M 1, M 2)
Permanentmarker
2./3. Stunde
Thema: Gründung und Aufgaben des Grenzdurchgangslagers Friedland
M 4 Das Chaos ordnen – Das Grenzdurchgangslager Friedland
M 5 Warum Friedland?
M 6 Die Papiere, bitte!
4./5. Stunde
Thema: Gelohen, verloren, gefunden?
M 7 Hilfe im Chaos – Der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes
M 8 Fluchtbiograien
6. Stunde
Thema: Der Umgang mit Displaced Persons
M 9 Die Unerwünschten – Displaced Persons
7. Stunde
Thema: Das Jahr 1956 als Ende des Zweiten Weltkriegs?
M 10 „Die Rückkehr der letzten Zehntausend“
Außerschulische Exkursion
Thema: Einen Museumsbesuch vorbereiten
M 11 Das Museum Friedland
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