Mitteilungen aus der Presse

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1 3 MITTEILUNGEN Gleicher Wasserverbrauch – mehr Nahrungsmittel Die Weltbevölkerung wächst – es wird zunehmend schwie- riger, die Menschen ausreichend mit Wasser und Lebens- mitteln zu versorgen. Wissenschaftler der Universität Minnesota (USA) und der Universität Bonn haben nun Potenziale ausgemacht, wie Wasser für den Nahrungsmit- telanbau besser genutzt werden könnte. Nach den Berech- nungen lassen sich in Trockenregionen die Erträge soweit steigern, dass sich damit 110 Mio. Menschen zusätzlich ernähren ließen. Zudem könnte in bewässerten Kulturen der Verbrauch ohne Ernteeinbußen soweit reduziert wer- den, dass damit der Wasserbedarf von 1,4 Mrd. Menschen gedeckt würde. Die Ergebnisse werden nun in den „Envi- ronmental Research Letters“ vorgestellt. Egal ob Mais, Weizen, Reis oder Hirse – alle brauchen für ihr Wachstum vor allem genügend Wasser. „Der Anbau von Nahrungspflanzen benötigt mehr Wasser als alle ande- ren Aktivitäten des Menschen auf unserem Planeten“, sagt Dr. Kate A Brauman, Wissenschaftlerin am Institut für Umweltwissenschaften der Universität Minnesota (USA) und Erstautorin der Veröffentlichung. Erstmals verglichen die Wissenschaftler den Wasserbedarf bezogen auf die erzeugte Nahrungsenergie für 16 Kulturpflanzen auf einer globalen Skala. Die Forscher verglichen Pflanzenproduk- tion und Wasserbedarf sowohl innerhalb- als auch zwischen verschiedenen Klimazonen. Untersucht wurden für die Welternährung besonders wichtige Feldfrüchte wie etwa Weizen, Mais, Reis, Gerste, Sorghum, Kartoffeln, Maniok oder Sojabohne. Hohe Erträge sind vor allem eine Frage des Managements Dabei zeigte sich, dass die Ertragsunterschiede bezogen auf den Wasserverbrauch für eine bestimmte Feldfrucht innerhalb einer Klimazone häufig größer sind als zwischen verschiedenen Klimaregionen. „Die unterschiedliche Pro- duktivität bezogen auf die Wassermenge hängt also nicht allein von Klimafaktoren ab, sondern zu einem großen Teil auch davon, wie die Pflanzen angebaut werden“, sagt Mit- autor Dr. Stefan Siebert vom Institut für Nutzpflanzenwis- senschaften und Ressourcenschutz (INRES) der Universität Bonn, der die Basisdaten zur Produktivität der Kulturpflan- zen berechnet hat. Zum Beispiel zeige sich in weiten Teilen Afrikas ein großes Potenzial, wie sich u. a. durch eine bessere Nähr- stoffversorgung, angepasstere Anbausysteme und besseren Pflanzenschutz die Erträge bei gleicher Wassernutzung deutlich steigern ließen. Dagegen würden in den USA, China und Westeuropa Höchsterträge erzielt. „Aber auch hier schwankt die mit den Kulturpflanzen erzeugte Nah- rungsenergie bezogen auf die Wassermenge regional stark“, sagt der Wissenschaftler der Universität Bonn. Damit eröff- neten sich auch hier Chancen, die Pflanzenproduktion ohne zusätzlichen Einsatz von Wasser weiter deutlich zu steigern. Der Aralsee in Zentralasien sei durch intensive Wasserent- nahme für die Bewässerung von Kulturpflanzen hingegen stark geschrumpft. „Hier besteht dringend Handlungsbe- darf, mit weniger Bewässerungswasser auszukommen“, sagt Dr. Siebert. 110 Mio. Menschen ließen sich zusätzlich ernähren In den Trockenregionen der Erde lassen sich nach den Berechnungen der Wissenschaftler die Erträge der Grund- nahrungsmittel durch höhere Wasserproduktivität soweit steigern, dass 110 Mio. Menschen zusätzlich ernährt werden könnten. Darüber hinaus könnte in bewässerten Kulturen der Wasserverbrauch ohne Ernteeinbußen soweit reduziert werden, dass damit der Wasserbedarf von 1,4 Mrd. Men- Gesunde Pflanzen (2013) 65:119–124 DOI 10.1007/s10343-013-0304-7 Mitteilungen aus der Presse Online publiziert: 8. August 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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Gleicher Wasserverbrauch – mehr Nahrungsmittel

Die Weltbevölkerung wächst – es wird zunehmend schwie-riger, die Menschen ausreichend mit Wasser und lebens-mitteln zu versorgen. Wissenschaftler der universität Minnesota (uSA) und der universität Bonn haben nun Potenziale ausgemacht, wie Wasser für den nahrungsmit-telanbau besser genutzt werden könnte. nach den Berech-nungen lassen sich in trockenregionen die erträge soweit steigern, dass sich damit 110 Mio. Menschen zusätzlich ernähren ließen. Zudem könnte in bewässerten Kulturen der Verbrauch ohne ernteeinbußen soweit reduziert wer-den, dass damit der Wasserbedarf von 1,4 Mrd. Menschen gedeckt würde. Die ergebnisse werden nun in den „envi-ronmental Research letters“ vorgestellt.

egal ob Mais, Weizen, Reis oder Hirse – alle brauchen für ihr Wachstum vor allem genügend Wasser. „Der Anbau von Nahrungspflanzen benötigt mehr Wasser als alle ande-ren Aktivitäten des Menschen auf unserem Planeten“, sagt Dr. Kate A Brauman, Wissenschaftlerin am institut für umweltwissenschaften der universität Minnesota (uSA) und erstautorin der Veröffentlichung. erstmals verglichen die Wissenschaftler den Wasserbedarf bezogen auf die erzeugte Nahrungsenergie für 16 Kulturpflanzen auf einer globalen Skala. Die Forscher verglichen Pflanzenproduk-tion und Wasserbedarf sowohl innerhalb- als auch zwischen verschiedenen Klimazonen. untersucht wurden für die Welternährung besonders wichtige Feldfrüchte wie etwa Weizen, Mais, Reis, gerste, Sorghum, Kartoffeln, Maniok oder Sojabohne.

Hohe erträge sind vor allem eine Frage des Managements

Dabei zeigte sich, dass die ertragsunterschiede bezogen auf den Wasserverbrauch für eine bestimmte Feldfrucht

innerhalb einer Klimazone häufig größer sind als zwischen verschiedenen Klimaregionen. „Die unterschiedliche Pro-duktivität bezogen auf die Wassermenge hängt also nicht allein von Klimafaktoren ab, sondern zu einem großen teil auch davon, wie die Pflanzen angebaut werden“, sagt Mit-autor Dr. Stefan Siebert vom Institut für Nutzpflanzenwis-senschaften und Ressourcenschutz (inReS) der universität Bonn, der die Basisdaten zur Produktivität der Kulturpflan-zen berechnet hat.

Zum Beispiel zeige sich in weiten teilen Afrikas ein großes Potenzial, wie sich u. a. durch eine bessere nähr-stoffversorgung, angepasstere Anbausysteme und besseren Pflanzenschutz die Erträge bei gleicher Wassernutzung deutlich steigern ließen. Dagegen würden in den uSA, China und Westeuropa Höchsterträge erzielt. „Aber auch hier schwankt die mit den Kulturpflanzen erzeugte Nah-rungsenergie bezogen auf die Wassermenge regional stark“, sagt der Wissenschaftler der universität Bonn. Damit eröff-neten sich auch hier Chancen, die Pflanzenproduktion ohne zusätzlichen einsatz von Wasser weiter deutlich zu steigern. Der Aralsee in Zentralasien sei durch intensive Wasserent-nahme für die Bewässerung von Kulturpflanzen hingegen stark geschrumpft. „Hier besteht dringend Handlungsbe-darf, mit weniger Bewässerungswasser auszukommen“, sagt Dr. Siebert.

110 Mio. Menschen ließen sich zusätzlich ernähren

in den trockenregionen der erde lassen sich nach den Berechnungen der Wissenschaftler die erträge der grund-nahrungsmittel durch höhere Wasserproduktivität soweit steigern, dass 110 Mio. Menschen zusätzlich ernährt werden könnten. Darüber hinaus könnte in bewässerten Kulturen der Wasserverbrauch ohne ernteeinbußen soweit reduziert werden, dass damit der Wasserbedarf von 1,4 Mrd. Men-

Gesunde Pflanzen (2013) 65:119–124DOI 10.1007/s10343-013-0304-7

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Online publiziert: 8. August 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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schen gedeckt würde. „Vor dem Hintergrund der weiter wachsenden Weltbevölkerung ist dies ein sehr wichtiges ergebnis“, sagt Dr. Siebert. es zeige einen Ausweg aus dem scheinbaren Dilemma in trockenregionen, das Wasser ent-weder für die erzeugung von lebensmitteln oder für den direkten Verbrauch des Menschen einzusetzen.

Der Schlüssel zur lösung dieses Problems sei, mit der-selben Menge Wasser höhere erträge zu erzielen. „Die Stei-gerung der Produktion an nahrungsenergie hängt stark von einem effizienteren Wassereinsatz im Kulturpflanzenanbau ab, aber auch von optimierter Düngung, Anbau geeigneter Kulturen und Sorten sowie besserem Pflanzenschutz“, sagt Dr. Siebert. nur wenn die Kombination dieser Manage-mentfaktoren stimmt, könne die ernährung der Weltbevöl-kerung gesichert werden.

Original-Publikation: Improvements in crop water productivity increase water sustainability and food security – a global analysis, environmental Research letters, DOI: 10.1088/1784-9326/8/2/024030

Kontakt:Dr. Stefan SiebertInstitut für Nutzpflanzenwissenschaften und RessourcenschutzTel.: + 49 0228 7332-62E-Mail: [email protected]: www.lap.uni-bonn.de

(idw)

Resistenz gegen Kartoffelkrebs

Im Juli 2013 startete ein Verbundprojekt zwischen der naturwissenschaftlichen Fakultät der leibniz universität Hannover, dem Julius-Kühn-institut in Potsdam und zwei Kartoffelzuchtunternehmen, das die genetischen grund-lagen des Kartoffelkrebs untersucht. gefördert wird die Forschung durch die Fachagentur für nachwachsende Roh-stoffe, einem Projektträger des Bundesministeriums für ernährung, landwirtschaft und Verbraucherschutz. Kar-toffelkrebs ist eine meldepflichtige durch einen Pilz her-vorgerufene Krankheit, die Kartoffeln befallen kann. Sie ist chemisch äußerst schwer zu bekämpfen. Durch die im Boden verbleibenden langlebigen Dauerstadien des Pilzes sind die befallenen Felder über lange Zeit – bis zu 20 Jahre – für den Kartoffelanbau unbrauchbar. es besteht Anbau-verbot, bis der nachweis der Befallsfreiheit erbracht wor-den ist. Auch auf Nachbargrundstücken dürfen nur Pflanzen angebaut werden, die gegen den jeweiligen erregertyp resistent sind. Besonders schlimm fallen die epidemien in feuchten und kalten Klimaregionen wie beispielsweise in Mitteleuropa aus.

Bisher gibt es nur wenige resistente Sorten, deshalb ist es das Ziel des Verbundprojekts, den Ablauf des infektions-prozesses zu verstehen, die Gene zu identifizieren, die eine Resistenz gegen den Krankheitserreger vermitteln. Für diese gene sollen nachweisverfahren entwickelt werden, die in der Züchtung zur gezielten Selektion resistenter genotypen verwendet werden können. ein teil der Forschung wird im Labor der Molekularen Pflanzenzüchtung in Hannover, ein weiterer teil durch Wissenschaftlerinnen und Wissen-schaftler am Julius-Kühn-institut bearbeitet. Diese Arbei-ten werden mit Feldversuchen ausgewählter Anbaubetriebe gekoppelt. Erste Ergebnisse werden für Mitte 2014 erwartet.

Die Bewilligung über 518 000 € für die Leibniz Univer-sität Hannover beinhaltet unter anderem zwei Stellen für Doktoranden und eine Stelle für einen bereits promovierten Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin („Postdoc“) für jeweils drei Jahre sowie für Sachmittel.

Kontakt:Prof. thomas Debener, naturwissenschaftliche Fakultätleibniz universität HannoverTel.: + 49 5117 62 26-72E-Mail: [email protected]

(leibniz universität Hannover)

Wie wachsen Pflanzen zum Licht?

Pflanzen haben mehrere Strategien entwickelt, um mit ihren Blättern möglichst viel Sonnenlicht einzufangen. Wie sich auch bei Topfpflanzen am Wohnzimmerfenster beobachten lässt, wachsen Pflanzen immer in Richtung des einfallen-den lichts. So können sie ihren energiebedarf durch Photo-synthese optimal decken. Die treibende Kraft hinter dieser Bewegung ist das Pflanzenhormon Auxin – das konnte jetzt ein internationales Forschungsteam eindeutig klären.

Das Wachstum der Pflanzen zum Licht ist besonders zu Beginn eines Pflanzenlebens wichtig. Viele Samen keimen im Boden aus und ernähren sich im Dunkeln von ihren begrenzten Stärke- und Fettreserven. Durch massives längenwachstum entgegen der Schwerkraft, die als erste Orientierungshilfe dient, streben die Keimlinge an die Ober-fläche. Mit Hilfe hochsensibler Lichtdetektor-Proteine fin-den sie den kürzesten Weg zum Sonnenlicht – und können sich dafür auch in die Richtung des lichts krümmen.

„Auch erwachsene Pflanzen krümmen sich in die Rich-tung des stärksten lichteinfalls; und sie bewerkstelligen das, indem sich die Zellen des Stamms auf der dem licht abgewandten Seite verstärkt strecken. Diese Form des licht-gerichteten Wachstums nennt man Phototropismus“, erklärt Prof. Claus Schwechheimer vom lehrstuhl für Systembio-

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logie der Pflanzen an der Technischen Universität München (tuM).

Schleuser bringen Pflanzenhormon zum Ziel

Verantwortlich für die Zellstreckung ist das Auxin. Das Phy-tohormon wird in Zellen an der Sprossspitze gebildet und von dort aus von Zelle zu Zelle weitergeleitet. So gelangt es über viele Zwischenstationen zu seinem Bestimmungsort. „Export- und Importproteine schleusen das Auxin aus der Zelle heraus, und dann vom Zellenzwischenraum wieder in die nächste Zelle, und so weiter – bis es letztlich an seinem Ziel ankommt“, sagt Schwechheimer.

Die wichtigsten Proteine in diesem Prozess sind die „PINs“ genannten Exportproteine, die dem Auxinfluss die Richtung vorgeben. Wie das team um Schwechheimer zei-gen konnte, arbeiten diese PINs nicht alleine: „Sie benötigen das Signal der Proteinkinase D6PK“, führt Schwechheimer aus. „Das Kinase-enzym schaltet die Pins durch die Über-tragung von Phosphatgruppen an – so dass sie als Auxin-Schleuser aktiv werden.“

Welche Rolle spielt das Auxin?

Die Bewegungen der Pflanzen hat der große Naturforscher Charles Darwin 1880 in seinem Standardwerk „The power of movement in plants“ erstmals ausführlich beschrieben. Dass bei der Licht-gesteuerten Krümmung das Pflanzenhor-mon Auxin eine Rolle spielen könnte, war bereits 1937 vom niederländische Forscher Frits Went im Cholodny-Went Modell vorgeschlagen worden.

Obwohl danach viele Beobachtungen dieses Modell unterstützten, fehlte bisher der Beweis dafür, dass das Auxin auch wirklich an diesem Prozess beteiligt ist. Warum, erklärt Prof. Christian Fankhauser von der unil (univer-sité de Lausanne) in der Schweiz: „Alle bislang verfügbaren Pflanzen mit einem bekannten Defekt im Auxintransport zeigten einen normalen Phototropismus. Warum sollte also der Auxintransport für den Phototropismus wichtig sein?“

Modell der Auxin-gesteuerten Krümmung bestätigt

Die Antwort auf diese Frage fanden die tuM-Forscher in Zusammenarbeit mit ihren Kollegen an der unil. Den Schweizer Forschern gelang es, in einer Pflanze gleichzeitig mehrere Pin-transporter auszuschalten; die tuM-Wissen-schaftler konnten gleichzeitig die Funktion der D6PK-Pro-teine aufklären.

Das Ergebnis: Wenn mehrere der PIN- und Kinase-Kom-ponenten fehlten, waren die Pflanzen in ihrem Wachstum komplett unempfänglich gegenüber den lichtsignalen, die den Phototropismus auslösen. Der Auxin-Transport in die-sen Mutanten war stark beeinträchtigt: Unabhängig vom

lichteinfall wuchsen sie entgegen der Schwerkraft nach oben. Damit konnten die Wissenschaftler erstmals eindeutig belegen, dass das Hormon Auxin der Stoff ist, der den Pflan-zen die Kraft zum Phototropismus gibt.

Original-Publikation:Willige, B. C., Ahlers, S., Zourelidou, M., Barbosa, i. C. R., Demarsy, e., trevisan, M., Davis, P. A., Roelfsema, M. R. g., Hangarter, R., Fankhauser, C., and Schwechheimer, C. (2013). D6PK AGCVIII kinases are required for auxin transport and phototropic hypocotyl bending in Arabidopsis; Plant Cell (http://www.plantcell.org/lookup/doi/10.1105/tpc.113.111484)

Kontakt:Prof. Dr. Claus Schwechheimertechnische universität MünchenLehrstuhl für Systembiologie der PflanzenTel.: +49 8161 7128-80E-Mail: [email protected]

(tuM)

Wie erfolgreiche Pflanzen andere in den Schatten stellen

Warum sind manche Pflanzenarten selten, andere häufig? Warum werden einige wenige exotische invasiv, andere nicht? Berner Forschende haben nun herausgefunden, wel-che Arteigenschaften und umweltbedingungen wichtig sind, damit sich Pflanzen erfolgreich in neuen Gebieten eta-blieren können.

Schnell keimen und wachsen, Konkurrenten trotzen sowie Fraßfeinde abwehren – all dies, so vermuteten Öko-logen bereits seit langer Zeit, seien wichtige eigenschaften erfolgreicher Pflanzen.

Allerdings galten diese Charakteristika als weniger bedeutend als andere erfolgsfaktoren wie der Anzahl ein-gesäter Samen und der vorgefundenen umweltbedingungen – etwa der Dichte der bestehenden Vegetation.

In Bern konnten jetzt Forschende des Instituts für Pflan-zenwissenschaften und der universität Konstanz zeigen, dass die erstgenannten Pflanzenmerkmale stärker als bis-her angenommen über erfolg und Misserfolg von Arten entscheiden.

Feld- und Gewächshausexperimente kombiniert

Die hohe Anzahl untersuchter Pflanzenarten und die aus-geklügelte Kombination mehrerer Experimente ist eine Besonderheit dieser Berner Studie. in einem umfangreichen Feldexperiment säten die Ökologen mehr als 90 verschie-

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dene heimische und exotische Pflanzenarten in 16 verschie-dene Wiesen im Kanton Bern.

Dabei variierten sie die eingesäte Samenmenge und manipulierten die Störung und die Dichte der vorhandenen Vegetation. Sie dokumentierten, welche der gesäten Pflan-zenarten sich schließlich im Feld etablieren konnten.

Parallel dazu führten die Forschenden mehrere gewächs-hausexperimente durch, um die Eigenschaften jeder Art möglichst genau zu charakterisieren – von der Samengröße, der Keimungsrate, der Wachstumsgeschwindigkeit und der Konkurrenzstärke bis zur Abwehr gegenüber Fraßfeinden, wie zum Beispiel Schmetterlingsraupen.

„Obwohl man weiß, dass pflanzenfressende Tiere und Konkurrenz für die etablierung von Arten von Bedeutung sind, werden bisher die Reaktionen von vielen verschie-denen Pflanzen darauf wegen des großen Arbeitsaufwands kaum gemessen“, erläutert Markus Fischer, Professor für Pflanzenökologie an der Uni Bern.

Kombiniert man nun die ergebnisse aus Feld- und gewächshaus, lassen sich die für den erfolg wichtigsten eigenschaften und umweltbedingungen bestimmen.

Sieger ist, wer Fraßfeinde am besten abwehren kann

Die Berner Pflanzenwissenschaftler konnten zeigen, dass sich am Anfang der Studie vor allem Arten mit einem besonders großen Samengewicht in den Wiesen etablierten und entsprechend erfolgreich auskeimten. Auch eine grö-ßere Samenzahl verbesserte ihre Situation.

Allerdings veränderte sich die Wichtigkeit der Faktoren im Verlauf der Studie: „Gegen Ende waren interessanter-weise vor allem eigenschaften von Bedeutung, welche die Wechselbeziehung von Pflanzen mit anderen Pflanzen oder tieren charakterisieren“, berichtet Anne Kempel, die erst-autorin der Studie. So waren Pflanzenarten, welche beson-ders gut gegen gefräßige insekten geschützt sind, langfristig am erfolgreichsten.

„unsere ergebnisse decken sich mit den theorien aus der Invasions- und Pflanzengemeinschaftsbiologie“, erklärt Studienleiter Mark van Kleunen. Zunächst verhindere die unbelebte umwelt, der sogenannte „abiotische Filter“, die frühe etablierung von Arten, denen gewisse physiologische Anpassungen fehlen.

einmal gekeimte Arten müssten dann den sogenannten „biotischen Filter“ passieren – das heißt sie müssen Fraß-feinden, Pathogenen und Konkurrenten trotzen, um sich in einer Pflanzengemeinschaft zu behaupten. „Unsere Stu-die verdeutlicht, dass dieser zweite Filter von sehr großer Bedeutung ist und zudem im lauf der Zeit wichtiger wird“, so van Kleunen.

Die jetzt in den „Proceedings of the national Acadamy of Sciences“ veröffentlichte Studie ermöglicht es, die ent-stehung der Artenzusammensetzung von Pflanzengemein-

schaften besser zu verstehen. Die ergebnisse können laut den Forschenden auch dazu beitragen, potenzielle neue invasive Arten frühzeitig zu erkennen – etwa indem als Gartenpflanzen vorgesehene Arten vor der Zulassung zum Verkauf zunächst auf ihre eigenschaften untersucht wer-den. „Durch eine solche Prävention können sich in Zukunft einige Pflanzeninvasionen in der Schweiz womöglich ver-meiden lassen“, so Kempel.

Original-Publikation:Anne Kempel, thomas Chrobock, Markus Fischer, Rudolf Philippe Rohr, Mark van Kleunen: Determinants of plant establishment success in a multispecies introduction experi-ment with native and alien plant species. PNAS, 15. Juli 2013, DOI: 10.1073/pnas.1300481110/-/DCSupplemental.

(idw)

Hummeln werden ihren Blüten leicht untreu

Hummeln und Honigbienen sind zeitlich begrenzt blüten-treu: Sie besuchen während der Blütezeit einer Pflanzen-art hauptsächlich deren Blüten und verschmähen andere. So transportieren die insekten überwiegend Pollen einer Pflanzenspezies und steigern deren Chance auf Befruch-tung. Jetzt haben amerikanische Biologen am Beispiel mehrerer Hummelarten im selben lebensraum gezeigt, wie sich der Ausfall einer dieser Arten auf die von ihr bevor-zugt besuchte Blütenpflanze auswirkt. Die verringerte Kon-kurrenz sorgte dafür, dass die verbliebenen Hummelarten zusätzlich die Blüten besuchten, deren Bestäuber fehlte. Die nun weniger blütentreuen Hummeln übertrugen daher häu-figer artfremden Pollen und verringerten so Befruchtungs-rate und Samenproduktion. Die ergebnisse weisen darauf hin, dass beispielsweise das weltweite Bienensterben lokale Ökosysteme und landwirtschaft stärker schädigen könnte, als bisher angenommen, schreiben die Forscher im Fach-journal „Proceedings of the national Academy of Sciences (PnAS)“.

„Wenn Hummeln oder andere Bienen promisk sind – also während des Nektarsammelns mehr als eine Pflan-zenart besuchen – sind sie als Bestäuber viel weniger effek-tiv“, sagt Heather Briggs vom Rocky Mountain Biological laboratory. Zusammen mit Berry Brosi von der emory university in Atlanta untersuchte sie die Bestäubung einer Rittersporn-Art (Delphinium barbeyi) durch Hummeln auf subalpinen Wiesen der Rocky Mountains. Auf jeder der ausgewählten jeweils 20 Quadratmeter großen Testflächen waren im Schnitt fünf von insgesamt elf dort vorkommen-den Hummelarten als mögliche Bestäuber unterwegs.

nach Beobachtungen unter unveränderten natürlichen Bedingungen entfernten die Biologen jeweils eine Hummel-

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art aus dem abgegrenzten gebiet, indem sie die tiere mit Netzen einfingen. Danach beobachteten sie das Verhalten der anderen Hummeln beim nektarsammeln, untersuchten, welche Pollenarten an ihren Körpern hafteten und wie viele Samen die bestäubten Blüten später bildeten. Diese Daten verglichen sie mit denen im ungestörten Ökosystem, in dem 78 % der Hummeln blütentreu waren. Das Fehlen einer Hummelart senkte diesen Wert auf 66 %. Die Hummeln tru-gen dann also häufiger Pollen verschiedener Pflanzenarten an ihrem Körper. Das führte dazu, dass seltener der richtige Pollen auf die narbe der Ritterspornblüten gelangte und verringerte die Samenproduktion um ein Drittel.

Andere Forscher hatten aus Computersimulationen geschlossen, dass der Ausfall einer Bestäuberart im lokalen Ökosystem keinen größeren Schaden verursachen würde, solange das durch andere Bestäuber ausgeglichen werden könnte. Jetzt zeigt sich, dass eine nur leicht verringerte Zahl konkurrierender Bestäuber die Blütentreue der verbliebe-nen Bestäuber schwächt und dem Fortpflanzungserfolg der betroffenen Pflanzen schadet. Übertragen auf die Situa-tion des derzeitigen dramatischen Bienensterbens sei nach Ansicht der Autoren beim Aussterben von Honigbienen in einer Region mit gravierenden Auswirkungen auf das Öko-system und die landwirtschaftliche Produktion zu rechnen.

Original-Publikation: „Single pollinator species los-ses reduce floral fidelity and plant reproductive function“, Berry J. Brosi and Heather M. Briggs, Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), DOI: 10.1073/pnas.1307438110

(Wissenschaft aktuell)

Siebenpunkt mit Heimvorteil: Welcher Blattlausfressfeind von der Klimaerwärmung profitiert

Sowohl der einheimische Siebenpunkt-Marienkäfer, Cocci-nella septempunctata, als auch der Asiatische Marienkäfer, Harmonia axyridis, sind effektive gegenspieler der großen getreideblattlaus, Sitobion avenae, an Winterweizen. Wis-senschaftler des Julius Kühn-instituts (JKi) wollten wissen, welcher der beiden Fressfeinde mehr von der zu erwartenden Klimaerwärmung profitiert. Dazu wurde im Rahmen eines von der Bundesstiftung umwelt geförderten Forschungs-projektes das Fressverhalten und andere lebensparameter beider Arten in Klimakammern untersucht. Die nun vorlie-genden ergebnisse legen nahe, dass bei einer durchschnitt-lichen temperaturerhöhung um drei grad der heimische Siebenpunkt in Sachen Futterverwertung die nase vorn hat.

„Wir konnten feststellen, dass unser heimischer Sie-benpunkt-Marienkäfer unter erhöhten temperaturen mehr frisst als unter derzeit normalen temperaturbedingungen. er nimmt mehr an Körpermasse zu und bildet höhere Fett-

körpergehalte. Harmonia axyridis hingegen frisst zwar auch mehr, aber sowohl Körpergewicht als auch Fettkörper-gehalte stagnieren bei ihm“, berichtet Dr. Sandra Krengel. Die nachwuchswissenschaftlerin vom JKi hat die Klima-kammeruntersuchungen im Rahmen ihrer Doktorarbeit aus-gewertet. Dabei wurden die erwachsenen Männchen und Weibchen hinsichtlich der entwicklungsdauer, Fraßmengen, Körpergewichte und ihrer Fettkörpergehalte verglichen. Mit ihren ergebnissen entschärft Krengel Vermutungen, dass der ohnehin argwöhnisch beobachtete Asiate mehr Vorteile aus dem Klimawandel zieht. Die bislang stets gemessene höhere gefräßigkeit des Asiatischen Marienkäfers konnten die JKi-Wissenschaftler in ihren Versuchen mit getreide-blattlaus nicht bestätigen. Der Käfer war in den 1980er Jah-ren nach europa gebracht worden und ist u. a. wegen seiner Vermehrungsfreudigkeit inzwischen in ganz Deutschland verbreitet.

Bei einer temperaturerwärmung steigt die Zahl der Blatt-läuse und auch die Fressaktivität ihrer gegenspieler nimmt zu. „Denn das temperaturoptimum der großen getreide-blattlaus liegt bei ca. 22 °C und das beider Marienkäferarten noch etwas darüber, etwa zwischen 23–25 °C“, erklärt Prof. Dr. Bernd Freier. laut dem insektenkundler vom JKi gilt der Asiate als konkurrenzstark und als aggressiv gegenüber anderen Artgenossen. Dass er sich als Blattlausvertilger in deutschen Weizenfeldern etabliert, hält er angesichts von erkenntnissen aus anderen ländern für sehr wahrschein-lich. „uns interessiert deshalb, wie sich die Marienkäfer bei einer direkten Konkurrenzsituation im Feld unter veränder-ten Klimabedingungen verhalten“, so Prof. Freier.

in Kooperation mit dem Potsdam-institut für Klimafol-genforschung (PiK) wurden besonders realistische tages-temperaturverläufe in den Klimakammern am JKi-Standort Kleinmachnow simuliert. Fakt ist, beide Käferarten kom-men mit den erhöhten temperaturen gut klar und fressen mehr. Sie unterscheiden sich jedoch in der Art und Weise, wie sie das „Mehr an energie“ nutzen. „Sie verfolgen unterschiedliche Strategien“, interpretiert Dr. Krengel ihre ergebnisse. Der Siebenpunkt bekommt nur einmal im Jahr nachwuchs und bereitet sich dann nur noch auf das Winter-lager vor, indem er Fettreserven anlegt. Der Asiate hingegen ist bestrebt, mehr als nur eine neue generation zu bilden. Deshalb investieren besonders die Weibchen alle aufgenom-mene energie in die Vermehrung. um eindeutige Aussagen darüber zu treffen, welcher der beiden Marienkäfer bei stei-genden temperaturen tatsächlich die höhere nützlingsleis-tung im Feld erbringt, sind weitere untersuchungen nötig.

Hintergrund

Die Arbeiten im Rahmen des Forschungsprojektes wurden in der Zeit von 2009–2012 durch ein Promotionsstipen-

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dium der Deutschen Bundesstiftung Umwelt finanziert. Der Gesamtbetrag von ca. 40.000 € wurde in Form eines monatlichen Stipendiums ausgezahlt. Die wissenschaftliche Betreuung erfolgte durch Prof. Dr. Bernd Freier am Julius Kühn-institut in Kleinmachnow. Das Promotionsverfah-ren lief an der Martin-luther-universität Halle-Wittenberg (Mlu).

Kontakt:Dr. Sandra KrengelJulius Kühn-institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzeninstitut für Strategien und FolgenabschätzungStahnsdorfer Damm 81,14532 KleinmachnowTel.: + 49 0332 0348-265E-Mail: [email protected]

Prof. Dr. Bernd FreierTel.: +49 033203 48-322E-Mail: [email protected]

(JKi)