Mikrohämaturie - erste Schritte zur Abklärung in der ... · Medizinische...
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Medizinische Universitätskinderklinik
Minisymposium 23.06.2016 B. Bucher
Mikrohämaturie - erste Schritte zur Abklärung in der
Praxis, wann soll eine Zuweisung erfolgen?
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Definition Hämaturie
• Mikrohämaturie: Nachweis von > 5 Erythrozyten/μl = ca. 1fach positiv im
Streifentest
• Der häufigste Screeningtest ist der Urinstreifentest (Stix):
– Sehr sensitiv (aber rel. oft falsch positiv stark alkalischer Urin, Oxidantien in
Desinfektionsmitteln, mikrobielle Peroxidasen bei HWI)
– Positiv auch bei Hämoglobinurie und Myoglobinurie
• Der Teststreifen verwendet Hydrogenperoxid, welches eine chemische
Reaktion katalysiert zwischen Globin (Hämoglobin oder Myoglobin) und dem
Chromogen Tetramethylbenzidin
Intakte Erythrozyten
Lysierte Erythrozyten
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• Goldstandard für die Diagnose einer Mikrohämaturie ist die Mikroskopie
> 5 Erythrozyten/Gesichtsfeld
• Jede im Streifentest festgestellte Mikrohämaturie sollte
mittels Mikroskopie bestätigt werden
• Cave Präanalytik:
Langes Stehenlassen oder Schütteln des Urins
Erythrozyten lysieren und sind nicht mehr
nachweisbar
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Häufigkeit der Mikrohämaturie
• Bei Reihenuntersuchungen hatten 4% der Kinder eine asymptomatische
Mikrohämaturie in 1 von 3 in wöchentlichen Abständen gewonnenen
Urinproben
• 0.5% der Kinder hatten 3/3 positive Urinproben
• Von diesen 0.5% der Kinder hatten noch
– 37% nach 1 Jahr
– 7.6% nach 5 Jahren eine Mikrohämaturie
• Die Kombination Hämaturie und Proteinurie war selten
Diven et al., Pediatr. Nephrol 2000
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Ursachen der Hämaturie
• Passagere Hämaturie (ohne pathologische Bedeutung,
Ausschlussdiagnosen):
– Nach körperlicher Anstrengung („Jogger-Hämaturie“)
– Menstruation/Kontamination von äusseren Genitalien
– Fieberhafte Erkrankung
– Gastroenteritis mit Dehydratation
Anamnese/Klinik
Wiederholung Urinuntersuchung
nach 1 Woche
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Anamnese
• Sportliche Aktivität, Menstruation, febriler Infekt passagere Hämaturie
• Trauma Blutung
• Dysurie, Pollakisurie Harnwegsinfektion
• Bauch-/Flankenschmerzen Urolithiasis, HWI
• Kürzliche oder aktuelle Infektion postinfektiöse GN, IgA-Nephritis
• Gelenkbeschwerden, Hautveränderungen Lupus
• Hör- oder Augenprobleme Alport-Syndrom
• Blutungsneigung Gerinnungsstörung
• Positive Familienanamnese hereditäre Erkrankungen inklusive benigne
familiäre Mikrohämaturie, Alport-Syndrom
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Status
• Infektfoci
• Oedeme
• Nierenlogen
• Raumforderung im Abdomen
• Genitalbefund
• Hautveränderungen
• Gelenkstatus
• Sehstörung
• Hörstörung
• Blutdruckmessung!
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Ursprung der Hämaturie
Nicht-glomerulär
(interstitiell oder
vaskulär)
glomerulär
Nierenparenchym Harnwege
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Unterscheidung glomerulär versus nicht-
glomerulär
• Phasenkontrastmikroskopie:
• Sediment:
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Ursachen der Hämaturie - glomerulär
• Akute Glomerulonephritis:
– Postinfektiöse Glomerulonephrits
– Purpura Schönlein Henoch
– Hämolytisch urämisches Syndrom
• Chronische Glomerulonephritis:
– IgA-Nephropathie
– Systemischer Lupus erythematodes
• Defekte der glomerulären Basalmembran:
– Benigne familiäre Mikrohämaturie
– «Thin basement membrane nephropathy»
– Alport-Syndrom
Familienanamnese
- Hämaturie
- Niereninsuffizienz
- Augen- oder Ohren-
probleme
Urinuntersuchung
Familienmitglieder
Anamnese/Klinik/Labor
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Benigne familiäre Mikrohämaturie
• Definition: isolierte asymptomatische, familiäre Mikrohämaturie, 10%
intermittierende Makrohämaturie, selten leichte Proteinurie
• Prävalenz: 39% der Kinder mit persistierender Mikrohämaturie, bis zu 5% der
Bevölkerung
• Erbgang: meist autosomal dominant, Gene COL4A3 und COL4A4), Defekte
im Kollagen Typ IV
• Histologie: Dünne Basalmembran, GBM 150-225nm
(normal 300-400)
• Prognose: günstig Spontanverlauf abwarten (selten zunehmende
Proteinurie, Niereninsuffizienz «Thin basement membrane
nephropathy»)
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Alport-Syndrom
• Definition: progressive glomeruläre Erkrankung, assoziiert mit
– Progredienter Innenohrschwerhörigkeit (65%) und
– Augenveränderungen (20%): Katarakt, Lenticonus anterior, perimakuläre
weissliche Granulationen
• Häufigkeit: 6% der Kinder mit terminaler Niereninsuffizienz
• Erbgang:
– 95% X-chromosomal dominant, Gen COL4A5 (Frauen heterozygot mit mildem Verlauf)
– 5% autosomal rezessiv, Gene COL4A3 und COL4A4
– < 1% autosomal dominant
• Histopathologie: Verdünnung der GBM, dann progrediente Aufsplitterung und
Verdickung
• Prognose: progrediente Niereninsuffizienz bis zur terminalen
Niereninsuffizienz (Männer 16. – 35. LJ)
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Benigne nicht-familiäre Mikrohämaturie
• Definition: isolierte asymptomatische Mikrohämaturie nicht-familiär, häufig
intermittierend
• Prävalenz: 1% der Mädchen, 0.5% der Jungen
• Histologie: keine bis minimale glomeruläre Veränderungen
• Prognose: Günstig, spontane Remission 30% pro Jahr
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Ursachen der Hämaturie - interstitiell
• Zysten (solitär, polyzystisch, multizystisch)
• Nephrokalzinose
• Akute interstitielle Nephritis
• Akute Tubulusnekrose
• Tumoren (Wilms-Tumor u.a.)
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Ursachen der Hämaturie - vaskulär
• Trauma
• Sichelzellanämie
• Nierenvenenthrombose
• Nussknackerphänomen
• Arterio-venöse Malformation
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Ursachen der Hämaturie - Harnwege
• Harnwegsinfektion
• Missbildung (Obstruktion, Hydronephrose)
• Nephro-/Urolithiasis
• Hyperkalziurie
• Trauma
• Hämorrhagische Diathese
• Tumoren
Anamnese/Klinik
Urinuntersuchung (Ca/Kreatinin-Ratio)
Ultraschall
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Was tun bei Mikrohämaturie
Mikrohämaturie
Asymptomatisch +-
mögliche Ursache
(Jogging, Fieber….)
+ Proteinurie
+ Arterielle Hypertonie
+ pos. FA für progrediente
Nierenerkrankung
+ AP für Systemerkrankung
2 Kontrollen in mind.
wöchentlichem Abstand ohne
vorgängige sportliche Aktivität
und ohne Infekt Weitere Abklärungen indiziert
Zuweisung Kindernephrologie
Ursache klar, z.B. HWI,
Stein, Trauma
Bei Persistenz spätestens nach 1 Jahr
weitere Abklärungen indiziert
evtl. erste Abklärungen in der Praxis
Zuweisung Kindernephrologie6
Keine Mikrohämaturie mehr
Keine Kontrollen
wenn Anamnese und
Klinik unauffällig
Therapie gemäss Ursache
Nachkontrolle nach
Abschluss der Therapie
Persistierende Mikrohämaturie
Ausschluss HWI mittels Urinkultur
Mind. 3-monatliche Kontrollen von
Urin und Blutdruck
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Erste Abklärungen bei asymptomatischer
Mikrohämaturie
• Urinstatus inklusive Sediment (glomeruläre Erythrozyten, Erythrozytenzylinder?)
• Urinkultur
• Protein-Kreatinin-Quotient im Morgenurin
• Calcium-Kreatinin-Quotient
• Urinstatus bei den Familienmitgliedern bei V. a. benigne familiäre
Mikrohämaturie
• Ultraschall Nieren und ableitende Harnwege:
– Nierengrösse und –morphologie
– Harntransportstörung
– Konkremente, Nephrokalzinose
– Ausschluss Tumoren
– Nussknackerphänomen
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Erweiterte Diagnostik
• BB, Kreatinin, Elektrolyte, BGA, Albumin,
• Komplement C3, C4
• ANA, dsDNS-AK, ANCA
• Evtl. IgA
• Evtl. Quick, aPTT
• Evtl. CK, LDH
• Evtl. Nierenbiopsie
• Evtl. Audiologie
• Evtl. Ophthalmologie
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Follow-up
• Je nach Ursache
• Bei asymptomatischer, isolierter Mikrohämaturie (familiär oder nicht-familiär):
Kontrolle Blutdruck und Proteinurie 1x/Jahr
erneute Zuweisung in die kindernephrologische Sprechstunde bei
Makrohämaturie, Proteinurie, arterieller Hypertonie
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Zusammenfassung
• Die isolierte Mikrohämaturie ist eine der häufigsten Auffälligkeiten bei
Urinuntersuchungen (oft Zufallsbefund)
• Bei negativer Anamnese und normalem Untersuchungsbefund sind diese
Veränderungen oft transitorisch und benigne
• Nachkontrollen in jedem Fall empfohlen
• Bei Persistenz oder anderen Symptomen ist eine weitergehende Abklärung
indiziert
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Fragen?