Mitschrift vom 19.3 - univie.ac.at · Dichtung im Dialekt (Dialektdichtung -> Mundartdichtung)....

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Mitschrift vom 19.3.2004 19.Jh: Durchsetzung der Schriftsprache durch Schule (allgemeine Schulpflicht bereits eingeführt) -> Auseinandersetzung mit der mündlichen Sprache (Dialekt) – regionale Unterschiede – Soziale Gesinnung. Umgangssprache bildet sich – Ausgleichsprodukt zwischen Dialekten. Schriftsprache notwendig in alltäglicher Kommunikation aufgrund von Mobilität der Menschen. Industrialisierung als Voraussetzung. Städte/Verstädterung der Bevölkerung, Stadt als Produktionsstätte. Schriftsprache wird normiert. Reformen. Grundpfeiler der Vorlesung: Zeitliche Eingrenzung: Sicht von Historikern/Sprachgeschichtsforschern. Gesellschaftliche Bindung der Sprache – Sprachschichten Normierung der Schriftsprache Orthografiereformen Morphologische Entwicklungen Syntaktische Entwicklungen Entwicklung des Wortschatzes Zeitliche Begrenzung und Einteilung der Sprachgeschichte des 19. und 20. Jh. Geschichtlicher Beginn des 19. bzw. 20. Jh. nicht auf Jahreszahlen genau festlegbar. Französische Revolution 1789 und Folgen als Einschnitt. Gerhard Ritter 1959/62 / Hans Herzfeld: „Die moderne Welt 1789-1945“ (über das 19&20. Jh.) beginnt mit 1789 und endet mit 1945. Damit beginnt hier mit dem Ende des 2. Weltkrieges die Gegenwart. 1789-1890 ->19. Jh., ab 1890 Vorbereitungen auf 1. Weltkrieg ->20. Jh. von 1890-1945. Andererseits: Mit 1918 völlige Neuordnung -> neue nationale Entwicklungen, . Viele Historiker sehen 1918 als Ende des 19. Jahrhunderts. 1. Weltkrieg zum ersten, 2. Weltkrieg zum zweiten Einschnitt nach anderen Ansichten/Einteilungen. Periodisierung der Sprachgeschichte jedoch anders. Adolf Bach 1934 schreibt über Sprachgeschichte. Hans Eggers: Taschenbuch in 4 Bänden über Sprachgeschichte + fünfter, selbstständiger Band für Gegenwart. Beide sehen sprachgeschichtlichen Beginn des 19. Jh. im Jahr 1830. Geistesgeschichtliche Einteilungen: Goethe stirbt 1832. Ende der klassisch- romantischen Periode. Junges Deutschland. Um 1830: Industrialisierung setzt ein – Verstärkung der Umgangssprache, Rückgang der Dialekte, Journalismus/Zeitungslektüre nimmt zu. Gegenwartssprache setzt im letzten halben Jahrhundert ein. Stefan Sonderegger / Wilhelm Schmidt – Einteilung und Klassifizierung gleich. Folgt Historikern, lässt 19. Jh. um 1800 beginnen. Aufgrund der klassischen Dichtungen von Goethe und Schiller -Höhepunkte. Schriftsprachliche Entwicklung – Form der Schriftsprache. Gottsched: Vereinheitlichung der Schriftsprache erst in der Schweiz, 1750 in Österreich, 1760 in Bayern übernommen. Sprache nach besten Schriftstellern und Zentrum der Sprache gerichtet. Historische Grammatik. Adelung – Gottscheds Nachfolger. Bibliothekar am Hof von Dresden. Schulgrammatik eingeführt, „grammatisch kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart“, 1774-1786 – 1. Auflage in 5 Bänden. Mundart ist nicht gleich Dialekt!

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Mitschrift vom 19.3.2004

19.Jh: Durchsetzung der Schriftsprache durch Schule (allgemeine Schulpflicht bereitseingeführt) -> Auseinandersetzung mit der mündlichen Sprache (Dialekt) – regionaleUnterschiede – Soziale Gesinnung. Umgangssprache bildet sich – Ausgleichsproduktzwischen Dialekten. Schriftsprache notwendig in alltäglicher Kommunikationaufgrund von Mobilität der Menschen. Industrialisierung als Voraussetzung.Städte/Verstädterung der Bevölkerung, Stadt als Produktionsstätte. Schriftsprachewird normiert. Reformen.

Grundpfeiler der Vorlesung: � Zeitliche Eingrenzung: Sicht von Historikern/Sprachgeschichtsforschern.� Gesellschaftliche Bindung der Sprache – Sprachschichten� Normierung der Schriftsprache� Orthografiereformen� Morphologische Entwicklungen� Syntaktische Entwicklungen� Entwicklung des Wortschatzes

Zeitliche Begrenzung und Einteilung der Sprachgeschichte des 19. und 20. Jh.Geschichtlicher Beginn des 19. bzw. 20. Jh. nicht auf Jahreszahlen genau festlegbar.Französische Revolution 1789 und Folgen als Einschnitt. Gerhard Ritter 1959/62 /Hans Herzfeld: „Die moderne Welt 1789-1945“ (über das 19&20. Jh.) beginnt mit1789 und endet mit 1945. Damit beginnt hier mit dem Ende des 2. Weltkrieges dieGegenwart. 1789-1890 ->19. Jh., ab 1890 Vorbereitungen auf 1. Weltkrieg ->20. Jh.von 1890-1945. Andererseits: Mit 1918 völlige Neuordnung -> neue nationale Entwicklungen, . VieleHistoriker sehen 1918 als Ende des 19. Jahrhunderts. 1. Weltkrieg zum ersten, 2.Weltkrieg zum zweiten Einschnitt nach anderen Ansichten/Einteilungen.Periodisierung der Sprachgeschichte jedoch anders. Adolf Bach 1934 schreibt überSprachgeschichte. Hans Eggers: Taschenbuch in 4 Bänden über Sprachgeschichte +fünfter, selbstständiger Band für Gegenwart. Beide sehen sprachgeschichtlichenBeginn des 19. Jh. im Jahr 1830. Geistesgeschichtliche Einteilungen: Goethe stirbt 1832. Ende der klassisch-romantischen Periode. Junges Deutschland. Um 1830: Industrialisierung setzt ein –Verstärkung der Umgangssprache, Rückgang der Dialekte,Journalismus/Zeitungslektüre nimmt zu. Gegenwartssprache setzt im letzten halbenJahrhundert ein.Stefan Sonderegger / Wilhelm Schmidt – Einteilung und Klassifizierung gleich.Folgt Historikern, lässt 19. Jh. um 1800 beginnen. Aufgrund der klassischenDichtungen von Goethe und Schiller -Höhepunkte. Schriftsprachliche Entwicklung –Form der Schriftsprache. Gottsched: Vereinheitlichung der Schriftsprache erst in der Schweiz, 1750 inÖsterreich, 1760 in Bayern übernommen. Sprache nach besten Schriftstellern undZentrum der Sprache gerichtet. Historische Grammatik.Adelung – Gottscheds Nachfolger. Bibliothekar am Hof von Dresden.Schulgrammatik eingeführt, „grammatisch kritisches Wörterbuch der hochdeutschenMundart“, 1774-1786 – 1. Auflage in 5 Bänden. Mundart ist nicht gleich Dialekt!

Festlegung von Formen. Wirksamkeit beginnt vor allem im 19. Jh. Grammatik –Aussprachelehre. Vieles in Handbücher; in Schulen verbindlich. Bis 1860unverändert. Mit Adelung – großer Einschnitt für die genormte Sprache; Goethe undSchiller ließen Werke nach Regeln von Adelung umarbeiten.Gegner von Adelung: Grillparzer. Es gab immer schon Widerstände gegenSprachreformen. Sonderegger: um 1800 hinsichtlich der Morphologie und Lexik verbindliche Gestalt.Sprachliches Ausdrucksniveau auf Höhepunkt sprachkünstlerischer Entwicklung undvon bürgerlichen Gesellschaft als höchster Maßstab angesehen.Adelung zählt Heteronyme (gleiche Bedeutung mit unterschiedlicher Beschriftung)von 1800 an bis zur 2. Hälfte des 19. Jh.: Adelungsche Normen vermitteln – auchWortschatz ->Ostmitteldt. Sprachraum (Dresden) als Erstwahl. 1945 alsentscheidender Einschnitt, aber es gibt kontinuierliche Übergänge (sowohl zeitlich alsauch räumlich).

Sprachschichtung im 19/20. Jh.18.Jh. Etablierung der Schriftsprache. Hochdeutsch, demgegenüber Dialekt. Frühervor allem bei der sozial niedriger gestellten Bevölkerung. Mit 2. Hälfte des 19. Jh.Entstehung eines Mitteldings: Ausgleichsform, welche die Unauffälligkeiten desDialekts beibehalten hat: Umgangssprache. Dialekt: Volkstümliche Bezeichnungbodenständiger Sprechweise im südl. Bereich: Bayern, Baden Wüttenberg, Schweiz...Westmitteldeutscher Raum: Plattdeutsch. Sprache im flachen Land: In Städtendennoch Hochdeutsch -> platt als minderwertig angesehen. 18. Jh.: Mundart:Regionale hochdeutsche Redeweise.

Unter Hochdeutsch sowohl Schrift als auch Sprache verstanden ->Unterschiedlichkeit als Mundart bezeichnet. 19. Jh. mit Ablehnung von Abweichenvon Norm, gegen den Ausdruck „Mundart“. Mundart von nun an als Wort für Dialekt.Zum anderen auch aus Ablehnung von Fremdwörtern (Auswirkungfranzösisch/napoleonischer Kriege). Ablehnung von Fremdwörtern, Pflege derDichtung im Dialekt (Dialektdichtung -> Mundartdichtung). „Hochsprache“ bis ca.1970, amerikanische Linguistik bringt Begriff der „Standardsprache“ (Hochlatung /gemäßigte Hochlautung)Volkssprache (1. Hälfte des 20. Jh) Sprachinhaltforschung – Neohumboldtianismus.Neoromantik (Gerhart Hauptmann – „Die versunkene Glocke“, nicht mehrnaturalistisch wie „Vor Sonnenaufgang“)Brentano, Achim von Arnim: Balladen – Gedichte, Volksliedersammlung – Ausdruckdes Volksgeistes. Ebenso Grimm: Volksmärchen, Volkssprache, Volksgeist.1920/1930 Wiederbelebung.Zeitgenössische Autoren über Verteilung und Gebrauch verschiedener Sprachformen.Grimm über Lautlehre, geregelte Analogien. „Pöbel“ damals einfach als Ausdruck für„Volkstümlich“. Pöbelsprache. Städtische mit herrischer Sprache, markisch für Marktund bäurisch für Land. Das „a“ im Herrischen wird zu „oa“ am Land.Bürger in Kleinstädten. Von Großstadt auf Kleinstädte, von Dorf aufs Ländliche.1800 Hochschätzungen der Schriftsprache durch Goethe. Umgangssprache nimmt zu,Übergänge zwischen Sprachebenen. 1889 – Friedrich Kaufmann findet breitesRegister an verschiedenen Sprachebenen. In kleinen Dörfern. Jeder Gesellschaftskreishat eigene Sprechweise. Im oberdt. Raum schon im 19. Jh. Differenzierung nachgesellschaftlichen Schichten.

Mitschrift vom 26.3.2004

Einzig die Schweiz tanzt aus der Reihe, was die Differenzierung nachgesellschaftlichen Schichten angeht. 1819: Franz Joseph Stadtler (Siehe Handout„Zeitgenössische Urteile über den Sprachgebrauch“ - Pkt. 3) bemerkt: Es gibt kaumUnterschiede in der Volkssprache zwischen gesellschaftlichen Schichten. So langeDeutsch-Schweizer unter sich sind: Dialekt, erst wenn nicht-Deutsch-Schweizerhinzukommen Hochdeutsch bzw. Französisch.Ansonsten im deutschsprachigen Raum: Mundart verdrängt Dialekt(Industrialisierung, Technisierung). Zuwanderung in die Städte. Dialekte als gefährdetbetrachtet. Firmenich (1844-1867 Aufzeichnung der Dialekte im dt. Sprachraum),Versuch, Dialekte vorm Untergang zu bewahren - „Germaniens Völkerstimmen“ -Romantik. Fülle neuer Großstädte (ab 100.000 Einwohnern) ab 1871. Bis dato 8Großstädte (Köln, Nürnberg etc.). Bis 1910 Anzahl der Großstädte versechsfacht (48Großstädte). Arbeiterschaft verwendet Umgangssprache, um Dialekt zu vermeidenund sich an „bürgerliche“ Mundart anzupassen. Dialektunterschiede ausgleichen.Große Unterschiede im Laut- und Wortschatz. Umgangssprache als kleinstergemeinsamer Nenner. Süden gegenüber der Mitte unterschiedlich verhalten. Immitteldeutschen Gebiet andere Verhältnisse. Sprechweise der höheren Schichten alsschön und schriftnah angesehen (- Heute wird Sächsisch eher nicht als „schön“empfunden).Schiller und Wieland Schwaben, Goethe ein Hesse – diese wurden als schönempfunden -> starke Abwertung des Sächsischen. Schwäbisch en vogue.[Textauszug #7 vom Handout Zeitgenössische Urteile...] - Bürgerklasse gibt Dialektauf -> Durchsetzung der Umgangssprache höherer Schichten, weil auch sozial niederGestellte sich nach Umgangssprache der Bürgerlichen richten. Im Süden setzt sichregional Dialekt stärker durch. Entstehung der Schriftsprache im Osten. Plattdeutschdurchgehend rückläufig, besonders im Süden. Schriftsprachenwechsel zumHochdeutschen durch Reformation, Prediger die herumwanderten – Nord-SüdBewegung. Je niedriger der Stand, umso platter. Durch Industrialisierung –schulisches Hochdeutsch setzt sich durch. Bis etwa um 1900 Hoch- und Niederdt. zueiner Mischsprache werden = Missing(i)sch (Meißen – Meißnisch reden) -> Niederdt.streben Hochdt. an. Syntax und Wortwahl niederdeutsch Bestimmt, aber inhochdeutscher Lautung. [Textauszug #8 vom Handout Zeitgenössische Urteile...]Paul Beckmann [Textauszug #9...].Rückgang des Plattdt. - fallende Linie bis etwa 1970, ab den 80ern: Ansteigen -„Angst“ davor, durch EU Beitritt starke Vereinheitlichung zu erfahren –Infolgedessen das Regionale wieder verstärkt. Niederdeutschkurse an Schulen ausdem Boden geschossen, Radio Bremen mit Plattdeutschsendungen, Zeitungen mitPlattdeutschartikeln... etc. Plattdeutschboom, Statistiken steigen an, in Wahrheit wohleher nicht. Viele transponieren nur -> Hyperkorrektismen, künstliches Platt.Im Süden des niederdt. Raums ist Nierderdt. Kaum vorhanden. Schönfeld inMagdeburg [Textauszug #10...]. Bei Schiffern, Fischern und Handwerkern nochlängere Zeit erhalten.

Normierung der deutschen Schriftsprache / Aussprache / SchreibungGeregelte und anerkannte Normierung von Orthographie und Aussprache. Gottsched:Bemühen einheitliche Schriftsprache durchzusetzen. Anfangs in der Schweiz, 1750im Habsburger Ö, 1760 in Bayern. Bis zur Durchsetzung: Schulreform. 1740-80:Durchsetzung in Druck und Presse. Gottsched auch nicht ganz durchgeplant (z.B.:

Ochs vs. Ochse)Adelung vervollständigt dies. 1788: „Vollständige Anweisung zur deutschenOrthographie nebst einem kleinen Wörterbuche für die Aussprache, Orthographie,Biegung und Ableitung“. Leipzig 1788. (Biegung=Grammatik). RegionaleAbweichungen von Adelung. Gründung des Deutschen Bundes: 39 Staaten – dann auf 5-6 Reduziert (Dt. Reich). 40(bzw. 41) Kulturhoheiten. Auch Heute in Deutschland: Jedes Bundesland miteigenem Bildungsministerium.Deutsche Orthografie: Probleme resultieren aus 2 Wurzeln. 1) Orthografie aus älterenSprachstadien in Zusammenhang mit Aussprache und Schreibung entwickelt ->Diskrepanzen. 2) Gelehrte Eingriffe besonders des 17.Jh. Haben teilweise dieZusammenhänge von Schrift und Aussprache weiter gestört. Absicht waretymologisch bestimmt oder zur Unterscheidung von Homonymen. EtymologischeZusammenhänge verdeutlichen, bedeutungsverschiedene Homophone orthografischzu unterscheiden (Laib / Leib).->Eine Aussprache (=ein Phonem) mit verschiedenen Schreibweisen (Graphemen) –bis zu 4 Grapheme auf ein Phonem. Grundzüge der Orthografie1) Vokalquantität: Vokal kurz oder lang. Einfachste Darstellung:

Vokal + einfacher Konsonant=LängeVokal + zweifacher Konsonant=KürzeBeispiele: Raten / Ratten. Lasen ein Buch / Lassen es sein. Die Ofentür ist offen.Auch Iren können irren. Getan / der Tannenwald.

2) Länge des Vokals durch eigene Längenzeichen.a) Dehnungs-„h“ bei allen Vokalen. Hahn, Kühl, Reh, Weh...b) Vokal verdoppeln: Vor allem beim „e“ - Schnee, See, Klee... erst im 17. Jh.um Homophone zu differenzieren: Waagen / Wagen. Seele / Selig. Doppel-„o“. Das Boot / der Bote. Das Beet / das Bett. Allee / Alle.c) Dehnungs-„e“: Lieb, Brief. MHD Diphtong: Lieb, Brief, aber wie einMonophtong ausgesprochen, mit i: Sieben, dies. Dehnungs-e im Norddt. Soest /Itzehoe, nicht als „ö“ sondern als langes „o“ ausgesprochen. Straelen – langes a,Duisburg – als „Düsburg“ ausgesprochen.

3) Wahrung grafischer Zusammenhängebei Umlautschreibung: Ü, MHD:(rechts: schematische Darstellung)ä: gasti > gesti -> etymologischerZusammenhang: a+trema -> gästemahtig > mähtigehre/ähre (zur Bedeutungsdifferenzierung)diphtong: eu / äu – Mäuse / Leute. MHD iùäu: laut / läuteneu: Leute

4) Homophone gleichlautend, mit unterschiedlicher etymologischer Herkunft.Beispiele: Leib / Laib. Seite / Saite. Leeren / Lehren. Sohle / Salzsole. Namen / sienahmen. Lied / (Augen-)Lid. Wieder / wider. Das / dass (etymolog. ein und dasselbe Wort). Viel / fiel.

Mitschrift vom 2. April 2004

5) Lenis und Fortis im Konsonantismus – Unterscheidungd/t, b/p, g/k – Plosive, Unterscheidung im mitteldt. Raum. Im norddt. Raum nichtso stark unterschieden, teils aufgegeben bei g/k im An- In- und Auslaut.Leniskonsonanten werden nicht verdoppelt (Ausnahme Niederdt.: Paddeln).Bei frikativen Lauten; bei labialen: f v w // Veilchen / Feilchen, fiel / viel,Homophone - Differenzierung. W – stimmhaft – labiodental. Vier – stimmlos. Wir– stimmhaft. Ausnahme: Fremdwörter aus romanischen Sprachen: „v“ Stimmhaft –Violine. Villach – stimmlos, obwohl aus dem Romanischen stammend. „v“ nur initalienischen und französischen Fremdwörtern stimmhaft. Valentin (wie„Walentin“ gesprochen), oder das Lavant Tal in Kärnten („lafant“ gesprochen).s, ss, ß: Lenis s im An- In- und Auslaut. Sie lasen / er las. Fortis s: Maß.Kürze/länge des Vokals: reisen/reißen, grüßen/küssen.

Großschreibung der Substantiva. Normal in europ. Sprachen: Satzanfang,Eigennamen, Gottesname groß – gemäßigte Großschreibung. Im Deutschen:Substantiva und Substantivierungen auch groß.Ende des 13. Jh.: dt. Urkunde / Prosatext: Eigennamen groß geschrieben. NächsterSchritt: Leitende Begriffe groß geschrieben. Etwa in medizinischen TraktatenHeilmittel oder Krankheiten groß geschrieben. Teils auch Großbuchstaben ornamentalgroß geschrieben (z.B. in einem Text alle „s“ nur groß zu schreiben.)Luther, 16. Jh.: Systematische Großschreibung von Substantiva. Hohe Zahl anGroßschreibungen bei Substantiva. Grammatiker im 16. und 17. Jh. systematisierendas – Substantiva immer groß.Andere Sprachen: Subjekt, Verb (im Infinitiv), Objekt in einer fixen Ordnung. ImDeutschen Umkehrung möglich. Bsp.: „I found the way“ ist nicht das selbe wie „Theway I found“. Im dt.: „Ich hab' den Weg gefunden“ / „Den Weg hab' ich gefunden“das selbe.18.Jh.: Gewohnheit der Großschreibung.Inkonsequenzen: Mehrere Laute mit selben Buchstaben. Nicht unmittelbare Laut-Buchstabenbeziehung (Siehe Handout Zeitgenössische Urteile... Rückseite bzw. Blatt2) Dieter Nerius (Hrsg.) – Deutsche Orthographie (Siehe Bibliografie)Gruppe der funktionalen Aspekte: 1) Größtmögliche Einfachheit der Orthografie imInteresse rascher und leichter Erlernbarkeit und Handhabe der Schriftsprache. 2)Bedeutungsverdeutlichung und Überschaubarkeit des Geschriebenen im Interesserascher und leichter Verständlichkeit.Gesellschafts und kulturpolitische Aspekte: 1) Auswirkung auf das Bildungswesen, 2)ökonomische Auswirkungen (vor allem auf Buchdruck -> Neusetzung alter Bücher),3) Verhältnis zur Tradition, 4) Umstellungsschwierigkeiten bei umfangreicherenVeränderungen, 5) Verhältnis zu anderen Sprachen (DaF, Mehrsprachigkeit).Grundzüge deutscher Orthografie im 16. und 17. Jh. herausgebildet, im 18. Jh.gefestigt (festgelegt, immer wieder Reformen wegen Inkonsequenzen).Rudolf von Raumer: Mitte 19. Jh.: Das Prinzip der deutschen Rechtschreibung, 1855.Verschiedene Reformkonzepte. Sagt zweierlei: Orthografie von historischem undphonetischem Prinzip beherrscht. Müssen bei jeder Reform beachtet werden. JedeOrthografie mit geschichtlichem Zusammenhang. Reformen behutsam angehen.Historisches Prinzip: Französisch/Englisch, Schreibung weiterhin: Mittelenglisch,Mittelfranzösisch, die Aussprache jedoch hat sich seither geändert, die Schrift abernicht (->historisch). Ital. und slawische stark auf Aussprache bezogen. Buchstabe-Aussprachebeziehung.

Deutsch in der Mitte, enge phonet. Buchstaben-Lautrelation, aber auch historisch. 19.Jh.: Einsetzen der historischen Sprachwissenschaft. Jakob Grimm schrieb imAnschluss an MHD auch klein. Statt „ß“ -> „sz“ als Schreibung.1855: Karl Weinbold (Graz), 1852: Schrift zur Reform „Über die deutscheRechtschreibung“ - Prinzip: schreibe wie es die konsequente Fortentwicklung vomMHD zum NHD verlangt. Ähnlich wie Grimm, nur viel radikaler: Kleinschreibung,veränderte „s“-Schreibung, Weglassen von Dehnungs-h etc.1854 Grimms Wörterbuch veröffentlicht. Signal an Länder: Hannover hat für Schulendas Grimm'sche Wörterbuch herangezogen. Preußen wollte Vereinheitlichung derSchulen bzgl. Schrift/Orthografie.1876: „Konferenz zur Herstellung größerer Einigung in der deutschenRechtschreibung“ - Schulleute und Gelehrte zusammengeführt. Wilhelm Wilmannswar beides, brachte Wörterbuch heraus. Konrad Duden brachte auch schon vor derKonferenz ein Buch für den Schulgebrauch heraus (orthografische Regeln).1829-1911: Duden, Niederrhein. Schullehrer in Westfahlen (Preußen), Schleiz(Thüringen), Hersfeld (Hessen/Preußen) -> viel herumgereist, unterschiedlicheOrthografien kennen gelernt -> Wörterbuch zur Überwindung derUnterschiedlichkeiten. Wilmanns und Duden 1876 besonders wichtig auf diesemGebiet. Dehnungs „e“ und „h“ Gebrauch betreffend: historisches „ie“ wird von „e“befreit: Er gieng -> er ging, s / ss / ß Schreibung festgesetzt, th-Schreibungweitgehend beseitigt, außer wo es Homophone differenziert, etwa bei Thon (Erde) /Ton (Musik), Thor / Tor, etc. Thaler (Geldeinheit), Thal, Thräne belassen, um nichtzu viel Widerstand auszulösen.Eindeutschung von Fremdwörtern: Con -> Kon. Conferenz, Conzert, Conzil... -> allemit K. Litteratur als Fremdwort mit Doppel-t. Bei Möwe, Centrum, Wiederhall,Moritz... tanzt Bayern aus der Reihe: Literatur, Möve, Zentrum, Widerhall, Moriz.Wilmann bringt Schulgrammatik heraus; in Bayern nicht verwendbar. Duden 1880Wörterbuch verändert, vollständiges orthografisches Wörterbuch der deutschenSprache – nach den neuen preußischen und bayrischen Regeln -> auch in Bayernverwendbar. Duden zukunftsweisend, Österreich und Schweiz 1876 nicht beteiligt,Schweiz ersetzte ß mit ss, Österreich 1879: Eigenes Schulwörterbuch: Wortverbandnur mit „ß“ wenn nach vokalischer Länge, nach kürze: „ss“. Gruß / Kuss. Bayern,Preußen, Österreich und Schweiz mit jeweils eigenen Regeln ->1901 alle zusammenerarbeiten gesamtdeutsche Regelung. Wilmanns und Duden immer noch die zweiGroßen.Ergebnisse: „ie“ abgeschafft (giebst), th-Schreibung gänzlich aufgegeben (Ausnahmegriech. Wörter wie Theater, Rhythmus)...Wilmanns gab erneut Bücher heraus, sah Sache als beendet, Duden pensioniert,beobachtete Ausnahmen. 1903 neue Regeln eingebaut: „Amtliches Wörterverzeichniszur deutschen Rechtschreibung. Zum Gebrauch an den deutschen Schulen“ -Unterschiede verzeichnet, hiemit / hiermit, Haufe / Haufen, Preißelbeere /Preiselbeere, Pranke / Branke, um so mehr / umsomehr, du wünscht / du wünschst etc.Duden rasch als verbindlich angesehen, Duden wird zum Begriff.Nach '45: 1951 Österreich ausgeschert: Große anti-Deutsch-Stimmung, auchsprachliche Trennung, österreichisches Wörterbuch, einzig für Schulen verbindlich.Spaltung BRD / DDR -> Bibliographisches Institut Leipzig gespalten -> Dudengetrennt erschienen, vor allem Definitionen von Wörtern (z.B.: Gesellschaft, Staat...etc) mit Unterschieden.1991 – Wiedervereinigung. Dazwischen Reformbestrebungen:Kritik an neuer Orthografie sofort nach 1901 eingesetzt. Grundforderungen für

Reform: Kein Konsens, Groß/Kleinschreibung als nicht einheitlich angesehen. Ichfahre Rad, wir wollen autofahren. Wir gehen eislaufen, wir laufen eis. „Mit bezugauf“ nicht das selbe wie „im Bezug auf“, Etymologisches Prinzip, Grapheme: eu/äu.Hand / Hände aber: behende. Z, tz, ch und sch ohne eigene Buchstaben. Vorbild:slawische Sprachen.1912: Kosog meint: Niemand sei in der Lage die Rechtschreibung zu beherrschen.Alle Fragwürdigkeiten in einem Kurztext angesammelt -> zum Diktat vorgetragen, 26Zeilen, im Schnitt 20 Fehler im Diktat, auch bei Gelehrten.1921: Groß/Kleinschreibung beibehalten, ie und stummes h abschaffen. Lieb -> lib,nehmen -> nemen.1931: Buchdrucker in Erfurt mit gemäßigter Kleinschreibung, ie beibehalten, h nicht.Filosofie, Teater, Rütmus. 2. Weltkrieg: Einstellungen ändern sich nach dem Krieg. 1947 reformwilligeArbeitsgemeinschaft für Sprachpflege, histor. Verbindung aufgeben, um Schlussstrichunter Vergangenheit zu setzen. 1954 Stuttgarter Empfehlungen nach 7 Jahren Reformvorschläge: gemäßigteKleinschreibung, ie und stummes h nur noch zur Trennung von Homophonen, tzdurch z ersetzen, ß durch ss ersetzen. Fremdwörter alle (lat., griech. und franz.)eindeutschen. -tion mit z. Nazion, Filosofie, Frisör, Turist, Schofför, Blumenwase,Farse, Fer (Fair)...Erregten Aufsehen. An Ausarbeitung waren alle Länder beteiligt,Sprachwissenschaftler unterzeichneten. Weißgerber, Mitzner... Österreichische Universitätsprofessoren nicht beteiligt, ausschließlich Schullehrer.Öffentliche Diskussion durch Presse aufgegriffen, Schriftsteller wie Dürrenmatt undThomas Mann dagegen, weil arge Verzerrung der bisherigen Schreibtradition, Bruchmit deutschen Schrifttumstraditionen. Folge: Auch Politiker mischten mit, deutscheKultusgemeinde: Duden ausschließlich verbindlich für Schulen.Revision des Konzepts 1958, Wiesbadener Empfehlungen: GemäßigteKleinschreibung, nur mehr orthografische Eindeutschung häufig verwendeterFremdwörter (Rollo, Frisör, Träner, Kautsch). Traditionelle wie Philosophie,Rhythmus behalten Form. Tendenz zur Großschreibung von Österreich auspropagiert.1975: Ist die Rechtschreibreform in einer Sackgasse angelangt. Kleinschreiber vs.Großschreiber.

Kleinschreiber:1) Kleinschreiben schließt Fehler aus, wie sie bei der Großschreibung möglich sind ->

Bildungsmaßstab nicht so schroff.2) schulisch schneller erlernbar (auch für DaF)3) beim Maschinschreiben: Zeiteinsparung. Ästhetisch wichtig für gleiche

Zeilengestaltung.

Großschreiber:1) Kulturelles Erbe, Aufgabe und Bruch mit Tradition 2) in Zweifelsfällen sichert Großschreibung inhaltliche Eindeutigkeit.3) Deutsch als Fremdsprache: Leseverständnis durch Großschreibung gefördert.

Wort- und Satzgliedstellung ist frei, großgeschriebene Substantiva als Leitlinien,vereinfachtes Leseverständnis.

Ende der 80er vor allem Initiativen aus Österreich, Sozialdemokraten für

Kleinschreibung; Versuche Länder zu versammeln. Konferenz für neue Regelungen.Ausschuss 1991, Mannheim, Neuregelung, Universitätsprofessoren, außer ausÖsterreich, von da nur Schullehrer, da Universitätsprofessoren gegen dieKleinschreibung sind. Durch Pressekampagnen viele Abstriche gefordert -> ZunächstKleinschreibung aufgegeben, schrittweise alle Reformvorschläge aufgegeben, die andie Öffentlichkeit gelangten. Kompromisspapier beschlossen, Wien 1996, alledeutschsprachigen Staaten und Teilgebiete mit neuen Empfehlungen.

Mitschrift vom 30. April 2004

Wien seit 1986 internationale Gespräche zur Orthografiereform – VersuchÜbereinkunft zu finden. 1992 Konzepte vorgelegt (siehe Bibliografie, „DeutscheRechtschreibung. Vorschläge zu ihrer Neuregelung. Hrsg. vom InternationalenArbeitskreis für Orthographie. Tübingen 1992.“). 1996 ZwischenstaatlicheVereinbarung über Neuregelung aller deutschsprachigen (Teil)Gebiete. Zeitrahmenwar ab 1. August 1998 eine Umstellung von Schulen/Verlagen/Zeitungen innerhalbvon 5 Jahren. Am 1. Sept. 2003 hätte die neue Orthografie umgesetzt werden sollen,in Ö sofort umgesetzt, in Deutschland nicht ganz (Schleswig Holstein und Thüringendagegen), Presse wehrte sich lange, FAZ und die Presse wechselten zuletzt. BeiVerlagen Jugend- und Kinderliteratur auch gegen Willen der Autoren in neuerOrthografie. Wichtige Streitpunkte: Groß/Kleinschreibung (Inkonsequenzen), bzw.Getrennt- und Zusammenschreibung. „Wohlmeinend“ ist nicht „wohl meinend“ ->Problem, falls alles getrennt geschrieben wird: andere Bedeutung.Fremdwortschreibung: möglichst in deutscher Lautung -> Frisör. Wird weitgehendnicht verwendet. Weitere Änderungsvorschläge der Kommission stoßen aufWiderstand. Darmstädter Akademie will überhaupt Rückkehr zur alten Orthografie.Momentan: Mischzustand aus alter und neuer; in 20-30 Jahren Wechsel mehr oderweniger vollzogen.Neue Orthografie mit 2 Grundprinzipien:1) Möglichste Beachtung des Lautprinzips. Anhand der Schreibung soll Vokalqualität

und Quantität erkennbar sein.2) Stamprinzip: Worte aus der selben Stammgruppe sollen gleich bleiben.

Bund/Bündnis, Band/Bänder... „Behende“ bricht das Stammprinzip nach alterOrthografie.

Auch bei eingedeutschten Fremdwörtern. Nummer – numerieren... neu: nummerieren.Platz – plazieren... neu: platzieren. Lamm – belämmert. Gegen Etymologie: Quantum– Quäntchen. Reformer gehen synchron vor, ignorieren Etymologie. Bläuen,etymologisch richtig wäre bleuen (AHD von blieuwen, blühen)Alternativen: Schenken/Schänke. Aufwand -> aufwändig.3 Konsonanten bei Komposita: Schifffahrt, Schlammmassen, Flusssand...Mischung aus Stamm- und Lautprinzip. Neue s-Regelungen. Kurzer Vokal ->Doppel-s. Müssen/muss. Lang: Grüßen/Gruß. Unterschiedliche Regionen mitProblemen: Spaß/Spass. Fließen, geflossen, es floss...Groß/Kleinschreibung: Radfahren, Eislaufen. Ich fahre Rad, ich laufe Eis. Mit Bezug,in Bezug auf, im Voraus, im Nachhinein – in neuer Orthografie groß geschrieben. Ichgebe preis / ich nehme wunder in neuer Orthografie aber klein, da keine Assoziationzu Preis / Wunder besteht.Ich habe Angst, Angst haben – immer getrennt.Zeitangaben immer groß: Gestern, Heute, Morgen, Mittag. Nur bei Genetiv klein:

morgens, abends,... der Einzelne, das Übrige... aber: der eine, der andere. Der Erste,der Zweite, der Dritte.Eigennamen: Der ohmsche Widerstand, die rilkische Lyrik, das mosaische Gesetz.Wenn groß, dann nur in folgender Form: Der Ohm'sche Widerstand, die Rilke'scheLyrik...Eigennamen aus Erbschaftsgründen nicht geändert, bei Ortsnamen meist örtlicherWiderstand. Fremdwortgebrauch: Orthografie der Fremdsprache weitgehendbeibehalten. Damals Fremdwörter in Antiqua statt Fraktur. Viele graeco-lateinischeNeologismen statt französischen Wörtern. Ital. und schwed. Orthografie angepasst(filosofo – it.) Frisör / Friseur, Expose / Exposé, Soße / Sauce, dränieren – drenage. Myrre, Getto, Jogurt, Panter – daneben auch mit „h“ möglich.Ph -> Geografie. Orthografie („th“ bei Orthografie bleibt). Fotograf und Mikrofonauch mit ph möglich. Telefon nur mehr mit f, da bereits so stark eingedeutscht, dassder Ursprung vernachlässigt werden kann.Gewisse Wörter dürfen beide Schriftweisen beibehalten.50er – Dudenorthografie verpflichtend bis 1996, dann: Dudenmonopol gefallen,verschiedene Verlage sprießten aus dem Boden (etwa Bertelsmann). In Österreich giltdas Österreichische Wörterbuch.

Interpunktierung:Sprache primär mündlich, erst sekundär schriftlich. Satzintonation -> Sinngliederung.Im Text Sinngliederung nachvollziehbar („der Ton macht die Musik“).Interpunktierung im Text lange nicht als wichtig angesehen (bis ca. in die Mitte des19. Jh.) Goethe dazu (in Dichtung und Wahrheit): Unterschied zwischen Vortragenvon Texten und stillem Lesen. Persönlichkeit im Lesevorgang wirkt mit, nicht nur derText allein. Damals lautes Vorlesen üblich in Zirkeln literarischer Neuproduktionen.Mit der Biedermeierzeit stärker zurück gegangen. Individuelles Lesen wurdewichtiger -> Ähnlichkeit zwischen Vortrag und Schrift herzustellen wird bedeutend-> Interpunktierung als ideales Mittel. (Goethe ließ viele Werke mehrfach,hinsichtlich Interpunktierung, überarbeiten.)Adelung schon 1788 vorsichtig Interpunktierung angeschnitten. Meist nur Sinn- undIntonationsbezogen. Karl Ferdinand Becker (Schullehrer) – Grammatik /Syntaxanalyse. Ermittlung von Satzgliedern durch logische Segmentierung,Satzverhältnisse. -> Adverbiale und Attribut als neue Satzglieder. Möglichkeitlogische Bezugsverhältnisse im Satz zu bearbeiten.Nebensätze, Oppositionen, Aufzählungen, Satzgefüge, Satzreihe. Syndethische undasyndethische Sätze (verbundene / nichtverbundene).Friedrich Bauers Schulgrammatik – von Duden überarbeitet und aufgenommen, ab1880 zu Dudenregeln „aufgewertet“. Keine Intonations- sondern rein grammatischeRegeln. Beistriche gliedern, machen logisch verständlich. Nicht alle Autoren hieltensich daran, oft nur nach Sinnabschnitten oder Intonation. Stifter bzw. Raabe garnichtan Regelung gehalten (Siehe Textbeispiel: Stifter – Der Nachsommer)Interpunktionsregeln:Sätze durch Punkte getrennt. Fragesätze unabhängig von Intonation mit Fragezeichen.Ausrufend/Befehle mit Ausrufezeichen. Zurückhaltend zu setzen.Doppelpunkt nur vor direkter Rede, evtl. vor Aufzählung, Schlussfolgerung,Ankündigung. Sparsam umgehen!Semikolon – sparsam verwenden, wenn satzgefügeartige Aufzählungen folgen.Höhere Einheit durch Strichpunkt. (Am besten 2. Satz bilden)

Beistrichregeln:1) Vor und nach Glied- und Nebensätzen.2) Zwischen verbundenen und unverbundenen Satzverbindungen. Bei [...], und / [...],

aber / [...], oder – nicht nötig einen Beistrich zu setzen.3) Vor und nach erweiterten Infinitiv- und Partialgruppen. z.B. bei Einsparung vom

Subjekt. Verb hat Valenzen -> müssen auch in der Infinitivgruppe den Valenzengehorchen – wenn erweitert: besondere Art des Nebensatzes. Beistrich z.B.: „,umzu“ – „um zu“ fällt aber oft weg. Lockerung: Es soll einen Beistrich geben, wennSinngebung es verlangt.

4) Aufzählung mehrerer, gleichwertiger Satzteile5) Vor und nach Apositionen (nie gefügt).

Mitschrift vom 7. Mai 2004

Normung der AusspracheBeginn 19. Jh. in Verbindung mit Theater. Goethe 1803 – Regeln für Schauspielerveröffentlicht. Schauspieler soll sich von allen Fehlern des Dialekts befreien. KeinProvinzialismus auf die Bühne. Goethe, 1824, Gespräch mit Eggermann. Aussprachedes Norddeutschen als in Ordnung angesehen, die der Schwaben, Österreicher,Sachsen und Thüringer aber weniger.Gottsched in Leipzig wählte beste Schriftsteller der deutschen Literatur als Vorbildfür Schrift. Norden Deutschlands: Klopstock, Herder, Gottsched etc. werdenwichtiger. Verlagerung der Vorbildlichkeit nach Norden. Ganze Norden hochdeutsch,in höheren Ständen (im 17.Jh.) Plattdeutsch negativ bewertet.1788 – Adelung mit Ausspracheregeln für deutsche Sprache, versucht festzulegen,nicht nach norddeutschem Beispiel, sondern nach Aussprache der Oberschichten inSachsen. In Sachsen (auch heute noch) üblich zwei e-Laute zu unterscheiden.Geschlossenes e wie bei See, Klee, Heben, Esel und offenes e wie etwa bei Käs.Führte zu Verwunderung in anderen Landstrichen -> Regeln kaum beachtet.In Österreich galt eher die Devise, „man solle so wie geschrieben wird sprechen“.Zwei wichtige Regeln: ü und ö nicht als i und e. Hittn -> Hütten und Efn -> Öfen.Ei wie [ei] gesprochen, nicht wie [æ]: Zeit [tseit], breit [bRæt] -> später [æ] nur mehrbei „ai“ zugelassen. Hielten sich bis ins späte 19. Jh. - heute nicht mehr. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts Beschäftigung mit Aussprache: Theodor Siebs.1876 einheitliche Orthografie. Karl Luick – Phonetiker, histor. engl. Grammatiker.Eduard Sievers u.a.1898 Ergebnis präsentiert: Buch: Deutsche Bühnenaussprache. Problem: Was istvorbildlich?Luick war bzgl. Österreich nicht zufrieden, weil stimmhafte Leniskonsonanten(<b><d><g><s>) quasi nicht existent waren. Deutsche Lautlehre mitBerücksichtigung Wiens. Siebs wollte Aussprache aber nicht nur für Bühne, sondernauch Lehrer. Deutsche Bühnenaussprache mit dem Untertitel „DeutscheHochsprache“. Preußische Kultusministerium empfahl Aussprache nach diesenRegeln. 20er Jahre: Massenmedien – Radio und Film. Medien zur akustischenVerbreitung der Hochsprache. Regeln relativ weit hoch gesteckt.Schallplattenaufnahmen aus 1900-1930 klingen Heute eher Merkwürdig.Duden in Westdeutschland in der Ausgabe von Mangold von Siebs abgewichen:Aussprache von „reden“ wird zu ['Re:dn]. R muss nicht gerollt sein, durch Setzungdes Zäpfchen-[R].Krech: Ausspracheregel, DDR, Rundfunksprechersprache als Norm. Krech –

realeristischer als Mangold. 1969 Neubearbeitung des Siebs von Moser und Winckler.Weiter gegangen als der Duden. Zwei Sprechweisen, Hochlautung und gemäßigteHochlautung. „Deutsche Aussprache: Reine und gemäßigte Hochlautung“ -Schauspieler und Rundfunksprecher sollten Hochlautung verwenden. GemäßigteLautung für Prediger, Lehrer, öffentliche Aussprachen... Eine Menge vonVorschriften zurückgenommen in Angleichung an landschaftliche Merkmale.Seither ab etwa '68 nichts passiert, auch auf Bühnen nicht mehr an Regeln gehalten,Schauspielschulen unterrichten zwar nach den Regeln, in der Hand des Regisseursgeht jedoch vieles wieder verloren. Heute Trend bei Moderationen von Hochlautungzu Standardlautung. Keine einheitliche Ausrichtung, Problem der Aussprache vorallem bei Deutsch als Fremdsprache.Ausspracheregeln:Bei kurzen Vokalen: Kürzen offen, Längen geschlossen. Offen/ Ofen, bitten / bieten,betten / beten,... Fehler bei e-Aussprachen: ä Käse, Drähte, Ähre. Drehte, Ehre...ä <-> e Differenzierung in der Öffentlichkeit: Gepflegte Aussprache unterscheidet.Offene Längen an sich falsch, Heute häufig in der Politik, im Rundfunk noch selten.Lenis plosive <b> <d> <g> und Lenisfrikativ <s> betont sprechen. Im Theater undRundfunk nicht üblich.Stimmhaftigkeit im Norddeutschen und Ost/Westen. Rest (Süden) – Stimmlos.Norddeutsche Aussprache von Siebs etabliert (Auslautung mit „h“ Behauchung). Eherbei Anlautung Behauchung „T(h)at“ –> die Tat, als bei Auslautung.Gefahr: Bei geringem Lautvolumen schwierig zu verstehen (süddt.).Zwischenvokalisch geschriebenes „h“ soll nicht gesprochen werden, gehen -> [ge:n]Etymologisch h bei stehen und gehen als Dehnung, nicht als zweite Silbe.[R] und [r] – Zungenspitzen [r] lange üblich, einzig in Elsaß, Baden und Schwa waruvulares Zäpfchen-[R] üblich. 17-18. Jh. Zäpfchen-[R] etabliert, nach französischemVorbild. Heute Zungenspitzen-[r] zurückgegangen.Vorderes Zungenspitzen-[r] ästhetisch, deutlicher, klarer. Für Sänger gilt Heute nochZungenspitzen-[r], ansonsten weitgehend Zäpfchen-[R].Unbetontes e – Liebe, Füße, Tische. Löffel -> „Löffl“.Endsible -ig soll als Reibelaut artikuliert werden. Könich, Heilich, Zwanzich... imSüddt. eher mit -ig. Realisierung nach Buchstaben. Im Theater nur -ch üblich. ImRundfunk beides.R nach Vokal: Herde -> „Heade“. R nach a gerollt. - Bart ist nicht gleich Bad.Siebs '69 großteils durchgesetzt.Griechisches „ch“ als [k] ausgesprochen. Chor, Orchester -> wie Kor, Orkestergesprochen.Griechische Fremdwörter aus Neu- und Altgriechisch.

Mitschrift vom 14. Mai 2004

Veränderung der GrammatikMorphologie – SubstantivUnterschiede im Genus (-Flexion) – gehen auf regionale Unterschiede im frühenMHD zurück. Gottsched legte Genera fest, von Adelung fortgesetzt. 1774-1786:„Grammatisch kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart“. UnterschiedlicheErscheinungen der Schriftart notiert. Adelung hat zwar auch Doppelgenera gehabt,aber blieb weitestgehend ausgeglichen. Wurde zur Richtschnur.Wörterbuch von Campe (1807-1811); 5 Bde, Wörterbuch der deutschen Sprache –

weitere Normierungen, dennoch mit Schwankungen und Unterschieden.Reaktion im 19. Jh.:1) Von zwei Formen nur eine durchgesetzt; Duden richtungweisend.2) Semantische Differenzierung, 2 Wörter haben unterschiedliche Bedeutungen

erhalten -> Unterscheidung. (Genus)3) Stilistische Differenzierungen bei Formen, aber bei Genus kaum.4) Sprachgeografische Differenzierung.

1)Bei Substantiven im Bezug auf den GenusTheodor StecheGenusschwankungen bei dt. Erbwörtern und Neubildungen von Fremdwörtern. BeiErbwörtern etwa durch regionale Unterschiede. Der/das Dotter, der/das Bereich...

Fremdwörter: Der/das: Meter, Liter, Diakonat, Episkopat, Kalkül... Der/die Quader.Eins von beiden setzt sich durch (Entscheidungen von Campe/Adelung). Der Angel-> die Angel, der Luft -> die Luft, der Brill -> die Brille, das Lohn -> der Lohn, dasDocht -> der Docht, beide Formen bei Adelung zugelassen, aber eine bevorzugt.Bei anderen Wörtern ganz gestrichen, so gilt nur mehr: Das (statt den früherender/die) Echo, das (statt die) Gift, das (statt die) Bekenntnis,...Bis weit ins 19. Jh.: Der Pacht. Duden nach 2. Weltkrieg: Die Pacht durchgesetzt.

2)Semantische Differenzierung:Adelung empfiehlt: Der Chor -> Sänger(gruppe)

Das Chor -> Ort wo Sänger sind (Altarraum etc.)(Diese Unterscheidung wirkte recht lange, bis 1880)

Duden von 1934: Das oder der Chor für RaumDer Chor für Sänger(knaben)

Spätere Duden – in beiden Fällen: Der Chor.

Das Verdienst -> gute TatDer Verdienst -> Beruf

Yoghurt (erst seit 30-40 Jahren, seit 20-25 Jahren promotional), urspr. aus der Türkei.In Ö: Das Yoghurt, in Deutschland und der Schweiz: Der Yoghurt. In Ostösterreichauch teilweise die Yoghurt.

3)PluralbildungGeht auf AHD und MHD zurück. Zwischen MHD -> NHD große Änderungen.Singular / Plural Differenzierung: -e -en -er oder ohne Endung, dann nur mehr Artikeldifferenzierend.Kasusdifferenzierung bleibt auf der Strecke. Im geringen Maße Kasusdistinktionaufgegeben. 2 Pluralbildungn zu einer.Semantische, stilistische und sprachgeographische Differenzierung. Dt.: Umlaut fürPluralbildungen. Die Herzoge / die Herzöge. Die Bogen / die Bögen. Oberdt: Stärkerdurchgeführt, kaum Umlaute.

Der Wagen -> die Wagen (die Wägen heute wieder seltener verwendet)Stilistische Differenzierung: Alltag vs. das Dichterische

Singular Plural Plural (dichterisch)

Das Land Die Länder Die Lande

Das Tal Die Täler Die Tale

Das Ross Die Rösser Die Rosse

Band – Bänder. Bande (früher für Fesseln, heute: Abstrakt: Bande der Freundschaft)

Geographische Differenzierungen: Das Gesicht / Die Gesichter. Für den Pluralteilweise auch Erscheinungen von „die Gesichte“.

Das Tuch / die Tücher. Die Tuche: verschiedene Tuchsorten.

Block: Fels- Beton- Steinblock. / -Blöcke. Bei Papier: Papierblocks als Plural,eventuell auch Papierblöcke möglich. Aber: Häuserblocks.

-s PluralHochdeutsche Grammatik kennt historisch kein -s PluralFremdwörter, Erbwörter die mit Vokal enden. Uhus, Muttis, Autos...Aus der Wettervorhersage: Hochs, Tiefs.Früher (selten): PKWs, LKWs... Heute: PKW/LKW auch für den Plural.Norddt. Raum häufig mit Plural-s: Wrack/Wracks (Südl.: Wracke). -s Plural aus demNorddeutschen.Im Norddt.: Altsächsisch: Tag – Tages. Angelsächs./Engl. -s wie bei days. Trotzdemkeine Erberscheinung, weil es nicht aus dem Sächsischen stammt. Kommt aus demfranzösischen/belgischen Raum. Übernahme aus dem französischen -s Plural. Deschevaliers -s um Plural zu unterscheiden.Übernahme des -s PluralIm 17. und 18. Jahrhundert Übernahme in die Schriftsprache. Goethe: Kerls,Wesens... Siehe Goethe-Wörterbuch. Schiller: Fräuleins, Mädels.19.und 20. Jh. bei Lehn- und Fremdwörtern aus dem Französischen/Englischen.z.B.: Ballons, Bars, Streiks, Docks, Tunnels...Norddt.: Die Jungs / Jungen / Jungens. Mädels setzt sich durch, Mädchens so gut wiegarnicht (wenn, dann häufig im Süden).Kerls, Fräuleins durchsetzendDie Familie Maier -> Die Maiers kommen zu Besuch. Import aus Deutschland.Konsumunterscheidung: 14. Jh.: Mitteldt. Auslautendes -e bewahrt. Osten(Thüringen, Sachsen, Schlesien) auch.Ostmitteldt.: Das Kreuze bei Luther Konflikt, mit oder ohne -e. (Dativ Singular sogarmit -e, dem Tische) für schriftsprachliche Entwicklung ein Problem. Grammatikerrichten sich ans Lateinische: Klare Kasusdifferenzierung, lat. Bildungsprinzip vonGrammatikern gefördert. Bei schwacher Deklination -en. Der Bote, des Boten. ...-en.Normvorgaben je nach Landschaftsverhältnissen unterschiedlich.Schriftsteller: Fontane (Berlin), Raabe zu Verbindungen mit oder ohne e schwankend. Stifter, Eschenbach: Streng unbetontes -e. Gottfried Keller: Oft mit -e.Heutige: Hesse kaum -e, Thomas Bernhard ganz ohne -e.Thomas Mann (ähnlich wie Gerhart Hauptmann) – (siehe Textbeispiel Th. Mann: Der

Erwählte, Handout). -e nur aus rhythmischen Gründen, so nur in der Lyrik möglich.Feminina: Singular stark, Plural schwach. Im Singular und Plural keineKasusunterscheidung. Dativ formal ohne Stütze, wird gebraucht.Genitiv gekennzeichnet, bei Feminina ohne Stütze -> nur mehr in 2 Fällen: StarkesM/Neutr., aber weit weniger verwendet – Genitiv wird rückläufig.

Genitive im Deutschen: Genitivus possessivus: „Das Haus meines Vaters“ -> ersetzt durch „das Haus vonmeinem Vater“.Bei Zahlwörtern: Ein Vater dreier braver Kinder. Ein Vater fünf braver Kinder -> EinVater von...Geographische Namen: Der König Frankreichs / Der König von Frankreich.Museen von Wien ersetzt Wiens Museen.Weiters: Genitivus qualitatis und genitivus partitivus

Ein Mann mittleren Alters –> Ein Man von mittlerem AlterHälfte meines Vermögens -> ...von meinem Vermögen.

Ein Meter guten Stoffes – Nominativ. Ein Meter guter Stoff.Ein Glas guten Weines -> Ein Glas guter/mit gutem Wein.

„Ein Strauß duftender Rosen“ - behält Genitiv noch.

Verben, die Genitivobjekt verlangen: Ich erinnere mich seiner -> Ich erinnere mich anihn.Formen wie: Ich werte seiner, ich erfreue mich dieses Geschenks, ich vergesse deinernicht, ich harre deiner, ich gedenke seiner – sterben aus, mit den 1950ern beginnend.

Seit der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts setzen sich folgende Formen durch: „UnweitWien“ ohne -s, Nominativ.„[...] stand in die Frankfurter Allgemeine_ Zeitung.“ (Statt in der FrankfurterAllgemeinen Zeitung)Genitiv weitgehend rückläufig. Tendenz bei Titeln/Namen Genitiv-s zu streichen.Erste Ausgabe: Die Leiden des jungen Wärters. Raubdruck 1 Jahr Später ohne -s ->Jubiläumsausgabe von Goethe danach auch ohne -s.Bei Eigennamen schon im 18. Jh. Flexion weggelassen. Heute auch schon Titel nichtmehr dekliniert: „Die Rede des Bundeskanzler Schüssel“.

Mitschrift vom 21. Mai 2004

Rückgang des Genitiv vor allem bei Orts- Amts- und Vereinsbezeichnungen ->Kongruenzfehler.Beispielsätze: Die Welt, 1969: „Nach Ansicht des Verfassers, dem Professor [...]“ -richtig wäre „des Professors“.„Wegen“, „trotz“ und „während“ mit Genitiv bevorzugt. (auch „statt“). Besonders„wegen“ immer mit Genitiv.„An Kindes statt“ <- subst. / adv. Form -> „anstatt des Kindes“ entwickelt Genitiv ausder Fügung des Kompositums.Wegen – Subst. - der Weg -> Präpositionalfügung. Gib Rechenschaft von Wegen desvergossenen Blutes -> von der Ursache des vergossenen Blutes.

Ebenso bei „Trotz“ - „Der Kritik zum Trotz“, „zum Trotz der Kritik“, „Trotz derKritik“. Kritik: feminin: Genitiv und Dativ gleich -> fällt nicht auf, beim Masculinummuss eine Entscheidung getroffen werden: „trotz deinem Widerspruch“ / „Trotzdeines Widerspruchs“... trotzdemWährend: Partizipium des Präsens von währen (dauern).Ich bitte Sie währender Arbeitszeit immer etwas zu melden -> während derArbeitszeit.Während -> Genitiv durchgesetzt (im 19.Jh.)

Genitivus possessivus bleibt, Rest verschwindet großteils. Gründe für Rückläufe des GenitivsTschirchs Sprachgeschichte – Erklärung: (Siehe Bibliographie, Handout) Theorie derSprachinhaltsforschung. Genitivverlust durch Änderung des Weltbildes: Der Einzelnenur Teil des statisch gedachten Weltgefüges, Mensch im Kosmos nur Anteil – ändertsich mit der Neuzeit, Mensch wird Mündig, beginnt selbst Ordnungen zu setzen,aktive Kraft im Weltbild. Zugunsten der Aktivität (Zielsetzend -> Akkusativ) wird derGenitiv reduziert.„Ich vergesse deiner nicht“ <- Anteil. Zielrichtung -> „Ich vergesse dich nicht“.(Tschirch'sche Erklärung aber nicht sehr grundfest).Erst im 20. Jh. beginnt das starke Verschwinden des Genitiv. Erklärungsmöglichkeit:Englisch auch mit wenig Genitivverwendung, father's house – Verlust des Genitivschon im Altenglischen – wesentlich frühere Weiterentwicklung des Altenglischen,Genitiv formal nur bei starken Maskulina und Neutra gekennzeichnet. Feminina undschwache Substantiva ohne eigens gekennzeichnete Genitivendung.

Entwicklungen beim Verbum:� Rückgang der Verwendung des Konjunktivs� Präteritum – starke Verben zugunsten von schwachen ausgebaut.

Präteritum: Verschieden starke Verben, 7 Klassen beim Auslaut (eigentl. 6,Reduplikation als 7.) aus dem MHDEine Klasse schwacher Verben. Bei Dialekten nicht überall (z.B. Schweiz, inBereichen des Südens noch 3 Klassen). NHD: Starke Verben in der Unterzahl.Verbum: Schwören (an sich 6. Klasse, Janverb) schwören – schwor/schwur – geschworen

(4.Klasse stehlen – gestohlen)MHD: sweren, e wird zu ö. Schiller konjugierte schwach – schwörte – geschwört (ansich falsch).Adelung: Schwören – schwor – geschworen... Schwankungen, „schwur“ kommt nochimmer vor, im 19. Jh. besonders häufig. Die 6. Klasse gekennzeichnet durch Präteritalvokal „u“ -> fuhr.Backen (6. Klasse): backen, buk, gebacken wäre richtigaber: backen klingt wie packen -> backen – backte – gebacken.

Mahlen – muhl – gemahlen (Korn mahlen) -> mahlen – mahlte – gemahlen=Mischbildung.Aber: malen – malte – gemalt -> wirkt auf mahlen.

Falten anders: gefaltet.

Fragen – fragte – gefragt -> 19. Jh.: Wechsel zur 6. Klasse, plötzlich stark gebildet:fragen – frug – gefragen.

Bannen – bannte – gebannt, urspr.: bannen – birn – gebannen.Spannen – spannte – gespannt, urspr.: spannen – spirn...

Viele Änderungen im 19. Jh.Andere Schwierigkeiten: bellen bei Goethe noch stark flektiert: bellen – bill – gebollenstellen – stellte – gestellt -> setzt sich durchschwellen – schwill – geschwollen –> behält Form.

Jakob Grimm: Ein Hund bellt. Im Anfang boll... inkonsequent.

Rache (4. Klasse)Schiller: der fromme Dichter wird gerochen – richtig, aber:riechen – roch – gerochenrächen – roch – gerochen -> wird geändert, Homophonendifferenzierung führt zu: rächen – rächte – gerächt.

Konjunktive:Ausdruck mit Modi: Satz und Textbezogen, syntaktisch/textlinguistisch.Konjunktive bis ins 16. Jh. gleich geblieben wie im MHD; syntakt. Funktion imNebensatz verwendet.„Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewänne und nähme dennochschaden[...]“ Lutherbibel.Heute eher: „Denn was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, unddennoch schaden nimmt“.„Was wird es einem Menschen nützen...“

Konjunktiv seltener:Abschwächung der Endsilben bereits im MHD, Indikativ und Konjunktiv gleichlautend, er sagt – er sage: Unterschied beim schwachen Verbum, bei allen anderenPersonen gleich.Beim starken Verb bei umlautfähigen: 3. und 4. Klasse, Konjunktiv und Indikativ diePersonen unterschiedlich: nähme – nimmst. Grammat. Kategorie des Konjunktivsreduziert, da Konjunktiv und Indikativ oft nicht zu unterscheiden sind.Präteritum bei schwachem Verbum ohne Unterschied: er sagte – er sagte.Beim starken Verbum: er bot – er böte – nur wenn Umlaut möglich.

Lautliche Unterscheidung zwischen Präsens und Präteritum kaum gegeben. Erspreche – er spräche.

Konjunktiv II nicht genau unterschieden – keine klare Erkennungsfunktion.

Konjunktiv häufig im Gliedsatz/Nebensatz verwendet. Nebensatz durch Einleitewortgenügend gekennzeichnet -> kein Grund für zweite Kennzeichnung nötig ->Konjunktiv fallen gelassen. Lutherbibel schwankt bereits zwischen „dass ich der Herrsei“ und „dass ich der Herr bin“.Schwaches Verbum braucht Umschreibung um gekennzeichnet zu werden. Auch auf

starke ausgedehnt -> bringen würde statt brächte. Formal bei starken Verben der 4.und 5. Klasse Konjunktiv II.

Grammatiker haben Verwendung von Konjunktiv II abgelehnt.

Im 19. Jh. Konjunktiv II aufgrund Konjunktiv I obsolet geworden (Konjunktiv II: Erwüsche seine Hände nicht)Modale Verben für Konjunktivbildung verwendet. „Dürfte ich sie um einen Gefallenbitten?“, „wüssten sie mir zu helfen?“, „das müsste ich wissen“... (dürfen, können,mögen, wissen, haben...) Wenig semantischer Gehalt. Modalverb verblasst, wird zumFunktionselement, Gehalt liegt im Vollverb.

Heute Konjunktiv bei indirekter Rede, Irrealität. Indirekte Rede Konjunktiv I oder IIsagt, dass mitgeteilter Sachverhalt nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen muss,keine Gewähr für Aussage. Unsicherheit dabei. „Fritz erzählte, Max hätte seineEltern gesehen / Max habe seine Eltern gesehen“Irrealität: Würde-Umschreibung. Konjunktiv II von würde bei Konditionalsatz aberanders. Wenn ich zeit hätte, würde ich mit dem Zug fahren. Selten: Wenn ich zeithätte, führe ich mit dem Zug. Konditionalsatz mit würde-Umschreibung. „Wenn-Sätze sind würdelos“ Kommt trotzdem vor und auch erlaubt.Konjunktiv rückläufig.

Syntax: Änderungen im Satzbau, Satzlänge, Wortanzahl, Satzglieder statistischbeobachtbar.Nominale/verbalisierte Realisierung von Satzgliedern möglich. Anstelle von SatzgliedGliedsatz -> Satzgefüge mit einem oder mehreren Nebensätzen. Nicht nur Satzgefüge,auch Satzreihen.Setzung – satzwertige Ausdrucksformen, denen Verbum finitum fehlt(Zeitungsüberschriften) Kleist/Mann schwierig, weil wenige Satzgefüge.Schriftsprachliche Kommunikation weitgehend anstelle der dialektalen Gestaltung derSchriftsprache, mit Gestaltung, die auf leichte mündliche Verständlichkeit abzielt.Zahlen und Beispiele der deutschen Syntax – Satzlängen nach Hans Eggers – SieheHandout (Bibliographie (in Auswahl), 2. Teil.)

Mitschrift vom 28.5.2004

Syntaxentwicklungen / SatzlängenWortverteilungen in den Satzgliedern (von Eggers nicht untersucht, aber von BeatrixBallek).Satzglied mit mehreren Wörtern -> mehr Information. Zunahme an Attributen,Mehrfachattributionen, deverbativen Nominalisierungen, Partizipia, Verbaladjektiva.Verbum besitzt Valenz (=Fügungspotenz) -> muss Stellen obligatorisch oderfakultativ besetzen. Akkusativobjekt + wohin bei „legen“ -> Aufschwemmung.Ausdrucksökonimisch, wenn alles in einem Satz/Syntagma ist. Dafür aber schwierigerverständlich, wenn sich der Inhalt erst gegen Ende des Satzes offenbart.Nominalisierung des Attributs bringt syntaktische Vereinfachung, semantischeVerkomplizierung.Nominalisierung -> verbale Geschehnisse in Verbalabstrakta – Substantivaumgewandelt. Heute häufig; auch besonders in Wissenschafts- undVerwaltungssprache des 19. Jh. Vorgänge in Begriffe umgewandelt.

Ausdrucksökonomie -> Schaffen von Präzisierungen, klarer, definitiver Ausdruck.Adverbia werden als Adjektive verwendet.Substantiva drücken häufig Vorgänge aus. Goethezeit meist noch verbal. Verbalstilzum Nominalstil entwickelt (für Fremdsprachenerwerb schwierig)Funktionsverben - „bringen“, „bekommen“, „machen“, „geben“ zwar auchVollverben, reduzieren semantische Bedeutung als Funktionsverb. Erlaubnis geben,Zustimmung geben,... Substantiv bringt Bedeutung.Verschiedene Aspekte:Ich bringe die Arbeit zum Abschluss -> Initiative im VordergrundIch schließe die Arbeit ab -> Tätigkeit im Vordergrund

Funktionsverben häufig gesetzt, ohne Aspektfunktion zu beachten.Gustav Wustmann: „Allerhand Sprachdummheiten“ 1891 – Sprachdummheitenaufgezählt, Funktionsverben und Nominalisierung kein Thema. Auflage aus dem Jahr1943: Neues Kapitel für eben diese.Satzklammer: Ausklammerungen. Einkaufen – ich kaufe ein. Fritz kauft morgensbeim Greißler Milch und Frühstück ein. Deutscher Satz zum Ende hin,eindrucksschwerste Moment des Satzes im Erstglied oder Letztglied. GeregelteAbfolge, semant. Feld des Satzes von Anfang zum Ende aufgerollt. Satzklammernregulär oder irregulär verkürzbar.

Regulär: Er hat für die Prüfung mehr gelernt als ich. Gegenüberstellung von „er“ und„ich“.Irregulär: In der Klammer wichtigste Glieder für den Satz, eines oder mehrerewichtige Glieder ans Ende des Satzes stellen. Der Einbruch [...] fand statt unter Karl V.Der Einbruch [...] unter Karl V. fand statt.Jeweilige Satzlänge wichtig für Ausklammerung. Stärkste Ausklammerung erfolgtjedoch im 19. Jh. Ausklammerung abhängig von Textsorte und Schriftsteller / Funktionalstil undIndividualstil.Satzlänge spielt RolleSatzverkürzung zeigt kein Charakteristikum des 20. Jh. - findet sich auch in früherenZeiten.Tempusgebrauch:Futur und Ausdruck der VergangenheitFormal nur analytisch mit Verben ausgedruckt. Erst im MHD angefangen anhand vonModalverben. FrühNHD mit Verben umgesetzt.„Er wird morgen kommen“. „Er kommt morgen“ reicht jedoch. Ersterer Satz drücktWahrscheinlichkeit aus, modale Sicht der Dinge. Futur II: „Er wird es (schon) nicht getan haben“ - modal. (Grammatiker des 16. Jh.brachten das hervor, fürs lateinische Übertragen der consecutio tempori.)

Morgen werde ich es geschafft haben. (Futur II). Semantisch genügt „Morgen hab iches geschafft“.

Zukunftsaspekt / modaler Charakter wird Frei – Aspektausdruck.

Ausdruck der Vergangenheit: MHD -> einfaches Präteritum, versuchte mitModalverben Aktionsarten zu umschreiben. Auch im Norden setzt sich Perfekt durch

statt Präteritum. Unterschiede bei sein/haben. Ich habe/bin gesessen (Nord/Süd).Durchsetzung von Kurzformen: „Es war schlecht“ vs. „Es ist schlecht gewesen“.„...ist gewesen“ rückläufig, weil weniger ökonomisch.Zeitungen: Perfekt nimmt gegenüber Präteritum zu. Annäherung der Schriftsprachezur Standardsprache.

PassivumVorgangs/ZustandspassivEr wird geschlagen / er ist geschlagen. Aspekt des Geschehens.Passivumschreibungen1) Umschreibung in sein: Es ist notwendig2) Umschreibung mit Vollverben: Erhalten, gehören, bekommen, sich [...] lassen, er

bekommt sein Buch geschenkt, so etwas gehört bestraft, man darf sich nichttäuschen lassen.

3) Medialreflexivkonstruktion: Das Buch liest sich leicht. Die Tür öffnet sich.4) Verbalableitung mit -bar, -lich, -ig. Das Buch ist gut lesbar.

50er: Dolf Sternberger wirft sprachlichen Zeitgenossen Entpersönlichung undEntmeschlichung vor -> Diskussion über zeitgenössisches Sprachgeschehenlosgetreten. „Wörterbuch des Unmenschen“ - Passivschreibungen mitunter als Grund.

Wortbildung1) Komposition / Ableitung aus vorhandenen Wortbildungsbestand.2) Neuschöpfung

19. und 20.Jh -> großer Gebrauch, viele technische, wissenschaftliche und kulturelleNeuerungen -> viele Neuerungen auch in der Sprache.Komposition: Syntaktische Fügung: Erstglied im Genitiv – Genitivattribut.Monatsgehalt, Botenlohn. Reihung: Eigentliche Wortbildung. Erst- und Zweitgliedmit Fugenelement. Tagedieb (Tagadiob), Landvolk, Sterndeuter, Tischlampe...Gesangsbuch (Süd), Gesangbuch (Nord). Viele weitere Unterschiede.Fröbel 1841 erfindet: „Kindergarten“, Feuerwehr“... Marx: „Klassenkampf“. Autobahn, Schülerlotsen, Parkplatz <- mit Reihung Verkehrsampel, Versuchsprogramm <- mit Fügung. Heute häufig: schnelle Straße -> Schnellstraße, großer Markt -> Großmarkt,...Frischobst, Frischgemüse, Großverdiener... Adjektivkomposita.

Prinzip teils seit 17. Jh, 19. Jh. auch schon Adjektivkomposita. Uni -> Hochschule.Festland, Fremdwort, Neuzeit...Mehrfachkompositionen – Kompositionsketten -> Fußball = A+B. Fußballspiel =(A+B)+C. Fußballweltmeisterschaft (A+B)+(C+D).Versicherungsanstalt = A+B. Bundesversicherungsanstalt C+(A+B).Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitän...Auch bei Namen: Siegfried, Gertrud...

Fachsprache besonders produktiv: Lohnsteuer, Facharbeiter... besonders Juristen undÄmter -> Eindeutigkeit der Vorgänge. Verbale Umschreibungen:Aufklärungsflugzeig – präziser als Flugzeug zur Aufklärung. Schuldfeststellung...

AusdrucksökonomieTeils Komposita verkürzt -> Klammerformen, Dreigliedrigkeit – Mittelgliedausgelassen. z.B.: Ölberg=ÖlbaumbergÖlzweig=Ölbaumzweig.Lastwagen (-kraft-), Haupthahn (-wasser- / -gas-), Blumenerde (-topf-), Autobus (-mobilomni-), Kaltfront (-luft-), Moped (-torveloci-)Kopfformen / Schwanzformen: Weglassen vom ersten/letzten Teil. Bleistift ->Bleiweißstift. 19.Jh. - „der Blei“. Der Kümmel(schnaps), der Korn(schnaps), derKirsch(geist). Genus des weggelassenen Wortteils beibehalten.Automobil -> Auto. Fotografie -> Foto. Diapositiv -> Dia. Kilogramm -> Kilo.Lokomotive -> Lok. Universität -> Uni. Limonade -> Limo.Profi, Taxi, Ami... Nazi, Sozi... Verkürzung auf ersten beiden Silben.Verkürzung durch Weglassen des Erstgliedes. Film (aus Tonfilm), (Telefon)Hörer,(Ton)Band, (Schall)Platte, (Eisen)Bahn, (Regen)Schirm, (Fahr)Rad.

Mitschrift vom 4. Juni 2004

Weitere Wortbildungsbeispiele:z.B.: „Herti“ (Deutschland) Hermann Tieze – 120 Jahre lang bestehendes Kaufhaus(bis vor 5 Jahren). Laica – Laiz Camera. Persil – Perborat Silicat. Fewa –Feinwaschmittel. Billa – Billiger Laden. Bipa – Billige Parfumerie.Aneinanderfügung von Silben – sprechbar.

Aneinanderreihung von Buchstabenzu Silben:Hapag, 1847: Hamburg-Amerikanische Paketfahrt Aktiengesellschaft, DIN (DeutscheIndustrienorm)zu Buchstabenwörtern:Buchstabenaussprache, etwa bei polit. Parteien, SPÖ, ÖVP. DDR, VW, CVJM(Christlicher Verein Junger Männer/Menschen). AEG: AllgemeineElektrizitätsgesellschaft.Heute Buchstabenwörter vor allem im wissenschaftlichen Bereich.Hermann Paul, Wilhelm Braune 1881: PBB – Paul Braune Beiträge.Anlass für Buchstabenform: Chemische Formeln als Vorbild. H2O, CO2...

Ende 50er/Anfang 60er sprachkritische Diskussion: Dolf Sternberger: Wörterbuch desUnmenschen“. Bei der Wortbildung: Präfix „be-“ und Suffix „-mäßig“z.B.: Qualitätsmäßig – in Bezug auf die Qualität.„-mäßig“ Bildung schon im 14. Jh. in Rechts- oder Verwaltungssprache, erst 600Jahre später in den allgemeinen Sprachgebrauch, Bildungsmöglichkeiten nahezuuneingeschränkt, ökonomische Ausdrucksart, Sprachökonomie lässt Suffix wichtigwerden, in einer Zeit, in der Zeit kostbar wird.Sprachkritik an Verwendung von Präfix „be-“be- seit AHD und MHD, aber jetzt mit neuer Anwendungsart: mit „be-“ werden ausintransitiven transitive Verben: siegen – besiegen, treten – betreten,...Licht -> belichten. Flagge -> beflaggen. Transitive Verben verlangen Akkusativ ->Sicht auf Vorgehen wird geändert (intransitive Verben mit Dativ).Ich liefere dem Kunden die Ware. Dativ: Zuwendung des Subjekts im Zentrum.

Ich beliefere den Kunden -> Kunde im Akkusativ, wird Ziel des Handelns. Kundewird zum „Objekt“ -> Machtausübung gegenüber dem Objekt, weil Objekt zum Zielder Handlung gemacht wird. Perspektivänderung des Handelns.Kritik von Hermann Koll am „inhumanen Akkusativ“ - meint es handelt sich dabeinur um unterschiedliche Kategorien.be- Präfix produktiv aufgrund der Sprachökonomie. Kürzere, präzisiereAusdrucksweisen nicht mit Inhumanität als Beweggrund.

Entwicklung des WortschatzesGrundzüge: 19.Jh. 1830 beginnend (kulturgeschichtlich) – Vormärz (gipfelt 1848),Beginn der Industrialisierung (bis 1830 etwa Klassik und Romantik). Gesellschaftändert sich, bis 1830 Sprache der Literatur und der gehobenen Schicht mehr oderweniger identisch.Romanciers des bürgerlichen Realismus, C.F. Maier – alltagsfern. Rilke völligalltagsfern, dennoch mit Ausdrucksweisen, die zu der Zeit da sind. Expressionismusbleibt in der Literatur, geht nicht in Alltagssprache... August Langen – Darstellunganhand der „schönen“ Literatur.

Wortschatzentwicklungen: 8 Entwicklungsrichtungen, 5 aus dem 19. und 3 aus dem20. Jh.

1) 19.Jh. Bewegung des „Jungen Deutschlands“ gegen herrschende Zustände, fürDemokratisierung, damit Verbunden: Journalismus. Weiters: Arbeiterbewegung,nationale Strömungen, die ein großes Reich wollen. Neuer politischer undjournalistischer Wortschatz.

2) Technik und Industrie entwickeln sich, nehmen um 1850 herum intensiv zu.Folglich technischer Wortschatz und Phrasiologie.

3) Indrustie fördert Absatz der Produkte -> Wirtschaft/Konsumwesen/Werbesprache.Kunden von Qualität überzeugen, Komparierung.

4) Um 1830: Sport zu volkskultureller Freizeitbeschäftigung.5) Mit der Entwicklung in technischer Industrie/Wirtschaft – internationale

Beziehungen, Fremdwörter als Fachausdrücke. Meist werden Fremdwörterübernommen, z.B.: television – Fernseher, telephone wird aber nicht zuFernsprecher. Im Gegensatz zu Frankreich keine politische Sprachregelung fürFremdwörter. Streben nach Bildung eines Nationalstaates – richtet sich gegenFrankreich (Gipfelt im Deutsch-Französischen Krieg). Gegenbewegung zuFremdwörtern: Purismus.

6) Im 20. Jh. besonders in der Zwischenkriegszeit nationales Element. Wird imNationalsozialismus in den 30er und frühen 40er Jahren bis ins Extremevorangetrieben. Vorhandene Begriffe sind heute aufgrund dieser Zeit„vorbelastet“. Wörter der politischen Bewegung sind mit Verschwinden derBewegung selbst verschwunden. Aushöhlung vorhandener Begriffe.

7) Nationale Abkapselung in der Zwischenkriegszeit -> Einengung; 50er JahreInternationalisierung/Amerikabegeisterung. Fremdwörter zumeist ausFachsprachen, technische und wissenschaftliche Begriffe aus den USA.

8) Streben nach Ausdrucksökonomie. Nach 1945 Reihe vonWortbildungsmaßnahmen. -mäßig, be-, Mehrfachkomposita, Kurzwörter.

1964 Mannheimer Institut für deutsche Sprache – Gegenwartssprache und Wurzelnergründet.

Ad 1) Polit. Wortschatz: Begriffe Bund / Verein / Verband häufig verwendetBund ab 1806 – der Rheinbund, 1815 nach Wr. Kongress: Deutscher Bund. 1867-71:Norddeutscher Bund. Bundeskanzler – Vorsitz der Bünde. Vertretung: Bundesrat.Bünde aus Ländern -> Länder als Bundesländer, zusammen als Bundesstaat.Bund in der 2. Hälfte des 19. Jh. zum politischen Wort. Bündnis und der Verbündete(1871).Ursprungswort frei geworden, Zusammenschluss jeglicher Art -> Verein, politischoder unpolitisch. Deutscher Zollverein, Turnverein, Männergesang(s)verein. Studentenbünde 1815, Gesangsvereine 1862 -> Deutscher Sängerbund. Bundpolitisch besetzt – Verband. 60er Jahre produktiv, 1860 -> Verband deutscherBuchdrucker in Leipzig. Politisches Wort der 1840er: Arbeiter. Zwar älter, aber mitneuer Bedeutung. Werktätiger im Industriebetrieb.Handwerker nicht im Industriebetrieb. Arbeiterbegriff bis in 1950er gehalten. Heuteauch Maurer ein Arbeiter, bis 1950 noch als Handwerker gesehen. PolitischeAusdrücke: Agitator/Agitation, agitieren, Anarchie, Anarchist, Terrorismus, Terrorist,terrorisieren, Reaktion, reaktionär, Reaktionär,... Schlagwörter der Zeit, führendeJournalisten jener Zeit häufig mit Verwendung dieser Ausdrücke. Gegensatzpaare: Freisinnig vs. Liberal, Rechtsstaat (1826) vs. Polizeistaat. 1830:Aufruhr vs. Krawall. Aufkommende Revolutionsbewegung, 2 Bewegungen inFrankreich. Kommunismus und Sozialismus. Schlechte Stellung des neuen Standes.1830 Begriff Sozialismus, 1840: Sozialist, 1850: Sozialdemokrat. 1840:Kommunismus, 1848 kommunistische Manifest.Lorenz Stein, 1855-85, Staatsrechlter in Wien an der Universität. Buch:„Communismus und Socialismus des Frankreich“. Machte Prinzipien bekannt, nichtals egalitäres Prinzip, sondern durch staatliche Hilfe und Ausgleichen.„Sozialpolitik“, „Arbeiterklasse“ als Begriffe. Heine: Begriffsbildung vonKommunismus.„-ismen“ werden produktiv. 1850 Hypnotismus. Theorie und Technik der Hypnose.Amerikanismus (Bezeichnung für Amerikabegeisterung).

NaturalismusWort mit bewegter Geschichte, im 18. Jh. schon da, Malerei nach der Natur.Italienfahrer; 1840: Art der Rollendarstellung im Theater, unpathetisch, Menschen aufder Bühne. Karl Gutzke: natürliche Schauspielkunst des Theaters.Johannes Schlaf / Gerhart Hauptmann.

Mitschrift vom 11.Juni 2004

Fortsetzung ad1) politischer WortschatzJournalismus / Schnellpresse / Zeitungswesen. Schnellpresse ab 1812, ab 1820 herumIntensivierung.Heine, Burne, Gutzkow bereits im Journalismus tätig. Entwicklung neuen Prosastils,kürzer, leicht verständlich. Leitbegriffe, die Inhalt klar machen sollen: „Schlagworte“.1768 erstmals „Schlagwort“ belegt, erst mit 1920 herum populär.Reklame: Aus dem Französischen, „bezahlte, positive Buchbesprechung“.Heine/Gutzkow 1840 herum: Reklame = „Lobhudelei“, Ein gutes Buch hätte dasnicht nötig. Begriff von Wirtschaft und Handel aufgegriffen, für Produkte und Waren.„Werbung“ als freie Übersetzung.„Öffentlichkeit“ nach der 48er Revolution. Öffentlichkeit soll wesentlich werden.

Journalismus zeichnet Zeitungssprache aus, schnell schreiben wichtig, sprachlicheSchlampigkeit vorgeworfen, etwa von Schopenhauer. Posthum erschien von jenemeine Schrift mit dem Titel „Über die, seit einigen Jahren methodisch betriebene,Verhunzung der deutschen Sprache“. Kritik an Wörtern und falschen Wortbildungen.Maßnahme sollte Maßregel sein, Gedenkfeier sollte Gedächtnisfeier, nötig solltenotwendig, beiläufig - ungefähr, außer - ausgenommmen, weitaus - für bei weitemlauten.Falsche Ableitungen / Suffixe: *Bedauerlich statt bedauernswert, *verlässlich stattzuverlässig, *achtbar statt achtungswert, *Längsschnitt statt Längenschnitt.Falsche Verkürzungen: *Nachweis statt Nachweisung. *Indes statt Indessen.

1850 – Gesamtheit des Zeitungswesens als „Presse“ bezeichnet. Journalismus /Journalist: auch in dieser Zeit zunächst „französischer Korrespondent“, dann alsBerichterstatter. 1876 englisch Reporter. 1848 Leitartikel aus leading articlelehnübersetzt.Schlagwort – Schlagzeile, um 1880 herum. „Aktuell“ im Sinne des Tagesinteresses.

Ad 2) Entwicklung von Technik & Industrie – sprachliche FolgeerscheinungenIndustrie (lat. industria), aus dem Französischen: Fleiß und Einsatz der an Dinge zuwenden ist. Von Kampe als Gewerbefleiß übersetzt. Industrialismus. Wertegeist zurwirtschaftlichen Produktivitätssteigerung. Die Industriellen, wirtschaftlicheKapitalanhäufer. Kapitalismus (erstmals 1868 belegt) zunächst positiv: Streben nachLohn für Fleiß/Industrie/Arbeit.Gegenbewegung der Sozialisten und Kommunisten, gegen Kapitalismus, Vorwurf derAusbeutung der Arbeiterschaft.Maschinen lösen ländliche Arbeitskraft ab. Maschine aus dem französischenMittelalter: „Wurfmaschine“. Maschine mit Beginn der Industrie 1820 populär. Im18. Jh. aber schon in Fachsprachen. 1770er Traum von Waschmaschine, oder späterDampfmaschine, deren Erfindung vom Gerät aber erst später kam.Fachsprachen werden wichtig, technische Neuerungen führen dazu, dass Begriffe indie Alltagssprache einfließen. Eisenbahnwesen, Elektrizität, Fotografie, Bauwesen,Auto... Fachausdrücke, neue Phrasiologie, Redewendungen aus beeindruckendenErfindungen.Eisenbahn, Stevenson, 1815, England. Zugmaschine/Eisenbahn entwickelt. 1835 ersteBahnfahrt (12km), rasche Ausbreitung, 50er/60er Ausbau. Von England nachFrankreich und über Rest Europas und der Welt. Ausdrücke Lokomotive, Wagon –mit französischer Betonung.1839 – Strecke Leipzig-Dresden. Erster Tunnel (englische wie französische Betonungkommt vor) Redewendungen bereits in den 1840er Jahren. „Es ist höchsteEisenbahn“, „er ist abgedampft/abgefahren“, „den Anschluss suchen/verpassen“, „auseiner Sache aussteigen / in eine Sache einsteigen“, „jemand Feuer/Dampf machen“,„eine Fahne haben“, „Schmalspurakademiker“. Redewendungen auch aus anderenBereichen. (Heute auch aus dem Telefonwesen).

Ad 3) Folge der IndustrialisierungKonsumwesen / Werbesprache im 19. Jh. entwickelt. Neue Tendenz: Erzeugnisse mitHerstellernamen versehen. 1860 – Stollwerkschokolade. 1897 – Dieselmotor (FirmaDiesel), Kruppstahl, Knorrsuppe, Namen von berühmten Persönlichkeiten aufProdukte: Bismarckheringe, Schillerlocken. Werbung: Einprägsam, übersteigernd. Begriffe wie groß, Bombe, voll, Hölle...

Natürliche Bildlichkeit / metaphorisch.Großstadt, Großunternehmer, Großbürger, Großeinkaufsgenossenschaft, große Töne,groß reden, großkopfert. Vollmilch, Vollkornbrot, vollinhaltlich richtig, Volldampf,vollschlank – ironisch für dick. Bombe, etwas gefährliches. Bombenrolle,Bombenapplaus, Bombenerfolg. Höllendurst, Höllenangst, Höllenlärm. Mordswetter,Mordsfreude, Mordsstimme, Mordsarbeit, Mordsskandal.-> Da Inhalt nicht realisierbar – semantische Verblassung. Häufige Verwendung,Verlust der semantischen Kraft. „Modewörter“.

Ad 4) SportTurnvater Jahn. Davor Sport nur zur Unterhaltung/Vergnügen. KörperlicheErtüchtigung. 2. Hälfte des 18. Jh. Beschäftigung mit der Antike – olympische Spiele.Jahn – Aufklärer, Denken und Sprache in Verbindung. Folgerung: richtiges, logischesDenken geht nur, wenn Sprache gesund ist, ein gesunder Körper dabei alsVoraussetzung.Förderung gesunder Körperlichkeit, Turnen. Jahn kommt aus Norddeutschland,Entwicklung der Namen aus dem Niederdeutschen. Riege – Reihe. Barren(Futterbarren), Bock (bildlich fürs Springen).Um 1830 – Pferdesport / Pferderennen aus England übernommen. Fußball auch ausEngland, ab 1874 Fußball zur körperlichen Bewegung auch in Deutschland. Heißt erstab 1910 Fußball, als es populär wird, davor: Football.Englische Ausdrücke: Out, Corner in Österreich etabliert, in Deutschland: Aus undEckball. Vorm Fußball schon um 1900: Boxsport sehr populär.Redewendungen: Sich durchboxen, den Gegner abtasten, Rückschläge hinnehmen,Schlag ins Volle/Leere/Gesicht, jemanden als Schläger bezeichnen, Angriffe unter derGürtellinie, KO sein.

Ad 5) Fremdwörter und EindeutschungDurchs höfische Wesen viele französische Ausdrücke. Waschbecken – Lavoir.Waschtopf – Pot chambre, Plafond, Parapluie. Im frühen 19. Jh. Napoleon.Eroberungskriege, 1814 – Neuordnung Europas. Gegenbewegung zu französischenAusdrücken.Kampe – Erklärungen für französische Ausdrücke wurden als Ersatz verwendet.Turnvater Jahn dezidiert gegen französische Ausdrücke. Sprache soll gesund sein, vonSchäden befreit -> französische Wörter verbannen. Verdeutschung vielerFremdwörter.Gesundheitsapostelei nicht nur von Kirche, sondern auch von anderen Ideologien.Liberal denkende Turnerschaft auch für Sprachpflege – Wurzeln des deutschenSprachvereins, Bekämpfung von Fremdwörtern. Entstehung des Nationalgedankens.Fürstentümer streben nach nationaler Einheit. 1871 – Versailles. Entstehung vonNationalgedanken, 1871 nach Gründung des deutschen Reiches Zunahme desPurismus. Eisenbahn/Post/Telegraphenwesen – systematisch von Postministersprachlich eingedeutscht. Listen verteilt, in denen französische Ausdrücke mitdeutschen Übersetzungen aufgelistet waren, die verwendet werden sollten.Kondukteur -> Schaffner, Billet -> Fahrkarte, Perron -> Bahnsteig, Coupe -> Abteil,rekommandierter Brief -> eingeschriebener Brief, Expressbrief -> per Eilbote.Französische Ausdrücke bleiben in Österreich noch sehr lange. Rund 800 Terminieingedeutscht. Teils Lehnübersetzungen und Übertragungen.

Nationales Streben führt zu 6)

Gründung des deutschen Reiches im 19. Jh. Nationalgedanken, gegen Frankreich undalles Französische. Später dann mit Antisemitismus. In Österreich etwas anders,Habsburgerreich – Vielvölkerstaat. Deutschösterreicher in der Minderheit. Deutschebegannen sich dennoch abzugrenzen, Georg von Schönerer, 1899 – NationaldeutschePartei. Kleinere deutschsprachige Volk sei ohne großdeutsches Volk nichtüberlebensfähig – verschiedene nationale Ideen auf Deutschösterreicherübergegangen. Zerfall der Monarchie, Ende des Ersten Weltkrieges...Verträge von Versailles – Widerstand, Hass gegen die Sieger wieder gesteigert. 1933– Nationalsozialismus.Als Ideologie viele neue Begriffe/Definitionen (sterben auch mit Ende der Bewegung)– gebräuchlicher, üblicher Wortschatz in pervertierte Weise verwendet – inhaltlicheAushöhlung – mit Nachwirkung bis heute.Aushöhlung von Begriffen wie: Reich, Vaterland, Heimat, Volk, Muttersprache.Durch Missbrauch ausgehöhlt, verdächtig geworden. 4. März 1933, NS Großkundgebung, von Reichsfunk übertragen. Religiös verbrämt,pathetisch, voll religiöser Anspielung, Perversion, Ummünzung. Begriffe Heil,Glaube, Himmelreich,... missbraucht, aushöhlend; ursprüngliche, positive Besetzunggeht verloren.

Mitschrift vom 25. Juni 2004

Ad 7) FremdwortgebrauchBis ins 19. Jh. - französischer Einfluss. 18. Jh. höfische Verhältnisse. 19. Jh.Entdeckungen, Technisierungen, Eisenbahnwesen in England entwickelt, aber überFrankreich importiert. 19. Jh. - Gegenbewegung, deutscher Nationalgedanke, Anfang des Jahrhunderts,Gegnerschaft zu Napoleon, nach 1815 39 Einzelstaaten, nicht geeint. 1871 nochDeutsch-Französischer Krieg -> Deutsche Einigung, Nationalbestreben erreicht,Ablehnung der neu aufgetretenen / immer noch vorhandenen französischenAusdrücke. Postmeister Stephan mit Ersetzungsvorschriften. Ab 1885 deutscherSprachverein, aufkeimender Deutschnationalismus. Fremdwortgut abgelehnt, alsSchädigung für deutschen Geist und Kultur angesehen. Französisch ohnehin zurückgehend, von Englisch verdrängt (Sport!).

Das 20. Jh.: Angloamerikanischer Wortschatz seit 1945 mit stärkerem Einfluss aufdeutsche Sprache. Vor 2. Weltkrieg: Im Rahmen des NS Systems – AbkapselungDeutschlands innerhalb von Europa/Übersee, in Verbindung mit deutschnationalemGeist wenig vom Ausland aufgenommen.1945 bricht das System zusammen, neue Ideen/Ausrichtungen entstehen, Öffnungnach außen, Beendigung der politischen Verhältnisse durch USA/GB/Fr/UdSSR.Versuch der Befreier, eigene Kultur/Ideale zu vermitteln, moderne Zivilisations-entwicklung. Verschiedene Kulturbereiche, Lebensstil, Rundfunk, Film, Bücher,Tanz, Musik. Vieles in Deutschland/Österreich neu. Angloamerikanisches Wortguteingeströmt, modisches Aufgreifen von englischen Ausdrücken.Modisch bzw. bedingt durch Neuerungen (ohne Lehnübersetzung).EWG – Kooperation mit Westen, Westen mit stärkerem Einfluss auf Deutschlandund Österreich als Osten. Westlicher Einfluss jedoch auch insofern stärker, dass erauch über den Eisernen Vorhang hinweg wirkt. NATO – amerikanische Verbindungen im Westen eng, viele angloamerikanischeAusdrücke im Deutschen. „Denglisch“ und „Engleutsch“ von Kritikern als

kontaminierte Wortbildung aus Englisch und Deutsch. Umgangssprache undtechnische Fachsprachen auch mit vielen Anglizismen.Unterschiedliche Standpunkte, in Deutschland stärkerer Diskurs als in Österreich,teils als „Überfremdung“ angesehen. Linguisten sehen das als natürlicheSprachentwicklung, bis in die 70er in der Linguistik wurde die Aufnahme vonFremdwörtern sogar begrüßt (Kriegsgeneration) und als „Bereicherung der deutschenSprache“ und „internationale Öffnung“ angesehen.Akademie Francaise in Frankreich verbietet Fremdwortgebrauch, immer neueLehnübersetzungen. Print- und audiovisuelle Medien müssen sich an die Regelungenhalten, im Alltagswortschatz dennoch Fremdwortgebrauch.

Entwicklungstendenz nach 1945: Regionalisierung der deutschen Sprache. Nach '45nicht nur Wiedererrichtung Österreichs, sondern auch nationale Souveränität. 1806 Kaiser Franz II, Auflösung des Heiligen Römischen Reiches, 1804 – KaiserreichÖsterreich ausgerufen – Verselbstständigung Österreichs. Im deutschen BundÖsterreich als eine, Preußen als andere Großmacht. Ringen um Vormachtstellung. Bis1866 Krieg Österreich gegen Preußen, Schlacht bei Königgrätz. AusscheidenÖsterreichs aus deutscher Politik. Ungarische Hälfte souverän geworden.Auseinandersetzungen zwischen Österreich und Preußen, auch sprachlich, regionaleUnterschiede in der Standardsprache.Begriff des „Österreichischen Hochdeutsch“ (negativ) etwa 1875.Einstellungsänderungen mitunter politisch und kulturpolitisch bedingt. In derÖsterreichisch-Ungarischen Monarchie bis 1848 vollständigeSelbstständigkeitsbestrebung. Nation als Einheit von Volk, Staat, Kultur (Religion,Sprache, gemeinsame Abstammung); in der Schweiz gilt es nicht als Kriterium(Sprache). Ungarn, Slowaken, Tschechen, Polen, Rutäner/Ukrainer, Rumänen,Serben, Kroaten, Slowenen, Italiener,... Viele verschiedene Sprachen in derMonarchie, Vielvölkerstaat. Ungarn, Slowaken und Tschechen an der Spitze derBewegung. Deutschsprachige in der Monarchie in der Minderheit, den Deutschen imneuen Deutschen Reich verbunden gefühlt, da eine Minderheit -> gesamtdeutscherZusammenhalt als Notwendig angesehen, deutschnationale Bewegungen dadurch imVorteil. Ebenso auch panslavische Bewegungen vorhanden. Erster Weltkrieg: Neue Staaten geschaffen, Auflösung der Monarchie, nichtdeutscheSprachgebiete bekommen Wünsche erfüllt, Konflikte für 2. Weltkriegvorprogrammiert. 1938 Anschluss. 1918 bei der Gründung der Republik von Rennervorgeschlagen, sich an Deutschland anzuschließen. Wurde von den Siegermächtenabgelehnt. 1938 – Renner begrüßte Anschluss, 1946 – genau umgekehrt reagiert.Österreich als eigener Staat groß gefeiert. NS Integrierung / Unterdrückung denÖsterreichern stark zugesetzt. Politiker nach '45 jene, die in Konzentrationslagernoder im Exil waren. Neue Staatsgründung, Ö: 1946 950 Jahre Österreich gefeiert.Parteiprogramme / Reden betonten nationale Souveränität, (auch kulturell-politisch).Schulen mit bewusster Erziehung zum Österreichtum. Deutsch als Bezeichnung fürdas Unterrichtsfach wurde abgeschafft, bis '52 Unterrichtssprache genannt, erst ab '55wieder Deutsch.Betonung der österreichischen Sprache, die nichts mit Deutschtum zu tun haben soll,auch Sprachverwandtschaft zum Bairischen geleugnet.„Abstammng“ der Österreicher als römisch, tschechisch und keltisch, Germanen abernicht genannt, vom Deutschen und Bairischen distanziert, Völkergemisch derMonarchie hochstilisiert.Nach 1945 bewusst politisch betont: Österreichisches Wörterbuch.

Vorkriegsausgaben ohne etwas über österreichischen Wortschatz, in den 20ern z.B.neben Aprikose auch Marille als Alternative angegeben. Nach '45 – österreichischerWortschatz betont, möglichst viel umgangssprachliches Wortgut beigefügt, umDifferenz zu Deutschland heraus zu heben. Heftige Proteste, dialektal aufgenommeneAusdrücke wieder entfernt. Umgangssprachliches mit (ugs.) gekennzeichnet. '51erscheint Wörterbuch der guten deutschen Sprache – zur Erziehung des gutendeutschen Sprachstils. Schulung des guten deutschen Österreichisch.Österreichische Verfassung sagt schon 1920, dass Österreich ein deutschsprachigerStaat ist. Österreichische Nation in Bewusstsein der Bevölkerung konstituiert. ÖWBbis 1979 unverändert. Schulbuch, für Ämter verpflichtend. Mittlerer Umfang, fürRechtschreibung immer noch Duden wichtig.Ab 1979 wieder Jargon, Dialektgut ohne Kennzeichnung aufgenommen. Frei nachBernsteins Defizithypothese – Aufheben der Markierungen des „restringierten Codes“- alle dürfen Ausdrücke verwenden, ohne sozial gebrandmarkt zu werden, umstritteneTheorie. Schulen gegen ÖWB. 36. Auflage 1985 wieder davon abgerückt,soziostilistische Markierungen (ugs., salopp, West-Ö...). Monopol des Dudenverlagsmit Orthografiereform gebrochen, Konkurrenz möglich.DAF weitgehend mit Norddeutschen Standpunkten, in Österreich kein vergleichbaresPendant. Regionale Varietäten, es gibt kein österreichisches oder deutsches Deutsch.Österreichisches Deutsch keine Einheit.Siehe Handout: „Die österreichische Variante der deutschen Standardsprache“ fürweiteres.