Mitteilungen aus dem SOFI · auch bei den Experten der Rating-agenturen mit vielen jungen und...

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SOFI Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen an der Georg-August-Universität November 2008, Ausgabe 5, 2. Jahrgang Mitteilungen aus dem SOFI Finanzmarktrationalität und Finanzmarktkrise Wenn man die Welt vor Kennziffern nicht mehr sieht von Jürgen Kädtler Vorbemerkung: Beiträge zu Finanzmärkten bildeten einen Schwerpunkt der Veranstaltung „Unsicherheit auf Märkten“ der Sektion Wirtschaftssoziologie. In diesem Rahmen sprach Jürgen Kädtler über „Finanz- marktrationalität und die Orientierung realwirt- schaftlichen Handelns“. Der dort gehaltene Vortrag konzentrierte sich auf die eine Seite dieses Zu- sammenhangs: die Begründung von Unternehmens- strategien unter Bezugnahme auf Finanzmarktratio- nalität. Der im Folgenden abgedruckte Text präsen- tiert aus gegebenem Anlass die andere Seite: den Zusammenhang von Finanzmarktrationalität und Finanzmarktkrise. Der ursprüngliche Vortragstext kann auf der Homepage des SOFI (www.sofi.uni-göt- tingen) abgerufen werden. Sich im Zeichen der schwersten Finanzkrise seit Ende der 1920er Jahre ausgerechnet mit Finanz- marktrationalität zu beschäftigen, mag auf den ers- ten Blick nicht gerade nahe liegen. Die öffentliche Debatte wie das zugrunde liegende Geschehen scheinen eher eine gegenteilige Perspektive nahe zu legen. Demgegenüber wird hier folgendes Argu- ment entwickelt: Die seit den 1980er Jahren erfolgte Etablierung von Finanzmarktrationalität als wirt- schaftliche Rationalität schlechthin und das ge- genwärtige Finanzmarktdebakel sind aufs Engste miteinander verknüpft. Etwas zugespitzt formu- liert: Ohne Finanzmarktrationalität hätten wir diese Krise nicht. Finanzmarktrationalität und praktische Alltagsvernunft Die Faktoren,die zum Ausbruch der jüngsten Finanz- krise geführt haben, sind nicht neu und nicht wirk- lich überraschend. Die US-Immobilienkrise darf mit Fug und Recht zu den bestprognostizierten Krisen der jüngeren Vergangenheit gerechnet werden. Dass Unternehmenskennzahlen zu Makulatur wer- Titelthema: Wenn man die Welt vor lauter Kennziffern nicht mehr sieht 1 Bildungssysteme: Soziale Herkunft und Bildungsentscheidungen – eine empirische Zwischenbilanz zum Bologna-Prozess 5 Arbeitsgesellschaft: Der Fordismus lebt. Aber es kommen nicht mehr alle mit. 8 Postsozialismus: Transformation der ostdeutschen Industrie: Radikaler Pfadwechsel durch Kontinuität 10 Multilokalität: Multilokalität zwischen transnationaler Konzernstruktur und ortsgebundener Arbeitskraft-Reproduktion 12 Zusammenfassungen: Flexibilität, Unsicherheit, Autonomie 15 Energiewende in der Stromversorgung 15 Veröffentlichungen: Veröffentlichungen von SOFI-MitarbeiterInnen 16 SOFI-Kolloquium: Programm Wintersemester 2008/2009 16 Impressum 11 Personalia 16 Inhalt: Schwerpunktheft: 34. Soziologiekongress 6.-10. Okt. 2008 in Jena Beiträge des SOFI

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SOFI Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen an der Georg-August-Universität

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Finanzmarktrationalität und Finanzmarktkrise

Wenn man die Welt vor Kennziffern nicht mehr sieht

von Jürgen KädtlerVorbemerkung: Beiträge zu Finanzmärkten bildeten einen Schwerpunkt der Veranstaltung „Unsicherheitauf Märkten“ der Sektion Wirtschaftssoziologie. Indiesem Rahmen sprach Jürgen Kädtler über „Finanz-marktrationalität und die Orientierung realwirt-schaftlichen Handelns“. Der dort gehaltene Vortragkonzentrierte sich auf die eine Seite dieses Zu-sammenhangs: die Begründung von Unternehmens-strategien unter Bezugnahme auf Finanzmarktratio-nalität. Der im Folgenden abgedruckte Text präsen-tiert aus gegebenem Anlass die andere Seite: denZusammenhang von Finanzmarktrationalität und Finanzmarktkrise. Der ursprüngliche Vortragstextkann auf der Homepage des SOFI (www.sofi.uni-göt-tingen) abgerufen werden.

Sich im Zeichen der schwersten Finanzkrise seit Ende der 1920er Jahre ausgerechnet mit Finanz-marktrationalität zu beschäftigen, mag auf den ers-ten Blick nicht gerade nahe liegen. Die öffentlicheDebatte wie das zugrunde liegende Geschehenscheinen eher eine gegenteilige Perspektive nahe zu legen. Demgegenüber wird hier folgendes Argu-ment entwickelt: Die seit den 1980er Jahren erfolgte

Etablierung von Finanzmarktrationalität als wirt-schaftliche Rationalität schlechthin und das ge-genwärtige Finanzmarktdebakel sind aufs Engstemiteinander verknüpft. Etwas zugespitzt formu-liert: Ohne Finanzmarktrationalität hätten wir diese Krise nicht.

Finanzmarktrationalität und praktische Alltagsvernunft

Die Faktoren, die zum Ausbruch der jüngsten Finanz-krise geführt haben, sind nicht neu und nicht wirk-lich überraschend. Die US-Immobilienkrise darf mitFug und Recht zu den bestprognostizierten Krisender jüngeren Vergangenheit gerechnet werden.Dass Unternehmenskennzahlen zu Makulatur wer-

Titelthema: Wenn man die Welt vor lauter Kennziffern nicht mehr sieht 1

Bildungssysteme: Soziale Herkunft und Bildungsentscheidungen – eine empirische Zwischenbilanz zum Bologna-Prozess 5

Arbeitsgesellschaft: Der Fordismus lebt. Aber es kommen nicht mehr alle mit. 8

Postsozialismus: Transformation der ostdeutschen Industrie: Radikaler Pfadwechseldurch Kontinuität 10

Multilokalität: Multilokalität zwischen transnationaler Konzernstruktur und ortsgebundener Arbeitskraft-Reproduktion 12

Zusammenfassungen: Flexibilität, Unsicherheit, Autonomie 15

Energiewende in der Stromversorgung 15

Veröffentlichungen: Veröffentlichungen von SOFI-MitarbeiterInnen 16

SOFI-Kolloquium: Programm Wintersemester 2008/2009 16

Impressum 11

Personalia 16

Inhalt:

Schwerpunktheft:34. Soziologiekongress 6.-10. Okt. 2008 in JenaBeiträge des SOFI

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den, wenn riskante Geschäfte ganz le-gal in außerbilanzielle Gesellschaftenausgelagert werden können, konnteman auch schon vor Enron wissen.Seither ist es selbst normalen Zei-tungslesern bekannt. Und für die Er-kenntnis, dass der Aufbau von Ver-schuldungs- und Umschuldungskas-kaden auf von Anfang an zweifelhafteHypotheken ein extrem krisenträchti-ges Geschäft ist, brauchte man kein Fi-nanzexperte zu sein.

Im Gegenteil: Es scheint eher so, alsmusste man Finanzexperte sein, umdiese Gefahrenstellen im globalen Fi-nanzsystem ignorieren bzw. sie mitdem geballten Arsenal der herrschen-den Finanzwissenschaft hinweginter-pretieren zu können. Wo der ökono-misch unverbildete Alltagsverstand instinktiv heftiges Bauchgrimmen pro-voziert hätte, nahm die professionelleRisikoanalyse kein Problem wahr. Odersie verfügte über mathematische Mo-delle, mit denen die betreffenden Pro-bleme als Scheinprobleme oder als zuverlässig beherrschbare Risiken dar-gestellt werden konnten. Nicht von ungefähr galt die Expansion des Fi-

nanzanlagensektors als prominenterAusdruck der Entwicklung zu Wissens-gesellschaft und Wissensökonomie.

Vor dem Hintergrund dieser wissens-intensiven Begründung von Finanz-marktentwicklung und Finanzmarkt-strategien erscheinen die Begründun-gen, die von Seiten der Ökonomieheute für den Eintritt des Desasters gegeben werden, eigentümlich banal.Das galt schon für den Beinahezusam-menbruch des Hedgefonds LTCM, derim Jahr 1999 nur durch massive Staats-intervention in den USA abgewendetwerden konnte. Der Fall war auch des-halb bemerkenswert, weil mit denÖkonomienobelpreisträgern Robert C.Merton und Myron Scholes zwei derwichtigsten Begründer der modernen,mathematisch fundierten Finanzöko-nomie in der Unternehmensleitung sa-ßen. Der Fonds scheiterte daran, dasses die Wirklichkeit verändert, wennman statistische Regelmäßigkeitender Vergangenheit zur Grundlage ei-ner bewussten Strategie macht, die –gerade wenn sie erfolgreich ist – mas-senhaft nachgeahmt wird. Die Regelnbüßen in der Folge ihre Wirksamkeit

ein – ebenso wie ein Geheimtipp keinermehr ist, wenn er in gängigen Reisefüh-rern steht. Individuelle Anleger musstendiesen Zusammenhang nicht erkennen.Dass er aber von den Koryphäen dermodernen Finanzwissenschaften nichteinmal in Erwägung gezogen wurde, istdann doch verblüffend.

Fast noch schlichter ist die verbrei-tet angebotene Erklärung für Auf-schwung und Kollaps der verbrieftenSubprimekredite: Banker wissen zwar,wie Kreditgeschäfte im wirklichen Le-ben funktionieren, verstehen aber dieRisikomodelle der Finanzmathemati-ker nicht. Finanzmathematiker könnensouverän komplexeste Risikomodelleentwickeln und berechnen, verstehenaber vom alltäglichen Kreditgeschäftnichts. Und Banker wiederum verlas-sen sich auf die Expertise jener Risiko-analysten, deren Modelle sie zwarnicht verstehen, deren Urteil sie aberals valides Expertenurteil hinnehmen– zumal es eine Begründungsgrund-lage für höchst rentierliche Geschäfts-modelle bietet.

Alle professionell Beteiligten konzen-trierten sich auf ihr kognitives Kernge-schäft in der jeweils geltenden Fas-sung und sahen wenig Anlass, nachWidersprüchen oder Gefährdungenaus dem näheren oder weiteren Um-feld Ausschau zu halten. Offenkundigstimmt etwas nicht mit der Arbeitstei-lung innerhalb des hochkomplexenGefüges, das Finanzmärkte und Fi-nanzwirtschaft heute bilden. Vor die-sem Hintergrund lohnt ein Blick aufFunktionieren und Funktionsbedin-gungen einer Institution, die als In-begriff organisierter, funktioneller Arbeitsteilung gelten kann: die fordis-tische Automobilfabrik mit ihrer tay-loristischen Arbeitsorganisation.

Fortsetzung von S. 1

Sektionsveranstaltung Wirtschaftssoziologie 1:„Unsicherheit auf Märkten“

Leitung: Rainer Diaz-Bone (Trier).Mit Beiträgen von Jürgen Kädtler(Göttingen), Andreas Langenohl/Kerstin Schmidt-Beck (Gießen),Irene Troy/Raimund Werle ( Köln),Kai-Uwe Hellmann (Berlin) und Sophie Mützel (Berlin).

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Wenn der Zusammenhang der Welt in Kennziffern zerfällt

Was die Automobilarbeiter der taylo-ristischen Un- und Angelerntenökono-mie und den Risikoanalysten der fi-nanzwirtschaftlichen Wissensökono-mie verbindet, ist die eng spezialisierteund genau definierte Position im Rah-men einer vielgliedrigen Arbeitstei-lung. Im einen Fall ist die Aufgabedurch eine bestimmte Anzahl genauvorgeschriebener und vermessenerHandgriffe abschließend beschrieben,im anderen durch ein extrem speziali-siertes, wissenschaftliches Know-howund dessen Anwendung auf ein genauabgestecktes Anlagegebiet. In beidenFällen haben Systeme individuellerLeistungssteuerung große Bedeutung:im ersten Fall per Akkord, im zweitenFall durch erfolgsbezogene Gratifika-tions- und Anreizsysteme.

Nun ist hinlänglich bekannt, dass diefordistische Automobilfabrik geradedeshalb funktionierte, so gut sie ebenfunktionierte, weil die ArbeiterInnensich nicht darauf beschränkten, genauden vorgeschriebenen Satz Hand- und Körperbewegungen abzuliefern.„Dienst nach Vorschrift“ bringt die for-distische Fabrik mindestens ebenso si-cher zum Stehen wie der im proletari-schen Liedgut beschworene „starkeArm“. Die Arbeitsteilung funktioniertein dem Maße, in dem die einzelnen Be-schäftigten den weiteren Zusammen-hang mit im Blick hatten, in den sich

die Tätigkeit einfügen sollte. Irgendwiesorgten sie dafür, dass die Arbeitsab-läufe nicht nur auf dem Papier, son-dern auch in der Arbeitswirklichkeitzusammenpassten und ein leidlich zu-verlässiges Automobil dabei herauskam. Die Analyse dieses „Irgendwie“bildet einen zentralen Gegenstand derArbeits- und Industriesoziologie. Unddie Nutzung der dabei in den Blick ge-rückten überschüssigen Kompetenzenund informellen Praktiken stehen imMittelpunkt aller arbeitspolitischenKonzepte, die über den Taylorismushinausweisen.

In der finanzwirtschaftlichen Wissens-ökonomie klappt es mit diesem„Irgendwie“ an entscheidender Stelleoffenkundig nicht. Das liegt nicht etwa daran, dass Finanzprofis „nach Vorschrift“ arbeiten würden oder auchnur könnten. Es gibt keine Regelan-wendung ohne Interpretation, und ausden einschlägigen Forschungen wis-sen wir, dass bei den meisten dieserAkteure finanzmathematische Model-le lediglich eine Art Hintergrundwis-sen bilden, und beim Treffen konkre-ter Anlageentscheidungen alle mögli-chen Emotionen, Leidenschaften und„Bauchgefühle“ zum Tragen kommen,ebenso erfahrungsbasierte Faustre-geln, allein über Bildschirminteraktionvermittelte Vertrauensbeziehungenusw. Der entscheidende Unterschiedzum Automobilfall besteht in der Vir-tualität der Welten, in denen sich dieseAkteure auf diese Weise orientieren.

Je komplexer und vermittelter Finanz-marktprodukte und Anlagestrategienwerden, desto eher verkehrt sich dasVerhältnis zwischen ökonomischerWelt und ihrer finanzmathematischenRepräsentanz, zumindest für die Mehr-zahl der Finanzmarktspezialisten. Fürsie fungiert die Welt der Kennziffern,Formeln, Indizes und Computerbild-schirme als die eigentliche Wirklich-keit, während das realwirtschaftlichePendant außerhalb deren mehr oderweniger getrübten Widerschein bildet,an dessen Deutlichkeit es noch zu ar-beiten gilt. Dabei handelt es sich nichtum ein schlichtes Wahrnehmungspro-blem, denn komplexe Finanzmarkt-produkte wie Derivate, Aktienindizes,x-mal „umgepackte“ Anleihepaketeusw. existieren ja tatsächlich nur in derWelt elektronischer Datennetze. Daherist die Interaktion im Rahmen dieserNetze tatsächlich der Finanzmarkt. Mitdem Glauben an die Zuverlässigkeit fi-nanzmathematischer Modelle werdenjene Aspekte der wirtschaftlichen Rea-lität bedeutungslos, die nicht in dieseKalküle eingehen (können).

Sicherlich gibt es in diesem PunktUnterschiede zwischen unterschied-lichen Kategorien von Finanzmarkt-profis wie Aktienanalysten, Risikoana-lysten, Devisenbrokern, Derivatehänd-lern usw. Die Mathematisierung undSchematisierung der Deutung ökono-mischer Abläufe auf der Grundlagevon Finanzkennziffern ist gleichwohleine allgemeine Tendenz – und damitauch die Ausblendung anderer Di-mensionen der Wirklichkeit, die in diebetreffenden Modelle nicht eingehen,und von denen Akteure, für die dieseModellwelt die eigentliche ist, nichtswissen und nichts wissen können.

Kein Geringerer als der AXA-GründerClaude Bébéar, der mit guten Gründenverbreitet als der „Pate“ des französi-schen Finanzmarktkapitalismus ange-sehen wird, macht in einer bereits imJahr 2003 erschienen Streitschrift mitdem Titel „Ils vont tuer le capitalisme“[Sie werden den Kapitalismus um-bringen] mathematik- und kennzif-fernorientierte Finanzmarktprofis alsdie zentrale Bedrohung für den Kapita-lismus aus. Er verdeutlicht das u. a. aneigenen Erfahrungen mit den Risiko-analysten großer Ratingagenturen –

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Akteuren also, deren Kerngeschäft inder detaillierten Bewertung von Ein-zelunternehmen und ihrer Entwick-lungsaussichten besteht. Bébéar kon-statiert bei ihnen „das Problem, auf das wir bereits bei den Finanzanalys-ten gestoßen sind. Diese sind nicht perse schädlich, sondern wegen ihrer Ar-beitsweise. Genauer gesagt, wegen ih-rer Praxis, die daran krankt, dass sie vielzu sehr auf der mathematischen Wahr-nehmung des Unternehmens beruhtund nicht auf intimer Kenntnis.Wie beiden Analysten, so hat man es übrigensauch bei den Experten der Rating-agenturen mit vielen jungen und un-erfahrenen Leuten zu tun (in jedemFall unerfahren, was das Leben einesUnternehmens angeht), auch wenn sieinnerhalb klar definierter Prozesse ar-beiten und von Älteren eingerahmtsind. Von daher nehmen sie das Un-ternehmen nur über Bilanzen und Finanzkennziffern wahr. Bei Treffen mitihnen, wenn sie ein Rating vorberei-teten, war ich immer entwaffnet vonder Naivität ihrer Fragen. So gab es sel-ten Fragen nach den Menschen, ob-wohl es doch gerade die Menschensind, die in einem Unternehmen zäh-len! Sozialpolitik, Rekrutierungspolitik,Vergütungspolitik scheinen sie über-haupt nicht zu interessieren. Man siehtsich die Bilanzen und die Konten an,stellt manchmal, eher der Form halber,Fragen nach der Strategie … und daswar’s dann“ (66, deutsch von JK).

Die kennzahlen- und modellgerechteStilisierung der Ökonomie blendetdemnach zentrale Aspekte praktischerökonomischer Vernunft aus – und da-mit wesentliche Dimensionen, die fürdie Entwicklung der wirtschaftlichenRealität ausschlaggebend sind oderwerden können und damit letztlichwiederum auch für die Entwicklungder Kennziffern selbst. Finanzmarktra-tionalität zerfällt damit in der Praxis inweitgehend unvermittelt nebenein-anderher existierende Domänen vonSpezialisten, denen ein Verständnis fürden Gesamtzusammenhang weitge-hend fehlt. Um nochmals auf den Ver-gleich mit der fordistischen Automo-bilfabrik zurückzukommen: Der Blickfür den Gesamtablauf, der es den ArbeiterInnen ermöglichte, mit einer tayloristischen Arbeitsorganisation soumzugehen, dass funktionierende

Endprodukte herauskamen, fehlt imVerhältnis zwischen Finanzmarkt unddem unterstellten Produkt „funktionie-rende Finanzmärkte“. In der Finanzkri-se melden sich die ausgeblendeten Be-dingungen praktischen Wirtschaftensund die nicht wahrgenommenen Zu-sammenhänge zwischen den separier-ten Handlungsfeldern nachdrücklichzurück.

Keine funktionierenden Märkte ohne gegenseitliche Verständlichkeit

Man könnte hier – etwa unter Bezug-nahme auf Williamsons Transaktions-kostentheorie – einwenden, dass essich im einen Fall eben um Koordina-tion durch Organisation, im anderendagegen um Koordination über Märk-te handelt, also um alternative For-men, mit Arbeitsteilung umzugehen.Der Einwand verfängt aber aus (zu-mindest) zwei Gründen nicht. Zum ei-nen agieren die meisten Finanzmarkt-profis nicht als freerider, sondern alsMitglieder von Organisationen, die inmehr als einem Finanzmarktsegmentoperieren. Das unvermittelte Agierender jeweiligen Spezialisten betrifft da-mit die Handlungs- und Strategiefä-higkeit von Organisationen, wo diesevorausgesetzt werden muss. Zum an-deren – und grundsätzlicher: Es gibtkeine funktionierenden Märkte ohnegeteilte Orientierungen, auf die sichdie Akteure im Umgang miteinanderbeziehen können. Märkte kommenmit der Gegensätzlichkeit von Interes-sen zurecht, solange die Marktteilneh-mer in ihrem Verhalten füreinanderverständlich und irgendwie einschätz-bar sind. Gelingt es ihnen nicht, dieseVoraussetzungen aufrechtzuerhalten

bzw. immer wieder herzustellen, dannist der Marktmechanismus in der Pra-xis am Ende.

Legitimität und Ansehen, die dermarktwirtschaftliche Kapitalismusund das mit ihm verknüpfte Modellwestlicher Demokratien nach demzweiten Weltkrieg erlangt haben, ge-hen auf ein jahrzehntelang eingelös-

tes Erfolgsversprechen zurück. Märktesollten wirtschaftlichen Fortschrittund allgemeine Wohlfahrt besser befördern als andere Systeme. Dasschloss, wenn schon nicht die Ab-schaffung, so doch die Beherrschbar-keit von Wirtschaftskrisen ein. Dafürstanden nicht zuletzt jene staatlichenRegulierungen und Beschränkungen,die gerade den Finanzmärkten alsKonsequenz aus der Weltwirtschafts-krise seit 1929 auferlegt worden wa-ren. Die Entwicklung globaler Finanz-märkte zur Leitinstitution der kapi-talistischen Weltwirtschaft geht maß-geblich auf den Abbau dieser Regulie-rungen zurück, der untrennbar ver-bunden ist mit dem Aufschwung dermodernen Finanzwissenschaft. Diesebot eine wissenschaftlich begründeteFinanzmarktrationalität an, die jeneEinschränkungen überflüssig machensollte. Die gegenwärtige Krise mar-kiert das definitive Scheitern jenes An-spruchs. Damit ist die Frage nach denMöglichkeiten und dem politischenWillen zur ordnungspolitischen Ein-hegung der globalen Finanzmärkteauf die Tagesordnung gesetzt. Da-ran, ob und wie sie gelingen kann,hängt viel für die zukünftige Stabilitätund Integrationsfähigkeit westlicher Demokratien.

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Studienstrukturreform an deutschen Hochschulen

– Soziale Herkunft und Bildungsentscheidungen eine empirische Zwischenbilanz zum Bologna-Prozess

von Claudia KretschmannVortrag am 7.10.08 in der Ad-hoc-Grup-pe 38: „Ausbildungssysteme im Wandel:Globale Herausforderungen, nationaleReaktionen und deren Konsequenzen fürdie soziale Ungleichheit in Europa“

Im vergangenen Jahr habe ich mich in meiner Examensarbeit mit den Aus-wirkungen des Bologna-Prozesses aufden Abbau sozialer Bildungsdispari-täten beim Hochschulübergang be-schäftigt. Mit der 1999 begonnenenUmstellung auf die neuen gestuftenStudiengänge ist von politischer Seitein Deutschland die Erwartung verbun-den, einerseits die im OECD-Vergleichgeringe Studierbereitschaft insgesamtzu erhöhen und andererseits insbe-sondere Studienberechtigte aus nied-rigen Sozialschichten zur Studienauf-nahme zu motivieren.

Den verschiedenen Veröffentlichungendes HIS ist zu entnehmen, dass die Stu-dierquote in Deutschland – den Zielendes Bologna-Prozesses zum Trotz – wei-terhin rückläufig ist. Auch wenn sich inder Tendenz ein Anstieg der allgemei-nen Studierbereitschaft als Folge derBA-Einführung nicht abzeichnet, ist da-mit noch nicht automatisch die Fragemit beantwortet, ob mit der Umstel-lung auf die gestuften Studiengängeeine tendenzielle „soziale Öffnung“ derHochschulen erreicht wird.

Für die Beantwortung dieser gesell-schaftspolitisch brisanten Frage muss-te ich in meiner Arbeit empirischesNeuland betreten, denn im vergan-genen Jahr lagen keine detailliertenStudien zu den Auswirkungen der ge-stuften Studiengänge auf soziale Bil-dungsdisparitäten vor. Für meine Ar-beit konnte ich auf Daten der HIS-Stu-dienberechtigtenpanel der Jahre 2002bis 2005 zurückgreifen.

Meine Erwartungen, durch welche sozialen Mechanismen die politisch intendierte Veränderung oder ggf.doch beobachtbare Stabilität in denBildungsentscheidungen der Studien-berechtigten verursacht sein könn-ten, habe ich einerseits im Hinblickauf individuelle Einflussfaktoren ausder Perspektive der Theorie rationa-ler Bildungswahl (basierend auf Ray-mond Boudon und in Weiterentwick-lung durch Hartmut Esser) und dazukonkurrierend im Hinblick auf insti-tutionelle Einflussfaktoren aus derkonflikttheoretischen Perspektive desKredentialismus (Randall Collins in Er-weiterung der Theorie sozialer Schlie-ßung von Max Weber) abgeleitet.

Individuelle Einflussfaktoren:

Die Theorie zur rationalen Wahlent-scheidung (Boudon 1974) wird in derempirischen Bildungsforschung sehrprominent vertreten. Hierbei wird re-

flektiert, dass soziale Disparitäten derBildungsbeteiligung das Ergebnis desZusammenwirkens von primären undsekundären Herkunftseffekten sind.Die Aufnahme eines Studiums stelltdemnach eine individuelle Entschei-dung dar, und die subjektive Kos-ten-Nutzen-Abwägung der Studien-aufnahme – ausgerichtet am Motivdes Statuserhalts – unterliegt einer so-zialschichttypischen Bewertung. Esser

(1999) hat die Annahmen Boudonsaufgegriffen und in folgende Unglei-chung transformiert:

Die Studienaufnahme erfolgt, wenndie Bildungsmotivation (Nutzenbe-wertung eines Studiums, Motiv desStatuserhalts) größer ist als das In-vestitionsrisiko (direkte und indirekteKosten eines Studiums, subjektive Einschätzung der Erfolgswahrschein-lichkeit).

Im Hinblick auf die Fragestellung mei-ner Arbeit habe ich auf der Grundlageder Esser‘schen Werterwartungstheo-rie die folgende Hypothese abgeleitet:Mit der Einführung der Bachelor-Stu-diengänge sollte sich die Studiernei-gung von Studienberechtigten aus niedrigen Sozialschichten erhöhen –trotz geringerer Bewertung des Bil-dungsnutzens eines BA-Studiums ge-genüber dem bisherigen Diplom/Ma-

Ad-hoc-Gruppe 38

Ausbildungssysteme im Wandel:Globale Herausforderungen, natio-nale Reaktionen und deren Konse-quenzen für die soziale Ungleich-heit in Europa

Organisation: Justin J.W. Powell(Berlin)/Martina Dieckhoff (Ber-lin)

Beiträge von Anja Jakobi (Bre-men), Katrin Kraus (Zürich), Ma-rius R. Busemeyer (Köln), ClaudiaKretschmann (Göttingen), KlausSchömann (Bremen)

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Fortsetzung von S. 5gister-Studium –, da zum einen dieKosten durch das verkürzte – nun-mehr 3jährige – Studium sinken undzum anderen mit der Verkürzung undder starken Berufsorientierung undStrukturierung das Anspruchsniveauim Vergleich zum herkömmlichen Diplom/Magister sinkt, so dass die subjektive Erfolgswahrscheinlichkeitsteigen könnte.

Bevor ich auf meine Ergebnisse einge-he, möchte ich einschränkend daraufhinweisen, dass angesichts des kurzenZeitraums seit Einführung der neuenStudienstrukturen meine Analysen le-diglich eine Art „Zwischenbilanz“ desBologna-Prozesses abbilden können.Das Jahr 2002 betrachte ich als das Jahrvor BA-Einführung und das Jahr 2005,in dem erstmals von einer realen Ent-scheidungssituation der Studienbe-rechtigten ausgegangen werden kann,als das Jahr nach BA-Einführung.

Eine detaillierte Darstellung meinermethodischen Vorgehensweise sowieeine Darstellung der einzelnen Regres-

sionsmodelle kann hier nicht erfolgen(vgl. hierzu das SOFI Working Paper Nr. 3 der Autorin, im Internet abrufbarunter „www.sofi.uni-goettingen“ in derRubrik Publikationen).

Ergebnisse I:

Der allgemeinen Tendenz der rück-läufigen Studierbereitschaft folgt auch die Studierneigung der mittleren und niedrigen Herkunftsgruppen. Lediglichbei den Studienberechtigten der ho-hen Sozialschicht zeigt sich ein leichterAnstieg um 2 %. Der Abstand in derStudierneigung zwischen den Her-kunftsgruppen ist im Untersuchungs-

tischer“. Dennoch muss festgehaltenwerden, dass die Überprüfung desHandlungsmodells ergibt, dass die Einführung der neuen Studiengängeim Untersuchungszeitraum nicht zu einer (politisch intendierten) Reduzie-rung der Wirksamkeit primärer und sekundärer Herkunftseffekte für dieUngleichheit beim Hochschulzugang geführt hat.

Institutionelle Einflussfaktoren:

Das Ergebnis einer sich öffnendenSchere beim Hochschulzugang lenktden Fokus auf die Frage, inwieweit diese Ungleichheitszunahme durch die institutionelle Ausgestaltung derStudienreform, genauer gesagt überneuartige oder verstärkte institutio-nalisierte Schließungsprozesse, erklärtwerden kann. Der im Zeitverlauf äu-ßerst stabile Einfluss der Sozialschichtbeim Hochschulübergang kann offen-bar, so meine Annahme, nicht vollstän-dig über die individuellen rationalenKosten-Nutzen-Abwägungen der Stu-dienberechtigten erklärt werden. Ermuss vielmehr in seiner komplexenWechselwirkung mit anderen Einfluss-faktoren betrachtet werden. Kritisiertwird an der Theorie rationaler Wahl-entscheidung ja bekanntlich, dass dieausschließliche Fokussierung auf in-dividuelle Bildungsentscheidungenunberücksichtigt lässt, dass das Bil-dungssystem über verschiedene insti-tutionalisierte Selektionskriterien zurherkunftsabhängigen Kanalisierungder SchülerInnen bzw. im weiteren derStudienberechtigten beiträgt.

Im Hinblick auf meine Fragestellunghabe ich einen quasi konkurrieren-den Erklärungsansatz zum Rational-Choice-Modell gewählt und den Blickauf die institutionellen Regelungenund deren Potenziale für sozialeSchließungs- und Monopolisierungs-prozesse beim Hochschulzugang ge-richtet. Meine Erwartungen knüpfendabei an die theoretischen Überlegun-gen des Kredentialismus von Collins(1979) sowie an Windolfs (1990) Un-tersuchung zur Bildungsexpansion der 1970/1980er Jahre, wonach es inFolge einer Bildungsexpansion zu neu-artigen Schließungsprozessen durchdie Einführung neuer systeminternerRegelungen kommt. Dies ist notwen-dig, da nur so das Bildungssystem –

zeitraum eher größer geworden undnicht geringer! Im Gegenzug hat sichdie Berufsausbildungsquote der dreiHerkunftsgruppen entwickelt. Diessind im Vergleich zu den politischen Erwartungen und den Annahmen derTheorie rationaler Bildungswahl un-erwartete Entwicklungen: Es wurde ja ein Anstieg der Studierbereitschaft derniedrigen Sozialschichtangehörigenerwartet.

In einem weiteren Schritt habe ichuntersucht, ob sich in der Tendenzzeigt, dass die Einführung der neuengestuften Studiengänge die in Anleh-nung an das Rational-Choice-Modellvermuteten – reduzierenden – Effekteauf die Wirksamkeit der primären undsekundären Herkunftseffekte beimHochschulübergang hat. Im Zeitver-lauf zwischen 2002 und 2005 kommt es bei den mittleren und niedrigenHerkunftsgruppen zu einer größerenUnsicherheit in der Beurteilung der Ar-beitsmarktchancen der BA-Abschlüsse(Bildungsnutzen). Demgegenüber er-höht sich die Nutzenbewertung die-

ses Abschlusses beiden Studienberech-tigten der hohen Her-kunftsgruppe. Dies istm. E. nicht verwunder-lich, wenn man sichvergegenwärtigt, wiein den Medien der Ba-chelor-Abschluss be-wertet wird (vgl. z. B.Artikel in der „Süd-deutschen Zeitung“vom 4.10.08 mit derÜberschrift „Berufs-start mit BA kann Kar-riere verbauen“). Des

Weiteren verstummt die Kritik auf Sei-ten der Hochschullehrenden gegenü-ber dem „Schmalspurstudium“ nicht.

Zwar zeigt sich bei der Kosteneinschät-zung der erwartete Befund, d. h. insbe-sondere Studienberechtigte der nied-rigen Herkunftsgruppe sehen in der kürzeren Studiendauer des BA eine„Kostenreduzierung“. Ebenso offenbartsich ein positiver Effekt bei der Ein-schätzung der subjektiven Erfolgs-wahrscheinlichkeit: Die stärkere Berufs-orientierung und Strukturierung desBA stimmt die Studienberechtigten derniedrigen Herkunftsgruppe „optimis-

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und dessen meritokratisch legi-timierte Leistungsauswahl auchweiterhin seine reproduktiveRolle in Statusverteilungskämp-fen aufrecht erhalten kann.

Bezogen auf die Auswirkungendes Bologna-Prozesses habeich die folgende Hypothese ab-geleitet: Der von politischerSeite formulierten Erwartungeiner „sozialen Öffnung“ derHochschulen in Folge der Ein-führung der neuen gestuftenStudiengänge wird auf Seiten derHochschulen mit neuartigen Selek-tionsprozessen begegnet, um so dieKonkurrenz beim Zugang zum exklu-siven Bildungszertifikat des Hochschul-abschlusses und seiner im Vergleich zu anderen Ausbildungsabschlüssen privilegierten Verwertbarkeit auf demArbeitsmarkt zu beschränken.

Ergebnisse II:

Meine Analysen zeigen einen signi-fikanten Einfluss der bereits in der allgemeinbildenden Schule erfolgteninstitutionellen Differenzierung derStudienberechtigten beim Hochschul-übergang: Insbesondere Schulabgän-gerInnen mit einer Fachhochschul-reife nehmen zwischen 2002 und 2005deutlich seltener ein Studium auf. Diesist signifikant häufiger der Fall für jeneaus sozial niedrigen Schichten.

Des Weiteren wird die Umsetzung der Studienreform begleitet von einerNeugestaltung von Zulassungsvoraus-setzungen bzw. -beschränkungen beimHochschulzugang. Eingebettet in dieEnde der 1990er Jahre angestoßeneFörderalismusreform mit zunehmen-der Verlagerung der Verantwortlich-keit für die Auswahl der Studierendenauf die Hochschulen, werden diese Bildungsinstitutionen nunmehr in dieLage versetzt, aktiver als bisher sozialselektive Auswahlmechanismen zuetablieren (z. B. höhere Bedeutung der Abiturnote oder des persönlichen Auftretens in Aufnahmegesprächen,Anstieg von örtlichen Zulassungs-beschränkungen und NC-Bachelor-Fächern). Ferner kann angenommenwerden, dass die Einführung bzw.Ankündigung von Studiengebührenvor allem die Studierchancen niedri-ger Schichten weiter verringert. Leider

chancen der Studierenden vornehmlich niedriger Sozial-schicht erheblich einschrän-ken. Damit stellt die Studien-struktur eine neuartige Formsozialer Schließung dar. Der exklusive Zugang zum Master-Studium beinhaltet ein deut-liches Enttäuschungs- undKonfliktpotenzial, denn imUntersuchungszeitraum sahenweit über 70 % der Studien-berechtigten – unabhängigvon der Sozialschicht – die

Fortsetzungsmöglichkeit mit demMaster-Studium als bedeutendenVorteil der neuen Studienstrukturan. Der Bachelor wird offenbar vonden Studienberechtigten – entge-gen der politischen Intention –nicht als Regelabschluss anerkannt.

Fazit:

Im Untersuchungszeitraum 2002 bis2005 sinkt bedingt durch die ab-nehmende Studierbereitschaft derStudienberechtigten niedriger Her-kunft die Studierneigung insgesamt.Die Studienreform hat sozialschicht-typische Bildungsbenachteiligungennicht effektiv kompensiert und desWeiteren die politisch intendierte „soziale Öffnung“ der Hochschulennicht verwirklicht.

Das neueste HIS-Studienberechtigten-panel bestätigt für das Jahr 2006 denTrend einer abnehmenden generellenStudierneigung, nunmehr auch – diesist der unerwartete Befund – bei denStudienberechtigten aus Akademiker-Elternhäusern. Hier zeichnet sich evtl.eine Bestätigung der These von Fuchsund Sixt (2007) zur Nachhaltigkeit vonBildungsaufstiegen ab.

Schließen möchte ich meinen Vortragmit einem Zitat von Schnitzer (2003),der im Zusammenhang mit der Ver-nachlässigung der sozialen Dimensionim Bologna-Prozess die anschaulicheMetapher formuliert hat: „Die schnelleUmsetzung der neuen Studienstruk-turen könnte sich als Pyrrhus-Sieg erweisen, wenn sich herausstellt, dassdie breit angelegten Verbindungs-straßen im europäischen Hochschul-raum von den potenziellen Nutzernnur zögerlich genutzt werden, weil die(sozialen) Zufahrtswege fehlen.“

gibt es bislang keine empirischen Studien zu den Auswirkungen der Selektionsinstrumente der Hochschu-len sowie der Studiengebühren aufden Hochschulübergang.

Hinsichtlich der institutionellen Aus-gestaltung der neuen Studiengängekönnen zwei weitere Schließungsme-chanismen benannt werden:

1. Die Beibehaltung der traditions-reichen Abschlüsse des Staats-examens in den StudienfächernRechtswissenschaft und Medizin(bekanntermaßen Fächer mit hoherBildungstradition in den Familien)sichert diesen Hochschulabsol-ventInnen weiterhin eine soziale Exklusivität mit privilegierten Be-rufszugängen. Dass dies in Zukunftso bleiben soll, kann beispielsweisedaran abgelesen werden, dass imJahr 2007 in einem öffentlichen Auf-ruf 160 Jura-ProfessorInnen die neu-en Studiengänge als „unbrauchbareHalbbildung“ abgelehnt haben.

2. Mit der zweistufigen Studien-struktur wird der RegelabschlussBachelor tendenziell entwertet,denn der weiter berufsqualifizie-rende Abschluss des Master stehtnur einem kleinen „elitären“ Kreisoffen wiederum legitimiert überdas meritokratische Paradigma der Auswahl „besonders befähigter“Studierender. Verdeckt wird jedochdie dahinterliegende soziale Selek-tion. Der selektive Zugang zumMaster wird über restriktive Über-gangsquoten und verschiedeneAuswahlinstrumente, über eineeingeschränkte Bafög-Finanzierungsowie eine sehr wahrscheinliche Gebührenpflicht die Bildungs-

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ARBEITSGESELLSCHAFT

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von Peter BartelheimerVortrag gehalten am 8. Oktober auf dem34. Kongress der DGS, 6.-10. Oktober2008, Jena in der Ad-hoc-Gruppe 21:Destabilisierung und Unsicherheit in derarbeitsgesellschaftlichen Mitte

Politische und wissenschaftliche Situa-tionsdeutungen zur zunehmenden sozialen Ungleichheit in Deutschlandberuhen in der Regel auf mehr oderweniger expliziten Annahmen darü-ber, worin heute Arbeitsmarktrisikenbestehen und wie sie auf soziale Grup-pen verteilt sind. Wie die politischenLeitorientierungen Aktivierung undFlexicurity bewertet werden, hängtwesentlich von solchen Risikoannah-men ab.

Den politisch Verantwortlichen habenStreeck/Heinze im Jahr 2000 1 dasStichwort gegeben: Jede Arbeit seibesser als keine Arbeit. Da Ausgren-zung am Arbeitsmarkt mit Langzeitar-beitslosigkeit gleichgesetzt wird, sollfür die Betroffenen dabei sein allessein: Teilhabeprobleme lösen sich,wenn erst einmal irgendein Zugangzum Beschäftigungssystem gelingt.Presse und Politik bezeichnen dennauch die neue Fürsorgeleistung desArbeitslosengelds II („Hartz IV“) alsLeistung für Langzeitarbeitslose, ob-wohl diese Beschreibung nur auf einenkleinen Teil der Berechtigten zutrifft.

Viele sozialwissenschaftliche Beiträgeschließen sich an die etwas unscharfeFormel Bourdieus 2 an: „Prekarität istüberall“, sie kommt also in der „ar-beitsgesellschaftlichen Mitte“ an. Si-chere und unsichere Positionen seienam Arbeitsmarkt nicht mehr klar ge-trennt. Einige Studien stellen fest,dass Erwerbsverläufe unstetiger wer-den oder die Beschäftigungsstabilitätabnimmt. Je nach Wahl des Beobach-tungskonzepts oder des Indikatorslässt sich die These allerdings auchbestreiten.

Beobachtet man die Erwerbsbeteili-gung empirisch, so ergibt sich als stili-sierter Fakt ein Nebeneinander vonvier Mustern (vgl. Tabelle 1) – hier ge-messen als Zeitanteil, den Personen immittleren Erwerbsalter von 30 bis un-ter 50 Jahren in einem Beobachtungs-zeitraum von fünf Jahren (2000 bis2004) in sozialversicherungspflichti-ger Beschäftigung verbrachten. (DieSpannweite der Prozentwerte gibtUnterschiede zwischen Männern undFrauen in West- und Ostdeutschlandwieder.)

� Stabile erwerbsgesellschaftliche Teil-habe (Muster I): zwischen 35 % und50 % der Erwerbspersonen – selbst40 % der ostdeutschen – sinddurchgängig versicherungspflichtigbeschäftigt, und relativ selten imNiedriglohnsegment.

� Gesicherte Unterbrechungen (MusterII): Zwischen 23 % und 32 % sindlänger als drei Viertel der Beob-achtungszeit versicherungspflichtigbeschäftigt; Unterbrechung durchArbeitslosigkeit oder (vor allem beiFrauen) durch Familienphasen dürf-ten in der Regel durch Vorsorge (Ar-

beitslosenversicherung) oder sozia-len Ausgleich (Elternzeit, Elterngeld)geschützt sein.

� Unsichere Erwerbsbeteiligung (Mus-ter III): 16 % bis 22 % der Erwerbsper-sonen gelingt zeitweise versiche-rungspflichtige Beschäftigung, je-doch immer öfter im Niedrig-lohnsegment, und die Beschäfti-gungszeit füllt nur noch den kleine-ren Teil des Beobachtungszeit-raums.

� Potenzieller Erwerbsausschluss (Mus-ter IV): Um 12 % der Erwerbsperso-nen verzeichnet in fünf Jahren keineversicherungspflichtige Beschäfti-gung mehr; Ein großer Teil von ih-nen verschwindet während dieserfünf Jahre aus den Statistiken derArbeitsverwaltung.

Leitindikator für Stabilität oder Turbu-lenz von Erwerbsbeteiligung ist hierdie Zeit in sozialversicherungspflichti-ger Beschäftigung – denn sie bleibtdie Norm „richtiger Arbeit“, auch wennsie nicht mehr für alle gut erreichbarist. Jedoch ergibt die Verwendung an-derer Indikatoren kein grundsätzlich anderes Bild.

Arbeitsmarktrisiken und soziale Gruppen

Der Fordismus lebt. Aber es kommen nicht mehr alle mit.

1 Streeck, Wolfgang/Heinze, Rolf G. (2000): Wende am Arbeitsmarkt durch Erneuerung des deutschen Modells. In: Sozialwissenschaftliche Informationen (SOWI), Schwerpunktheft Politik und Arbeitsmarkt, Jg. 29, Heft 1, S. 28-38.

2 Bourdieu, Pierre 1998: Prekarität ist überall, in: ders. (Hg.): Gegenfeuer, Wortmeldungen im Dienste des Widerstands gegen die neoliberale Invasion,Konstanz, S. 96-102.

Quelle: IAB, Integrierte Erwerbsbiografien (IEBS); Berechnung: Holger Alda, SOFI.

Tabelle 1: Sozialversicherungspflichtige Arbeit – noch Norm für alle,nicht mehr für alle erreichbar

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ARBEITSGESELLSCHAFT

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Diese Zahlen deuten darauf hin, dassdie Unsicherheit im Umbruch des Be-schäftigungssystems und die Lasteneiner Anpassung des Sozialmodells andiese Gegebenheiten höchst ungleichverteilt bleiben. Für die ErwerbsmusterI und II gilt das „fordistische Teilhabe-versprechen“ der Erwerbsarbeit imWesentlichen noch: Beteiligung amgehobenen Massenkonsum und Si-cherung des Familienunterhalts durchErwerbseinkommen, wobei der Sozial-staat Gefährdungen und Ungleichhei-ten korrigiert. In diesen Segmentenwird sozialstaatliche Teilhabe weiter-hin zum einen durch Vorsorgesyste-me realisiert (Robert Castel bezeich-net die Sozialversicherung auch als„soziales Eigentum“), zum anderendurch steuerfinanzierte Systeme sozi-alen Ausgleichs. Die alten Modellan-nahmen zum „wage-labour-nexus“(industrielle Beziehungen, Massen-konsum, Familienlohn, Lebensstan-dardsicherung) sind nicht völlig außerKraft. Vor allem die zunehmende Er-werbsbeteiligung der Frauen und dasNebeneinander verschiedener Verdie-nermodelle des Haushalts (zwei voll-zeitnahe Verdiener, modernisiertesFamilienernährermodell, ein Verdie-ner) machen eine Anpassung undModernisierung des Sozialmodells

nötig, etwa erweiterte Wahlmöglich-keiten zwischen marktvermitteltenhaushaltsnahen Dienstleistungen, ei-gener Sorgearbeit und anderen Kon-sumverwendungszwecken. Die beruf-liche Mobilität dieser Erwerbsper-sonen und ihre Bildungs- und Wohn-ansprüche treiben die soziale Segre-gation des Schulsystems und desWohnungsmarkts voran.

Den Erwerbslagen III und IV ist bei al-len Unterschieden gemeinsam, dassin ihnen kein ausreichendes „sozialesEigentum“ durch Vorsorgeleistungengebildet werden kann. Entscheidun-gen für das Verdienermodell, für Ar-rangements der Sorgearbeit und fürKonsumverwendungszwecke (naheder Grenze zu Armut und Unterver-sorgung) fallen „gelegenheitsorien-tiert“, ebenso Arbeitsaufnahme undBildungsentscheidungen. Diese Seg-mente der Erwerbsbevölkerung sindvon marktvermittelten Dienstleistun-gen weitgehend ausgeschlossen undfür ihre Lebensführung wie für ihrenelementaren Massenkonsum auf Sys-teme des sozialen Ausgleichs bzw. derGrundsicherung angewiesen.

Zählt man nach dem „Zonenmodell“Castels die Erwerbslagen I und II zur„Zone der Integration“, so können Ar-beitsmarkt- und Sozialpolitik für siemit einigem „Modernisierungs“-Auf-wand Flexicurity einlösen. Ihr Teil-habeniveau prägt zugleich den Er-wartungshorizont der ganzen Gesell-schaft. Die anderen beiden Erwerbs-lagen werden durch den Umbruchdes gesellschaftlichen Teilhabemo-dus verwundbar, oder sie werden vonTeilhabe „entkoppelt“, also ausge-grenzt. Diese „Zone der Verwundbar-keit“ stellt das Sozialmodell unter ra-dikalen Anpassungsdruck. Sie liegtkeineswegs außerhalb des Beschäfti-gungssystems, sondern schließt – umein anderes Wort von P. Bourdieu zuverwenden – „innere Ausgrenzung“ inErwerbsarbeit ein. Aktivierende Ar-beitsmarktpolitik schafft hier keineFlexicurity: Als „Erwerbsfürsorge“ hältsie die einen in prekären Arbeitsver-hältnissen, als „Beschäftigungslosen-fürsorge“ schneidet sie den Chancen-losen den Rückzug vom Arbeitsmarktin „inaktive“ gesellschaftliche Status-alternativen ab. Für diese Zone, in der

Vorsorge als Modus sozialer Rechtenicht mehr funktioniert, geht es umdie sozialstaatliche Gestaltungsalter-native: entweder dauerhafte Siche-rung nach Fürsorgelogik oder einemoderne Grundsicherung als sozialesBürgerrecht.

Mag sein, dass auch diejenigen verun-sichert sind, die man mit einem fürseine Unschärfe geschätzten Begriffals „erwerbsgesellschaftliche Mitte“bezeichnet. Aber für die Sozialstrukturist weiter zwischen denen zu unter-scheiden, die im Vollzug des alten Teil-habemodus die wachsende Fallhöheals bedrohlich wahrnehmen, und je-nen, die heute schon vermutlich dau-erhaft von dieser Teilhabeform ausge-schlossen sind. Kritische Sozialfor-schung darf diesen Unterschied nichtverwischen. „Mitte“ war noch nie einepräzise Lagebestimmung. Wenn Pre-karität und Ausgrenzung nur um denPreis als politisch zu bearbeitendeProbleme anerkannt werden, dass siesich als Problem der Mitte stilisierenlassen, nimmt man denen in der Zoneder Unsicherheit sogar den Begriff ihrer Lage.

Ad-hoc-Gruppe 21

„Die Destabilisierung und Unsi-cherheit in der arbeitsgesellschaft-lichen Mitte? Arbeitsmarkunsicher-heit – soziale Folgen – Steuerungs-ansätze“, Leitung: Christoph Köhlerund Olaf Struck (Jena).

Im ersten Panel diskutierten OlafStruck (Jena), Heinz Bude (Kas-sel), Sandra Buchholz (Bamberg)und Martin Groß (Berlin) über Di-agnosen zu objektiven Verände-rungen und subjektiv erlebterVerunsicherung auf dem Arbeits-markt. Die Beiträge von Chris-toph Köhler (Jena), Jürgen Man-sel (Bielefeld), Peter Bartelheimer(Göttingen) und Rolf Heinze (Bo-chum) hatten die gesellschaft-lichen Folgen der Unsicherheitund ihre sozial- und wirtschafts-politische Gestaltbarkeit zumThema.

Zum Weiterlesen

Alda, Holger/Bartelheimer, Peter(2008): Ungleiche Erwerbsbeteili-gung – Messkonzepte für einsegmentiertes Beschäftigungs-system; in: Gensior, Sabine/Lap-pe, Lothar/Mendius, Hans Ger-hard (Hg.): Im Dickicht der Re-formen – Folgen und Neben-wirkungen für Arbeitsmarkt, Ar-beitsverhältnis und Beruf, SAMF-Arbeitspapier 2008-1, Cottbus:49-78.

Bartelheimer, Peter (2007): Politik der Teilhabe, Ein soziologischerBeipackzettel, Fachforum Nr.1/2007, Projekt gesellschaftlicheIntegration der Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin.

Kennzahlen zur Erwerbsbeteili-gung für den zweiten Bericht zur sozio-ökonomischen EntwicklungDeutschlands:http://soeb.de/erwerbsbeteiligung.php

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POSTSOZIALISMUS

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Transformation der ostdeutschen Industrie

Radikaler Pfadwechsel durch Kontinuität

von Klaus-Peter BussDie ehemals staatssozialistischen Ge-sellschaften in Ostdeutschland undMittel- und Osteuropa haben seit den1990er Jahren einen tiefen sozioöko-nomischen Umbruch erlebt. DieserUmbruch wird in der wissenschaft-lichen Diskussion zumeist nur unterdem Blickwinkel der Transformations-forschung thematisiert. Die Beiträgeder Ad-hoc-Gruppe fragten aus unter-schiedlichen Perspektiven nach derRelevanz der neueren Postsozialismus-Forschung für andere Forschungs-stränge. Im Zentrum des Göttinger Bei-trages, der auf einem abgeschlossenenForschungsprojekt beruhte, stand dieFrage: Was lässt sich aus der Trans-

formation der ostdeutschen Industrieüber den Ablauf gesellschaftlicherPfadwechsel im Allgemeinen lernen?

In der Diskussion um nationale Kapi-talismusmodelle und ihre Entwicklungim Prozess der Globalisierung kommtder Frage nach der Pfadabhängigkeitsozioökonomischer Prozesse zentraleBedeutung zu. In jüngerer Zeit ist hierinsbesondere der „Varieties of Capita-

lism“-Ansatz wichtig. Er arbeitet dieBedeutung institutioneller Komple-mentaritäten für die Herausbildungnationaler Modelle und damit ver-knüpfter Unternehmensstrategienheraus, steht mit diesem Argumentimmer aber auch in der Gefahr deter-ministischer Erklärungen, weil im Dun-keln bleibt, wie angesichts der starkeninstitutionellen Prägung gesellschaft-liche Pfadwechsel verlaufen. Die Trans-formation der ehemals staatssozialis-tischen Gesellschaften bietet die Mög-lichkeit, dieser Frage ein Stück weitnachzugehen.

Im Ausgang dieser Transformationsteht das grundlegende Scheitern des

sozialistisch-planwirtschaft-lichen Wirtschaftsmodells, mitdem sowohl ein – im Sinnedes „Varieties of Capitalism“-Ansatzes andersartiges, weilnicht-kapitalistisches – ins-titutionelles Setting als auchdas damit verbundene Pro-duktionsmodell planwirt-schaftlich gesteuerter Indus-trieproduktion ihr Ende fan-den. In dieser doppeltenPerspektive erlebten dieseGesellschaften in den 90erJahren einen radikalen Pfad-wechsel von einer sozialisti-schen Planwirtschaft hin zueiner Spielart des Kapita-lismus, die einen ebensol-chen Wechsel in den von denUnternehmen verfolgten Pro-duktionsmodellen fundiert.

Mit dem ostdeutschen Pfad-wechsel verbindet sich dabeivon Beginn die Erwartung ei-

ner Anpassung an das westdeutscheKapitalismusmodell. Eine Gesundungder ostdeutschen Wirtschaft, so dieGrundannahme, sei nur auf Grundlageeines umfassenden Bruchs mit dem ge-scheiterten planwirtschaftlichen Pro-duktionsmodell der DDR und einer An-passung an das westdeutsche Produk-tionsmodell möglich. Auf der institu-tionellen Ebene soll dieser Prozessdurch den Anfang der 90er Jahre

schnell fortschreitenden Transfer derzentralen Institutionen des westdeut-schen koordinierten Kapitalismus ge-stützt werden, die, so die Erwartung,die Ausrichtung der ostdeutschenUnternehmen auf das westdeutscheProduktionsmodell befördern würden.Das Erbe der DDR-Industrie erscheintdemgegenüber vor allem problembe-haftet. Die Bilanz der ostdeutschenTransformation fällt allerdings eherambivalent aus. Zwar hat die ostdeut-sche Wirtschaft einen Pfadwechselvollzogen, die Vorstellung des gerich-teten Pfadwechsels vom ostdeutschenSozialismus zum westdeutschen Kapi-talismus ist aber sichtlich nicht aufge-gangen. Die im Beitrag verfolgte Theseist: Der Pfadwechsel ist trotz des Aus-maßes des 1989/90 vollzogenen Um-bruchs sehr viel stärker von Kontinuitä-ten geprägt, als dies wahrgenommenwird. Vor diesem Hintergrund lassensich einige ostdeutsche Entwicklun-gen besser verstehen.

Ein wesentlicher Grund für diese Kon-tinuitäten liegt in der betrieblichenTransformation. Die Startbedingungender ostdeutschen Industrie zu Beginnder 90er Jahre sind vor allem durch dasumfassende Wegbrechen der von ihrbedienten Märkte gekennzeichnet.Entsprechend bestand die zentraleTransformationsaufgabe für die Unter-nehmen, ob nun Altunternehmen oderNeugründung, darin, sich als New-

Ad-hoc-Gruppe 36

„Transformierte Perspektiven – ZurRelevanz der Postsozialismus-Forschung für andere Forschungs-stränge“

Organisation: Jürgen Beyer (Ham-burg)/Volker Wittke (Göttingen)

Mit Beiträgen von Helmut Wie-senthal (Berlin), Katharina Bluhm/Vera Trappmann (Osnabrück Je-na), Jürgen Breyer/Stefan Kirch-ner (Hamburg) und Klaus PeterBuss/Volker Wittke (Göttingen)

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POSTSOZIALISMUS

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comer in einem hart umkämpftenWettbewerbsumfeld neu zu etablieren.In den Vordergrund rückte für dieUnternehmen damit die Entwicklungeigener – spezifischer – Wettbewerbs-stärken, die es ihnen ermöglichten, sichvon ihren – insbesondere westdeut-schen – Wettbewerbern abzuheben.Hierbei spielen ostdeutsche Lohnkos-tenvorteile sicherlich eine wichtigeRolle. Für einen nachhaltigen Erfolgwürde dies allerdings nicht ausreichen.Wettbewerbsvorteile basieren vor al-lem auf Ressourcen und Kompetenzen,über die ein Unternehmenverfügt und die es dazu ein-setzen kann, sich in seinenLeistungen von seinen Kon-kurrenten abzuheben. Die ost-deutschen Unternehmen ver-fügen in der Transformations-situation allerdings vor allemaber über solche Kompeten-zen, die sie bereits zu DDR-Zei-ten und unter den Bedingun-gen sozialistischer Planwirt-schaft herausgebildet haben.

Der Wahrung und Nutzungdieser industriellen Kompe-tenzen kommt damit bei derProfilierung der Unternehmen eineSchlüsselrolle zu. Für die Unternehmenkam es darauf an, ihre spezifischen,durch die DDR-Industrie geprägtenKompetenzen im Rahmen neuer Wett-bewerbsstrategien und in Bezug aufkonkrete Marktchancen einer neuenNutzung zuzuführen. Anhand von Fall-beispielen zeigte der Beitrag auf, wie zuDDR-Zeiten ausgebildete industrielleKompetenzen zur Grundlage neuerWettbewerbsstrategien und damit desbetrieblichen Pfadwechsels gemachtwurden. Wichtig dabei ist: Die Unter-nehmen setzen nicht einfach ihre Pro-duktionsweise fort, sondern nutzendiese Kompetenzen in neuer Weiseund im Rahmen neuer Strategien. Inso-fern handelt es sich zwar um Diskonti-nuität. Allerdings basieren die Kom-petenzen der Unternehmen auf demWissen und den Erfahrungen ihrer Mit-arbeiter, auf innerbetrieblich einge-spielten Routinen und erprobten Ver-fahren im Umgang mit bestimmtenProblemen. Dies bedeutet: Ohne per-sonelle und organisatorische Kontinu-itäten wären diese Kompetenzen garnicht abrufbar.

Hierin liegt ein wichtiger Schlüssel für das Verständnis der Entwicklungauch auf der institutionellen Ebene,denn mit diesen Kompetenzen werdenzugleich auch institutionelle Prägun-gen aus der facharbeitsorientiertenDDR-Industrie fortgeschrieben. Be-sonders deutlich wird dies etwa an derArt, in der Kompetenzen, die im DDR-Berufsbildungssystem entstanden sind,in der Organisation von großen Aus-bildungsverbünden genutzt werden.Ähnliches gilt aber auch in den Indus-triellen Beziehungen.Trotz der bekann-

ten Durchsetzungsschwäche arbeit-nehmerischer Interessenvertretung inOstdeutschland zeichnen sich ostdeut-sche Unternehmen vielfach durch einespezifische betriebliche Sozialordnungmit einer hohen Stammbelegschafts-orientierung aus.Plausibel wird dies vordem Hintergrund der betrieblichenTransformation: Die hohe Stammbeleg-schaftsorientierung erscheint hier alsModus der Sicherung von und des Zu-griffs auf die strategisch wichtigen in-dustriellen Kompetenzen. Zugleich ver-weist die spezifische Ausprägung der

betrieblichen Sozialordnung auch hierauf die Einbettung der Kompetenzenzu DDR-Zeiten in eine von eher infor-mellen Interessenausgleichsstrukturengeprägte betriebliche Sozialordnung.

Bezogen auf die Eingangsfrage nachdem „Wie“ gesellschaftlicher Pfadwech-sel zeigt der Fall, dass pfadabhängigeEntwicklung und Pfadwechsel einandernicht ausschließen. Im Pfadwechsel derostdeutschen Industrie kommt der Nut-zung der spezifischen, zu DDR-Zeitenherausgebildeten Kompetenzen eine

zentrale Rolle zu. Die hier-bei zu Tage tretenden Kon-tinuitäten verweisen einmalmehr darauf, dass „historymatters“.Dies war angesichtsder Radikalität des gesell-schaftlichen Umbruchs nichtnotwendig zu erwarten. Derostdeutsche Fall zeigt hier,dass die ostdeutschen Ak-teure trotz des extremenAußendrucks – das eigeneGesellschaftsmodell war aufallen Ebenen gescheitert –den Bruch mit ihrer Vergan-genheit nicht so radikal voll-zogen haben. Allerdings be-

stehen die Kontinuitäten nur vermit-telt. Die DDR-Kompetenzen konntennicht bruchlos auf neue Marktstrategienübertragen werden. Ihre neue Wirk-samkeit entfalten sie erst durch neueFormen der betrieblichen Nutzung undinstitutionellen Einbettung. Die Leis-tung, die der erfolgreichen Transforma-tion ostdeutscher Unternehmen zu-grunde liegt, besteht genau in dieserUmnutzung und Neueinbettung. Mög-lich war dies aber nur, weil der in die-sem radikalen Pfadwechsel vollzogeneBruch nicht so groß wie erwartet war.

Impressum

Die Mitteilungen aus dem SOFI erscheinen dreimal im Jahr.

Herausgeber: Soziologisches Forschungsinstitut (SOFI) an der Georg-August-Universität Göttingen, Friedländer Weg 31, 37085 Göttingen,Tel.: (0551) 52205-0, E-Mail: [email protected], Internet:http://www.sofi.uni-goettingen.de

Redaktion und Layout: Dr. Martina Parge, PARGE PR, Satz: Artbüro Schmara®

Die Mitteilungen aus dem SOFI sind auf der Website des SOFI (www.sofi.uni-goettingen.de) als PDF-Download erhältlich und können online auf derWebpage abonniert werden.

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MULTILOKALITÄT

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IT-Arbeit zwischen Deutschland und Indien

Multilokalität zwischen transnationaler Konzernstrukturund ortsgebundener Arbeitskraft-Reproduktion

von Nicole Mayer-Ahuja Vortrag in der Sektionssitzung der Sek-tionen Arbeits- und Industriesoziologie,Entwicklungssoziologie und Stadt- undRegionalsoziologie: „Multilokales Leben– multilokale Haushalte – multilokaleArbeit“ am 10.Oktober 2008

In deutsch-indischen Projektteamsschwelt ein Konflikt: Deutsche IT-Ex-perten verstehen nicht, warum indi-sche Kollegen klaglos Nächte durchar-beiten – aber sich weigern, abendsspontan eine Viertelstunde anzuhän-gen. Dies hat in dreifacher Weise mitMultilokalität zu tun: (1) Solche Ab-stimmungsprobleme entstehen nurbei transnationaler Arbeit – und dieseverweist auf Zeit-Raum-Verdichtung.(2) Trotz enger Kooperation bleibt IT-Arbeit (und vor allem Arbeitskraft-Reproduktion) ortsgebunden: Statttransnationaler Multilokalität entstehtungleichmäßige Multilokalität inDeutschland und in Indien. (3) Verän-derte Multilokalität begründet neueStandards der Herrschaft über und der

Festlegung auf Raum – sie zerstört Le-bensweisen und soziale Praktiken.

Vorab zwei begriffliche Konkretisie-rungen: Erstens ist zwischen synchro-ner und diachroner Multilokalität zuunterscheiden – „synchron“ meint diegleichzeitige Kombination verschiede-ner Wohn und Arbeitsorte;„diachron“den mehrfachen Ortswechsel im Zeit-verlauf. Zweitens ist (in Anlehnung anHarvey) zwischen absolutem, relati-vem und relationalem Raum zu diffe-renzieren. „Multi-Lokalität“ verweistauf „absoluten Raum“: auf mehrere,scheinbar objektiv bestimmbare Aus-schnitte der geographischen Welt. Umaber die Beziehungen zwischen diesenLokalitäten, Distanz und deren Über-windung im Arbeitsalltag zu fassen,braucht man Denkmodelle wie „relati-ven Raum“, der auf Raum-Zeit-Verhält-nissen beruht („spatio-temporality“),und „relationalen Raum“, der durchProzesse menschlicher Auseinander-setzung mit Raum konstituiert wird.

Keine transnationale Arbeit ohneZeit-Raum-Verdichtung

Unsere Fallstudien in einer deutschenSoftware-Produktfirma und deren in-discher Niederlassung sowie in einerindischen Servicefirma und derendeutscher Niederlassung zeigen un-terschiedliche Standards von multi-lokaler Arbeit. In der Produktfirma istder Austausch zwischen Mutterhausund indischer Niederlassung intensi-ver, denn in Indien werden Teile neuerSoftware-Produkte hergestellt, undauch Entwickler müssen sich direkt ko-ordinieren. Bei der indischen Service-firma wird in der deutschen Niederlas-sung vor allem beraten, während dieProgrammierung in Indien erfolgt.Trotzdem arbeiten deutsche und indi-sche Beschäftigte in beiden Firmen ineinem Maße direkt zusammen, das nurdurch „time-space-compression“ er-klärbar ist. An der absoluten räum-lichen Entfernung zwischen Zentrenund Peripherie hat sich nichts geän-dert – trotzdem sind Deutschland und

Indien sich näher gerückt, weil Zeit-Raum-Verdichtung zur „Reduzierungvon Kosten und Zeitaufwand für dieBewegung von Waren, Menschen (Ar-beitskraft) und Information“ führt(Harvey 2006, 100). Marx hat dies als„Vernichtung von Raum durch Zeit“beschrieben, die im unaufhörlichenStreben nach Erhöhung der Zirkula-tionsgeschwindigkeit des Kapitals begründet sei. Es ermöglicht trans-nationale Arbeit in Form virtueller Kooperation (mit Hilfe neuer Kommu-nikations und Informationstechnolo-gien) und in Form direkter, persön-licher Kooperation.

Ungleichmäßige Multilokalität inDeutschland und in Indien statttransnationaler Multilokalität

Trotzdem findet keine Einebnung derUnterschiede zwischen den Standor-ten statt: die Dialektik von Ort undRaum bewirkt, dass durch Reduzie-rung räumlicher Barrieren Unterschie-de in der Qualität verschiedener Or-te (Arbeitskraftangebot, Infrastrukturoder politisches Entgegenkommen)wichtiger werden, weil Firmen sie ge-zielter nutzen können (Harvey 1990,428). In Konkretisierung dieses Gedan-kens gehen wir davon aus, dass trans-nationale IT-Arbeit durch ein Span-nungsverhältnis geprägt ist: zwischentransnationaler Unternehmensstruk-tur und ortsgebundenen Regulie-rungsszenarien (speziell: der Repro-duktion von Arbeitskraft).

Die transnationale Unternehmens-struktur führt trotz „Zeit-Raum-Ver-dichtung“ in unseren Firmen kaum dazu, dass Beschäftigte permanentzwischen Deutschland und Indienpendeln. Harvey (1990, 427) betont,dass der Abbau räumlicher BarrierenMenschen oft umso mehr an Ort, Re-gion und Nation hängen lässt. Doch imIT-Sektor hat die zunehmende Sess-haftigkeit auch mit restriktiveren Im-migrationspolitiken (in den USA, aberauch in Deutschland nach Abschaf-fung der Greencard) sowie mit unter-

Multilokales Leben, multilokaleHaushalte, multilokale Arbeit:Erweiterte Optionen oder er-höhte Unsicherheit?

Veranstaltung der Sektionen Ar-beits- und Industriesoziologie,Entwicklungssoziologie und Stadtund Regionalsoziologie:

Leitung: Hartmut Hirsch-Kreinsen(Dortmund); G. Günther Voß(Chemnitz)

Mit Beiträgen von Knut Pet-zold/Christine Weiske/Diana Zie-rold (Chemnitz); Michaela Schier(München); Martin Abraham/Na-tascha Nisic (Erlangen); StefanieKley (Bremen); Nicole Diet-rich/Norbert Huchler/Ingo Matu-schek (Chemnitz); Nicole Mayer-Ahuja (Göttingen)

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MULTILOKALITÄT

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nehmerischem Arbeitskraft-Ein-satz zu tun: Virtueller Austauschist noch schneller und billiger alsReisen, zumal man indischen IT-Spezialisten in Deutschlanddeutsche Löhne zahlen müsste.Entsprechend pendelt nur einkleiner Kreis zwischen Deutsch-land und Indien: in der deut-schen Produktfirma das deut-sche Topmanagement; in der indischen Servicefirma weni-ge, häufig wechselnde Onsite-Koordinatoren. Transnationale Strategien von Arbeitskraft-Ein-satz beruhen hier also darauf,transnationale Multilokalität zureduzieren.

Gleichzeitig sind in Deutschlandund in Indien unterschiedlicheraumzeitliche Strukturen von IT-Arbeit festzustellen – transna-tionale Arbeit verbindet „sehrspezifische raum-zeitliche Struk-tur[en] von Kapitalakkumula-tion“ und sozialer Reproduktion(Harvey 2006, 96). Die Relativitätvon Raum macht sich unter-schiedlich bemerkbar – das Er-gebnis ist ungleichmäßige Multi-lokalität.

So klaffen etwa in Indien relative undabsolute Entfernung weiter auseinan-der. Weil sich ausländische Firmen undderen indische Partner auf die Metro-polen konzentrieren, werden dort Stra-ßen, Bahn- und Flugverbindungen aus-gebaut. Daher kann man schneller vonBangalore nach Frankfurt reisen, als ineine Distrikthauptstadt im selben indi-schen Bundesstaat. In Deutschland hin-gegen ist die Kluft weniger groß: Die IT-Branche ist örtlich kaum konzen-triert;das Straßennetz (wenn auch nichtdie Schiene) ermöglicht es Beschäftig-ten, teilweise 50 km weit zum Büro zupendeln. In Bangalore hingegen mussman möglichst büronah wohnen, umstundenlange Staus zu vermeiden.Wohn- und Arbeitsort rücken sich ge-zwungenermaßen näher. Extremes, inDeutschland unvorstellbares mega-städtisches Wachstum ist die Folge.

Außerdem müssen indische Beschäf-tigte (wenn man aus der kurzen Exis-tenz der indischen IT-Branche extrapo-liert) im Lauf des Erwerbslebens öfter

als deutsche Kollegen den Wohnortwechseln. Beschäftigte in Bangaloresind meist nicht vor Ort aufgewachsenund räumlich kaum verankert –immerhin könnten speziell ausländi-sche Firmen Niederlassungen kurzfris-tig verlagern, und der nächste Arbeits-platz könnte in Delhi oder Mumbaisein. Zudem arbeiten sie in den weni-gen Zentren von IT-Produktion oftsehr viel weiter von ihrem Heimatortentfernt. Während viele deutscheInterviewpartner im Heimatdorf woh-nen, finden in indischen IT-Kreisen Be-suche bei der Herkunftsfamilie oft nurein- oder zweimal im Jahr statt. DieMultilokalität der örtlich verteiltenMehrgenerationenfamilie spielt damiteine unterschiedliche Rolle.

Veränderte Multilokalität zerstörtLebensweisen und soziale Praktiken

Die Frage, ob Multilokalität „erweiterteOptionen“ oder „erhöhte Unsicherheit“mit sich bringe, verweist schließlichauf relationalen Raum – auf die Wahr-nehmung von Raum durch Menschenund auf deren Auseinandersetzungmit räumlich-zeitlichen Strukturen.

Drei Beobachtungen dazu:Erstens hat die Abkehr indi-scher IT-Beschäftigter von syn-chroner Multilokalität massivestädtebauliche Konsequenzen:Dass schlechte Infrastruktur siein Bangalore zwingt, möglichstnahe am Arbeitsplatz zu woh-nen, hat zu einem Umbau derStadt und zur „Konstruktion ei-nes komplett neuen räum-lichen Beziehungsmusters“ ge-führt. Immer neue IT-Gewer-begebiete mit benachbartenriesigen Apartment-Anlagenwerden errichtet, während ein-fache Wohnviertel und Slumsaus dem Stadtgebiet verdrängtwerden. Deren ehemalige Be-wohner stehen vor dem Pro-blem, vom Stadtrand aus aufüberfüllten Straßen und oh-ne ausreichenden öffentlichenNahverkehr zum oft im Zen-trum (oder in IT-Wohn- und Ar-beitsgebieten) gelegenen Ar-beitsplatz zu gelangen. Für siehat die neue Multilokalität Kos-ten, Stress und Unsicherheit er-höht, weil die räumliche Distanzzwischen Wohn- und Arbeitsort

absolut und relativ gestiegen ist. DieEntwicklung von Bangalore markiertalso eine jener Revolutionen in zeit-lich-räumlichen Beziehungen, die „eineZerstörung der Lebensweisen und so-zialen Praktiken“ beinhalteten, die umvorangegangene Zeit-Raum-Systemeherum errichtet waren (Harvey 1990,425). Deutschland hingegen erlebtderzeit keine vergleichbare raum-zeit-liche Revolution – Multilokalität ist re-lativ stabil.

Zweitens hat diachrone Multilokalität(mehrmaliger Wechsel von Wohn- undArbeitsort) Konsequenzen für das Ge-nerationenverhältnis. Bei deutschenIT-Spezialisten wird Kindererziehungund die Pflege älterer Familienmitglie-der (angesichts relativer örtlicher Sta-bilität) überraschend oft im Familien-kreis erledigt – Großeltern helfen beider Kinderbetreuung, und viele Väterunter den (fast durchweg männlichen)Befragten haben eine nicht oder teil-zeitberufstätige Ehefrau, die Repro-duktionsarbeiten übernimmt. Multilo-kalität im Sinne langer Pendelwegeschafft hier geringe Unsicherheit. In

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MULTILOKALITÄT

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Indien hingegen entsteht diachroneMultilokalität (Ortswechsel) nicht nurdurch die örtliche Konzentration derIT-Branche, sondern auch dadurch,dass viele Frauen nach einer (oft arran-gierten) Heirat zu ihrem Ehemann zie-hen, und dass Eltern oder erwachseneKinder synchrone Multilokalität aufhe-ben (also zusammenziehen), um dieBetreuung von Kindern oder Alten si-cherzustellen. Gerade bezüglich ‚dualcareer couples' im IT-Bereich wird der-zeit die Wiederkehr der „joined family“diskutiert. Immerhin führt die Auflö-sung der Mehrgenerationenfamilie zuumso mehr sozialer Verunsicherung,wenn es (wie in Indien) kaum sozialpo-litische Sicherungsnetze (wie öffent-lich subventionierte Kinderbetreuung,Renten oder Pflegeversicherung) gibt,die privatisierte Sorgearbeit ersetzenkönnten. Die Reproduktion von Ar-beitskraft erfordert dann die Entschei-dung für eine „Lokalität“: Eltern ziehenzu ihren Kindern, um Enkel zu betreu-en; Kinder wachsen bei den Großelternauf und sehen ihre Eltern zweimal imJahr; oder IT-Karrieren sind zeitlichdurch die Aussicht begrenzt, sich beiBedarf weit weg vom IT-Hub um die Eltern zu kümmern. Während vieledeutsche Befragte in ihrer Heimatre-gion geblieben sind, führt die Aufhe-bung synchroner Multilokalität in In-dien zu Langstrecken-Umzügen – dia-chrone Multilokalität greift um sich.

Drittens hat die mit häufigen Orts-wechseln verbundene räumlich-zeitli-che Kurzfristigkeit arbeitsorganisatori-sche Folgen. In der deutschen Produkt-firma etwa überwiegt im Mutterhausdie Delegation von Verantwortung anlangjährig bekannte, fachlich hochspezialisierte Beschäftigte, die manweder kleinteilig kontrollieren kannnoch muss. In Indien hingegen kämpftdieselbe Firma darum, enorme Fluktu-ationsraten zu reduzieren oder organi-satorisch zu kanalisieren. Einerseitswerden Beschäftigte durch attraktiveArbeitsräume und -bedingungen „ge-halten“ – andererseits erprobt man ar-beitsorganisatorische Wege, sie ersetz-bar zu machen und die Risiken ihrerräumlich-zeitlichen „Beweglichkeit“ fürdas Unternehmen zu reduzieren. Zielist die Standardisierung von Arbeits-abläufen, Qualifikationen und Kon-trollsystemen, die (wenn sie gelänge)

verstopften Straßen kein Auto gebrau-chen (Städtebau). Sie fahren meist mit unternehmenseigenen Bussen –verpasst man sie, so bleibt es nicht beieiner Viertelstunde Verspätung (Ar-beitsorganisation/Arbeitszeit). Dies istbesonders kritisch, wenn man zu denzahlreichen „dual career couples“ imIT-Bereich gehört und sich mit demPartner abstimmen muss (Verdiener-modelle). Selbst wenn man „neben“dem Büro wohnt, ist die relative Dis-tanz zur Wohnung oft größer als inDeutschland, so dass der Feierabendspäter beginnt (tägliche Arbeitskraft-Reproduktion). Kurz: Das transnationa-le Gezerre um „die paar Minuten“ ist

Ausdruck komplexer Wechselwirkun-gen – nicht zuletzt zwischen transna-tionaler Unternehmensstruktur undortsgebundener Arbeitskraft-Repro-duktion.

die potentiellen Chancen von Zeit-Raum-Verdichtung für Beschäftigte inFrage stellen würden: Indische Be-schäftigte rücken zwar räumlich relativnäher an das westliche Mutterhausheran – doch der fachliche und ar-beitsorganisatorische Abstand zudeutschen Kollegen bleibt gewahrt.Zeit-Raum-Verdichtung geht mit un-gleichmäßiger Entwicklung einher.

Multilokalität und die „kritischeViertelstunde“

Indem man zwischen synchroner unddiachroner Multilokalität unterschei-det und neben absolutem auch relati-ven und relationalen Raum berück-

sichtigt, erklärt sich der erwähnte Dau-erkonflikt: Nächte durchzuarbeiten, istim Notfall in deutschen wie indischenTeilen transnationaler Teams selbstver-ständlich – die Folgen für die Repro-duktionssphäre trägt jeweils die Fami-lie, wobei in Deutschland eher die Ehefrau, in Indien eher die Mehrge-nerationenfamilie und ein Heer vonDienstboten „einspringt“. Die „kritischeViertelstunde“ hingegen konfrontiertuns schlaglichtartig mit der Relativitätvon sozialem Raum und der Ungleich-mäßigkeit von Multilokalität: DeutschePendler sind durchweg mit privatenPKWs unterwegs (Verkehrsinfrastruk-tur). Ob sie ein paar Minuten länger ar-beiten, ist egal – die Kinder bringt dieGattin ins Bett (generationale Repro-duktion von Arbeitskraft). Indische Be-schäftigte hingegen können in derMegastadt Bangalore auf chronisch

LiteraturHarvey, David (1990): BetweenSpace and Time: Reflections onthe Geographical Imagination, in:Annals of the Association of Ame-rican Geographers, Vol. 80, No. 3(Sept.), 418-434 Ders. (2006): Spaces of Global Ca-pitalism. Towards a theory of un-even geographical development,London/New York.

Zu Literatur aus dem Projekt:http://www.sofi.uni-goettingen.de/?id=271

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KURZZUSAMMENFASSUNGEN

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Flexibilität, Unsicherheit, Autonomie

Energiewende in der Stromversorgung

von Harald Wolf Vortrag in der Ad-hoc-Gruppe: „Welche Sicherheit braucht die Flexibilität?“ am10.10.08 in Jena

Vor dem Hintergrund einer über-wiegend auf Arbeitsmarktflexibilität fokussierten Debatte betonte der Bei-trag die weiterhin große Bedeutungvon Sicherheit in modernen Arbeits-organisationen sowie einen empfind-lichen Mangel an Autonomie. Die wesentlichen Punkte des Arguments:

In vielen Unternehmen konterkarie-ren Flexibilisierungsmaßnahmen an-dere organisatorische Zielsetzungen –die Aufwertung von Wissen und Par-tizipation nämlich, die Vertrauens-beziehungen und halbwegs stabileTauscharrangements voraussetzt. Die-se Zielkonflikte können nicht aufge-löst, sondern müssen immer wiederausbalanciert werden.

Gerade in vermeintlichen Vorzeige-branchen der Flexibilisierung ist seitBeginn des Jahrhunderts eine Rigidi-sierung von Organisationsstrukturenzu beobachten. Die Impulse dazu gingen interessanterweise von den Kunden aus. Ironisch zugespitzt ließesich von marktinduzierter Bürokra-tisierung sprechen: Je unmittelbarerdie Abhängigkeit vom Markt – demvermeintlichen Flexibilisierungstrei-ber – desto stärker die Tendenz inter-ner organisatorischer Strukturierungund Hierarchisierung. Entsprechendprägen bei den Beschäftigten nichtFreelancer, sondern „Normalarbeits-verhältnisse“ das Bild.

Gegenüber einem Verständnis vonAutonomie als mehr individuelle Flexi-bilität innerhalb eines vorgegebenenRahmens plädiert der Beitrag für ei-nen gehaltvolleren Autonomiebegriff,der den Rahmen selbst und damit die

Frage „Wessen Flexibilität?“ einbe-zieht. Damit wird zum einen die Frageindustrieller Demokratie aufgeworfen– also der kollektiven Einflussnahmeauf Arbeits- und Beschäftigungsver-hältnisse als Alternative zur vorherr-schenden „Flexokratie“. Zum andernzeichnet sich – angesichts der Unsi-cherheit und Identitätsverlust desSennett’schen „flexiblen Menschen“ –ein drohender Teufelskreis von man-gelnder individueller Autonomiefä-higkeit und mangelndem kollektivemAutonomiestreben ab.

Sind in dieser Situation vielleicht Organisationen, gleichsam als Inselnrelativer Stabilität und Sicherheit imMeer anwachsender Unsicherheit – solautete am Ende die Frage – nichtnoch einer der wenigen gesellschaft-lichen Orte, wo dieser Teufelskreis (gewerkschafts- und arbeits-) politischdurchbrochen werden könnte?

von Rüdiger Mautz Vortrag im Plenum 6: „Klimawandel und nachhaltige Energieversorgung:Transformation und sozialer Wandel“am 8.10.08

Die Frage nach den Möglichkeiten und konkreten Umsetzungsformen einer nachhaltigen Energieversorgungist eng mit der Frage nach der Transformationsmöglichkeit groß-technischer Systeme verknüpft. Ein paradigmatisches Beispiel dafür ist dasStromsystem. Es erfüllt unabdingbareFunktionen im Rahmen industrie-gesellschaftlicher Produktion und Reproduktion, gilt aber auch als eine der wichtigsten Quellen globaler ökologischer Risiken.

In der soziologischen Debatte um große technische Systeme wird diesenzumeist eine besonders hohe Resistenzgegenüber grundlegenden Innovatio-nen attestiert. Typisch sei inkrementel-ler Wandel, der die Kernstruktur einesgroßtechnischen Systems stabilisiereund langfristig erhalte, etwa durch

Verbesserungsinnovationen, mit de-nen systeminterne Friktionen oderFunktionsmängel behoben würden.Fundamentalerer Wandel könne da-gegen in der Regel nur durch externverursachten Veränderungsdruck aus-gelöst werden, zum Beispiel durch die Zangenbewegung von politisch-institutionellen und/oder soziokultu-rellen Umbrüchen einerseits und deminnovativen Druck technologischer Nischenentwicklungen andererseits.

Dieser Erklärungsansatz wurde in demVortrag kritisch aufgegriffen – gestütztauf die Ergebnisse einer SOFI-Studiezum deutschen Stromsystem und derEntwicklung erneuerbarer Energien(siehe Mitteilungen aus dem SOFI,

Nr. 2, S. 12-13). Am Beispiel aktueller Umbaustrategien des traditionellendeutschen Stromsektors und der Erneuerbare-Energien-Branche konntegezeigt werden, dass sich die gegen-wärtig absehbaren Entwicklungsalter-nativen des deutschen Stromsystemsnicht der Dichotomie von system-internen Kräften der Beharrung und externen Kräften des radikalen Wandelsfügen. Typisch für die konkurrierendenStrategien ist vielmehr eine jeweils spezifische Kombination aus inkremen-tellen Umbauschritten des bestehen-den Stromsystems und Perspektivengrundlegenderen Wandels. Fazit: DieAkteure des Wandels sind heute nicht mehr eindeutig systemextern zu verorten. Mit ihnen ist der Diskurs desWandels in der systeminternen Arenades Stromsektors angekommen.

Vorträge im InternetLangfassungen dieser und aller anderen Vorträge des SOFI auf demDGS-Kongress sind im Internet abruf-bar unter www.sofi.uni-goettingen.de.

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DIE LETZTE

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Veröffentlichungen von SOFI-MitarbeiterInnenBücher:

Baethge-Kinsky, Volker/Bartelheimer, Peter/Wagner, Alexandra/Aust, Judith/Müller-Schoell,Till (2008): Arbeitsmarktpolitik: Nachsteuernoder neu orientieren? Anstöße zu einer über-fälligen Debatte. OBS-Schriftenreihe, Heft 55,Frankfurt/Main.

Aufsätze

Alda, Holger/Bartelheimer, Peter (2008): Unglei-che Erwerbsbeteiligung – Messkonzepte fürein segmentiertes Beschäftigungssystem. In:Gensior, S./Lappe, L./Mendius, H. G. (Hrsg.): Im Dickicht der Reformen – Folgen und Neben-wirkungen für Arbeitsmarkt, Arbeitsverhältnisund Beruf (Dokumentation der gleichnamigenTagung).SAMF- Arbeitspapier 2008-1, Cottbus,S. 49-78.

Baethge, Martin/Wieck, Markus (2008): AdultEducation Survey – Anforderungen und Per-spektiven aus Sicht des nationalen Bildungs-berichts. In: Gnahs, D./Kuwan, H./Seidel, S.(Hrsg.): Weiterbildungsverhalten in Deutsch-land. Band 2: Berichtskonzepte auf dem Prüf-stand. Bielefeld (W. Bertelsmann Verlag), S.193-202.

Baethge-Kinsky, Volker (2008): Lebenslanges Lernen für alternde Belegschaften. In: Boge-dan, C./Müller-Schoell, T./Ziegler, A. (Hrsg.):Demografischer Wandel als Chance. Ham-burg (VSA-Verlag), S.163-172.

Bartelheimer, Peter/Gensior, Sabine/Kühl, Jür-gen/Paulsen, Bent/Reisert, Bernd/Schneider, Hil-mar/Mendius,Hans Gerhard (2008):„Im Dickichtder Reformen – Folgen und Nebenwirkungenfür Arbeitsmarkt, Arbeitsverhältnis und Beruf“(Podiumsdiskussion). In: Gensior, S./Lappe,L./Mendius, H. G. (Hrsg.): Im Dickicht der Re-formen – Folgen und Nebenwirkungen für Ar-beitsmarkt, Arbeitsverhältnis und Beruf (Doku-mentation der gleichnamigen Tagung). SAMF-Arbeitspapier 2008-1, Cottbus, S. 247-289.

Fromm, Sabine/Sproß, Cornelia (2008): Ein sys-tematischer Review von Aktivierungspro-grammen für Wohlfahrtsempfänger. Oder:Was man tun kann, wenn eine statistischeMetaanalyse nicht möglich ist. In: SozialerFortschritt, Heft 10, Jhg. 57, S. 256-264.

Hanekop, Heidemarie/Wittke, Volker (2008):Die neue Rolle der Anwender in internet-basierten Innovationsprozessen. In: AIS-Stu-dien, 1, H. 1, S. 7-28.

Kädtler, Jürgen (2008): Bruchstelle der So-zialpartnerschaft. Der Renditedruck schafftsoziale Distanzen. In: Mitbestimmung, 10/2008, S. 34-38.

Kädtler, Jürgen (2008): Woher kommt und wasbedeutet „Macht der Finanazmärkte“? In:Blaschek, B./Schoder, C./Ziegler, P./Pirklbauer,S.:Crash statt Cash.Wien (ÖGB-Verlag),S.41-52.

Kädtler, Jürgen/Faust, Michael (2008): The Po-wer of Financial Markets – What Does thatMean and How Does it Work for DifferentCategories of Companies? In: Bluhm, K./Schmidt, R. (eds): Change in SMEs. Towards aNew European Capitalism? New York (Palgra-ve Macmillan), S. 17-38.

Kädtler, Jürgen/Sperling, Hans Joachim (2008):Logics Of Bargaining In The German Automo-tive Industry. In: Erturk, I./Froud, J./Johal, S./Le-aver, A./Williams, K.: Financialization At Work.London and New York (Routledge), S. 330-342.

Kuhlmann, Martin (2008): Krise der Industrie-soziologie – Themenfelder einer Debatte. In:Huchler, N. (Hrsg.): Ein Fach wird vermessen.Positionen zur Zukunft der Disziplin Arbeits-und Industriesoziologie, Berlin (edition sig-ma), S. 107-132.

Kuwan, Helmut/Eckert, Thomas/Wieck, Markus(2008): Einflussfaktoren auf die Teilnahme an Weiterbildung im AES: Ergebnisse logisti-scher Regressionen (Kap. 8.2). In: von Rosen-bladt, B./Bilger, F.: Weiterbildungsverhalten inDeutschland. Band 1: Berichtssystem Weiterbil-dung und Adult Education Survey 2007. Biele-feld (W. Bertelsmann Verlag), S. 160-174.

Mayer-Ahuja, Nicole; (2008): Betriebliche Sozi-alordnung im Zeichen transnationaler Arbeit:Überlegungen anhand der Softwarepro-grammierung zwischen Deutschland und Indien. In: Becke, G./Senghaas-Knobloch,E. (Hrsg.): Flexible Arbeitsformen aus der Perspektive sozialer Nachhaltigkeit, Münster,S. 153-167.

Schumann, Michael/Kuhlmann, Martin/Sper-ling, Hans Joachim (2008): Auto 5.000: estraté-gia de sucesso dependente do caminho. In:In: Dal Rosso, S./Abreu Sá Fortes, J. A. (Hrsg.):Condicoes de trabalho ni limiar de sécolo XXI.Brasilia (Epocca), S. 135-138.

Schumann, Michael/Kuhlmann, Martin/Sperling,Hans Joachim (2008): Zwischen Toyota und Tra-dition: Das VW-Projekt „Auto 5000“ als mitbe-stimmungsjustierte Unternehmenskultur. In:Benthien, R./Brinkmann, U. (Hrsg.): Unterneh-menskultur und Mitbestimmung. BetrieblicheIntegration zwischen Konsens und Konflikt.Frankfurt/Main (Campus), S. 243-258.

Schumann, Michael (2008): Kampf um Rationa-lisierung – Suche nach neuer Übersichtlich-keit. In: WSI-Mitteilungen, 7/2008, S. 379-386.

Sperling, Hans Joachim (2008): Perspectivas da indústria automobilistica ante as mu-dancas técnico-organizatórias do trabalho: osexemplos da Volkswagen e da Toyota. In: DalRosso, S./Abreu Sá Fortes, J. A. (Hrsg.): Condi-

Informationen zu allen Veröffentlichun-gen des SOFI seit 1990 im Internet zu fin-den unter: „www.sofi. unigoettingen.de“– Rubrik Publikationen.

Personalia

Claudia Kretschmann hat für ihr Promo-tionsvorhaben „Schulische Interventions-maßnahmen und ihre Auswirkungen aufden Abbau sozialer Bildungsdisparitä-ten abschlussgefährdeter HauptschülerIn-nen“ von der Hans-Böckler-Stiftung zum1.3.2009 ein Promotionsstipendium er-halten. Die Promotion wird von HeikeSolga wissenschaftlich betreut.

ForschungskolloquiumWintersemester 08/09

Freitag, 16.15 Uhr bis 18.30 Uhr,im Soziologischen Forschungsinstitut(SOFI), Friedländer Weg 31

Texte für die Kolloquien liegen etwa eineWoche vor den jeweiligen Sitzungen imGeschäftszimmer des Instituts für Sozio-logie und im SOFI als Kopiervorlage ausoder können per E-Mail [email protected] bezogen werden.

07.11.2008:Peter Kalkowski, Gerd Paul, Volker Wittke(SOFI): Professionalisierungstendenzen in Berufen im Wellnesssektor

21.11.2008:Peter Bartelheimer, René Büttner, JürgenKädtler (SOFI): Amartya Sens wohlfahrts-theoretischer Ansatz: Verwirklichungs-chancen als Konzept zur Beurteilung von Arbeitsmarkt und Sozialpolitik?

12.12.2008:Jürgen Kädtler, Peter Kalkowski, MartinKuhlmann, Hans Joachim Sperling (SOFI):Entgeltstrukturreformen als Nagelprobefür die Flächentarifpolitik

09.01.2009:Vortrag von und Diskussion mit Werner Widuckel (Audi AG): Das Thema wird noch bekannt gegeben.

23.01.2009:Heidemarie Hanekop, Jürgen Kädtler, VolkerWittke (SOFI): Neue Formen der Wissens-produktion

30.01.2009:Sabine Fromm, Bettina Kohlrausch,Claudia Kretschmann (SOFI): Benachteilig-te Jugendliche beim Übergang von derSchule in die Ausbildung

coes de trabalho ni limiar de sécolo XXI.Brasilia (Epocca), S. 123-133.

Wolf, Harald (2008): Die duale Institution derArbeit und der neue(ste) Geist des Kapita-lismus. In:Wagner, G./Hessinger, Ph. (Hrsg): Einneuer Geist des Kapitalismus? Paradoxienund Ambivalenzen der Netzwerkökonomie.Wiesbaden (VS Verlag für Sozialwissenschaf-ten), S. 219-231.

Wolf, Harald (2008): „Vorwort“. In: Halfbrodt,M./Wolf, H. (Hrsg.): Cornelius Castoriadis: VomSozialismus zur autonomen Gesellschaft. Ge-sellschaftskritik und Politik nach Marx. Ausge-wählte Schriften,Bd.2.2,Lich (Edition AV),S.7-15.