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I

III

Gerhard StummAlfred Pritz

Paul GumhalterNora Nemeskeri

Martin Voracek (Hrsg.)

Personenlexikon der Psychotherapie

SpringerWienNewYork

IV

Dr. Gerhard StummWien, Österreich

Hon.-Prof. Dr. Alfred PritzWien, Österreich

DSA Paul GumhalterWien, Österreich

Dr. Nora NemeskeriWien, Österreich

DDr. MMag. Martin VoracekWien, Österreich

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt.Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Ab-bildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung

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ISBN-10 3-211-83818-X SpringerWienNewYorkISBN-13 978-3-211-83818-1 SpringerWienNewYork

V

Wer wenig weiß, glaubt zu wissen,wer viel weiß, der zweifelt.(J.W. Goethe)

Vorwort

Wenn man die Wissenschaft und Praxis der Psychotherapie beschreiben will, kann man sich vonunterschiedlichen Gesichtspunkten her annähern: Die empirische Studie, die Einzelfallstudie unddas theoretische Werk umgrenzen und beschreiben in der Regel das Wesen psychotherapeutischenHandelns und Denkens.Das vorliegende Buch versucht, die Psychotherapie über die Biografien von 286 Persönlichkeiten zuverstehen, die – jede auf ihre Weise – Substanzielles zur Entwicklung und Ausdifferenzierung derPsychotherapie beigetragen haben.Die Aufgabe, der wir uns stellten, war nicht einfach: Wohl gibt es bereits Kompendien über Persön-lichkeiten der Psychotherapie aus einzelnen Fachgebieten oder spezifischen Methoden. Unser Ehr-geiz war es aber, das Gesamtgebiet der Psychotherapie abzudecken. Im Sinne einer Synopse sollteder Einfluss von Personen aus allen Ansätzen und Feldern untersucht und dokumentiert werden.Nicht einbezogen wurden dabei berühmte Patientinnen und Patienten. Auch Philosophen (undDichter) wurden nur soweit berücksichtigt, als sie direkten Einfluss auf die Psychotherapie hatten.Dabei wurde uns bei der Auswahl der Personen sehr schnell klar, dass unsere Arbeit kursorischwerden würde. Die Auswahl entspringt dem gemeinsamen Wissen der Herausgeber (und vielerFeedbacks aus der Kollegenschaft) zu einem bestimmten Zeitabschnitt. Je länger wir am Bucharbeiteten, desto häufiger erschienen uns neue Biografien notwendig. Die Realität des Beendens(Beenden-Müssens) dieser Arbeit beantwortete dieses Problem. So ist uns klar, dass eine künftigeErweiterung dieses Buches notwendig werden wird, denn die Forschung hinsichtlich der Psycho-therapiegeschichte steckt erst in den Kinderschuhen. Wenn Sie also wichtige Persönlichkeitenvermissen, so denken Sie daran, dass hier ein Werk in Progress vorliegt. Auch aus diesem Grundeinteressiert uns Ihre Rückmeldung, Stellungnahme und Kritik, die nach Möglichkeit auch bei einerNeuauflage Berücksichtigung finden kann1.Die alphabetisch geordneten Darstellungen teilen sich neben einer Kurzcharakterisierung in derRegel in vier Abschnitte:

a) das Fotob) Biografischer Teil zum Nachvollzug der Lebensgeschichte (in zwei Fällen, wo keine Geburtsda-

ten angeführt sind, und auch in zwei Fällen, bei denen kein Foto enthalten ist, geschah diesaufgrund des ausdrücklichen Wunsches der vorgestellten Personen)

c) Beiträge zu Theorie und Praxis vor allem zur Psychotherapied) Wesentliche Publikationen der beschriebenen Person und Literatur zur Person und zu ihrem

Werk (wichtige Sekundärliteratur)

Persönliche Wertungen sind weitgehend hintan gehalten worden. Obwohl einzelne Beiträge indieser Hinsicht eine Tendenz erkennen lassen, die wir als Herausgeber für (noch) vertretbar erach-ten, war es unser Anliegen, hagiografische oder auch rein kritische Porträts auszuklammern.

1 Korrespondenzadresse: Personenlexikon der Psychotherapie, c/o Gerhard Stumm, Kalvarienberggasse 24,1170 Wien, Österreich; e-mail: [email protected]

VI

Vorwort

Entscheidend für das Gelingen des Projekts war die Bereitschaft, Kompetenz und Geduld derinsgesamt 153 AutorInnen, sich in die Welt der von ihnen beschriebenen Personen einzulassen undden Gehalt des jeweiligen Werkes zu finden und zu vermitteln. Ihnen gilt unser vorrangigerDank.Als Koordinatoren, die uns vor allem bei der Auswahl der Persönlichkeiten und der AutorInnen fürganz bestimmte Bereiche eine große Hilfe waren, haben mitgewirkt: Erwin Bartosch (Selbstpsycho-logie), Andrea Brandl-Nebehay (Systemische Psychotherapie), Gion Condrau (Daseinsanalyse),Wilfried Datler (Individualpsychologie), Barbara Farkas-Erlacher und Jutta Fürst (Psychodrama),Peter Geißler (Analytische Körperpsychotherapie), Andreas Heydwolff (Analytische Psycholo-gie), Kathleen Höll (Gestalttherapie), Horst Kächele (Psychotherapieforschung), Helga Krückl(Transaktionsanalyse), Alfried Längle (Existenzielle Psychotherapie), Gerhard Lenz (Verhaltens-therapie), Elke Mühlleitner (Psychoanalyse), Johannes Reichmayr (Psychoanalyse), MarianneRingler † (Psychoanalyse), Volker Tschuschke (Psychotherapieforschung) sowie Hans Peter Wei-dinger (Transpersonale Psychotherapie).Mit einer Reihe von Hinweisen und Anregungen war uns Hilarion Petzold behilflich. Kathy Joslynhat uns sehr bei der Suche nach ausständigen Fotos von PsychotherapeutInnen aus den USAunterstützt.Ihnen allen gilt unser besonderer Dank!Die Verbindung zum „Wörterbuch der Psychotherapie“, das im Jahre 2000 in erster Auflage er-schienen ist, ist nicht zufällig. Vielmehr ist das nun vorgelegte Buch im Zuge dieser Arbeit, die dieBegriffsbildungen in der Psychotherapie zum Gegenstand hat, entstanden. Und wir danken daherauch dem Springer-Verlag in Wien herzlich für das erneute Interesse und die Unterstützung des nunvorliegenden Buches. Besonders danken wir Herrn Petri-Wieder, Frau Eichhorn und Frau Na-schenweng, die als Verlagsverantwortliche unseren Herausgebereigenheiten gerecht zu werdenversuchten.

Wien, im April 2005 Gerhard Stumm, Alfred Pritz, Paul Gumhalter,Nora Nemeskeri und Martin Voracek

VII

Autoren

Inhaltsverzeichnis

Anmerkungen zu den Literaturangaben XI

Abraham, Karl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1Ackerman, Nathan . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3Adler, Alfred . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4Aichhorn, August . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7Ainsworth, Mary Dinsmore Salter . . . . . 8Alexander, Franz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10Alexander, Gerda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12Allers, Rudolf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13Ancelin Schützenberger, Anne . . . . . . . . 15Andersen, Tom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17Andreas-Salomé, Lou . . . . . . . . . . . . . . . . 18Ansbacher, Heinz L. . . . . . . . . . . . . . . . . . 20Anzieu, Didier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21Assagioli, Roberto . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23Balint, Michael . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26Bandler, Richard Wayne . . . . . . . . . . . . . . 28Bandura, Albert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30Bateson, Gregory . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32Bauriedl, Thea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34Beck, Aaron T. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35Benedetti, Gaetano . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37Bergin, Allen E. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38Berne, Eric . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40Bernfeld, Siegfried . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42Bernheim, Hippolyte Marie . . . . . . . . . . 44Bettelheim, Bruno . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46Bibring, Edward . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48Binswanger, Ludwig . . . . . . . . . . . . . . . . . 49Bion, Wilfred Ruprecht . . . . . . . . . . . . . . 50Birnbaum, Ferdinand . . . . . . . . . . . . . . . . 52Bitter, Wilhelm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54Blankenburg, Wolfgang . . . . . . . . . . . . . . 55Boadella, David . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57Boss, Medard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58Boszormenyi-Nagy, Ivan . . . . . . . . . . . . . 60Bourdieu, Pierre Félix . . . . . . . . . . . . . . . 62Bowen, Murray . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65Bowlby, John . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66Boyesen, Gerda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69Braid, James . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

Breuer, Josef . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72Buber, Martin Mordechai . . . . . . . . . . . . 73Bugental, James F. T. . . . . . . . . . . . . . . . . 75Bühler, Charlotte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77Burrow, Trigant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79Caruso, Igor Alexander . . . . . . . . . . . . . . 82Caspar, Franz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83Charcot, Jean Martin . . . . . . . . . . . . . . . . 85Chasseguet-Smirgel, Janine . . . . . . . . . . . 86Ciompi, Luc . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88Cohn, Ruth Charlotte . . . . . . . . . . . . . . . 90Condrau, Gion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92Coué, Émile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94Cremerius, Johannes . . . . . . . . . . . . . . . . 96Davis, Will . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98De Shazer, Steve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99Deutsch, Helene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101Devereux, George . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103Dolto, Françoise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105Dreikurs, Rudolf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107Dührssen, Annemarie . . . . . . . . . . . . . . . . 109Dürckheim, Karlfried Graf . . . . . . . . . . . 110Eissler, Kurt R. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112Eitingon, Max . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114Elkaim, Mony . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116Ellis, Albert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117English, Fanita . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119Erdheim, Mario . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121Erickson, Milton H. . . . . . . . . . . . . . . . . . 122Erikson, Erik H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124Eysenck, Hans-Jürgen . . . . . . . . . . . . . . . 126Fairbairn, William Ronald Dodds . . . . . . 129Farrelly, Frank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131Federn, Ernst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133Federn, Paul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135Feldenkrais, Moshé . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136Fenichel, Otto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138Ferenczi, Sándor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139Foerster, Heinz von . . . . . . . . . . . . . . . . . 141Fonagy, Peter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143Fordham, Michael . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145Forel, August(e) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146

VIII

Inhaltsverzeichnis

Foucault, Paul Michel . . . . . . . . . . . . . . . 148Foulkes, Siegmund Heinrich . . . . . . . . . . 150Fraiberg, Selma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152Frankl, Viktor Emil . . . . . . . . . . . . . . . . . 154Franz, Marie-Louise von . . . . . . . . . . . . . 156Freud, Anna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157Freud, Sigmund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160Fromm, Erich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163Fromm-Reichmann, Frieda . . . . . . . . . . . 164Fuchs, Marianne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166Garfield, Sol L. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168Gebsattel, Victor Emil Freiherr von . . . . 169Gendlin, Eugene T. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170Giegerich, Wolfgang . . . . . . . . . . . . . . . . . 172Gindler, Elsa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174Goldstein, Kurt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175Goodman, Paul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177Goolishian, Harold A. . . . . . . . . . . . . . . . 179Goulding, Robert L. . . . . . . . . . . . . . . . . . 181Grawe, Klaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182Green, André . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184Greenacre, Phyllis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186Greenberg, Leslie Samuel . . . . . . . . . . . . 188Greenson, Ralph Romeo . . . . . . . . . . . . . 190Grinder, John Thomas . . . . . . . . . . . . . . . 191Groddeck, Georg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193Grof, Stanislav . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194Grunberger, Béla . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196Guidano, Vittorio Filippo . . . . . . . . . . . . 198Haley, Jay . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200Hartmann, Heinz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202Heidegger, Martin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203Heigl-Evers, Annelise . . . . . . . . . . . . . . . 205Heimann, Paula . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207Hellinger, Bert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208Hermann, Imre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210Heyer, Gustav Richard . . . . . . . . . . . . . . 212Hillman, James . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214Hippius, Maria Theresie . . . . . . . . . . . . . 216Höck, Kurt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217Hoffer, Wilhelm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219Horney, Karen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220Howard, Kenneth I. . . . . . . . . . . . . . . . . . 222Jackson, Don D. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224Jacobson, Edith . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226Jacobson, Edmund . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227James, William . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229Janet, Pierre Marie Félix . . . . . . . . . . . . . . 231Janov, Arthur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

Jaspers, Karl Theodor . . . . . . . . . . . . . . . 234Johnson, Virginia Eshelman . . . . . . . . . . 236Jones, Ernest Alfred . . . . . . . . . . . . . . . . . 238Jung, Carl Gustav . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240Kächele, Horst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243Kanfer, Frederick H. . . . . . . . . . . . . . . . . 244Kardiner, Abraham . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246Karp, Marcia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248Kast, Verena . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249Kelley, Charles R. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251Kernberg, Otto Friedmann . . . . . . . . . . . 253Klein, Melanie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254Kohut, Heinz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256Krause, Rainer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258Kris, Ernst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260Künkel, Fritz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262Lacan, Jacques . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264Laing, Ronald David . . . . . . . . . . . . . . . . 266Landauer, Karl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268Langen, Dietrich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269Langer, Marie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271Laplanche, Jean . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273Lazarus, Arnold A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275Lebovici, Serge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277Leuner, Hanscarl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279Leutz, Grete Anna . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281Lévinas, Emmanuel . . . . . . . . . . . . . . . . . 283Lewin, Kurt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286Lichtenberg, Joseph D. . . . . . . . . . . . . . . 288Liébeault, Auguste Ambroise . . . . . . . . . 289Liotti, Giovanni . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291Lorenzer, Alfred . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293Lowen, Alexander . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295Luborsky, Lester . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297Ludewig, Kurt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298Luhmann, Niklas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300Mahler, Margarethe . . . . . . . . . . . . . . . . . 303Mahoney, Michael J. . . . . . . . . . . . . . . . . . 304Mannoni, Maud . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306Marcel, Gabriel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307Marks, Isaac . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309Maslow, Abraham Harold . . . . . . . . . . . . 310Masters, William Howell . . . . . . . . . . . . . 312Maturana, Humberto R. . . . . . . . . . . . . . 313May, Rollo Reese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315McClure Goulding, Mary . . . . . . . . . . . . 317Meichenbaum, Donald Herbert . . . . . . . 319Mentzos, Stavros . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320Merleau-Ponty, Maurice . . . . . . . . . . . . . 322

IX

Inhaltsverzeichnis

Mesmer, Franz Anton . . . . . . . . . . . . . . . 325Meyer, Adolf-Ernst . . . . . . . . . . . . . . . . . 327Mindell, Arnold . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329Minuchin, Salvador . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331Moreno, Jakob Levy . . . . . . . . . . . . . . . . 332Moreno, Zerka T. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335Morgenthaler, Fritz . . . . . . . . . . . . . . . . . 337Moser, Tilmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339Neumann, Erich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341Ogden, Thomas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344Orlinsky, David . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345Ornstein, Anna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346Ornstein, Paul H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348Orr, Leonard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351Orth, Ilse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352Parin, Paul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356Pawlow, Iwan Petrowitsch . . . . . . . . . . . 358Perls, Friedrich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360Perls, Laura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362Peseschkian, Nossrat . . . . . . . . . . . . . . . . 364Peter, Burkhard Pankraz . . . . . . . . . . . . . 366Petzold, Hilarion Gottfried . . . . . . . . . . . 368Pfeiffer, Wolfgang M. . . . . . . . . . . . . . . . . 371Pfister, Oskar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373Pierrakos, John C. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375Polster, Erving . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376Polster, Miriam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376Pontalis, Jean-Bertrand . . . . . . . . . . . . . . 379Puységur, Marquis de . . . . . . . . . . . . . . . . 380Radó, Sándor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383Raknes, Ola . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385Rank, Otto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386Reich, Wilhelm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388Reik, Theodor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390Reil, Johann Christian . . . . . . . . . . . . . . . 392Revenstorf, Dirk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394Richter, Horst-Eberhard . . . . . . . . . . . . . 396Ricœur, Paul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398Riemann, Fritz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401Ringel, Erwin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403Rogers, Carl Ransom . . . . . . . . . . . . . . . . 404Rojas Bermudez, Jaime . . . . . . . . . . . . . . 407Rosenfeld, Herbert . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409Rossi, Ernest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410Rühle, Otto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412Rühle-Gerstel, Alice . . . . . . . . . . . . . . . . . 413Sartre, Jean-Paul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416Satir, Virginia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417Scheler, Max . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419

Schilder, Paul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421Schindler, Raoul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422Schindler, Walter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424Schmidt, Rainer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426Schmitz, Hermann . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428Schultz, Johannes Heinrich . . . . . . . . . . . 430Schultz-Hencke, Harald . . . . . . . . . . . . . 433Segal, Hanna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434Selvini Palazzoli, Mara . . . . . . . . . . . . . . . 436Shapiro, Francine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438Simon, Fritz B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440Simonton, Oscar Carl . . . . . . . . . . . . . . . 441Skinner, Burrhus Frederick . . . . . . . . . . . 443Slavson, Samuel Richard . . . . . . . . . . . . . 445Sperber, Manès . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447Spiel, Oskar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449Spitz, René A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451Steiner, Claude Michel . . . . . . . . . . . . . . . 452Stekel, Wilhelm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453Sterba, Richard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455Stern, Daniel N. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456Stierlin, Helm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458Stolorow, Robert D. . . . . . . . . . . . . . . . . . 461Stolze, Helmuth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462Strotzka, Hans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464Strupp, Hans H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466Sullivan, Stack Harry . . . . . . . . . . . . . . . . 467Szondi, Leopold . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470Tausch, Reinhard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473Tellenbach, Hubertus . . . . . . . . . . . . . . . . 475Thomä, Helmut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477Uexküll, Thure von . . . . . . . . . . . . . . . . . 479Varela, Francisco Javier . . . . . . . . . . . . . . 482Varga von Kibéd, Matthias . . . . . . . . . . . 484Vogt, Oskar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486Vygotskij, Lev Semjonovic . . . . . . . . . . . . 488Wälder, Robert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492Wallnöfer, Heinrich . . . . . . . . . . . . . . . . . 493Walter, Hans-Jürgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 496Watzlawick, Paul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497Weakland, John H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499Weiss, Edoardo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500Weizsäcker, Viktor Freiherr von . . . . . . . 501Wexberg, Erwin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504Whitaker, Carl Alanson . . . . . . . . . . . . . . 506White, Michael . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508Wilber, Ken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510Willi, Jürg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511Winnicott, Donald Woods . . . . . . . . . . . . 513

X

Inhaltsverzeichnis

Wolf, Alexander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515Wolpe, Joseph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518Wurmser, Leon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520Yablonsky, Lewis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522Yalom, Irvin D. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523Zeig, Jeff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526

Zulliger, Hans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527Zuretti, Mónica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529

Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531

XI

Anmerkungen zu den Literaturangaben

Die Literaturangaben verstehen sich in der Regel als Auszug aus der Bibliografie der dargestelltenPersönlichkeiten. Sie sind chronologisch geordnet, beginnend mit den ältesten Publikationen.Herausgeberwerke folgen danach. Veröffentlichungen mit anderen Autoren zusammen sind nach-gestellt, und zwar in alphabetischer Reihenfolge. Hier ist hinsichtlich der Reihenfolge nicht mehrzwischen Autoren- und Herausgeberwerken unterschieden.

Zwei Jahreszahlen in runder Klammer bedeuten Original und angegebene Auflage. Ist keine Auf-lage genannt, dann gibt die erste Jahreszahl die Erstausgabe in der Originalsprache an.

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- A -Abraham, Karl

* 3.5.1877 in Bremen; † 25.12.1925 in Berlin.

Mitbegründer der psychoanalytischen Bewe-gung; Beiträge zur Libidoentwicklung und zurPsychosentherapie.

Stationen seines Lebens und wichtigetheoretische Beiträge und Orientierungen

Abraham war der Sohn einer jüdischen Kauf-mannsfamilie; Studium der Medizin in Würz-burg und Berlin, 1901 Promotion in Freiburgim Breisgau, drei Jahre Arzt in der Berliner Ir-renanstalt Dalldorf unter dem GehirnanatomenLiepmann; 1904-07 an der psychiatrischen Uni-versitätsklinik Burghölzli in Zürich; Assistentvon Eugen Bleuler, Mitarbeiter und Kollege vonC.G. → Jung, in Zürich wurde er auf die Psy-choanalyse aufmerksam, ein enger Kontaktzwischen Zürich und Wien wurde aufgebaut;1907 kam es zu ersten Zusammentreffen mitSigmund → Freud in Wien; Beginn eines Brief-wechsels und Freundschaft; 1907 ging Abrahamzurück nach Berlin und eröffnete Ende des Jah-res eine psychoanalytische Praxis; ab 1908 fan-den die ersten Referate und Diskussionsabende

über Psychoanalyse in seiner Privatwohnungstatt; zu den frühen Interessenten an der Psy-choanalyse in Berlin zählten Magnus Hirsch-feld, Iwan Bloch, Heinrich Körber, Otto Julius-burger; 1910 war Abraham Mitbegründer derBerliner Psychoanalytischen Vereinigung, dieder Internationalen Psychoanalytischen Ver-einigung als Ortsgruppe unterstellt wurde; erwar der Präsident des Vereins bis zu seinem Todim Jahr 1925. Mitbegründer des Berliner Psy-choanalytischen Instituts 1920 (Poliklinik);1912 wurde Abraham Mitglied des GeheimenKomitees um Sigmund Freud; 1922 Sekretär,1924 Präsident der Internationalen Psychoana-lytischen Vereinigung. Abraham arbeitete überdie Hysterie und Zwangsneurosen, publizierteüber die frühkindlichen Entwicklungsphasenund ihren Zusammenhang mit späteren Cha-raktereigenschaften. Seine Einteilung der Cha-rakterentwicklung folgte dabei drei Phasen:orale Phase (die in eine passive und aktive unter-teilt ist), zwei anal-sadistische Phasen (die durchdas Reinwerden beendet werden) und die geni-tale Phase. Einige seiner Arbeiten und For-mulierungen gingen Hand in Hand mit FreudsPublikationen. So werden die Einflüsse zumBeispiel in Freuds „Totem und Tabu“ sowie in„Trauer und Melancholie“ ersichtlich; und inseiner Studie über Amenhotep IV hat AbrahamGedanken von Freuds Todestriebtheorie antizi-piert. Er publizierte über kindliche Sexualität,Melancholie, Biografik sowie über die Anwen-dungen der Psychoanalyse auf Mythologie,Ethnologie und Kunst. 1911 widmete er dembedeutenden symbolistischen Maler GiovanniSegantini eine Studie. Seine Arbeiten „Versucheiner Entwicklungsgeschichte der Libido aufGrund der Psychoanalyse seelischer Störun-gen“ (1924) und „Psychoanalytische Studienzur Charakterbildung“ (1925) zählen zu seineneinflussreichsten Werken. Abraham galt alsüberaus gebildet und sprach mehrere Sprachen

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Abraham, Karl

fließend. Abraham war nicht nur „in der ana-lytischen Durchleuchtung der Psychosen füh-rend“ (Freud; zit. nach Brecht et al., 1985: 16),wie seine Studien zur Dementia praecox undzum manisch-depressiven Irresein ausweisen,er leistete auch hervorragende Beiträge zur Li-bido-Theorie – insbesondere zur prägenitalenPhase der Libidoentwicklung, wie der frühenOralerotik und dem Analcharakter. Ludwig →Binswanger urteilte darüber: „Abraham wareiner der wenigen, die die Libidotheorie begrif-fen und sie richtig angewendet haben und einerder wenigen, die sie klinisch weiter ausgebautund bleibende Resultate hinterlassen haben“(zit. nach Brecht et al., 1985: 16). In seinen Ar-beiten blieb die Argumentation sichtbar aufseiner psychiatrischen Ausbildung klinisch fun-diert. Während des Ersten Weltkriegs etablierteer eine Beobachtungsstation für psychopathi-sche Soldaten und diente vier Jahre in Allensteinin Ostpreußen. Seine Erfahrungen sind 1919 in„Zur Psychoanalyse der Kriegsneurosen“ er-schienen. Abraham bemühte sich um die Aner-kennung und Verbreitung der Psychoanalyse,unter anderem um einen Lehrstuhl für Psycho-analyse, der ihm jedoch verweigert wurde. Ge-meinsam mit dem Analytiker Hanns Sachs ar-beitete er an der Umsetzung des ersten psycho-analytischen Films, „Geheimnisse einer Seele“.Abraham war der Lehranalytiker zahlreichernamhafter Persönlichkeiten: Karen → Horney,Melanie → Klein, Felix Boehm, Carl Müller-Braunschweig, Helene → Deutsch, Ernst Sim-mel, Theodor → Reik, Hans Liebermann, Sán-dor → Radó, Edward und James Glover. Abra-ham starb Ende 1925 an den Folgen einer Ent-zündung, die eine Fischgräte in seiner Luftröhreverursacht hatte. Die „Internationale Zeitschriftfür Psychoanalyse“ publizierte 1926 mehrereNachrufe. Seine Tochter Hilda wurde ebenfallsPsychoanalytikerin und hat eine Biografie überihren Vater verfasst (H. Abraham, 1976).

Wesentliche Publikationen

(1912) Amenhotep IV (Ichnaton): PsychoanalytischeBeiträge zum Verständnis seiner Persönlichkeit unddes monotheistischen Atonkultes. Imago 1: 334–360

(1916) Untersuchungen über die früheste prägenitaleEntwicklungsstufe der Libido. Internationale Zeit-schrift für Psychoanalyse 4: 71–97

(1921) Klinische Beiträge zur Psychoanalyse aus denJahren 1907–1920. Leipzig, Internationaler Psycho-analytischer Verlag

(1924) Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libi-do auf Grund der Psychoanalyse seelischer Störun-gen: Neue Arbeiten zur ärztlichen Psychoanalyse.Leipzig-Wien-Zürich, Internationaler Psychoanaly-tischer Verlag

(1925) Giovanni Segantini: Ein psychoanalytischerVersuch. Wien, Deuticke

(1925) Psychoanalytische Studien zur Charakterbil-dung. Leipzig-Wien-Zürich, Internationaler Psy-choanalytischer Verlag

(1927) Selected papers of Karl Abraham. London, Ho-garth Press and Institute

(1971) Psychoanalytische Studien: Gesammelte Werke(hg. von J. Cremerius). Frankfurt/M., Fischer[(1999) Gießen, Psychosozial Verlag]

Literatur zu Biografie und Werk

Abraham H (1976) Karl Abraham: Sein Leben für diePsychoanalyse. München, Kindler

Abraham K, Freud S (1965) Briefe 1907–1926 (hg. vonH. Abraham & E.L. Freud). Frankfurt/M., Fischer

Brecht K, Friedrich V, Hermanns L, Kaminer I, JuelichD (Hg) (1985) „Hier geht das Leben auf eine sehrmerkwürdige Weise weiter …“: Zur Geschichte derPsychoanalyse in Deutschland. Hamburg, Kellner

Grotjahn M (1966) Karl Abraham 1877–1925: The firstGerman psychoanalyst. In: Alexander F, EisensteinS, Grotjahn M (Eds), Psychoanalytic pioneers (pp 1–13). New York-London, Basic Books

Hermanns L, Kimmerle G (1997) Karl Abraham. Luzi-fer-Amor, Zeitschrift zur Geschichte der Psycho-analyse 10 (20)

Elke Mühlleitner

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Ackerman, Nathan

Ackerman, Nathan

* 22.11.1908 in Bessarabien, Russland; † 12.6.1971 inNew York.

Pionier der Familientherapie.

Stationen seines Lebens

Seit dem vierten Lebensjahr in den USA ansäs-sig, erhält Ackerman 1920 die amerikanischeStaatsbürgerschaft; 1929: Erlangung des B.A.Degrees, 1933 des M.D. Degrees an der Univer-sity of Columbia; 1937: Beginn seiner Tätigkeitals Chefpsychiater der Child Guidance Clinican der Menninger Clinic in Topeka, Kansas;1937–51 Chefpsychiater des Jewish Board ofGuardians, New York City; 1957 gründete erdie Family Mental Health Clinic in New Yorkund wurde Professor für Psychiatrie an derColumbia Medical School. Er eröffnete 1960 inNew York das Family Institute, das nach sei-nem Tod 1971 in Ackerman Institute um-benannt wurde und in den USA eine heraus-ragende Rolle in der Aus- und Fortbildung vonFamilientherapeuten spielt.

Wichtige theoretische Beiträge undOrientierungen

Nathan Ackerman entwickelte schon früh dieFähigkeit, über das Verhalten der einzelnenMitglieder hinaus die Gesamtorganisation vonFamilien zu verstehen. Er benutzte seinen star-ken Willen und seinen provokativen Inter-view-Stil (theatralische Überschwenglichkeit,geistige Beweglichkeit, fast schockierende Zu-

dringlichkeit in die privaten Bereiche des per-sönlichen und familiären Lebens), um die Ab-wehr- und Verteidigungsmechanismen der Fa-milien aufzudecken und ihnen zu erlauben,ihre Gefühle, Hoffnungen und Wünsche an dieOberfläche kommen zu lassen. Ackermansvorwiegend psychoanalytisch orientierte Aus-bildung ist in seinen Beiträgen und im theore-tischen Herangehen an die Familientherapieevident. Schwerpunkt seiner Arbeit waren Fa-milien mit emotional gestörten Kindern. Esging ihm darum, den Familien Einsicht in ihreProbleme zu geben, die er als Manifestationzurückliegender Erfahrungen verstand. Acker-man postulierte, dass unter der scheinbarenEinheit von Familien eine Fülle von intrapsy-chischen Konflikten existiert, die Familienmit-glieder in Fraktionen spalten. Anfänglich folg-te Ackerman dem Modell der Child GuidanceClinic, bei dem das Kind von einem Psychiaterund die Mutter von einem Sozialarbeiter be-handelt wurde. Seine Erfahrungen im erstenJahr an der Klinik bewogen Ackerman, dieganze Familie einzubeziehen, wenn eine Stö-rung bei einem Mitglied behandelt wurde, under schlug vor, dass die Familientherapie als pri-märe Behandlungsform in Kinderbetreuungs-kliniken angewendet werde. In Fachkreisenzählt Ackerman zu den Vorläufern der struk-turellen Familientherapie, zumal deren Be-gründer Salvador → Minuchin durch Acker-man in die Familientherapie eingeführt wurde.Während Ackerman durchgängig eine durchpsychodynamische Begrifflichkeiten geprägteSprache verwendete, entwickelte Minuchinjene Sprache, Grammatik und den begriffli-chen Rahmen, welche unter dem strukturellenModell bekannt wurden. 1955 organisierteAckerman die erste Diskussion über Familien-diagnose bei einem Treffen der amerikanischenOrthopsychiatrischen Vereinigung, um dieKommunikation im sich entwickelnden Feldder Familientherapie zu fördern. Ackermanfühlte sich verpflichtet, seine Ideen und seinentheoretischen Ansatz mit anderen Fachleutenin diesem Gebiet zu teilen. Zusammen mitDon → Jackson gründete er 1962 das ersteJournal für Familientherapie, „Family Pro-cess“, das immer noch die führende Fachzeit-schrift auf diesem Gebiet ist.

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Wesentliche Publikationen

(1958) The psychodynamics of family life: Diagnosisand treatment of family relationships. New York,Basic Books

(1966) Treating the troubled family. New York, BasicBooks

Ackerman NW, Beatman FL, Sherman SN (Eds) (1967)Expanding theory and practice in family therapy.New York, Family Service Association of America

Ackerman NW, Franklin PF (1975) Familiendynamikund die Umkehrbarkeit von Wahnbildung: EineFallstudie in Familientherapie. In: Boszormenyi-Nagy I, Framo L (Hg), Familientherapie: Theorieund Praxis, 2. Teil (S 9–52). Reinbek, Rowohlt

Ackerman NW, Jahoda M (1950) Antisemitism andemotional disorder. New York, Harper

Ackerman NW, Lieb J, Pearce JK (Eds) (1970) Familytherapy in transition. Boston, Little, Brown & Co.

Billie Rauscher-Gföhler & Paul Gumhalter

Adler, Alfred

* 7.2.1870 in Wien; † 28.5.1937 in Aberdeen, Schott-land.

Begründer der Individualpsychologie.

Stationen seines Lebens

1888: Matura an einem Wiener Gymnasium undBeginn des Studiums der Medizin an der Uni-versität Wien; 1895: Promotion zum Dr. med.;1897: Heirat mit der russischen Sozialistin Rais-sa Timofejewna Epstein, mit der er vier Kinderhatte, darunter Alexandra und Kurt, die seinWerk v. a. in den USA fortführten; 1898 „Ge-

sundheitsbuch für das Schneidergewerbe“, inder das sozialmedizinische Engagement Adlersdeutlich wird; 1899: Eröffnung einer allgemei-nen ärztlichen Praxis in Wien; spätestens 1899erste persönliche Kontakte mit → Freud; 1902:aufgrund einer Einladung Freuds wird Adlereines der fünf Gründungsmitglieder der „Psy-chologischen Mittwoch-Gesellschaft“, die 1908in die „Wiener Psychoanalytische Vereinigung“übergeführt wird und an der Adler bis 1911 re-gelmäßig teilnimmt; ab 1904: Veröffentlichun-gen, in denen unter anderem psychoanalytischeund pädagogische Anliegen miteinander ver-bunden werden; 1907: Veröffentlichung derStudie „Über die Minderwertigkeit der Orga-ne“, in der das Konzept der Kompensation erst-mals systematisch entfaltet wird (Organminder-wertigkeit); 1908: Einführung der Annahmeeines eigenständigen Aggressionstriebes; per-sönliche und inhaltliche Spannungen mit Freudnehmen zu; noch wird Adler aber von Freudum den Verbleib in der Wiener Psychoanalyti-schen Vereinigung gebeten; 1910: Adler wirdObmann der Wiener Ortsgruppe der neu ge-gründeten Internationalen PsychoanalytischenVereinigung und gemeinsam mit → StekelSchriftleiter des „Zentralblatts für Psychoana-lyse“; 1911: Adler hält zwei Vorträge, in denener Freuds Triebtheorie kritisiert und postuliert,dass jene (neurotischen) Phänomene, die Freudauf den Sexualtrieb und dessen Verdrängungzurückführt, primär im Versuch der Kompen-sation von Minderwertigkeitsgefühlen grün-den; auf Drängen Freuds scheidet Adler aus derRedaktion des Zentralblatts und in der Folgeauch aus der Wiener Psychoanalytischen Ver-einigung aus; gemeinsam mit sechs anderenehemaligen Teilnehmern an Freuds Mittwoch-Gesellschaft, zu denen unter anderem CarlFurtmüller zählte, gründet er den „Verein fürfreie psychoanalytische Forschung“, der 1913in „Verein für Individualpsychologie“ umbe-nannt wird; mit der Wahl des Begriffs „Indivi-dualpsychologie“ bringt Adler zum Ausdruck,dass in den verschiedensten Verhaltensweisen,Eigenheiten und Auffälligkeiten eines jedenMenschen stets die typische Art und Weise zumAusdruck kommt, in der eine Person in ihrerunteilbaren Ganzheit erlebt, wahrnimmt undhandelt; 1912: in seinem Buch „Über den ner-

Adler, Alfred

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vösen Charakter“ stellt er seine bis dahin ent-wickelte Theorie in geschlossener Form dar:Besondere Beachtung findet das subjektive Er-leben von Kleinheit, Schwäche, Abhängigkeitoder Unterlegenheit sowie das final orientierteVerlangen, solche Zustände des Erlebens zuüberwinden; dies kann Kompensationsbemü-hungen nach sich ziehen, die Adler positiv be-wertet; das wiederholte Erleben von Kleinheit,Schwäche, Abhängigkeit oder Unterlegenheitkann aber auch zur Ausbildung von schmerz-lichen Minderwertigkeitsgefühlen führen, diedas Verlangen wecken, sich vor dem bewusstenGewahrwerden solcher Minderwertigkeitsge-fühle zu schützen; folgen Menschen diesemVerlangen, so setzen sie unbewusster Weise spe-zifische Sicherungsaktivitäten, die ihnen denvordergründigen (fiktiven) Eindruck vermit-teln, stark, überlegen, mächtig, unabhängig, be-sonders beachtet, attraktiv oder geliebt zu sein;auch psychopathologische Zustandsbilder sindAusdruck und Folge solcher Sicherungsbemü-hungen, die unbewusst verfolgt werden; 1914:Herausgabe des Bandes „Heilen und Bilden“,gemeinsam mit Carl Furtmüller; 1915: aufgrundeines negativen Gutachtens von Wagner-Jau-regg lehnt die medizinische Fakultät der Uni-versität Wien Adlers Habilitationsansuchen ab;1918: nach dem Ende des Ersten Weltkriegsproblematisiert Adler mit Vehemenz persön-liches und politisches Machtstreben und führtdas Konzept des Gemeinschaftsgefühls ein, daseine Art „Kraft“ darstellt, die dem Streben nachpersönlicher Macht und Überlegenheit ent-gegenwirkt; diese Annahme eines angeborenen,letztlich aber auf Förderung angewiesenen„Gemeinschaftsgefühls“ entfaltet Adler in denJahren danach zu einer vielschichtigen Theorie,in der er wiederholt zum Ausdruck bringt, dassder Mensch ein soziales Wesen darstellt, das vonBeginn an in soziale Bezüge eingebettet und aufdiese auch angewiesen ist; dass der Mensch des-halb seine Fähigkeit, mit anderen förderlich-kooperativ zusammenzuleben und zusammen-zuarbeiten, zu kultivieren hat; und dass es je-dem Menschen daher aufgegeben ist, Beiträgezu einem kooperativen Miteinander und damitzu einer Weiterentwicklung von sozialen Ge-gebenheiten zu leisten, die dem Einzelnen mög-lichst wenig Anlass zur Ausbildung schmerzli-

cher Minderwertigkeitsgefühle geben, in denendas unbedachte Verlangen nach Macht undÜberlegenheit gründet; ab 1918/19 begünstigenzahlreiche Vorträge, Seminare und Kurse Ad-lers die Ausbreitung der Individualpsychologieinnerhalb und außerhalb Europas, unterstütztdurch einen wachsenden Kreis an Mitarbeite-rinnen und Mitarbeitern, zu denen bald Per-sönlichkeiten wie Erwin → Wexberg, Fritz →Künkel, Manès → Sperber, Rudolf → Dreikurs,Otto → Rühle oder Alice → Rühle-Gerstel zäh-len; Adlers Interesse an gesellschaftspolitischen,sozialpsychologischen und pädagogischen Fra-gen, die eng mit dem Konzept des Gemein-schaftsgefühls verbunden ist, führt u. a. zurEinrichtung individualpsychologischer Erzie-hungsberatungsstellen sowie zu Reformen imschulischen Bereich, an denen nicht zuletzt Os-kar → Spiel und Ferdinand → Birnbaum maß-geblich beteiligt sind; 1920: Veröffentlichungdes Sammelbandes „Praxis und Theorie der In-dividualpsychologie“, in dem sich Adler auchmit dem individualpsychologischen Verständ-nis ausgewählter psychopathologischer Zu-standsbilder sowie mit Fragen des psychothera-peutischen Arbeitens befasst; 1924: Ernennungzum Professor am Pädagogischen Institut derStadt Wien; ab 1926 Vorträge in den USA; 1927:nach zahlreichen Aufsatz- und Buchpublikatio-nen, die verschiedenste Themen der Individual-psychologie behandeln, erscheint wiederumeine systematische Darstellung seiner Theoriein dem Buch „Menschenkenntnis“; 1929: Me-dizinischer Leiter des Mariahilfer Ambulato-riums, einer Klinik zur Neurosenbehandlung;Gastprofessor an der Columbia University inNew York; erste Bücher erscheinen in ihrerOriginalfassung in englischer Sprache („Pro-blems of neurosis“, „The science of living“);1932: Lehrstuhl für Klinische Psychologie amLong Island Medical College; 1934 verlegt Ad-ler seinen Wohnsitz gänzlich nach New York;1937 stirbt er während einer Vortragsreise inAberdeen; die Weiterführung seiner Theorieerhält insbesondere in Nordamerika (→ Ans-bacher; Dreikurs) eine etwas andere Aus-richtung als in Europa; v. a. in Mitteleuropakommt es nach 1945 zur Ausarbeitung einesstärker tiefenpsychologischen bzw. psychoana-lytischen Selbstverständnisses der von Adler

Adler, Alfred

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begründeten Individualpsychologie (→ Schmidt;→ Ringel).

Wichtige theoretische Beiträge undOrientierungen

Nach der anfänglichen Zusammenarbeit mitFreud rückt Adler mit dem Konzept des Min-derwertigkeitsgefühls das menschliche Verlan-gen nach der Kompensation von bewusst undunbewusst erlebten Mangellagen ins Zentrumder Aufmerksamkeit. Damit verbindet er: dieKritik an metapsychologischen Begriffen, dieEntwicklung von populär gewordenen Begrif-fen wie Lebensstil oder Gemeinschaftsgefühlsowie die Thematisierung von Zusammenhän-gen zwischen sozialen Gegebenheiten, der Ent-wicklung psychischer Strukturen und der Aus-bildung von Krankheitszuständen (als Beispieleseien Adlers Ausführungen zum männlichenProtest, zum neurotischen Arrangement sowiezur Geschwisterkonstellation genannt). Aktu-elle psychoanalytische Diskussionen über Nar-zissmus, über die Regulation des Selbst (Einheitder Person), über frühkindliche Entwicklung(Zärtlichkeitsbedürfnis) oder über sogenannte„Frühstörungen“ (Entwertungstendenz) knüp-fen explizit oder implizit an Ansätze Adlers an.Adler ist als Pionier des fokussierenden psycho-therapeutischen Arbeitens anzusehen, der be-reits früh die Beachtung negativer Übertra-gungstendenzen betonte. Adler regte zahlreicheEntwicklungen innerhalb der Tiefenpsycho-logie bzw. Psychoanalyse an, darunter auchReformbemühungen, die außerhalb von Psy-chotherapie im engeren Sinn angesiedelt sind(etwa im Bereich der Erziehungsberatung).

Wesentliche Publikationen

(1907, 1977) Studie über Minderwertigkeit von Orga-nen. Frankfurt/M., Fischer

(1912, 1997) Über den nervösen Charakter: Grund-züge einer vergleichenden Individual-Psychologieund Psychotherapie [Reprint in einer kommen-tierten, textkritischen Ausgabe hg. von K.H. Witte,A. Bruder-Bezzel & R. Kühn]. Göttingen, Vanden-hoeck & Ruprecht

(1920, 1974) Theorie und Praxis der Individualpsycho-logie: Vorträge zur Einführung in die Psychothera-pie für Ärzte, Psychologen und Lehrer. Frankfurt/M., Fischer

(1927, 1966) Menschenkenntnis. Frankfurt/M., Fischer(1928, 1974) Die Technik der Individualpsychologie

(Erster Teil: Die Kunst, eine Krankengeschichte zulesen. Zweiter Teil: Die Seele des schwer erziehbarenSchulkindes). Frankfurt/M., Fischer

(1933, 1973) Der Sinn des Lebens. Frankfurt/M., Fi-scher

(1982/83) Psychotherapie und Erziehung. Ausgewähl-te Aufsätze (Bd. I: 1919–1929; Bd. II: 1930–1932;Bd. III: 1933–1937) (hg. von H.L. Ansbacher & R.F.Antoch). Frankfurt/M., Fischer

Adler A, Furtmüller C (1914, 1973) Heilen und Bilden:Ärztlich-pädagogische Arbeiten des Vereins für In-dividualpsychologie. Frankfurt/M., Fischer

Literatur zu Biografie und Werk

Handlbauer B (1990) Die Adler-Freud-Kontroverse.Frankfurt/M., Fischer

Handlbauer B (1996) Von „schlampigen Konflikten“und „großen Neurosen“: Ein neuer Blick auf dieFreud-Adler-Kontroverse. In: Lehmkuhl U (Hg),Heilen und Bilden: Behandeln und Beraten: Indivi-dualpsychologische Leitlinien heute (S 33–47).München, Reinhardt

Hoffman E (1997) Alfred Adler: Ein Leben für dieIndividualpsychologie. München, Reinhardt

Rattner J (1972) Alfred Adler. Reinbek, RowohltRüedi J (1992) Die Bedeutung Alfred Adlers für die

Pädagogik: Eine historische Aufarbeitung der Indi-vidualpsychologie aus pädagogischer Perspektive.Bern, Haupt

Schiferer R (1995) Alfred Adler: Eine Bildbiographie.München, Reinhardt

Wengler B (1995) Betrachtungen zu Adlers Behand-lungstechnik. Zeitschrift für Individualpsychologie20: 273–287

Wilfried Datler

Adler, Alfred

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Aichhorn, August

* 27.7.1878 in Wien, † 13.10.1949 in Wien.

Pionier der psychoanalytischen Sozialpädago-gik.

Stationen seines Lebens

1894–98: Besuch der Staatslehrerbildungsan-stalt; 1901: Reifeprüfung in Laibach (Slowenien,damals Österreich-Ungarn); 1903: erste Staats-prüfung an der Technischen Hochschule Wienim Fach Maschinenbau; Aichhorn besucht auchLehrveranstaltungen an der PhilosophischenFakultät der Universität Wien im Fach Chemie;1906: Heirat mit Hermine Lechner, mit der erzwei Söhne, August und Thomas, hat; Aufgabedes Studiums; bis 1908 Arbeit als Volksschul-lehrer, Beschäftigung mit Medizin und Psycho-logie, insbesondere mit der personalistischenPsychologie William Sterns; 1909: Aichhornwird Zentraldirektor und pädagogischer Leiterdes „Zentralvereins für die Errichtung und Er-haltung von Knabenhorten in Wien“, Ausein-andersetzung mit Fragen der Jugendfürsorgeund des Jugendstrafrechts; 1912–14: heilpäd-agogische Ausbildung bei Erwin Lazar an derUniversitätskinderklinik; 1914–18: Organisa-tion der Kriegsjugendfürsorge; 1918–23: Lei-tung einer Fürsorgeanstalt in Oberhollabrunn,dann in St. Andrä (Niederösterreich), dort Ar-beit mit delinquenten Jugendlichen, Beschäfti-gung mit der Psychoanalyse; 1921: Besuch vonAnna → Freud in St. Andrä und Kontakt mitSigmund → Freud; 1922: Aichhorn hält seinen

ersten Vortrag in der Wiener Psychoanalyti-schen Vereinigung (WPV), „Über Erziehung inBesserungsanstalten“, Mitgliedschaft in derWPV, Freundschaft mit Anna Freud und Wil-helm → Hoffer, Lehranalyse bei Paul → Federn;1923–30: Leitung der Erziehungsberatung anden Bezirksjugendämtern der Stadt Wien, Ab-haltung von Kursen und Seminaren zur psycho-analytischen Pädagogik am Ambulatorium derWPV, teilweise zusammen mit Anna Freud undWilhelm Hoffer; 1925: „Verwahrloste Jugend“,Aichhorns Hauptwerk, erscheint im Internatio-nalen Psychoanalytischen Verlag (IPV). Er be-schreibt darin seine Erfahrungen in Oberholla-brunn und St. Andrä; 1931–33: Unterrichts-tätigkeit an einer von Dorothy Burlingham ge-gründeten Versuchsschule in Wien (zusammenmit Siegfried → Bernfeld, Peter Blos, ErikHomburger → Erikson und Anna Freud); 1932:Leiter der Erziehungsberatungsstelle der WPV,Mitarbeit am Aufbau und an der Durchführungdes zweijährigen „Pädagogenkurses“ der WPV,Mitherausgeber der „Zeitschrift für psycho-analytische Pädagogik“; 1938: Nach dem An-schluss Österreichs an das nationalsozialistischeDeutschland wird Aichhorns Sohn Thomasnach einem gescheiterten Fluchtversuch in dieSchweiz im Konzentrationslager Dachau inhaf-tiert, was Aichhorn – neben anderen Gründen –dazu veranlasst, nicht auszuwandern. Aichhornals Mitglied der „Wiener Arbeitsgemeinschaft“wird dadurch als einziger Österreicher zugleichMitglied der „Arbeitsgruppe A“ von MatthiasHeinrich Görings „Deutschem Institut für Psy-chologische Forschung und Psychotherapie“und erhält den Berufstitel „behandelnder Psy-chologe“. Aichhorn führt zusammen mit an-deren in Wien verbliebenen Psychoanalytikernund Individualpsychologen – u. a. Igor A. →Caruso, Ella Lingens, Karl Nowotny und Karlvon Montesiczky – Lehranalysen und Erzie-hungsberatungen durch; 1946: Wiedereröff-nung der WPV, deren Obmann er wird. Bedingtdurch die Vertreibung fast aller Psychoanalyti-ker und durch die mangelnden sozialen undökonomischen Voraussetzungen im Nach-kriegsösterreich kann die Lehrtätigkeit der Ver-einigung nur schwer aufrechterhalten werden,Aichhorn wird Mitherausgeber des „Inter-national Journal of Psycho-Analysis“; 1947:

Aichhorn, August

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Verleihung des Titels „Professor h.c.“ an Aich-horn durch den Bundespräsidenten in Aner-kennung seiner Verdienste um die Jugendfür-sorge; 1949: Aichhorn stirbt an den Folgen einerZerebralthrombose; das von ehemaligen WienerAnalytikern in den USA gegründete „AugustAichhorn-Forschungsinstitut für Verwahrlos-te“ nimmt seine Arbeit auf.

Wichtige theoretische Beiträge undOrientierungen

Aichhorn gilt als Pionier der Anwendung psy-choanalytischer Erkenntnisse auf die Sozial-pädagogik, insbesondere auf die Arbeit mit ver-wahrlosten Jugendlichen. Bedingt durch seinejahrzehntelange Erfahrung in der Auseinander-setzung mit schwererziehbaren Kindern undJugendlichen und seine Gabe, klinische undtheoretische Einsichten der Psychoanalysepraktisch-pädagogisch umzusetzen, vermochtees Aichhorn, eine kind- und jugendlichenge-rechte Fürsorgetätigkeit zu entfalten, die derRealität unbewusster Motivierung selbst- undfremdschädigenden Handelns Rechnung trug.Durch die einfühlend-dialogische Auseinander-setzung mit seinen jugendlichen Klienten ab-seits moralischer und wertender Prämissen ge-lang es Aichhorn, eine verständnisvolle und ver-trauliche Atmosphäre herzustellen, welche dienötigen Voraussetzungen bot, den Klientenlangsam die Gründe ihres Handelns einsichtigwerden zu lassen. Aichhorn gilt außerdem alsWegbereiter der modernen Erlebnispädagogik.

Wesentliche Publikationen

(1923) Über die Erziehung in Besserungsanstalten.Imago 9: 189–221

(1925, 1951) Verwahrloste Jugend: Die Psychoanalysein der Fürsorgeerziehung. Bern, Huber

(1972) Erziehungsberatung und Erziehungshilfe:Zwölf Vorträge über psychoanalytische Pädagogik.Reinbek, Rowohlt

Literatur zu Biografie und Werk

Aichhorn T (Hg) (2001) „Die Protokolle des Seminarsfür Psychoanalytische Erziehungsberatung“ derWiener Psychoanalytischen Vereinigung aus denJahren 1946/47. In: Wiener Psychoanalytische Ver-einigung (Hg), Psychoanalyse für Pädagogen (S 147–201). Wien, Picus

Lingens E (1983) Psychoanalyse unter dem National-sozialistischen Regime. Sigmund Freud HouseBulletin 7(2): 12–14

Mühlleitner E (1992) August Aichhorn (1878–1949).In: Biographisches Lexikon der Psychoanalyse: DieMitglieder der Psychologischen Mittwoch-Gesell-schaft und der Wiener Psychoanalytischen Vereini-gung 1902–1938 (S 20–23). Tübingen, Edition dis-kord

Perner A (2000) August Aichhorn: Ein Grenzgängerzwischen Psychoanalyse und Pädagogik. Luzifer-Amor 25: 7–24

Rothländer C (1998) „Und mit der Hausmusik ging erin den Tod …“: Über das Leben des Wiener Psycho-analytikers Karl von Montesiczky. Werkblatt, Zeit-schrift für Psychoanalyse und Gesellschaftskritik 41:3–34

Gernot Nieder

Ainsworth, Mary Dinsmore Salter

* 1.12.1913 in Glendale, Ohio, USA; † 21.3.1999 inCharlottesville, Virginia, USA.

Zusammen mit John → Bowlby Begründerinder Bindungstheorie.

Stationen ihres Lebens

Älteste von drei Töchtern einer Mittelschicht-familie; Vater Geschäftsmann; 1918 Umzugnach Toronto, Kanada; Psychologie-Studium inden 1930er Jahren; 1939 Promotion zum Ph.D.an der Universität Toronto bei William Blatz;erste Erwähnung des Begriffs „sichere Basis“;anschließend Tätigkeit an der Universität To-ronto; ab 1942 Freiwillige im Frauencorps der

Ainsworth, Mary Dinsmore Salter

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kanadischen Armee im Range eines Majors; Ar-beitsschwerpunkte: psychologische Beratung,Testdiagnostik, Interviews; nach dem Krieg er-neut Tätigkeit an der Universität Toronto; Ar-beitsschwerpunkt: Rorschach-Diagnostik; 1950Heirat mit Leonard Ainsworth; keine Kinder;1950–53 Zusammenarbeit mit John Bowlbyund James Robertson in London; 1954 Ver-setzung ihres Mannes, eines Commonwealth-Beamten, nach Uganda; während des dortigenAufenthalts (1954/55) naturalistische, längs-schnittliche Beobachtung an Mutter-Säuglings-Paaren im ersten Lebensjahr; Klassifikation vonKindern in sicher gebundene, unsicher gebun-dene und noch nicht gebundene (erste Publika-tionen dazu 1963; Buch: „Infancy in Uganda“,1967); 1955 Rückkehr nach Baltimore, USA;arbeitet diagnostisch und als Klinische Psycho-login am Shepard Pratt-Krankenhaus; ab 1958an der Johns Hopkins-Universität, zunächst alsDozentin, dann als Professorin für Entwick-lungspsychologie; Beginn der berühmten Balti-more-Studie, in deren Verlauf die Fremde-Si-tuation als Beobachtungsinstrument eingeführtwird (erste diesbezügliche Publikationen An-fang der 1960er Jahre; Buch: „Patterns of at-tachment“, 1978); Ende der 1950er, Anfang der1960er Jahre Scheidung von Leonard Ains-worth; Depression; Beginn einer längeren, er-folgreichen Psychoanalyse auf Empfehlungihres Freundes Joseph → Lichtenberg; Ains-worth war seitdem vom Wert der Psychoanaly-se und von der Bedeutung des Ödipuskomple-xes und des Unbewussten überzeugt („the un-conscious is a marvelous thing“; zit. nach Main,1999: 724); sie betrachtete die Psychoanalyse,Piagets Theorie und die Ethologie als die dreiHauptinspirationsquellen ihres Denkens; ab1973 Professorin an der Universität Charlottes-ville in Virginia (USA); Emeritierung im Altervon 70 Jahren; danach weitere Forschungs- undPublikationstätigkeit (z. B. Ainsworth & Eich-berg, 1991); im August 1998 – im Alter von 84Jahren – Mentoring Award und Award for Life-time Scientific Achievement der American Psy-chological Association; humorvoller Kommen-tar: „Ich bin sehr glücklich, hätte mir aber ge-wünscht, die Auszeichnungen früher zu erhal-ten, denn jetzt bekomme ich sie für Dinge, andie ich mich nur noch zur Hälfte erinnern

kann“ (zit. nach Main, 1999: 691); stirbt imMärz 1999, einige Monate nach einem schwerenSchlaganfall in Charlottesville; bekannte Schü-ler: Mary Blehar, Inge Bretherton, Jude Cassidy,Patricia Crittenden, Alicia Liebermann, MaryMain, Robert Marvin, Everett Waters.

Wichtige theoretische Beiträge undOrientierungen

Ainsworths zentrales theoretisches Postulat,das auch empirisch gut gesichert ist, lautet:Mütterliche interaktive Feinfühligkeit währenddes ersten Lebensjahres ist eine wichtige Deter-minante der Bindungsqualität, die das Kind imAlter von einem Jahr zeigt. Die Bindungsquali-tät wird in der sogenanten Fremden Situationerhoben. Diese ist ein quasi-experimentellesSetting, in dem einjährige Kinder zwei kurzenTrennungen ausgesetzt werden, um ihr Bin-dungssystem zu aktivieren. Ainsworth unter-scheidet drei Formen von Bindung. Sichere Bin-dung, vermeidende Bindung und ambivalenteBindung. Als ebenfalls gut gesicherter empiri-scher Befund gilt: Mütter, die auf die Signaleihres Kindes im ersten Jahr feinfühlig – d. h.prompt und angemessen – reagieren, erhaltenKinder, die mit einem Jahr in der Fremden Si-tuation sicher gebunden sind; solche, diemanchmal angemessen, manchmal aber zurück-weisend oder überbeschützend (also insgesamtinkonsistent) reagieren, haben eher ambivalenteKinder; solche, die mit Kummer und Trost-bedürfnissen eher zurückweisend umgehen,haben vorwiegend vermeidend gebundene Kin-der. Neuerdings wird ein möglicher Zusam-menhang zwischen kindlichen Konstitutions-merkmalen (Temperament) und Bindungs-qualität diskutiert. Gegen Ende ihres Lebens in-teressierte sich Ainsworth verstärkt für denmöglichen Zusammenhang zwischen unbewäl-tigtem Trauma der Mutter und einem viertenBindungtypus, der sogenannten desorganisier-ten Bindung.

Wesentliche Publikationen

(1963) The development of infant-mother interactionamong the Ganda. In: Foss BM (Ed), Determinantsof infant behavior, vol. 1 (pp 67–103). New York,Wiley

Ainsworth, Mary Dinsmore Salter

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(1967) Infancy in Uganda: Infant care and the growthof love. Baltimore, Johns Hopkins University Press

(1969) Object relations, dependency, and attachment:A theoretical review of the infant-mother rela-tionship. Child Development 40: 969–1025

(1989) Attachments beyond infancy. American Psy-chologist 44: 709–716

Ainsworth M, Wittig B (1969) Attachment and explo-ratory behavior of one-year-olds in a strange situa-tion. In: Foss BM (Ed), Determinants of infant beha-vior, vol. 4 (pp 111–136). London, Methuen

Ainsworth M, Bell S (1970) Attachment, exploration,and separation: Illustrated by the behavior of one-year-olds in a strange situation. Child Development41: 49–67

Ainsworth M, Blehar M, Waters E, Wall S (1978) Pat-terns of attachment: A psychological study of thestrange situation. Hillsdale (NJ), Erlbaum

Ainsworth M, Bowlby J (1991) An ethological ap-proach to personality development. American Psy-chologist 46: 331–341

Ainsworth M, Eichberg C (1991) Effects on infant-mother attachment of mother’s unresolved loss of anattachment figure, or other traumatic experience. In:Parkes CM, Stevenson-Hinde J, Marris P (Eds), At-tachment across the life cycle (pp 160–183). London-New York, Tavistock/Routledge

Literatur zu Biografie und Werk

Ainsworth M (1983) A sketch of a career. In:O’Connell A, Russo N (Eds), Models of achieve-ment: Reflections of eminent women in psychology(pp 200–219). New York, Columbia UniversityPress

Ainsworth M, Marvin R (1995) On the shaping of at-tachment theory and research: An interview withMary Ainsworth. In: Waters E, Vaughn B, Posada G,Kondo-Ikemura K (Eds), Caregiving, cultural, andcognitive perspectives on secure-base behavior:New growing points of attachment theory and re-search (pp 3–21). Chicago, University of ChicagoPress

Bretherton I (1995) Die Geschichte der Bindungs-theorie. In: Spangler G, Zimmermann P (Hg), DieBindungstheorie: Grundlagen, Forschung und An-wendung (S 27–49). Stuttgart, Klett-Cotta

Dornes M (2000) Die emotionale Welt des Kindes.Frankfurt/M., Fischer

Karen R (1998) Becoming attached. New York-Ox-ford, Oxford University Press

Main M (1999) Mary D. Salter Ainsworth: Tribute andportrait. Psychoanalytic Inquiry 19: 682–730

Martin Dornes

Alexander, Franz

* 22.1.1891 in Budapest; † 8 .3.1964 in Palm Beach,Kalifornien.

In Chicago tätiger Psychoanalytiker; bedeuten-der Vertreter der psychosomatischen Medizin.

Stationen seines Lebens

Alexander war der Sohn des Philosophen Ber-nard Alexander und studierte in Göttingen undBudapest Medizin; er spezialisierte sich zu-nächst auf hirnphysiologische Studien, war imErsten Weltkrieg Militärarzt und begann sichzunehmend auf die Psychoanalyse zu konzen-trieren. Er machte bei Sigmund → Freud eineLehranalyse, bei Hanns Sachs seine Kontroll-analyse und wurde 1920 einer der ersten Stu-denten und 1921 Assistent des neu gegründetenBerliner Psychoanalytischen Instituts. In Berlinentstanden mehrere – nicht unumstrittene –Arbeiten zur Psychokriminologie (1929, zu-sammen mit H. Staub: „Der Verbrecher und sei-ne Richter: Ein psychoanalytischer Einblick indie Welt der Paragraphen“), wo versucht wurde,Neurosen aus einem Strafbedürfnis heraus zuerklären. Alexander war Dozent und Lehr-analytiker des Berliner Psychoanalytischen In-stituts. 1930 wurde er in die Vereinigten Staateneingeladen und sollte den ersten Lehrstuhl fürPsychoanalyse an der University of Chicagoeinnehmen. 1932 gründete er – nach Querelenmit den Kollegen – sein eigenes Institut für Psy-choanalyse, dem er dann ein Vierteljahrhundertvorstand. Die Einrichtung war dem Berliner

Alexander, Franz

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Psychoanalytischen Institut ähnlich, zahlreichePublikationen veröffentlichte er über die psy-chotherapeutische Technik. Sein Talent bestandin der Organisation von analytischen Teams,und er begründete die sogenannte ChicagoerSchule der Psychoanalyse. Alexander war einVerfechter der Modernisierung der Psychoana-lyse und suchte Antworten auf Fragen wie: Wassind die Vorteile von rigiden Standards, wiekönnen Psychoanalytiker von äußeren Erfah-rungen lernen und wie kann die psychoanalyti-sche Methode klinisch getestet werden (Grot-jahn, 1966). Seine Ansichten sind kontroversielldiskutiert worden, für einige bedeuteten sieFortschritt, für andere Verflachung von Theorieund Praxis. Alexander hat die Ausbildung inso-fern geändert, als er das Verhältnis von Thera-peut und Patient entschieden im Mittelpunktder therapeutischen Ausbildung gesehen hat.Von der Ebene der Übertragung-Gegenüber-tragung wollte er mehr auf die interaktive Be-ziehung zwischen den beiden hinweisen. Aufmehreren Ebenen sollte eine Beziehung aufge-baut werden, und die Verbalisierung und Ein-sicht spielten für ihn eine größere Rolle. 1938wurde Alexander Professor für Psychiatrie ander University of Illinois, und 1956 wechselte er– nach einer Unterbrechung am Center for Ad-vanced Study in Behavioral Sciences in PaloAlto – als Direktor der Abteilung für psychia-trische Forschung am Mount Sinai Hospitalnach Los Angeles. Im selben Jahr etablierte erzusammen mit Roy Grinker die American Aca-demy of Psychoanalysis (AAP). In Los Angelesbaute er einen Forschungsschwerpunkt für dieobjektive Erforschung des therapeutischenProzesses aus. Ziel seiner Untersuchungen wares auch, die Psychoanalyse als Teil der akademi-schen Psychiatrie zu etablieren. Alexander warursprünglich Freudianer; mit dem Auf- undAusbau seiner Forschungseinrichtungen war eran multidisziplinärer Methodologie interes-siert, und er interessierte sich zunehmend fürdie Psychosomatik. Heute gilt Alexander alseiner der bedeutendsten Vertreter der psycho-somatischen Medizin. Seiner Ansicht nach ent-stünden die psychosomatischen Symptomedurch das Zusammentreffen von Persönlich-keitstypen, die für bestimmte Erkrankungendisponiert sind, und einer spezifischen Kon-

fliktlage, die wiederum zur Ausbildung be-stimmter Organkrankheiten disponiert wäre.Er hat das Konzept der Vektor-Analyse einge-führt: „Almost all organs of the body can bedisturbed by different emotions, heading in dif-ferent dynamic directions: the wish to receive,to retain, and to eliminate. All vectors have lo-ving as well as aggressive, hateful connotations.Receiving can turn to hostile taking; eliminationcan be generous giving or hostile-aggressive.The three vector qualities of incorporation, re-tention, and elimination are actually the dyna-mics of the life process“ (Grotjahn, 1966: 392).Mit Hilfe der Vektor-Analyse hat Alexandertherapeutische Ansätze für psychosomatischeKrankheiten entwickelt. Berühmt gewordensind die Forschungen über Asthma in Chicago.Jedoch haben seine Forschergruppen und statis-tischen Erhebungen auch Kritik hervorgerufen(vgl. Fenichel, 1998), er galt dennoch über Jahrehinweg als einflussreichster amerikanischerAnalytiker. Ab 1939 gab er zusammen mit Flan-ders Dunbar, Stanley Cobb, Carl Binger undanderen die Zeitschrift „Psychosomatic Medi-cine“ heraus. Seine philosophischen Ansichtenveröffentlichte er 1942 in dem Buch „Our age ofunreason“ und 1960 in seinem autobiografi-schen Werk „The Western mind in transition“.

Wesentliche Publikationen

(1922) Kastrationskomplex und Charakter: Eine Un-tersuchung über passagere Symptome. Internatio-nale Zeitschrift für Psychoanalyse 8: 121–152

(1927) Psychoanalyse der Gesamtpersönlichkeit. Leip-zig, Internationaler Psychoanalytischer Verlag

(1942) Our age of unreason: A study of the irrationalforces in social life. Philadelphia-New York, Lippin-cott [dt.: (1946) Irrationale Kräfte unserer Zeit: EineStudie über das Unbewußte in Politik und Ge-schichte. Stuttgart, Klett]

(1946) Psychoanalytic therapy. New York, RonaldPress

(1948) Fundamentals of psychoanalysis. New York,Norton

(1950) Psychosomatic medicine. New York, Norton[dt.: (1971) Psychosomatische Medizin. Berlin, deGruyter]

(1956) Psychoanalysis and psychotherapy: Develop-ment in theory, technique, and training. New York,Norton

(1960) The Western mind in transition. New York,Random House

Alexander, Franz

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(1961) The scope of psychoanalysis: Selected papers1921–1961. New York, Basic Books

Alexander F, Healy W (1935) Roots of crime. NewYork, Knopf

Alexander F, Staub H (1929) Der Verbrecher und seineRichter: Ein psychoanalytischer Einblick in die Weltder Paragraphen. Wien, Internationaler Psychoana-lytischer Verlag

Literatur zu Biografie und Werk

Benedek T (1964) In Memoriam Franz Alexander1891–1964. Journal of the American PsychoanalyticAssociation 12: 877–881

Fenichel O (1998) 119 Rundbriefe. Bd. 1: Europa(1934–1938); Bd. 2: Amerika (1938–1945) (hg. von E.Mühlleitner & J. Reichmayr). Basel-Frankfurt/M.,Stroemfeld

Grotjahn M (1966) Franz Alexander 1891–1964: TheWestern mind in transition. In: Alexander F, Eisen-stein S, Grotjahn M (Eds), Psychoanalytic pioneers(pp 384–398). New York-London, Basic Books

McLean H (1965) Franz Alexander 1891–1964. Inter-national Journal of Psycho-Analysis 46: 247–250

Pollack S (1964) Franz Alexander’s observations onpsychiatry and law. American Journal of Psychiatry120: 458–464

Elke Mühlleitner

Alexander, Gerda

* 15.2.1908 in Wuppertal; † 21.2.1994 in Wuppertal.

Begründerin der Eutonie.

Stationen ihres Lebens

Musikalisches Elternhaus; Vater besaß Musika-lienhandlung; ein jüngerer Bruder. Als Kind warsie häufig krank (Gicht und andere entzündliche

Erkrankungen). Ausbildung bei Otto Blensdorf(Rhythmiklehrer, von Emile Jaques-Dalacrozeausgebildet), 1927 Staatsexamen als „Lehrerinfür rhythmische Gymnastik“ an der Blensdorf-schule für körperlich-musikalische Erziehung(gegründet 1910, in Abgrenzung zur leistungs-orientierten Bewegungsschulung durch „Turn-vater“ Jahn), anschließend Tätigkeit in Jena beiOtto Blensdorf und bei Peter Petersen (Schul-reformer, der besonderen Wert auf die Eigenver-antwortung des Menschen legte). Mit Charlotte,der Tochter von Otto Blensdorf, bestand einelebenslange freundschaftliche Verbindung undZusammenarbeit. Zweimalige Einladung vonC.G. → Jung, mit ihm zu arbeiten; fühlte sichjedoch noch nicht genügend vorbereitet und hatdaher das Angebot nicht angenommen, was siespäter sehr bedauerte. Von Kindheit an großeBegeisterung für das Theater. Tätigkeit auch anTheatern in Dänemark und Schweden, zahl-reiche Inszenierungen. 1928 Einladung zu einerVersuchsschule in England, um die Arbeit vonOtto Blensdorf vorzustellen. Von dort aus er-folgte eine weitere Einladung nach Dänemark andie „Fröbel Schule“ in Seeland (Fröbel warPädagoge, der 1840 in Deutschland den erstenKindergarten gegründet hatte und den entwick-lungspsychologischen Wert des Spieles beson-ders betonte). Von da an wirkte Gerda Alexan-der vorwiegend in Dänemark und Schweden(Lund). Ab 1940 Ausbildung von eigenen Leh-rern in der von ihr entwickelten Methode; seit1945 hat sie ihre Methode in der ganzen Weltvorgestellt: internationale Kongresse und Ar-beitswochen in Europa, Israel, USA und Latein-amerika. Kontakt mit anderen Frauen, die ähn-lich gearbeitet haben, insbesondere mit DoreJacobs, mit der sie seit der gemeinsamen Ausbil-dung bei Blensdorf befreundet war, und derenSchülerinnen. Sie blieb ihr Leben lang unverhei-ratet und hatte keine Kinder.

Wichtige theoretische Beiträge undOrientierungen

Von künstlerischen Ansätzen ausgehend ent-deckte Gerda Alexander die therapeutischeWirkung von Bewegungswahrnehmung für diePersönlichkeitsentwicklung. Besonderes Anlie-gen war ihr die körperliche und psychische

Alexander, Gerda

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Anpassung an die Realität des Augenblicks, dieArbeit an der Präsenz. Über die spezielle Wahr-nehmung der Oberflächen- und Tiefensensibili-tät entwickelt sich ein Bewusstsein für die eige-ne Person und deren Möglichkeiten. Wie vieleFrauen zu ihrer Zeit hat sie vorwiegend prak-tisch gearbeitet und ihre Arbeit ständig weiter-entwickelt: „Sich auf eine Methode festlegen:das ist das Toteste vom Toten.“ Daraus erklärtsich auch die geringe Frequenz an schriftlichenPublikationen, da diese eine gewisse Festschrei-bung bedeutet hätten: „Das ist vielleicht auchdas allerwichtigste an meiner Arbeit geworden:die Anpassung an die Realität des Augenblicks.Gerade das können die meisten Leute nicht,viele glauben, dass sie einem System folgenmüssen. Aber das kann man in der Arbeit mitlebendigen Wesen nicht machen“ (zit. nachMoscovici, 1989: 52). Ihr ursprüngliches Bemü-hen um Entspannung relativierte sich im Laufeihrer Arbeit und entwickelte sich mehr in Rich-tung Spannungsregulierung. So ist der Begriff„Eutonie“ als der der Situation angepassteSpannungszustand zu verstehen. Dieser Begriffgeht auf einen Vorschlag von Alfred Bartussekaus dem Jahr 1957 zurück.

Wesentliche Publikationen

(1964) Die Lehre von der Entspannung und Eutonie.In: (o. A.), Eutonie. Haltung und Bewegung in psy-chosomatischer Sicht. Vorträge des Ersten Inter-nationalen Kongresses für Entspannung und funk-tionelle Bewegung, Kopenhagen 1959 (S 36–50).Ulm/Donau, Karl F. Haug

(1968) Die Bedeutung der Körperbildschulung fürGymnastik und Allgemeinerziehung. Sonderdruckaus: Atem. Die Zeitschrift für Atempflege – Massage– Entspannung – Moderne Gymnastik (2/3)

(1977) Eutonie: Ein Weg der körperlichen Selbsterfah-rung. München, Kösel

Literatur zu Biografie und Werk

Moscovici HK (1989) „Vor Freude tanzen, vor Jammerhalb in Stücke gehen“: Pionierinnen der Körper-therapie. Darmstadt, Luchterhand

Pierre Y (1970) Eutonie: Pédagogie de la relaxation deGerda Alexander. Mémoire présenté en vue del’obtention du grade de Licensié en education phy-sique. Louvain, Université Catholique de Louvain

Schaefer K (2001) Die Eutonie Gerda Alexander. In:Steinmüller W, Schaefer K, Fortwängler M (Hg),Gesundheit – Lernen – Kreativität: Alexander-Tech-

nik, Eutonie Gerda Alexander und Feldenkrais alsMethoden zur Gestaltung somatopsychischer Lern-prozesse (S 50–58). Bern, Hans Huber

Elisabeth Sprinz

Allers, Rudolf

* 13.1.1883 in Wien; † 14.12.1963 in Hyattsville, Mary-land, USA.

Psychiater, Philosoph, Individualpsychologe.

Stationen seines Lebens

Sohn von Augusta, geborene Grailich, und Mar-cus Abeles, einem jüdischen Arzt; 1901: Beginndes Studiums der Medizin an der UniversitätWien; 1906: Promotion zum Dr. med.; 1907:Rudolf Abeles lässt seinen Nachnamen auf Al-lers ändern; 1908: Heirat mit Carola Meitner;1920: Geburt seines Sohnes Ulrich; nach Be-endigung des Studiums arbeitet Allers an der II.Medizinischen Klinik unter Professor Edmundvon Neußer und im chemischen Laboratoriumder Spiegler-Stiftung; 1908: Assistentenstelle ander Psychiatrischen Klinik der Deutschen Uni-versität in Prag; 1909: Assistentenstelle an derPsychiatrischen Klinik in München, die vonEmil Kraepelin geleitet wird; hier arbeitet er vorallem im chemischen Labor und führt zeitweiligdie Ambulanz der Klinik; 1913: Habilitationund Leitung einer Abteilung der Klinik; 1914:Einberufung zum Militärdienst, Allers arbeitetals Chirurg in verschiedenen Militärspitälern;1917: Berufung ins Kriegsministerium zur Be-

Allers, Rudolf

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arbeitung sozialhygienischer Fragen; 1918: An-stellung als Assistent am Physiologischen In-stitut der Universität Wien; da er neben seinervielseitigen Forschungstätigkeit auch über aus-gezeichnete Kenntnisse in Französisch, Englischund Italienisch verfügt, wird er häufig zu Vor-tragsreisen ins Ausland eingeladen; etwa abAnfang der 1920er Jahre engagiert sich RudolfAllers als Individualpsychologe und wird engerMitarbeiter Alfred → Adlers. Er hält zahlreicheVorträge im Verein für Individualpsychologie,an der Volkshochschule, im „AkademischenVerein für medizinische Psychologie“ und pu-bliziert in der Internationalen Zeitschrift für In-dividualpsychologie; 1924: Leitung einer Erzie-hungsberatungstelle des Caritas-Verbandes derErzdiözese Wien im 9. Bezirk, wobei Allers diepädagogischen Ansätze der Individualpsycho-logie einführt; 1925: Vorsitz der medizinischenFachgruppe, die zum Zweck einer intensivenwissenschaftlichen Arbeit gegründet wordenwar; 1926–27 ist er stellvertretender Vorsitzen-der im Vorstand des Vereins für Individual-psychologie; 1927: Austritt aus dem Verein ausAnlass eines heftigen Streits um inhaltliche Fra-gen mit Alfred Adler; 1934: Doktorat der Philo-sophie an der Università Cattolica del SacroCuore in Mailand; 1938: Berufung an die Schoolof Philosophy der University of America inWashington, D.C., wo Allers die Lehrkanzel fürPsychologie übernimmt. Kurz nach seiner Ab-reise wird im April 1938 seine Venia legendi ander Universität Wien von den Nationalsozialis-ten aus „rassischen“ Gründen stillgelegt; 1948:Professur für Philosophie an der GeorgetownUniversity, Washington, D.C., die Allers bis zuseinem Tod innehat.

Wichtige theoretische Beiträge undOrientierungen

Rudolf Allers’ reiche wissenschaftliche Publi-kationstätigkeit umfasst Aufsätze über chemi-sche Vorgänge auf dem Gebiet der Physiologie,Psychiatrie und Neuropathologie, Arbeitenüber Stoffwechselpathologie in der Psychiatriewie etwa über den Stoffwechsel des Epilepti-kers, den Stoffwechsel bei der progressiven Pa-ralyse und bei funktionellen Psychosen; ange-regt durch Allers’ Tätigkeit in Militärspitälern

befassen sich weitere Arbeiten mit der kriegs-chirurgischen Behandlung neurologischer Er-krankungen, etliche Aufsätze behandeln sinnes-und arbeitsphysiologische Themen wie etwaArbeit und Ermüdung, die Lokalisation vonHöreindrücken, das Wesen der Gewichts-empfindung etc. Psychologisch-physiologischeFragestellungen, wie etwa die Verarbeitung vonunbewussten Eindrücken bei Assoziationenoder die Reaktionszeit bei sinnloser und sinn-voller Reizgebung, beschäftigen Allers ebensowie die Psychologie des Geschlechtslebens odercharakterologische Überlegungen. Als vehe-menter Gegner der Psychoanalyse äußert Allerssich in verschiedenen Publikationen in sehr kri-tischer Weise über → Freud und die Psycho-analyse. Er setzt sich auch intensiv mit dem phi-losophischen Hintergrund der Individualpsy-chologie auseinander. Als überzeugter Katholikist Allers bemüht, religionsphilosophische An-sätze in die Individualpsychologie einzubrin-gen. In der von ihm entworfenen Charakterolo-gie versucht er, die Individualpsychologie mitkatholischer Weltanschauung und Wertvorstel-lung zu vereinbaren. Seine Ansätze führen je-doch schließlich zu Auseinandersetzungen mitAlfred Adler und zum Bruch mit dem Vereinfür Individualpsychologie. In späteren Werkensetzt sich Allers auch mit philosophischen Fra-gestellungen in der Psychiatrie auseinander.

Wesentliche Publikationen

(1912) Psychologie des Geschlechtslebens. München,Reinhardt

(1922) Über Psychoanalyse. Berlin, Karger(1923) Gemeinschaft als Idee und Erlebnis. Internatio-

nale Zeitschrift für Individualpsychologie 2(1): 7–10(1924) Ein Fall von Pavor nocturnus. Internationale

Zeitschrift für Individualpsychologie 2(6): 26–27(1924) Charakter als Ausdruck. In: Utitz E (Hg), Jahr-

buch der Charakterologie (o. S.). Berlin, Pan(1926) Heilerziehung bei Abwegigkeit des Charakters.

Köln, Benzinger(1927) Arbeit, Ermüdung und Ruhe. In: Allers R (Hg),

Soziale Physiologie und Pathologie (o. S.). Berlin,Springer

(1929) Das Werden der sittlichen Person. Freiburg,Herder

(1931) The psychology of character. London, Sheed &Ward

(1932) The new psychologies. London, Sheed & Ward(1939) Self improvement. New York, Benzinger

Allers, Rudolf

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(1940) The successful error: A critical study of Freu-dian psychoanalysis. New York, Sheed & Ward

(1961) Existentialism and psychiatry. Springfield (IL),Thomas

Literatur zu Biografie und Werk

Handlbauer B (1984) Die Entstehungsgeschichte derIndividualpsychologie. Wien-Salzburg, Geyer

Livy A (2002) Rudolf Allers: Ein katholischer Indivi-dualpsychologe. In: Livy A, Mackenthun G (Hg),Gestalten um Alfred Adler: Pioniere der Individual-psychologie (S 27–36). Würzburg, Königshausenund Neumann

Mühlberger K (1990) Vertriebene Intelligenz 1938: DerVerlust geistiger und menschlicher Potenz an derUniversität Wien von 1938 bis 1945. Wien, Eigenver-lag der Universität

Schiferer R (1995) Alfred Adler: Eine Bildbiographie.München, Reinhardt

Strauss HA, Röder W (Eds) (1983) International bio-graphical dictionary of central European emigrés1933–1945, vol. II/1. München-New York-London-Paris, Saur [p 19]

Uehli Stauffer B (1995) Mein Leben leben: Else Frei-stadt Herzka 1899–1953. Zwischen Leidenschaft,Psychologie und Exil. Wien, Passagen

Clara Kenner

Ancelin Schützenberger, Anne

* 29.3.1919 in Moskau.

Hauptvertreterin des triadischen Psychodra-mas; entwickelte das Genosoziogramm.

Stationen ihres Lebens

Sie wächst im Paris der Zwischenkriegszeit auf,geprägt von der Tradition einer intellektuellen

russischen Großfamilie, deren Vorfahren Endedes 19. Jahrhunderts in den Westen emigrierten.Die Faszination, die das Psychologiestudiumfrüh auf sie ausübt, lässt sie ihr gesamtes Lebennicht mehr los, auch wenn sie ihr Studium erstspät, unter anderem auf Drängen J.L. → Mo-renos, abschließt. Geprägt von einem starkenGerechtigkeitssinn, besucht sie die Faculté deDroit der Universität Paris und schließt 1940 inStraßburg (Université repliée à Clermont-Fer-rand) ab. Während des Krieges engagiert sie sichin der Untergrundbewegung (Mouvement deLibération nationale) in Lozère und Montpel-lier und kehrt 1947 nach Paris zurück, um ihrStudium der Psychologie wieder aufzunehmen.1948 erhält sie den „Prix de l’Aide Alliée à laRésistance“ für ihre Verdienste im französi-schen Widerstand. 1947–68 arbeitet Ancelin ineinem Forschungszentrum (CERP), das sichder Untersuchung menschlichen Verhaltenswidmet, und leitet eine Forschungsabteilung, inder non-verbales Verhalten in einer Langzeit-studie untersucht wird. Deren Ergebnisse bil-den später die Grundlage ihrer Doktorarbeit(Gruppentherapie und Training) und Habilita-tion (Non-verbale Kommunikation). 1948 Hei-rat mit Marcel Paul Schützenberger (Professoran der Sorbonne und in Harvard, Mitglied derFranzösischen Akademie der Wissenschaften)in London. 1950–52 nimmt sie als erste Nicht-Amerikanerin am Gruppendynamiktraining ander Universität von Michigan (Ann Arbor) undin den National Training Laboratories (NTL)(in Bethel) in Kurt → Lewins Gruppe teil undarbeitet in der Folge mit Carl → Rogers, Marga-ret Mead und Gregory → Bateson und der PaloAlto-Gruppe bzw. in deren Forschungsgruppefür non-verbale Kommunikation. Zur selbenZeit wird sie Schülerin bei J.L. Moreno in Bea-con und James Enneis (St. Elisabeths Hospital,Washington, D.C.). Ancelin Schützenbergerstudiert bei E. Kübler-Ross und M. → Felden-krais in Paris. Ihre psychoanalytische Ausbil-dung erfolgt bei Robert Gessain, der in ihr alsAnthropologe das Verständnis für fremde Kul-turen vertieft, und bei Françoise → Dolto. IhreErfahrungen in Gruppenanalyse erfolgen beiS.H. → Foulkes und Eduardo Corteseao. Mo-reno aber ist es, der dazu beiträgt, in ihr diekreativen Bilder, den Sinn für Begegnung und

Ancelin Schützenberger, Anne

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die Hartnäckigkeit, den Leidenden zu helfen,zu entwickeln. 1951 wird sie Psychodramalei-terin am Moreno-Institut in New York. Nachihrer Rückkehr nach Frankreich 1953 beginntsie erstmals mit einer Psychodramagruppe inFrankreich, 1955 Gründung der „Groupe fran-çais d’études de sociométrie, dynamique desgroupes et psychodrame“, 1956/57 Installie-rung einer Psychodramagruppe mit Schizo-phrenen an der Frauenklinik der medizinischenFakultät in Paris unter der Leitung von JamesEnneis. 1956 organisiert und leitet sie auf Ein-ladung von Margaret Mead in Utrecht beim In-ternationalen Kongress für „New EducationFellowship“ das erste europäische experimen-telle Trainingsworkshop in Rollenspiel undPsychodrama. 1958 wird sie Mitbegründerinder Französischen Gesellschaft für Gruppen-psychotherapie und organisiert 1964 den erstenInternationalen Kongress für Psychodrama inParis. 1967 erfolgt die Berufung als Professorinfür Klinische Psychologie an die Universitätvon Nizza sowie an die Juridische Fakultät inParis; seit 1970 Expertin für Psychodrama beiden Vereinten Nationen. Trainerin für Psycho-drama in zahlreichen Ausbildungseinrichtun-gen in Frankreich („Ecole française de psycho-drame“, „P’Somatics“, „Institut La Source“).1973 Gründungs- und Vorstandsmitglied derInternationalen Gesellschaft für Gruppenpsy-chotherapie (IAGP). Es folgen 30 Jahre Aus-bildungstätigkeit in vier Kontinenten, zuerst inder Begleitung Jakob L. und Zerka → Morenos,später allein, regelmäßig in Skandinavien,Schweiz, Belgien und Quebec, aber auch psy-chotherapeutische Arbeit mit schwerkrankenMenschen sowie Forschungsarbeiten und zahl-reiche Veröffentlichungen.

Wichtige theoretische Beiträge undOrientierungen

Vertreterin des triadischen Psychodramas (Psy-chodrama, Soziometrie / Gruppendynamik undGruppenpsychotherapie) und damit Beschrei-ten eines anderen Wegs als durch die in Frank-reich weit verbreiteten psychoanalytischen Psy-chodramatiker (S. → Lebovici, M. Monod, D.→ Anzieu). Später entwickelt sie, basierend aufden Arbeiten von Ivan → Boszormenyi-Nagy,

Nicolai Abraham, Francoise Dolto und J.L.Moreno, das Genosoziogramm. Ihr Ansatzwurde zweifellos befruchtet durch die frühenKontakte mit den Anthropologen M. Mead undG. Bateson, aber auch durch ihre vertieftenStudien zur non-verbalen Kommunikation. Siebezieht sich unter anderem auch auf Paul →Watzlawick, Louis und Diana Everstine, denLinguisten Ray Birdwhistell und Erving Goff-man. Konzepte wie „family loyalities and book-keeping“ und „parentification“ (Boszormenyi-Nagy), „crypt and phantom“ (N. Abraham, M.Torok), „Ersatzkind-Phänomen“ (André →Green) und das „Jahrestags-Syndrom“ (Jose-phine Hilgard), die Beobachtung non-verbalerSignale und das „Hören mit dem dritten Ohr“(T. → Reik) sind wesentliche Werkzeuge in ih-rer Arbeit, während sie das „gemeinsame Be-wusste und Unbewusste der Gruppe“ (J.L.Moreno) über freie Assoziation mitnutzt, umunbekannte Verknüpfungen aufzufinden. DasGenosoziogramm oder „contextual transgene-rational psychogenealogy“ ist eine visuelle so-ziometrische Repräsentation eines Familien-baumes, die Familien- und Vornamen, Orte,Daten, örtliche Ereignisse, Bindungen und we-sentliche Lebensereignisse enthält. Es unter-scheidet sich vom einfachen Genogramm in derAusführlichkeit und rekonstruiert die Vergan-genheit so weit wie möglich, oft über zwei Jahr-hunderte.

Wesentliche Publikationen

(1966) Précis de psychodrame. Paris, Editions Univer-sitaires [dt.: (1979) Psychodrama: Ein Abriß. Erläu-terung der Methode. Stuttgart, Hippokrates]

(1971) La Sociométrie. Paris, Editions Universitaires(1977) Das triadische Psychodrama: Gruppenanalyse,

Gruppendynamik und Psychodrama. Übersichtnach 20 Jahren Erfahrung mit triadischen Gruppen.Integrative Therapie 1: 10–19

(1981) Le jeu de rôle. Paris, ESF(1985) Vouloir guérir, l’aide au malade atteint d’un

cancer. Paris, DDB(1986) Stress, cancer, liens transgénérationnels. Ques-

tion de Médecines Nouvelles et Psychologies Trans-personnelles (numéro spécial) 64: 77–101

(1991) The drama of the seriously ill patient: Fifteenyears experience of psychodrama and cancer. In:Holmes P, Karp M (Eds), Psychodrama: Inspirationand technique (pp 103–205). London-New York,Routledge/Tavistock

Ancelin Schützenberger, Anne

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(1993) Aïe, mes aïeux! Liens transgénérationnels, se-crets de famille, sindrome d’anniversaire et pratiquedu génosociogramme. Paris, DDB [dt.: (2001) Oh,meine Ahnen! Wie das Leben unserer Vorfahren inuns wiederkehrt. Heidelberg, Carl Auer-Systeme]

(2000) Health and death: Hidden links through the fa-mily tree in psychodrama and trauma. Dealing withthe pain. In: Kellermann PF, Hudgins MK (Eds),Psychodrama with trauma survivors: Acting outyour pain (pp 283–299). Philadelphia-London, Jes-sica Kingsley

Literatur zu Biografie und Werk

Ancelin Schützenberger A (2001) Draft pre-history ofpsychodrama in Western Europe. In: Fontaine P(Ed), Psychodrama training: A European view,2th ed. (pp 25–38). Leuven, Fepto Publications

Jutta Fürst

Andersen, Tom

* 2.5.1936 in Oslo, Norwegen.

Schöpfer des Reflektierenden Teams, mittler-weile Standard der systemischen Therapie undspezifische Form eines therapeutischen Settings.

Stationen seines Lebens

Tom Andersen absolvierte nach einer Gymna-sialausbildung das Studium der Allgemeinmedi-zin, das er 1961 abschloss. In weiterer Folgespezialisierte er sich auf den Bereich der Psych-iatrie und erhielt schließlich eine Professur fürSozialpsychiatrie an der Universität von Trom-sö in Nordnorwegen, wo er heute noch tätig ist.

Neben diesem Lehrauftrag ist Tom Andersenals Arzt und Supervisor tätig.

Wichtige theoretische Beiträge undOrientierungen

In seiner Eigenschaft als Sozialpsychiater undSupervisor beschäftigte sich Tom Andersen vonje her mit der praktischen Arbeit von Sozialar-beitern, Kinderschwestern, Physiotherapeutenund Ärzten in Gebieten mit unterentwickelterInfrastruktur. Gleichzeitig bemühte er sich, seintheoretisches und methodisches Repertoire zuerweitern. Dabei stieß er einerseits auf die Phy-siotherapeutin Aadel Bülow-Hansen, eine Mit-arbeiterin des in Norwegen populären Psychia-ters Trygve Braatoey. Bülow-Hansen beein-druckte Andersen mit ihren Beobachtungenüber Spannungszustände bei physisch oderemotional belasteten Personen und deren Be-handlung. Daneben begann er sich mit Gregory→ Batesons öko-systemischen Ansätzen, denbiologischen Theorien Humberto → Matura-nas, von → Foersters und von Glasersfelds ky-bernetisch-konstruktivistischen Gedanken undden Arbeiten der Mailänder Gruppe um Mara→ Selvini-Palazzoli auseinanderzusetzen. Einwesentlicher Impuls ging jedoch von seinen inden 1980er und frühen 1990er Jahren erfolgtenBegegnungen mit Harold A. → Goolishian vomGalveston Family Institute in Texas aus. Beson-ders der Ansatz des „ProblemdeterminiertenSystems“ half ihm im Rahmen seiner prakti-schen und supervisorischen Tätigkeit beim Ver-ständnis des Umgangs mit sogenannten „stillstehenden“ Systemen. D. h., Goolishians Hy-pothese, dass ein Problem ein System konstitu-iert und nicht umgekehrt, führte bei Andersenzu weitreichenden Schlussfolgerungen. Er gingim Zusammenhang mit Batesons („Unterschie-de, die einen Unterschied machen“) und Ma-turanas Hypothesen („strukturelle Koppelungbei gleichzeitiger Integrität biologischer Syste-me“) dazu über, den Therapeuten und dessenSicht-, Kommunikations- und Interventions-weisen bezüglich der Klienten („beobachtetesSystem“) zu hinterfragen und ihm ein „beob-achtendes System“ als paradigmatische Alterna-tive anzubieten. Dieses „beobachtende System“sollte sein Hauptaugenmerk auf die im Hier-

Andersen, Tom

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und-Jetzt stattfindenden positiven Bemühun-gen richten. Weiters sollten diagnostische Be-wertungen vermieden und positive Zukunfts-szenarien und Ideen generiert werden. Da essich dabei um Konversation in Form von Refle-xion handeln sollte, wurde von Andersen dafürder Begriff des „Reflektierenden Teams“ einge-führt, der von da an untrennbar mit seinemNamen verbunden ist. In der Folge seiner Pu-blikationen verbreitete sich dieser Ansatz so-wohl in Europa als auch in Amerika und zähltmittlerweise zum Standard systemischer Me-thodik. Tom Andersen ist die längste Zeit seinesberuflichen Lebens in Nordnorwegen tätig undkümmert sich in besonderem Maße um eineadäquate sozialmedizinische und psychothera-peutische Versorgung dieses dünnbesiedeltenGebietes. Er ist neben seiner lehrenden undpraktischen Tätigkeit als Universitätsprofessor,Arzt und Supervisor besonders daran interes-siert, einen kontinuierlichen, staatenübergrei-fenden Erfahrungsaustausch von Praktikern iminfrastrukturell mit besonderen Schwierigkei-ten konfrontierten hohen Norden herzustellen.Dementsprechend beteiligt er sich in entschei-dender Weise an der Organisation periodischerZusammenkünfte von Ärzten, Psychologen,Sozialarbeitern, Physiotherapeuten und Kin-derschwestern aus Nordnorwegen, Nord-schweden, Nordfinnland und Nordrußland.

Wesentliche Publikationen

(1984) Consultation: Would you like co-evolution in-stead of referral? Family Systems Medicine 2: 370–379

(1987) Systemisches Denken und systemisches Han-deln in Nordnorwegen: Ein Gespräch mit TomAndersen. Zeitschrift für systemische Therapie 5:95–100

(1990) The reflecting team: Dialogues and dialoguesabout the dialogues. Broadstairs, Borgmann [dt.:(1990) Das Reflektierende Team: Dialoge und Dialo-ge über die Dialoge. Dortmund, Modernes Lernen]

(1991) Beziehung, Sprache und Verstehen in reflektie-renden Prozessen. Systeme 5: 102–111

(1995) Reflecting processes: Acts of informing and for-ming. You can borrow my eyes, but you must nottake them away from me! In: Friedman S (Ed), Thereflecting team in action (pp 11–37). New York,Guilford Press

(1997) Steigerung der Sensitivität des Therapeutendurch einen gemeinsamen Forschungsprozeß von

Klienten uund Therapeuten. Zeitschrift für systemi-sche Therapie 15: 160–167

Fredman G, Andersen T (1998) Death talk: Conversa-tions with children and families. London, KarnacBooks

Ferdinand Wolf

Andreas-Salomé, Lou

* 12.2.1861 in St. Petersburg; † 5.2.1937 in Göttingen.

Schriftstellerin, „Muse“ und Förderin der psy-choanalytischen Bewegung.

Stationen ihres Lebens

Andreas-Salomé stammte aus der aristokrati-schen Oberschicht St. Petersburgs. Sie besuchteeine englische Privatschule, dann die protestan-tisch-reformierte Petrischule in St. Petersburg.Im September 1880 begann sie ihr Studium derPhilosophie und Religionswissenschaften inZürich, brach jedoch aus gesundheitlichenGründen ihr Studium ab. Zur Erholung ging sienach Holland und Italien, wo sie FriedrichNietzsche und Paul Rée kennenlernte. 1882übersiedelte sie nach Berlin, nahm am philoso-phischen Kreis Rées teil, und 1885 erschien ihrerstes Buch „Im Kampf um Gott“. Nach ihrerHeirat mit dem Orientalisten Carl FriedrichAndreas zog sie mit ihm nach Göttingen undhat vor allem schriftstellerisch gearbeitet. Mitihrem 1894 erschienenen „Friedrich Nietzschein seinen Werken“ hat sie sich einen Ruf alsSchriftstellerin begründet. Die Arbeit stellt eineerste Analyse der Werke Nietzsches dar. Siezählte zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu denbedeutendsten Frauen der Geistesgeschichte in

Andreas-Salomé, Lou

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Europa. Andreas-Salomé lernte auch RainerMaria Rilke kennen und verfasste über ihn nachseinem Tod ebenfalls ein Buch. → Freud be-zeichnete sie als Muse und Mutter für Rilke.Zusammen mit dem Dichter hatte sie zweiRusslandreisen unternommen, über ihn kam sieauch mit der Psychoanalyse in Berührung. DerStockholmer Psychotherapeut Poul Bjerreführte sie am Dritten Internationalen Psycho-analytischen Kongress in Weimar bei den Psy-choanalytikern ein. Anschließend begab sie sichzur Psychoanalyse bei Sigmund Freud in Wien,führte Tagebuch über ihre Erfahrungen im Win-ter 1912/13 und veröffentlichte die Erinnerun-gen unter dem Titel „In der Schule bei Freud“.Dass sie auch in der Wiener Literatenszene be-kannt war, bezeugt der Vortrag des VerlegersHugo Hellers, der eine Woche vor ihrem erstenBesuch in der Wiener Psychoanalytischen Ver-einigung über sie referierte. Sie nahm in Wienauch bei den Vereinssitzungen Alfred → Adlersteil, und sammelte – vermittelt über ihrenFreund Viktor Tausk – Erfahrungen an der Kli-nik Frankl-Hochwarts. 1913 erschien in derZeitschrift „Imago“ ihre erste psychoanalyti-sche Arbeit unter dem Titel „Vom frühen Got-tesdienst“, und im gleichen Jahr begann sie ihrepsychoanalytische Praxis in Göttingen aufzu-bauen. Sie blieb eine enge Vertraute der FamilieFreud, mit Sigmund Freud korrespondierte sieregelmäßig, mit → Anna Freud arbeitete sieauch wissenschaftlich zusammen. Der wissen-schaftliche Austausch mündete in die gemein-same Arbeit über „Schlagephantasie und Tag-traum“, die Anna Freud als Aufnahmevortragin der Wiener Psychoanalytischen Vereinigungvortrug. Daraufhin wurden beide Frauen Mit-glieder des Vereins. Sie analysierte an der Klinikfür Interne Medizin in Königsberg 1923/24.Später schrieb sie einen autobiografischen „Le-bensrückblick“ und 1931 erschien ihre Würdi-gung der Psychoanalyse, „Mein Dank anFreud“, anlässlich Freuds 75. Geburtstages. Siestarb 1937 in Göttingen. Ihre psychoanalyti-schen Arbeiten sind weniger zahlreich als ihreliterarischen Produktionen; 1914 erschien in derZeitschrift Imago „Zum Typus Weib“; Ap-pignanesi und Forrester (1992: 269) schriebendazu: „As in so much of her writing, Lou castsher theories here in her own image. The cheerful

egoism, the gift for happiness she attributes tothe feminine, the intuition of a primal unity, isall hers; as is the spiritualization of the sexual,the ability to identify wholly and merge withman – the representative of god – while stillmaintaining the sovereign integrity of her ownperson.“ Weniger um die Stufen des Entwick-lungsgangs der Frau ging es als um ein positivesnarzisstisches Lebensgefühl. Ihre 1916 ebenfallsin der Zeitschrift Imago erschienene Arbeit„Anal und Sexual“ hat auf Freud Eindruck ge-macht, und er hat sie öfters zitiert. Sie be-schreibt die Wichtigkeit des analen Erotismus inder Entwicklung des Kleinkindes, ihrer Mei-nung nach ist das anale Erlebnis, erst die Ver-drängung der analen Lust, dann die eventuelleKontrolle, mit der menschlichen Kreativitätverbunden. Andreas-Salomé unterstreicht dieWichtigkeit der frühen Kindheit eher im meta-physischen Sinn als im psychoanalytischen. Inihrer 1921 veröffentlichten langen Arbeit „Nar-zißmus als Doppelrichtung“ erweitert sie denNarzissmus-Begriff Freuds. Es handelt sichbeim Narzissmus nicht um einen Abschnitt, einDurchgangsstadium, sondern um die lebens-lange Selbstliebe. Andreas-Salomé war eine derbedeutendsten Frauen der Geistesgeschichte inEuropa zu Beginn des 20. Jahrhunderts, ihrepsychoanalytischen Erfahrungen spiegeln sichin ihrem literarischen Werk, ihre Themen krei-sen um die Deutung der weiblichen Sexualitätund Emanzipation der Frau.

Wesentliche Publikationen

Lou H [Pseudonym] (1885) Im Kampf um Gott. Leip-zig, Verlag Wilhelm Friedrich

(1894) Friedrich Nietzsche in seinen Werken. Wien,Carl Konegen [Nachdr.: (1983) Frankfurt/M., Insel]

(1913) Vom frühen Gottesdienst. Imago 2: 457–467(1914) Zum Typus Weib. Imago 3: 1–14(1915/16) „Anal“ und „Sexual“. Imago 4: 249–273(1921) Narzißmus als Doppelrichtung. Imago 7: 361–

386(1923) Ródinka: Eine russische Erinnerung. Jena,

Eugen Diedrichs [Nachdr.: (1985) Berlin, Ullstein](1928) Rainer Maria Rilke. Leipzig, Insel(1931) Mein Dank an Freud. Wien, Internationaler

Psychoanalytischer Verlag(1951) Lebensrückblick: Grundriß einiger Lebenserin-

nerungen (hg. von E. Pfeiffer). Zürich, Max Niehans(1958) In der Schule bei Freud: Tagebuch eines Jahres

(1912/13) (hg. von E. Pfeiffer). Zürich, Max Niehans

Andreas-Salomé, Lou

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Literatur zu Biografie und Werk

Appignanesi L, Forrester J (1992) Freud’s women.London, Weidenfeld & Nicolson [dt.: (1994) DieFrauen Sigmund Freuds. München, List]

Freud S, Andreas-Salomé L (1966) Briefwechsel (hg.von E. Pfeiffer). Frankfurt/M., Fischer

Mühlleitner E (1992) Biographisches Lexikon der Psy-choanalyse: Die Mitglieder der PsychologischenMittwoch-Gesellschaft und der Wiener Psychoana-lytischen Vereinigung 1902–1938. Tübingen, Edi-tion diskord

Rothe D, Weber I (Hg) (2001) „… als käm ich heim zuVater und Schwester“. Lou Andreas-Salomé – AnnaFreud Briefwechsel 1919–1937. Göttingen, Wall-stein

Weber I, Rempp B (1990) Das „zweideutige“ Lächelnder Erotik. Freiburg i. B., Kore

Welsch U, Wiesner M (1988) Lou Andreas Salomé:Vom Lebensurgrund zur Psychoanalyse. München-Wien, Verlag Internationale Psychoanalyse

Elke Mühlleitner

Ansbacher, Heinz L.

* 21.10.1904 in Frankfurt/M.

Systematiker der Adlerschen Individualpsy-chologie.

Stationen seines Lebens

Er kam 1924 in die USA und arbeitete in NewYork an der Börse. Er lernte Alfred → Adler imFrühjahr 1930 kennen, als dieser Vorträge ander Columbia University hielt. Ansbacherwandte sich in der Folge mit persönlichen Fra-

gen an den Begründer der Individualpsycholo-gie, eine war seine berufliche Unzufriedenheit.Adler schlug ihm vor, Psychologie zu studierenund lud ihn auch nach Wien ein, um bei Char-lotte und Karl Bühler und ihm selber Kurse zubesuchen. 1933 lernte Ansbacher unter gütigerMithilfe Adlers seine spätere Frau Rowena ken-nen, die bereits 1929 bei Charlotte → Bühlerdissertiert hatte. 1934 heirateten sie und be-kamen zwischen 1935 und 1942 vier Söhne.Ansbacher verfolgte sein Ziel, Psychologie zustudieren und schloss 1937 mit dem Doktorat inPsychologie an der Columbia University ab.Verschiedene Tätigkeiten folgten, zum BeispielÜbersetzer- und Herausgeberaufträge und eineAnstellung bei der Psychologischen Kriegs-führung während des Zweiten Weltkriegs.1946–54 war Ansbacher „Associate Professorof Psychology“ an der University of Vermont,1954–70 lehrte er dort als ordentlicher Profes-sor. Von 1935 an publizierte er regelmäßig; seinePublikationsliste umfasst über 400 Arbeiten,unzählige Vorlesungen, Seminare und unveröf-fentlichte Beiträge nicht eingerechnet. In einemautobiografischen Beitrag (1994: 439) hat Ans-bacher selber sein Leben in drei Abschnitte ein-geteilt: 1904–32: Jugend und ungewisse Suche;1933–50 auf dem Weg zum etablierten Psycho-logen, zum Ehemann und Familienvater und ab1951: Systematisierung, Verbreitung und Vor-wärtsbringen der Adlerschen Theorie. Diedritte Phase schätzte er als die in wissenschaft-licher Hinsicht bedeutendste ein. ZahlreicheMitgliedschaften in psychologischen Gesell-schaften und akademische Ehrungen folgten,1957–60 war er Präsident der amerikanischenGesellschaft für Individualpsychologie, 1957–73 zusammen mit seiner Frau Herausgeber des„Journal of Individual Psychology“, seit 1969Ehrenmitglied der „Deutschen Gesellschaft fürIndividualpsychologie“, seit 1982 Ehrenpräsi-dent der „Internationalen Vereinigung für Indi-vidualpsychologie“.

Wichtige theoretische Beiträge undOrientierungen

Alfred Adler selber kam nie zu einer umfassen-den systematischen Zusammenfassung seinerLehre. Das Verdienst von Heinz und Rowena

Ansbacher, Heinz L.