MITTEILUNGEN - Gesellschaft für Didaktik der Mathematik · Arbeitskreis Geometrie 35 Claudia Lack...

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MITTEILUNGEN DER GESELLSCHAFT FÜR DIDAKTIK DER MATHEMATIK 96 Januar 2014 3.14159265358979323846 2643383279502884197169 3993751058209749445923 0781640628620899862803 4825342117067982148086 5132823066470938446095 5058223172535940812848 1117450284102701938521 1055596446229489549303 8196442881097566593344 6128475648233786783165 2712019091456485669234 6034861045432664821339 3607260249141273724587 0066063155881748815209 2096282925409171536436 7892590360011330530548 8204665213841469519415 1160943305727036575959 1953092186117381932611 7931051185480744623799 6274956735188575272489 1227938183011949129833 6733624406566430860213 9494639522473719070217 9860943702770539217176 2931767523846748184676 6940513200056812714526

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MITTEILUNGENDER GESELLSCHAFT FÜR DIDAKTIK DER MATHEMATIK

96Januar 2014

3.14159265358979323846264338327950288419716939937510582097494459230781640628620899862803482534211706798214808651328230664709384460955058223172535940812848111745028410270193852110555964462294895493038196442881097566593344612847564823378678316527120190914564856692346034861045432664821339360726024914127372458700660631558817488152092096282925409171536436789259036001133053054882046652138414695194151160943305727036575959195309218611738193261179310511854807446237996274956735188575272489122793818301194912983367336244065664308602139494639522473719070217986094370277053921717629317675238467481846766940513200056812714526

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 1

Editorial: Die „richtige“ Perspektive

Liebe Leser(innen),als Arbeitsmigrant in Österreich fällt es einemleichter, sich auf die eher belustigenden und bizar-ren Aspekte des Wahlkampfes im Herkunftslandzu konzentrieren. An der sog. „Merkel-Raute“ undihrer massenweisen Persiflierung im Internet1 binauch ich nicht vorbeigekommen. Aber halt: Ist derGegenstand all des Spottes denn überhaupt ei-ne Raute? Formt man anatomischen Normalitä-ten folgend in der Ebene nicht eher ein Deltoid,wenn man aufgrund erwartbarer negativer Asso-ziationen schon nicht laut „Merkel-Drachen“ sa-gen will? Die Abbildung links, natürlich Wikipe-dia entnommenen, ehrenrettet dann letztlich dochden etablierten Sprachgebrauch: Geeignete Nei-gung der Handflächen zur Bildebene erzeugt dengewünschten Rhombus – bei der „Merkel-Raute“kommt es eben nur auf die „richtige“ Perspektivean.

Womit wir beim Stichwort „Perspektive“ an-gelangt wären, das ich nutzen möchte, um Ih-nen ein wenig Lust auf das vorliegende Heft zumachen. Unter dem Titel „Ansätze und Perspek-tiven mathematikdidaktischer Forschung“ hatteich gemeinsam mit meinem Kollegen Franz Pi-cher die ehrenwerte Aufgabe, die diesjährige Sum-merschool der GDM zu betreuen. Zentral schi-en uns, Mathematikdidaktik als mehrperspektivi-schen Zugriff auf das Lehren und Lernen von Ma-thematik zu verstehen, bei dem man – dem schonvon Susanne Prediger bemühten Gleichnis von denblinden Männern und dem Elefanten (Abb. Mit-te) folgend – eingestehen muss, dass keine einzel-ne Perspektive vollen Zugriff auf das untersuchtePhänomen erlaubt.

Die Vielfalt der Forschungsansätze und Per-spektiven auf unser Forschungsfeld wird im vor-liegenden Heft u. a. gespiegelt durch die Vielfaltder Fragen und Probleme, die in den Arbeitskrei-sen der GDM angegangen werden – auch durchdie der Methoden, mit denen man sie angeht,der Theorien, vor deren Hintergrund man sie be-leuchtet. Im Magazin setzt sich Jochen Ziegen-balg mit der Frage auseinander, wie das Aufkom-men leistungsfähiger Personalcomputer und ma-thematischer Software (den Blick auf) die Inhal-te des Mathematikunterrichts verändert hat oderverändern sollte. Erich Wittmann greift in seinemBeitrag „Die Ideologie der Selbstbeschränkung inder Mathematikdidaktik“ die in Heft 92 begonne-ne Diskussion um die derzeitige Ausrichtung ma-thematikdidaktischer Forschung im Spiegel der imJMD veröffentlichten Arbeiten wieder auf.

Mit der PME war im abgelaufenen Jahr eine dergroßen internationalen Tagungen der Mathematik-didaktik in Kiel zu Gast (s. Bericht in diesemHeft). Es klingt zunächst paradox, aber gerade dieinter- nationale Begegnung scheint gleichermaßendie Eröffnung neuer Perspektiven wie auch denBlick auf sich selbst, die Bewusstmachung des ei-genen Standpunkts zu evozieren – wovon die fürdie PME erarbeitete, auch über die Homepage derGDM zugängliche „National Presentation“2 bered-tes Zeugnis gibt.

Hans Walsers „Würfelwelt“3 (Titelbild undAbb. rechts) bringt uns schlussendlich zurück zuden Rauten, mit denen sich bei geeigneter Per-spektive auch ein Würfel machen lässt – irgendwiemuss das Runde ja doch wieder ins Eckige.

Eine perspektiveneröffnende Lektüre wünschtAndreas Vohns

Bildquellen (v.l.n.r): Armin Linnartz (CC-BY-SA 3.0/de), Hanabusa Itcho (Public Domain), © Hans Walser

1 Siehe etwa http://merkelraute.tumblr.com.2 http://www.didaktik-der-mathematik.de/pdf/PME37_National_Presentation.pdf3 Kommentierte Bastelvorlage unter http://www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/W/Wuerfelwelten/Wuerfelwelten.pdf

ISSN 0722-7817

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2 GDM-Mitteilungen 96 · 2014

Inhalt

1 Editorial: Die „richtige“ Perspektive4 Vorwort des 1. Vorsitzenden

Magazin

7 Jochen ZiegenbalgInformatik-affine Themen in der Didaktik der Mathematik

15 Erich Ch. WittmannDie Ideologie der Selbstbeschränkung in der Mathematikdidaktik

19 Alexander WynandsMathematische (Basis-)Kompetenzen im Abitur

24 Horst HischerMarlene: „Ist 0 eigentlich eine gerade Zahl?“

Aktivitäten

25 Mathematik-Kommission„Übergang Schule–Hochschule“27 Einladung zur Mitgliederversammlung der GDM

Arbeitskreise

28 Markus HelmerichArbeitskreis Bildung

29 Renate MotzerArbeitskreis Frauen und Mathematik

31 Andreas Filler and Anselm LambertArbeitskreis Geometrie

35 Claudia LackArbeitskreis Grundschule

36 Ulrich Kortenkamp und Anselm LambertArbeitskreis Mathematikunterricht und Informatik

38 Anke LindmeierArbeitskreis Psychologie und Mathematikdidaktik

41 Esther Brunner and Lis ReusserArbeitskreis Schweiz-Liechtenstein

Tagungsberichte

42 Aiso Heinze, Regina Bruder und Silke Ruwisch37th Conference of the International Group for the Psychology of Mathematics Education

46 Frank Heinrich und Silke RuwischProblemlösesymposium an der TU Braunschweig

51 Susanne Prediger und Bernd RalleJahrestagung der Gesellschaft für Fachdidaktik (GFD) 2013

52 Carolin Just und Tobias RolfesNachts im Museum – GDM-Doktorandenkolloquium 2013

54 Matthias Heinrich und Christian KlostermannEin Überblick aus den Alpen – Die GDM-Summerschool 2013 in Ossiach

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 3

Tagungseinladungen

56 Die Veranstalter/Nachwuchvertretung der GDM48. Jahrestagung der GDM

59 Susanne Schnell und Alexander MeyerGDM Season School 2014 zur Fachdidaktischen Entwicklungsforschung in der Mathematikdidaktik

60 Timo LeudersPraxisphasen in der Mathematiklehrerbildung an Hochschulen – Tagung der gemeinsamen Kom-mission Lehrerbildung der GDM, DMV, MNU

61 Ulrich KortenkampFifth Central- and Eastern European Conference on Computer Algebra- and Dynamic GeometrySystems in Mathematics Education

Rezensionen

62 Ulrich Böhm:Modellierungskompetenzen langfristig und kumulativ fördernRezensiert von Jürgen Maaß

63 Klaus Rödler: Das Handbuch „Die rot-blauen Würfel und Fünferstangen“ – Rechnen durch HandelnRezensiert von Wolfram Meyerhöfer

66 Uwe Saint-Mont: Die Macht der Daten. Wie Information unser Leben bestimmtRezensiert von Philipp Ullmann

67 Schmitt-Hartmann, Reinhard und Herget, Wilfried: Moderner Unterricht – Papierfalten im Mathe-matikunterricht 5–12

Rezensiert von Bernd Wollring70 Hans-Joachim Vollrath und Jürgen Roth: Grundlagen des Mathematikunterrichts in der Sekundar-

stufeRezensiert von Franz Picher

72 Neuerscheinungen im Jahr 2013

Zusammengestellt von Martin Stein und Alexandra Theilenberg

Personalia

75 Werner BlumNachruf auf Arnold Kirsch

77 Rudolf vom HofeGrußwort des 1. Vorsitzenden für Rolf Biehler zum 60. Geburtstag

78 Rudolf vom HofeRede des 1. Vorsitzenden zur Verabschiedung von Werner Blum

82 Ferdinando Arzaello and Lena KochFelix Klein and Hans Freudenthal Awards 2013

In eigener Sache

85 Umstellung Einzugsermächtigung in ein SEPA-Lastschriftmandat86 Leserbrief86 Die GDM/Impressum87 Hinweise für Autor(inn)en

Bildnachweise der Umschlagseite:Linke Spalte (von oben nach unten): US Department of Education (CC-BY 2.0), J. Baxter (CC-BY-NC-SA 2.0), M. Gieding (CC-BY-SA3.0/de), NCSSM (CC-BY-NC-SA 2.0). Rechte Spalte (von oben nach unten): © IPN Kiel, © H. Walser, © F. Picher

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4 GDM-Mitteilungen 96 · 2014

Vorwort des 1. Vorsitzenden

Liebe GDM-Mitglieder,hier kommt nun unsere erste Ausgabe der

GDM-Mitteilungen des Jahres 2014 und ich möch-te an dieser Stelle Ihnen und unserem Verband al-les Gute für das Neue Jahr wünschen. Es liegt ei-niges vor uns und ganz besonders freuen wir unsauf die Bundestagung 2014 im schönen Koblenz.Schon jetzt möchte ich mich bei den Veranstal-tern, den Organisatoren und den vielen Mitarbei-tern und Helfern für die aufwändige Arbeit bedan-ken, ohne die weder eine Bundestagung noch dasLeben der GDM möglich wäre.

Ein wichtiger Teil des vielfältigen Lebens undWirkens unserer Gesellschaft sind die GDM-Arbeitskreise, die sich in Koblenz aufs Neue zuihren Sitzungen zusammenfinden werden. Ihnengilt mein diesmaliges Vorwort, sowohl aus einemhistorischen als auch aus einem aktuellen Anlass.Von den vielen Arbeitskreisen möchte ich dabeizwei herausgreifen: (1) den Arbeitskreis Geome-trie, der im letzten Jahr sein 30. Jubiläum feier-te und an dessen Beispiel ich über die Entste-hung und Entwicklung der Arbeitskreise berich-ten möchte, und (2) den Arbeitskreis Schweiz-Liechtenstein, der sich in den letzten Jahren zurwichtigsten mathematikdidaktischen Arbeitsgrup-pe in der deutschsprachigen Schweiz entwickelthat, dessen Arbeit jedoch deutlich macht, dass esfür die GDM auch Anlass gibt, über bestehen-de Strukturen und Reglungen nachzudenken unddiese weiterzuentwickeln.

Arbeitskreis GeometrieSchon bald nachdem die GDM 1975 bei einer Ta-gung in Saarbrücken (bzw. später in Karlsruhe)gegründet wurde, entstand das Interesse, die Dis-kussionen und Kooperationen in Arbeitskreisen zubündeln, um der neuen gemeinsamen Arbeit überdie Bundestagungen hinaus Kontinuität und Sicht-barkeit zu verleihen.

Es war eine Zeit, die von der Neuen Mathe-matik geprägt war, von der Mengenlehre in derGrundschule und von einer Phase wissenschaft-licher Strenge in der Sekundarstufe. Dies führteinsbesondere in der Geometrie dazu, anschauli-che Arbeitsweisen zu reduzieren und statt des-sen früh mit Axiomensystemen zu arbeiten, wassich in Lehrplänen, Schulbüchern und schließlichim Unterricht, besonders an Gymnasien, nieder-schlug.

Vor diesem Hintergrund entwickelten sich diefrühen Arbeiten der GDM und ihre Arbeitskrei-

se. Die junge GDM war dabei weit davon entfernt,sich als regierungsnahe Organisation zu verstehen,die eine mehr oder weniger kritiklose Umsetzungder neuen Richtlinien unterstützt. Charakteristischfür ihre Arbeiten war vielmehr der Versuch, diedamaligen Auswüchse der neuen Mathematik zuverhindern oder zumindest zu begrenzen.

Für die Geometrie führten die Strömungen derNeuen Mathematik zu einer Infragestellung bishe-riger handelnder und spielerischer Zugänge undzu dem Versuch, bereits zu Beginn der Sekundar-stufe Geometrie axiomatisch einzuführen. In die-sem Zusammenhang wurden grundsätzliche Fra-gen diskutiert: Wie wichtig sind Konstruktionenund Beweise? In welchem Maße sind Vereinfa-chungen erlaubt? Gehört ein spielerischer Umgangmit der Mathematik ins Gymnasium? Ist es fürZehn- und Elfjährige angemessen ein System de-duktiv zu entwickeln, um früh eine Basis für wis-senschaftliches Denken zu begründen? Oder führtdies nicht eher zu einer maßlosen Überforderungund damit vielleicht zum Niedergang der Geome-trie in der Schule?

In diesem didaktischen und bildungspoliti-schen Umfeld entstand der Arbeitskreis Geome-trie. Die aus heutiger Sicht etwas kurios anmu-tende Vorgeschichte diese Arbeitskreises soll hiernicht verschwiegen werden: Im März 1980 hieltHerbert Zeitler während der ICME 4 in Berkeley(Kalifornien) einen Vortrag mit dem Titel „Der Todder Geometrie“, der ein Jahr später im ZDM veröf-fentlicht wurde. Zeitler kündigte an, 1982 auf derGDM-Bundestagung in Klagenfurt eine Arbeits-gruppe unter diesem martialischen Namen initiie-ren zu wollen, eine Arbeitsgruppe „Tod der Geo-metrie“. Er kam aber dann nicht selbst, sondernließ sich durch seinen Assistenten, Herrn Lang,vertreten.

So merkwürdig wie der Name „Tod der Geo-metrie“ heute erscheinen mag, in der damaligenZeit war er nicht ungewöhnlich. Natürlich war ernicht ernst gemeint, sondern als ironische Kritikan der zeitgenössischen Tendenz der Geometrie-didaktik, die damals von vielen formuliert wur-de und auch in Zeitlers Arbeit klar zum Ausdruckkommt:

Auf keinen Fall darf versucht werden, demSchüler ein globales Axiomensystem an denKopf zu werfen. Schüler dieses Alters haben fürmajestätische Axiomensysteme – wie das vonHilbert oder ein ähnliches – keinerlei Verständ-

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 5

nis. Es wirkt für sie abstrakt und steril. (Zeitler,1982 S. 10)

Ich fordere also weniger Axiomatik, wenigerFormalismus, weniger Struktur – dafür mehrAnschauung, mehr Substanz, mehr Anwen-dung. Geometrie soll dadurch wieder mehr Le-ben bekommen, sie soll den Schülern wiederFreude bereiten. Denn die Freude an einer Sa-che ist schon fast die Sache selber. Geometriemuß für Schüler ein Zaubergarten sein undnicht ein Exerzierplatz (ebd. S. 11)

Obwohl Zeitlers Kritik breite Zustimmung fand,stieß der Plan, einen Arbeitskreis „Tod der Geome-trie“ zu gründen, nicht auf ungeteilte Freunde. Ihnabzuwenden, war einer der Gründe, warum sich1982 unter der Initiative von Karlhorst Meyer undKurt Peter Müller der Arbeitskreis Geometrie for-mierte. Der Fokus wechselte damit vom Tod zumLeben entsprechend lautete das Thema der erstenSitzung des Arbeitskreises auf der Bundestagung1983 in Koblenz: „Welche Aufgaben fallen der le-bendigen Geometrie im Rahmen der neuen Unter-richtstendenzen zu?“

Bereits ein Jahr später, 1984 in der 2. Sitzungdes Arbeitskreises auf der Bundestagung in Olden-burg, reichte die Zeit während der Tagung kaumnoch für einen wissenschaftlichen Austausch ausund man beschloss, noch im gleichen Jahre eineeigenständige Herbsttagung durchzuführen; das 3.Treffen des Arbeitskreises war somit die 1. Herbst-tagung, sie fand statt 1984 an der TU München.

Dies geschah zu einer Zeit, als es noch garkeine institutionalisierten Arbeitskreise in derGDM gab. Und da Mathematiker mit ungeklär-ten Existenz- und Eindeutigkeitsfragen auf Dauerschlecht leben können, wurde 1986 auf der Bun-destagung in Gießen die Frage diskutiert: „Was istein Arbeitskreis?“ Ein Jahr später wurden danndurch die Verabschiedung einer entsprechendenOrdnung die GDM-Arbeitskreise offiziell einge-führt; damit existiert der Arbeitskreis Geometriede facto seit 1982, de jure seit 1986. Einem derGründungsmitglieder, Herrn Profke, der auch aufder 30. Jubiläumstagung anwesend war, verdankeich viele Informationen über diesen Arbeitskreis,auch an dieser Stelle nochmals ganz herzlichenDank dafür.

Es folgte nun eine lange Serie von jährlich statt-findenden Herbsttagungen an unterschiedlichenOrten, die neben den Treffen auf den Bundesta-gungen das Leben dieses Arbeitskreises prägten;Spitzenreiter war dabei mit sechs VeranstaltungenMarktbreit, schon von daher auch ein wunderbarerOrt für einen 30. Geburtstag.

Die Themen der Tagungen deckten weite Berei-che der Geometrie ab, es gab Tagungen zu grund-

sätzlichen Themen wie zur Rolle der Geometrieim Mathematikunterricht und im schulischen Bil-dungssystem; zu speziellen Themen wie etwa zurBedeutung der Geometrie im Hinblick auf spezi-fische Schulformen, Inhalte, Methode und Werk-zeuge; zu mathematischen Kompetenzen wie Pro-blemlösen, Argumentieren und Beweisen; zu ko-gnitiven Aspekten des Lernprozesses, zur Begriffs-bildung und im letzten Jahr zu Repräsentationenund mentalen Modellen.

Die Ergebnisse der Jubiläumstagung 2013 desArbeitskreises Geometrie zum Thema „Geome-trie zwischen Grundbegriffen und Grundvorstel-lungen“ erscheinen in Kürze in einem Tagungs-band. Dieser dokumentiert nicht nur die Tradition,sondern auch die Vielfalt und Lebendigkeit diesesArbeitskreises. Auch von dieser Stelle möchte ichfür die GDM den Arbeitskreis Geometrie zu sei-ner Leistung und zur gelungenen Jubiläumsver-anstaltung beglückwünschen, ihm für die vielfäl-tige Arbeit danken und diesen Dank mit der Hoff-nung und allen guten Wünschen für eine erfolg-reiche, produktive glückliche Entwicklung für dieZukunft verbinden.

Arbeitskreis Schweiz–LiechtensteinDer Arbeitskreis Schweiz–Liechtenstein hat sich inden letzten Jahrzehnten von einer kleinen Grup-pe zu einem starken Arbeitskreis entwickelt, derheute über ein Zehntel unserer Mitglieder aus-macht. Von den anderen Arbeitskreisen der GDM,die inhaltlich organisiert sind und sich mit spezi-ellen Themen oder Methoden der Mathematikdi-daktik befassen, unterscheidet sich dieser Arbeits-kreis dadurch, dass er die Mathematikdidaktik in-nerhalb der deutschsprachigen Region Schweiz-Liechtenstein allgemein und umfassend vertrittund damit auch als Ansprechpartner für die dor-tige Bildungspolitik auftreten möchte. Dies ist ei-ne Funktion, die andere Arbeitskreise der GDM(vom Arbeitskreis „Mathematikdidaktik und Ma-thematikunterricht in Österreich“ einmal abgese-hen) nicht für sich beanspruchen, weil diese Auf-gabe innerhalb Deutschlands vom Vorstand derGDM und von den diesen unterstützenden mit derDMV und der MNU koordinierten Kommissionenausgeübt wird.

Je mehr sich der Arbeitskreis Schweiz dieseRolle zu seiner Aufgabe machte, um so mehr zeig-te sich, dass die bislang bestehende Einbindung indie GDM als Arbeitskreis hierfür nicht ausreichtund den intendierten Aktivitäten zu enge Grenzensetzt. Er hat sich daher an den Vorstand und Beiratgewandt, um gemeinsam über eine Änderung derstrukturellen Einbindung in die GDM nachzuden-ken.

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6 GDM-Mitteilungen 96 · 2014

So ist es zurzeit für diesen Arbeitskreis trotzseiner Mitgliederstärke und trotz seiner Kom-petenz in Landesfragen aufgrund der bestehen-den GDM-internen Reglungen nicht möglich, bil-dungspolitische Stellungnahmen zu Entwicklun-gen und Problemen innerhalb des Schweizer Bil-dungssystems abzugeben. Weiterhin fehlt diesemArbeitskreis unter den derzeitigen Bedingungendie Möglichkeit, als rechtsfähiger Schweizer Vereininnerhalb der Schweiz zu agieren. Damit fehlt einewichtige Voraussetzung, um bei den bildungspo-litischen Handlungsträgern in der Schweiz und inLichtenstein erfolgreich für die mathematische Bil-dung in diesen Ländern einzutreten.

Wir haben diese Fragen und mögliche Lösun-gen in den letzten Monaten ausführlich im Vor-stand und Beirat diskutiert und insbesondere hin-sichtlich vereinsrechtlicher Aspekte von deutschenund schweizerischen Juristen prüfen lassen. Zielaller Beteiligten war es dabei, eine Lösung zu fin-den, die zum einen den Wünschen des Arbeitskrei-ses Schweiz gerecht wird, und es zum anderen er-möglicht, dass die Schweizer Gruppe trotz rechtli-cher Eigenständigkeit innerhalb der GDM verblei-ben kann. Hierbei wurde deutlich, dass sowohlder Arbeitskreis Schweiz-Liechtenstein als auchdie GDM als solche die Mitgliedschaft der Schwei-zer und Liechtensteiner in der GDM als wertvollund bereichernd empfinden und dass diese in je-dem Falle weiter fortgeführt und gepflegt werdensollte.

Die Schweizer Probleme und Wünsche sind so-wohl beim Vorstand als auch beim Beirat auf vielVerständnis gestoßen. Es wurden daraufhin vomVorstand in intensiven Gesprächen und unter juris-tischer Beratung verschiedene Modelle entwickeltund geprüft. Dabei wurde schließlich ein Lösungs-vorschlag gefunden, der für alle Beteiligten trag-bar, akzeptabel und rechtlich umsetzbar erscheint.Kern dieses Vorschlags ist es, dass die Schweizereinen Verein innerhalb der GDM bilden und dassdadurch eine Trennung bzw. Zersplitterung ver-mieden und die gemeinsame Arbeit weitergeführtwerden kann.

Für die Umsetzung dieses Vorschlags sind eineSatzungsänderung sowie die Verabschiedung einerneuen Ordnung erforderlich. Dies kann nur durchmehrheitliche Zustimmung auf der Mitgliederver-sammlung erfolgen. Hier die Kernpunkte des Lö-sungsvorschlags:

GDM-Landesverband. Wir eröffnen einem GDM-Arbeitskreis, der das Ziel verfolgt, die Ma-thematikdidaktik innerhalb eines Landes au-ßerhalb Deutschlands in Wissenschaft undUnterricht allgemein zu vertreten, die Mög-lichkeit, den Status „GDM-Landesverband“zu beantragen. Ein GDM-Arbeitskreis mit

dem Status „GDM-Landesverband“ ist berech-tigt, in bildungspolitischen Fragen als GDM-Landesverband, in diesem Falle also als GDM-Schweiz, Stellungnahmen abzugeben.Korporative Mitgliedschaft. Es steht einem GDM-Landesverband frei, unter gleichem Nameneinen Verein nach dem jeweiligen Landesrechtzu gründen. Dieser kann die korporative Mit-gliedschaft in der GDM beantragen. Wird einVerein „GDM-Landesverband“ als korporativesMitglied in die GDM aufgenommen, so erhältdieser qua Amt einen Sitz im Beirat. Die An-zahl der Beiratsmitglieder wird dementspre-chend erweitert.Anerkennung. Die Anerkennung eines Vereins„GDM-Landesverband“ als korporatives Mit-glied in der GDM kann erfolgen, wenn:(1) die Zielsetzung des Vereins „GDM-Landes-verband“ mit der Zielsetzung der GDM verein-bar ist;(2) die Mitgliedschaft im Verein „GDM-Landes-verband“ die Mitgliedschaft in der GDM vor-aus setzt.Im Übrigen erfolgt die Anerkennung eines Lan-desverbandes nach dem gleichen Verfahren wiedie Anerkennung eines GDM-Arbeitskreises.Finanzierung. Die GDM stellt einem Verein„GDM-Landesverband“ Mittel zur Vereis-arbeitzur Verfügung. Diese betragen in der Regel25 % der Mitgliedsbeiträge der Mitglieder desGDM-Landesverbands.

Den genauen Wortlaut der Satzungsänderung so-wie den Textvorschlag für die ergänzende Ord-nung erhalten alle Mitglieder in einer gesondertenRundmail.

Falls die genannten Änderungen die Zustim-mung der Mitgliederversammlung finden, gilt dieMöglichkeit, einen GDM-Landesverband zu grün-den, selbstverständlich auch für andere Länder.Es wird jedoch kein genereller Mechanismus ge-schaffen, der etwa Länder außerhalb Deutschlandszu assoziierten Landesverbänden macht, vielmehrkann sich ein Landesverband nur aus eigenerInitiative aus einem GDM-Arbeitskreis im Zugedes dargestellten Anerkennungsverfahrens entwi-ckeln.

Ich möchte Sie bereits an dieser Stelle ganzherzlich bitten, die oben ausgeführten Kernpunktedes Vorschlags wohlwollend zu prüfen. Gleichzei-tig möchte ich für den aufgezeigten Lösungswegwerben: Er ermöglicht eine Verbleiben der Schwei-zer Arbeitsgruppe in der GDM und gibt ihr den-noch die für ihre bildungspolitische Zielsetzungnotwendige rechtliche Eigenständigkeit.

Mit freundlichen GrüßenRudolf vom Hofe

(1. Vorsitzender der GDM)

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Magazin 7

Informatik-affine Themen in der Didaktik der Mathematik

Jochen Ziegenbalg

Ähnlich wie es W. Dörfler in seinen „Impressio-nen aus (fast) vier Jahrzehnten Mathematikdidak-tik“ in [Dörfler, 2013] beschreibt, ist auch dies eindurch persönliche Erfahrungen und Erinnerungen(an meine knapp 50-jährige Tätigkeit in Wirtschaftund Hochschule) gefärbter Essay – und alle darausresultierenden Dörflerschen „caveats“ treffen sinn-gemäß auch auf diesen Beitrag1 zu.

1 Einige historische Skizzen

1.1 Das Entstehen einschlägigerOrganisationsstrukturen

Im Kontext dieses Beitrags stehen grundsätzlichdie jeweiligen fachdidaktischen Organisationen(für Didaktik der Mathematik bzw. Didaktik derInformatik) im Vordergrund. Diese sind aber ohnedie entsprechenden „Muttergesellschaften“ (DMV– Deutsche Mathematiker-Vereinigung, GI – Ge-sellschaft für Informatik) kaum denkbar. Zunächstsei ein kurzer, kompakter Abriss der Entstehungund Entwicklung dieser Gesellschaften und ihrerfachdidaktischen Unterorganisationen gegeben:

Mathematik und ihre Didaktik1890: Gründung der Deutschen Mathematiker-

Vereinigung (DMV) auf der Versammlung derGesellschaft deutscher Naturforscher und Ärz-te in Bremen

1966: Erster Pädagogischer Hochschultag zur Di-daktik der Mathematik in Berlin

1967: Erste Jahrestagung zur Didaktik der Mathe-matik in Osnabrück

1975: Gründung der Gesellschaft für Didaktik derMathematik (GDM) in Saarbrücken

1978: Gründung des GDM-Arbeitskreises „Mathe-matikunterricht und Informatik“ (AKMUI) aufder GDM-Jahrestagung in Münster

Informatik und ihre Didaktik1969: Gründung der Gesellschaft für Informatik

(GI) in Bonn1978/80: Gründung von GI-Fachausschüssen

(FA); FA 9/10: „Ausbildung“

1983: Umstrukturierung in Fachbereiche (FB);FB 7: „Ausbildung und Beruf“

2002: Umfirmierungen: „FB Informatik und Aus-bildung/Didaktik der Informatik“ (IAD)

2011: Gründung des GI-Fachausschusses „Infor-matische Bildung in Schulen“ (FA IBS)

1.2 Skizze zur Entwicklung von Hard- und Software(einschließlich der Vorgeschichte)

Im Fokus dieses Beitrags stehen die jüngsten Ent-wicklungen in der Didaktik der Mathematik undInformatik in Deutschland (wobei hier aus Grün-den der umfangsmäßigen Beschränkung auf dieEntwicklung in der DDR nicht eingegangen wer-den kann). Dies ist aber ohne einen (zumindestkurzen) Rückblick auf die jeweilige Vorgeschich-te kaum sinnvoll. Die folgende kurze Skizze stelltnur den Versuch dar, die Dinge aus der richtigenPerspektive zu betrachten; sie ist kein Ersatz fürentsprechende historische Studien.

Im Folgenden wird (sehr grob) zwischen denfolgenden beiden Epochen unterschieden:

Die Ära vor dem Personal Computer (PC): Vonden Anfängen bis etwa in die Mitte der 1970erJahreDie Ära mit dem PCDie historisch dokumentierte Entwicklung von

Mathematik und Informatik nimmt ihren Lauf mitder Entdeckung und Beschreibung erster Rechen-verfahren etwa in der Zeit ab 3000 v. Chr. Am An-fang standen naturgemäß die Basis-Algorithmenfür die Grundrechenarten und erste Elemente desanwendungsbezogenen Rechnens. Im Zeitraum1800–1600 v. Chr. wird als einer der ersten sichnicht nur auf die Grundrechenarten beziehendenAlgorithmen das babylonisch-sumerische Verfah-ren zum Wurzelziehen auf einer Tontafel darge-stellt (Yale Babylonian Collection YBC 7289).

In den folgenden vier Jahrtausenden entwickel-ten sich Mathematik und Informatik kontinuier-lich weiter – in Abhängigkeit von den jeweiligenKulturkreisen aber mit enorm unterschiedlicherIntensität, Geschwindigkeit und inhaltlicher Tie-fe. Den entscheidenden Impuls zu dieser Entwick-

1 Ausarbeitung des gleichnamigen Hauptvortrags auf der Tagung des Arbeitskreises „Mathematikunterricht und Informatik“ derGesellschaft für Didaktik der Mathematik (GDM), Soest, September 2012

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lung gaben die herausragenden Mathematiker dergriechischen Antike im Zeitraum von etwa 600

v. Chr. bis 400 n. Chr. Auf die mathematisch eherweniger ergiebige Epoche des Mittelalters folgtemit der Renaissance eine zuweilen stürmische Ent-wicklung der Mathematik, die bis zum AuftretenGeorg Cantors (1845–1918), der Mengenlehre undinsbesondere des Auswahlaxioms durchweg algo-rithmischer Natur war (denn alle Objekte, mit de-nen sie sich beschäftigte, waren explizit konstru-iert). Nicht-konstruktive (und damit auch nicht-algorithmische) Entwicklungen setzten in der Ma-thematik erst mit der Verwendung des Auswahl-axioms ein. Der Mathematikhistoriker H. M. Ed-wards formulierte prägnant in einem Artikel überLeopold Kronecker (1823–1891): “For him, the al-gorithm was needed to give meaning to his ma-thematics, and he was following in the footsteps ofmany other – one might say all other – great ma-thematical thinkers who preceded him”.

Die Mathematik jener Zeitepochen war zwar al-gorithmischer Natur; es schien aber intuitiv klar zusein, was mit dem Begriff „Algorithmus“ gemeintsei und es bestand kein Bedürfnis, diesen Begriffnäher zu definieren. Erst ab etwa den 1930er Jah-ren setzte im Zusammenhang mit der Reflexionder Grundlagen der Mathematik eine erheblicheVertiefung der Frage ein: „Was ist ein Algorith-mus?“ bzw. „Was soll es heißen, dass eine Funk-tion berechenbar ist?“ Die Frage wurde von ver-schiedenen Mathematikern höchst unterschiedlichbeantwortet.

Alan Turing formulierte das gedankliche Kon-strukt einer abstrakten, extrem primitiven Maschi-ne, die ihm zu Ehren heute als „Turing Maschi-ne“ bezeichnet wird. Kurt Gödel, Andrej A. Markoffjr. (und andere) begründeten den Begriff der Bere-chenbarkeit (d. h. des Algorithmus) auf dem Kon-zept der rekursiven Funktionen. Alonzo Church(und andere) entwarfen den „Lambda-Kalkül“, aufdem sie den Begriff des Algorithmus aufbauten.Der Lambda-Kalkül ist heute zugleich ein wesent-licher Bestandteil der Programmiersprachen derLisp-Familie.

In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre konntedie Gleichwertigkeit dieser Konzepte nachgewie-sen werden. Dies gab Anlass zur Formulierung derChurchsch’schen These: Jedes der drei oben beschrie-benen Konzepte stellt eine angemessene Beschrei-bung des Begriffs des Algorithmus (bzw. der Be-rechenbarkeit) dar. Da „angemessen“ kein mathe-matischer Begriff ist, entzieht sich die These vonChurch einem formalen mathematischen Beweis.Aufgrund der Gleichwertigkeit der unterschiedli-chen Konzepte für die Berechenbarkeit ist sie aberals hochgradig plausibel und vernünftig anzuse-hen.

Nachbau des Z1 im deutschen Technik Museum in Berlin(Stahlkocher (CC BY-SA 3.0))

Schon immer seit es mathematische Algorithmengab, war man bestrebt, Maschinen zur Ausfüh-rung dieser Algorithmen zu konstruieren. Wohlbe-kannte Beispiele sind: der Abakus, der Suan Pan,die Rechenmaschinen von Schickard, Pascal, Leib-niz, Braun, Hahn, astronomische Uhren, JacquardsLochkarten-gesteuerter Webstuhl, Babbages Diffe-rence Engine, Holleriths Registriermaschine. Dieswaren alles dedizierte Maschinen, also Maschinen,die geeignet waren, relativ eng umrissene Proble-me aus einer bestimmten Problemklasse zu lösen.In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre entstandendie ersten Universalcomputer: Konrad Zuse kon-struierte mit der Z1 (1938) den ersten (noch reinmechanisch funktionierenden) Universalcomputerüberhaupt. In den 1940er/50er/60er/70er Jahrenfolgte die stürmische Entwicklung hin zu den Ge-räten, die man heute als „Computer“ bezeich-net. Entscheidend für die bis dahin ungeahntenMöglichkeiten der Miniaturisierung war die Erfin-dung des Transistors (Shockley 1947, Nobelpreis1956) und in der Folge die Entwicklung integrier-ter Schaltkreise (Kilby 1958, Nobelpreis 2000).Einsatzbereiche für diese bis in die 70er Jahretrotz Miniaturisierung immer noch recht klobigenComputer waren vorrangig das Militärwesen, derHochschulbereich, später die Wirtschaft, jedochkaum der Bildungsbereich – abgesehen von ers-ten Versuchen zum sogenannten „ProgrammiertenUnterricht“, worunter man den Einsatz des Com-puters als „Tutor“ verstand. Die Bildung stand da-mals nicht im Zentrum der Computernutzung.Mit den ersten programmierbaren elektronischenTaschenrechnern zeichnete sich zu Beginn der1970er Jahre die Ära des Personal Computers (PC)am Horizont ab. Der Durchbruch kam 1976/77 mitmarktfähigen Mikrocomputern wie Apple I (1976),Commodore PET (1977), TRS-80 (1977), Apple II,Sinclair ZX80, C64, Atari, Commodore Amiga undanderen. Dies war ein Quantensprung weg vonder bis dahin vorherrschenden Stapelverarbeitungund hin zur interaktiven, personalisierten Compu-

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ternutzung. Natürlich hatten diese Computer jedeMenge Kinderkrankheiten, aber es war das ersteMal, dass sich Privatleute einen eigenen, praktischvoll funktionsfähigen Computer leisten konnten.Einige typische Eigenheiten dieser Computer wa-ren:

Jedes dieser Computerfabrikate hatte sein ei-genes, isoliertes Betriebssystem. Die Betriebs-systeme waren meist mit einem BASIC-Dialekt„verschmolzen“.Als externe Datenträger verwendete manAudio-Kassetten, später Disketten. Die Auf-zeichnungsformate der verschiedenen Herstel-ler waren untereinander total inkompatibel.Anwendersoftware gab es keine; nicht ein-mal Textverarbeitung. Was auch immer manmit Hilfe eines solchen PC tun wollte, muss-te auf der Basis von (meist selbstgeschrie-benen) BASIC-Programmen (gelegentlich auchAssembler-Programmen) getan werden.Elektronische Kommunikation, Email, Internetgab es nicht; bzw. nur in rudimentärer Form aneinigen, wenigen Hochschulen und im Militär-bereich.

Sehr bald wurden erste „portable“ Betriebssyste-me für Personal Computer entwickelt: ab 1974 das„Control Program for Microcomputers“ (CP/M),ab etwa 1981 MS-DOS. Apple’s Lisa Computer(1983) initiierte die Ära der Fenster- bzw. GUI-basierten Systeme (GUI: Graphics User Interface –in der Regel in Verbindung mit einer „Maus“). Inder Folgezeit kam es zu deutlichen Konvergenz-Effekten bei den Betriebssystemen, von denen imPC-Bereich bis heute im wesentlichen drei Vari-anten „überlebt“ haben: MS-DOS/Windows, dasBetriebssystem für die Apple Computer und ver-schiedene Varianten von Unix/Linux (neuerdingsmit dem Ableger „Android“ für Smartphones undTablet Computer).Parallel dazu entstanden erste Anwendersyste-me zur Textverarbeitung: WordStar (1978), Word-Perfect (1979/80), Word (1983) u. v. m. Im Jah-re 1979 tauchte ein Programm auf, das die PC-Welt schlagartig veränderte. Sein Name war Visi-Calc; es war der Urvater dessen, was man heuteunter der Bezeichnung Tabellenkalkulation (elec-tronic spreadsheet) kennt. Da ab sofort kein PCmehr verkäuflich war, für den es kein Tabellenkal-kulationsprogramm gab, wurden sehr schnell ei-ne Reihe von Clones entwickelt: Multiplan (1982),Lotus 1-2-3 (1983). Die Entwicklung ging raschweiter in Richtung integrierter „Office“ Softwa-re, die aus den Hauptkomponenten Textverarbei-tung, Tabellenkalkulation, (kleines) Datenbanksys-tem bestand. Heute kommen in der Regel nochein Präsentationssystem und Kommunikations-komponenten hinzu.

VisiCalc auf dem Apple IIe (© Computer History Museum)

Nach dem Aufkommen der ersten Modems fürPersonal Computer (ab etwa Anfang der 1980erJahre) öffnete sich auch für diese Geräte zunächstlangsam, dann aber immer schneller und ganzweit die Welt der Email und des Internet bzw. desWorld Wide Web. Programme, mit denen man dasInternet durchstöbern konnte, nannten sich „brow-ser“. Erste Browser für den „gemeinen Nutzer“gab es etwa ab den 1990er Jahren: Lynx (noch text-basiert) 1992, Mosaic 1993, Netscape 1994.

2 Entwicklungen inhaltlicher undmethodologischer Natur

Schon sehr bald nach dem Auftauchen der erstenPersonal Computer erkannten „wache“ Mathema-tiklehrer und Mathematikdidaktiker das Potenti-al dieser Geräte für den Mathematikunterricht. Ei-ne im Bereich der Didaktik der Mathematik schonimmer intensiv diskutierte Anwendungsform wardas algorithmische Problemlösen. Mit dem Com-puter war nun das ideale Werkzeug vorhanden,um Algorithmen nicht nur theoretisch mit Blei-stift und Papier zu behandeln, sondern sie auchmit echten, konkreten Daten laufen zu lassen. Diesführte sehr bald zu der höchst kontrovers disku-tierten Fragestellung: Soll das Programmieren vonAlgorithmen auch im Unterricht behandelt wer-den?Viele Kollegen vertraten die Auffassung: Selbst-verständlich! Denn wenn Algorithmen von fun-damentaler Bedeutung für Mathematik und Ma-thematikunterricht sind (und das sind sie) undwenn man interaktiv nutzbare Computer hat, dannsollte man die Algorithmen auch laufen lassenkönnen, und dazu muss man sie programmie-ren können (will man sich nicht als unmündigerblack-box-Nutzer völlig in die Abhängigkeit eini-ger unbekannter Software-Schreiber begeben). Zu-

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mindest exemplarisch sollte ein mathematisch ge-bildeter Mensch erlebt haben, wie sich fundamen-tale mathematische Algorithmen in ein Computer-programm umsetzen lassen.Frühe auf PCs laufende Programmiersprachen,die (in nennenswerter Anzahl) besonders im Bil-dungsbereich verwendet wurden, waren BASIC(Beginners All Purpose Symbolic Instruction Co-de) und Pascal. Neben den „eigentlichen“ Pro-grammiersprachen tauchten unter der Bezeich-nung Skript- oder Makro-Programmierung ver-schiedene alternative Möglichkeiten der Program-mierung in Anwendersystemen (insbesondere inTabellenkalkulationssystemen und Datenbanksys-temen) auf. Auch das Erstellen von Kalkulations-blättern kann als eine Form der Programmierungangesehen werden.Eine bis in die 1960er Jahre zurückgehende, also„uralte“ und trotzdem wenig bekannte Program-miersprache war die auf dem Lambda-Kalkül ba-sierende Sprache Lisp. Lisp unterstützte frühzeitigwichtige fundamentale Konzepte der Informatik– insbesondere, das für die Modularisierung au-ßerordentlich bedeutsame Funktionskonzept. Einerster Einsatzbereich für Lisp war die „symboli-sche“ Mathematik, also Termumformungen, for-males (nicht-numerisches) Lösen von Gleichungen,symbolisches Differenzieren und Integrieren undvieles mehr. Programmiersysteme mit derartigenFähigkeiten bezeichnet man heute als Computeral-gebra Systeme. Damit wurde ein Aufgabenspek-trum für den Computereinsatz erschlossen, dassich anderen Programmiersprachen völlig entzog.Lisp hatte aber eine sperrige, gewöhnungsbedürf-tige Syntax, so dass es nie richtig populär wur-de. Schon bald nach dem Aufkommen der erstenPersonal Computer wurde unter dem Namen Lo-go eine Version von Lisp entwickelt, die speziellfür den Bildungsbereich konzipiert war. Anderefür den Bildungsbereich entwickelte Programmier-sprachen aus dem Umfeld der künstlichen Intelli-genz waren Smalltalk und Prolog. Die Program-miersprachen aus dem Bereich der künstlichen In-telligenz waren aber für ihren großen Ressour-cenverbrauch und die damit verbundene gerin-ge Laufzeit- und Speicherplatzeffizienz berüchtigt.Ausserdem wurden viele dieser Systeme, nachdemsie einmal mit einem großen Kraftakt auf die Bei-ne gestellt worden waren, über längere Zeiträumenicht mehr intensiv gepflegt, gewartet und weiter-entwickelt. Ihr Erfolg im Bildungsbereich war des-halb recht bescheiden.Viele der besten Ideen bei der Entwicklung vonProgrammiersprachen sind in die aufkommen-den Computeralgebra Systeme eingeflossen, vondenen manche (so z. B. Maxima, eine direkteWeiterentwicklung von Macsyma) ganz direkt auf

Computeralgebrasystem wxMaxima

der Programmiersprache Lisp basieren. Neben denProgrammiersprachen, die im Bildungsbereich ei-ne Rolle spielten, gab es natürlich auch stark„System“-orientierte Sprachen wie C und Python.Mit dem Aufkommen des Internet fanden internet-affine Sprachen wie Java und Javascript eine großeVerbreitung.Insgesamt gesehen, stellen heute die Computeral-gebra Systeme sehr gute Werkzeuge für die Umset-zung mathematischer Algorithmen dar. Sie bieten(einige sogar als Open Source Produkte) in der Re-gel: Symbolverarbeitung, eine exakte Numerik (so-weit dies sinnvollerweise erwartet werden kann),sehr gute Techniken der Modularisierung, funk-tionales Programmieren, Rekursion, Listenverar-beitung, gute Graphik- und Sound-Unterstützungeine enorme Fülle „eingebauter“ mathematischerGrundfunktionen und vieles mehr.Inhaltlich entstammten die Beispiele, für die sichder Computereinsatz besonders lohnte, der al-gorithmischen und diskreten Mathematik undinsbesondere dem Themenkomplex „Mathemati-sche Modellbildung und Simulation“. Die Befrei-ung des Problemlösers von der Rechenarbeit er-möglichte die Behandlung sehr viel realitätsnähe-rer Anwendungsfälle als es ohne das Werkzeug„Computer“ möglich war. Dies wird in der Vollver-sion dieses Beitrags (in den Mitteilungen des Ar-beitskreises Mathematikunterricht und Informatikder Gesellschaft für Didaktik) anhand einiger ex-emplarischer Fallstudien (Tilgung von Darlehen,das Ziegenproblem, effektiver Zinssatz von Raten-krediten, . . . ) ausführlich dargestellt.

3 Bildungspolititische Entwicklungen

Bis weit in die 1980er Jahre hinein wur-den die computer-affinen Mathematiklehrer und

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-didaktiker wegen ihrer Computer-Aktivitäten be-lächelt, aber dann schlug die Stimmung um undplötzlich wollten alle dabei sein, plötzlich woll-ten alle mitmischen, die irgend etwas mit Unter-richt oder irgendetwas mit Computern zu tun hat-ten.Die Heterogenität dieses Personenkreises führtezu extrem divergierende Vorstellungen darüber,wozu Computer im Unterricht verwendet wer-den sollten. Auf Tagungen zum Thema „Compu-ter und Unterricht“ redeten die Teilnehmer viel-fach lange Zeit aneinander vorbei. Während dereine vielleicht algorithmisches Problemlösen undProgrammierung im Sinn hatte, dachten andere anMulti-Media und Computer-Spiele, wieder anderean den Computer-Führerschein oder an Program-mierten Unterricht, was, um die Verwirrung kom-plett zu machen, etwas völlig anderes war als Pro-grammieren im Unterricht.Diese Entwicklung führte in der Folge zur Einfüh-rung einer Reihe von „weichen“ Themen im Um-feld des Computereinsatzes im Unterricht. Hierist eine kleine Auswahl der gängigen Schlagwor-te:

Informationstechnische Grundbildung (ITG)/Informationstechnische Bildung (ITB)Bildungs-InformatikMedienbildung, Medienpädagogik, Medien-didaktik, neue Medien, Medien-Informatik,Multi-Media, . . . , bis hin zum Thema „Compu-terspiele im Unterricht“Bürger-InformatikMensch und Computer, Computer und Gesell-schaftComputer-Führerscheinvor allem in den USA: Computer Literacy,Computer Awarenes, Computer-Aided Instruc-tion (CAI); das war mehr oder weniger dassel-be wie der altbekannte „Programmierte Unter-richt“Information und Kommunikation (IuK-Bildung)E-Learning, E-Business, E-Government, E-Gameing, . . . , E-anything

Die mit diesen Schlagworten verbundenen Ziel-setzungen waren oft kurzatmig, unreflektiertund fragwürdig. So blieb man nicht selten inGewöhnungs- und Bedienungs-Szenarien (z. B.Gewöhnung an Office-Software) als Zielsetzungstecken. Oft war nicht klar, ob die entsprechendenZiele für den Unterricht selbst formuliert warenoder als Hintergrundwissen z. B. für die Lehrerbil-dung.Von plump-hemdsärmeligen Argumentationen„Die Computer sind da; deshalb müssen sie jetztauch in den Unterricht“ über extrem inhaltsarmeZielsetzungen wie z. B. im Zusammenhang mit der

Computer Awarenes „Wissen, dass es Computergibt“ bis zu sonstigen dubiosen Zielsetzungen z. B.für Computer Spiele: „Sie dienen der für Pilotenwichtigen ‘hand-and-eye’-Koordinierung“ war al-les mögliche zu hören. Man hatte manchmal denEindruck: Je dubioser die Ziele, mit umso mehrVerve wurden sie vorgetragen.Viele der Zielsetzungen, wie z. B. „der Compu-ter als Trainer“ (für beliebige Fachinhalte) hattennichts mit der zentralen Rolle des Computers alsUnterrichtsgegenstand zu tun, die nun im folgen-den diskutiert werden soll.Typische computerspezifische Kenntnisse als Unter-richtsgegenstand waren (und sind nach wie vor):

Die Nutzung des Computers als Werkzeug zum(algorithmischen) Problemlösen – mit starkerBetonung der Computer-SoftwareDie physische Architektur des Computers – mitstarker Betonung der Computer-Hardware, et-wa nach dem Programm „vom Transistor zumvoll ausgebauten PC“ im Physik- und Technik-unterrichtComputer und GesellschaftDer Computer als Medium

Für die Nutzung des Computers als Werkzeugzum Problemlösen wurde (und wird nach wievor) eine Fülle von Unterrichtsmaterialien beson-ders aus den Bereichen „Modellbildung und Simu-lation“, „diskrete Mathematik“ und „dynamischeGeometrie“ entwickelt.Die Zielsetzungen bei den letzten beiden Punkten(Computer und Gesellschaft, Computer als Medi-um) waren meist sehr schwammig formuliert. Be-sonders diffus waren die Vorschläge zum Thema„Medien“. H. Hischer hat das Thema dankens-werterweise in dem Artikel „Medienbildung ver-sus Computereinsatz?“ (GDM-Mitteilungen 93, Ju-li 2012, 23–28) aufgearbeitet. Er referiert über dieRolle der Medien (wörtliches Zitat):

Medien im pädagogisch-didaktischen Kontext;Medien begegnen uns: als Vermittler von Kul-tur, als dargestellte Kultur, als Werkzeuge oderHilfsmittel zur Weltaneignung, als künstlicheSinnesorgane, als Umgebungen bei Handlun-gen. . . . Auch die Lehrerinnen und Lehrer sinddann Medien . . .

Persönlich ziehe ich hieraus die Konsequenz: Einsolch diffuser Begriff, der alles und nichts bedeu-ten kann, erscheint mir als Basis für eine wissen-schaftliche Diskussion wie auch als Basis für kon-krete Unterrichtsvorschläge zum Thema „Com-puternutzung“ ungeeignet. Im Vordergrund einescomputerorientierten Unterrichts steht für michdie Rolle des Computers als Werkzeug zum (al-gorithmischen) Problemlösen.

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4 Die Rolle der Berufsverbände,insbesondere GDM und GI

Während das Aufkommen von Personal Compu-tern und ihre Einsatzmöglichkeiten für den Mathe-matikunterricht in der Didaktik der Mathematikvon Anfang an aufmerksam beobachtet und dis-kutiert wurde, hatte man in der Gesellschaft fürInformatik in den Jahren nach ihrer Gründung (inden 1970er und 1980er Jahren) offenbar erst malandere Probleme als sich um Unterrichtsfragen zukümmern.Auf Phasen der inhaltlichen Basisarbeit folgten imzeitlichen Abstand eine Reihe von Stellungnah-men, Resolutionen, Memoranden und Empfehlun-gen, von denen im folgenden einige der wichtigs-ten aufgeführt sind. Man sollte sich bei der fol-genden zeitlichen Skizze bewusst machen, dass esbis weit in die 1980er Jahre hinein kein Unter-richtsfach „Informatik“ gab. Informatische Inhal-te wurden (und werden z. T. auch nach wie vor)fächerübergreifend in anderen Unterrichtsfächernvermittelt; vorrangig in den Fächern Mathematik,Technik und Physik. Bei der komplexen und hoch-gradig unübersichtlichen Situation der Bildungs-politik in Deutschland (11 bzw. 16 Bundesländermit eigenständiger Kultus- und Bildungspolitik –leider kann an dieser Stelle nicht auf die Entwick-lung in der DDR eingegangen werden) mag es im-mer irgendwelche Ausnahmesituationen und Son-derentwicklungen gegeben haben, aber insgesamtwar die Diskussion durch die folgenden Stellung-nahmen geprägt.Es versteht sich von selbst, dass im Folgendennur die Haupt-Entwicklungslinien skizziert wer-den können.2

GDM 1981: Stellungnahme zur Einbeziehungvon Inhalten und Methoden der Informatik in denMathematik- unterricht der Sekundarstufe 1 undin die Hochschulausbildung von Mathematikleh-rern3, Juli 1981

Dies war die erste Stellungnahme einer wissen-schaftlichen Gesellschaft zum Thema „Computerim Unterricht“ überhaupt. In ihr ging es um dieEinbeziehung von Inhalten und Methoden der In-formatik in den Mathematikunterricht der Sekun-darstufe I und in die Hochschulausbildung vonMathematiklehrern.

GDM 1986: Überlegungen und Vorschläge zurProblematik Computer und Unterricht4, März1986

In dieser Stellungnahme erfolgte eine Aktualisie-rung der Überlegungen und Vorschläge zur Pro-blematik „Computer und Unterricht“.

GI 1993: Empfehlungen (des Fakultätentags) derGI zur Einführung eines Faches Informatik an all-gemeinbildenden Schulen in der Sekundarstufe II5

GDM 1994: Stellungnahme zur Forderung des„Fakultätentages Informatik“, Informatik als obli-gatorisches Fach in der Sekundarstufe II einzurich-ten (Quelle s. o.).

GI 2004: Aufruf / Memorandum „Digitale Spal-tung verhindern!“6 mit den Forderungen:

Einführung eines durchgängigen PflichtfachesInformatik in der Sekundarstufe I an allen all-gemein bildenden Schulen aller BundesländerVerankerung der Informatik in der gymnasia-len OberstufeZulassung von Informatik als vollwertiges Prü-fungsfach in allen Abschlussprüfungen anSchulenErteilung von Unterricht im Fach Informatiknur durch voll ausgebildete oder entsprechendweitergebildete Lehrkräfte

GI 2008: Grundsätze und Standards: Formu-lierung des umfangreichen Papiers „Grundsätzeund Standards für die Informatik in der Schule/Bildungsstandards Informatik für die Sekundar-stufe I“7 nach dem Vorbild der „Principles andStandards for School Mathematics“ des NationalCouncil of Teachers of Mathematics (NCTM, Stan-dards 2000 Project) in den USA.

GDM 2009: Stellungnahme zu der Empfehlungder KMK zur Stärkung der MNT-Bildung vom7. 5. 2009), PDF-DateiAktualisierung früherer Stellungnahmen zum The-ma „Computer im Unterricht“ unter Berücksichti-gung der MINT-Perspektive (MINT: Mathematik,Informatik, Naturwissenschaften, Technik).

2 Die Stellungnahmen der GDM sind chronologisch gut geordnet (und relativ kompakt) unter http://madipedia.de/wiki/Stellungnahmen#1981_-_1990; die der GI nicht ganz so kompakt auf den Internetseiten der GI, siehe http://www.gi.de, http://fa-ibs.gi.de/fachausschuss-informatische-bildung-in-schulen/empfehlungen.html und weitere unten genannte Quellen

3 http://madipedia.de/images/6/62/1981.pdf4 http://madipedia.de/images/a/a0/1986_02.pdf5 http://fa-ibs.gi.de/fachausschuss-informatische-bildung-in-schulen/empfehlungen.html6 http://www.gi.de/fileadmin/redaktion/Download/memorandum_schulinformatik040921.pdf7 http://fa-ibs.gi.de/fachausschuss-informatische-bildung-in-schulen/empfehlungen.html

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Magazin 13

GI 2011: Informatik in die Schule!8 – ein erneutesPlädoyer gemäß der Devise: „Computer sind über-all. Dieser Allgegenwart muss sich Schule stellen“.

Versuch eines Resümees: Während sich die Stellung-nahmen der GDM in der Regel auf konkrete In-halte und die Methodologie eines computerorien-tierten Mathematikunterrichts bezogen, waren dieentsprechenden Stellungnahmen und Forderun-gen der GI oft eher alarmistischer Natur: Warnungvor der digitalen Spaltung („digital divide“) derGesellschaft, Warnung vor der Gefährdung unse-res Wirtschaftsstandorts als Industrienation, usw.In den Stellungnahmen der GI wurde zunehmenddie Forderung nach einem eigenständigen Schul-fach Informatik auf praktisch allen Ebenen arti-kuliert, verbunden mit der Aussage, dass Infor-matik in kompetenter Weise nur von speziell da-für ausgebildeten Informatik-Lehrern unterrichtetwerden kann.Dabei kam es gelegentlich zu Gegensätzen inder Argumentation von Seiten der Mathematikerbzw. der Informatiker. Einige Informatikdidakti-ker wandten sich besonders aggressiv gegen dasFach Mathematik, da dies das „Haupt-Hindernis“bei der Forderung nach einem eigenen Unterrichts-fach Informatik (besonders in der Sekundarstufe I)war – neigten doch einige Bildungspolitiker zu derAuffassung „Das bisschen Informatik, was manin diesen Klassenstufen machen kann, kann mandoch auch im Mathematik-, Physik- und Technik-unterricht mit erledigen. Dafür brauchen wir keinneues Fach einzuführen“.

5 Fundamentale Ideen und Prinzipien vonMathematik und Informatik

Die Reflexion seiner Fundamentalen Ideen undPrinzipien ist eine der wichtigsten Aufgaben einesjeden Unterrichtsfaches. In der Mathematik gibtes diesbezüglich eine lange Tradition (A.N. White-head, J. Bruner, E. Wittmann und viele andere).Die fundamentalen Ideen der Informatik wurdenvon A. Schwill (1993, 1994) ausführlich diskutiert.Er spricht auch von Master-Ideen und nennt ins-besondere: Algorithmisierung, strukturelle Zerle-gung, Sprache. Schwill begründet seine Auswahlin überzeugender Weise; es gibt allerdings ein Pro-blem: Die von ihm genannten fundamentalen Ide-en sind (auch) fundamentale Ideen der Mathema-tik:

Algorithmen ziehen sich von Anfang an durchdie gesamte Geschichte der Mathematik

Mathematik ist geradezu die Wissenschaft vonden Strukturen und vom StrukturierenSprachen, insbesondere formale Sprachen spie-len eine wichtige Rolle in der Mathematik (be-sonders der Metamathematik) und in der Logik

Im Hinblick auf diese fundamentalen Ideen ist dievielfach zu hörende Einschätzung „. . . das kannman doch in der Mathematik behandeln . . . “ nichtverwunderlich.Dieses Dilemma führte dazu, dass sich die Prot-agonisten eines eigenständigen Schulfachs Infor-matik neue Ziele, neue Prinzipien und neue funda-mentale Ideen suchen mussten, die das Fach deut-lich von bestehenden Schulfächern, insbesonderevom Fach Mathematik abgrenzten.Mathematikfernere Ziele wie: Informatik-Systeme,Implementierungsfragen, insbesondere die Im-plementierung großer (Informatik-) Systeme,Informatik-Mensch-Gesellschaft, SchnittstelleMensch-Computer, Sprachen und Automaten,objektorientiertes Modellieren u.ä. wurden in denVordergrund gestellt. Insgesamt wurde der Cha-rakter der Informatik als Ingenieurwissenschaftin Bereichen mit hoher Komplexität besondersbetont. Mathematiknahe Ziele wie: Algorith-men, algorithmisches Problemlösen wurden eherheruntergespielt (da zu mathematiknah).Besonders das In-den-Vordergrund-Stellen von al-lem, was mit „großen Systemen“ und der „ob-jektorientierten Modellierung“ zu tun hat, brachteaber auch Fragen mit sich, ob hierbei das vernünf-tige Augenmaß für das schulisch Mögliche undMachbare gewahrt sei.In dem Standards-Papier (GI 2008) wurde das The-ma aus der Perspektive von „Prinzipien, Standardsund Kompetenzen“ komplett neu aufgerollt. Auchdieses Papier greift die früheren Abgrenzungsten-denzen zur Mathematik auf (Zitat: „. . . Neben denreinen mathematisch-formalen Methoden gewin-nen insbesondere ganzheitliche, systembezogeneLösungsansätze an Bedeutung . . . “).

6 Ausblick: Was von den Informatik-Themenist nun wirklich bildungsrelevant?

Ich betone an dieser Stelle nochmals, dass es sichdurchweg um die Rolle informatik-affiner Themenals Unterrichtsgegenstand im Pflichtunterricht han-delt und schließe mit einigen persönlichen Emp-fehlungen.Zunächst einmal gilt es, die größten Fehler zu ver-meiden. Dies sind:

Behandlung von Themen mit kurzer Halb-wertszeit (z. B. Bedienungs-Szenarien, Hard-

8 http://www.informatikperspektiven.de/fileadmin/redaktion/Vorstandsglossen/GI-Vorstandsmitglied-Fothe110523.pdf

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ware-Details, . . . ). Klagen über die kurze Halb-wertszeit des Wissens zeigen nur, dass dasFalsche unterrichtet wird.Behandlung von Modeentwicklungen (Multi-Media, . . . )Ausfechten unfruchtbarer Konflikte, insbeson-dere mit der Informatik

Ich empfehle vor allem die Besinnung aufdie Wurzeln von Mathematik und Informatik,also◦ die genetische Sicht der Dinge◦ die historische Entwicklung von Mathema-

tik und Algorithmikdie fundamentalen Ideen; im Bereich derinformatik-affinen Mathematik sind dies◦ Algorithmen (sie stehen historisch im Zen-

trum der Entwicklung der Mathematik)◦ Strukturierung (Datenstrukturen; Mathema-

tik ist die Wissenschaft von den Strukturen)◦ Modularisierung (als universelle Problemlö-

setechnik auch in der Mathematik)die fachdidaktischen Prinzipien◦ algorithmisches Problemlösen: exploratives

Arbeiten, Experimentieren, Elementarisie-ren, konstruktives Arbeiten

◦ operatives Prinzip, d. h. Arbeiten im Sinneder Grundfrage „. . . was passiert, wenn . . . “

Dabei sollte die Kooperation zwischen Mathema-tik und Informatik gefördert und nicht verhindertwerden.Im Pflichtunterricht kann es im Hinblick auf dieBehandlung von Computerwerkzeugen insgesamtnur um die exemplarische Vermittlung von Grund-kenntnissen, Grundfertigkeiten, kurz: eines „Ba-siswissens“ gehen. Aus meiner Sicht gehören da-zu Grundkenntnisse im Gebrauch der folgen-den Werkzeug-Kategorien: ein typisches Program-mierwerkzeug (z. B. Computeralgebrasystem), einTabellenkalkulationssystem, ein Dynamische-Geo-metrie-System. Für diese Softwaretypen gibt es üb-rigens z. T. ganz ausgezeichnete Produkte im opensource bzw. public domain Bereich.Übergeordnete Ziele eines solchen Unterrichtssind:

Solides Beherrschen von einigen (nicht zu vie-len und nicht zu abstrakten) fachlichen Grund-technikenSicherheit im Werkzeuggebrauch (insbesondereauch des Computers und seiner Software)Entwicklung zum mündigen Bürger mit Selbst-bewusstsein und Zivilcourage

Als hervorragende Illustration des letzten Punktsverweise ich (im Sinne von Abschnitt 2.1 in derVollversion dieses Beitrags) auf die Bankkunden,welche sich gegen die Banken und ihre Rechtsan-wälte mit Hilfe eines kleinen mathematischen Mo-dells und seiner Programmierung durchgesetzt ha-

ben. Gerade dieses Beispiel zeigt: Sicheres Beherr-schen einiger weniger, gut ausgewählter Grund-techniken bringt mehr als ein Halbwissen in ein-drucksvoll vielen hochgestochenen Themenberei-chen.

Ausgewählte Literaturhinweise

Dörfler W.: Impressionen aus (fast) vier Jahrzehnten Mathema-tikdidaktik, Mitteilungen der Gesellschaft für Didaktik derMathematik, 95, 2013, 8–14

Engel A.: Elementarmathematik vom algorithmischen Stand-punkt, Stuttgart 1977

Gesellschaft für Informatik (GI): Bildungsstandards der Infor-matik (GI 2008, 72 Seiten) vgl. GI-Empfehlungen: Grundsät-ze und Standards für die Informatik in der Schule (Quelle:siehe Abschnitt 4).

Hischer H.: Medienbildung versus Computereinsatz?; Mittei-lungen der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik, 93,Juli 2012, 23–28

Hischer H.: Zum Einfluss der Informatik auf die Mathematikdi-daktik, Mitteilungen der Gesellschaft für Didaktik der Ma-thematik, 95, 2013, 15–24

Schwill A.: Fundamentale Ideen der Informatik, Zentralblatt fürDidaktik der Mathematik, 25, 1993, Heft 1, 20–31

Wittmann E.: Grundfragen des Mathematikunterrichts; ViewegVerlag, Braunschweig 1976

Ziegenbalg J. O. B.: Algorithmen – von Hammurapi bis Gödel,3. Auflage, Frankfurt am Main 2010

Jochen Ziegenbalg, Pädagogische Hochschule Karlsru-he, 76133 Karlsruhe, Email: [email protected]

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Magazin 15

Die Ideologie der Selbstbeschränkung in der Mathematikdidaktik1

Erich Ch. Wittmann

Tornate all’antico e sará un progresso!Guiseppe Verdi 1871

Thomas Jahnke und Wolfram Meyerhöfer habenin den GDM-Mitteilungen 92 eine Diskussion überdie heutige inhaltliche Ausrichtung des JMD vor-geschlagen. In den Mitteilungen 93 wurde die-se Anregung von den Herausgebern (Rolf Biehler,Petra Scherer, Rudolf Sträßer), dem Vorstand derGDM (Hans-Georg Weigand, Silke Ruwisch, Chris-tine Bescherer, Andreas Vohns) sowie einer Kolle-gin und zwei Kollegen (Susanne Prediger, Willi-bald Dörfler, Aiso Heinze) aus dem Kreise poten-zieller Gutachter aufgegriffen. Alle drei Gruppenhaben sich ausführlich geäußert und sich unisonofür die Beibehaltung der bisherigen Praxis bei derBestimmung der Gutachter/innen, der Maßstäbeder Begutachtung und der Auswahl der Beiträgeausgesprochen. Roma locuta, causa finita?

Bei allem Respekt für die Argumente der o. g.Kolleginnen und Kollegen kann ich meine Ver-wunderung darüber nicht verhehlen, dass der ausmeiner Sicht entscheidende Punkt in keinem derdrei Artikel auch nur andeutungsweise angespro-chen wurde. Wer die Beiträge im JMD in den1970er und 1980er Jahren mit den Beiträgen imneuen Jahrtausend vergleicht, wird nicht umhinkommen festzustellen, dass sich das Koordina-tensystem der deutschen Mathematikdidaktik imLaufe der Zeit massiv verschoben hat. Im Bemü-hen um „Wissenschaftlichkeit“ wurden Beiträge,die auf die Mathematik und auf die Praxis bezo-gen sind, zunehmend ausgeklammert. Hier liegtdas eigentliche Problem des JMD, das man nichtignorieren dürfte, sondern mit dem man sich inder GDM intensiv auseinandersetzen müsste.

Es handelt sich keineswegs nur um ein deut-sches Problem. Diese Entwicklung war im interna-tionalen Raum schon in den 1980er Jahren spür-bar, wie mir als Mitglied des Editorial Boardsder ESM bewusst wurde. 1986 habe ich zwei Ma-nuskripte für das ESM zur Begutachtung einge-reicht: eine Übersetzung des Beitrags „Prämathe-matische Beweise der Teilbarkeitsregeln“ von H.Winter aus mathematica didactica 1983 und einManuskript von mir über „Practicing Skills andReflection“, das die Ausarbeitung eines sehr be-

achteten Vortrags bei der CIEAM Konferenz 1986

in Leiden war.2 Der damalige ESM-Herausgeberwar der Meinung, die beiden Texte seien für ei-ne wissenschaftliche Zeitschrift nicht geeignet. Ichhabe mich darauf an die anderen Mitglieder desBoards gewandt und sie um Stellungnahme gebe-ten. Zwei der fünf Rückmeldungen waren indiffe-rent, drei ergriffen für meine Position Partei. Auszweien davon möchte ich zitieren:

Zitat 1: I think that there has recently been agrowth in research conventions in mathematicseducation, which I believe have little justifica-tion. I have found this at international confer-ences, and I have found it in referee’s commentson material submitted for ESM. These conven-tions include the cultivation of what passes foran impersonal style – considered to be espe-cially suitable for academic communication –extensive bibliographies and discussions of theexisting literature, and the general feeling that awriter who does not comport himself as a mem-ber of the club will be blackballed. An associ-ated convention is the convention that articleson mathematical education in learned journalsdo not include mathematical examples or ma-terial which might be of direct use in the class-room. This is leading to a large number of arti-cles in journals which I find unreadable. I pre-fer articles which might be considered more ap-propriate to teachers’ journals; but I want themto be of the highest quality, and ensuring thisis the Editorial Board’s problem. Some peopleengaged on teacher training have expressed theview to me that ESM is publishing material ina world of its own too far from the practicalproblems of teaching.Zitat 2: I complain the growing distance be-tween “research-didactics” and real teaching, a“caste” of experts has constituted itself. I havea bad feeling about this fact and many teacherstoo. In addition I see more and more teach-ers gaining competence in reflecting their do-ing, in developing new teaching methods and

1 Der Titel ist angeregt durch den Eröffnungsvortrag „Zur Ideologie der Selbstbeschränkung im Mathematikstudium“ von RolandFischer bei der GDM Tagung 1980 in Dortmund.

2 Der Vortrag bildete später die Grundlage für das „Handbuch produktiver Rechenübungen“.

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16 Magazin GDM-Mitteilungen 96 · 2014

contents, in experimenting, but I fear that thestyle of journals runs away.

Diese beiden Zitate, wohlgemerkt aus dem Jahr1986, beschreiben genau die Situation, in der wiruns heute auch in Deutschland befinden. Die the-matische und methodologische Erweiterung derMathematikdidaktik, insbesondere die Einbezie-hung empirischer Methoden, war sicherlich not-wendig. Auch die Form der Beiträge war teilwei-se verbesserungswürdig. Dass mit dieser Erweite-rung und dem Insistieren auf formalen Kriterienaber die traditionelle Methode der Mathematikdi-daktik, von ihren Kritikern abfällig als „Stoffdi-daktik“ bezeichnet, verdrängt wurde, ist nach mei-ner Überzeugung ein Systemfehler, der sich fürdie Entwicklung des Mathematikunterrichts undder Lehrerbildung in Deutschland negativ auswir-ken wird, wenn nicht entschlossen gegengesteuertwird.

Die Stoffdidaktik hat den deutschen Mathema-tikunterricht über Jahrhunderte getragen und warEnde des 19. und Anfang des 20. Jhdts. Vorbildfür andere Länder. In ihrer engen Verbindung mitder Mathematik und mit der Praxis stellte sie diewahre Stärke der deutschen Mathematikdidaktikdar, was den zugegeben wenigen ausländischenKennern der deutschen Verhältnisse wohl bewusstwar. Geoffrey Howson, über lange Jahre Sekretärder ICMI und Leiter des englischen SMP Projekts,hat noch 1995 die Meinung vertreten, es sei für denMathematikunterricht in den USA besser, wenndie NSF den amerikanischen Mathematikdidakti-kern Deutschkurse bezahle anstatt Projekte zu för-dern.

Wie konnte es zur Disqualifizierung der Stoff-didaktik in Deutschland kommen? Dafür sindmehrere Gründe verantwortlich.

Eine wesentliche Rolle spielte dabei das 1972

mit Mitteln der VW-Stiftung an der UniversitätBielefeld gegründete IDM. Ich bin der letzte, derdie Verdienste dieses Instituts für die Entwick-lung des Mathematikunterrichts bestreitet, und ge-be gerne zu, dass ich persönlich von Arbeiten eini-ger Mitglieder dieses Instituts sehr profitiert habe.Die Stoffdidaktik wurde an diesem Institut abernicht gefördert, im Gegenteil: Götz Krummheuerberichtet noch heute mit sichtbarem Genuss, wie erund seine Kollegen am IDM stoffdidaktisch kon-zipierte Unterrichtsstunden, u. a. solche von „be-kannten Lehrbuchautoren“, mit Hilfe der interpre-tativen Unterrichtsforschung auseinander genom-men haben. Ich erinnere mich an diese Zeiten noch

sehr genau, insbesondere an einen von Jörg Voigtam Zentrum für interdisziplinäre Forschung Bie-lefeld vor großem Publikum gehaltenen Vortrag,in dem er für diesen Unterricht lapidar feststellte:„Die Interaktionslogik ersetzt die Sachlogik.“ Dashat mir als Anhänger des aktiv-entdeckenden Ler-nens damals gewaltig imponiert. Heute sehe ichdie interpretative Unterrichtsforschung, wie sie amIDM betrieben wurde, aus mehreren Gründen sehrkritisch:

1. Videos und Transskripte sind ein matter Ab-glanz des Unterrichtsgeschehens. Wie Interven-tionen der Lehrperson wirken und was sich inden Köpfen der Lernenden abspielt, kann nurschattenhaft erschlossen werden. Die jeweiligenBilder, die sich Beobachter aufgrund von Äuße-rungen der Lehrpersonen und der Lernendenvon Lehr-/Lernprozessen machen, sind Model-le, die nicht für bare Münze zu nehmen sind.

2. Lernen ist eine langfristige Sache und natur-gemäß mit Brüchen, Irrungen und Wirrungenverbunden, wie jeder an sich selbst feststellenkann. Auch eine interpretativ geschulte Lehr-person kann daran nichts ändern. Für den Un-terrichtserfolg zählt nicht die einzelne Stunde,sondern der Unterricht insgesamt.

3. M. W. gibt es von keinem prominenten Ver-treter der interpretativen UnterrichtsforschungDemonstrationen von Unterricht, in denen dieErkenntnisse dieser Forschung explizit in posi-tives unterrichtliches Handeln umgesetzt wer-den.

4. Im Gefolge der interpretativen Unterrichtsfor-schung ist eine Interaktionslogik neuer Art ent-standen, welche die Sachlogik nach meiner Ein-schätzung noch gründlicher ersetzt, als das beider Stoffdidaktik früher Jahre der Fall war.

In hohem Maße verantwortlich für die Abkehr vonder Stoffdidaktik ist zweitens auch der Schulter-schluss „weiter Teile der Mathematikdidaktik“ mitder Psychologie und der Bildungsforschung. Die-ser Prozess wurde begünstigt durch eine analo-ge Entwicklung in den angelsächsischen Ländern,die sich insbesondere in der PME-Gruppe manifes-tiert.

Ein dritter Grund, der mit dem zweiten eng zu-sammen hängt, ist die zunehmende Anglisierungder Wissenschaft, die in den Geisteswissenschaf-ten europaweit beklagt wird.3 Studien zeigen, dasssich das Wissenschaftsverständnis der Angelsach-sen von dem auf im Europa unterscheidet.4 DieBefürchtung, die europäische Wissenschaft könne

3 Vgl. dazu Oberreuter, H. et al.: Deutsch in der Wissenschaft. München: Olzog 20124 Vgl. zu dieser Problematik Thielmann, W., Deutsche und englische Wissenschaftssprache im Vergleich. Heidelberg: Synchron 2009

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Magazin 17

bald am Katzentisch der Angelsachsen sitzen undeigene Leistungen einfach preisgeben, ist auch fürdie deutsche Mathematikdidaktik relevant. Jeder,der einen didaktischen Beitrag aus dem Deutschenins Englische übersetzt hat, weiß, dass dies nur ein-geschränkt möglich ist. Arnold Fricke, so hat Ger-hard Müller in einem Gespräch angemerkt, kannman nicht ins Englische übersetzen.

Viertens hat auch die mangelnde Unterstüt-zung der Mathematiker für die mathematisch fun-dierte Stoffdidaktik zu deren Schwächung beige-tragen. Früher gab es regelmäßig stoffdidaktischeTagungen im Mathematischen ForschungsinstitutOberwolfach, an denen auch Mathematiker teil-genommen haben. Ein solcher Austausch bestehtnicht mehr. Die heutige Spezialisierung in derMathematik verbunden mit dem Druck im eige-nen Fachgebiet den Anschluss zu halten, hat denBlick der Mathematiker eingeengt. Die meistenfühlen sich für die elementaren Grundlagen ih-rer Disziplin nicht mehr verantwortlich und ha-ben gegenüber der Mathematikdidaktik ein in-differentes Verhältnis. Dass die Vernachlässigungder Elementarmathematik auch der Mathematikan den Universitäten auf Dauer schwer schadet,wird kaum noch gesehen.

Trotz ihrer Disqualifizierung hat sich die Stoff-didaktik in Deutschland unter den erschwertenBedingungen weiter entwickelt und trägt immernoch den Unterricht, auch wenn das von denGDM-Repräsentanten nicht explizit nach außenkommuniziert wird und die Stoffdidaktik in denProgrammen der GDM-Tagungen kaum Berück-sichtigung findet. Seit sich die Stoffdidaktik ma-thematischen Prozessen geöffnet hat, wofür dasWerk von Heinrich Winter mustergültig steht, istsie auf der Höhe der Zeit. Die traditionelle Stoff-didaktik, der man mit einem gewissen Recht an-lasten kann, dass sie zu sehr dem belehrendenUnterricht verhaftet war, ist für die weiter entwi-ckelte Form von Stoffdidaktik nichtsdestowenigereine unentbehrliche Grundlage. Der Leistung derAlten, denen keine Forschungs- und Projektgel-der zur Verfügung standen, kann man nur denallerhöchsten Respekt zollen. Sie war ein wesent-licher Pfeiler der Technologie und Wirtschaft, fürdie Deutschland in aller Welt bewundert wurde.

Es entbehrt nicht der Ironie, dass von Vertre-tern der deutschen Mathematikdidaktik, die sichvon der Stoffdidaktik abgewandt haben, jetzt dieWichtigkeit des „pedagogical content knowledge“beschworen wird. Wir benötigen aber gerade aufdiesem Gebiet keine Nachhilfe von außen: DieStoffdidaktik verkörperte und verkörpert diesesFachwissen geradezu musterhaft. Die Stoffdidak-tiker aller Stufen, auch die der Grund- und Haupt-schule, waren mathematisch hervorragend ausge-

bildet und darüber hinaus elementarmathematischhochaktiv. Sie hatten auch eigene Unterrichtserfah-rungen, die in ihre Arbeit einflossen. Es ist fraglich,ob die nächste Generation von Mathematikdidak-tikern angesichts der Ausbildung, die ihnen heutegeboten wird, das für den Unterricht erforderlicheFachwissen überhaupt noch erwerben kann. Dassein Meisterwerk wie Winters „Entdeckendes Ler-nen in Mathematikunterricht“ nicht nachgefragtwird, insbesondere in den Doktorandenprogram-men offenbar kaum eine Rolle spielt, und dahernicht neu aufgelegt wurde, ist ein deutliches Indizfür den fachlichen Rückbau, der sich in der Mathe-matikdidaktik vollzogen hat. Man kann an immermehr Orten beobachten, wie in der Lehrerausbil-dung, insbesondere für die Grundschule, fachlicheThemen durch lernpsychologische Themen (Dia-gnose, Kognitionspsychologie, etc.) ersetzt werden.Martin Wagenschein hat einmal ironisch festge-stellt, Fachdidaktik sei doch nicht die Kunst, Leh-rerinnen und Lehrern zu zeigen, wie man ein Fachunterrichtet ohne etwas davon zu verstehen. In Tei-len der Mathematikdidaktik scheint sich eine sol-che Kunst zu entwickeln.

In Gesprächen mit den Herausgebern des JMDwurde mir immer wieder versichert, das JMD seiselbstverständlich nach allen Seiten offen, auch fürBeiträge aus der „Stoffdidaktik“. Ich habe michschließlich entschlossen dies zu testen und ein Ma-nuskript „Operative Proofs“ eingereicht, entgegender Warnung von Gerhard Müller, der mit siche-rem Gespür geahnt hat, was passieren würde. Ichmöchte anmerken, dass mich dieses Thema seitJahrzehnten beschäftigt hat und ich mich nachdem systematischen Einbau operativer Beweise indas neue ZAHLENBUCH in der Lage sah einenfundierten Artikel darüber zu schreiben. Ich möch-te weiter anmerken, dass ich in den letzten Jahrenan verschiedenen mathematischen Instituten, auchim Ausland, Vorträge über dieses Thema gehaltenhabe, die, wie die Reaktionen zeigten, äußerst po-sitiv aufgenommen wurden. In der Rückmeldungeines Mathematikers hieß es: „Ihr Vortrag bildeteeine Singularität der Didaktikumsvorträge, zu de-nen ich normal schon keine Lust mehr habe hinzu-gehen“.

Das Manuskript wurde von den Herausgeberndrei Gutachtern zur Begutachtung vorgelegt, dar-unter einem aus dem Ausland. Es wurde zwarnicht abgelehnt, die Überarbeitung wurde aber mitso vielen Auflagen versehen, dass ich mich außer-stande sah sie auch nur tendenziell zu berücksich-tigen. Ich hätte den Charakter des Artikels völligverändern müssen. Wer die Arbeiten zum „Bewei-sen“ im heutigen Mainstream der Mathematikdi-daktik kennt, kann sich die von den Gutachtern anmeinem Manuskript geübte Kritik ausmalen. Mein

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18 Magazin GDM-Mitteilungen 96 · 2014

Eindruck nach gründlicher Lektüre der Gutachtenwar, dass darin andere Maßstäbe angelegt wurden,als die, die für eine in der Tradition der Stoffdidak-tik stehende Arbeit angemessen sind.

Ich möchte an dieser Stelle darauf verzich-ten, Einzelheiten aus den Gutachten zu zitieren,sondern lediglich anmerken, dass nur einer derGutachter wenigstens andeutungsweise in der La-ge war die Leistung zu sehen, die allein in dendrei Lernumgebungen des Artikels erbracht wur-de. Schmunzeln musste ich über die Aussage in ei-nem Gutachten, der Artikel ginge nur wenig überdas hinaus, was man in einer Fortbildung Lehrernanbieten würde, und die Aussage in einem ande-ren, man traue Herrn Wittmann durchaus zu, dasser die nötige Umarbeitung leisten könne.

Ich habe mich natürlich die ganzen Jahre ge-fragt, ob die Probleme, die ich und andere Kol-leginnen und Kollegen mit der heutigen Ausrich-tung des JMD haben, persönlicher Natur sind.Nach gründlicher Prüfung bin ich zu dem Schlussgekommen, dass es sich um ein grundsätzlichesProblem handelt, das auch in anderen Bereichengesehen und diskutiert wurde und wird. Sehr auf-schlussreich fand ich dabei folgende Bücher:

„Die Erneuerung der Philosophie“ von JohnDewey. Hamburg: Junius 1989

„The Quest for Certainty“ von John Dewey,„Later Works (1925–1953)“, vol 4: 1929. Carbon-dale/Ill.: SIU Press 1988, mit einem bemerkens-werten Vorwort von Stephen Toulmin (beson-ders p. xi–xii)„Ed School: A Brief for Professional Education“von G.J. Clifford und J.W. Guthrie. Chicago andLondon 1988

„Zwischen Technologie und Selbstreferenz.Fragen an die Pädagogik“ und „Reflexionspro-bleme im Erziehungssystem“ von Niklas Luh-mann und Karl E. Schorr. Frankfurt: Suhrkamp1982 bzw. 1988

Mir ist bei der Lektüre klar geworden, wieverführerisch es in der Wissenschaft ist, selbst-referentielle Systeme aufzubauen, die von der Le-benswirklichkeit Lichtjahre entfernt sind. In Clif-ford/Guthrie heißt es zur Situation und der Aufga-be der Lehrer ausbildenden Institutionen (im Text„schools of education“):

Our thesis is that schools of education, partic-ularly those located on the campuses of pres-tigious research universities have become en-snared improvidently in the academic and po-litical cultures of their institutions and have ne-glected their own worlds. They have seldomsucceeded in satisfying the scholarly norms oftheir campus letters and science colleagues, andthey are simultaneously estranged from their

professional peers. The more they have rowedtoward the shores of scholarly research themore distant they have become from the pub-lic schools they are bound to serve. (p. 3)

In order to accomplish their charter, however,schools of education must take the professionof education, not academia, as their main pointof reference. It is not sufficient to say that thegreatest strength of schools of education is thatthey are the only places available to look at fun-damental issues from a variety of disciplinaryperspectives. They have been doing so for morethan half a century without appreciable effecton professional practice. It is time for many in-stitutions to shift their gears. (p. 349–350)

Auch in der GDM ist es Zeit, wieder andere Gängeeinzulegen.

Erich Ch. Wittmann, Technische Universität Dortmund,IEEM, Vogelpothsweg 87, 44221 Dortmund, Email:[email protected]

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Magazin 19

Mathematische (Basis-)Kompetenzen im Abitur(Un-)Verzichtbare Mathematik für „Allgemeinbildung“ und Hochschulzugang

Alexander Wynands

Dieser Beitrag diskutiert einige Aspekte derMathematik-Standards zum Abitur, veröffentlichtim Herbst 2012 durch die Kultusministerkonferenz[KMK 2012] nach der Vorarbeit einer Projektgrup-pe im IQB Berlin, in der ich mitarbeiten konnte.Die von der KMK veröffentlichten Standards nen-nen Kompetenzen und Leitideen für die „Allge-meine Hochschulreife im Fach Mathematik“ aufeinem „grundlegenden Anforderungsniveau“ undauf einem „erhöhten Anforderungsniveau“ (für ei-ne uneingeschränkte allgemeine Studierfähigkeit?).

Unter Beachtung des Strukturwandels in denletzten 50 Jahren im Gymnasium bzw. der Sekun-darstufe II in Deutschland werden Vorüberlegun-gen zu unverzichtbaren „Basiskompetenzen“ (füreine Abitur-Allgemeinbildung) am Ende der Sek. IIskizziert.

1 Abitur-Standards – Soll-Vorstellungen oder„Mainstream“?

In der Fachpräambel der KMK-Veröffentlichung1

werden die „allgemeine[n] Ziele des Faches undfachdidaktische[n] Grundlagen“ so benannt:

Das Fach Mathematik leistet einen grundlegen-den Beitrag zu den Bildungszielen der gymna-sialen Oberstufe und der Kompetenzentwick-lung der Schülerinnen und Schüler bis zurAllgemeinen Hochschulreife. Vermittelt wer-den eine vertiefte Allgemeinbildung, allgemei-ne Studierfähigkeit sowie wissenschaftspropä-deutische Bildung.

Meine Bedenken, ob diese „allgemeinen Ziele“ imderzeitigen Bildungssystem mit den veröffentlich-ten „Standards“ erreicht werden können, möchteich als Statements und mit Fragen formulieren.1. Die vom IQB-Team erstellten und in [KMK

2012] formulierten Standards sollen für jedenAbitur-Zugang gelten. Werden hierdurch bishergeltende Richtlinien/(Kern-)Curricula von Ge-samtschulen und (Berufs-)Kollegs nachgebes-sert oder erfolgt eine Neu-Nivellierung allerSchulen der Sek. II in Deutschland?

2. Die auf zwei Niveaus („grundlegendes underhöhtes Anforderungsniveau“) formulierten

Standards fordern für viele Abiturienten, diez. B. gar nicht oder keine MINT-Fächer studie-ren, ein sehr umfangreiches Leitideen-Spektrummit zu viel Detailwissen. Werden hierdurchbreites, anwendungsorientiertes Fakten-Wissenund „Können“ auf Kosten von Begriffs-Wissen,Beweisen und Methoden-Reflexionen ange-strebt?

3. Es wird nicht klar, was Standards für eine „ver-tiefte Allgemeinbildung“ auf Sek. II-/Abitur-Standards sein sollen und welche Standardshinreichend erscheinen für die Studierfähig-keit von MINT-Studien. Welche „Basiskompe-tenzen“ sollten für die Sekundarstufe II unver-zichtbar sein und welche Kompetenzen sind ei-ne aussichtsreiche Basis zum Studium beson-ders der MINT-Fächer?

4. „Standards“ unterliegen einem gesellschaftli-chen, bildungspolitischen „Mainstream“ oder„Zeitgeist“. Solange keine empirischen Befun-de über ihre Inhalte und Erreichbarkeit in al-len (!) Bundesländern angestrebt bzw. politischgewollt sind, ist die Meinung einer einzelnenExpertengruppe (IQB-Team) für eine Festschrei-bung hilfreich aber nicht hinreichend. Wodurchkönnen die teilweise verheerend hohen Studien-Abbrecher-Zahlen verkleinert werden?

5. Eine mathematik-didaktische Theorieorientie-rung ist für Standards notwendig. Die „Ver-ortung“ in einem „3-D-System (Kompetenzen× Leitideen × Anforderungsbereiche“, die in[KMK 2012] genannt wird, ist sehr hilfreich fürdie Curriculum-Entwicklung, die Arbeitspro-zesse im Mathematikunterricht ebenso wie zurKonstruktion von Aufgaben für Test, Klassen-und Abiturarbeiten (s. Abbildung). Aber:

Die in [KMK 2012] veröffentlichten Beispiel-Aufgaben weisen nicht deutlich genug dar-auf hin, dass „gute“ Aufgaben nicht einenisolierten „Punkt“ im 3-D-System konkreti-sieren sondern eher umfassendere „Interval-le“ bzw. „Bereiche/Flächen/Räume“ exem-plifizieren sollten.Viel deutlicher müssten viel mehr exempli-fizierende Aufgaben im Anforderungsbe-reich I hinweisen auf unverzichtbare „Ba-

1 Quelle: http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2012/2012_10_18-Bildungsstandards-Mathe-Abi.pdf

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3-D-System: Kompetenz × Leitidee × Anforderungsbereich

siskompetenzen“ für eine Abitur-Allgemein-bildung am Ende der Sek. II.

6. Wichtig wäre eine „Abnehmer-Befragung“, diezumindest teilweise klären sollte, ob die Stan-dards und Aufgaben-Beispiele verständlich for-muliert und zustimmungsfähig (im Hochschul-und Berufsbildungs-Bereich) sind.

Ich möchte meine Meinung klar formulieren: Oh-ne die in Punkt 1 angesprochene „System-Frage“zu stellen für unsere Gymnasien, Gesamtschu-len, (Berufs-)Kollegs und für Studiengänge in(binären) Ausbildungen, an (Fach-)Hochschulenund Universitäten, erscheint mir eine zielorientier-te, effektive Aussage über Abitur- bzw. Sek. II-Standards nahezu ziellos. Während meiner Mitar-beit im IQB-Team konnte (oder wollte) man nichtdiese Systemfrage beantworten: Für welches Ab-itur sollen in Deutschland welche Mathematik-Standards gelten? Oder kurz: Was ist im Abitur(un-)verzichtbar?

Alle für die (Aus-) Bildung Verantwortlichen –nicht nur die Kolleginnen und Kollegen der Ma-thematikdidaktik – sind m. E. aufgefordert mit zustreiten, dass

einerseits keine zu „breiten“ Anforderungenfür eine „Abitur-Allgemeinbildung“ gestelltwerden undandererseits tragfähige Standards für eine „all-gemeine Studierfähigkeit“ sowie für „wissen-schaftspropädeutische Bildung“ den Mathema-tikunterricht in der Sek. III prägen.

Es wird höchste Zeit, dass sich nicht nur Fach-didaktiker, sondern auch besonders die für Er-ziehung und (Aus-)Bildung Verpflichteten (Eltern,Lehrende, Politiker, . . . ) zielorientiert streiten überKompetenzen, ohne die eine „allgemeine“ oder„berufsfeld-spezifische“ Hochschulreife nicht be-scheinigt werden sollte. Es muss diskutiert wer-den, welchen Wert und welches Ziel ein Abitur ha-ben sollte. Welche Standards aus dem BundeslandX oder aus Y sollen hier Pate stehen? Man beachtedazu die Anteile von Schulabgängern mit Hoch-schulreife im Jahr 20092 z. B.: Saarland 52 %, Ber-lin 37 %, NRW 35 %, Bayern 25 %, Sachsen Anhalt24 %.

Die Frage nach einer sinnvollen, vertretbarenoder gewünschten Quote von Studienberechtigun-gen kann sicherlich nicht beantwortet werden vonInteressen-Vertretern aus Industrie, Handel oderHochschule, die ihren eigenen Bedarf artikulieren.Eltern, die „auf jeden Fall“ ihr Kind zum Abiturund Studium bringen wollen, sollten pädagogischbegleitet und informiert werden über bessere Al-ternativen.

48,4 Prozent der 18- bis 20-Jährigen, haben 2010

das Abi oder Fachabi bestanden – ein Rekordseit der Wiedervereinigung, wie das StatistischeBundesamt in Wiesbaden berichtet. Diese soge-nannte Studienberechtigtenquote hatte im Vor-jahr noch bei 45,9 Prozent gelegen und 1992 –im Jahr der ersten Erhebung nach der Wieder-vereinigung – nur bei 30,8 Prozent. [. . . ] In denwestlichen Bundesländern [außer im Saarland]gab es überall Zuwächse bei den für ein Studi-um zugelassenen Absolventen, am stärksten inSchleswig-Holstein mit 9,4 Prozent.3

Weder ökonomisch sinnvoll noch menschlich ver-tretbar erscheinen mir zu hohe Studien-Abbrecher-Quoten in Deutschland:

115 800 Studienanfänger begannen 2011 ein in-genieurwissenschaftliches Studium [. . . ] Jederzweite [. . . ] bricht es nach ein paar Semesternwieder ab. [. . . ] Die häufigsten Gründe [. . . ]sind Schwierigkeiten mit den Studienanforde-rungen und fehlende Motivation, ermittelte dasHIS (Hochschul-Informations-System)4

Am wahrscheinlichsten wird ein Studienabbruchnach den in Fußnote 3 zitierten Untersuchungendes HIS für einen

2 http://de.statista.com/statistik/daten/studie/183267/umfrage/anteil-der-abiturienten-nach-bundeslaendern/3 http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/abi-boom-jeder-zweite-schueler-schafft-die-hochschulreife-a-748622.html4 F. Lübe in Die ZEIT, Nr. 10, 28. 2. 2013, S. 75

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Magazin 21

Fachhochschüler ohne Mathematik- undPhysik-Leistungskurs, wenn er erst eine Aus-bildung gemacht hat, dann gearbeitet hat undim Studium zuerst nur abstrakte Grundvorle-sungen besuchen muss [. . . ]5

Es muss weiter spezifiziert werden, welche Kom-petenzen angemessen sind für eine vertiefte All-gemeinbildung und für „allgemeine“ Studierfä-higkeit von Nicht-MINT-Fächern. Die genanntenStandards auf einem „grundlegenden Anforde-rungsniveau“ erscheinen mir dafür zum Teil jeden-falls in der Breite unangemessen angesetzt.

2 Anmerkungen zu „alten“ und „neuen“Abitur-Klausuren

„Früher war alles besser, da war ein ABI noch ein ABITUR“

Ein Wandel von Zielsetzungen durch Reflexion al-ter Inhalte und Berücksichtigung neuer Erkennt-nisse, Methoden, Werkzeuge und Bedürfnisse inKultur und Gesellschaft erscheint mir weder perse schlecht noch derzeit unverzichtbar.

Zwei Original-Klausuren von 1937 und 1938

entnommen aus [Wynands 1995] mögen die häu-fig gehörte „All-Aussage“ widerlegen:

Man beachte:Beide 1. Aufgaben sind heute für eine 10er-(Unter-Sekunda-)Klassenarbeit angemessen.Die beiden „Mini-Max-Aufgaben“ (2-1937 und3-1938) sind „Klassiker“ der Schul-Analysis fürquadratische Funktionen.Die beiden restlichen Aufgaben verwundernheute sicherlich manchen Leser; „Aufsatzthe-men“ bzw. „Gleichungen mit komplexen Zah-len“ im Mathe-Abi!?

In der Abiturklausur, die 1963 der Autor die-ser Zeilen an einem „humanistischen altsprachli-chen Gymnasium“ zu bearbeiten hatte, findet manauch keine Analytische Geometrie/Lineare Alge-bra und keine Stochastik, nur Aufgaben zur Ana-lysis/Algebra.

Nachdenken sollte man bei diesen Aufga-ben sowohl über ihre sprachliche Formulierung(Sprach-Komplexität, keine Zeichnung oder Illus-tration) und darüber, welche der hier geforder-ten algebraischen Kompetenzen damals ohne undheute trotz bzw. mit Computer-Algebra-Systemen(CAS) gefordert wurden bzw. (un-)verzichtbarsind.

Aufgabe 1

Von einem rechteckigen Grundstück an derEcke zweier, senkrecht zueinander verlaufenderStraßen wird beim Ausbau der Kreuzung einStück abgeschnitten, so dass sich als Begren-zungslinie ein Viertelkreis ergibt, dessen Halb-messer gleich der kürzeren Rechteckseite ist.Wie groß wird im Höchstfall die rechteckigeBodenfläche einer auf dem Grundstück zu er-richtenden Wartehalle, wenn eine Bebauung biszur Grenze zulässig ist?Die Seitenlängen des ursprünglichen Rechteckswaren 18 m und 4 m.

Aufgabe 2

Durch jeden Punkt einer gegebenen Parabelwerde die Parallele zur Parabelachse gezogen.Durch den Schnittpunkt mit der Scheiteltan-gente werde die Gerade senkrecht zu der Sehnebestimmt, die den Punkt mit dem Scheitel ver-bindet. Senkrechte und Sehne schneiden sich ineinem Punkt.Auf welcher Kurve liegen diese Punkte?

Aufgabe 3

Die Schar der Funktionen y =(x3 + 2kx)(x2 − k)

(k re-

ell) und ihrer Schaubilder.

5 In 2008 verlassen die Hochschule 33 % ohne (ersten) Abschluss, vgl. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/162988/umfrage/studienabbruch-im-laendervergleich/. In 2010 ist die Prozentzahl der Studienabbrecher: Durchschnitt in Ing. Wiss. 73 %und in MathNat 64 %; vgl. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/157345/umfrage/erfolgsquote-von-studenten-nach-faechergruppen/.

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22 Magazin GDM-Mitteilungen 96 · 2014

Eine Untersuchung der Kurven auf gemeinsa-me und abweichende Eigenschaften in Abhän-gigkeit von der Wahl des Parameters k.

AnmerkungenDie Aufgaben beziehen sich ausschließlich aufdie Schul-ANALYSIS.Nicht in der „Breite“ wohl aber in der „Tiefe“liegen hier die Anforderungen.Die Anforderungen an „inner- und außerma-thematischer“ Modellierungsfähigkeit sind be-achtenswert hoch. Die Aufgaben 2 und 3 sind„offen“ und „innermathematisch“. Wie die Pro-blemstellung untersucht, mathematisiert wirdund die Ergebnisse begründet (bewiesen), ver-balisiert, kommuniziert werden ist durch nichtsvorgegeben.Auf so viel Bruchrechnung bzw. Termumfor-mung wie in Aufgabe 3 gefordert möchte ichauch heute noch nicht im Mathematik-Abiturverzichten.

Zu A1 – OptimierungGefordert werden in dieser Aufgabe

Text- und Sachverständnis für eine Modellie-rungs-Aufgabe,die Mathematisierung der Sachsituation in ei-nem geeigneten Koordinatensystem unddie Lösung des sich ergebenden innermathe-matischen Optimierungs-Problems mitanschließender Interpretation der Lösung.

Die Aufgabenstellung ist sprachlich komplex und„offen“. Es gibt keinerlei Vorgaben durch eineZeichnung, ein Koordinatensystem und für eineMethode. Die Darstellung der Sachsituation in ei-nem (geeigneten!) Koordinatensystem ist sehr ent-scheidend für die konkrete „Rechnung“ — damalsnatürlich ohne Taschenrechner!

Zu A2 — OrtskurveAnforderungen:

innermathematische (Um-)Modellierung(Wechsel zwischen Geometrie und Algebra)/Problemlösung,Begriffe: Parabel(-Achse), (Scheitel-)Tangente,Senkrechte, Sehne, Kurven-Gleichung, [. . . ],„offenes“ Problem, Koordinatensystem undKurvendarstellung sind nicht vorgegeben,es wird eine theoriebasierte Entdeckung mit an-schließendem Beweis verlangt.

„Kopf, Stift und Lineal“ sind die alleinigen „Ar-beitsgeräte“; wie schön wäre doch eine „DynaGeo-Software“ mindestens für eine Vermutung gewe-sen!

A3 — „Offene“ Kurvenschar-DiskussionAnforderungen:

Diskussion (in Aufsatzform) für ein formalesinnermathematisches Thema,Beschreibung der Untersuchungsmethoden,Fallunterscheidungen/Klassifikation von Para-metern,Term-Umformung und Interpretation vonGrenzverhalten,lokale Stetigkeit und asymptotisches Verhaltenvon Kurven.

Man kommt schon ins Grübeln beim Vergleichsolcher Aufgaben aus dem Jahr 1963 an einemaltsprachlichen Gymnasium mit den kleinschrit-tig gegliederten, viele Seiten langen Aufgabenstel-lungen heutiger Abitur-Klausuren, vgl. [FINALE2012].

Was soll und woher kommt diese Kleinschrit-tigkeit? Entspricht sie dem Verlangen nach bes-serer Punkte-Verteilung von Teilleistungen odereiner vom Lehrenden vor-gedachten Lösungs-strategie? Welchen Stellenwert sollten Aufgaben/Probleme haben, die für verschiedene Lösungswe-ge „offen“ sind? Wie viel Textgestaltung, Verba-lisierung von Lösungsmethoden und Begründun-gen, Erklärungen und Beweisen mit mathemati-schen Begriffen können oder wollen wir im Abiturverlangen?

3 Vorüberlegungen zu unverzichtbaren„Basiskompetenzen“ am Ende der Sek. II

Dringend erforderlich erscheint mir das Nachden-ken über Basiskompetenzen Mathematik für eine„Abitur-Allgemeinbildung“ und Studierfähigkeit.

Fortgeschrieben werden sollte der Katalog vonBasiskompetenzen „Mathematik für Alltag undBerufseinstieg am Ende der allgemeinen Schul-pflicht“ [Drüke-Noe et al. 2011], in dem keine „Ri-sikogruppe“ beklagt noch angeklagt wird sondernvielmehr konkret Kompetenzen genannt werden,die Risiken (für „Ausbildungs-Fähigkeit“ und im„Alltag“) verhindern können. Eine „Abnehmerbe-fragung“ (an Universitäten, Fachhochschulen, beiIndustrie- und Handwerks-Organisationen, [. . . ])analog zu [Drüke-Noe et al. 2011] ist sicherlichschwierig aber einen Versuch wert.

An dieser Stelle will und kann ich nur skizzen-haft auf die Frage eingehen: „Was ist unverzicht-barer im Mathematikunterricht der Sek. II bzw. imMathematik-Abitur?“Basiskompetenzen sollten

kultur-historische Aspekte berücksichtigen,keineswegs „formale“ Bildung zu Gunsten vor-dergründiger Anwendbarkeit vernachlässigen,die Sek. I – Standards beachten und vertiefendfortsetzen.

Die Akzeptanz und Umsetzung von Sek. II-/Abi-tur-Standards unter den Lehrenden in Deutsch-

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Magazin 23

land setzt nicht nur die Kenntnis der hier genann-ten Punkte voraus sondern auch genauere Anga-ben von bildungspolitischen Zielen der Sekundar-stufe II in allen deutschen Bundesländern.

Eine Liste von Basiskompetenzen nützt aberden Adressaten nur dann, wenn die geforder-ten Kompetenzen auch durch exemplifizierendeBeispiel-Aufgaben erläutert werden. Analog zu„Basiskompetenzen am Ende der Sek. I“ [Drüke-Noe et al. 2011] schlage ich eine Orientierungan Leitideen (Stoffinhalten) vor. Die Leitideen-Beispiele sollten – neben dem „Stoff“ – gewünsch-te Kompetenzen exemplifizieren in den GebietenAnalysis/Zahlverständnis, Geometrie/Algebraund Stochastik/Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Eine Diskussion über (un-)verzichtbaren (Ba-sis-)Kompetenzen sollte diese unvollständige Listeberücksichtigen:

Mathematische Begriffe und ObjekteKreis- und Kugel-(Gleichungen), (ir)rationaleund reelle Zahlen, „unendlich große und un-endlich kleine“ Zahlen, Funktionen, Grenzwer-te, Konvergenz und Divergenz, . . . . vgl. [Marx2013], Gleichungs-Systeme, Wahrscheinlichkeit,statistische Streumaße und Verteilungen . . .Mathematische Methoden(logisch) Strukturieren und Fallunterscheidun-gen durchführen, z. B. beim Argumentierenund Problemlösen,Problemlösen mit Analogien, mit Extremfall-Betrachtungen, durch (lineare) Näherungen,Analyse und Synthese von Teilproblemen(Modularisieren), (lineare) Näherungen, Op-timieren mit Probier-Intervallschachtelungs-Verfahren und analytischen Methoden, Daten-Erfassung und -Interpretation, Zufallsexperi-mente durchführen und bewerten . . .Mathematische Fertigkeiten ohne und auch mit(elektronischen) WerkzeugenTermumformungen (s. o. Anmerkungen zurAbi-Klausur von 1963), Lösen von Gleichung(sSystemen); Bewerten von Funktionsverhal-ten; Geometrische Konstruktionen durchführenund Sätze finden und beweisen in der Ebeneund im 3D-Raum; Datenmengen erzeugen undauswerten . . .

Literatur

[Drüke-Noe e.a. 2011] Drüke-Noe, C., Möller, G., Pallack, A.,Schmidt, S., Schmidt, U., Sommer, N., Wynands, A.: Basis-kompetenzen „Mathematik für Alltag und Berufseinstiegam Ende der allgemeinen Schulpflicht“, Cornelsen 2011

[Finale 2012] Finale – Prüfungstraining Zentralabitur NRW2013, Westermann 2012

[KMK 2012] Bildungsstandards im Fach Mathematik für dieAllgemeine Hochschulreife (Beschluss der Kultusminister-konferenz vom 18.10.2012)

[Marx 2013] Marx, A.: Schülervorstellungen zu unendlichenProzessen. Journal für Mathematik-Didaktik 34 (2013), 73–79

[Wynands 1995] Wynands, A.: Abiturklausuren in Mathema-tik von 1960 bis 1992 – Analyse von Anforderungsprofilen.Mathematik in der Schule 33 (1995) 11, 625–633

Hinweise im Internet

http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2012/2012_10_18-Bildungsstandards-Mathe-Abi.pdf

http://de.statista.com/statistik/daten/studie/183267/umfrage/anteil-der-abiturienten-nach-bundeslaendern/

https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/BildungForschungKultur/Bildungsstand/BildungDeutschland5210001129004.pdf?__blob=publicationFile

http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2012/2012_10_18-Bildungsstandards-Mathe-Abi.pdf

FINALE-Prüfungstraining NRW 2013, http://www.finaleonline.de/tests/171315_12_NRW_MA_Abitur.pdf

Prof. Dr. Alexander Wynands, Mathematisches Insti-tut, Universität Bonn, Endenicher Allee 60, 53115 Bonn,Email: [email protected]

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24 Magazin GDM-Mitteilungen 96 · 2014

Marlene: „Ist 0 eigentlich eine gerade Zahl?“

Horst Hischer

Marlene, 43/4, meine jüngste Enkelin, rief mich am16. 9. 2013 abends aus Aachen an und fragte: „Opa,ist eigentlich 0 eine gerade Zahl?“

Statt ihre Frage direkt und konkret zu beant-worten, fragte ich zurück, ob sie denn eine geradeZahl kennen würde, und sie nannte mir nach kur-zer Überlegung 6.

Daraufhin fragte ich sie nach einer Begründungdafür, und sie lieferte mir die verblüffende undmich dennoch spontan überzeugende Antwort:

„Na ja, dann bekommen beide gleich viel.“Und auf meine Nachfrage, wie viel das denn

sei, sagte sie „3“.So schraubte ich dann das Gespräch sokratisch

runter über 4 bis auf 2 und fragte anschließend derReihe nach, ob denn beispielsweise 5 oder 3 oder1 gerade seien, was sie nach kurzen Überlegungenjeweils verneinte, gefolgt von den konkreten Be-gründungen dafür, wie viel denn dann beide be-kämen – nämlich:

„Nicht gleich viel!“ Dann ging ich über zu „0“und fragte, wie viel dann wohl „beide“ bekämen,was sie mir mit „Nix!“ beantwortete.

Meine anschließende Frage, ob denn dann 0gerade oder ungerade wäre, machte sie zunächststutzig, und dann kam meine Nachfrage, ob „nix“denn hier „gleich viel“ sei, was sie am Telefon la-chend bejahte, woraus sich dann für sie ergab, dass0 eine gerade Zahl sei – und sie damit ihre Ein-gangsfrage selbst beantwortet hatte.

Das war eine wunderbare „Gute-Nacht-Geschich-te“, wobei es wohl auch wesentlich ist, dass nichtich sie anrief und ihr diese Frage stellte, sonderndass dies von ihr selber ausging. Und offenbar istMarlene es wohl gewohnt, eine konkrete Mengegleichartiger Dinge zwischen ihr und einer weite-ren Person (gewiss wohl ihrer sieben Jahre altenSchwester Pauline) „gerecht“ aufzuteilen, wie ausihrer Eingangsantwort „. . . bekommen beide gleichviel . . . “ zu schließen ist. Interessant ist auch, dassMarlene als erstes Beispiel für eine gerade Zahl „6“

nannte – eine vermutlich aus der Perspektive ih-res subjektiven Erfahrungsbereichs heraus sowohl„hinreichend große“ als auch „dennoch gut über-schaubare“ Zahl, über die es sich (aus ihrer Sicht)nachzudenken lohnt.

Horst Hischer, Universität des Saarlandes, Fakultätfür Mathematik und Informatik; privat: Roonstraße 7,38102 Braunschweig, Email: [email protected]

Cartoon 255

(© Chakri Gajula, http://chakrigajula.com/?p=3057)

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Aktivitäten 25

Mathematik-Kommission„Übergang Schule–Hochschule“

Mathematik-Fachverbände fordern:Abiturstandards konkretisieren!Pressemitteilung vom 14. Oktober 2013

Die drei größten Mathematik-Fachverbände in Deutsch-land fordern, die Abiturstandards für das SchulfachMathematik zu konkretisieren. Diesen Wunsch formu-lierten nun auch Experten aus allen 16 Bundesländernzum Thema einheitlicher Abiturstandards. Kernlehrplä-ne, Bildungspläne und Abituraufgaben sollten zwischenden Bildungsbehörden der Länder in Zukunft besser ab-gestimmt werden.

„Wir brauchen sehr viel mehr Verbindlichkeit,was die mathematischen Kompetenzen für dieallgemeine Hochschulreife in Deutschland anbe-langt“, sagt Wolfram Koepf, Sprecher der gemein-samen Mathematik-Kommission zum ÜbergangSchule-Hochschule der Fachverbände DMV, GDMund MNU. „Auch wenn sich der gerade veröffent-lichte IQB-Ländervergleich auf die SekundarstufeI bezieht, zeigt diese Studie erneut, wie sich dieUnterschiede in den Ländern auch auf die Kom-petenzen der Schülerinnen und Schüler auswirkenkönnen.“

Die Mathematik-Kommission hatte Vertreterder Bildungsadministrationen aller 16 Bundeslän-der vom 7. bis 9. Oktober 2013 zu einem gemeinsa-men Treffen unter dem Titel „Abiturstandards Ma-thematik konkretisieren“ nach Münster eingela-den. Thema war die Festschreibung von Bildungs-standards für die Allgemeine Hochschulreife imFach Mathematik, ihre Umsetzung in Kerncurricu-la der Länder, die Entwicklung musterhafter Abi-turaufgaben sowie die Möglichkeiten einer Verein-heitlichung. „Die Initiative der Kommission, einForum wie dieses zu gründen, wurde von den54 Experten der Länder sehr begrüßt“, sagt Ko-epf. Es habe Einigkeit darüber bestanden, dass zurUmsetzung der Bildungsstandards umfangreicheMaßnahmen zur Intensivierung bestehender Leh-rerfortbildungen dringend notwendig seien unddazu auch zusätzliche Mittel bereit gestellt wer-den müssten. Auch sollten alle drei Themenberei-che Analysis, Lineare Algebra/Geometrie und Sto-chastik verbindlich in der Abiturprüfung vertretensein.

Die KMK stellte in ihrer Pressemitteilung vom11.10.2013 zum IQB-Ländervergleich fest: „AlleLänder werden daher ihre Anstrengungen in der

Aus- und Fortbildung von Lehrkräften gezielt ver-stärken und dabei ihre Zusammenarbeit insbeson-dere bei der Implementation der Bildungsstan-dards intensivieren.“

Hintergrund der Initiative der drei großenFachverbände in Mathematik ist, dass die Kon-ferenz der Kultusminister der Länder (KMK) imHerbst 2012 Abiturstandards für Mathematik be-kanntgegeben hatte. Die drei Fachverbände hattendie Abiturstandards zwar grundsätzlich begrüßt,sie aber als nicht konkret genug und nicht konse-quent genug kritisiert. Das Treffen in Münster soll-te alle Bundesländer und die großen Fachverbändean einen Tisch und ins Gespräch bringen. „Das istuns eindeutig gelungen. Und die Teilnehmer ha-ben an uns den Wunsch herangetragen, die begon-nene Arbeit gemeinsam fortzusetzen“, freut sichKoepf. „Es gibt noch viel zu tun.“ Auf der Tagungzeichnete sich aber schon ab, dass die meisten Ex-perten aus den Ländern hilfsmittelfreie Prüfungs-teile im Abitur einerseits sowie den ergänzendenEinsatz digitaler Werkzeuge in Unterricht und Ab-itur andererseits für sinnvoll halten. Die Kommis-sion plant daher zu Themen wie diesen eine An-schlusstagung in einem Jahr. Es wurden mehrereArbeitsgruppen gegründet, die diese vorbereitensollen.

Die drei größten Mathematik-Fachverbände inDeutschland setzen sich gemeinsam dafür ein, denÜbergang von der Schule an die Hochschule imFach Mathematik zu verbessern. Dieses gemein-same Ziel verfolgen die Deutsche Mathematiker-Vereinigung (DMV), die Gesellschaft für Didak-tik der Mathematik (GDM) und der DeutscheVerein zur Förderung des mathematischen undnaturwissenschaftlichen Unterrichts (MNU). DieMathematik-Kommission bündelt die Expertise in-nerhalb der Verbände und fungiert nach außen alsAnsprechpartnerin und Beraterin für die Bildungs-administration.

Stellungnahme der Mathematik-KommissionÜbergang Schule – Hochschule vom 31. Oktober2013

Das Ministerium für Kultus, Jugend und SportBaden-Württemberg hat mit Schreiben vom 21.Oktober 2013 an die allgemeinbildenden und be-ruflichen Gymnasien zur „Umsetzung der Bil-

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26 Aktivitäten GDM-Mitteilungen 96 · 2014

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung in Münster (Quelle: Mathematik-Kommission Übergang Schule–Hochschule)

dungsstandards für die allgemeine Hochschulrei-fe“ die landesspezifischen Konkretisierungen der„Bildungsstandards im Fach Mathematik für dieallgemeine Hochschulreife“ der KMK vom 18. Ok-tober 2012 festgelegt.

Die gemeinsame Mathematik-KommissionÜbergang Schule-Hochschule der drei Fachver-bände DMV, GDM und MNU nimmt dazu wiefolgt Stellung: Wir konstatieren für das LandBaden-Württemberg in den letzten Jahren bei derGestaltung der Abituraufgaben im zentralen Ab-itur eine erfreuliche Entwicklung im Sinne deraktuellen Bildungsstandards für die allgemeineHochschulreife. Es fand eine Verschiebung vonkalkülorientierten Aufgabenformaten zu mehrverständnisorientierten Aufgabenstellungen stattwie z. B. Problemlöse- und Modellierungsaufga-ben, die allgemeine mathematische Kompetenzenverstärkt einfordern. Im vorliegenden Schreibendes Kultusministeriums Baden-Württemberg wirdfestgestellt: „Für das Fach Mathematik werdeninsbesondere digitale Mathematikwerkzeuge her-vorgehoben, durch deren sinnvollen Einsatz imUnterricht die Entwicklung mathematischer Kom-petenzen unterstützt werden kann.“ Dem stimmenwir als Kommission Übergang Schule-Hochschuleder Fachverbände DMV, GDM und MNU aus-drücklich zu.

Jedoch wird gefolgert, die Frage nach dem Ein-satz digitaler Mathematikwerkzeuge in Unterrichtund Prüfung voneinander zu trennen und in derPrüfung – entgegen der bisherigen Praxis – ih-

re Verwendung auf einen wissenschaftlichen Ta-schenrechner (WTR) zu beschränken. Beides istaus unserer Sicht nicht nachvollziehbar. Wir haltendas weder für zeitgemäß noch für sinnvoll.Dies begründen wir folgendermaßen:

In den Bildungsstandards im Fach Mathema-tik für die allgemeine Hochschulreife der KMKheißt es unmissverständlich, dass „Einer durch-gängigen Verwendung digitaler Mathematikwerk-zeuge im Unterricht [. . . ] dann auch deren Einsatzin der Prüfung“ folgt. Wenn, wie im vorliegen-den Schreiben des Kultusministeriums, eine an-dere Konsequenz für die Prüfungen gezogenwird, dann widerspricht das eindeutig den In-tentionen der Bildungsstandards der KMK. Esist zudem zu befürchten, dass dies in der Pra-xis dazu führt, dass dem Nicht-Einsatz von gra-fikfähigen Taschenrechnern (GTR) und Compu-teralgebrasystemen (CAS) im Abitur der Nicht-Einsatz im Unterricht folgt.Mit der Beschränkung des Einsatzes digita-ler Mathematikwerkzeuge auf wissenschaftli-che Taschenrechner ist zu erwarten, dass dieseit Jahren verfolgte Orientierung an Prozess-kompetenzen (z. B. Argumentieren, Problemlö-sen, Modellieren), die auch in den aktuellen Bil-dungsstandards festgeschrieben ist, erheblichbehindert wird. Für die Überprüfung der ins-besondere für ein erfolgreiches Weiterlernen imStudium wichtigen grundlegenden inhaltlichenKompetenzen ist aber der geplante „hilfsmit-telfreie Prüfungsteil“ der richtige Ort. Dieser

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hilfsmittelfreie Prüfungsteil wird in den letztenJahren als Ergänzung und Gegenpol zum er-höhten Einsatz digitaler Mathematikwerkzeugewie GTR und CAS verstanden. Die Einführungeines hilfsmittelfreien Teils im Abitur, den wirsehr begrüßen, wird nur durch den möglichenEinsatz aller digitalen Werkzeuge in den an-deren Teilen sinnvoll ergänzt. Eine Einschrän-kung sollte sich nur für nicht in Prüfungen por-tierbare Hilfsmittel, wie z. B. Smartboards, er-geben, deren Einsatz von uns ausdrücklich be-grüßt wird.

Wir sehen mit den hier formulierten Vorgabeneinen Rückschritt in die Aufgabenkultur vor 20

Jahren und den technologischen Stand der 1970erJahre sowie die Gefahr einer großen Verunsiche-rung für Lehrpersonen.

In anderen Ländern zeigen sich völlig andereEntwicklungen. Beispielsweise werden in Thürin-gen CAS verbindlich in der Abiturprüfung einge-führt, in Nordrhein-Westfalen wird der GTR dem-nächst in Unterricht und Abiturprüfung Mindest-standard, in Niedersachen ist das schon lange derFall. Wir sehen die große Gefahr, dass sich Baden-Württemberg hier technologisch und bildungspo-litisch isoliert.

Die drei Fachverbände DMV, GDM und MNUstellen gerne ihre Expertise bei einer Revisiondieses Erlasses zur Verfügung. Insbesondere diegemeinsame Kommission zum Übergang Schule-Hochschule bietet dafür ihre Unterstützung an,wie sie bereits durch die bundesweite Tagung zuden Abiturstandards im Oktober 2013 in Münster(vgl. www.mathematik-schule-hochschule.de) an-geregt wurde.

Ihre AnsprechpartnerFür die Deutsche Mathematiker-Vereinigung(DMV): Prof. Dr. Wolfram Koepf, Universität Kas-sel

Für die Gesellschaft für die Didaktik der Mathema-tik (GDM): Prof. Dr. Gilbert Greefrath, WestfälischeWilhelms-Universität Münster

Für den Deutschen Verein zur Förderung des ma-thematischen und naturwissenschaftlichen Unter-richts (MNU): Hans-Jürgen Elschenbroich, Kor-schenbroich

KontaktE-Mail: [email protected]://www.mathematik-schule-hochschule.de/

Einladung zur Mitgliederversammlung der GDMUniversität Koblenz-Landau, 13. 3. 2014

Ort: Universität Koblenz-LandauCampus Koblenz-Metternich, Raum D 028

Beginn: 16.15 Uhr

Tagesordnung

1. Bestätigung des Protokolls, Beschluss der Ta-gesordnung

2. Bericht des Vorstands3. Bericht der Kassenführerin bzw. des Kassen-

prüfers4. Satzungsänderung/Verabschiedung einer

neuen Ordnung

5. Entlastung des Vorstands6. Wahlen

2. Vorsitzende/r, Schriftführer/in, Beirat7. Nachwuchsförderung8. MathEduc9. Zeitschriften

1. Journal für Mathematik-Didaktik (JMD)2. ZDM3. Mathematica Didactica und

Der Mathematikunterricht10. Verschiedenes

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28 Arbeitskreise GDM-Mitteilungen 96 · 2014

Arbeitskreis BildungGießen, 15./16.11.2013

Markus Helmerich

Am 15. und 16. November 2013 fand an der Uni-versität Gießen die Herbsttagung des Arbeitskrei-ses „Mathematik und Bildung“ statt. Die Herbst-tagung bot diesmal eine stärkere Sicht „von au-ßen“ auf Mathematik und Bildung durch einge-ladene Hauptvortragende aus der Pädagogik undder Anwendung der Mathematik. Daneben warauch viel Raum für die Diskussionen von Tex-ten der Arbeitskreismitglieder zu den Themenfel-dern Bildung im Mathematikunterricht und Leh-rer(innen)bildung bzw. Bildung im Hochschulkon-text.

Einen spannenden bildungstheoretischen Zu-gang präsentierte Herr Prof. Dr. Volker Ladenthin(Universität Bonn) im ersten Hauptvortrag. Ausder Sicht der Pädagogik stellte er die besonde-ren Wesenszüge der Mathematik als eine Hand-lungsoption und als ein Beschreibungsmittel un-ter anderen heraus. Dabei wurde Mathematik alsHandlungsanweisung, Mathematik als Reflexionvon Denkweisen, Mathematik als Anwendung undMathematik als Gegenstand genauer beleuchtetund mathematische Bildung als Weg, das eigeneDenken zu verstehen, charakterisiert.

Im zweiten Hauptvortrag präsentierte Herr Dr.Jens Dreßler (Universität Gießen) wiederum ausSicht der Pädagogik kritische Anmerkungen zur„Neuen Steuerung“ des Schulwesens und des Ma-thematikunterrichts durch die zentrale Vorgabevon Standards und entlarvte das neue Steuerungs-system als rein kumulativ gedachten Prozess zurBildung – was in dieser Form nicht gelingen kann.Aus der Sicht von Herrn Dreßler kann Bildungnur durch dezentrale Verantwortungsübernahmein den Schulen passieren.

Einen Einblick in die Hochschulbildung von In-formatikstudierenden brachte der letzte Hauptvor-trag von Herrn Prof. Dr. Urs Andelfinger (Hoch-schule Darmstadt). Er zeigte auf, wie schwieriges ist, Relevanzfragen und gesellschaftliche Bedeu-tung des eigenen wissenschaftlichen und berufli-chen Handelns im Studium als Bildungsziele zuetablieren. Am Beispiel einer Lehrveranstaltungs-konzeption entlang des Programms der Allgemei-nen Wissenschaft nach Rudolf Wille und Hartmutvon Hentig wurde gezeigt, wie dieser Zugang den-noch angestrebt werden kann.

Neben den Vorträgen haben die Mitglieder desArbeitskreises sehr intensiv über Beiträge aus dem

Vortrag von Prof. Volker Ladenthin

Arbeitskreis für ein gemeinsames Publikationspro-jekt diskutiert. Die Vorarbeit von jeweils zwei Gut-achter(innen) und die gründliche Lektüre der Tex-te durch die Teilnehmer(innen) brachten spannen-de und fruchtbare Diskussionen zu Tage und ga-ben den Autor(inn)en wichtige Hinweise für dieÜberarbeitung der Texte.

Der Arbeitskreis bedankt sich für die tolle Aus-richtung der Tagung bei dem lokalen Organisa-tionsteam an der Universität Gießen, FriederikeHeinz, Rebecca Klose, Katja Lengnink und Sebas-tian Schorcht, die uns einen so angenehmen Rah-men für den erfoglreichen Verlauf der Tagung ge-boten haben.

Das nächste Treffen des Arbeitskreises wird aufder Jahrestagung in Koblenz stattfinden. Hier wirdeinerseits über den Stand des Publikationsprojek-tes berichtet, das weitere Vorgehen koordiniert unddie für 14.–16. 11. 2014 geplante Herbsttagung (vor-auss. an der Universität zu Köln, Organisation:Eva Müller-Hill) vorbereitet werden. Zum anderenwird Andreas Vohns einen Kurzvortrag zum The-ma „Staatsbürgerliche Erziehung im und durchden Mathematikunterricht? Eine Exploration“ hal-ten.

Markus Helmerich, Universität Siegen, Fakultät IV: Na-turwissenschaftlich-Technische Fakultät – DepartmentMathematik – Didaktik der Mathematik, Walter-Flex-Straße 3, 57068 Siegen, Email:[email protected]

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Arbeitskreise 29

Arbeitskreis Frauen und MathematikJena, 18.–20.10.2013

Renate Motzer

Die 24. Herbsttagung des Arbeitskreises „Frau-en und Mathematik“ der GDM fand vom 18.–20.Oktober 2013 in Jena statt. Sie wurde organisiertvon Dr. habil. Renate Tobies, die dort als interdiszi-plinäre Gastprofessorin am Institut Geschichte derNaturwissenschaften tätig ist.

Neben den Arbeitskreismitgliedern und denReferentinnen waren auch interessierte Studieren-de und Lehrende der Uni Jena anwesend.

Am Freitag, den 18.10. konnte die Tagungpünktlich um 15:00 mit einer Begrüßungs- undVorstellungsrunde beginnen.

Im ersten Vortrag stellte die langjährige Leh-rerin und Schulbuchautorin Ulrike Schätz (Mün-chen) vor, wie in der von ihr konzipierten Schul-buchreihe delta zu jedem Mathematikthema be-deutende Mathematiker vorgestellt werden. In je-dem Jahrgang ist auch eine bedeutende Mathema-tikerin vertreten. Das Leben der Mathematikerin-nen wird dabei sowohl auf dem Hintergrund ih-res privaten Umfelds als auch im Hinblick dessen,was sie zum jeweiligen Thema beigetragen hat, be-leuchtet. Dadurch, dass die Themen mit den Bio-graphien konkreter Frauen und Männer verknüpftwerden, werden sie für viele Schülerinnen undSchüler lebendiger.

Im zweiten Vortrag stellte Thomas Bischofaus Jena seine Staatsexamensarbeit über Doro-thea Starke vor. Dorothea Starke (1902–1943) warin Jena bis 1945 die einzige Frau, die mit einermathematischen Dissertation in Thüringen pro-movierte. Nach Einreichen der Dissertation 1927

schloss sie das Rigorosum und die Lehramtsprü-fung mit den Bestnoten ab und wurde Assistentinbei Max Winkelmann (Felix-Klein-Schüler) am In-stitut für Angewandte Mathematik der UniversitätJena. Diese Stelle wurde von der Carl-Zeiss Stif-tung finanziert, und die herausragende Dissertati-on erschien in der ZAMM. Der Vortrag von Tho-mas Bischof basierte auf seiner Staatsexamensar-beit „Angewandte Mathematik und die Ansätzedes mathematisch-naturwissenschaftlichen Frau-enstudiums in Thüringen“, in welcher die Ge-schichte von Angewandter Mathematik in Jena,das mathematisch-naturwissenschaftliche Frauen-studium in Thüringen in der ersten Hälfte des20. Jahrhunderts sowie die Förderung entspre-chender Institutionen durch die regionale Indus-trie verknüpft wurden. Dabei bildete die Karrie-

re der Forscherin Dorothea Starke den Kulmina-tionspunkt dieser drei Untersuchungsstränge. Eswurde ihre Karriere skizziert, die sie auch als Ehe-frau und Mutter in weiterem Kontakt mit ihremDoktorvater fortsetzen konnte. Für diese Untersu-chung konnten zahlreiche Primärquellen aus Ar-chiven und einem Privatnachlass erschlossen wer-den.

Im dritten und letzten Vortrag der Freitags-sitzung beleuchtete Helga Jungwirth (Linz) Gen-derdifferenzen, wie sie insbesondere beim Einsatzdes Computers im Mathematikunterricht auftre-ten. Dabei betrachtete sie den Computer aus derPerspektive der Aktor-Network-Theory von La-tour. Abschließend zeigte sie auf, wie diese Per-spektive Probleme des Computereinsatzes beimZiel Gendersensibilität des Mathematikunterrichtsoffenlegt.

Am Samstag standen Vorträge zum räumlichenVorstellungsvermögen im Vordergrund. CornelieLeopold (Akademische Direktorin an der Techni-schen Universität Kaiserslautern im FachbereichArchitektur, Fachgebiet Darstellende Geometrieund Perspektive) referierte über die von ihr durch-geführten Analysen zur Raumvorstellung und de-ren Rolle in den Ingenieurwissenschaften, beleuch-tet unter Genderaspekten. Raumvorstellung stellteine wichtige Grundbedingung für die meisten in-genieurwissenschaftlichen Disziplinen dar, insbe-sondere für Architektur, Bauingenieurwesen undMaschinenbau, da räumliche Objekte bzw. derenUmgebung geschaffen und gestaltet werden sol-len. In diesem Zusammenhang kommt der Geo-metrie als einer anschaulich räumlichen Geometriegroße Bedeutung zu. Im Fach Darstellende Geo-metrie führt Cornelie Leopolde daher zu Beginndes ersten Semesters Raumvorstellungstests durch.Die Ergebnisse der durchgeführten Raumvorstel-lungstests seit 1994 von Studierenden der Ar-chitektur, Bauingenieurwesen, Lehramt Bautech-nik/Holztechnik sowie punktuell auch von Stu-dierenden der Mathematik und Maschinenbau ander TU Kaiserslautern wurden in einem Überblickpräsentiert und als Langzeitstudie unter Gendera-spekten analysiert. Ergebnisse aus Kaiserslauternwurden mit Ergebnissen des gleichen Raumvor-stellungstests von Kolleginnen und Kollegen in Ja-pan, USA und einigen europäischen Ländern ver-glichen.

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30 Arbeitskreise GDM-Mitteilungen 96 · 2014

Danach referierte Laura Martignon (Professo-rin für Mathematik und ihre Didaktik mit einemSchwerpunkt Geschlechterforschung an der PHLudwigsburg) über: „Raumvorstellungsvermögen& Mathematikleistungen von Schüler/innen – ei-ne Korrelation? – oder: Zum Verhältnis von Mathe-Leistungen und Raumvorstellungsvermögen unterGeschlechterperspektive“. Sie konnte unter ande-rem von Studien berichten, in denen sie beobach-ten konnte, dass Mädchen beim Bauen von geo-metrischen Objekten aktiver sind (wenn ihnen ent-sprechendes Material zur Verfügung gestellt wird)und schon ein 4-stündiges Training ihre Leistun-gen im Bereich der räumlichen Vorstellung deut-lich verbessern kann.

Anschließend erörterte Kerstin Palm (Profes-sorin für Frauen- und Geschlechterforschung ander Humboldt-Universität zu Berlin) die Frage,ob das räumliches Vorstellungsvermögen und ma-thematische Begabung vom Geschlecht abhängigist. Lange Zeit wurde unhinterfragt davon ausge-gangen, dass mathematische Begabung und räum-liches Vorstellungsvermögen miteinander zusam-menhängen bzw. die eine Begabung mit Hilfe deranderen Begabung vorausgesagt werden kann. In-zwischen mehren sich aber die Anzeichen dafür,dass dieser Zusammenhang sehr grundlegend zuhinterfragen ist. In ihrem Beitrag kommentierteKerstin Palm Studien, die diese Hinterfragung leis-ten und ganz andere Zusammenhänge vorschla-gen.

Nach der (sonnigen) Mittagspause berichtetenAnina Mischau (Gastprofessorin an der FU Ber-lin) und ihre Mitarbeiterin Kati Bohnet von ihrerVeranstaltung „Mathematik anders lehren und ler-nen“.

In dem Vortrag wurden die Konzeption und Er-fahrungen aus der Durchführung eines gleichna-migen Proseminars für BA-Lehramtsstudierendeder Mathematik an der FU Berlin vorgestellt. ImMittelpunkt des Proseminars stehen das Entde-cken und die Erarbeitung von (neuen) Ideen fürdie Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen unddamit für einen lebendigen und kreativen Mathe-matikunterricht, der Kriterien eines „guten“ wieeines gendersensiblen Mathematikunterrichts be-rücksichtigt und dabei Mathematik mit nur schein-bar „völlig anderen“ Welten (z. B. Kunst, Musik,Tanz, Geschichte, Natur, andere Disziplinen usw.)verknüpft. Neben einem Einblick in eigene Leh-reinheiten des Proseminars wurden exemplarischauch einige Ideen der Studierenden skizziert, diediese in Projektarbeiten entwickelt und im Prose-minar „erprobt“ haben.

Anschließend berichtete Kerstin Kuhn (Gym-nasiallehrerin in Winsen) unter dem Titel „Statis-tische Untersuchung unter Genderaspekt zur Ak-

zeptanz des Taschenrechners im Mathematikunter-richt der Oberstufe an einem Gymnasium“ von ei-ner Befragung, die sie im vergangenen Schuljahrunter den Schülerinnen und Schülern der Ober-stufe durchführte. An ihrer Schule werden zweiTaschenrechner-Typen verwendet: ein grafikfähi-ger im Grundniveau, ein Rechner mit Computer-Algebra-System im erhöhten Niveau. Mit der Be-fragung wollte Kerstin Kuhn herauszufinden, wiesich die politisch gewollte Rückbesinnung auf Re-chenfertigkeiten ohne Taschenrechnerbenutzungauf den Unterricht aus Schülerinnen- bzw. Schü-lersicht auswirkt. Die Ergebnisse zeigten unter an-derem, dass vor allem den Schülerinnen die Sicher-heit eines Taschenrechnerergebnisses sehr wichtigist.

Gegen 16:00 traf sich schließlich der Arbeits-kreis zur Arbeitskreissitzung. Es wurde die Her-ausgabe des nächsten Heftes „Mathematik undGender“ diskutiert und die nächste Herbsttagunggeplant.

Die nächste Herbsttagung wird vom 17.10.–19.10.2013 an der FU Berlin stattfinden.

Am Samstagabend gab es für alle Teilnehme-rinnen und Teilnehmer der Tagung die Möglich-keit, im ZEISS-Planetarium Jena das spannendeProgramm „Entdecker des Himmels“ zu besuchen.

Am Sonntag Vormittag wurde das Programmdurch drei Berichte aus den Arbeitsfeldern derArbeitskreismitglieder fortgesetzt. Renate Motzer(Augsburg) berichtete in ihrem Beitrag aus ihrereigenen Unterrichtspraxis. Sie unterrichtete im ver-gangenen Schuljahr im Sozialzweig der Berufs-oberschule. In der Klasse waren fast nur junge Da-men. Diese brachten ihre eigene Sicht auf Mathe-matik und ihr Bedürfnis, gut und sicher auf dieAbschlussprüfung vorbereitet zu werden, intensivzum Ausdruck. Inwiefern offenere Unterrichtsfor-men und das Schreiben von Lerntagebüchern eherals hilfreich oder verunsichernd wirkten, wurdevorgestellt und diskutiert.

Anschließend berichtete Andrea Helmke (Hil-desheim) aus der Arbeit zu ihrer Dissertation:„Mathematische Begabungen und deren unter-schiedliche Ausprägungen bei Jungen und Mäd-chen in der Primarstufe“. Die Thematik derGeschlechterunterschiede zwischen Jungen bzw.Männern und Mädchen bzw. Frauen wird in derÖffentlichkeit stets mit besonderem Interesse ver-folgt. Man ist sich in der Forschung allerdings re-lativ einig, dass alle Kinder die gleichen kogniti-ven Voraussetzungen innehaben. Dennoch zeigtenVergleichsstudien wie TIMSS 2008 in Deutschlandfür Jungen insgesamt einen höheren Kompetenz-stand in Mathematik als für Mädchen. Unterschei-den sich auch begabte Mädchen und begabte Jun-gen im Fach Mathematik? Und wenn dem so ist,

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Arbeitskreise 31

wie sehen diese Unterschiede aus? Welche Unter-schiede bzw. Gemeinsamkeiten lassen sich bei Be-trachtung der Geschlechter bei mathematisch be-gabten Kindern entdecken?

Im Rahmen ihrer Untersuchung mathemati-scher Begabungen und ihrer geschlechtstypischenMerkmale im dritten und vierten Schuljahr konn-te Frau Helmke wohl immer wieder unterschied-liches Lösungsverhalten bei begabten Jungen ver-glichen mit begabten Mädchen feststellen, in man-chen Bereichen war solche Unterschiede aber inder 3. Jahrgangsstufe gegenteilig zu denen in deruntersuchten 4. Jahrgangsstufe.

Aus dem Bereich der Hochschullehre stellteschließlich Christine Scharlach (Berlin) ihre Er-fahrungen mit einem „PartnerInnenlerntagebuch“in der Lehramtsausbildung (Grundschule) vor. In

kompetenzorientierten Lernen erweist sich dasLerntagebuch als wichtiges Mittel zur Begleitungdes Lernprozesses. Christine Scharlach konnte be-richten, dass sie mit der abgewandelten Versiondes Lerntagebuchs, das zwei Partnerinnen oderPartner miteinander verfassen und in dem sie ihreErfahrungen auch gegenseitig kommentieren, in-zwischen (erste) gute Erfahrungen sammeln konn-te. Dies zeigte sie an einigen Beispielen auf.

Gegen 12 Uhr endete die Tagung mit einemherzlichen Dank an die Organisatorin Renate To-bies, die diese Tage sehr schön für uns vorbereitethatte.

Renate Motzer, Universität Augsburg, Universitäts-straße 10, 86135 Augsburg,Email: [email protected]

Arbeitskreis Geometrie: „Geometrie zwischen Grundbegriffen undGrundvorstellungen – Ziele und Visionen 2020“Jena, 18.–20.10.2013

Andreas Filler and Anselm Lambert

Der Arbeitskreis Geometrie führte in diesem Jahrseine 30. Herbsttagung durch. Zu den 30 Teilneh-mern zählten sowohl langjährige AK-Teilnehmer,u. a. der Mitbegründer des Arbeitskreises LotharProfke, als auch viele junge Wissenschaftlerinnenund Wissenschaftler, die gerade an ihren Promoti-onsvorhaben im Bereich der Didaktik der Geome-trie arbeiten.

Den Hauptvortrag am Freitagabend hielt Ru-dolf Sträßer zum Thema Grundbegriffe, Grundvor-stellungen und Nutzungen der Geometrie und stimm-te damit auf das Tagungsthema ein. Er führ-te zunächst aus, dass Grundbegriffe der Schul-geometrie nicht Grundbegriffe in einem axioma-tischen Sinne sein können, sondern wesentlichdurch Grundvorstellungen fundiert sein müssen,die wiederum in engem Verhältnis zu (indivi-duellen und gesellschaftlichen) „Nutzungen“ derGeometrie zu sehen sind. Bereits in diesem Vor-trag stellte sich (wie auch im weiteren Verlaufder Tagung) heraus, dass sich die Suche nachGrundvorstellungen der Geometrie – als Vorstel-lungen der Lehrenden und Lernenden – überra-

schenderweise eher schwierig gestaltet und dasKonzept der Grundvorstellungen bislang stärkerauf den Gebieten der Arithmetik, Algebra, Ana-lysis und Stochastik ausgearbeitet wurde als aufdem Gebiet der Geometrie. In der Diskussion hatsich dafür eine mögliche Ursache herausgestellt:In anderen Stoffgebieten sind Grundvorstellun-gen oft mit Anschauungen verbunden, welche zu-nächst in Prozessen erarbeitet werden müssen undden Aufbau von Grundvorstellungen befördern.Im Bereich der Geometrie sind hingegen „bild-liche Darstellungen“ a priori vorhanden, welchenicht in Vorstellungserarbeitungsprozessen aufge-baut wurden.

Bereits nach dem Hauptvortrag von Ru-dolf Sträßer deutete sich an, dass dieGrundvorstellungen-Problematik ein längerfristi-ges Arbeitsgebiet für den AK Geometrie sein wirdund die AK-Tagung 2013 nur erste Zwischener-gebnisse und Wege der weiteren Arbeit daran her-auskristallisieren kann.

Der Samstag wurde mit einem Vortrag vonLothar Profke (Gießen) zum Thema Geometrie,

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32 Arbeitskreise GDM-Mitteilungen 96 · 2014

(Grund-) Begriffe, Vorstellungen – Fragen und Anre-gungen eingeleitet. Er plädierte für einen Geome-trieunterricht, der „von der Geometrie des Raumeszur ebenen Geometrie“ führt, um räumliche An-schauung und praktische Handlungserfahrungenfür den Aufbau von Grundvorstellungen zu nut-zen und für ein „naives“ Betreiben von Geome-trie (wofür keine explizite oder implizite Hinter-grundtheorie erforderlich ist). Anschließend ginger auf zentrale Grundvorstellungen bezüglich ei-niger geometrischer Figuren und Körper ein undführte z. B. aus, dass die primäre, auf der An-schauung basierende Grundvorstellung eines Krei-ses auf der überall gleichen Krümmung basiert(und nicht auf der Tatsache, dass alle Punkte ei-nes Kreises dieselbe Entfernung von einem festenPunkt, dem Mittelpunkt, haben).

Philipp Ullmann (Frankfurt) diskutierte in sei-nem Vortrag Grundvorstellungen zur Schulgeometrie– „Situated Cognition“ in der Geometriedidaktik zu-nächst Merkmale von Grundvorstellungen als „ro-buster“ didaktischer Kategorie: Anschaulichkeit,Praktikabilität, weitgehende Theoriefreiheit, Ein-fachheit, Verankerung in der Lebenswelt, Anwen-dungserfolg. Anschließend schlug er fünf Katego-rien von Grundvorstellungen zur Schulgeometrievor, die sich auf folgende Aspekte beziehen:1

G1: Geometrie als Schule des rechten SehensG2: Geometrie als Schule des verständigen Den-

kensG3: Geometrie als Schule des regelgeleiteten Ge-

horsamsG4: Geometrie als Schule der technischen Natur-

beherrschungG5: Geometrie als Schule der Ästhetik

Auf diese Kategorien (als Ansatz einer Klassifi-kation von Grundvorstellungen) wurde währendder Tagung noch in unterschiedlichen Zusam-menhängen Bezug genommen. In seinem Vortragzog Philipp Ullmann dann Situated-Cognition-Ansätze heran und führte aus, dass Merkmale situ-ierten Denkens (sensorisch, gegenstandsorientiert,grafisch-funktional, konkret erfahrungsgebunden)wesentlich mit dem Aufbau von Grundvorstellun-gen verbunden sind.

Ana Kuzle (Paderborn) und Christian Dohr-mann (Halle) befassten sich mit Winkelvorstellun-gen zur Winkelgröße 1◦ in der Sekundarstufe I unduntersuchten zunächst die Berücksichtigung sta-tischer und dynamischer Aspekte des Winkelbe-griffs in Schulbüchern der Klassenstufe 6. Im Mit-telpunkt der Arbeiten von Kuzle und Dohrmann

steht die Frage, wie ein „reichhaltiges“ Winkelver-ständnis in einem zeitgemäßen mediengestütztenGeometrieunterricht anschaulich vermittelt unddurch eine an den Grundideen orientierte Begriff-sentwicklung der Ausbildung von Fehlkonzeptenbegegnet werden kann. Sie berichteten über ers-te Ergebnisse einer Studie, in der sie Schülerin-nen und Schüler der Klassenstufen 5 bis 10 hin-sichtlich ihrer Grundvorstellungen zur Winkelgrö-ße 1◦ qualitativ anhand von „Anna-Briefen“ unter-suchen und stellten daraus Beispiele vor.

Verena Rembowski (Saarbrücken) ging in ih-rem Vortrag Begriffsbilder und -konventionen in Be-griffsfeldern: Was ist ein Würfel? zunächst auf dassemiotische Dreieck Begriff-Bezeichner-Objekt unddabei mögliche Mehrdeutigkeiten am Beispiel desWürfels ein. Die durch Mehrdeutigkeiten entste-henden sich überlagernden und wechselwirken-den semiotischen Dreiecke führen zu Begriffsfel-dern. Ein solches wurde für den Begriff „Wür-fel“ anhand der Ergebnisse einer Schülerbefra-gung umrissen und anhand dessen eine Unter-scheidung zwischen Begriffsbildern und Begriffs-konvention vorgenommen. Anschließend entwi-ckelte Frau Rembowski auf der Grundlage phi-losophischer, psychologischer und fachmathemati-scher Überlegungen ein strukturiertes und struk-turierendes Modell von Begriffsbildung. Auf derGrundlage dieses Modells diskutierte sie die Fra-ge, was Grundvorstellungen sind bzw. sein sollenund illustrierte dies anschließend wiederum an-hand des Würfelbegriffs.

Matthias Hattermann (Bielefeld) untersuchtein seinem Vortrag Grundvorstellungsumbrüche beimÜbergang zur 3D-Geometrie Studierendenbearbei-tungen in 3D-DGS und dabei auftretende Schwie-rigkeiten. Diese sind vor allem zwei Gruppen zu-zuordnen: einerseits können dominierende menta-le Repräsentationen von 2D-Objekten die erfolgrei-che Durchführung raumgeometrischer Konstruk-tionen verhindern, andererseits aber auch fehlen-de mentale Schemata zur Softwarebedienung – inHinblick auf Grundvorstellungen zur Raumgeo-metrie ist natürlich die zuerst genannte Problem-kategorie interessanter. Herr Hattermann disku-tierte dazu normative, deskriptive und konstruk-tive Aspekte von Grundvorstellungen und stellteGrundvorstellungen im Zwei- und Dreidimensio-nalen u. a. am Beispiel von Orthogonalen gegen-über.

Simone Reinhold (Braunschweig) ging in ih-rem Vortrag Baustrategien von Vor- und Grundschul-

1 Aus Platzgründen können die Erklärungen zu den Kategorien hier nicht wiedergegeben werden, es sei dazu auf den Tagungsbandverwiesen, der zu dieser AK-Herbsttagung erscheinen wird.

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kindern: Zur Artikulation räumlicher Vorstellungen inkonstruktiven Arbeitsumgebungen vor allem auf dasProjekt (Y)CUBES K-4 ein, das sich der Frage nachZusammenhängen zwischen konkreten Konstruk-tionen und mentalen Operationen widmet. Dabeizeigten sich in bereits durchgeführten Teilstudi-en anhand von Charakterisierungen der Baustra-tegien, die Vor- und Grundschulkinder einsetz-ten, u. a. enge Zusammenhänge zwischen räum-lichen Vorstellungen und elementaren arithmeti-schen Konzepten. Implikationen, die sich aus denErgebnissen des Projekts für geometrische Aktivi-täten in der mathematischen Frühförderung und inHinblick auf den Geometrieunterricht der Grund-schule ergeben, beziehen sich vor allem auf denEntwurf von Lernumgebungen, die geometrisch-konstruktivistische Aktivitäten in Verbindung mitarithmetischen Anforderungen bringen.

Katharina Gaab (Saarbrücken) befasste sich inihrem Vortrag Geometrie in der „Hauptschule“ mitder Frage, wie ein zeitgemäßer Geometrieunter-richt für Hauptschüler bzw. Schüler ähnlichenLeistungsniveaus, welche die in den letzten Jah-ren neu geschaffenen Schultypen unterschiedli-chen Namens besuchen, gestaltet werden müss-te. Dazu ging sie zunächst auf die Reformen der1960er Jahre, im Rahmen derer die Volksschule indie Hauptschule überführt wurde, und die damitverfolgten Ziele ein. Dass diese verfehlt wurden, istnunmehr augenfällig und auch nach der Abschaf-fung der Hauptschule in vielen Bundesländernbleiben die Probleme dieser Schulform und ihrerSchülerschaft in der Praxis bestehen. Daher lohntdas Wiederaufgreifen der didaktischen Diskussionadäquater mathematischer Inhalte und Herange-hensweisen. Frau Gaab verglich dazu Begriffsein-führungen im Raumlehreunterricht der Volks- undim Geometrieunterricht der Hauptschule (z. B. hin-sichtlich des Begriffs „senkrecht“). Anschließendging sie auf die Diskussion um Basiskompetenzenein und warf einen Blick auf geometrische Inhal-te des Unterrichtsmoduls Mathematik und Physikder Handwerkskammer Hannover.

Emese Vargyas (Mainz) ging in ihrem VortragSymmetrien: Vom Spielen bis zum Formalisieren aufdie von Zoltan Dienes aufgestellten sechs Stufendes Mathematiklernens ein (freies Spiel, Spiel nachRegeln, Vergleich der Spiele, Repräsentation, Sym-bolisierung, Formalisieren). Diese Stufen wendetesie auf die Entwicklung von Vorstellungen zu Ach-sensymmetrien an und stellte hierzu eine Reihevon Aufgabenbeispielen für die einzelnen Stufenvor.

Viktor Fast und Rudolf vom Hofe (Bielefeld)bekräftigten in ihrem Vortrag Geometrische Darstel-lungen als Repräsentationen für algebraische Rechen-operationen am Beispiel der Multiplikation mit negati-

ven Zahlen zunächst die bereits von Rudolf Sträßergetroffene Aussage, dass Grundvorstellungen imBereich der Geometrie bislang wenig untersuchtsind. Der Vortrag bezog sich dann auch vorran-gig auf die Nutzung geometrischer Darstellungenfür die Entwicklung von Vorstellungen zu der fürLernende schwierig zu begreifenden Rechenope-ration der Multiplikation mit negativen Zahlen.Die Vortragenden verdeutlichten daran, wie sichgeometrische Darstellungen für die Repräsentati-on von algebraischen Aufgaben eignen, um tragen-de Grundvorstellungen aufbauen zu können. AlsGrundlage dient die Idee, die Multiplikation mitder Streckung zu assoziieren. An Beispielen stell-te sich heraus, dass die auf diese Weise vermittelteGrundvorstellung auch für weitere mathematischeInhalte trägt. So wurden Analogien zwischen derAddition rationaler Zahlen und der Vektoradditi-on sowie zwischen der Multiplikation rationalerZahlen und der skalaren Multiplikation von Vekto-ren deutlich, die sich aus der geometrischen Inter-pretation rationaler Zahlen durch gerichtete Stre-cken bzw. Streckfaktoren beinahe zwangsläufig er-geben.

Thomas Müller (Wien-Krems) verstand seinenVortrag Leitideen des Geometrieunterrichtes und sei-ne Beiträge zur Allgemeinbildung als Diskussions-beitrag zu den Fragen: Wozu unterrichten wir inder Schule Geometrie? Welche Beiträge zur All-gemeinbildung kann der Geometrieunterricht leis-ten? Welche Schlüsselaktivitäten/Leitideen habensich im gegenwärtigen Unterricht herausgebildet?Welche Geometrie-Basics sollen wir – auch unterdem Gesichtspunkt des Einsatzes digitaler Medi-en – an die Schülerinnen und Schüler weiterge-ben? Er arbeitete dazu folgende Schlüsselaktivi-täten/Leitideen für den Geometrieunterricht her-aus: Idee der Rekonstruktion, Idee der Projekti-on, Idee der Koordinatisierung/Messung, Idee derAbstraktion/des Formenschatzes, Idee der Dyna-mik, wobei alle diese Ideen begleitet und gestütztwerden von der Idee des Begründens/Beweisens/Argumentierens.

Michael Gieding (Heidelberg) hielt einen Vor-trag über Das Haus der Vierecke aus der Sichtdes Heidelberger Winkelkreuzes. Dieses besteht auszwei identischen Holzleisten, die in ihrem Mit-telpunkt mittels einer Schraube mit Flügelmut-ter verbunden sind. Dadurch ist es möglich,die Leisten durch Drehung zueinander in ei-ne neue Lage zu bringen. Auf den Leistensind Holzstifte in äquidistanten Abständen ange-bracht, so dass mittels eines Gummibandes Figu-ren auf dem Winkelkreuz gespannt werden kön-nen. Insbesondere können Schülerinnen und Schü-ler spielerisch-experimentell Eigenschaften unter-schiedlicher Vierecksarten untersuchen. Die Ver-

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Heidelberger Winkelkreuz (Foto: M. Gieding)

Abb. 30: Flächentreue Karte von Stab – Werner

Die flächentreue Herzkarte von Stab–Werner (H. Walser)

wendung des Winkelkreuzes „provoziert“ dabeiganz natürlich insbesondere die Betrachtung derDiagonalen, was u. a. zu folgenden Begriffsbildun-gen führt: Ein Parallelogramm ist ein Viereck, des-sen Diagonalen einander halbieren, ein Rechteckist ein Parallelogramm, dessen Diagonalen gleich-lang sind. Der Vortragende berichtete über erstediesbezügliche Erfahrungen.

Hans Walser (Basel) stellte in seinem VortragMaßstab eins zu eins. Geometrie für Geomatiker ex-emplarisch geometrische Beispiele aus der Aus-bildung Studierender in Geomatik, Kartographie,Vermessungswesen und Geographie vor. Viele sei-ner Beispiele (aus der Kartographie) mit räumli-chen und sphärischen Überlegungen sind auch fürden Schulunterricht geeignet. Insbesondere ver-deutlichen sie auch häufig auftretende Schwierig-keiten, adäquate Beziehungen zwischen Wegen,die auf Karten eingezeichnet sind, und den ent-sprechenden Wegen auf der Erdoberfläche herzu-stellen.

Ein Poster zu Teilprozessen der stoffdidaktischenMethode (in der Geometrie), das den zentralen Stel-lenwert der Herausbildung von Grundbegriffenund Grundvorstellungen verdeutlicht, wurde vonAnselm Lambert (Saarbrücken) ausgestellt. DessenInhalt möchten wir gern innerhalb der GDM zurDiskussion stellen, das Poster ist daher auf derhinteren inneren Umschlagseite dieses Heftes ab-gedruckt.

Die Breite der während der AK-Tagung dis-kutierten Themen wirft ein Schlaglicht auf dieVielschichtigkeit der Thematik „Geometrie zwi-schen Grundbegriffen und Grundvorstellungen“.Der Arbeitskreis wird diese Thematik auf seinenkommenden Tagungen weiter verfolgen.

Das nächste Treffen des Arbeitskreises findet inKoblenz auf der Bundestagung im März 2014 statt.Hierzu ergeht schon heute die Einladung.

Andreas Filler, Humboldt-Universität zu Berlin, Insti-tut für Mathematik, Unter den Linden 6, 10099 Berlin,Email: [email protected] Lambert, Universität des Saarlandes, Postfach151, 66041 Saarbrücken, Email: [email protected]

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Arbeitskreise 35

Arbeitskreis GrundschuleTabarz, 08.–10.11.2013

Claudia Lack

In diesem Jahr widme-te sich die Herbstta-gung des Arbeitskrei-ses Grundschule demThema „Mathematikvernetzt“. Wie gewohnttrafen sich dazu amersten Novemberwo-chenende ca. 120 Teil-nehmerinnen und Teil-nehmer aus den ver-schiedenen Bereichender Lehreraus- und -

weiterbildung in Tabarz im Thüringer Wald. DieHauptvortragenden waren Dagmar Bönig (Bre-men), Kristina Reiss und Gabriele Moll (Mün-chen), Jürgen Roth (Landau), Marcus Nühren-börger (Dortmund) sowie Albrecht Beutelspacher(Gießen).

Dagmar Bönig stellte in ihrem Vortrag „Kinderentern Sprache und Mathematik mit der Schatz-kiste“ ein Projekt zur Frühförderung in Kinder-tagesstätte und Familie vor. Es geht dabei umdie sprachliche und mathematische Förderung vonKindern aus bildungsfernen Familien im letztenKindergartenjahr. Aus einer „Schatzkiste“ könnensich die Kinder u. a. Bücher und Spiele rund umdie Mathematik ausleihen und zuhause mit der Fa-milie spielen. Begleitet wird dies durch eine wö-chentlich stattfindende Kreisphase in der Kinder-tagesstätte. Hier bekommen die Kinder neue An-gebote vorgestellt und berichten von ihren Erfah-rungen. Elternabende runden das Projekt ab.

Der Vortrag von Kristina Reiss und GabrieleMoll mit dem Titel „Zwischen den Fächern: In-terdisziplinäres Arbeiten im Mathematikunterrichtder Grundschule“ widmete sich den Bezügen zwi-schen dem Unterrichtsfach Mathematik und ande-ren Fächern der Grundschule. Dabei wurde ins-besondere auf die mündliche und schriftliche Ver-sprachlichung mathematischer Sachverhalte einge-gangen und die hohe Bedeutung der Sprache imMathematikunterricht herausgearbeitet.

„Vernetzen als durchgängiges Prinzip – DasMathematik-Labor ‚Mathe ist mehr‘“ war der Ti-tel des Vortrags von Jürgen Roth. Er stellte die Ar-beit des Mathematik-Labors der Universität Land-

au vor, welches mit der Unterstützung von Studie-renden betreut wird und von Schulklassen vor Ortbesucht werden kann. Am Beispiel der Laborsta-tion „Mathematik und Kunst“ verdeutlichte Rothdas forschende Lernen von Gruppen und stellte fä-cherbindende Aspekte heraus. Außerdem ging eru. a. auf die Konzeption, Umsetzung und Evalua-tion des Projektes ein.

In seinem Vortrag mit dem Titel „Mathematik-haltige Erzählanlässe – Vernetzung zwischen Ki-ta und Grundschule“ warf Marcus Nührenbörgerdie Frage auf, wie die Diskrepanz zwischen dereher informellen Mathematik von Kindergarten-kindern (Straßenmathematik) und der formalisier-ten Schulmathematik überwunden werden kann.Eine Möglichkeit sieht er in der Etablierung ma-thematikhaltiger Erzählanlässe. Sie können durchproduktive Lerngelegenheiten initiiert werden undermöglichen sowohl spielerisch-konkrete als aucheher symbolische Lernprozesse.

Albrecht Beutelspacher schloss die Tagung mitseinem Vortrag zum Thema „Mathematik für al-le! (Wie) geht das?“ ab. Im Mittelpunkt des Vor-trags stand das Mathematikum in Gießen, dessenChancen, Wirkungen und Grenzen Beutelspacheraufzeigte. Er arbeitete dabei insbesondere die Wir-kung des Mathematikums auf die Besucherinnenund Besucher heraus, die in der Regel Freude, Mo-tivation und Ehrgeiz bei der Auseinandersetzungmit den Exponaten zeigen und äußern.

Während der Tagung in Tabarz wurden zu-dem die folgenden acht Arbeitsgruppen angebo-ten. Hier konnte zu verschiedenen Bereichen ge-arbeitet werden, wobei vor allem laufende For-schungsprojekte vorgestellt und diskutiert wur-den:

Arithmetik (Koordination: Elisabeth Rathgeb-Schnierer)Sachrechnen (Koordination: Dagmar Bönig)Geometrie (Koordination: Carla Merschmeyer-Brüwer & Simone Reinhold)Lehrerfortbildung (Koordination: MarianneGrassmann, Christoph Selter)Kommunikation & Kooperation (Koordination:Birgit Brandt & Marcus Nührenbörger)Vorschulische Bildung (Koordination: MeikeGrüßing)

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Daten, Zufall und Wahrscheinlichkeit (Koordi-nation: Bernd Neubert)Lernen und Forschen mit Neuen Medien in derPrimarstufe (Koordination: Silke Ladel & Chri-stof Schreiber)

Auch zu dieser Herbsttagung wird wieder ein Ta-gungsband herausgegeben. Dieser enthält ausführ-liche Beiträge, die sich auf die Hauptvorträge derTagung beziehen, und dokumentiert zudem Er-gebnisse aus den Arbeitsgruppen.

Der Tagungsband erscheint in der Reihe„Mathematikdidaktik Grundschule“ der UBP(University of Bamberg Press) unter dem Ti-tel der Tagung und wird erneut von Anna Su-sanne Steinweg (Bamberg) herausgegeben. ÜberOPUS (http://opus4.kobv.de/opus4-bamberg/frontdoor/index/index/docId/5697) besteht Zu-

gang zur elektronischen Version des Tagungsban-des.

Die nächste Herbsttagung des ArbeitskreisesGrundschule zum Thema „10 Jahre Bildungsstan-dards“ wird vom 07.–09.11.2013 in Tabarz statt-finden. In den Arbeitsgruppen dieser Tagungsollen auch Nachwuchswissenschaftlerinnen und-wissenschaftler wieder die Gelegenheit bekom-men, ihre laufenden Projekte vorzustellen.

Weitere Informationen und Anregungen findenSie auf der Internetseite des AK Grundschule un-ter http://didaktik-der-mathematik.de/ak/gs/.

Claudia Lack, Universität Paderborn, Institut für Ma-thematik EIM, Warburger Straße 100, 33098 Paderborn,Email: [email protected]

Arbeitskreis Mathematikunterricht und InformatikSaarbrücken, 27.–29. 9. 2013

Ulrich Kortenkamp und Anselm Lambert

Zum 31. Mal fand im Herbst 2013 die traditionelleArbeitstagung des AK Mathematikunterricht undInformatik in der GDM statt.

Die Tagungen des Arbeitskreises dienen Den-jenigen (auch nicht GDM-Mitgliedern), die sichmit der Rolle der Informatik für dem Mathema-tikunterricht und speziell dem Einsatz des Com-puters im Mathematikunterricht sowie den metho-dischen, didaktischen, mathematischen und politi-schen Konsequenzen daraus befassen, als Forum,Diskussionsort und Quelle der Inspiration. DasThema der Tagung – Diskrete Mathematik – wur-de der guten Tradition folgend auf der AK Sitzungim Rahmen der Jahrestagung der GDM in Münsterbeschlossen.

Informationen zu den Einzelbeiträgen fin-den Sie auf der Webseite der Tagung unterhttp://www.math.uni-sb.de/lehramt/index.php/ak-mui-13. Die Leitgedanken zur Tagung wurdenin der Tagungsankündigung im Heft 95 der Mit-teilungen der GDM veröffentlicht.

1 Eingeladene Hauptvorträge

Die Tagung wurde durch drei Hauptvorträge ge-tragen. Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Kurt Mehlhorn,

Direktor des Max-Planck-Instituts für Informa-tik, wurde als Fachvortragender zur Informatikeingeladen, Prof. Dr. Wolfram Decker, TU Kai-serslautern, als Fachvortragender zu Mathema-tik mit Computereinsatz, und Axel Wagner vomSaar-Pfalz-Gymnasium Homburg berichtete ausder Schulpraxis über den Informatikzweig seinerSchule, in dem Informatik bereits in der Mittelstu-fe ein Hauptfach mit vier Wochenstunden ist. Wirgeben hier die Zusammenfassungen der Vorträgeaus der Ankündigung der Tagung wieder.

1.1 Wolfram Decker: Computeralgebraexperimente inder algebraischen Geometrie

Viele Probleme in der Mathematik führen zumAufstellen von Gleichungen und zum Studiumder Lösungen dieser Gleichungen. Die algebrai-sche Geometrie beschäftigt sich mit Lösungsmen-gen polynomialer Gleichungssyteme. Dabei tretenendliche Punktmengen, Kurven, Flächen oder hö-herdimensionale Gebilde auf. Zum Studium die-ser Objekte wurden im Lauf der Zeit viele theo-retische und hochgradig abstrakte Methoden ent-wickelt, bei denen die definierenden Gleichungenin den Hintergrund treten. Andererseits ermögli-chen moderne Algorithmen der Computeralgebra

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Arbeitskreise 37

das Studium expliziter Beispiele gerade durch dieManipulation der Gleichungen. Auf diese Weisehält die experimentelle Methode Einzug in ein zen-trales, theoretisches Gebiet der Mathematik. Dasführt einerseits zu neuen theoretischen Erkennt-nissen, etwa zum Aufstellen neuer Vermutungenoder zur Konstruktion bisher unbekannter Beispie-le, und andererseits zu interessanten praktischenAnwendungen der algebraischen Geometrie etwain der Genetik, der Kodierungstheorie, der Kryp-tologie, der Computergraphik oder der Robotik. Inmeinem Vortrag gebe ich eine kurze, allgemeineEinführung in Computeralgebrasysteme an Handvon Beipielen und stelle dann einige Anwendun-gen theoretischer und praktischer Natur im Kon-text der algebraischen Geometrie vor.

1.2 Kurt Mehlhorn: Ideen der Informatik (Informatikfür Hörer aller Fakultäten)

Seit zwei Jahren halte ich jeweils im WS eine zwei-stündige Vorlesung Ideen der Informatik für Hö-rer aller Fakultäten und interessierte Gasthörer (imWS 11/12 zusammen mit Kosta Panagiotis, im WS12/13 und WS 13/14 zusammen mit Adrian Neu-mann). Im Vortrag werde ich die Vorlesung vorstel-len. Es folgt nun die Ankündigung der Vorlesung:

Informatik hat die Welt verändert und wirdsie weiter verändern. Denken sie an Internet,Suchmaschinen, Smartphones, Electronic Ban-king, Einkaufen im Internet, Suchmaschinen,Navigationssysteme, virtuelle soziale Netzwer-ke, Roboter und Wikipedia. Aber auch an Au-tos, Fotoapparate oder Espressomaschinen. In-formatik hat auch verändert, wie wir arbei-ten, kommunizieren und interagieren, spie-len und unsere Freizeit verbringen. Informatikhat auch verändert, wie Wissenschaft betriebenwird und wie große Firmen geleitet werden.Die Vorlesung hat drei Ziele:Wir werden sie mit Grundbegriffen der Infor-matik vertraut machen und die folgenden Fra-gen beantworten: Was ist ein Algorithmus? Wasist ein Computer? Sind alle Computer gleich?Können Computer alles oder gibt es Proble-me, die prinzipiell nicht durch einen Algo-rithmus gelöst werden können? Welchen Re-chenaufwand braucht es zur Lösung eines Pro-blems? Wie kann man sicher verschlüsseln?Sie sollen die Grundlagen wichtiger Informa-tiksysteme verstehen. Welche wissenschaftli-chen Erkenntnisse haben die in der Einleitunggenannten und andere Errungenschaften mög-lich gemacht? Wo sind die Grenzen dieser Sys-teme und was bedeutet das für sie?Sie sollen genügend Informatikwissen erwer-ben, damit sie die gesellschaftlichen Kon-sequenzen von Informatiksystemen (soziale

Netzwerke, Roboter, Verlust von Privatsphäre)fundiert diskutieren können. Voraussetzungen:Es werden keine Informatikkenntnisse und keinLeistungskurs Mathematik vorausgesetzt.

1.3 Axel Wagner: Informatikzweige im Saarland –Informatik als Hauptfach an Gymnasien

Der Vortrag zeigt verschiedene Aspekte des Schul-versuchs ,Informatikzweig an Gymnasien‘ auf. Wieist der Informatikzweig entstanden und wie ist sei-ne Einbettung in der Mittelstufe? Der Lehrplanund die Gewichtung der Themenbereiche (Inter-net, Algorithmische Grundstrukturen, Program-mierung, Grundlagen digitaler Schaltungen) wer-den kurz vorgestellt. Neben dem informatischenSchwerpunkt finden sich auch Inhalte der Diskre-ten Mathematik mit Anwendungen. Darüberhin-aus wird das spezielle Informatikprofil am Saar-Pfalz-Gymnasium von Klassenstufe 5 bis 12 unddie Erfahrungen damit vorgestellt.

2 Workshops

Wie üblich, wurde die Tagung durch Workshopsabgerundet. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmerkonnten an Arbeitsgruppen zur Arbeitsblattgestal-tung mit Hilfe von tikz und LuaLaTeX sowie zuMadipedia teilnehmen.

3 Einladung zur Mitgliederversammlung aufder Jahrestagung 2014

Wir laden hiermit alle Mitglieder des Arbeitskrei-ses zur Mitgliederversammlung anlässlich der Jah-restagung der GDM 2014 in Koblenz ein. Bitte in-formieren Sie sich im Tagungsprogramm über Zeitund Ort des Treffens. Wir rufen insbesondere zurBenennung von Kandidaten für die Leitung desArbeitskreises auf. Die bisherigen Leiter, AnselmLambert und Ulrich Kortenkamp, wurden bei derHerbsttagung im Amt bestätigt, sind aber ggf. be-reit bereits nach einem Jahr zurückzutreten.

Ulrich Kortenkamp, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Mathematik, Didaktik der Ma-thematik, 06099 Halle (Saale),Email: [email protected]

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38 Arbeitskreise GDM-Mitteilungen 96 · 2014

Arbeitskreis Psychologie und MathematikdidaktikRauischholzhausen, 18.–19. 10. 2013

Anke Lindmeier

Knapp 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmer tra-fen sich wieder zur Herbsttagung des Arbeits-kreises „Psychologie und Mathematikdidaktik“ imSchloss Rauischholzhausen, der Tagungsstätte derJustus-Liebig-Universität Gießen. In diesem Jahrkonnten wir Andreas Ostermann, Imke Knievelund Esther Brunner gewinnen, ihre Forschungs-projekte ausführlich vorzustellen. Passend zurAusrichtung des AKs wird in diesen Arbeiten ins-besondere die Nähe zur Bezugswissenschaft Psy-chologie deutlich, die sich in theoretischen, teilsaber auch deutlichen methodischen Bezügen nie-derschlägt.

Zufällig standen mit den Vorträgen drei For-schungsarbeiten zu Kompetenzen von Lehrkräf-ten zur Diskussion, wobei dieses Thema in un-terschiedlicher Granularität bearbeitet wurde. Mitder Einschätzung von Aufgabenschwierigkeitenim Bereich funktionaler Darstellungen bearbei-tete Andreas Ostermann eine Facette diagnosti-scher Kompetenzen, die stark wissensbasiert ist.In den Arbeiten von Imke Knievel wurden fürGrundschullehrkräfte Kompetenzmaße erarbeitet,die unterschiedliche Anforderungen des Lehrbe-rufs abbilden. Esther Brunner wiederum unter-suchte im Kontext des arithmetischen Beweisens,ob im Unterricht verwendete Beweistypen dasVerhältnis zwischen Kompetenzen der Lernen-den und der Lehrenden erklären können. Damitkonnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer derHerbsttagung ein breites Spektrum an Arbeiten ge-nauer kennenlernen. Die Rückschau zeigt, dass dieVortragenden den Diskurs im Anschluss an ihreVorträge ebenso als bereichernd erfuhren.

Neben den wissenschaftlichen Programm-punkten – die im Folgenden detailliert berichtetwerden – stand auch die Neuwahl einer der beidenSprecherinnen an. Dabei wurde Silke Ruwisch ein-stimmig für weitere 4 Jahre gewählt, so dass wiruns über kompetente Kontinuität freuen können.Herzlichen Glückwunsch!

Andreas Ostermann, PH Freiburg:Fachliche Kompetenzen und Schwierigkeits-einschätzungen als Facette diagnostischerKompetenz

Adaptives Unterrichten setzt bei Lehrkräften dieFähigkeit zur Einschätzung von Lernvorausset-

zungen als eine wesentliche Facette fachbezogenerpädagogischer Kompetenz (PCK) voraus. Studi-en belegen jedoch erhebliche Fehleinschätzungenbei der Beurteilung von Aufgabenschwierigkeiten,im Einklang mit der Theorie des Expert-Blind-Spots (Hadjidemetriou & Williams, 2001; Nicker-son, 2001). Daher wurde untersucht, von welchenKompetenzfacetten die Fähigkeit der adäquatenSchwierigkeitseinschätzung abhängt und wie sieverbessert werden kann.

In einer ersten empirischen Studie wurdenAufgaben zu Funktionen in graphischer undtabellarisch-numerischer Darstellung untersucht.Im Vergleich der empirischen Lösungshäufigkei-ten (N = 230) mit den Einschätzungen von Studie-renden, Referendaren und Lehrkräften (N = 101)zeigte sich, dass zwischen den Gruppen die Ver-schätzungen mit zunehmender Praxiserfahrungabnahmen. Höheres schulbezogenes Fachwissenscheint die Verschätzungstendenzen zu verrin-gern. Die Unterschätzung bei graphischen im Ver-gleich zu numerisch-tabellarischen Aufgaben warin allen Gruppen signifikant größer. Dies lässt ei-ne stärkere „Komprimierung“ des Expertenwis-sens bei graphischen Items vermuten.

Eine Interventionsstudie belegte die Verbesse-rung der Schätzung von erwarteten Lösungshäu-figkeiten und Schwierigkeitsrangfolgen durch dieVermittlung von aufgabenbezogenen fachdidak-tischem Wissen über schwierigkeitsgenerierendeMerkmale. Eine bloßer Hinweis darauf, dass Lehr-kräfte Aufgabenschwierigkeiten im Allgemeinenunterschätzen, führte erwartungsgemäß zu einerverbesserten Schätzung von Lösungshäufigkeiten,jedoch nicht zu einer Verbesserung der Schwie-rigkeitsrangfolge. Eine Manipulation des Entschei-dungsmodus (intuitiv vs. deliberat) zeigte keinenEinfluss auf die Einschätzungsleistung.

Kernpunkte der Diskussion und neue PerspektivenEs wurden die Bedeutung der Komponenten vonUrteilsgenauigkeit nach Schrader und Helmke(1987), die sich als Niveaukomponente, Differen-zierungskomponente und Rangfolge beschreibenlassen, diskutiert. Diese Maße sind nicht fachlichund nicht inhaltlich gefasst. In der Diagnosefor-schung wurden diese Maße bislang in Kontexteneingesetzt, wo Lehrkräfte die eigenen Schülerin-nen und Schüler diagnostizieren. Damit ist der Be-

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Arbeitskreise 39

griff Diagnose im herkömmlichen Sinne enger be-legt als wir Ihn für unser Projekt verstehen. Jedochverstehen wir ihn inhaltsbezogen, da wir davonausgehen, dass das fachdidaktische Wissen überkonkrete Aufgaben in engem Zusammenhang mitder Diagnosefähigkeit einer Lehrkraft steht. FürLehrkräfte ist das Wissen über „typische“ Schüler-fehler und Verstehenshürden eine hilfreiche Vor-aussetzung, um in der eigenen Klasse sinnvoll dia-gnostizieren zu können. Was Schülern im Allge-meinen schwer fällt wird sich sehr wahrscheinlichauch in konkreten Fällen widerspiegeln.

In der Diskussion wurde deutlich, dass die be-rufspraktische Wichtigkeit der Schätzung empi-rischer Aufgabenschwierigkeiten in Abgrenzungzur theoretischen Aufgabenkomplexität schärferherausgearbeitet werden muss, um das Thema inden Bereich der Diagnostischen Kompetenz vonLehrkräften eingliedern zu können.

Imke Knievel, IPN Kiel:Erfassung der professionellen Kompetenzen vonGrundschullehrkräften mit videobasierten Items

Die Beschreibung und Erfassung der professio-nellen Kompetenzen von Lehrkräften stellt immernoch eine Herausforderung der empirischen Un-terrichtsforschung dar. Reine Papier-Bleistift-Testskönnen nur eingeschränkt die kontext-spezifischenAnforderungen des Unterrichtens abbilden undsomit nur einen Teil der professionellen Kom-petenzen erfolgreich messen. In diesem Projektwird ein dreigliedriges Kompetenzmodell zugrun-de gelegt, das über die (1) Wissenskomponen-te hinaus, (2) reflexive und (3) aktionsbezogeneKompetenzen umfasst (Lindmeier, 2011; Knievel,& Heinze, 2012). Ziel ist es, ausgehend von die-sem Modell ein reliables und valides Instrumentzur Erfassung der professionellen Kompetenzenvon Grundschullehrkräften im Mathematikunter-richt zu entwickeln. Besonders interessant ist da-bei, inwieweit sich insbesondere die aktionsbezo-genen Kompetenzen reliabel erheben lassen undwelche Zusammenhänge zwischen den drei Kom-petenzkomponenten bestehen. Die aktionsbezoge-nen Kompetenzen wurden erfasst indem die Lehr-kräfte dazu aufgefordert wurden, direkt und un-ter Zeitdruck auf videografierte Unterrichtsszenenmündlich zu reagieren. Mit einem computerbasier-ten standardisierten Test wurden die Kompeten-zen von N = 93 Lehrkräften erhoben. In dem Vor-

trag wurden erste Ergebnisse präsentiert. Die em-pirischen Daten zeigen auf, dass die vorgeschlage-ne dreigliedrige Kompetenzstruktur geeignet ist,um weitere Analysen durchzuführen.

Kernpunkte der Diskussion und neue PerspektivenDie Diskussion bezog sich hauptsächlich auf dieaktuelle Arbeitsphase des Projektes: Die Aufberei-tung und Auswertung der Daten. Es gibt fehlen-de Werte, die unter anderem durch das computer-basierte Erhebungsverfahren zu begründen sind.Hier wurden die Chancen und Grenzen von ak-tuellen Verfahren zum Umgang mit Missing Da-ta wie z. B. multiple Imputation diskutiert. Dar-über hinaus sei es interessant zu untersuchen, in-wiefern motivationale Variablen mit der Bearbei-tung der Items der aktionsbezogenen Kompeten-zen zusammen hängen. Weiterhin kam aus demArbeitskreis der Impuls, sich die Antworten derLehrkräfte unter speziellen inhaltlichen Gesichts-punkten anzuschauen, um weiterführende Einbli-cke zu bekommen. Beispielsweise kann mit denAntworten der Lehrkräfte aus dieser Studie unter-sucht werden, wie sich Lehrkräfte mit und ohneFacultas auf der inhaltlichen Ebene unterscheiden.Als Ausblick wurde überlegt wie die aktionsbezo-genen Kompetenzen mit dem Lehrerhandeln undder Unterrichtsqualität zusammen hängen könn-ten und wie Modelle für den Erwerb aktionsbezo-gener Kompetenzen aussehen könnten.

Dr. Esther Brunner, Pädagogische HochschuleThurgau, CH-Kreuzlingen: Beweistyp –Präferenz der Lehrperson oder Ausdruckadaptiver Unterrichtsplanung?

Im Vortrag wurde ein Einblick in ausgewählteAspekte einer abgeschlossenen Dissertation gege-ben. Diese Arbeit steht im Kontext des Projekts„Didaktische Kommunikation und Bildungswir-kungen im problemorientierten Mathematikunter-richt“1 und greift auf den binationalen Datensatzder Studie „Unterrichtsqualität, Lernverhalten undmathematisches Verständnis“ – auch bekannt als„Pythagoras-Studie“ – zurück.

Untersucht wurde unter anderem in 32 Klas-sen des 8./9. Schuljahrs, welche Beweistypen beider Bearbeitung der gleichen innermathemati-schen Aufgabenstellung realisiert wurden und obes Zusammenhänge zwischen dem in den Klassenbearbeiteten Beweistyp und dem Schultyp sowieMerkmalen der Lehrpersonen gibt. Die Ergebnisse

1 Dieses Projekt (Antragssteller: Prof. Kurt Reusser, PD Dr. Christine Pauli) wurde vom Schweizerischen Nationalfonds SNF(Projekt-Nr. 100013-113971/1) unterstützt und stellt ein Fortsetzungsprojekt der Videostudie „Unterrichtsgestaltung, Lernverhaltenund mathematisches Verständnis“ dar, das ebenfalls vom SNF (Projekt-Nr. 1114-63564.00/1) sowie von der DFG (AktenzeichenKL1057/3) unterstützt worden war.

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40 Arbeitskreise GDM-Mitteilungen 96 · 2014

deuten darauf hin, dass der durchgeführte Bewei-styp eher als eine persönliche Präferenz der Lehr-person interpretiert werden kann und weniger ei-ner adaptiven Unterrichtsplanung bezogen auf dieAnforderungen des Schultyps folgt.

Des Weiteren wurde in einem explorativenVorgehen geprüft, inwiefern sich Zusammenhän-ge zwischen verschiedenen Beweistypen einerseitsund der Klassenleistung andererseits beschreibenlassen. Dazu wurde die videografierte Bearbei-tung der Beweisaufgabe mit den Leistungsdatender Schülerinnen und Schüler in Beziehung ge-bracht. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass jenach durchgeführtem Beweistyp die Eingangsvor-aussetzungen der Klassen unterschiedlich ausfal-len und sich auch die Leistungsentwicklung derLernenden unterschiedlich gestaltet.

Im Vortrag wurde ein Einblick in die umfang-reiche Studie anhand der für die Präsentation aus-gewählten Fragestellungen gegeben. Im Rahmender Dissertation wurde ein kognitionspsycholo-gisch geprägtes Prozessmodell des Beweisens undArgumentierens entwickelt, das in einer verein-fachten Version ebenfalls präsentiert und zur Dis-kussion gestellt wurde.

Kernpunkte der Diskussion und neue PerspektivenIn der anschliessenden Diskussion wurden insbe-sondere das entwickelte Prozessmodell des schuli-schen Beweisens aufgegriffen sowie die möglichenInterpretationen der Ergebnisse, die im Rahmender explorativen Studie gewonnen worden waren,thematisiert. Dies hat zum einen dazu beigetragen,das entwickelte Modell zu schärfen und begrifflichzu präzisieren und zum anderen zum grundsätz-lichen Nachdenken über die Präsentation von Er-gebnissen aus explorativen Studien und dem Um-gang mit möglichen Artefakten angeregt. Das Pro-zessmodell des schulischen Beweisens wird zurzeitfür eine geplante Publikation weiter präzisiert.

Organisatorisches und Ausblick

Im Namen aller Teilnehmerinnen und Teilnehmerdarf ich den Vortragenden für Ihre Bereitschaftdanken, ihre Arbeiten zur Diskussion zu stellen!

Im Jahr 2014 wird sich der AK Psychologieund Mathematikdidaktik voraussichtlich vom 10.bis 11. Oktober im Schloss Rauischholzhausen ein-finden, um bis zu vier neue Projekte ausführ-lich zu diskutieren. Dabei soll das Forum wie-der für fortgeschrittene oder kurz vor dem Ab-schluss stehende Arbeiten – die nicht notwendi-gerweise Promotionsarbeiten sein müssen – of-fen sein. Ihr Interesse an der Tagung können Siebei einer der beiden Sprecherinnen Silke Ruwisch

([email protected]) oder Anke Lindmei-er ([email protected]) bekunden. Auf derGDM 2014 wird der AK Psychologie und Mathe-matikdidaktik – wie im letzten Jahr erfolgreich er-probt – wieder im Rahmen eines normalen Sekti-onsvortrags in Erscheinung treten und über seineArbeit informieren. Somit werden wir nicht paral-lel zu den anderen Arbeitskreisen der GDM tagen.Wenn Sie also Interesse haben und Kontakt zu unsaufnehmen möchten, so achten Sie bitte auf ent-sprechende Ankündigungen. Herzlichen Dank.

Gemeinsames Literaturverzeichnis

Brunner, E. (2012). Innermathematisches Beweisen und Argumen-tieren auf der Sekundarstufe I. Unveröffentliche Dissertation.Zürich: Universität.

Brunner, E. (2013). Innermathematisches Beweisen und Argumen-tieren in der Sekundarstufe I. Münster: Waxmann.

Hadjidemetriou, C., & Williams, J. (2001): Children’s graphi-cal conceptions: Assessment of learning for teaching. In M.van den Heuvel-Panhuizen (Hrsg.), Proceedings of the 25thConference of the International Group for the Psychologyof Mathematics Education (Bd. 3, S. 89–104). Utrecht (TheNetherlands):PME.

Klieme, E., Pauli, C., & Reusser, K. (2009). The Pythagoras Stu-dy. In T. Janik & T. Seidel (Hrsg.), The power of video studiesin investigating teaching and learning in the classroom (S. 137-160). Münster: Waxmann.

Knievel, I., & Heinze, A. (2012). Erfassung der fachspezifischenprofessionellen Kompetenzen von Mathematiklehrkräftenin der Grundschule. In M. Kleine & M. Ludwig (Hrsg.),Beiträge zum Mathematikunterricht 2012 (Bd. 1, S. 457–460).Münster: WTM.

Lindmeier, A. (2011). Modeling and measuring knowledge and com-petencies of teachers: A threefold domain-specific structure modelfor mathematics. Münster: Waxmann.

Nickerson, R. S. (2001). The projective way of knowing: A use-ful heuristic that sometimes misleads. Current Directions inPsychological Science, 10(5), 168–172.

Schrader, F.-W., & Helmke, A. (1987). Diagnostische Kompe-tenz von Lehrern: Komponenten und Wirkungen. Empiri-sche Pädagogik, 1, 27–52.

Anke Lindmeier, IPN Kiel, Olshausenstraße 62,24118 Kiel, Email: [email protected]

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Arbeitskreise 41

Arbeitskreis Schweiz-LiechtensteinSolothurn, 18. 1. 2013

Esther Brunner and Lis Reusser

Wegen starken Schneefalls fielen Michael Gaido-schiks Flug in die Schweiz und somit auch seinVortrag „Zählendes Rechnen: Notwendiger Zwi-schenschritt, unnatürlich oder . . . ?“ aus. Glückli-cherweise war der zweite Referent, René Schelldor-fer, so flexibel, dass er statt den Abschluss der Ta-gung nun den Einstieg übernahm und mit „Über11 · 11, Zylinder mit Löchern und ein Seil um einenFussball – Überlegungen zur Ästhetik der Mathe-matik“ das Publikum begeisterte.

Anschliessend standen neun Ateliers zur Wahl,die von Mitgliedern des AKs angeboten wurden:

Reinhold Haug: „Mit Holzwürfeln die Welt derMuster und Strukturen entdecken“Stefan Meyer: „Optimierung der Mathematik-Kurztests (MKT)“Thomas Royar and Simone Ziska: „Vorstellun-gen von Kindern zur Bedeutung von Multipli-kationstermen“Christof Weber: „Einige Grundvorstellungenzum Logarithmus – oder: Wie kann der Loga-rithmus verständlich(er) gemacht werden?“Barbara Zutter: „Diskussionrunde zur Analysedes mathematischen Inhalts für den Unterricht“Marianne Flückiger Bösch: „Wie viel Aufmerk-samkeit braucht die Mathematik?“Beat Jaggi: „Prognosen sind schwierig, beson-ders wenn sie die Zukunft betreffen“Hansruedi Kaiser: „Fachrechnen vom Kopf aufdie Füsse gestellt“Christine Streit: „Gemeinsam für einen gutenMathestart“

Nach der Mittagspause informierte Roland Keller,abtretender Vorsitzender des AK Schweiz-Liech-tenstein, die Mitglieder über laufende Geschäfteder GDM sowie die finanzielle Situation der GDMund des AK Schweiz-Liechtenstein und machtedeutlich, dass eine Erhöhung des Mitgliederbei-trags unausweichlich sei. Da unserem AK als Teilder GDM rechtliche Grundlagen fehlen, konntenEsther Brunner, PH Thurgau und Lis Reusser, PHBern als neue Co-Vorsitzende des AK Schweiz-Liechtenstein nicht durch die Mitglieder gewähltwerden und führen ihr Amt nun ohne offiziellenAuftrag, was unbefriedigend ist.

Neu setzt sich der Vorstand wie folgt zusam-men: Esther Brunner und Lis Reusser (Vorsitz), Ga-briela Schürch (Kasse und Mitgliederverwaltung),Roland Keller (Beirat GDM), Christof Weber undRita Krummenacher (Protokoll)

Sitzungen und Geschäfte

Rechtlicher Status des AK Schweiz-LiechtensteinIn mehreren Sitzungen hat sich der Vorstand mitder ungeklärten rechtlichen Situation des AKsSchweiz-Liechtenstein beschäftigt. So haben wirim Vorstand nicht nur kein Mandat von unserenAK-Mitgliedern durch eine entsprechende Wahl,es fehlt auch eine Beschreibung der Rechte undPflichten. Der AK Schweiz-Liechtenstein ist Teilder GDM und die 128 Mitglieder sind Mitgliedunseres AKs und der GMD. Der fehlende rechtli-che Rahmen in der Schweiz führt für unseren gros-sen AK dazu, dass wir deutschem Recht unterstelltsind, obwohl wir in der Schweiz agieren. Das hatzur Folge, dass wir z. B. kein Bankkonto eröffnenkönnen, weshalb der Kassier oder die Kassierin dieMitgliederbeiträge auf einem Privatkonto verwal-ten und dieses privat versteuern muss.

Diese Situation hat uns veranlasst, mit Rudolfvom Hofe, dem 1. Vorsitzenden der GDM Kontaktaufzunehmen. Unser Vorschlag: Der AK Schweiz-Liechtenstein wird zum Schweizer Verein „GDMSchweiz“ mit eigenen Statuten und als juristischePerson Teil der GDM. Damit hätten wir Sektions-Status, könnten in der Schweiz nach SchweizerRecht agieren und uns als nationale Ansprechin-stanz für fachdidaktische Fragen positionieren. DieMitglieder der GDM Schweiz würden der GDMangehören mit den üblichen Rechten und Pflichtenund gleichzeitig Mitglied der GDM Schweiz sein.Es liegt uns fern, uns von der GDM abzuspalten,aber wir brauchen einen geklärten rechtlichen Sta-tus für unsere Aktivitäten in der Schweiz. UnserAnliegen wurde im Beirat der GDM diskutiert undstiess auf offene Ohren. Nun wird es im Vorstandder GDM weiter bearbeitet und wir hoffen, dassbis zur Jahrestagung der GDM in Koblenz-Landaudefinitive Entscheide vorliegen.

Zusammenarbeit mit der SGL (SchweizerischeGesellschaft für Lehrerinnen- und Lehrerbildung)Da der grösste Teil der rund 20 Mitglieder der nochjungen Arbeitsgruppe Mathematikdidaktik derSGL auch Mitglied im AK Schweiz-Liechtensteinder GDM ist, scheint uns eine Zusammenarbeitsinnvoll. So organisieren und finanzieren wir dieWintertagung 2014 gemeinsam. Die SGL wirddurch Marianne Walt, die neue Präsidentin derSGL-Arbeitsgruppe, vertreten.

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42 Tagungsberichte GDM-Mitteilungen 96 · 2014

KOFADIS (Konferenz der Fachdidaktiken Schweiz)Die neue Gruppierung KOFADIS um Peter La-budde und Philippe Hertig hat zum Ziel, dieverschiedenen Fachdidaktikverbände der Schweizzusammenzubringen und zu einem nationalenSprachrohr und Ansprechpartner in Bildungsfra-gen zu werden. Der Vorstand des AK Schweiz-Liechtenstein der GDM unterstützt diese Idee, al-lerdings fehlt uns auch hier die rechtliche Grund-lage, um handlungsfähig zu sein und einen offizi-ellen Beitritt zu erklären.

Planung AnlässeDas Programm für die Wintertagung am 17. Januar2014 in Zürich steht. Erfreulicherweise sind wie-derum genügend Kolleginnen und Kollegen desAKs bereit, ein Atelier zu leiten.

2015 werden wir auf die Durchführung derWintertagung verzichten, weil dann die FHNWdie Jahrestagung der GDM in Basel ausrichtet. Wirmöchten die Schweizer Mitglieder auffordern, sichdaran aktiv zu beteiligen (z. B. Unterstützung undMitarbeit beim LehrerInnen-Tag) und teilzuneh-men.

Stellungnahme zum Lehrplan 21

Der AK Schweiz-Liechtenstein der GDM wurdenicht explizit zur Vernehmlassung eingeladen. Der

Vorstand beschloss jedoch, die Möglichkeit da-zu wahrzunehmen und hat eine Stellungnahmeverfasst. Grundsätzlich begrüssen wir die Schaf-fung eines einheitlichen Lehrplans für die 21

deutschschweizer Kantone, haben aber einige in-haltliche Vorbehalte. So fehlt aus unserer SichtKonsistenz in den Formulierungen über die dreiZyklen hinweg. Zudem wird der zitierte Kom-petenzbegriff nach Weinert in den engen „SuSkönnen-Formulierungen“ nicht umgesetzt. Die ausunserer Sicht ungünstige Zusammenführung vonje zwei unterschiedlichen Kompetenzen aus demHarmoS-Modell und dem nicht geklärten Binde-wort „und“ dazwischen führt dazu, dass die Kom-petenzbeschreibungen zu wenig konsistent ausfal-len: In einigen Fällen wird die eine der beidenKompetenzen angesprochen, in anderen die zwei-te und manchmal beide. Des Weiteren kritisierenwir die Stellung der Informatik als integralen Teildes überfachlich angelegten Themas „ICT und Me-dien“ ohne eigenes zeitliches Gefäss.

Esther Brunner, Pädagogische Hochschule Thurgau, Un-terer Schulweg 3, 8280 Kreuzlingen, Schweiz, Email:[email protected] Reusser, PH Bern, Institut für Heilpädagogik, Fa-brikstrasse 8, 3012 Bern, Schweiz, Email:[email protected]

37th Conference of the International Groupfor the Psychology of Mathematics Education

Über 600 Wissenschaftlerinnen undWissenschaftler von allen Kontinentenzu Gast in DeutschlandAiso Heinze

Erstmals nach 35 Jahren fand 2013 wieder die Con-ference of the International Group for the Psycho-logy of Mathematics Education (PME) in Deutsch-land statt. Gastgeber war das Leibniz-Institut fürdie Pädagogik der Naturwissenschaften und Ma-thematik (IPN) in Kiel, das mit der PME 37 die imJahr 2013 weltweit größte internationale Konferenzzur Mathematikdidaktik ausrichtete.

Über 600 Wissenschaftlerinnen und Wissen-schaftler aus fast 50 Ländern trafen sich vom

28.07.-02.08.2013 in Kiel, um sich über die neuestenForschungsergebnisse aus der Mathematikdidak-tik sowie den angrenzenden Disziplinen Psycholo-gie, Soziologie, Philosophie und den Erziehungs-wissenschaften auszutauschen. Unter dem Kon-ferenzthema „Mathematics Learning Across the LifeSpan“ fanden fast 400 Vorträge, 75 Posterpräsenta-tionen und 28 Arbeitsgruppentreffen statt, die diespezifischen Herausforderungen des Kompetenz-erwerbs von mathematischen Inhalten in den ver-schiedenen Altersgruppen thematisierten. Dabeistand nicht nur die Verbesserung des Mathema-tikunterrichts in der Schule im Fokus, sondernes wurde von der Rolle des mathematischen Anre-gungspotenzials im Kindergarten über die Heraus-forderungen des Mathematiklernens im Studium

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Tagungsberichte 43

PME Präsident João Filipe Matos, Universität Lissabon (Portu-gal) (Foto: ©IPN Kiel)

Die International Group for the Psychology ofMathematics Education (PME) ist eine wissen-schaftliche Organisation mit Mitgliedern ausmehr als 60 Ländern. Sie wurde 1976 wäh-rend der ICME 3 gegründet und richtet seit1977 jährlich eine Konferenz aus, die abwech-selnd in verschiedenen Teilen der Welt stattfin-det. Nach den Tagungsorten Belo Horizonte (Bra-silien, 2010), Ankara (Türkei, 2011) und Taipeh(Taiwan, 2012) wurde Kiel als Tagungsort für dieKonferenz 2013 gewählt. Die 38. PME-Konferenzwird vom 15.–20. 7. 2014 in Vancouver (Kanada)zum Konferenzthema „Mathematics Educationat the Edge“ stattfinden, nähere Informationenunter http://www.pme38.com.

bis hin zu mathematischen Kompentenzen von Er-wachsenen die gesamte Lebensspanne in den Blickgenommen. Wie auf PME-Tagungen üblich, gab esauch eine National Presentation des Gastgeberlan-des, in der ein Überblick über die mathematik-didaktische Forschung in Deutschland mit Bezugzur PME gegeben wurde. Die National Presenta-tion wurde von einem Team um Regina Brudervorbereitet und präsentiert (vgl. Abschnitt unten)und stieß trotz einer parallelen Postersession aufgroßes Zuschauerinteresse. Die Ausarbeitung zurNational Presentation findet sich in ausführlicherForm auch in den Proceedings der PME 37.

Als Hauptvortragende, die das Konferenzthe-ma Mathematiklernen über die Lebensspanne inihren Plenarvorträgen aus verschiedenen Perspek-tiven beleuchteten, traten Prof. Dr. Doug Clarkevon der Universität Melbourne (Australien), Prof.Dr. Iddo Gal von der Universität Haifa (Israel),Prof. Dr. João Filipe Matos von der UniversitätLissabon (Portugal) sowie Prof. Dr. Kristina Reissvon der TUM School of Education München auf.

Kristina Reiss gab in dem Eröffnungsvortrag derTagung einen Überblick über die Bedeutung ma-thematischer Kompetenz für die individuelle Ent-wicklung und über vorliegende Erkenntnisse zurEntwicklung mathematischer Kompetenz über dieLebensspanne. Doug Clarke berichtete über dasvon ihm geleitete Early Numeracy Project in Aus-tralien, in dem Curriculum, Lernmaterialien, In-strumente zur Diagnose und Förderung sowie dar-auf abgestimmte Lehrerfortbildungen erfolgreichin ein kohärentes Konzept zum Mathematiklernenintegriert, in die Schulpraxis implementiert undschließlich evaluiert wurden. Iddo Gal, Leiter derinternationalen Expertengruppe Numeracy für diePIAAC-Studie der OECD (sog. „PISA für Erwach-sene“), thematisierte die mathematischen Kennt-nisse von Erwachsenen. Er wies insbesondere aufdie wichtige Rolle mathematischer Kompetenzensowohl für das Privatleben (z. B. beim Abschlussvon Kreditverträgen) als auch für die beruflichenKarrierechancen hin. Darüber hinaus stellte er Er-gebnisse verschiedener Studien vor, nach denenauch bei Erwachsenen eine vergleichsweise große„Risikogruppe“ existiert, die Schwierigkeiten mitelementaren mathematischen Anforderungen wieetwa dem Vergleich von Zinssätzen bei Sparbü-chern hat. Der PME-Präsident João Filipe Matos,der gemäß den Regularien der PME zum Ab-schluss seiner Amtszeit ebenfalls einen Hauptvor-trag präsentierte, thematisierte vor allem die inden letzten Jahrzehnten verwendeten Forschungs-ansätze in der PME. Auf Basis der Beiträge derPME-Proceedings von 2012 zeigte er exemplarischauf, welche Merkmale die bei der PME thematisier-te Forschung aufweist, wie sie eingeordnet werdenkann und wo Lücken zu finden sind.

Wie üblich auf internationalen Tagungen wur-de die gemeinsame Tagungszeit von vielen Teil-nehmerinnen und Teilnehmern für zusätzliche Ak-tivitäten außerhalb des Programms genutzt. Sofanden etwa Arbeitsgruppentreffen statt, wurdenEditorial Board Meetings verschiedener Zeitschrif-ten abgehalten und Buchprojekte mit den anwe-senden Verlagsvertretern besprochen.

Erfreulich war die große Präsenz von etwa 100

Kolleginnen und Kollegen aus der GDM auf derTagung. Schwankte die Beteiligung der GDM aufPME-Tagungen bisher immer zwischen ca. 20-50

Personen, so nutzten diesmal viele den „Heimvor-teil“ und die damit verbundenen geringeren Reise-kosten. Insbesondere Doktorandinnen und Dokto-randen haben die Möglichkeit ergriffen, die im ver-trauten Umfeld angebotenen internationalen For-schungsperspektiven kennenzulernen, sich in dieinternationale Diskussion einzubringen sowie Kol-leginnen und Kollegen zu treffen, die sie bishernur aus der Literatur kannten.

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44 Tagungsberichte GDM-Mitteilungen 96 · 2014

Tagungsleiter Aiso Heinze (IPN Kiel) (Foto: ©IPN Kiel)

Sehr zufrieden mit dem Tagungsverlauf ist daslokale Organisationskomitee vom IPN. Abgesehenvon wenigen kleineren Problemen verlief die Ta-gung im Wesentlichen reibungslos und es wur-de vielfach sogar explizit Lob ausgesprochen. Da-mit konnte nicht nur dem im Vorfeld aufgebautenErwartungsdruck weitgehend entsprochen werden(“In Germany, everything will be perfectly orga-nized.”), sondern in der internationalen Commu-nity auch ein guter Eindruck im Hinblick auf dieICME 2016 in Hamburg hinterlassen werden. AlsWermutstropfen bleiben allerdings diverse verwei-gerte Einreisevisa für Kolleginnen und Kollegenaus verschiedenen Ländern, ohne dass dabei eineSystematik der Visavergabe der jeweiligen deut-schen Botschaft erkennbar war. Auch wenn dieseProbleme in einigen Fällen durch eine Interventi-on seitens der Tagungsorganisation gelöst werdenkonnten, bleibt hier dennoch ein etwas traurigerNachgeschmack.

Erwähnenswert sind schließlich noch die Er-gebnisse der jährlichen Vorstandswahlen der PMEund der dieses Mal stattfindenden Präsident-schaftswahl. Zur PME-Präsidentin für die kom-menden drei Jahre wurde Barbara Jaworski vonder Universität Loughborough (Großbritannien)gewählt, die sich gegen Angel Gutiérrez (Univer-sität Valencia, Spanien) durchsetzte. Positiv ausGDM-Sicht ist die Wahl von Anke Lindmeier (Kiel)in das 16-köpfige International Committee (IC) derPME für die kommenden vier Jahre. Neben Ste-fan Ufer (München), der bereits 2011 gewählt wur-de, gibt es im obersten Entscheidungsgremium derPME damit zwei Mitglieder aus der GDM. Auf derIC-Sitzung direkt nach der Tagung wurde StefanUfer für das kommende Jahr schließlich noch zumVizepräsidenten der PME gewählt. Dazu noch ein-mal einen herzlichen Glückwunsch!

National PresentationRegina Bruder

Anlässlich der Konferenz bestand für den Gastge-ber die Möglichkeit, eine „National Presentation“zu gestalten, die den Teilnehmerinnen und Teil-nehmern Einblick in den Stand und die Entwick-lung PME-relevanter Forschung im Gastgeberlandgibt.

Ein solches Vorhaben bedarf eigentlich sehrlangfristiger Vorarbeit, wenn ein von der Com-munity im Wesentlichen mit getragener und le-gitimierter Bericht entstehen sollte. Das erschienaus zeitlichen und personellen Gründen schlichtnicht machbar. Die Tagungsleitung entschied sich,die Chance eines Selbstberichtes im bereits bei derPME etablierten Sinne zu nutzen, um bei aller Vor-läufigkeit und subjektiven Färbung eines solchenBerichtes die immer wieder notwendige Reflexi-on unseres Erkenntnis- und Diskussionsstandes inder empirischen fachdidaktischen Forschung imdeutschsprachigen Raum anzuregen und auch zubeleben.

Der letzte deutsche Bericht „Mathematikdi-daktik in der Bundesrepublik Deutschland“ füreinen internationalen Adressatenkreis über Aspek-te fachdidaktischer Forschung stammt aus demJahre 1992 und wurde für die ICME in Quebec vor-bereitet, vgl. ZDM (Nr. 7, 24. Jg., Sonderheft desZDM: FIZ Karlsruhe). Erkenntnisse der wissen-schaftlichen Community der DDR konnten hier-für aus personellen und zeitlichen Gründen nichtmehr berücksichtigt werden. Dies sollte zumindestansatzweise mit dem Bericht in den Konferenz-Proceedings – bezogen auf empirische Forschung– geleistet werden. Damit erhielt auch der Vortraganlässlich der Landespräsentation auf der PME inKiel sowohl die Funktion exemplarisch empirischeForschungs- und Diskussionsrichtungen in ihrerEntwicklung zu beschreiben als auch diese vordem jeweiligen bildungspolitischen Hintergrundzu verorten.

Der vorgelegte Bericht zur „national presenta-tion“1 beginnt mit einem knappen Abriss der bil-dungspolitischen Situation in Deutschland mit Be-zügen zur fachdidaktischen Forschung und derentheoretischer Fundierung (Kapitel 1, Regina Bru-der). In den Kapiteln 2 (Gert Schubring) und 3

(Hans Dieter Sill) wird die historische Entwick-lung der empirischen fachdidaktischen Forschungbeleuchtet auch vor dem Hintergrund markantergesellschaftlicher Entwicklungen, die durch den2. Weltkrieg und 1989 durch den Fall der Mauer

1 http://www.didaktik-der-mathematik.de/pdf/PME37_National_Presentation.pdf

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Tagungsberichte 45

und die Wiedervereinigung Deutschlands gekenn-zeichnet sind.

Entsprechend dem Motto dieser Tagung „Ma-thematics Learning Across the Life Span“ befasstsich das 4. Kapitel (Silke Ruwisch mit Unter-stützung durch Torsten Fritzlar und Kommenta-ren von Christiane Benz, Hedwig Gasteiger undJens-Holger Lorenz) mit Entwicklungen der em-pirischen Forschungen zum Kindergarten und zurGrundschule. Im 5. Kapitel (Bärbel Barzel und Ru-dolf Strässer) geht es um solche Aspekte und Ak-zente deutschsprachiger empirischer Forschung zuden beiden Sekundarstufen bis hin zur beruflichenBildung, die bisher auch auf den PME-Tagungenvorgestellt wurden. Im 6. Kapitel geht MichaelNeubrand näher auf die als „empirische Wende“bezeichnete Entwicklung in der fachdidaktischenForschung in Deutschland ein in Verbindung mitaktuellen Studien zur Lehrerexpertise. Die Zusam-menarbeit im Autorenteam gelang trotz des enor-men Zeitdruckes sehr gut und wir bedanken unsbei Stefan Ufer für die Beratung und kritischenHinweise sowie auch bei Aiso Heinze für vielfäl-tige Unterstützung.

Das Autorenteam der Landespräsentation 2013

auf der PME in Kiel ist sich dessen bewusst,dass ein solcher knapper Überblick lückenhaft seinmuss und dass viele Autorinnen und Autoren ih-re beachtenswerten und den fachdidaktischen Er-kenntnisstand voran bringenden Studien in derLiteraturliste vermissen werden. Das soll nichtals mangelnde Wertschätzung der nicht genann-ten Arbeiten missverstanden werden. Der Berichts-schwerpunkt lag auf der PME-bezogenen empiri-schen Forschung, so dass hiermit bereits eine Vor-auswahl vorgegeben war.

Wenn unser Bericht trotz seiner Lückenhaftig-keit dazu beitragen kann, die Diskussion in derCommunity zu den Wurzeln empirischer fachdi-daktischer Forschung, zu Erwartungen an die ein-gesetzten Methoden und auch an Ergebnisdarstel-lungen anzuregen sowie zum Rezipieren bisherweniger wahrgenommener Forschungsergebnissezu ermuntern, dann hat er aus Sicht des Autoren-teams seine Funktion erfüllt.

Grußwort der 2. Vorsitzenden der GDMSilke Ruwisch

Dear President of PME (Joao Felipe Matos, SchoaoFieliepe Matosch), dear Managing Director of thehost institute IPN (Olaf Köller), dear ConferenceChair (Aiso Heinze), ladies and gentlemen, es-teemed colleagues,

Tagungsimpressionen (Foto: © IPN Kiel)

on behalf of the Society of Didactics of Math-ematics in the German speaking countries, theGesellschaft für Didaktik der Mathematik, other-wise known as GDM, I have the honour and thepleasure to address you all here today.

The GDM is a scientific organization that aimsto encourage and promote research as well as prac-tice in mathematics education, especially in theGerman-speaking countries. Our members whichare slightly more than 1,000 come from Germany,Switzerland and Austria and some countries fromthe eastern part of Europe. The GDM focuses onthe teaching and learning of mathematics in all agegroups. Therefore our organization provides in-vestigation and research into all fields of mathe-matics education and is very happy to host a con-ference in Germany which addresses MathematicsLearning Across the Life Span.

An important issue for our organization isthe cooperation with other research organizationswithin the international community. Thus, we arevery proud that PME which is the most importantconference in the field of psychological and soci-ological aspects of learning and teaching mathe-matics is taking place in Germany this year. It isa great honor to welcome one of the oldest Inter-national Study Groups Affiliated to ICMI here inKiel. We give our thanks to the international com-mittee and the local organizers for facilitating thisconference.

International conferences serve as a basis forinternational exchange; they are the heart of in-ternational scientific development. Since 1976, thebeginning of PME, German speaking researchershave been among its members. But only in recentyears, an increasing interest in PME among theGerman speaking math educators can be observed.Of course, many German speaking researchers arejoining PME this year, because the distances areshort. But already last year in Taipeh, a greater

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46 Tagungsberichte GDM-Mitteilungen 96 · 2014

number of German, Austrian and Swiss math ed-ucation researchers participated in PME. This in-creasing interest may be due to the fact that theGDM succeeded in attracting so many young re-searchers. One of our main goals is to promote andsupport especially our doctoral students by sum-mer schools and annuals meetings with experts.So, nearly all of these young researchers join in-ternational conferences and present their projectsto the international discussion, which we think isa very promising development. Obviously, mathe-matics education research in the German speakingcountries is more than the sum of PhD-theses inthese countries. If you are interested in more in-formation about the richness and the main issuesof our research in mathematics education, I wouldlike to invite you to the national presentation to-morrow morning: On German Research into theDidactics of Mathematics across the life span.

At the moment, all of us are looking forward toan inspiring week starting now. But beyond this in-teresting and certainly successful PME-conferencewe as the Society of Didactics of Mathematics inthe German-speaking countries already anticipateanother big issue of international exchange about

mathematics education: The GDM has the plea-sure of hosting ICME-13, which will take place atthe University of Hamburg in 2016. Detailed infor-mation you will find in a flyer that is enclosed inyour conference bag. We invite participants fromall over the world to come to Hamburg and makeICME 13 a rich experience for all of us.

But now, I stop talking, offering you again thevery best wishes of the GDM for this conferenceand hoping you will have many interesting inputs,discussions and new ideas about how to improvemathematics teaching all over the world across thewhole life span.

And on a final note, I also hope that – besidesscientific work – you will also find the time forrelaxation and to enjoy Kiel and Germany duringyour visit.

Thank you for your attention.Silke Ruwisch

Aiso Heinze, IPN Kiel, Olshausenstraße 62, 24118 Kiel,Email: [email protected] Bruder, Technische Universität Darmstadt, Fach-bereich Mathematik, AG 22, Schloßgartenstraße 7, 64289

Darmstadt, Email: [email protected]

Problemlösesymposium an der TU Braunschweig27.–28. 9. 2013

BerichtFrank Heinrich

Am 27. und 28.09.2013 wurde am Institut für Di-daktik der Mathematik und Elementarmathematikan der Technischen Universität Braunschweig einSymposium zum Thema „(Mathematische) Pro-bleme lösen lernen“ abgehalten. Als Tagungslei-ter agierte Frank Heinrich, die Verantwortung fürden organisatorischen Teil hatte Steffen Juskowiakübernommen.

Bei diesem Symposium ging es um Über-legungen und um den Gedankenaustausch zurFörderung der Problemlösekompetenz, einem be-deutsamen Ziel von Mathematikunterricht. DieVeranstaltung wurde als Ergebnis der Koopera-tion mit dem Kompetenzzentrum Lehrerfortbil-

dung Braunschweig zugleich auch als Lehrerfort-bildungsveranstaltung durchgeführt.

Nach Eröffnung der Veranstaltung durch denTagungsleiter wurden Grußworte überbracht. Fürdie GDM hatte die 2. Vorsitzende Silke Ruwisch(Universität Lüneburg) diese Aufgabe übernom-men, seitens der DMV deren Vizepräsident VolkerBach (Technische Universität Braunschweig). So-wohl in diesen als auch in anderen Grußworten(von Repräsentanten der TU Braunschweig) kamdie Relevanz des Themas der Tagung deutlich zumAusdruck.

Im Weiteren haben namhafte Mathematikdi-daktiker aus dem In- und Ausland zu dieser The-matik vorgetragen und sich der Diskussion im Ple-num gestellt. Die Ausführungen bezogen sich ins-besondere auf den Altersbereich der Sekundar-stufe I.

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Tagungsberichte 47

Eröffnung des Symposiums durch Prof. Frank Heinrich

Der Kopfrechenweltmeister Gert Mittring in Aktion

Im ersten Vortrag ging Bernd Zimmermann(Universität Jena) darauf ein, wie durch Anregun-gen aus der Geschichte der Mathematik das Errei-chen klassisch-inhaltlicher Lernziele (z. B. der Satzdes Pythagoras) und wie problemlösendes Denkenvon Schülerinnen und Schülern durch Heranzie-hung historischer Denkprozesse besser gefördertwerden können.

Regina Bruder (Technische Universität Darm-stadt) stellte ein mit 50 Lehrkräften empirisch ge-prüftes, tätigkeitstheoretisch begründetes Unter-richtskonzept zum langfristigen Kompetenzauf-bau im mathematischen Problemlösen unter Ein-bezug von Unterrichtsbeispielen in den Mittel-punkt ihrer Ausführungen. Von zentraler Bedeu-tung waren dabei die Ausführungen zur Erlern-barkeit von Heurismen und die Hervorhebung ei-nes dafür erforderlichen Lernumfeldes.

Über eine empirische Erkundungsstudie mitElftklässler(innen) zum Einfluss von Selbstreflexio-nen auf die Bearbeitung mathematischer Proble-me berichtete Steffen Juskowiak (Technische Uni-versität Braunschweig). Er beschrieb verschiedeneVarianten von (nicht erzwungener) Selbstreflexion,die während der Arbeit an den Problemen bei denProbanden vorkamen und analysierte die Wirkungsolcher Selbstreflexionen auf den Verlauf und dasErgebnis der jeweiligen Bearbeitungsprozesse. Sichdarauf beziehende Anregungen zur Förderung derProblemlösekompetenz beendeten den Vortrag.

Um Hemmnisse, Defizite und Fehler beim Be-arbeiten mathematischer Probleme ging es imVortrag von Frank Heinrich (Technische Univer-sität Braunschweig). Vor dem Hintergrund derGewinnung möglicher ergänzender Ansatzpunktezur Förderung mathematischer Problemlösekom-petenz wurden zum einen Verhaltensweisen vonProbanden (hautsächlich Lernende aus der Sekun-darstufe II) vorgestellt und diskutiert, die das Fin-

den einer Lösung be- oder verhindern. Zum an-deren wurden Befunde vorgelegt, wie es den Pro-blembearbeitern gelang, eigene Fehler und Defiziteselbst zu erkennen und ggf. zu beheben.

Frank Förster und Hartmut Rehlich (Techni-sche Universität Braunschweig) berichteten überdie Förderung mathematisch begabter Kinder desdritten bis sechsten Schuljahres in der instituts-eigenen Lernwerkstatt mit dem Schwerpunkt derAnregung und Pflege mathematiktypischer Denk-prozesse beim Lösen von Problemen. Darüber hin-aus wurden im Vortrag zu den Aspekten der Aus-wahl der Schülerinnen und Schüler sowie der Ver-zahnung von Förderung mit der Ausbildung vonLehramtsstudenten (die als Beobachter und Tu-toren mitwirken) beispielhaft Erfahrungen vorge-stellt.

Martin Stein (Universität Münster) befasstesich in seinem Vortrag mit Lernumgebungen (beider Bearbeitung) von Problemklassen und be-schrieb sie durch den (neuen) Begriff mathemati-sche Lernräume. Problemklassen entstehen, wennman mehrere Problemfamilien unter gemeinsa-men (Lösungs-)Merkmalen zusammenfasst. Derar-tige Lernumgebungen besitzen im Idealfall eine„löserfreundliche Wahlarchitektur“, sind also einUnterstützungsangebot, um Problemlösen in einersolchen Klasse zu erleichtern.

Deutlich zu machen, dass Problemelösenler-nen nicht nur ein Ziel für die Arbeit mit begab-ten Kindern darstellt, war das Hauptanliegen desVortrags von András Ambrus (Universität Buda-pest). Vor diesem Hintergrund analysierte er Fak-toren des Problemlösenlernens und stellte insbe-sondere Aspekte zum Gedächtnis in den Mittel-punkt seiner Ausführungen. Darüber hinaus er-hielten die Zuhörer Informationen darüber, wieim ungarischen Mathematikunterricht Problemlö-selernen erfolgt.

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48 Tagungsberichte GDM-Mitteilungen 96 · 2014

Erkki Pehkonen (Universität Helsinki) gab imabschließenden Vortrag zunächst einen Überblicküber die weltweite Situation von Problemlöseun-terricht und ging im Weiteren auf Problemfel-der (einer Art offener Probleme) und deren zu-nehmender Verwendung im Mathematikunterrichtein. Er erläuterte das dahinter stehende didakti-sche Konzept mit dem Ziel der Verbesserung schu-lischen Mathematikunterrichts und stellte Beispie-le für Problemfelder vor.

In Ergänzung zu den themenbezogenen Vor-trägen gab Gert Mittring (Bonn), der mehrmali-ge Weltmeister im Kopfrechnen, den interessier-ten Zuhörern einen Einblick in Höchstleistungenim Kopfrechnen. Neben Rechendemonstrationen(z. B. zum Kalenderrechnen und zur Fingermathe-matik) wurden einige Rechenkniffe von ihm il-lustriert und die Bedeutung der Basiskulturtech-nik „(Kopf-)Rechnen“ hervorgehoben. Das Gan-ze erfolgte in einer dialogischen und spielerischenForm.

Die Vorträge werden in einem Tagungsbandpubliziert. Dieser erscheint unter dem Titel „Ma-thematische Probleme lösen lernen“ im WTM Ver-lag Münster, voraussichtlich Ende des ersten Quar-tals 2014.

Abschließend gilt der Dank der VolkswagenAktiengesellschaft, dem Stifterverband für dieDeutsche Wissenschaft, dem Verein Deutscher In-genieure (Bezirksverein Braunschweig), dem Bil-dungshaus Schulbuchverlage Braunschweig, demErnst Klett Verlag und dem Verlag für wissen-schaftliche Texte und Medien Münster, durch de-ren Unterstützung die Durchführung des Sympo-siums überhaupt erst möglich geworden ist.

Frank Heinrich, TU Braunschweig, Institut für Didaktikder Mathematik und Elementarmathematik, BienroderWeg 97, 38106 Braunschweig, Email:[email protected]

Grußwort der 2. Vorsitzenden der GDMSilke Ruwisch

Sehr geehrte Damen und Herren,liebe Kolleginnen und Kollegen,

im Namen der Gesellschaft für Didaktik der Ma-thematik, der GDM, habe ich die Ehre und das Ver-gnügen, Sie alle zu dem Symposium „Mathemati-sche Probleme lösen lernen“ begrüßen zu dürfen.

Grußworte im Namen der GDM von Silke Ruwisch(2. Vorsitzende)

Die GDM versteht sich als eine Gesellschaft,in der Personen zusammentreffen, denen das ma-thematische Lernen und Denken am Herzen liegt.So, wie auch hier bei diesem Symposium, gehö-ren zu den Mitgliedern der GDM Mathematikleh-rerinnen und -lehrer aller Schul- und Hochschul-typen, Personen aus verschiedenen Bereichen derSchulverwaltung, der Aus-, Weiter- und Fortbil-dung von Mathematiklehrenden sowie mathema-tikdidaktisch Forschende.

Wir freuen uns, dass Sie sich zu einem The-ma austauschen, das in jüngerer Zeit wieder stär-ker in den Focus mathematikdidaktischer Dis-kussion gerückt ist. Im Anschluss an die Ergeb-nisse internationaler Vergleichsstudien, die mehr-fach haben deutlich werden lassen, dass deut-sche Schülerinnen und Schüler gerade hinsicht-lich des Problemlösens schwächer im Vergleichzu vielen anderen Ländern abschneiden, ist einverstärktes Interesse an mehr Problemlösetätig-keiten im Mathematikunterricht festzustellen. DieForderung, Problemlösekompetenzen im BereichMathematik zu entwickeln, zählt jedoch schonseit langem zu den grundlegenden und be-deutenden Zielen des Mathematikunterrichts. Sohat z. B. Heinrich Winter 1995 den Erwerb vonProblemlöse- und heuristischen Fähigkeiten ne-ben der Struktur- und der Anwendungsorientie-rung von Mathematik als eine der drei wesentli-chen Grunderfahrungen hervorgehoben, die denallgemeinbildenden Charakter des Mathematikun-terrichts legitimieren, nämlich „. . . in der Ausein-andersetzung mit Aufgaben Problemlösefähigkei-ten, die über die Mathematik hinausgehen, (heu-ristische Fähigkeiten) zu erwerben.“ (Winter 1995,S. 37).

Es ist daher ungemein zu begrüßen, dass inBraunschweig ein Symposium zu diesem Thema

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Tagungsberichte 49

ins Leben gerufen wurde, dass zugleich als Leh-rerfortbildungsveranstaltung angelegt ist.1

Selbstverständlich sprechen noch weitereGründe für die stärkere Berücksichtigung des Pro-blemlösens im Mathematikunterricht. Mit Zim-mermann (2003) u. a.1. lassen sich gesellschaftliche Gründe nennen,

welche eng an die allgemeinbildende Funkti-on nach Winter anknüpfen, nämlich z. B., dassder heutige Unterricht die Lernenden auf einejetzt schon komplexe Welt mit noch unbekann-ten Herausforderungen in der Zukunft vorbe-reiten muss, somit auf das Lösen komplexerProbleme.

2. lassen sich lernpsychologische Gründe anfüh-ren: Wenn, wie in konstruktivistischer Sicht,Wissen sich kaum direkt vermitteln und über-tragen lässt, sondern sich Lernende durch ak-tive Auseinandersetzung mit dem Lerngegen-stand ihr Wissen selbst konstruieren müssen, isteine entsprechende Unterrichtskultur maßgeb-lich problemlösend zu gestalten.

3. können pädagogische Gründe angeführt wer-den, die sich aus den vorangehenden z. T. ablei-ten lassen, z. B. „entdeckendes Lernen“ an aus-gewählten Problemen zu ermöglichen, z. T. aberauch darüber hinaus führen, z. B. das Ermögli-chen emanzipatorischer Erfahrungen im Mathe-matikunterricht;

4. sprechen selbstverständlich auch innermathe-matische Gründe für das Problemlösen im Ma-thematikunterricht. So zeigt die Geschichte derMathematik, dass z. B. von Problemen wie derKreisquadratur oder der Würfelverdopplunglangfristig kräftige Impulse für die Weiterent-wicklung der Mathematik ausgingen.

5. Zu guter Letzt möchte ich auf die motivatio-nalen Gründe hinweisen: Problemlösen machtSpaß und kann so auch Spaß an der Mathema-tik vermitteln.

Neben diesen Gründen sprechen selbstverständ-lich auch formale Vorgaben für eine Beschäftigungmit dem Problemlösen im Mathematikunterricht.Zwar war das Thema bereits in früheren Rahmen-richtlinien enthalten (z. B. Nds. 1991 oder NRW1985); aber erst als Reaktion auf die Ergebnisseder TIMS- und der PISA-Studie hat – wie be-reits erwähnt – das Problemlösen in der öffentli-chen Diskussion und der Bildungspolitik an Rele-vanz gewonnen: Über die KMK Bildungsstandards(2003 und 2004) und damit die Kerncurricula undLehrpläne der einzelnen Bundesländer (siehe z. B.

Nds. Kultusministerium 2006) ist das mathemati-sche Problemlösen und damit die Vermittlung heu-ristischer Verfahren, Strategien und Techniken als„prozessbezogene Kompetenzen“ zu einem wich-tigen – jedenfalls wichtigeren – Unterrichtsgegen-stand geworden.

Gestatten Sie mir einen kurzen Rückblickauf das Problemlösen in der eigenen Zunft:2

Die deutschsprachige mathematikdidaktische Pro-blemlöseforschung beginnt erst relativ spät. Ob-wohl der Prozess des Problemlösens von Ma-thematikern wie Poincaré (1914) und Hadamard(1945) schon frühzeitig diskutiert worden war,fand diese Diskussion kaum Widerhall in der Ma-thematikdidaktik. So war weder ein größerer Ein-fluss auf die mathematikdidaktische Forschungnoch auf den Mathematikunterricht festzustellen.Selbst Pólyas berühmte „Schule des Denkens“ von1949 änderte daran zunächst recht wenig.

In den 1960er Jahren zaghaft beginnend – den-ken Sie z. B. an ein MU-Themenheft zum Problem-lösen von 1964 – hat sich ab den 1980er Jahren dieSituation ein Stück gewandelt und mit der Wie-dervereinigung einen zusätzlichen Schub erhalten.Verschiedene Arbeitsgruppen in ganz Deutschlandhaben in den vergangenen Jahrzehnten die ma-thematikdidaktische Forschung zum Problemlö-sen vorangetrieben. Ich möchte sie hier nicht ein-zeln aufzählen, aber einige der namhaften Vertre-terinnen und Vertreter sind in dieses Symposiumja intensiv eingebunden. Besonders erfreulich istjedoch, dass neben den „alten Hasen“ der Pro-blemlöseforschung, wie z. B. Karl Kießwetter oderBernd Zimmermann, in jüngerer Zeit neue Ar-beitsgruppen sich der mathematischen Problemlö-seforschung widmen und so insbesondere auch indie Breite wirken. Dazu leistet ein derartig promi-nent besetztes Symposium zum Lernen des mathe-matischen Problemlösens einen bedeutenden Bei-trag.

Freilich haben auch Mathematikdidaktikerin-nen und -didaktiker aus dem Ausland deutlichEinfluss auf die Problemlöseforschung in Deutsch-land genommen. Als erstes fällt einem vielleichtdie „Bibel des Problemlösens“, Alan SchoenfeldsBuch „Mathematical problem solving“ von 1985

ein. Auch Jeremy Kilpatrick (USA) und Kaye Sta-cey (Australien) seien stellvertretend erwähnt fürArbeiten, die in verschiedener Weise in der deut-schen Mathematikdidaktik aufgegriffen wurdenbzw. werden. Darüber hinaus eng mit der deut-schen Mathematikdidaktik verbunden müssen vor

1 Die folgenden Ausführungen lehnen sich sehr eng an die hervorragende Zusammenfassung in der Dissertation von Benjamin Rott(2013) an.

2 Auch dieser geschichtliche Rückblick folgt den Ausführungen von Rott (2013).

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50 Tagungsberichte GDM-Mitteilungen 96 · 2014

allem Erkki Pehkonen aus Finnland sowie ÉvaVásárhelyi und András Ambrus aus Ungarn er-wähnt werden, deren Arbeiten nicht nur aufgegrif-fen wurden, sondern die immer in regem persön-lichen Austausch schon fast als Teil deutscher Pro-blemlöseforschung in der Mathematikdidaktik gel-ten können.

Natürlich hat es in der mathematischen Pro-blemlöseforschung in den vergangenen Jahrenauch Akzentverschiebungen gegeben. Zum einensind diese der veränderten Sicht auf das Lernengeschuldet und bewegen sich nun im Rahmen kon-struktivistischer Lerntheorien. Zum anderen, abereng mit dem ersten verknüpft, hat sich das Ver-ständnis des mathematischen Problemlösens er-weitert. Stand früher häufig der Lösungsprozesseines vorliegenden, spezifisch gefassten Problemsim Fokus, so werden inzwischen nicht nur grö-ßere Problemfelder einbezogen, sondern über denengeren Lösungsprozess hinaus widmet sich diemathematische Problemlöseforschung ebenso demAufwerfen und Finden von Problemen. Auch diebeteiligten kreativen und sozialen Prozesse findenstärkere Beachtung. Außerdem ist es für mich be-sonders erfreulich zu sehen, dass in den vergan-genen Jahren das Interesse an mathematischemProblemlösen im Elementar- und Grundschulalterdeutlich zugenommen hat. Frei nach dem Mot-to „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nim-mermehr?“ – Wohl nicht so ganz, auch die grö-ßeren Hänschen können und müssen mathemati-sches Problemlösen noch lernen und ausbauen.

Es ist aber auch festzustellen, dass viele Fragenzum Problemlösen im Mathematikunterricht nochoffen sind, z. B. lassen sich in Anlehnung an Vásár-helyi und Zimmermann (2010) Fragen zur Rolleder Metakognition, zur Entwicklung von Bewer-tungsverfahren für Problemlöseprozesse oder zummathematischen Problemlösen mit eher leistungs-schwächeren Kindern nennen. Ich hoffe und wün-sche Ihnen, dass diese Tagung wertvolle Impulseliefert, das „Problem des Problemlösens“ ein Stückweiter zu definieren, aber auch zu lösen.

Momentan warten Sie alle gespannt auf diesicherlich anregenden Vorträge und Diskussio-nen zum Lösen-Lernen mathematischer Probleme.Über dieses sicherlich sehr fruchtbare Symposi-um hinaus, darf ich Ihre Aufmerksamkeit auch aufdie Tagungen der GDM, z. B. die nächste Jahresta-gung in Koblenz vom 10.–14.3.2014 oder – und hiersind wir besonders stolz, den Zuschlag erhaltenzu haben – den Internationalen Kongress der Ma-thematikdidaktik ICME 2016 in Hamburg lenken,dessen Felix-Klein-Symposium sowie Workshop-Nachmittage für Lehrerinnen und Lehrer gera-de auch zum Problemlösen ich hier hervorhebenmöchte.

Doch jetzt wird es Zeit, dass ich zu reden auf-höre, jedoch nicht, ohne Ihnen noch einmal diebesten Wünsche der GDM für ein gutes Gelingendieses Symposiums zu übermitteln, verbunden mitder Hoffnung, dass Sie alle interessante Inputs, an-regende Diskussionen und neue Ideen zur Weiter-entwicklung des mathematischen Problemlösen-Lernens mitnehmen werden. Und: Vielleicht lösenSie ja auch selbst das ein oder andere mathemati-sche oder mathematikdidaktische Problem?

Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit.

Silke Ruwisch

Quellen (ohne Bildungsdokumente)Hadamard, Jacques (1945): The psychology of invention in the

mathematical field. Princeton University Press. Unverän-derter Nachdruck von 1954.

Poincaré, Henri (1914): Wissenschaft und Methode. Berlin:Teubner.

Pólya, George (1949): Schule des Denkens. Tübingen: Francke.Rott, Benjamin (2013): Mathematisches Problemlösen – Ergeb-

nisse einer empirischen Studie. Münster: WTM.Schoenfeld, Alan H. (1985): Mathematical problem solving. Or-

lando: Academic Press.Winter, Heinrich (1995): Mathematikunterricht und Allgemein-

bildung. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Didaktik derMathematik, Nr. 61, 37–46.

Vásárhelyi, Éva / Zimmermann, Bernd (2010): György Polya(1997–1985) – zum Menschen, Mathematiker und Mathe-matikdidaktiker. In: Der Mathematikunterricht 56(2), 4–12.

Zimmermann, Bernd (2003): Mathematisches Problemlösenund Heuristik in einem Schulbuch. In: Der Mathematikun-terricht, 49(1), 42–57.

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Tagungsberichte 51

Jahrestagung der Gesellschaft für Fachdidaktik (GFD)vom 6.–8. Oktober 2013 an der TU Dortmund

Susanne Prediger und Bernd Ralle

Vom 6.–8. Oktober2013 war die Gesell-schaft für Fachdidaktik,der Dachverband derfachdidaktischen Fach-verbände in Deutsch-land, Gast von FUN-KEN, dem interdiszipli-nären Forschungs- undNachwuchskolleg zurFachdidaktischen Ent-wicklungsforschung ander TU Dortmund. Die

lokalen Organisatoren der Tagung (Susanne Pre-diger und Bernd Ralle) begrüßten gemeinsam mitdem Leiter des Dortmunder Kompetenzzentrumfür Lehrerbildung und Lehr-Lernforschung (Ste-phan Hußmann) und dem Vorstand der GFD(Martin Rothgangel) insgesamt 182 Teilnehmen-de.

Die Referentinnen und Referenten sowie dieTagungsgäste aus etwa 20 Fachdidaktiken beschäf-tigten sich mit Fragen rund um das Thema „Lern-aufgaben entwickeln, bearbeiten und überprüfen – Er-gebnisse und Perspektiven der fachdidaktischen For-schung“.

Aufgabenentwicklung und Aufgabenbearbei-tungen stehen nicht erst seit Bekanntwerden vonErgebnissen der großen Leistungsvergleichsstudi-en wie PISA im Fokus fachdidaktischer Forschung,vor allem die Mathematikdidaktik hat diesbezüg-lich eine längere Tradition. Dennoch haben dieseThemen mit der Forderung nach einem kompeten-zorientierten Unterricht in Schule und Hochschulein den meisten Fachdidaktiken erst in jüngster Zeiteine neue Bedeutung erlangt.

Die Plenarreferenten zeigten gleich zum Auf-takt der Tagung Wege für künftige Forschungs-richtungen auf, und identifizierten tradierte Ge-pflogenheiten, die noch einmal auf den Prüfstandgehörten:

Alexander RENKL (Pädagogische Psychologie,Universität Freiburg) wies im Besonderen aufempirische Befunde der pädagogischen Psy-chologie hin, gemäß denen Aufgaben nur dannder kognitiven Aktivierung von Lernenden die-nen können, wenn sie adressatengerecht undsachbezogen fokussiert sind.Der zweite Plenarvortragende, FriedrichSCHWEITZER (Religionspädagoge an der Uni-

versität Tübingen), wies auf Forschungsdeside-rate der Fachdidaktik zum Tagungsthema hinund hinterfragte die Reichweite empirischerForschung und die damit verbundene Forde-rung nach Evidenzbasiertheit des Aufgaben-einsatzes im Unterricht.Prof. Timo LEUDERS (Mathematikdidaktikerder PH Freiburg) zeigte im dritten Plenarvor-trag auf, wie der Stand der mathematikdidakti-schen Entwicklungen und Forschungen zu demThema sich derzeit darstellt. Dabei zeigte ervielfältige Bezüge zu den anderen fachdidak-tischen Disziplinen auf.

Das Tagungsprogramm sah darüber hinaus 24 Dis-kussionsvorträge vor. Die reichlich bemessene Dis-kussionszeit wurde intensiv genutzt, auch in denPostersessions. Die Vertreterinnen und Vertreterder unterschiedlichen Fachdidaktiken diskutiertenGemeinsamkeiten und Unterschiede der Aufga-bengestaltung und des Aufgabeneinsatzes in denverschiedenen Fachkulturen. Obwohl Aufgaben inallen Fächern ganz allgemein als Lerngelegenhei-ten und Lernaufforderungen gesehen werden, ran-ken sich vielfältige Fragen an die didaktischenund lernpsychologischen Zielsetzungen rund umeine angemessene Aufgabengestaltung. Die Wir-kungen und Gelingensbedingungen von Aufga-ben wurden mit ganz unterschiedlichen empiri-schen Untersuchungen erhoben, die zahlreichenForschungsergebnisse wurden verglichen.

Nach Wahrnehmung vieler Diskussionsteilneh-menden erreicht die interdisziplinäre Verständi-gung der Fachdidaktiken mit ihren völlig un-terschiedlichen Traditionen, Infrastrukturen undSchwerpunktsetzungen gerade durch diese Tagun-gen der GFD langsam einen immer reiferen Stand,der vom Respekt der Andersartigkeit ebenso ge-prägt ist wie von dem Anliegen, konstruktiv von-einander zu lernen.

Zu der Tagung ist ein Dokumentationsband inVorbereitung. Nähere Auskünfte erteilen die loka-len Organisatoren ([email protected] und [email protected]).

Susanne Prediger, Technische Universität Dortmund,IEEM, Vogelpothsweg 87, 44221 Dortmund, Email:[email protected] Ralle, Technische Universität Dortmund, Didak-tik der Chemie, Otto-Hahn-Straße 6, 44227 Dortmund,Email: [email protected]

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52 Tagungsberichte GDM-Mitteilungen 96 · 2014

Nachts im Museum – GDM-Doktorandenkolloquium 2013

Carolin Just und Tobias Rolfes

Trotz der in der Filmkomödie „Nachts im Muse-um“ inszenierten turbulenten Abenteuer, die BenStiller alias Nachtwächter Larry Daley nächtens imMuseum of Natural History in New York mit denwieder zum Leben erweckten Exponaten erlebte,haben sich zehn Doktorand_innen nicht davon ab-halten lassen, zwei Nächte im Deutschen Muse-um in München zu verbringen. Denn zum mittler-weile alljährlichen Doktorandenkolloquium hattedie GDM vom 26. September bis zum 28. Septem-ber in das Kerschensteiner Kolleg im DeutschenMuseum in München eingeladen. Vielleicht beru-higte auch den einen oder anderen Anreisenden,dass die naturwissenschaftlich-technischen Aus-stellungsstücke des Deutschen Museums im Ge-gensatz zu denjenigen eines Naturkundemuseumsursprünglich nicht von lebender Natur waren . . .

Ziel dieses dreitägigen Intensivseminars wares, uns Nachwuchswissenschaftler_innen die Ge-legenheit zu geben, das eigene Promotionspro-jekt in einem geschützten Rahmen anderen Pro-movend_innen sowie Expert_innen der Mathe-matikdidaktik vorzustellen. Dieses Angebot nah-men Doktorand_innen mit unterschiedlichstenForschungsschwerpunkten und aus allen Him-melsrichtungen wahr: Vorgestellt wurden Promo-tionsprojekte mit stoffdidaktischer Ausrichtungund mit fachübergreifenden Fragestellungen, For-schungsvorhaben zur Lehrerbildung genauso wiezu koedukativen Ansätzen und schließlich evalua-tive Studien zu bildungspolitischen Maßnahmen.Schon in dieser eher kleinen Auswahl von zehnDissertationen wurde für uns dadurch eine großeVielfalt innerhalb der Forschungslandschaft sicht-bar.

Bereits im Vorfeld hatten wir eine Kurz-beschreibung unseres Dissertationsvorhabens aneinen zugewiesenen Experten gemailt. Dankens-werterweise hatten Hedwig Gasteiger (LMU Mün-chen), Aiso Heinze (IPN Kiel), Stefan Ufer (LMUMünchen), Michael Neubrand (Universität Olden-burg) und Leonie Herbartz-Emden (UniversitätAugsburg) ihre Teilnahme zugesagt und sich be-reit erklärt, uns Doktorand_innen unterstützendzur Seite zu stehen.

Und wie ernst die Expert_innen sich mitden Promotionsvorhaben auseinandergesetzt hat-ten, zeigte sich für einige schon vor ihrer Prä-sentation. Sie bekamen mehrseitige Anmerkun-

gen zu ihrer Projektbeschreibung ausgehändigt. Je-de Teilnehmerin und jeder Teilnehmer präsentier-te in 20 Minuten sein Promotionsvorhaben, wor-an eine 40-minütige Diskussionsrunde anschloss.Hierbei stellten die Expert_innen durchaus kriti-sche Fragen wie: „Auf Grund welcher theoreti-schen Grundannahme formulieren Sie Ihre Hypo-thesen?“ oder „Was ist genau Ihre Forschungsfra-ge?“ und legten die Finger in wunde Stellen, diewir vielleicht schon erahnten und die uns nundeutlich wurden. Aber neben der kritischen Aus-einandersetzung zum theoretischen Hintergrund,zu den Forschungsfragen und zum Design, wur-den wir auch immer wieder ermuntert, uns in derDissertation zu fokussieren. So bekamen nicht we-nige Teilnehmer_innen den Rat, sich lieber auf eineklare Fragestellung und auf ein realistisches De-sign zu konzentrieren, anstatt sich in der vollstän-digen Breite des jeweiligen Themengebietes zu ver-lieren. Dass viele Doktorand_innen vor ähnlichenHerausforderungen standen, hatte durchaus auchberuhigende Wirkung. Es zeigte uns, dass unsereSchwierigkeiten häufig prototypisch für einen Pro-motionsprozess und nicht unüberwindbar sind.

Während wir uns tagsüber auf das anspruchs-volle Programm von mehreren aufeinanderfolgen-den Doktorandenvorträgen konzentrierten, klan-gen die Abende bei einem Essen einmal in ei-nem typischen bayrischen und einmal in einemmediterran orientierten Lokal aus. Hier bestanddie Möglichkeit, abseits des Vortragsraumes bei ei-nem, zweien oder mehreren Bieren über mathema-tikdidaktische Forschung und das Doktorandenle-ben zu räsonieren, aufgeworfene Knackpunkte an-geregt zu diskutieren oder ganz allgemein Einblickin die Forschungswelt der Expert_innen und derMitdoktorand_innen zu gewinnen. Da uns aberam Folgetag wieder ein straffes Programm er-wartete, blieben sowohl die Zahl der getrunkenenBiere als auch die Aufbruchszeit für den Heimweghochanständig. Es war schließlich unser Ziel, denForscherolymp zu erklimmen, und diesen erreichtman vermutlich selten mit Kopfschmerzen.

Am zweiten Tag wurden unsere Projektvorstel-lungen um einen Impulsvortrag von Aiso Heinzeergänzt. Unter dem Titel „Einführung in die sozial-wissenschaftliche Forschung. Von der Idee zur Pu-blikation“ präsentierte er uns eine wissenschafts-theoretische Annäherung an unsere derzeitige Tä-

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Tagungsberichte 53

tigkeit: Was bedeutet es, Erkenntnis zu gewinnen?Welche Möglichkeiten eröffnen sich in der sozi-alwissenschaftlichen und speziell der empirischenBildungsforschung? Wo liegen die Grenzen? Wel-ches sind wesentliche Meilensteine eines sozial-wissenschaftlichen Projekts? Dieser Vortrag war sogestaltet, dass jede_r profitieren konnte: Wer sichzum ersten Mal mit den grundlegenden Fragendes Forschens befasste, gewann wesentliche Denk-anstöße zu seiner derzeitigen Tätigkeit, währendDoktorand_innen, die auf diesem Gebiet schonvortrags- und literaturerfahrener waren, durch in-teressante Details und übergreifende Einordnun-gen in die Forschungsparadigmen der Naturwis-senschaften ihren Horizont erweitern konnten.

Im Abschlussplenum waren wir Promo-vend_innen einhellig der Meinung, dass die Teil-nahme an dem Doktorandenkolloquium in jedemStadium des Promotionsprozesses lohnend ist. FürTeilnehmer_innen, die noch bei der Ausschärfungihrer Forschungsfrage und ihres Forschungsdesignwaren, hatten die Expert_innen hilfreiche Hinwei-se, um Um-, Irrwege und Sackgassen im Disserta-tionsvorhaben zu vermeiden. Ebenso profitiertenauch Promovend_innen, die bereits am Ende IhrerDissertation standen, konnten sie z. B. noch aus-stehende Legitimationen – möglicherweise für denDiskussionsteil der Arbeit – identifizieren. Positivwirkte besonders, dass das kritische, aber äußerstsachliche und konstruktive Hinterfragen durch dieExpert_innen entweder wertvolle Impulse zur Ver-besserung der eigenen Argumentation setzte oderaber einen verschärften Fokus auf die eigenen For-schungsanliegen oder sogar eine veränderte Aus-richtung anregte. Darüber hinaus erwies es sichfür uns Doktorand_innen als willkommene „Ne-benwirkung“, dass auch das Nachdenken überdie Forschungsvorhaben der Mitdoktorand_innenden Blick für das eigene Projekt schärfte. Mehr-fach wurde in unserem Abschlussgespräch diekonstruktive Stimmung der Veranstaltung hervor-gehoben. Die Rückmeldungen waren inhaltsreich,detailliert und sehr durchdacht. Das wurde sicherauch durch die sorgfältige Auswahl und Zuord-nung der Expert_innen zu den einzelnen Projektenim Vorfeld unseres Kolloquiums unterstützt.

Als informeller Abschluss unseres Treffens be-stand am letzten Tag noch die Möglichkeit, dasDeutsche Museum zu besuchen. Und auch wennFrau Gasteiger das Oktoberfest als eine wenigerintellektuell fordernde Alternative ebenfalls offe-rierte: Die Neugier auf die vielfältigen Ausstellun-gen des Deutschen Museums war bei den Teilneh-mer_innen groß, so dass dieser Museumsbesuchkollektiv wahrgenommen wurde. Unser Interesseam Museumsangebot und vor allem an dem se-henswerten Mathematischen Kabinett wurde so-

Die Teilnehmer_innen des Doktorandenkolloquiums auf demDach des Deutschen Museums. (v.l.n.r.: Carolin Just (U Hildes-heim), Cornelia Gamst (FU Berlin), Klaudia Singer (U Graz),Christine Plicht (PH Heidelberg), Marleen Heid (U Lüneburg),Tobias Rolfes (U Koblenz-Landau), Simone Dunekacke (HUBerlin), Alexander Karney (U Kassel), Silke Fleckenstein (UHalle), Julia Weinsheimer (PH Weingarten)

fort belohnt: Ein netter Mitarbeiter gab uns eineSpontanführung und weihte uns z. B. in die fas-zinierende Funktionalität des Abakus und früherRechenmaschinen ein. Ein erfreulicher Abschlusseiner eindrucksreichen dreitägigen Reise! Wir dan-ken allen Expert_innen für ihre Zeit und ihr Enga-gement sowie der GDM für die finanzielle Ermög-lichung dieses Nachwuchsförderungsangebots!

Carolin Just, Universität Hildesheim, MarienburgerPlatz 22, 31141 Hildesheim, Email:[email protected] Rolfes, Universität Koblenz-Landau, Gra-duiertenkolleg „Unterrichtsprozesse“, Thomas-Nast-Straße 44, 76829 Landau, Email: [email protected]

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54 Tagungsberichte GDM-Mitteilungen 96 · 2014

Ein Überblick aus den AlpenDie GDM-Summerschool 2013 in Ossiach

Matthias Heinrich und Christian Klostermann

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Summerschool 2013

gemeinsam mit Prof. Dr. Thomas Jahnke, Ass.-Prof. Mag. Dr.Franz Picher und Ass.-Prof. Dr. Andreas Vohns

Man stelle sich vor, dass die verschiedenen Per-spektiven der mathematikdidaktischen ForschungTäler sind. Diese Täler sind unterschiedlich großund weitläufig, sie haben eigene Strukturen undCharakteristika. Trotzdem liegen diese Täler teil-weise sehr dicht beieinander, sind hier und da mit-einander verbunden oder gehen sogar direkt inein-ander über. Dies liegt wohl auch daran, dass sichdie Bewohner der Täler alle ausnahmslos mit demLernen und Lehren von Mathematik beschäftigen.Ein jeder kennt sich in jedem Tal unterschiedlichgut aus und muss sich im Verlauf seines wissen-schaftlichen Arbeitens auf einige wenige Landstri-che begrenzen. Dabei täte es gerade Doktoranden,die am Anfang ihrer wissenschaftlichen Karrierestehen und sich teilweise schon in einem Tal be-heimatet fühlen, gut, sich einen Überblick auchüber die anderen Täler zu verschaffen. Zu diesemZweck begaben sich 30 Nachwuchswissenschaftle-rinnen und -wissenschaftler aus Deutschland, Ös-terreich und Kroatien an den Ossiacher See beiKlagenfurt in die Alpen. Denn von wo kann mansich besser einen Überblick über umliegende Tälerverschaffen als von den Bergen?

Die GDM-Summerschool, die in diesem Jahrden Titel „Ansätze und Perspektiven mathema-tikdidaktischer Forschung“ trug, fand vom 16.–20. 9. in den Räumen des Sonnenresorts OssiacherSee statt. Die meisten Teilnehmenden reisten je-doch schon am Sonntag an, wo sie von den beidenHauptverantwortlichen Ass.-Prof. Mag. Dr. FranzPicher und Ass.-Prof. Dr. Andreas Vohns empfan-gen und begrüßt wurden. Anschließend erhielten

die anwesenden Nachwuchswissenschaftlerinnenund -wissenschaftler beim gemeinsamen Abendes-sen die erste Gelegenheit, Kontakte zu knüpfenund sich untereinander auszutauschen. So war es– um auf die oben angesprochene Metapher zu-rückzukommen – bereits hier möglich, etwas überdie umliegenden Täler zu erfahren bzw. weiterzu-geben.

Am nächsten Morgen erhielten die Anwesen-den einen ersten Überblick darüber, welche dervielen Täler der Mathematikdidaktik in den kom-menden Tagen erkundet werden sollten. Diesewaren die Gebiete der quantitativ-empirischenForschung, der qualitativ-empirischen Forschung,der fachdidaktischen Entwicklungsforschung, derstoffdidaktischen Forschung sowie der semioti-schen Forschung.

Auch mögliche Betrachtungsperspektiven wur-den dabei bereits an die Hand gelegt. So konntendie Strukturen einer jeden Region unter anderemvor dem Hintergrund folgender Leitfragen erkun-det werden:

Was ist die Perspektive der Forschungsrichtungauf den Forschungsgegenstand? Welche Aspek-te nimmt sie in den Blick? Welche Theorien lie-gen ihr zugrunde? Was sind ihre zentralen Be-griffe und Konzepte?Wie kann ein typischer Forschungsprozessin dieser Forschungsrichtung aussehen? Wel-che Methoden der Forschung kennt die-se Forschungsrichtung? Wie wird in dieserForschungsrichtung Wissenschaftlichkeit auf-gefasst, wie wird wissenschaftliche Qualität si-chergestellt?Welchen besonderen Herausforderungen/Schwierigkeiten sieht sich diese Forschungs-richtung ausgeliefert? Welche Aspekte des For-schungsgegenstandes blendet sie (bewusst oderunbewusst) aus? Welche Tücken/Gefahren lau-ern im Forschungsprozess?Welche Bezüge zu anderen Forschungsrichtun-gen in der Mathematikdidaktik gibt es? Wassind Gemeinsamkeiten, wo liegen Unterschie-de?

Hier ist bereits deutlich zu erkennen, dass die ein-zelnen Täler viel zu facettenreich sind, als dassman auch nur eines, geschweige denn alle, in jegli-cher Detailtiefe in nur einer Woche vollständig er-fassen könnte. Aber letztendlich will man sich von

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Tagungsberichte 55

einem Berg ja auch „nur“ einen Überblick über dieumliegenden Täler verschaffen. Um diese genauerzu ergründen, muss man quer durch sie hindurch-reisen und eine solche Reise dauert vermutlich vie-le Jahre. Unter anderem deshalb waren die Teil-nehmenden erleichtert, dass ihnen für jede Regi-on fachkundige „(Tal-)Expertinnen und -experten“zur Verfügung standen. Diese gestalteten jeweilseine Sitzung, in der die Teilnehmenden zunächsteinem Vortrag folgen und anschließend aber auchselbst aktiv werden durften.

Den Anfang machte dabei Frau Prof. Dr. ReginaBruder aus Darmstadt, die uns am Montagnach-mittag einen Überblick über die quantitativ-empirische Forschung lieferte. Im Anschluss anihren Vortrag konnten die Doktorandinnen undDoktoranden an einem Beispiel die Repertory-Grid-Technik kennenlernen und ausprobieren. AmDienstag blickten die Anwesenden zunächst ge-meinsam mit Herrn Prof. Dr. Philipp Mayringaus Klagenfurt über das Gebiet der qualitativ-empirischen Forschung. In der zweiten Hälfte derSitzung wurde dann die Vorgehensweise der Qua-litativen Inhaltsanalyse an einem Textbeispiel ver-deutlicht. Insgesamt wurde in dieser Sitzung, wiebereits am Vortag bei Frau Prof. Dr. Bruder, deut-lich, dass die vermeintlichen Schluchten, die ein-zelne Teilnehmende zwischen diesen beiden An-sätzen vermutet hatten, kaum bestehen und manviel mehr darum bemüht ist, die Forschungsan-sätze in einem Qual-Quant-Mix stärker miteinan-der zu vernetzen. Genau diese Tendenzen wur-den auch bei der Sitzung zur fachdidaktischen Ent-wicklungsforschung bestätigt, die von Herrn Prof.Dr. Stephan Hußmann aus Dortmund am Diens-tagnachmittag geleitet wurde. Auch im Rahmendieser Sitzung konnten die Teilnehmenden aktivwerden, indem sie sich beispielsweise Gedankenzu den Zielen und Fragen ihrer Forschung mach-ten und ihr eigenes Forschungsvorhaben reflektier-ten.

Am Mittwoch wechselten die Nachwuchswis-senschaftlerinnen und -wissenschaftler die Blick-richtung auf die umliegende Landschaft dannnoch einmal in einem etwas größeren Maße: Bisdahin standen die Täler im Vordergrund, derenWissenschaftslandschaft insbesondere durch denempirischen Grundgedanken geprägt ist. Nunfolgte mit Herrn Prof. Dr. Thomas Jahnke aus Pots-dam und seinem Vortrag über die stoffdidaktischeForschung ein Blickpunkt, der auf Gegenständedes Mathematikunterrichts und wie diese gelerntsowie gelehrt werden können, abzielt. In eine ähn-liche Richtung ging auch der Vortrag von HerrnProf. Willibald Dörfler aus Klagenfurt, der, nach-dem er bereits am Montag einen Kurzvortrag überdie Geschichte der Mathematikdidaktik gehalten

Ausflug zum Stift Ossiach (Foto: Franz Picher)

hatte, den Teilnehmenden aus erkenntnistheore-tischer Perspektive am Donnerstagvormittag dievielen doch recht unbekannte Landschaft der se-miotischen Forschung vorstellte. In diesem Zugewurde auch gleichzeitig die Vortragsreihe been-det und am Nachmittag durch einen ausführlichenRückblick abgerundet, bevor es dann am Freitagfür die Teilnehmenden von den Bergen zurück inihre Heimat ging.

Auch wenn die Frage „Was heißt bzw. wiefunktioniert ‚mathematikdidaktisch forschen‘?“von einer Summerschool nicht umfassend, son-dern allenfalls exemplarisch beantwortet werdenkann, lohnte sich die Reise für uns Nachwuchs-wissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sehr.Neben dem geschilderten abwechslungsreichenÜberblick über die unterschiedlichen Täler warauch das Rahmenprogramm besonders lobens-wert. Nicht nur die gemeinsamen Mahlzeiten, dieim Sonnenresort Ossiacher See wirklich hervorra-gend waren, luden die Teilnehmenden dazu ein,sich untereinander auszutauschen und sich ken-nenzulernen. Auch das abendliche Programm wardurch einen Spieleabend, ein nächtliches Lager-feuer sowie die Kegelrunde sehr abwechslungs-reich und unterhaltsam. Darüber hinaus wurdeder Mittwochnachmittag für einen ausgiebigen,gemeinschaftlichen Ausflug genutzt, der sowohleine Schifffahrt über den Ossiacher See als auch ei-ne Besichtigung des ansässigen Stifts beinhaltete.Somit kann festgehalten werden, dass neben derinhaltlichen Dichte in den Vorträgen auch der ge-meinschaftliche Gedanke einer solchen Summer-school nicht zu kurz kam.

Abschließend möchten wir im Namen allerTeilnehmenden dem Organisationsteam der Uni-versität Klagenfurt – hier insbesondere Ass.-Prof.Mag. Dr. Franz Picher und Ass.-Prof. Dr. Andre-as Vohns – sowie den „Talexperten“ für ihr ehren-amtliches Engagement und ihre sehr informativenVorträge und der GDM für die Unterstützung derSummerschool herzlichst danken.

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56 Tagungseinladungen GDM-Mitteilungen 96 · 2014

Wir hoffen, dass wir uns alle spätestens imnächsten Jahr in Koblenz wiedersehen und verblei-ben bis dahin mit den besten Grüßen.

Matthias Heinrich und Christian Klostermann, Carl-von-Ossietzky Universität Oldenburg, Institut für Ma-thematik, Carl-von-Ossietzky-Straße 9–11, 26111 Ol-denburg, Email: [email protected],[email protected]

48. Jahrestagung der Gesellschaft für Didaktik der MathematikUniversität Koblenz-Landau, Campus Koblenz, 10.–14. März 2014

Einladung und Überblick über das ProgrammDie Veranstalter

Die Gesellschaft für Di-daktik der Mathema-tik und die UniversitätKoblenz-Landau ladenvom 10. bis 14. März2014 zur 48. Jahresta-gung der GDM nachKoblenz ein. Im Rah-men von Vorträgen, Ar-beitskreistreffen undPoster-Präsentationen

besteht die Möglichkeit, sich über den aktuellenStand der mathematikdidaktischen Forschung zuinformieren, sich mit Kolleginnen und Kollegenauszutauschen und fachbezogen zu diskutieren.

Traditionell findet am Dienstag der Lehrertagstatt, an dem u. a. vielfältige und praxisrelevan-te Workshops für Lehrkräfte angeboten werden.Interessierte Lehrerinnen und Lehrer sind hierzuherzlich eingeladen.

Als Neuerung steht der Mittwochvormittagganz im Zeichen eines intensiven Austauschesmit dem wissenschaftlichen Nachwuchs der GDM:Am Tag der Nachwuchsförderung werden aus-schließlich Vorträge von nichtpromovierten Nach-wuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswis-senschaftlern stattfinden. Damit soll ein Forum ge-schaffen werden, in dem Ideen für Forschungs-oder Dissertationsprojekte vorgestellt werden kön-nen, die sich noch in der Anfangsphase befinden.Im Vergleich zu anderen Vorträgen ist dabei ei-ne doppelt so lange Diskussionszeit vorgesehen.Durch die neugewählten Rahmenbedingungen sol-len Rückmeldungen von möglichst vielen etablier-ten sowie jüngeren Kolleginnen und Kollegen zuden vorgestellten Forschungsansätzen und -ideenermöglicht werden. Die Förderung des wissen-schaftlichen Nachwuchses soll hiermit auch inner-halb der Jahrestagungen mehr Gewicht erhalten.

Um die Diskussionen am Tag der Nachwuchsför-derung möglichst zielgerichtet zu gestalten, wer-den die Vorträge auch an diesem Tag in inhaltlichzueinander passenden „Schienen“ angeordnet undvon jeweils zwei erfahrenen „Chairs“ moderiert,die selbst in dieser oder einer ähnlichen Richtungforschen.

Damit der Tag der Nachwuchsförderung sei-nen Zweck erfüllt, sind alle etablierten Mitgliederder GDM dazu aufgerufen, diesen Tag zu nutzen,um die Forschungsansätze des wissenschaftlichenNachwuchses der GDM kennenzulernen und kon-struktive Rückmeldungen zum Vortrag und demvorgestellten Forschungsansatz zu geben.

Auch für diese Tagung konnten wieder Haupt-vortragende gewonnen werden, die das Lehrenund Lernen von Mathematik aus unterschied-lichen Forschungsperspektiven analysieren undreflektieren. Stefan Götz (Universität Wien) be-fasst sich in seinem Vortrag mit der Frage„Was kann Stoffdidaktik heutzutage (noch) leis-ten?“. Die mathematikdidaktischen Forschungsak-tivitäten zum mathematischen Lernen im Grund-schulalter der letzten zehn Jahre beleuchtet SilkeRuwisch (Leuphana Universität Lüneburg) in ih-rem Vortrag „Mathematik lernen und unterrich-ten in der Grundschule“. Eine psychologische Per-spektive auf das Mathematiklernen nimmt Wolf-gang Schnotz (Universität Koblenz-Landau) in sei-nem Vortrag „Visuelle kognitive Werkzeuge beimMathematikverstehen“ ein. „Digital technology inmathematics education: a reflective look into themirror“ ist Paul Drijvers (Universität Utrecht) Bei-trag zu einer rückblickenden Reflexion von Chan-cen und Grenzen des Technologieeinsatzes im Ma-thematikunterricht. Den Abschluss der Tagung bil-det der Vortrag „Präferenzen oder Fähigkeiten? –Mathematische Denkstile im Spannungsfeld vonPersönlichkeit, Kultur und schulischer Sozialisati-on“ von Rita Borromeo Ferri (Universität Kassel).

Den Kern der Tagung bilden auch in diesemJahr die zahlreichen Vorträge, die im Rahmen

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Tagungseinladungen 57

Die Stadt Koblenz im Bundesgartenschaujahr 2011 (Foto: Holger Weinand, CC BY-SA 30)

von moderierten Sektionen oder als Einzelbeiträgestattfinden und über aktuelle Forschungsprojektein der Mathematikdidaktik informieren.

Koblenz, die Stadt an Rhein und Mosel, bietetzudem viele Sehenswürdigkeiten und ein umfang-reiches kulturelles Angebot und lädt zu vielfälti-gen Erkundungen ein. Weitere Informationen zur48. Jahrestagung der GDM sowie zur Anmeldungfinden Sie unter www.gdm2014.de.

Die Veranstalter der Tagung, das Mathemati-sche Institut in Koblenz und das Institut für Ma-thematik in Landau, freuen sich, Sie auf dem Uni-versitätscampus in Koblenz begrüßen zu dürfen!

Angebote für den wissenschaftlichenNachwuchs von Seiten derNachwuchsvertretungImke Knievel, Alexander Meyer, Christine Plicht,Stefanie Rach, Florian Schacht, Susanne Schnell,Sebastian Schorcht

Erfreulicherweise hat sich in den letzten Jahren dieAnzahl an Nachwuchswissenschaftlerinnen undNachwuchswissenschaftlern in der Mathematik-didaktik kontinuierlich erhöht. Für diese Nach-wuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlerist aus unserer Sicht ein breiteres Angebot an spe-ziellen Fördermaßnahmen hilfreich, um das Erler-nen wissenschaftlichen Arbeitens und das Hinein-

wachsen in die Community zu erleichtern. Sol-che Angebote werden in vielfältiger Weise durchdie GDM gefördert, z. B. indem die Gesellschaftdie beiden Veranstaltungen Doktorandenkolloqui-um und Summerschool finanziell unterstützt. AlsReaktion auf die große Anzahl an Doktorandinnenund Doktoranden wurde von den Organisatorin-nen und Organisatoren der GDM-Tagung 2014 inKoblenz-Landau zudem ein Tag der Nachwuchs-förderung konzipiert.

Die Fördermaßnahmen der GDM werdendurch Aktivitäten der Nachwuchsvertretung er-gänzt. Die Nachwuchsvertretung setzt sich zusam-men aus Promovierenden und Postdocs verschie-dener Einrichtungen (vgl. Autorenliste oben). Dawir selbst noch promovieren oder erst vor kurzempromoviert haben, sind wir mit den besonderenBedürfnissen des wissenschaftlichen Nachwuchsesder GDM vertraut. Wir bemühen uns deshalb auffreiwilliger Basis um die Unterstützung der Nach-wuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlerder GDM. Unter dem Begriff „wissenschaftlicherNachwuchs“ verstehen wir dabei nicht nur allePersonen, die in der Mathematikdidaktik promo-vieren, sondern auch Postdocs, die ihre Promotionvor kurzem abgeschlossen haben und auch danachwissenschaftlich weiterarbeiten. Unsere Bemühun-gen sind darauf ausgerichtet, für beide Gruppenunterstützende Angebote zu schaffen. Dazu bietenwir einerseits selbst Workshops an, in denen wirunsere eigenen Erfahrungen zum Beispiel zur Li-

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58 Tagungseinladungen GDM-Mitteilungen 96 · 2014

Campus Koblenz (Foto: Marc Widiger, CC BY-SA 30)

teraturrecherche weitergeben; andererseits organi-sieren wir Fortbildungsangebote z. B. zu Karriere-wegen nach der Promotion, für die wir renommier-te Expertinnen und Experten gewinnen.

Unsere Workshops und Fortbildungsangebo-te sind – aus organisatorischen und finanziel-len Gründen – jeweils eng mit der Jahresta-gung der GDM verknüpft. Für die Jahrestagung2014 in Koblenz-Landau setzt sich unser Ange-bot aus „alt Bewährtem“ und „neu Konzipier-tem“ zusammen. Die alt bewährten Angebote wur-den in den GDM-Mitteilungen Heft 94 ausführlichbeschrieben (http://didaktik-der-mathematik.de/pdf/gdm-mitteilungen-94.pdf). Sie sind in denletzten Jahren auf positive Resonanz gestoßen:(a) Nachwuchstag vor der Tagung: Diese Aktivi-

tät bietet für Doktorandinnen und Doktoran-den zu Beginn ihrer Promotion die Möglich-keit, Tipps und Tricks zu wissenschaftlichenArbeitsprozessen zu erhalten, Probevorträgezu halten und andere Promovierende aus demdeutschsprachigen Raum kennenzulernen.

(b) Talkrunde vor der Tagungseröffnung: In die-ser Talkrunde diskutieren zwei Wissenschaft-lerinnen bzw. Wissenschaftler, die ihre Promo-tionszeit erfolgreich abgeschlossen haben, mitden Promovierenden Fragen wie „Welche Her-ausforderungen sind in der Promotionszeit zubewältigen?“ oder „Welche Berufswege stehenoffen nach der Promotion?“.

(c) Expertinnen-und Experten-Sprechstunde, indivi-duell während der Tagung: Promovieren-de können in Einzelgesprächen mit erfahre-nen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-lern das eigene Promotionsprojekt diskutieren.

(d) Kneipenabend, Dienstagabend: Dieses sozia-le Ereignis für Promovierende und Postdocsdient dem gegenseitigen Kennenlernen.

Des Weiteren bieten wir auf der GDM-Tagung 2014

zwei neue Aktivitäten an:(e) Postdoc-Workshop, während der Tagung: Da wir

unter wissenschaftlichem Nachwuchs auchPostdocs kurz nach ihrer Promotionszeit ver-stehen, bieten wir eine spezielle Fördermaß-nahme für diesen Personenkreis an. Eines derZiele der Postdoc-Phase ist es, das eigene wis-senschaftliche Profil auszubauen, z. B. durchdas Planen und Durchführen eigener For-schungsprojekte. Für dieses Thema konntenwir einen Experten gewinnen, der die Chan-cen und Herausforderungen der Projektpla-nung in einem Postdoc-Workshop beleuchtet.Im Anschluss an diesen Workshop soll ein kur-zer Postdoc-Dialog stattfinden, um Bedürfnis-se der Postdocs für weitere Fortbildungsange-bote diskutieren zu können.

(f) Verlags-Workshop, während der Tagung: Diezweite, neue Aktivität richtet sich insbesonderean Promovierende in der zweiten Hälfte ihrerPromotion. Für den Verlags-Workshop konn-

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Tagungseinladungen 59

ten wir Vertreterinnen von zwei renommiertenVerlagen für mathematikdidaktische Publika-tionen gewinnen, die Fragen z. B. zum Proze-dere und zu möglichen Kosten einer Verlags-veröffentlichung beantworten werden.

Informationen zu allen Aktivitäten finden sichauf der Tagungshomepage der GDM 2014

(http://www.gdm-tagungen.de/index.php/tagungsprogramm/nachwuchsprogramm3)

oder auf der Madipedia-Seite der Nach-wuchsvertretung (http://madipedia.de/wiki/Nachwuchsvertretung_der_GDM). Wir laden hier-mit den wissenschaftlichen Nachwuchs der GDMherzlich ein, an unseren Angeboten teilzunehmen.Wir freuen uns über eine rege Beteiligung an allenAngeboten. Zudem stehen wir dem Nachwuchsals Ansprechpartnerin bzw. Ansprechpartnergerne zur Verfügung.

GDM Season School 2014 zur FachdidaktischenEntwicklungsforschung in der MathematikdidaktikHagen/Dortmund, 28. September – 2. Oktober 2014

Susanne Schnell und Alexander Meyer

Das Institut für Entwicklung und Erforschung desMathematikunterrichts (IEEM) der TU Dortmundrichtet 2014 die Season School (bisher „Summer-school“) der GDM aus. Der thematische Fokus derSeason School liegt auf der fachdidaktischen Ent-wicklungsforschung, die in verschiedenen Formennational und international einen hohen Stellenwertin allen Fachdidaktiken besitzt. FachdidaktischeEntwicklungsforschung beinhaltet vielfältige Be-züge zur praxisbezogenen Unterrichtsentwicklungbzw. zum Unterrichtsdesign, zur Strukturierungvon Lerngegenständen, zur Implementation vonLehr-Lernarrangements sowie zu Lernprozessana-lysen.

Die Season School soll der systematischen Ver-mittlung von Kenntnissen über die fachdidakti-sche Entwicklungsforschung, ihre Methoden, ih-re zugrunde liegenden Theorien und das dahin-ter stehende Forschungsprogramm dienen. Sie sollaber auch Raum geben für eine kritische Ausein-andersetzung mit fachdidaktischer Entwicklungs-forschung. Da die fachdidaktische Entwicklungs-forschung Bezüge zu vielen anderen Bereichen di-daktischer Forschung besitzt, bietet sich an vielenStellen die Gelegenheit, sich allgemein mit mathe-matikdidaktischer Forschung auseinander zu set-zen.

VeranstaltungsformateIn Workshops und Inputs wird eine Auseinander-setzung mit den vielfältigen Forschungen, Grund-lagen und Methoden der Entwicklungsforschungstattfinden. Dabei profitieren die Teilnehmerinnen

und Teilnehmer von den internationalen und fach-übergreifenden Perspektiven der Expertinnen undExperten.

In Diskussionsrunden werden die Expertinnenund Experten sowie die Teilnehmerinnen und Teil-nehmer Fragen oder Probleme aus ihrer Forschungeinbringen, an denen gemeinsam gearbeitet wer-den kann.

Zusätzlich bieten die Expertinnen bzw. Exper-ten kurze Einzelberatungen und Round Tables für dieArbeitsvorhaben der Teilnehmerinnen und Teil-nehmer an.

Expertinnen und ExpertenStephan Hußmann, Marcus Nührenbörger, Su-sanne Prediger und Christoph Selter (Dort-mund)Ilka Parchmann (Kiel, Chemiedidaktik)Heinz Steinbring (Duisburg-Essen)Rudolf Sträßer (Gießen)Lieven Verschaffel (Leuven, BE, Psychologie)

Koordiniert wird die Season School von Alexan-der Meyer und Susanne Schnell (TU Dortmund,Mitglieder der Nachwuchsvertretung der GDM).

AnmeldungEine Anmeldung ist für interessierte Doktoran-dinnen und Doktoranden sowie für Postdocs imfolgenden Zeitraum möglich: 10. März 2014 bis11. Mai 2014. Weitere Informationen und An-meldeformular unter http://www.mathematik.tu-dortmund.de/ieem/seasonschool.

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60 Tagungseinladungen GDM-Mitteilungen 96 · 2014

Praxisphasen in der Mathematiklehrerbildung an HochschulenTagung der gemeinsamen Kommission Lehrerbildung der GDM, DMV, MNU

Freiburg, 21./22.03.2014

Timo Leuders

In der politischen Diskussion zur Praxisorientie-rung der ersten Phase der Lehrerbildung ist es zurZeit Trend, eine Erweiterung der Praxiselementein der ersten Phase bzw. eine Verschiebung aufeinen möglichst frühen Ausbildungszeitpunkt zufordern. Dabei wird übersehen, dass die Heraus-forderung gerade in der qualitativen Vernetzungvon mathematikdidaktischer Theorie und unter-richtlicher Praxis liegt. Gesucht sind kreative Lö-sungen, die das Aufeinandertreffen der Anforde-rungen von Wissenschaft und Schulpraxis in pro-duktive Lerngelegenheiten verwandeln.

Im Rahmen der Tagung sollen Modelle undIdeen ausgetauscht und diskutiert werden.

Ort: Freiburg, IMBF (Pädagogische Hoch-schule Freiburg)

Termin: 21./22. März 2013 (Fr 14 Uhr bis Sa 16

Uhr)

Anmeldung zur Tagung per Mail bis zum 1. Märzan [email protected].

Hauptvortrag: Karl-Heinz Arnold, Hildesheim:Schulpraktika in der Lehrerbildung: TheoretischeGrundlagen, Konzeptionen, Prozesse und Effekte

Weitere Vorträge mit Diskussion:Astrid Fischer und Johann Sjuts, Oldenburgund Laer: Der Aufbau von Diagnosekompeten-zen von angehenden Lehrerinnen und Lehrern.Ein Kooperationsprojekt von Hochschule, Se-minaren und SchulenLars Holzäpfel, Freiburg: Unterricht planen,durchführen und reflektieren – Schulnahe, kon-tinuierliche Begleitung des Integrierten Semes-terpraktikumsHenning Körner, Oldenburg: Praxisphasen,was und wie? – Ein Blick aus der 2. PhaseKatja Krüger, Paderborn: Konzeption des uni-versitären Begleitseminars im Fach Mathematikfür das Praxissemester an der Universität Pa-derbornHeinz Laakmann und Dorothea Thubach, Dort-mund: Praxis und Theorie im Dialog – Verzah-nungen konstruktiver und rekonstruktiver ma-thematikdidaktischer Reflexionen im Praxisse-mester

Anselm Lambert, Saarbrücken: Mathematik-lehrerbildung aus einen Guss mit besonderemBlick auf die Integration und Gestaltung derPraxisphasenKatja Lengnink, Gießen: Theorie-Praxis-Verknüpfung im Rahmen der LernwerkstattMathematik an der Universität GießenJuliane Leuders und Timo Leuders, Freiburg:Diagnostizieren lernen -– kontinuierliche Be-gleitung bei der individuellen Diagnose im in-tegrierten SemesterpraktikumBarbara Schmitt-Thieme, Hildesheim: Mathe-matik für Lehramt GHR in Hildesheim. Fragenund Beobachtungen aus einem Umsetzungsbei-spielHans-Dieter Sill, Rostock: Die ersten drei Stun-den im Leben eines Mathematiklehrers – Erfah-rungen mit schulpraktischen ÜbungenIngo Witzke, Köln: Forschend lernen zu lehren– ein Kölner Projekt zur Gestaltung der Praxis-phase

Weitere Beiträge sind bis zum 1. 2. wilkom-men (und werden auch in einem Tagungsbandveröffentlicht). Rückfragen oder Angebote bit-te an eine Person aus dem Tagungsteam: Hen-ning Körner [email protected],Katja Krüger [email protected], Timo Leu-ders [email protected], Lars Holzäpfel [email protected], Hans-Dieter Sill [email protected].

Timo Leuders, Institut für Mathematische Bildung Frei-burg, Pädagogische Hochschule Freiburg, Kunzenweg21, 79117 Freiburg, Email: [email protected]

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Tagungseinladungen 61

Fifth Central- and Eastern European Conference onComputer Algebra- and Dynamic Geometry Systemsin Mathematics EducationHalle (Saale), 26–29 September, 2014

Ulrich Kortenkamp

After four successful conferences held at Pécs,Hungary (2007), Hagenberg, Austria (2009),Hluboká nad Vltavou, Czech Republic (2010) andNovi Sad, Serbia (2012) we are delighted to an-nounce that the CADGME conference continues.The team of the Department of Mathematics at theFaculty of Sciences, University of Halle-Wittenberghas volunteered to host the conference in 2014 inthe beautiful city of Halle, Germany. As for thelast CADGME conferences we want to create a fo-rum for Central- and Eastern-European colleagues,and for all interested academics from around theglobe to exchange ideas and nurture collaboration.We hope that you will join us in Halle on 26–29

September 2014!

Keynote speakersRalph-Johan Back (Abo Akademi UniversityTurku, Finland)Marcelo de Carvalho Borba (GPIMEM - Grupode Pesquisa em Informática, Outras Mídias eEducação Matemática, Brasil)Predrag Janicic (University of Belgrade, Serbia)Tomas Recio (Universidad de Cantabria, San-tander, Spain)Jürgen Richter-Gebert (Technische UniversitätMünchen, Germany)

Call for papersThe aim of the conference is to continue offeringa forum for academics in Central- and Eastern Eu-rope in closer connection with Western Europeancolleagues to share their experiences and prac-tices with technology-assisted mathematics teach-ing with colleagues from all around the world.Hence, we kindly invite colleagues – everyonefrom everywhere – to participate and contributeto the conference. The conference language is En-glish.

How to contributeContributed talks: Contributed Talks will be given

in parallel sessions; the length is 30 minutes in-cluding discussion.

Posters: Research results can be presented onposters. There will be time allocated to presentand discuss posters.

Working groups: Talks will be organized aroundthe conference topics as shown in the proposedlist below. We welcome proposals (max 500

words) of working groups by 1 April, 2014 inwhich participants can contribute talks/ pa-pers. In working group sessions plenty oftime will be allocated for in-depth discussionof talks/papers.

Workshops: We encourage participants and soft-ware developers to organize workshops. Pro-posals (max 500 words) should be submitted by1 April, 2014. Please let us know about the tech-nical facilities needed for the workshops.

Student contributions: We will offer a special trackfor Ph.D. students and teachers to encouragecontributions from young researchers. The beststudent contribution will receive a prize.

Registration and further informationConference fees have not been determined yet, butwe are aiming at a low fee that is affordable forparticipants from all over Europe. Furthermore,we’re currently negotiating special rates for accom-modation and catering that will be published at theconference website until March 2014 latest. A dis-count rate for students and for accompanying per-sons will be available. We will try to match theprices of past CADGME conferences (about 160

EUR/70 EUR reduced for 2.5 days). There is thepossibility for a limited number of grants, pleasecontact the local organizing committee before June2014 in case you need financial support.

Please find more information on the conferencewebsite at http://cadgme2014.cermat.org.

Ulrich Kortenkamp, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Mathematik, Didaktik der Math-ematik, 06099 Halle (Saale), Email:[email protected]

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62 Rezensionen GDM-Mitteilungen 96 · 2014

Ulrich Böhm:Modellierungskompetenzen langfristig und kumulativ fördern

Rezensiert von Jürgen Maaß

Was passiert mit einemfachdidaktischen Be-griff, wenn er aus einerNische heraus kommtund zu einem Mode-wort, dem Kennzeichenund Motto einer grö-ßeren fachdidaktischenWelle wird? Der Be-griff wird schwammig,er wird zur Projekti-onsfläche für viele al-te und neue Anliegen

und Wünsche; es wird schwer nach zu vollziehen,wovon genau geredet oder geschrieben wird.

Was passiert, wenn gleich zwei solche Mo-debegriffe zu einem Wort wie hier im Buchtitel„Modellierungskompetenzen“ zusammengezogenwerden? Das Resultat ist aus der Mathematik be-kannt: Die Unschärfen verhalten sich wie zweiMessungenauigkeiten – es wird immer schlimmer.

Was kann man in einer solchen Situation tun?Das Einfachste ist: Abwarten. Nach einiger Zeitkommt der Begriff aus der Mode und es ist wiedermöglich, sinnvoll damit zu arbeiten. Ulrich Böhmwählt in seiner Dissertation einen weitaus schwie-rigeren Weg. Er versucht, beide Basisbegriffe an-hand der aktuellen Literatur dazu genauer zu fas-sen und zudem die aus vielen Gründen sehr wün-schenswerten Modellierungskompetenzen theore-tisch neu zu fundieren – durch einen Theorieim-port aus der Soziologie, der „Tätigkeitstheorie“.

Auf den ersten 235 Seiten des Buches wirdaus der Literaturanalyse und dem Theorieimportfein säuberlich und lesenswert zusammen getra-gen, was als Fundament des „Tätigkeitstheoreti-schen Kompetenzstrukturmodells des mathema-tischen Modellierens“ (Kap. 6., S. 245–257) ge-braucht wird.

Es hätte den Rahmen auch dieser umfangrei-chen Arbeit deutlich überschritten, wäre aber füreine mathematikdidaktisch weiter tragende Ana-lyse sehr sinnvoll, über die aktuelle mathematik-didaktische Literatur zum Modellieren hinaus indie Überlegungen einzubeziehen, was ältere oderausländische Werke zum Thema beigetragen ha-ben, etwa die von Felix Klein. Zusätzliche Ansatz-punkte – und Themen für andere Dissertationen –

könnten Beziehungen zum Nachdenken über Mo-dellieren in der Mathematik (nicht im Unterricht,sondern in der Industriemathematik), zur Philoso-phie des Modellierens (Erkenntnistheorie!), zu denfundamentalen Ideen etc. sein.

Im letzten Kapitel des Buches fragt sich derAutor nach der Umsetzung im Unterricht; er for-muliert „Vorschläge für eine systematische undlangfristige Förderung von mathematischen Mo-dellierungskompetenzen in der Sekundarstufe I“(S. 279–310). In diesem Abschnitt findet sich einedreistufige Skala (unmittelbares, idealisiertes undanzupassendes Modellieren, vgl. S. 281 ff.) und ei-ne ganze Reihe von Vorschlägen für mathemati-sche Modellierungen aus der Literatur, hauptsäch-lich aus dem ISTRON-Umkreis. Selbstverständ-lich ist das kein vollständiges Programm zur flä-chendeckenden Realisierung eines Mathematikun-terrichts, in dem die gewünschten mathemati-schen Modellierungskompetenzen tatsächlich er-reicht werden. Dazu kann eine Dissertation besten-falls beitragen, indem Begriffe analysiert und pro-grammatisch verbunden werden. Wer sich für dieZielsetzung begeistert, kann auf vielfältige Wei-se zur Realisierung beitragen. Für die mathema-tikdidaktische Forschung schlage ich vor, all dieMUEDen LehrerInnen systematisch nach ihren Er-fahrungen zu fragen, die schon seit Jahrzehnteneinen solchen Unterricht versuchen.

Ulrich Böhm: Modellierungskompetenzen langfristig undkumulativ fördern. Tätigkeitstheoretische Analyse des ma-thematischen Modellierens in der Sekundarstufe I, Sprin-ger Spektrum Verlag Wiesbaden 2013, ISBN 978-3-658-01820-7, 345 S., ca. 70 Euro

Jürgen Maaß, Universität Linz, Institut für Didaktik derMathematik, Altenberger Straße 69, 4040 Linz, Öster-reich, Email: [email protected]

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Rezensionen 63

Klaus Rödler:Das Handbuch „Die rot-blauen Würfel und Fünferstangen“ – Rechnendurch Handeln

Rezensiert von Wolfram Meyerhöfer

Klaus Rödler istGrundschullehrer inFrankfurt a. M. undhat m. E. eines der in-teressantesten neue-ren Konzepte für denMathematikunterrichtin der Grundschu-le entwickelt: http://www.rechnen-durch-handeln.de

Für die 1. Klasse istnun das Lehrerhand-

buch „Die rot-blauen Würfel und Fünferstangen“in einer Neuauflage erschienen. Im ersten Teil (S. 5-13) entfaltet Rödler seine didaktischen Grundide-en. Der zweite Teil (S. 15–39) enthält Vorschläge fürden Unterricht. Es folgen 13 Kopiervorlagen undeine Bauanleitung für einen Schultagezähler (guteIdee!).

Eckbausteine des Rödler’schen Konzepts

Man kann Rödler in jenen Diskursstrang einord-nen, der im relationalen Zahlkonzept den Schlüs-sel für verständiges Rechnen sieht. Ich würde hierdie Namen Gerster, Gaidoschik, die JRT-Autoren,Moser-Opitz und mittlerweile auch das mathe-2000-Umfeld nennen. Sein Fokus liegt dabei aufdem Konzept reversibler Wertebenen, das auf demTeile-Ganze-Konzept fußt. Die Idee dabei ist, dassdie Kinder erkennen, dass eine Zahl gleichzeitigals etwas benennbar Ganzes und als aus Teilenzusammengesetzt gesehen werden kann. Die ZahlVier ist eben nicht nur ein benennbar Ganzes, son-dern sie ist vom Schüler ebenso zusammengesetztdenkbar aus 2 und 2 oder 3 und 1 oder aus vierEinsen bzw. Einern. Rödler bewegt sich quer zurFrage „Welchen Zahlraum wollen wir in Klasse 1

erschließen?“ Bis zu den Herbstferien wird bei ihmnicht im klassischen Sinne gerechnet, sondern

er „lässt Zahlen bilden“. Früher sprach er von„konkreten Zahlen“. Es werden auf vielfältigsteWeise Anzahlen bestimmt, verglichen und re-präsentiert. Ein Beispiel:

Am Türeingang sind zwei Schalen mit denSchildern ,weg‘ und ,da‘. Beim Gehen legt

jedes Kind einen Würfel in die Schale ,weg‘.Am nächsten Tag legt jedes Kind beim Her-einkommen einen Würfel aus der Schale,weg‘ in die Schale ,da‘.Auf diese Weise lässt sich sehen, ob schonalle Kinder da sind. Man kann auch zäh-len, wie viele Kinder noch fehlen. Oder manzählt gemeinsam mit den Kindern die Wür-fel in der Schale ,da‘ und fragt, wie vieleWürfel wohl in der Schale ,weg‘ sind. Soergibt sich ein täglicher Zählanlass, der dieZahlreihe bis über 20 (Anzahl der Kinder inder Klasse) ins Spiel bringt und nebenher er-hält man die Möglichkeit zu situationsbezo-genem Sachrechnen. (S. 16)

Jenen Kindern, die die Zahlzeichen noch nichtkennen, werden Brücken gebaut, z. B. in Formeiner Art Anlauttabelle für die Zahlzeichen(S. 17 f.).Er baut Operationsverständnis auf. Dabei nutzter die titelgebenden Würfel mit roten und blau-en Seiten, z. T. nutzt er auch ungefärbte Würfel.Er spricht hier interessanterweise von vornher-ein die Multiplikation und die Division mit an,weil in deren flächigen Strukturen die kleinenZahlen im Sinne des Teile-Ganzes-Gedankensals wiederkehrende Bausteine erscheinen:

Um die Verfestigung des zählenden Rech-nens zu verhindern, ist es notwendig, dassdie Kinder frühzeitig Alternativen kennenlernen. Führen sie (aus der Not heraus)Rechnungen überwiegend zählend durch,so stabilisiert sich dadurch die Vorstellungder Zahl als Zahlwortreihe und die desRechnens als Weiter-, bzw. Rückwärtszäh-len. Damit dies nicht geschieht, ist es wich-tig, dass die Kinder möglichst früh Alterna-tiven kennen lernen und einen Bestand vonRechnungen aufbauen, den sie ohne zu zäh-len lösen können.Aus diesem Grund lohnt es sich, bereitsin den ersten Schulwochen einfache Multi-plikationen und Divisionen zu behandeln,die zu wieder erkennbaren Rechteckmus-tern führen.Dass 2 × 3 gleich 6, 2 × 4 gleich 8, 3 × 3gleich 9 oder 3× 4 gleich 12 ist, muss nur am

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64 Rezensionen GDM-Mitteilungen 96 · 2014

Anfang zählend gefunden werden. Wenndiese Muster in der Folge wieder auftau-chen, am Schubladenschrank, an den Fo-tos an der Wand oder auch in einer Rech-nung, dann können sie unmittelbar erkanntund benannt werden. ,2 × 3‘ und ,6‘ sindfast gleichwertige Namen für eine kardinaleStruktur.Während Addition und Subtraktion ihrerNatur nach lineare Operationen sind, dieentsprechend zur Zahlwortreihe passen unddas zählende Rechnen befördern, sind Mul-tiplikation und Division flächige Operatio-nen, die zu Mustern und Strukturen führen.Das gilt es, bereits im Anfangsunterricht zunutzen. (S. 35 f.)

Hier nutzt Rödler insbesondere auch Würfel-bauwerke, vergleiche dazu auch seinen Text inSache-Wort-Zahl Nr. 129 (Oktober 2013).Er erschließt die Zahlzerlegungen und die zu-gehörigen Aufgaben des kleinen 1+ 1 und 1− 1im Zahlraum bis Fünf (ab etwa der 8. Schulwo-che). Hier sollen Addition und Subtraktion imoperativen Zusammenhang und im inneren Zu-sammenhang mit der Zerlegung automatisiertwerden. Dies erfolgt unter Zugriff auf simulta-ne Mengenerfassungen. Die Reduktion auf denkleinen Zahlraum wird damit begründet, dassder Zehnerraum diese Automatisierung nichtim Sinne eines Teile-Ganzes-Verständnisses er-laubt, sondern viele Schüler – zumindest in derersten Klasse – zum Zählen zwingt.

Im Ganzen kann man sagen: Rödler nimmt dieIdeen von anspruchsvoller Mathematik etwa ausdem Projekt „mathe 2000“ auf, aber er nimmt je-ne Schüler, die mit geringen Vorkenntnissen in dieSchule kommen, expliziter in den Blick. Dies ge-lingt ihm dadurch, dass er zwar auf der Ebene desZählens und Abzählens deutlich über die 20 hin-ausgeht und mit den Schülern anspruchsvolle re-lationale Debatten führt sowie bereits multiplikati-ve und divisible Probleme analysiert, dass er aberumgekehrt bei der Automatisierung eines Kern-bestandes von Zerlegungen, Additionen, Subtrak-tionen und Ergänzungsaufgaben in den kleinenZahlraum bis 5 hinunter geht. Als Grund gibt eran, dass dieser von der Spontanwahrnehmung ge-stützte Bereich auch den schwächeren Schülern ei-ne rasche Automatisierung erlaubt und damit auchihnen früh ein Gegenmodell zum zählenden Lösengibt.

Der Zahlraum jenseits der 5 wird rechnerischerst betreten, wenn die kardinalen Beziehungen biszur 5 von allen Schülern verstanden und auch rou-tinisiert sind. Als Bezugsgröße dient nun der Fün-fer. Beim Rechnen dient als Fünfer die Fünferstan-

ge, die konsequent als Modell für eine reversibleWertebene behandelt wird. Dieses Modell des re-versiblen Fünfers wird dann im Hunderterraumauf den Zehner übertragen und später auch aufdie höheren Wertebenen (vgl. Rödlers Buch „Erb-sen, Bohnen, Rechenbrett“.)

In Klasse 1 verfolgt Rödler die Besonderung,dass Zehner und Zehnerübergang zunächst nichtin den Blick genommen werden. (Wenn Schülerden Zehner bereits früher als Bezugspunkt wählen,dann wird dies natürlich gestärkt.) Als Begrün-dung erläutert Rödler mehrere Motivationsproble-me (S. 8 f.) und die Notwendigkeit eines bereitsabsolut stabilen Zerlegungswissens (S. 9). Er be-schreibt Schüler, die angesichts eines Drucks Rich-tung Teilschrittverfahren wieder in zählende Stra-tegien zurückfallen:

Um diese Notlösung nicht als inneres Konzeptzu konditionieren, ist es wichtig, dass man dasThema nur streift, in seiner Bedeutung abernicht überhöht. Es ist ein Angebot für die schongefestigten Rechner. Es sollte aber nicht dieje-nigen diskriminieren, welche die Grundlagennoch nicht besitzen. [. . . ] Deshalb verbietet essich, etwa eine Klassenarbeit zu diesem Inhaltzu schreiben. (S. 35)

Statt des Zehners wählt Rödler als erste Bünde-lungseinheit zum Rechnen den Fünfer, materiali-siert in Fünferstangen. Mit ihnen baut er einenstimmigen Unterrichtsgang auf. Später kommt derRechenstrich hinzu. Ich hätte mir gewünscht, dasser die dabei wahrscheinlich auftretenden Über-gangsprobleme ein wenig intensiver diskutiert hät-te, denn z. B. die Addition 8 + 7 erscheint struktu-rell mit Fünferstangen ja deutlich anders als aufdem Rechenstrich.

Reibungspunkte mit der derzeitigenMathematikdidaktik

Der von Rödler verkörperte Typus des Lehrers, dereine eigene didaktische Konzeption entwickelt, be-gründet und umsetzt, ist nahezu ausgestorben. Inden sechziger oder siebziger Jahren wäre so je-mand vielleicht irgendwann Didaktikprofessor ge-worden und hätte sein Konzept umfassender –z. B. in einer Lehrbuchreihe – publizistisch umset-zen können. Heute werden solch didaktisch inter-essierten Personen frühzeitig von der Mathematik-didaktik aus den Schulen abgesaugt und von ihrerDesign-Arbeit weggeführt – oder sie fallen tenden-ziell aus dem Diskursraster der Kommunität.

Dass Rödler trotz diverser Publikationen beimKallmeyer-Verlag in der mathematikdidaktischenDebatte weitgehend ignoriert wird, liegt sicher-lich auch daran, dass seine Konzeption eini-

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Rezensionen 65

ge Reizaussagen enthält. Da die Grundschul-Mathematikdidaktik eine Kultur der Debatte nichtpflegt, sondern gegenläufige Positionen ignoriertoder glättet, bleiben Nichtetablierte systematischin Außenseiterpositionen gedrängt. Nichtsdesto-trotz sollen hier einige der Reizpositionen ange-deutet werden, weil die dahinterstehenden Argu-mente uns anregen, den innerdidaktischen Kon-sens zu befragen bzw. auszudifferenzieren:

1. Der Zahlraum bis 20. In der Grundschul-Mathematikdidaktik hat sich die Position etabliert,dass in der ersten Klasse sehr schnell der Zahl-raum bis 20 erschlossen wird. Dies führt – nichtnur praktisch, sondern auch konzeptionell – dazu,dass sehr früh jenseits der 10 gerechnet wird. Röd-lers Ansatz hat nichts mit jenen früheren Ansätzenzu tun, welche die Schüler lange in die Räume bis5, bis 6, bis 10 oder bis 12 verweisen, aber er rech-net eben auch nicht sofort jenseits der 5, sondernerst nach den Herbstferien, und er arbeitet sehr of-fen mit dem Thema des Zehnerübergangs, indemer dem Schülertempo folgt und den Zehnerüber-gang durch die konsequente Arbeit mit den Fün-ferstangen aus dem Rechnen im Zwanzigerraumheraushält. Die Idee ist dabei, Zeit gewinnen, bisdie Voraussetzungen für das Verstehen und Routi-nisieren des Teilschrittverfahrens vorhanden sind.

2. Verbot des Fingerrechnens. Ich selbst stehe fürein „Lob des Fingerrechnens“ (vgl. SWZ Nr. 104,September 2009) und würde sagen, dass ich da-mit eher im Mainstream der derzeitigen Grund-schuldidaktik stehe. Rödler fordert hingegen, dasFingerrechnen „strikt zu unterbinden“, und bringtauch dafür durchaus einleuchtende Argumente:

Die Würfel haben gegenüber den Fingern zahl-reiche Vorteile. Die drei wichtigsten sind: DerZahlraum ist bei den Würfeln im Prinzip un-beschränkt. Das Fingerrechnen provoziert beimRechnen über die ‚10‘ und auch bei Subtraktio-nen Fehler, die bei den Würfeln nicht vorkom-men. Und strukturelle Momente wie Tausch-aufgabe und Gegenoperation werden beim ge-legten Material sichtbar, während sie beim Fin-gerzählen unsichtbar bleiben. Die Rechnungfindet auf einer Teppichfliese (20 cm × 25 cm)statt, was die Fokussierung auf den Vorgangfördert. (S. 18)

3. Nicht Zahlen in Mustern legen. Auch Rödlerarbeitet mit bestimmten Mustern, aber er fordert,Zahlenmuster im Rahmen der Addition, Subtrak-tion und beim Aufbau der Zahlreihe eher zu mei-den (S. 22). Seine Begründung zeigt, dass er sich imGrunde gegen die undifferenziert als positiv ange-nommene Verwendung von Zahlen in Musterfor-men richtet:

Wenn man versucht, Anzahlen durch Anord-nung sichtbar zu machen, so entstehen typischeMuster, wie die folgenden.

Beim Rechnen mit diesen Zahlen zeigt sichaber, dass man Aufgaben, die in dieser Formgelegt worden sind, entweder abzählend rech-nen oder die Muster im Rechenvorgang auflö-sen und verändern muss. Die ‚3‘ und die ‚5‘sind in der ‚8‘ in gewissem Sinne nicht mehrvorhanden. (Siehe Abb.) (S. 22)

Ein anderes Beispiel wäre die beliebte Verwendungvon Würfelmustern: Eine Würfel-Zwei und eineWürfel-Vier ergeben eben keine Würfel-Sechs. DieWürfel-Muster sind nun einmal nicht für additiveoder relationale Betrachtungen geschaffen worden.Es ist nicht undifferenziert jedes Zahl-Muster ver-ständnisfördernd.

4. Frühe Nutzung multiplikativer Strukturen.Auch die frühe Nutzung multiplikativer Struktu-ren – und von Ausblicken in die Division – ent-fernen sich deutlich vom gegenwärtigen didakti-schen Hauptstrom, erscheinen gleichwohl in ihrerBegründung (siehe oben, im Buch S. 20 f., S. 25

f., S. 35 f.) und in ihrer konkreten Ausgestaltungsinnvoll.

Im Ganzen legt Klaus Rödler ein praktisch bewähr-tes, stimmiges und originelles Konzept für denMathematikunterricht der Klasse 1 vor, das auchfür die Theoriearbeit interessante Fragen und The-sen aufwirft.

Klaus Rödler: Das Handbuch „Die rot-blauen Würfel undFünferstangen“. Rechnen durch Handeln. Das Material fürdas 1. Schuljahr. 2. Erweiterte Auflage 2013, 56 S., ISBN978-3-00-043311-5, EUR 9,80.

Wolfram Meyerhöfer, Universität Paderborn, WarburgerStraße 100, 33098 Paderborn, Email:[email protected]

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66 Rezensionen GDM-Mitteilungen 96 · 2014

Uwe Saint-Mont:Die Macht der Daten. Wie Information unser Leben bestimmt

Rezensiert von Philipp Ullmann

Ziel des Autors ist es,„ein Bild dessen zu ver-mitteln, was gute an-gewandte Statistik undInformatik sowie empi-risch fundierte Wissen-schaft und Philosophievermögen“ (S. X). An-hand dieser vier Begrif-fe ist das Buch struk-turiert. Doch bevor derInhalt referiert wird,scheint eine methodi-

sche Vorbemerkung notwendig.„Dieses Buch wurde mit dem Anspruch ge-

schrieben, allgemein verständlich zu sein“ undwill „einer breiten Leserschaft wichtige Zusam-menhänge verdeutlichen“ (S. 233). Das führt zuGrundsatzentscheidungen, von denen zwei beson-ders augenfällig sind: Zum einen verzichtet derAutor, der sich als „philosophierender Statisti-ker“ (S. 242) versteht, nahezu durchgehend auf dieVerwendung der einschlägigen Fachliteratur undstützt sich stattdessen – neben zahlreichen eklek-tischen Quellen – auf leicht zugängliches Inter-netmaterial und den gesunden Menschenverstand.Zum anderen werden einschlägige Fachbegriffe(etwa Sensitivität, Spezifität und Effizienz (S. 31),Zufallsstrichprobe (S. 44) oder Validität und Re-liabilität (S. 54 f.)) nicht präzisiert, sondern ledig-lich im beispielhaften Gebrauch fixiert, getreu derMaxime „allgemeine ,Weisheiten‘ ausgehend voneinfachen, anschaulichen Beispielen zu erläutern“(S. XVII). Zitate aus dem Englischen sind konse-quent ins Deutsche übersetzt.

Nun zum Inhaltlichen. Das erste Kapitel Sta-tistik: In Daten lesen entfaltet das Argument, dassDaten das (einzige) Fundament belastbaren Wis-sens bilden – eine Position, die durchaus Wi-derspruch hervorrufen mag. Anhand einer Viel-zahl von Themen – um nur einige Schlagwor-te zu nennen: Vogelzählung, Prostitution, HIV-Test, Flugangst, Meinungsforschung, Gesundheits-system, EHEC-Epidemie 2011 (die in einiger Aus-führlichkeit besprochen wird) sowie das obligato-rische Ziegenproblem – wird das kleine Einmal-eins der Statistik erläutert. Die zum Teil beden-kenswerten Analysen dienen dem Beleg, dass Da-ten „die empirische Basis [bilden], auf die wir uns

stützen, mit deren maßgeblicher Hilfe wir hoffen,Wissen zu generieren“ (S. 73) – natürlich gepaartmit gesundem Menschenverstand.

Im zweiten Kapitel Informatik: Mit Daten umge-hen werden die Vor- und Nachteile des Internetsdiskutiert, wobei der Schwerpunkt auf Fragen derDatensicherheit liegt. Unter Verweis auf den ge-sunden Menschenverstand kommt der Autor zudem Schluss, „dass sich Regeln, die sich im tra-dierten Umfeld bewährt haben, auch auf die (neue)elektronische Welt übertragen lassen“ (S. 117), dieProbleme – als eine Art Übergangsphänomen –mithin nicht besonders groß seien.

Das dritte Kapitel Wissenschaft: Aus Daten ler-nen löst sich vom unparteiischen Referieren undsetzt auf „klare persönliche Wertungen“ (S. 123).Im Zentrum der Diskussion stehen wirtschaftlicheund gesellschaftliche Fragen, vor allem das Bil-dungssystem und die Finanzwirtschaft. Themenwie Lehrevaluation, Investment-Banking, Treu-hand, Finanztransaktionssteuer, Finanzkrise undRettungsschirme werden abgehandelt, nicht ohnedabei mit der Finanzmathematik und der Volks-wirtschaftslehre abzurechnen, insofern sie den Be-zug zur Realität verloren habe (vgl. S. 166-176).Als Positivbeispiele mit Bodenhaftung dienen z. B.die Versicherungswirtschaft, die Wettervorhersageund der Klimawandel. Mathematisch kommt derAutor in der gesamten Diskussion mit dem Drei-satz aus.

Das vierte Kapitel Philosophie: Auf Daten auf-bauen entfaltet schließlich die Vision einer Wis-senschaft, die sich rückbesinnt auf „die gründ-liche, unaufgeregte, empirisch-experimentell-quantitativ-rationale ,wissenschaftliche Methode‘,die uns echten und dauerhaften Fortschritt ge-bracht hat“. (S. 214) Die Statistik spielt in diesemZusammenhang eine zentrale Rolle, nicht zuletztdurch die mögliche Nutzung großer Datensamm-lungen, die heutzutage allenthalben vorliegen (vgl.S. 223). Auch hier wird noch einmal der gesundeMenschenverstand angemahnt.

Als Fazit lässt sich zweierlei festhalten: Oh-ne Statistik – als mathematisierter gesunder Men-schenverstand – gibt es keine adäquate Datenana-lyse; und ohne Datenanalyse gibt es keine Erkennt-nis. Auch wenn die (gelegentlich sehr einseitige)Argumentation nicht immer zu überzeugen ver-mag und die Zielgruppe des Buches nicht wirk-

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Rezensionen 67

lich ersichtlich ist – anregend ist die Lektüre al-lemal. So etwa die Bildungsvision: „Heute könn-ten wir mittels netzbasierter Initiativen dem Ide-al der ,Bildung für alle‘ näher kommen als jemalszuvor in der Geschichte. Womöglich werden Wi-kipedia und Google sogar mehr bewirken als allepädagogischen Bewegungen seit Pestalozzi (1746–1827) zusammen“ (S. 232). Eigentlich ist eben allesganz einfach – oder?

Saint-Mont, Uwe: Die Macht der Daten. Wie Informati-on unser Leben bestimmt. Berlin: Springer. (ISBN 978-3-642-35116-7; 978-2-642-315117-4/ebook). 24,99 EUR (D);25,69 EUR (A); CHF 31.50 (2013).

Philipp Ullmann, Institut für Didaktik der Mathematik,Universität Frankfurt, Email:[email protected]

Schmitt-Hartmann, Reinhard und Herget, Wilfried:Moderner Unterricht – Papierfalten im Mathematikunterricht 5–12

Rezensiert von Bernd Wollring

Zuerst. Es ist begrü-ßenswert, dass ReinhardSchmitt-Hartmann undWilfried Herget ein Buchzur Papierfaltgeometrievorlegen, noch dazu fürdie Sekundarstufe. Dasklingt zunächst ein we-nig nach „Basteln in derMathematik“, nach derAnkündigung speziellenLustgewinns beim Befas-

sen mit einer bestimmten Art von Mathematik,ganz ähnlich, wie es auch bei den „etwas ande-ren Aufgaben“ der Fall ist, für die Wilfried Hergetbekannt ist.

Aber das ist nicht so, denn Papierfalten ist ei-ne Artikulation geometrischer Prozesse, es ist einhändisches Darstellen von Abbildungen an Figu-ren, wie es in den Bildungsstandards der Kultus-ministerkonferenz im Inhaltsbereich „Raum undForm“ sowohl für die Sekundarstufe I als auchfür die Primarstufe angesprochen wird. Papier-falten schafft eine mächtige Handlungs-Sprachezu geometrischen Konstruktionen. Vielen Men-schen, Jugendlichen wie Erwachsenen, mathema-tikfernen wie mathematiknahen, macht es erhebli-che Schwierigkeiten, Papierfaltkonstruktionen mitgesprochenen oder geschriebenen Texten zu be-gleiten. Das erfordert eine fundierte situative Spra-che auf der Basis alltäglicher Erfahrung oder eineelaborierte und trainierte Fachsprache. Man versu-che einmal, das Falten der vielen Kindern geläufi-

gen Figur „Himmel und Hölle“ ohne Benutzen derHände in einen gesprochenen oder geschriebenenText zu fassen. Deutlich wird, welch starke Sprachein den handelnden Händen steckt.

In diesem Buch werden ausschließlich Faltun-gen vorgestellt, die gradlinige Faltlinien erzeugen,die dargestellten Figuren bestehen aus gefaltetenStrecken, Strahlen oder Graden. Das ist eine deut-liche, wenn auch sehr zweckmäßige Einschrän-kung. Man findet durchaus Verpackungen, bei de-nen krummlinige Faltkanten im dreidimensiona-len Raum entstehen. Kreise und Kurven sind alsoFiguren, die das hier vorgestellte Papierfalten nichterschließt, wohl aber gerade Linien und gradlinigbegrenzte Vielecke.

Die Kraft des Papierfaltens liegt darin, dass vie-le seiner Konstruktionen auf Achsenspiegelungenberuhen. Versuche zum Axiomatisieren des Pa-pierfaltens ähnlich den Axiomen der euklidischenGeometrie zeigen, dass man mit Papierfaltungenmehr konstruieren kann als mit Zirkel und Line-al. Bereits ein Blick in das Inhaltsverzeichnis desBuches belegt dies: Unter den Aufgaben ab Klas-se 7/8 findet sich die „Dreiteilung eines Winkels“,euklidisch nicht lösbar. Das wirft die Frage auf,ob hier eine Art probierende Konstruktion vorliegtoder eine Konstruktion, die das gesuchte Objektlediglich näherungsweise darstellt. Beides ist nichtder Fall, denn das Papierfalten erlaubt weiterge-hende Konstruktionsmuster als das Konstruierenmit Zirkel und Lineal. Lässt man diese ebenfallszu, dann sind mit Papierfaltgeometrie tatsächlichmehr Probleme exakt zu lösen als mit euklidischer

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68 Rezensionen GDM-Mitteilungen 96 · 2014

Geometrie. Zwei dieser in der euklidischen Geo-metrie nicht lösbaren Probleme finden sich dennauch in diesem Buch:

Auf Seite 74 findet sich die „Dreiteilung desWinkels“ mit einer Begründung, die genaudie erweiterten „Axiome“ aufnimmt, welchedurch die Papierfaltgeometrie modelliert wer-den. Diese Konstruktion schlagen die Autorenmutiger weise bereits für die Jahrgangsstufen 7

oder 8 vor, und ich teile diese Einschätzung: Daist sie richtig platziert.Auf Seite 130 findet sich das „Delische Pro-blem“, bei dem es darum geht zu einem ge-gebenen Würfel einen zweiten mit doppeltemRauminhalt zu konstruieren. Hier waren dieAutoren etwas vorsichtiger und haben dieseAufgabe als etwas schwieriger den Jahrgangs-stufen 9 oder 10 gewidmet.

Diese beiden Konstruktionen haben eher grund-sätzliche Bedeutung und dienen der Schulung desArgumentierens auf einer angenommenen Argu-mentationsbasis. Das Buch stellt eine Fülle vonAufgaben vor, nicht nur zahlenmäßig viele, son-dern auch vom Schwierigkeitsgrad und vom äs-thetischen Reiz her viele.

Man könnte sich natürlich mehr Fotos anstel-le von Zeichnungen wünschen, weil diese die Pa-pierfaltobjekte schöner und plastischer darstellenals Zeichnungen dies vermögen. So benötigt manschon eine spezifische Kompetenz, um die Zeich-nungen korrekt lesen zu können. Auch hätte es dasganze Buch attraktiv gemacht, wenn man zumin-dest bei einigen Seiten einen farbigen Druck spen-diert hätte, nicht nur aus Gründen der Ästhetik,sondern auch, weil mit Hilfe von Farben mancheUnterscheidungen von Objekten leichter und schö-ner gelingen als mit den typischen Grauschattie-rungen.

Viele der Darstellungen zu den Faltungen äh-neln Konstruktionsbeschreibungen, wie man sieaus Schulbüchern zur Geometrie kennt: Die ikoni-sche Darstellung ist durch Bezeichnungen ergänztund die Bezeichnungen werden im begleitendenText wieder aufgenommen. Damit fordert diesesBuch zwei Kompetenzen:

Es fordert zum einen die Kompetenz, die jewei-lige Papierfaltung nachvollziehen und das zu-grunde liegende mathematische Phänomen er-klären und begründen zu können.Es fordert aber darüber hinaus die Kompetenz,eine bestimmte verschriftlichte ikonische Dar-stellung lesen und in eine Handlung übersetzenzu können. Wenden wir es ins Positive: Viel-leicht hat ja diese oder jene Lehrkraft Interes-se, einige dieser Faltungen durch Videoclips zudokumentieren oder ihre Bearbeitung mit Hilfevorgefalteter Musterstücke zu unterstützen, die

dann von den Lernenden zu analysieren undnachzubauen sind.

Betrachten wir nun die einzelnen Abschnitte:

Klasse 5/6Dort finden sich elementare Faltungen, die inreizvolle Objekte oder bedeutsame Konstruktio-nen münden, zum einen etwa die Konstruktio-nen von Mittelsenkrechten und Winkelhalbieren-den auf der Basis von Achsensymmetrie, zum an-deren der „Puste-Würfel“, der zwar reizvoll abermöglicherweise mathematisch von sehr begrenzterBedeutung ist. Faltungen zur Betrachtung der Flä-cheninhalte bei Drei- und Vierecken dagegen ge-nerieren flexible Darstellungen zum Unterstützenvon Beweisideen. Besonders reizvoll und typischfür Aufgaben vom Stil der Autoren ist die Aufgabe„Die dicke Säule“, bei der es um experimentellesHerstellen von Säulen mit gegebenem Mantel gehtund gefragt ist, welche Rauminhalte diese Säulendenn haben.

Klasse 7/8Wie im vorhergehenden Abschnitt finden sich hierschulbedeutsame ebene Konstruktionen, die aus-weisen, dass sich Papierfaltgeometrie begleitendund unterstützend zur ebenen euklidischen Geo-metrie nutzen lässt, wie sie in der Mittelstufe ge-wöhnlich stattfindet. Die Faltungen zu Würfelnund Tetraedern dagegen machen auf den erstenBlick den Eindruck, es gehe hier um das Herstel-len von Spielzeug. Das ist meines Erachtens nichtso, vielmehr geht es darum, Symmetrien an dreidi-mensionalen Körpern handelnd zu erkunden unddazu einen Erfahrungsraum zu schaffen, welcherder Versprachlichung vorausgeht. Selbstverständ-lich naheliegend ist es, die Geometrie eines In-dustrieproduktes, wie es Papierbögen der Forma-te DIN A sind, auch an den originalen Objektenhandelnd zu erkunden. Dazu sind Papierfaltkon-struktionen prädestiniert, und die beiden Aufga-benvorschläge zu DIN-Formaten sollten im Sinneeiner technischen Elementarbildung jeder Schüle-rin und jedem Schüler der ausgehenden Mittelstu-fe bekannt sein.

Klasse 9/10

Hier werden die vorgestellten Projekte schon an-spruchsvoller. Es wird ein Katalog von Problemendargestellt, der in der Mathematik in der ausge-henden Mittelstufe nicht allein der Geometrie zu-zuordnen ist. Vielmehr sind die Objekte gebiets-verbindend in der Mathematik der Jahrgangsstu-fen 9 und 10. Drei Beispiele sollen dies belegen:

Bedeutsam innerhalb der Geometrie, aber mitalgebraischer Anreicherung, sind die beiden

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Probleme „Parallelogramm im Quadrat“ I undII. Dort geht es um besondere Eigenschaftenvon Figuren im Quadrat, deren Winkelsummenund deren Seitenverhältnisse. Diese Aufgabenbündeln alle Kompetenzen die man in der Geo-metrie der Mittelstufe zusammengetragen hat.Eine wundervolle Konstruktion ist die„Kasahara-Faltung des goldenen Schnitts“ aufSeite 116, leider ohne Zitat angegeben. DieseFaltung ist derart schön und genial, dass manan ihrer Eleganz die ganze Macht der Papier-faltgeometrie denen demonstrieren kann, diesich für Schönheit in der Mathematik begeis-tern können. Natürlich muss man die Argu-mente wieder nahezu im ganzen Bereich derMittelstufengeometrie zusammensuchen undsie treten auch durchaus verdichtet auf, aberdie unmittelbare Zugänglichkeit des goldenRechtecks mit dieser Konstruktion ist meinesWissens nur noch bei der berühmten Freimau-rerkonstruktion des „Secret Cut“ für das regel-mäßige Achteck zu finden. Es lohnt sich, imInternet einmal nach Kasahara und seiner Be-deutung für die Papierfaltgeometrie zu suchen.Eine weitere attraktive Konstruktion ist das„Falten des regelmäßigen Achtecks im Qua-drat“ auf Seite 128. Sie steht stellvertretendfür explorative Konstruktionen zu regelmäßi-gen Vielecken. Vorgestellt wird ein Weg, dasgrößte regelmäßige Achteck zu falten, das inein Quadrat passt. Es liegt mit vier seiner Sei-ten auf den Quadratseiten. Eine dazu verwand-te komplementäre Konstruktion ist das Fal-ten eines regelmäßigen Achtecks im Quadrat,das mit vier seiner Ecken auf den Seitenmittendes Quadrates liegt. Diese Konstruktion ist ver-wandt zu der hier gezeigten und möglicherwei-se deshalb von den Autoren fortge- und demLeser als Hausaufgabe überlassen.

Ein Klassiker ist ebenfalls die Umsetzung desStrahlensatzes in ein Faltprinzip, mit dessen Hil-fe eine Strecke gegebener Länge in eine gegebe-ne Anzahl gleichlanger Teilstrecken zu zerlegenist. Diese Faltung auf Seite 86 ist gewissermaßeneine „Aufgabe ohne Jahrgang“, sie lässt sich mitminimalen Anpassungen in allen Jahrgangsstufenvon der Grundschule bis in die hohe Sekundarstu-fe einsetzen.

Jahrgangsstufe 11 und 12

Hier sind in erster Linie Probleme aufgenommen,die mit anderen Veranschaulichungen bereits inder Analysis thematisiert werden. Genutzt wirdim Wesentlichen die Option, bestimmte Gestaltenleicht variieren zu können oder Folgen von Faltfi-guren herzustellen, deren Struktur algebraisch zuerkunden ist. Das allerdings setzt doch etwas Rou-

tine zur Papierfaltgeometrie aus dem Programmfür die vorhergehenden Jahrgänge voraus. Mög-licherweise lassen sich diese Probleme aber auchmit anderen Darstellungen, etwa mit hinreichendmächtiger Software ebenso gut darstellen. Der Vor-teil der Darstellung mit Papierfalten liegt hier eherin der schnellen und unkomplizierten Verfügbar-keit, ähnlich der bei „Hands-on-Experimenten“ inder Naturwissenschaft.

Überlegungen zur Geometrie des PapierfaltensWer mit der Voreinstellung in das Lesen diesesBuches einsteigt, es gehe beim Papierfalten umeine Art Schwierigkeitsausgleich zu den forma-len und beweisbestimmten Teilen der Mathema-tik, dem sei empfohlen das Lesen dieses wun-derbaren Buches auf Seite 156 zu beginnen. Dortfindet man zunächst die euklidischen Axiome,korrekterweise fehlt das Parallelenaxiom. Diesenwird ein Axiomen-System zur Papierfaltgeome-trie gegenüber gestellt, das auf die japanischenMathematiker Huizita und Hatori zurückgeht. Eskennzeichnet die elementaren Faltungen mit Axio-men, deren Grundbegriffe Punkte und Faltliniensind. Kreise sind darin nicht explizit als Objek-te benannt. Dieses Axiomen-System ist mächtigerals das Axiomen-System der euklidischen Geo-metrie, wie bereits oben vermerkt ist. Eine kurzevergleichende Betrachtung zeigt an den Beispie-len der beiden herausragenden Probleme „Win-keldreiteilung“ und „Würfelverdopplung“ worandas liegt: Es stehen in der Papierfaltgeometrie so-genannte „Einschiebe-Konstruktionen“ zur Verfü-gung, die in der euklidischen Geometrie nicht dar-stellbar sind. Einen der zentralen Gedanken vonCarl Friedrich Gauß aufnehmend wird zudem be-gründet weshalb: Beschreibt man die Objekte dereuklidischen Geometrie und die der Papierfaltgeo-metrie durch algebraische Modelle, so zeigt sich,dass die Konstruktionen der euklidischen Geome-trie dem Lösen von Gleichungen zweiten Gradesentsprechen, die der Papierfaltgeometrie aber Glei-chungen dritten Grades.

Betrachtung insgesamtPapierfaltgeometrie muss man mögen. Eine mo-torische Grundkompetenz ist zudem erforderlich,denn nicht alle hier vorgestellten Faltungen sindrobust im Sinne des „forgiving origami“, bei demkleinere Ungenauigkeiten beim Falten ein schö-nes Gesamtergebnis nicht beeinträchtigen. MancheFaltungen erfordern eine gewisse Routine zur Prä-zision. Andererseits ist festzuhalten, dass das Ge-stalten geometrischer Figuren durch Papierfaltenteilweise flexibler ist als das mit Hilfe von Zeich-nungen. Die Versuche führen teilweise schnellerauf ergiebige experimentelle Ergebnisse als beim

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70 Rezensionen GDM-Mitteilungen 96 · 2014

Zeichnen. Künstlerischen Ideen zugewandte Men-schen würden auch das taktile Erlebnis beim Pa-pierfalten hervorheben. Leider fehlen Bezugnah-men auf die Bedeutung des Papierfaltens in denIngenieurwissenschaften, aber das ist ein weitesFeld. Eines noch ist mir abschließend wichtig: Pa-pierfalten sollte man würdigen, und zwar nichtprimär als ein Werkzeug zur Mathematik, sondernals einen substanziellen Beitrag japanischer Kulturan der Schnittstelle zwischen Kunst und Mathe-matik. Denn seinen Ursprung hat das Papierfaltennicht als Ausdrucksform für Mathematisches, son-dern als künstlerische Ausdrucksform einer Kul-

tur, die dieses nicht nur zielgerichtet konstruie-rend, sondern introvertiert und kontemplativ be-greift. Dieses über das in diesem Buch Dargestelltehinausgehende Papierfalterlebnis wünsche ich al-len, die dieses Buch zur Hand nehmen.

Schmitt-Hartmann, Reinhard & Herget, Wilfried (2013):Moderner Unterricht: Papierfalten im Mathematikunterricht.5. bis 12. Schuljahr. Stuttgart: Ernst-Klett Verlag, 2013,ISBN 978-3-12-720062-1, EUR 23,95.

Bernd Wollring, FB 10 Mathematik u. N., Heinrich-Plett-Straße 40, 34132 Kassel, Email:[email protected]

Hans-Joachim Vollrath und Jürgen Roth:Grundlagen des Mathematikunterrichts in der Sekundarstufe

Rezensiert von Franz Picher

Das Buch „Grundlagendes Mathematikunter-richts in der Sekundar-stufe“ liegt nun in derüberarbeiteten zweitenAuflage vor. Hinzuge-kommen sind der Blickeines zweiten Autors,aktualisierte Literatur-hinweise und einige Er-gänzungen – insbeson-dere zum Einsatz vonTechnologie und neu-en Unterrichtsformen –,

außerdem eine Website zum Buch mit Informati-onsmaterialien und weiterführenden Lesehinwei-sen zu den Kapiteln 3, 4 und 5 sowie zudem nochAufgaben am Ende eines jeden Kapitels.

Wie man im Vorwort zur ersten Auflage le-sen kann, richtet sich das Werk an Studierendedes Lehramts der Mathematik in der Sekundar-stufe I sowie an Lehrerinnen und Lehrer – undzwar explizit auch an erfahrene und insbesonderean solche, die ihre Erfahrungen reflektieren wol-len. Man liest weiter, dass das Buch „zum Nach-denken über den Mathematikunterricht anregen,Grundlagen des Lernens und Lehrens von Mathe-matik aufzeigen, Modelle der Unterrichtsplanung

entwerfen und Wege für die Erarbeitung [. . . ] ma-thematischer Inhalte weisen“ wolle. Diese Reihen-folge scheint nicht zufällig gewählt: Ein Blick indas Inhaltsverzeichnis zeigt eine Fülle an Themen.Naturgemäß kann daher bei keinem der Inhaltebesonders in die Tiefe gegangen werden. Im Zen-trum steht vielmehr der erstgenannte Anspruch,zum Nachdenken anzuregen: insbesondere zumReflektieren eigener Kenntnisse und Erfahrungenund zum Weiterdenken, aber auch zum Weiter-lesen. Die Autoren selbst sagen, sie wollten „We-ge aufzeigen, wie im Unterricht eine lebendigeund intensive Beziehung zwischen der Mathema-tik und den Lernenden aufgebaut werden kann“(Umschlagtext zur 2. Auflage). Eine solche Bezie-hung lebt von der Beschäftigung mit Fragen, diesich (angehende) Lehrende stellen (sollten), unddiese stehen im Mittepunkt des Buches. In derzweiten Auflage wird dies durch explizite Anre-gungen in Form von Aufgaben am Ende eines je-den Kapitels nun auch äußerlich betont.

Im Folgenden soll ein Eindruck davon vermit-telt werden, welche Fragen in den einzelnen Ab-schnitten teils explizit aufgeworfen und teils impli-zit bearbeitet werden – natürlich ohne Anspruchauf Vollständigkeit. Kapitel 1 beschäftigt sich mitder „Mathematik als Unterrichtsfach“ und dabeimit Fragen wie: Wieso Mathematikunterricht? Was

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ist Mathematik? Welche Inhalte sollen unterrich-tet werden? Warum? Kapitel 2 ist mit „Mathema-tik lernen“ übertitelt, dort werden etwa die fol-genden Fragen behandelt: Unter welchen Aspek-ten kann Lernen von Mathematik betrachtet wer-den? Welche Anlässe für Lernen sind denkbar? Ka-pitel 3 betrachtet die andere Seite, nämlich „Ma-thematik lehren“. Dort gehen die Autoren etwaein auf: Was bedeutet es, Mathematik zu lehren?Welche Grundmuster des Lehrens gibt es? Was istgenetischer Mathematikunterricht? Was verstehtman unter offenem Mathematikunterricht? Wel-che Rolle spielt Kommunikation im Mathematik-unterricht? Welche Rolle können Werkzeuge imMathematikunterricht spielen? (In der 2. Auflagewurde hier einiges zum Computereinsatz ergänzt.)Darauf folgt Kapitel 4, „Mathematikunterricht pla-nen“, und die Autoren beschäftigen sich mit Fra-gen wie den folgenden: Wie plant man Mathema-tikunterricht? Welche Entscheidungen sind zu tref-fen? Welche Struktur kann Mathematikunterrichthaben? Auf welcher Grundlage kann man Inhal-te auswählen? Wie ordnet man sie (sinnvollerwei-se) an? Wie kann man ein Projekt planen? Welchessind wichtige Unterrichtsphasen? Wie kann manmit computerunterstützten Lernumgebungen ar-beiten? (Wie) soll man Computer einsetzen? (Wie)soll man üben? Kapitel 5 schließlich ist benannt als„Mathematik erarbeiten“. Dort wird etwa behan-delt: Welche Handlungsmuster sind beim Erarbei-ten von Mathematik denkbar? Wie können Begriffeerarbeitet werden? Welche Rolle kann hierbei derComputer spielen? Kann man Problemlösen lehren(lernen)?

Die genannten Fragen sind zwar zum Teil sol-che, auf die es klar zu benennende Antworten gibt.Viele sind aber eher offen und laden zur eigenenAuseinandersetzung mit den Inhalten und zur Dis-kussion ein. Eine solche scheint mit wenig Vor-kenntnissen – etwa in einer Einführungslehrver-anstaltung zur Mathematikdidaktik – aber auchmit breiterem Vorwissen auf Grundlage des Bu-ches gut möglich. Dies bewog mich zum Einsatzdes Buches in einem Konversatorium für Didaktikder Mathematik für Studierende des Lehramts Ma-thematik (an allgemein bildenden höheren Schu-len in Österreich) im zweiten Studienabschnitt. ImRahmen dieser Lehrveranstaltung sollten sich dieStudierenden mit grundlegenden Fragen, die sieselbst beschäftigen, und möglichen Antworten inBezug auf den Mathematikunterricht reflektierendauseinandersetzen und begründet Position bezie-hen. Im Mittelpunkt stand neben dem verständi-gen Rezipieren und Konkretisieren von Fachlitera-tur (auch im Hinblick auf eine spätere Diplomar-beit oder Dissertation) insbesondere eine – häufigauch kontroverse – Diskussion der „Grundlagen

des Mathematikunterrichts“. Das hier besprocheneBuch erwies sich als sehr gut geeignete, umfassen-de Grundlage für das genannte Vorhaben. (In derLehrveranstaltung wurden die ersten drei Kapiteldes Buches aufgegriffen.)

Abschließend sollen einige der Studierenden,die ja als eine Zielgruppe des Buches genannt wer-den, zu Wort kommen. (Die folgenden Zitate stam-men aus einem Reflexionsteil in den Abschlussar-beiten zur genannten Lehrveranstaltung, in demsich einige Studierende auch zur verwendeten Li-teratur äußerten. Die Zitate sind bis auf das Layoutunverändert wiedergegeben.)

Im Allgemeinen finde ich, dass der Text einensehr guten „roten Faden“ zum Thema verfolgtund den Einzelnen zum genaueren Weiterlesenverschiedener Bereiche durchaus anregen kann.

[. . . ] in viele wichtige Aspekte der Mathema-tikdidaktik eingeführt, ohne zu sehr in die Tiefezu gehen (nur an manchen Stellen, wohl abhän-gig von persönlichen Präferenzen, hätte manes gerne etwas ausführlicher gehabt) – dieserQuerschnitt hat mir insgesamt gut gefallen.

Ich sehe den Text als Motivation zum Wei-terdenken. Es werden sehr viele Aspekte an-gesprochen und um den eigenen Unterrichtwirklich danach zu gestalten und allen ange-sprochenen Tatsachen gerecht zu werden, mussman sehr viel weiterdenken, als es der Text be-reits getan hat. Ich muss für jedes Themenge-biet erneut entscheiden, was zur Beantwortungder Fragen beiträgt und was das Sinnvolle, wiees Vollrath und Roth bezeichnet haben, ist. DesWeiteren sehe ich den Text als Aufforderung,sich als Lehrerin auch weiterhin aktiv mit deneinzelnen Gebieten der Mathematik und auchder Mathematik auseinanderzusetzen.

Die Kritik am [. . . ] Buch „Grundfragen des Ma-thematikunterrichts in der Sekundarstufe“ vonVollrath und Roth beläuft sich auf die Ober-flächlichkeit, das nur in ganz wenigen Situatio-nen die Hintergründe für Schwierigkeiten er-läutert oder die Problemauslöser thematisiertwurden. Diese Kritik relativiert sich allerdingsin Anbetracht dessen, dass im Falle einer ge-nauen Erläuterung der inhaltliche Rahmen ge-sprengt werden würde.

Der Text greift viele wichtige Punkt auf, mit de-nen ich mich noch weiter beschäftigen werde,da ich sie für wertvolle Grundideen für einenguten Unterricht halte. [. . . ] Der Text bieteteinen kurzen, aber doch sehr guten Überblicküber die Möglichkeiten, die man beim Einsatzvon Werkzeugen im Unterricht hat.

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72 Rezensionen GDM-Mitteilungen 96 · 2014

Insgesamt kann man sagen, dass dieser Text ei-ne sehr gute Mischung aus theoretischen Inhal-ten und praktischen Hinweisen ist. Durch rechtviele Beispiele wird einem sofort klar, was derAutor darlegen will [. . . ]

Die darin enthaltenen Texte gehen zwar nichtin die Tiefe, geben aber [einen] guten Überblickund Denkanstöße, sowie Literaturhinweise undInternetlinks zum eigenständigen Weiterlesenund Vertiefen.

Website zum Buch:www.mathematikunterricht.net

Vollrath, Hans-Joachim & Roth, Jürgen: Grundlagen desMathematikunterrichts in der Sekundarstufe. Heidelberg:Spektrum Akademischer Verlag, 2. Auflage 2012, ISBN978-3-8274-2854-7, EUR 22,95

Franz Picher, Institut für Didaktik der Mathematik,Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Sterneckstraße 15,9010 Klagenfurt, Österreich, Email: [email protected]

Neuerscheinungen im Jahr 2013

Zusammengestellt von Martin Stein und Alexandra Theilenberg

Ableitinger, C., Kramer, J., Prediger, S.: Zur doppeltenDiskontinuität in der Gymnasiallehrerbildung. An-sätze zu Verknüpfungen der fachinhaltlichen Ausbil-dung mit schulischen Vorerfahrungen und Erforder-nissen (Konzepte und Studien zur Hochschuldidak-tik und Lehrerbildung Mathematik). Springer Spek-trum Verlag, Wiesbaden 2013

Allmendinger, H., Lengnink, K., Vohns, A., Wickel, G.:Mathematik verständlich unterrichten. Perspektivenfür Unterricht und Lehrerbildung. Springer Spek-trum Verlag, Wiesbaden 2013

Baptist, P., Raab, D.: Implementing Inquiry in Mathe-matics Education. The Fibonacci Project. UniversitätBayreuth 2012

Basendowski, S.: Die soziale Frage an (mathematische)Grundbildung: eine empirische Studie zu dem We-sen, der Funktion und der Relevanz mathematischerKompetenzen in einfachen Erwerbstätigkeiten so-wie Analysen für didaktische Implikationen. JuliusKlinkhardt Verlag, Bad Heilbrunn 2013

Bausch, I., Biehler, R., Bruder, R., Fischer, P. R., Hoch-muth, R., Koepf, W., Schreiber, S., Wassong, T.: Ma-thematische Vor- und Brückenkurse. Konzepte, Pro-bleme und Perspektiven (Konzepte und Studien zurHochschuldidaktik und Lehrerbildung Mathematik).Springer Spektrum Verlag, Wiesbaden 2014

Bedürftig, T.: Zahlen und Zahlbegriff. Mathematisch-didaktische Studien. Verlag Franzbecker, Hildesheim2013

Behnke, I.: Erfolgreicher Mathematikunterricht durchKooperatives Lernen. Kompetenzorientiert undschüleraktivierend. Neue-Deutsche-Schule-Verlags-gesellschaft, Essen 2013

Böhm, U.: Modellierungskompetenzen langfristig undkumulativ fördern. Tätigkeitstheoretische Analysedes mathematischen Modellierens in der Sekundar-stufe I (Perspektiven der Mathedidaktik). SpringerSpektrum Verlag, Wiesbaden 2013

Borromeo Ferri, R., Greefrath, G., Kaiser, G.: Mathe-matisches Modellieren für Schule und Hochschule(Realitätsbezüge im Mathematikunterricht). SpringerSpektrum Verlag, Wiesbaden 2013

Bos, W., Wendt, H., Köller, O., Selter, C.: TIMSS 2011.Mathematische und naturwissenschaftliche Kompe-tenzen von Grundschulkindern in Deutschland iminternationalen Vergleich. Waxmann Verlag, Münster2012

Brunner, E.: Innermathematisches Beweisen und Argu-mentieren in der Sekundarstufe I. Mögliche Erklä-rungen für systematische Bearbeitungsunterschiedeund leistungsförderliche Aspekte. Waxmann Verlag,Münster 2013

Cohors-Fresenborg, E., Kaune, C.: Von Anweisungen zuFunktionen. Arbeitsbuch für Schülerinnen und Schü-ler. Forschungsinstitut für Mathematikdidaktik, Os-nabrück 2012

Diephaus, A.: Zahlengefühl 2000. WTM-Verlag, Münster2013

Ehrlich, N.: Strukturierungskompetenzen mathema-tisch begabter Sechst- und Siebtklässler. Theoreti-sche Grundlegung und empirische Untersuchungenzu Niveaus und Herangehensweisen. WTM-Verlag,Münster 2013

Eichler, A., Vogel, M.: Leitidee Daten und Zufall. Vonkonkreten Beispielen zur Didaktik der Stochastik.Springer Spektrum Verlag, Wiesbaden 2013

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Rezensionen 73

Filler, A., Ludwig, M.: Vernetzungen und Anwendungenim Geometrieunterricht. Ziele und Visionen 2020.Vorträge auf der 28. Herbsttagung des ArbeitskreisesGeometrie in der Gesellschaft für Didaktik der Ma-thematik vom 09. Bis 11. September 2011 in Markt-breit.Verlag Franzbecker, Hildesheim 2012

Fried, A.: Mathematische Erfahrungen im Kindergarten.Eine Fragebogenstudie in niedersächsischen Kinder-tageseinrichtungen. Verlag Franzbecker, Hildesheim2013

Fritzlar, T., Käpnick, F.: Mathematische Begabungen.WTM-Verlag, Münster 2013

Gächter, A. A.: Aufgabenkultur. Anregungen für denMathematikunterricht. mefi-Verlag, 2012

Gächter, A. A.: Figurenzahlen. Anregungen für den Ma-thematikunterricht. mefi-Verlag, 2012

Gallin, P.: Die Praxis des Dialogischen Mathematikun-terrichts in der Grundschule, Handreichung für denMathematikunterricht der Grundschule, ProgrammSINUS an Grundschulen. IPN, Kiel 2012

Ganter, S.: Experimentieren – ein Weg zum Funktiona-len Denken. Empirische Untersuchung zur Wirkungvon Schülerexperimenten. Verlag Dr. Kovac, Ham-burg 2013

Graumann, G.: Abbildungen der elementaren und ana-lytischen Geometrie. Verlag Franzbecker, Hildesheim2013

Greefrath, G., Käpnick, F., Stein, M.: Beiträge zum Ma-thematikunterricht 2013: Vorträge auf der 47. Tagungfür Didaktik der Mathematik vom 04.03.2013 bis08.03.2013 in Münster. WTM-Verlag, Münster 2013

Hasemann, K., Gasteiger, H.: Anfangsunterricht Mathe-matik (Mathematik Primarstufe und SekundarstufeI + II). Springer Spektrum Verlag, Berlin Heidelberg2014

Heckmann, K., Padberg, F.: Unterrichtsentwürfe Mathe-matik Primarstufe, Band 2 (Mathematik Primarstufeund Sekundarstufe I + II). Springer Spektrum Verlag,Berlin 2014

Henn, H.-W., Meyer, J.: Neue Materialien für einen reali-tätsbezogenen Mathematikunterricht 1 (Realitätsbe-züge im Mathematikunterricht). Springer SpektrumVerlag, Wiesbaden 2014

Henning, H.: Modellieren in den MINT-Fächern. WTM-Verlag, Münster 2013

Hermes, C., Vaßen, P.: Entwicklung kompetenzorientier-ter Aufgaben für den Mathematikunterricht. Cornel-sen Verlag, Berlin 2012

Heymann, H. W.: Allgemeinbildung und Mathematik.Beltz Verlag, Weinheim Basel 2013

Hübner-Schwartz, C.: Vom Lehrplan zum Unterricht.Die Implementation einer Lehrplaninnovation anGrundschulen in Nordrhein-Westfalen am Beispieldes Fachs Mathematik. Verlagshaus Monsensteinund Vannerdat, Münster 2013

Huhmann, T.: Einfluss von Computeranimationen aufdie Raumvorstellungsentwicklung (Dortmunder Bei-träge zur Entwicklung und Erforschung des Mathe-matikunterrichts, Band 13). Springer Spektrum Ver-lag, Wiesbaden 2013

Jörissen, S.: Mathematik multimodal. Eine sprachwis-senschaftliche Untersuchung kommunikativer Ver-fahren im Hochschulunterricht. Waxmann Verlag,Münster 2013

Jütz, A.: Förderung der Fachsprache insbesondere vonSchülern nichtdeutscher Herkunftssprache im Ma-thematikunterricht der Klassenstufen 5 und 6 bei derLösung von Sachaufgaben im Themenbereich „Grö-ßen“. Verlag Franzbecker, Hildesheim 2013

Käpnick, F.: Mathematiklernen in der Grundschule (Ma-thematik Primarstufe und Sekundarstufe I + II).Springer Spektrum Verlag, Berlin Heidelberg 2014

Kaune, C., Griep, M.: Förderung von metakognitivenund diskursiven Kompetenzen im Mathematikunter-richt der Klasse 7. Forschungsinstitut für Mathema-tikdidaktik, Osnabrück 2013

Kienle, L.: Größenkalkül der Dimensionsanalyse alsRechnen mit Funktionen – eine Einführung. VerlagFranzbecker, Hildesheim 2012

Komorek, M., Prediger, S.: Der lange Weg zum Un-terrichtsdesign. Zur Begründung und Umsetzungfachdidaktischer Forschungs- und Entwicklungspro-gramme. Waxmann Verlag, Münster 2013

Kramer, M.: Mathematik als Abenteuer – Band 1: Geo-metrie und Rechnen mit Größen. Aulis Verlag, Hall-bergmoos 2013

Kuhnke, K.: Vorgehensweisen von Grundschulkindernbeim Darstellungswechsel. Eine Untersuchung amBeispiel der Multiplikation im 2. Schuljahr (Dort-munder Beiträge zur Entwicklung und Erforschungdes Mathematikunterrichts, Band 10). Springer Spek-trum Verlag, Wiesbaden 2013

Laakmann, H.: Darstellungen und Darstellungswechselals Mittel zur Begriffsbildung. Eine Untersuchung inrechnerunterstützten Lernumgebungen (Dortmun-der Beiträge zur Entwicklung und Erforschung desMathematikunterrichts, Band 11). Springer Spek-trum Verlag, Wiesbaden 2013

Lange, D.: Inhaltsanalytische Untersuchung zur Koope-ration beim Bearbeiten mathematischer Problemauf-gaben. Waxmann Verlag, Münster 2013

Mehringer, V.: Weichenstellungen in der Grundschule.Sozial-Integration von Kindern mit Migrationshin-tergrund. Waxmann Verlag, Münster 2013

Meyer, M., Müller-Hill, E., Witzke, I.: Wissenschaftlich-keit und Theorieentwicklung in der Mathematikdi-daktik. Festschrift zum sechzigsten Geburtstag vonHorst Struve. Verlag Franzbecker, Hildesheim 2013

Pant, H. A., Stanat, P., Schroeders, U., Roppelt, A., Sie-gle, T., Pöhlmann, C.: IQB-Ländervergleich 2012. Ma-thematische und naturwissenschaftliche Kompeten-zen am Ende der Sekundarstufe I. Waxmann Verlag,Münster 2013

Philipp, K.: Experimentelles Denken. Theorie und empi-rische Konkretisierung einer mathematischen Kom-petenz (Freiburger Empirische Forschung in der Ma-thematikdidaktik). Springer Spektrum Verlag, Wies-baden 2013

Plackner, E.-M., Wörner, D.: Aufgaben öffnen. MaMut– Materialien für den Mathematikunterricht Band 1.Verlag Franzbecker, Hildesheim 2013

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74 Rezensionen GDM-Mitteilungen 96 · 2014

Rathgeb, M., Helmerich, M., Krömer, R., Lengnink, K.,Nickel, G.: Mathematik im Prozess. Philosophische,Historische und Didaktische Perspektiven. SpringerSpektrum Verlag, Wiesbaden 2013

Rau, M.: Geschlechtsbezogene Bildungsdisparitäten.Die Bedeutung der Zuschreibung gendertypisierterMerkmale und des ambivalenten Sexismus bei Ju-gendlichen für ihren Bildungserfolg. Verlag Dr. Ko-vac, Hamburg 2013

Reiter, S.: Musikalische Graphen. Entwicklung eines Ver-ständnisses graphischer Darstellungen im fächer-übergreifenden Mathematik- und Musikunterricht.Waxmann Verlag, Münster 2013

Richter, K., Schöneburg, S.: Mathematische Forschungund Lehre an der Universität Wittenberg. Band 3.Astronomische Lehre an der Universität Wittenberg– Quellen und Schriften zu den Anfangsgründen derAstronomie. Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2013

Riebling, L.: Sprachbildung im naturwissenschaftlichenUnterricht. Eine Studie im Kontext migrationsbe-dingter sprachlicher Heterogenität. Waxmann Ver-lag, Münster 2013

Riegel, U., Macha, K.: Videobasierte Kompetenzfor-schung in den Fachdidaktiken. Waxmann Verlag,Münster 2013

Rink, R.: Zum Verhältnisbegriff im Mathematikunter-richt. Verlag Franzbecker, Hildesheim 2013

Rott, B.: Mathematisches Problemlösen. Ergebnisse einerempirischen Studie. WTM-Verlag, Münster 2013

Royar, T.: Handlung – Vorstellung – Formalisierung.Entwicklung und Evaluation einer Aufgabenreihezur Überprüfung des Operationsverständnisses fürRegel- und Förderklassen. Verlag Dr. Kovac, Ham-burg 2013

Ruppert, M., Wörler, J.: Technologien im Mathematik-unterricht – Eine Sammlung von Trends und Ideen.Springer Spektrum Verlag, Wiesbaden 2013

Scherres, C.: Niveauangemessenes Arbeiten in selbst-differenzierenden Lernumgebungen. Eine quali-tative Fallstudie am Beispiel einer Würfelnetz-Lernumgebung (Dortmunder Beiträge zur Entwick-lung und Erforschung des Mathematikunterrichts,Band 12). Springer Spektrum Verlag, Wiesbaden 2013

Schindler, M.: Auf dem Weg zum Begriff der negativenZahl. Empirische Studie zur Ordnungsrelation fürganze Zahlen aus inferentieller Perspektive (Dort-munder Beiträge zur Entwicklung und Erforschungdes Mathematikunterrichts, Band 15) Springer Spek-trum Verlag, Wiesbaden 2014

Schink, A.: Flexibler Umgang mit Brüchen. EmpirischeErhebung individueller Strukturierungen zu Teil,Anteil und Ganzem (Dortmunder Beiträge zur Ent-wicklung und Erforschung des Mathematikunter-richts, Band 9). Springer Spektrum Verlag, Wiesba-den 2013

Schneider, W., Küspert, P., Krajewski, K.: Die Entwick-lung mathematischer Kompetenzen (StandardWis-sen Lehramt). UTB Verlag, Paderborn 2013

Schnell, S.: Muster und Variabilität erkunden. Konstruk-tionsprozesse kontextspezifischer Vorstellungen zumPhänomen Zufall (Dortmunder Beiträge zur Ent-wicklung und Erforschung des Mathematikunter-richts, Band 14). Springer Spektrum Verlag, Wiesba-den 2014

Schreiber, A.: Die enttäuschte Erkenntnis. Paramathema-tische Denkzettel. Edition am Gutenbergplatz, Leip-zig 2013

Schuler, S.: Mathematische Bildung im Kindergarten informal offenen Situationen. Eine Untersuchung amBeispiel von Spielen zum Erwerb des Zahlbegriffs.Waxmann Verlag, Münster 2013

Sprenger, J., Wagner, A., Zimmermann, M.: Mathema-tik lernen, darstellen, deuten, verstehen. DidaktischeSichtweisen vom Kindergarten bis zur Hochschule.Springer Spektrum Verlag, Wiesbaden 2013

Stecken, T.: Diagrammkompetenz von Grundschülern.Entwicklung, Validierung und Auswertung einesDiagrammverständnistests auf Basis eines Kompe-tenzmodells für den Mathematikunterricht. WTM-Verlag, Münster 2013

Stein, M.: Mathematik Online. Studien zu mathema-tischen Self-Assessment-Tests und Übungsplattfor-men im Internet. WTM-Verlag, Münster 2013

Steinweg, A. S.: Algebra in der Grundschule. Musterund Strukturen – Gleichungen – funktionale Bezie-hungen (Mathematik Primarstufe und Sekundarstu-fe I + II). Springer Spektrum Verlag, Berlin Heidel-berg 2013

Stiftung Rechnen: Mathe Forscher. Entdecke Mathema-tik in deiner Welt. WTM-Verlag, Münster 2013

Thom, S.: Historisch-genetisches Lernen im Mathema-tikunterricht der Grundschule. Verlag Franzbecker,Hildesheim 2013

Ulfig, F.: Geometrische Denkweisen beim Lösen vonPISA-Aufgaben. Triangulation quantitativer undqualitativer Zugänge. Springer Spektrum Verlag,Wiesbaden 2013

Vollrath, H.-J., Roth, J.: Grundlagen des Mathematikun-terrichts in der Sekundarstufe (Mathematik Primar-stufe und Sekundarstufe I + II). Spektrum Akademi-scher Verlag, Heidelberg 2012

Wassong, T., Frischemeier, D., Fischer, P.R., Hochmuth,R., Bender, P.: Mit Werkzeugen Mathematik und Sto-chastik lernen – Using Tools for Learning Mathema-tics and Statistics. Springer Spektrum Verlag, Wies-baden 2014

Weigand, H.-G., Filler, A., Hölzl, R., Kuntze, S., Lud-wig, M., Roth, J., Schmidt-Thieme, B., Wittmann,G.: Didaktik der Geometrie für die Sekundarstufe I(Mathematik Primarstufe und Sekundarstufe I + II).Springer Spektrum Verlag, Berlin Heidelberg 2014

Stand: 06.12.2013. Die aktuelle Liste ist im Netz unter http://www.booknews-madi.de abrufbar.Wenn Sie Ihre eine eigene Veröffentlichung nicht finden, wenden Sie sich bitte an Martin Stein, Email:[email protected].

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Personalia 75

Nachruf auf Arnold Kirsch

Werner Blum

Arnold Kirsch (Foto: Privat)

Am 14. 10. 2013 ist derKasseler Mathematik-didaktiker Prof. Dr. Ar-nold Kirsch gestorben.Wie nur wenige hater seit den 1960er Jah-ren die mathematik-didaktische Diskussi-on in Deutschland ge-prägt und die Praxisdes Mathematikunter-richts beeinflusst. Werheutige Schulbücheraufschlägt, findet in je-

dem Werk Ideen, die direkt auf Arnold Kirschzurückgehen und uns heute fast selbstverständlicherscheinen, sei es zum Thema Funktionen (z. B. beider „Dreisatzrechnung“ oder bei den Exponenti-alfunktionen), zu den Zahlbereichen (z. B. bei denganzen oder bei den reellen Zahlen) oder zur Ana-lysis (z. B. beim Integralbegriff oder beim Haupt-satz). Im Folgenden soll sein Wirken noch einmalzusammenfassend gewürdigt werden.

Arnold Kirsch studierte Mathematik und Phy-sik in Göttingen und in Bern, wo er 1951 bei H.Hadwiger promovierte. Nach dem Referendariatunterrichtete er von 1953 bis 1963 als Studienratan Gymnasien in Soltau und in Göttingen. Bis 1966

war er als Studienrat i. H. bei G. Pickert an der Uni-versität Gießen tätig, dann bis 1971 als Professorfür Mathematik und Mathematikdidaktik an derPH Göttingen. 1971 folgte er einem Ruf an die –in jenem Jahr neu gegründete – Gesamthochschu-le (später Universität) Kassel, wo er bis zu seinerEmeritierung 1987 als Professor für Mathematik-Didaktik gearbeitet hat.

Zu den wichtigsten Arbeiten Arnold Kirschsgehören seine scharfsinnigen didaktisch orientier-ten mathematischen Sachanalysen, mit denen Lernen-den und Lehrenden ein tiefer Einblick in mathe-matische Stoffinhalte verschafft werden soll. Diesist der Kern dessen, was üblicherweise „Stoffdi-daktik“ genannt wird. Dank Arnold Kirsch undHeinz Griesel, der zusammen mit Kirsch 1971

nach Kassel gekommen war, ließ diese Arbeits-richtung die Kasseler Hochschule schon in den70er Jahren zu einem allseits anerkannten Zentrumder Mathematik-Didaktik werden (die „Kasseler

Schule der Mathematik-Didaktik“). Es ging Ar-nold Kirsch bei diesen stoffdidaktischen Arbeitenimmer darum, natürliche Zugänge zu erschließen,Grundvorstellungen herauszuarbeiten und inhalt-liches Argumentieren zu ermöglichen; kurz: Ler-nende und Lehrende sollten, so war immer seinAnspruch, Mathematik wirklich verstehen. So lautetauch programmatisch der Titel eines 1987 veröf-fentlichten Buchs von Kirsch (2. Auflage 1994). Ins-besondere seine grundlegenden Analysen zu Pro-portionalitäten und Antiproportionalitäten (letzte-res übrigens eine von ihm kreierte Bezeichnung),zu Wachstumsprozessen und Exponentialfunktio-nen sowie zu den natürlichen, ganzen, rationalenund reellen Zahlen haben Schulbücher, Lehrpläneund die Praxis des Mathematikunterrichts in al-len Schulformen bis heute nachhaltig beeinflusst,ebenso wie seine zahlreichen Arbeiten zur Analy-sis, so zum Integralbegriff oder zum Hauptsatz.

In den meisten stoffdidaktischen Arbeiten Ar-nold Kirschs sind auch grundlegende allgemeinefachdidaktische Aspekte enthalten, teils implizit, teilsexplizit. Hier sind in erster Linie die „Aspekte desVereinfachens im Mathematikunterricht“ zu nen-nen, die er in seinem Hauptvortrag 1976 in Karls-ruhe auf der ICME-3 vorstellte. Mit diesem Vor-trag ist Arnold Kirsch einer von bisher erst dreideutschen Mathematikdidaktikern, welche zu ei-nem Hauptvortrag auf einem der ICME-Kongresseeingeladen waren. Beim Karlsruher Vortrag ging esum Möglichkeiten des Zugänglichmachens mathe-matischer Inhalte, was überhaupt die zentrale Fra-gestellung in Kirschs Werk darstellt. Weitere solchestoffübergreifenden Themen sind z. B. das präfor-male Beweisen oder das Modellieren.

Arnold Kirschs Hauptinteresse hat stets in ers-ter Linie der intensiven Beschäftigung mit ihn fes-selnden Problemen und deren ausgereiften Dar-stellung gegolten. Insofern war er sicherlich im-mer ebenso sehr Mathematiker wie Mathematikdi-daktiker. Insbesondere zur Geometrie hat er nebenfachdidaktischen auch mehrere vielbeachtete fach-inhaltliche Arbeiten publiziert, u. a. über eine geo-metrische Charakterisierung des Differenzierbar-keitsbegriffs. Weiter hat er Arbeiten über lineareOrdnungen und Punktbewertungen veröffentlicht,die u. a. auch eine überraschende Anwendung inder Stochastik erfahren haben.

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76 Personalia GDM-Mitteilungen 96 · 2014

Neben dem Wissenschaftler war auch der Leh-rer Arnold Kirsch immer beeindruckend, der her-vorragende und anspruchsvolle Pädagoge, der sichsowohl in seinem Schulunterricht als auch in sei-nen Hochschulveranstaltungen stets engagiert dar-um gekümmert hat, dass seine Schülerinnen undSchüler bzw. seine Studentinnen und StudentenMathematik wirklich verstehen können. Zur Lehr-erbildung hat sich Arnold Kirsch auch konzep-tionell mehrfach geäußert und dabei betont, wiewichtig die fachliche Souveränität der Lehrkräf-te ist und dass Lehrer den intellektuellen Um-gang mit Mathematik, den sie ihren Schülern na-hebringen sollen, zuvörderst selber so praktizierenmüssen. Auch in seinen zahllosen Vorträgen ha-ben immer die Prägnanz und Klarheit seiner Ar-gumentation und sein Engagement für die Sachebeeindruckt und die Zuhörer inhaltlich überzeugt.In diesen Zusammenhang gehört auch seine jahr-zehntelange Mitarbeit beim Schulbuchwerk „Ma-thematik heute“. Hier sind viele Innovationen ent-standen, die – zum Teil auch über andere Schul-bücher, die Kirschs Ideen vielfach übernommenhaben − dann unterrichtlich fruchtbar gewordensind; dies gilt vor allem für die Dreisatzrechnung(Klasse 7), die reellen Zahlen (Klasse 9), die Expo-nentialfunktionen (Klasse 10) und die Integralrech-nung (Klasse 12). Die von Arnold Kirsch verant-worteten Schulbuchkapitel waren immer und sindauch heute noch eine Fundgrube für geistreicheStufengänge wie auch für substanzhaltige Aufga-ben (die freilich, da sie teilweise ungewohnt undnicht schematisch zu lösen sind, von Lehrern oftals „zu schwer“ eingestuft werden). Die heute vielbeschworene breite „Kompetenzorientierung“ hatsich in diesen Schulbuchkapiteln und den zuge-hörigen Aufgaben schon substantiiert, lange bevordieses Wort Einzug in die didaktische Diskussiongehalten hat.

In der Wissenschaftsorganisation war ArnoldKirsch als Herausgeber wissenschaftlicher Zeit-schriften (Mathematische Semesterberichte, Jour-nal für Mathematik-Didaktik) und Bücher („blaueReihe“ bei Vandenhoeck & Ruprecht) oder als Mit-glied wissenschaftlicher Beiräte (u. a. bei ZDM,DIFF, GDM und IDM) tätig. Dieses Engagementist neben dem wissenschaftlichen Werk einer derGründe, weshalb die GDM sein Wirken 2011 mitder Ehrenmitgliedschaft gewürdigt hat.

Arnold Kirsch war bis ins hohe Alter hineingeistig frisch und trotz seiner durch einen Schlag-anfall hervorgerufenen Einschränkungen immerauch körperlich aktiv mit täglichen Spaziergängen.Ein schwerer Sturz und die folgende Operationhaben ihn nun zu sehr geschwächt. Seine Freun-de, seine Kolleginnen und Kollegen wie auch sei-ne ehemaligen Schülerinnen und Schüler in Schu-

le und Hochschule denken gerne an die so über-aus anregenden Gespräche mit ihm zurück, an sei-ne ansteckende Begeisterung für Mathematik, anseine mit unübertroffener Klarheit dargelegten Ge-danken zum Lernen von Mathematik. Alle, die Ar-nold Kirsch begegnen durften, werden sich dank-bar an diese Begegnungen erinnern und ihm einehrendes Angedenken bewahren.

Werner Blum, Universität Kassel, Institut für Mathe-matik, Heinrich-Plett-Straße 40, 34132 Kassel, Email:[email protected]

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Personalia 77

Grußwort des 1. Vorsitzenden für Rolf Biehler zum 60. GeburtstagPaderborn am 28. 6. 2013

Rudolf vom Hofe

Übergabe der Festschrift an Rolf Biehler. Im Bild v.l.n.r.: PascalFischer, Reinhard Hochmuth, Daniel Frischemeier, Peter Ben-der, Rolf Biehler, Thomas Wassong (Foto: Laura Ostsieker)

Lieber Rolf, liebe Familie Biehler, Herr Präsident,liebe Festgesellschaft,

ich danke sehr für die Einladung und freuemich, heute als Vorsitzender der Gesellschaft fürDidaktik der Mathematik anlässlich dieses 60.Geburtstags einige Worte zum wissenschaftlichenWirken von Rolf Biehler sagen zu können. Ichmöchte mich dabei vor allem auf zwei Themenkonzentrieren, die zwar in einem Gegensatz ste-hen, jedoch eine gewisse Verbindung in den Ar-beiten Rolf Biehlers finden: Unsicherheit und Ver-lässlichkeit.

1 Unsicherheit

Die Welt ist voller Unsicherheit, dies gilt für das täg-liche Leben, für private Planungen, deren Ziele inder Zukunft liegen, aber auch für viele Bereiche inWissenschaften und Technik.

Es ist eigentlich erstaunlich, dass der Mathema-tikunterricht in der Schule lange Zeit davon ausge-nommen schien. Zwar war auch der Schulverlauffür manche Schülerin und manchen Schüler bis-weilen wenig kalkulierbar, aber im Mathematikun-terricht spielte das Thema Unsicherheit und wie mandiese mit mathematischen Mitteln kalkulierbarer undvorhersehbarer machen kann, lange Zeit keine Rolle.Mathematik erschien vielmehr als ein Fach, viel-leicht das einzige Fach, wo alles sicher, kalkulier-bar und eindeutig ist.

Rolf Biehler hat sich die Thematisierung von Un-sicherheit und ihre Bewältigung mit stochastischen Me-thoden zur wissenschaftlichen und pädagogischenAufgabe gemacht. Er hat sich mit Energie und

Kreativität für die seit den siebziger Jahren ein-setzende Entwicklung des Stochastikunterrichts anallgemeinbildenden Schulen eingesetzt, und dasauf vielen unterschiedlichen Ebenen:

im Verein zur Förderung des schulischen Sto-chastikunterrichts, dessen 1. Vorsitzender er ist,im Herausgebergremium der Zeitschrift Sto-chastik in der Schule,in zahlreichen Lehrerfortbildungenund in einer Vielzahl von wissenschaftlichenProjekten und Arbeiten mit einer thematischenVielfalt und internationalen Reichweite, wieman sie in diesem Bereich selten findet.

Internationale wissenschaftliche Präsenz und Ex-pertise bedeuten aber nicht automatisch auch Ein-fluss auf die reale Unterrichtsentwicklung im eige-nen Land. Doch auch in diesem Bereich war undist Rolf Biehler außerordentlich erfolgreich.

Es gelang ihm, zu wichtigen innovativen undschulrelevanten Themen praktikable Materialienzu entwickeln und dem Unterricht zugänglich zumachen. Dies gilt insbesondere für die Entwick-lung und den Einsatz digitaler Medien für den Sto-chastikunterricht.

Weitere Schwerpunkte seines wissenschaftli-chen Arbeitens, die auch das Gebiet Stochastikbeinhalten, aber weit darüber hinausgehen, sinddie Themen Hochschuldidaktik und der Übergangvon der Schule zur Hochschule.

Von seinen zahlreichen Projekten möchte ichhier vor allem zwei umfangreiche und besondersgewichtige Drittmittelprojekte nennen:

die Gründung des Kompetenzzentrums Hoch-schuldidaktik Mathematik, dessen geschäfts-führender Direktor er istund die erfolgreiche Einwerbung des Deut-schen Zentrums für Lehrerbildung Mathema-tik, hier ist er Mitglied im Vorstand der Abtei-lung Sekundarstufe I.

2 Verlässlichkeit

Bei der Würdigung dieser Projekte habe ichdas Thema Unsicherheit und ihre Strukturierungdurch mathematische Mittel bereits verlassen undnähere mich dem zweiten anfangs angekündigtenThema, der Verlässlichkeit.

Sie zeigt sich nicht nur in Rolf Biehlers Arbeit inden eben genannten Bereichen und Projekten und

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in seinen internationalen herausgeberischen Tätig-keiten, sondern insbesondere auch in seinen Akti-vitäten innerhalb der GDM. Auch hier kann ich inder kurzen Zeit nur einige wichtige Arbeitsfeldernennen: Rolf Biehler

war prägend für den Arbeitskreis Stochastik;ist Mitglied der gemeinsamen Kommissionzum Übergang Schule-Hochschuleund ist seit mehreren Jahren geschäftsführen-der Herausgeber des Journals für Mathematik-didaktik.

Und wenn es eine persönliche Eigenschaft RolfBiehlers gibt, die ganz besonders typisch für ihnist und von der die GDM in den letzten Jahren vielprofitiert hat, dann ist das seine Verlässlichkeit.

Sie zeigt sich z. B. in seinen Gutachten und inden vielen Arbeitsschritten, die mit seiner Heraus-gebertätigkeit des JMD zusammenhängen. Wäh-rend viele vom Begriff „Deadline“ ein eher libera-les Verständnis haben – etwas als einen Zeitpunkt,den man auch gut überschreiten kann bzw. der an-gibt, dass man nicht mehr ganz so viel Zeit hat -–,ist für Rolf Biehler eine Deadline tatsächlich eineDeadline und wenn es bei ihm einmal vorkommt,das z. B. eine Gutachten nicht fertig ist, so kommtzumindest rechtzeitig eine Nachricht, dass es auseinem wichtigen Grund ein paar Tage länger dau-

ert. Diese Verlässlichkeit zeichnet ihn und seineArbeit aus, nicht nur aber auch ganz besonders beiseinen Arbeiten für die GDM.

Ein anderes Wesensmerkmal Rolf Biehlers –das ich nur kurz erwähnen möchte – hängt wohldamit zusammen. Denn er erwartet die von ihmeingehaltene Verlässlichkeit im Prinzip auch vonanderen – von Kollegen, Mitarbeitern seiner Ar-beitsgruppen und von den beteiligten Institutio-nen. Und falls diese sich in wichtigen Angele-genheiten als unzuverlässig erweisen, kann dasbei dem sonst immer sachlich und kollegial agie-renden Rolf Biehler dazu führen, dass sich seineFreundlichkeit in eine gewisse Ungnädigkeit ver-wandelt, die für manche der beteiligten Personendann sogar ungemütlich werden kann – von demeinen oder anderen wird sogar berichtet, dass esdann Zeiten gibt, in denen man ihm besser nichtpersönlich begegnen sollte.

Lieber Rolf Biehler, ich möchte Dir hiermitnochmals ganz herzlich für Deinen Einsatz und fürdie Unterstützung der GDM danken und der Hoff-nung Ausdruck geben, dass Du und Deine Verläss-lichkeit uns auch weiter erhalten bleiben. In die-sem Sinne wünsche ich Dir nicht nur einen schö-nen Geburtstag, sondern auch glückliche und er-folgreiche weitere Jahre.

Rede des 1. Vorsitzenden zur Verabschiedung von Werner BlumKassel am 14.06.2013

Rudolf vom Hofe

Sehr geehrte Ehrengäste, sehr geehrte Damen undHerren, liebe Kolleginnen und Kollegen, lieberWerner Blum,ich danke sehr für die Einladung und freue mich,heute einige Worte zum vielfältigen wissenschaft-lichen Wirken von Werner Blum sagen zu können.Zunächst möchte ich dies als GDM-Vorsitzendertun, dann als ehemaliger Student und Schülerder stoffdidaktischen Kasseler Zeit und schließlich– mit einem hoffnungsvollen Blick in die Zukunft –als Kollege aus Bielefeld.

1 GDM und die Entwicklung derMathematikdidaktik

An einem Tage im März 1975 traf sich eine Grup-pe von Mathematikdidaktikern bei einer Tagung

in Saarbrücken und dann später in Karlsruhe undgründete einen neuen Verband, die Gesellschaftfür Didaktik der Mathematik (GDM).

Eines der Gründungsmitglieder war ein jungerWissenschaftler, der in Karlsruhe studiert und pro-moviert hatte, nun seit kurzem Professor für Ma-thematik und ihre Didaktik in Kassel war, WernerBlum.

Die Gesellschaft für Didaktik der Mathema-tik hatte in den ersten beiden Jahrzehnten nachihrer Gründung noch nicht so einen gefestig-ten Stand wie heute. Weder die Mathematik alsSchulfach noch die Mathematikdidaktik als wis-senschaftliche Disziplin waren damals unumstrit-ten.

Die Bedeutung des Faches in der Schule wur-de zwar nicht völlig infrage gestellt, dennoch gab

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es immer wieder Diskussionen, ob der Mathema-tik nach wie vor der Stellenwert eines exponier-ten Hauptfaches eingeräumt werden sollte oder obdie Unterrichtszeit für Mathematikunterricht nichtim Sinne einer Gleichbehandlung aller Fächer re-duziert werden sollte oder ob der Mathematikun-terricht nicht überhaupt nach der Klasse 7 endensollte.

Umstritten war auch der Stellenwert von Di-daktik in Lehre und Forschung. War die Didak-tik eigentlich wirklich eine Wissenschaft oder viel-leicht eher eine Art von methodischer oder päd-agogischer Unterstützung der Praxis? Vorbehaltekamen hier von vielen Seiten, ganz besonders vonmanchen Mathematikern.

So konnte man in den siebziger Jahren in einergroßen Anzeige in der Zeit an exponierter Stellelesen, dass Didaktik keine Wissenschaft sei und dasssie auch nicht auf dem Wege sei, eine solche zu wer-den. Diese Anzeige stammte von Mathematikpro-fessoren einer deutschen Universität (den Namenmöchte ich hier nicht nennen).

Anlass für diese Anzeige war, dass dieser Fa-kultät durch staatliche Verordnung ein Lehrstuhlfür Mathematikdidaktik zugeordnet wurde, dendiese am liebsten sofort wieder eliminieren oder,wenn das schon nicht möglich war, wenigstens andie Erziehungswissenschaften weiterreichen woll-te.

Heute finden wir – ganz aktuell – eine Annon-ce derselben Universität (deren Namen ich immernoch nicht sage), in der eine W3-Professur für Di-daktik der Mathematik ausgeschrieben ist, worinein Didaktiker mit empirischer Expertise gesuchtwird, explizit steht sogar dabei: Erfahrung in large-scale-studies wie PISA oder COAKTIV – Schülervon Werner Blum haben hier sicher keine schlech-te Chance.

Diese beiden Zeitungsanzeigen machen mehrals viele Worte deutlich, dass sich in dieser Zeitviel getan hat: Heute wird die Bedeutung von Ma-thematik als Unterrichtsfach in weiten Kreisen ak-zeptiert und die Mathematikdidaktik hat sich alseigenständige wissenschaftliche Disziplin positio-niert. Hierzu haben viele beigetragen, einer vonihnen, der unseren Verband und damit die Ent-wicklung der Mathematikdidaktik wesentlich mit-bestimmte, war Werner Blum.

Er war 12 Jahre Beiratsmitglied, sechs JahreHerausgeber des Journals für Mathematikdidaktikund von 1995 bis 2001 sechs Jahre lang 1. Vorsit-zender der GDM.

Werner Blum versuchte in seiner Zeit als Vor-sitzender gezielt den Verband zu stärken. Und dasmit Erfolg. Seine Ziele hierzu waren:1. mehr Sichtbarkeit und Einfluss in der Bildungs-

politik,

2. Förderung des Nachwuchses (Promotionsmög-lichkeiten waren damals keineswegs selbstver-ständlich) und

3. Internationalisierung.Hierzu war es zunächst erforderlich, wichtigeBündnispartner zu gewinnen: die MNU sollte unsnicht als Konkurrenz, sondern als Partner für denwissenschaftlichen Bereich akzeptieren. Dies ge-lang recht gut. Schwieriger war es, gute Kon-takte zur DMV aufzubauen. Die Stimmen, dassMathematikdidaktik eine unnütze modische Fehl-entwicklung sei, gab es nicht nur in der so-eben erwähnten bzw. nicht erwähnten Universi-tät.

Hier war viel Überzeugungs- und Entwick-lungsarbeit erforderlich. Werner Blum war mit sei-ner Energie, Effizienz und wenn es nötig warauch mit einem gehörigen Schuss Pragmatismusdafür der richtige Mann zur richtigen Zeit. Ersuchte den Kontakt zur DMV, die uns zunächstals Abspaltung betrachtete, gemeinsame Arbeits-gruppen mit DMV und MNU wurden ins Le-ben gerufen, und in wichtigen bildungspolitischenFragen wurden gemeinsame Positionen erarbei-tet.

Diese Strukturen wurden in der Folgezeit wei-tergeführt. Heute ist unsere Vernetzung mit an-deren Verbänden ein wichtiges Merkmal unsererGesellschaft, das wir weiterhin pflegen. Dank derZusammenarbeit mit der DMV und der MNU ha-ben unsere Arbeitsgruppen erfolgreich dazu bei-getragen, dass unsere Positionen die bildungs-politischen Handlungsträger erreichen und nichtnur zu Kenntnis genommen werden, sondernauch sichtbar in Entscheidungsprozesse hineinwir-ken.

Eine weitere Entwicklung, die zu einer besserenPositionierung von Mathematik im Bildungsbe-reich führte, war der mit den Studien TIMS und PI-SA verbundene bildungspolitische Aufbruch, aucher fiel in die Zeit des GDM-Vorsitzenden Wer-ner Blum: Er nutzte sie als Chance zur Stärkungder Mathematikdidaktik und zu einer Intensivie-rung der Zusammenarbeit mit Bildungswissen-schaftlern aus Erziehungswissenschaften und Psy-chologie (hierüber werden andere heute noch nä-her berichten).

Lieber Werner, als heutiger Vorsitzender unddein Nachfolger danke ich dir im Namen der GDMganz herzlich für deinen Einsatz und deine Leis-tungen für unsere Gesellschaft.

Ich möchte nun noch einen Blick auf die frühestoffdidaktische Kasseler Zeit werfen und auf dieArbeiten, die sich in der damaligen Kasseler Ar-beitsgruppe um Arnold Kirsch, Heinz Griesel undWerner Blum entwickelten. Was war das besonde-re an diesen Arbeiten?

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80 Personalia GDM-Mitteilungen 96 · 2014

2 Stoffdidaktische Zeit in Kassel

Ich hatte das Glück, diese Kasseler Zeit in den sieb-ziger Jahren als junger Student Werner Blums mit-zuerleben und einige Jahre später in den achtzigerJahren als Pädagogischer Mitarbeiter und Dokto-rand. Es war zunächst eine Zeit, die von der Neu-en Mathematik geprägt war, von der Mengenleh-re in der Grundschule und von einer Phase wis-senschaftlicher Strenge in der Sekundarstufe, diesich in Lehrplänen, Schulbüchern und auch imUnterricht niederschlug. Brüche wurden sogar inmanchen Realschulbüchern nicht mehr mit Tor-ten und Pizzas eingeführt, sondern über Äquiva-lenzklassen von Zahlenpaaren, ähnlich wie in ei-ner Algebravorlesung. Und in Analysiskursen ge-hörten die Epsilon-Delta-Definitionen für Grenz-werte zum Standard. Es zeigte sich jedoch bald,dass Übertragungen und Adaptionen aus der wis-senschaftlichen Mathematik von der Universität indie Schule nicht per se dazu führten, dass auchdas mathematische Verständnis bei den Lernendenwuchs. So gab es nicht wenige Schülerinnen undSchüler, die die Epsilon-Delta-Definitionen aufsa-gen konnten, aber keine Ahnung davon hatten,was diese kryptischen Zeichen bedeuten und wo-zu man diese eigentlich brauchte.

In diese Phase kamen nun die stoffdidaktischenArbeiten. Ihr Ziel war es, nicht einfach mehr exak-te Mathematik in die Schule zu verlagern, sondernKonzepte zu entwickeln, wie sich mathematischeBegriffe und Verfahren auf einem Niveau darstel-len lassen, das zum einen den kognitiven Möglich-keiten und dem Vorwissen der Schülerinnen undSchüler entspricht, und das zum anderen die ma-thematischen Inhalte in einer vereinfachten, abernicht verfälschten Form darstellt. Dies war nichtgerade einfach: Wonach sollte man sich hier rich-ten und ist nicht jede Ungenauigkeit bereits eineVerfälschung?

Muss man beispielsweise bei Beweisen expli-zit auf Stetigkeit und Differenzierbarkeit eingehenoder kann man in einem ersten Zugang naiverWeise von stetigen Funktionen ausgehen ohne daszu thematisieren? Wie ist es mit Eindeutigkeit undExistenz? Und wie rigoros dürfen Vereinfachun-gen sein?

Zu diesen Fragen entwickelten die Kasse-ler Mathematikdidaktiker wichtige Prinzipien, dienoch heute richtungsweisend sind und konkreti-sierten sie mit praktischen Vorschlägen. Vereinfa-chungen sollen „intellektuell ehrlich“ und „auf-wärtskompatibel“ sein. Das heißt: Es sollten Be-griffe und Erklärungen gelehrt werden, an die Ler-nende auf einer höheren mathematischen Stufe beider Erweiterung ihres Wissens anknüpfen konn-ten. Es sollte vor allem verhindert werden, dass

Begriffe und Vorstellungen später völlig revidiertwerden müssen, nach dem bekannten Motto: „Ver-gesst, was ihr in der Schule gelernt habt“.

„Eine Nullfolge ist eine Folge, bei der die Glie-der immer kleiner werden“ ist eine von diesenwenig hilfreichen Vorstellungen, die bereits in derSchule nicht tragen, weil dann die absteigende Fol-ge der negativen Zahlen auch eine Nullfolge wäre.„Eine Nullfolge ist eine Folge, bei der fast alle Fol-genglieder in jeder noch so kleinen Umgebung umNull liegen“ ist dagegen eine Erklärung, die ohneFormalismen auskommt, die man sich an Beispie-len leicht klar machen kann und die den mathema-tischen Sachverhalt im Kern trifft.

Es ging also nicht um eine frühe exakte For-malisierung von Begriffen und Verfahren. Wichti-ger war vielmehr, dass tragfähige Vorstellungen –Grundvorstellungen – aufgebaut werden, die ma-thematische Begriffe und Verfahren auf der men-talen Ebene repräsentieren. Sie sollen zum einenschülergerecht sein, also an die kognitiven Vor-aussetzungen anknüpfen, zum anderen sollen siesachgerecht sein, das heißt, den Kern mathemati-scher Inhalte treffen.

In diesem Geiste entstanden Arbeiten zur Ana-lysis von Werner Blum, häufig zusammen mit Ar-nold Kirsch. Ein besonderes Merkmal dieser Ar-beiten war die Differenziertheit der Sachanalyse,mir der hier grundlegende stoffliche Fragen unter-sucht wurden, mit dem Ziel, jeweils adäquate Lö-sungen zu finden, die akzeptable Konzepte zwi-schen Mathematik und Lernprozess darstellen.

Wie ist das zum Beispiel mit der Tangente? Inder Mittelstufe wird sie als Berührgerade an denKreis eingeführt. Ist das nicht falsch? Wenn dochspäter in der Analysis Tangenten nur in lokalenUmgebungen Berührgeraden sind und andere Tei-le des Graphen durchaus schneiden können? Undwas heißt eigentlich genau „berühren“?

Werner Blums Arbeiten brachten uns hier invielen Punkten Klärung, z. B. durch das Konzept,bei der Entwicklung das Ableitungsbegriffs zu-nächst mit einer naiven Vorstellung von Tangenteals Berührgerade zu arbeiten, um danach mit denneuen Mitteln die Tangente im Sinne der Analy-sis neu und nun exakt zu definieren. Dabei soll-ten Existenz- und Eindeutigkeitsfragen zunächstausgeklammert und zurückgestellt werden – nachdem Motto: Wenn ein Forscher auf einer bis dahinwenig bekannten Insel einen neuen bunten Vogelentdeckt, dann hält er auch nicht erst mal inne,um zu klären ob und in welchem Sinne der Vo-gel eigentlich existieren kann und ob die Speziesauch eindeutig ist. Er wird den bunten Vogel zu-nächst beobachten und dann versuchen, sich ihmzu nähern, um zu erkunden, wie er sich so ver-hält.

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Personalia 81

3 Wirkung und Perspektiven

Viele der stoffdidaktischen Erkenntnisse dieserZeit sind mittlerweile zu didaktischem Allgemein-gut geworden. So zum Beispiel die unterschiedli-chen Zugänge zum Ableitungsbegriff von WernerBlum oder die Arbeiten von Arnold Kirsch zurProportionalität; ihre Niederschläge finden sichheute in jedem Schulbuch.

Gegen Ende der neunziger Jahre wandte sichWerner Blum neuen und anderen Themen zu,insbesondere der empirischen Bildungsforschung.Die Zeit der großen Bildungsstudien begann, mitvielen neuen Fragestellungen, auf die andere heu-te noch eingehen werden.

Auch hier spielten die stoffdidaktischenGrundlagen eine wichtige Rolle, z. B. beim Ent-wickeln von Testitems, bei der Auswertung em-pirischer Daten oder bei der Formulierung vonStandards.

Doch mit der Umgestaltung des Mathematik-unterrichts im Sinne der Kompetenzorientierungänderte sich auch vieles und die Schwerpunkteverschoben sich. Bei allen Fortschritten, die dieseEntwicklung brachte, entstanden auch neue Her-ausforderungen und Probleme.

Das gilt insbesondere für die Analysis: Die neu-en kompetenzorientierten Lehrgänge sollen mehrAnwendungsorientierung und mehr Verständnisvermitteln – aber das unter den Bedingungen vonweniger Zeit und reduziertem mathematischenStoff. Viele Lehrgänge verzichten heute beispiels-weise auf Folgen und Reihen, die früher zum Kerneines Analysiskurses gehörten, und viele empfeh-len sogar einen grenzwertfreien Zugang zum Ab-leitungsbegriff.

Aber was heißt eigentlich genau: ein grenzwert-freier Zugang zum Ableitungsbegriff und wie istdieser „intellektuell ehrlich“ zu gestalten und so,dass die dabei entwickelten Vorstellungen „auf-wärtskompatibel“ sind?

Mit reduzierten mathematischen Mitteln wer-den „intellektuell ehrliche“ Vereinfachungen nichteinfacher, eher schwieriger.

Dies merken wir in der Schule und auch in derLehrerausbildung. Vor zwei Wochen hielt ein ansich ganz guter Bielefelder Student in einem Semi-nar zur Didaktik der Analysis ein Referat, wo esum unterschiedliche Wege zur Exponentialfunkti-on ging. Darin setzte er gleich zu Anfang den Aus-druck f ′(x) mit dem Differenzenquotienten gleich.Auf meine Frage, ob er da nicht etwas vergessenhätte, nämlich den Ausdruck „limes“ vor dem Dif-ferenzenquotienten, sagte er: „Nein, das wollte ichhier an der Stelle eigentlich nicht schreiben.“ Undauf die Frage, ob das dann nicht falsch sei, antwor-tete er: „Wieso falsch? Bei Grundkursen brauchen

Werner Blum mit dem GDM-Vorsitzenden beim abschließen-den gemeinsamen Song (Foto: Privat)

wir doch keinen Grenzwert mehr und außerdemist das doch nur eine Schreibweise“.

Der Grenzwert als Schreibweise. Ist das eine ak-zeptable Vereinfachung? Eine neue Grundvorstel-lung? Oder eine fatale Fehlvorstellung?

Nicht jede Vereinfachung ist sinnvoll. Wennman auf der unbekannten Insel von Ferne denbunten Vogel entdeckt hat, ist nicht jede Abkür-zung eine gute Idee. Wählt man dabei z. B. denWeg durch ein Sumpfgebiet, um schneller ans Zielzu kommen, so ist die Gefahr groß, dass manin einen Tümpel fällt. Und wenn man dann vorSchlamm triefend aus dem Tümpel wieder her-aussteigt, kann es sein, dass man statt des bun-ten Vogels eine braune Kröte in den Händen hältund – weil die Augen durch die braune Brühenoch getrübt sind – die Kröte für den bunten Vogelhält. Selbst bei großzügiger Beurteilung wird manhier einräumen müssen, dass bei dieser Expeditiondoch etwas Wesentliches schief gelaufen ist.

Lieber Werner, wir feiern heute deine Verab-schiedung, aber keiner, der dich kennt, glaubt,dass du morgen aufhörst zu arbeiten. Vielleichtwerden aber mit der Zeit die Termine und Ver-pflichtungen in den großen bildungspolitischenAufgaben etwas weniger, so dass du vielleicht et-was Zeit gewinnst, um dich wieder mit Analysiszu befassen. Der „Blum Törner“, damals ein bahn-brechendes Lehrbuch für Didaktik der Analysis, istnun schon 30 Jahre alt und vieles, was darin steht,entspricht nicht mehr der heutigen Unterrichtsrea-lität. Für viele Studierende und Lehrende wäre esein großer Gewinn, wenn es eine Neubearbeitungdieses Buches gäbe, auf der Basis des heutigenkompetenzorientierten Unterrichts mit Wegen füreinen schülergemäßen und gleichzeitig intellektu-ell ehrlichen Analysisunterricht. Wer könnte unsbesser am Sumpf vorbeiführen und dem buntenVogel etwas näher bringen als du?

Lieber Werner, mit dieser Hoffnung und mitganz herzlichem Dank, den ich dir hier als deinSchüler, als Kollege und als GDM-Vorsitzenderaussprechen darf, möchte ich schließen. Herzli-chen Dank.

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82 Personalia GDM-Mitteilungen 96 · 2014

Felix Klein and Hans Freudenthal Awards 2013

Ferdinando Arzaello and Lena Koch

We take great pleasure in announcing that theICMI Award Committee has decided on the ICMIMedallists for 2013. The recipients for 2013 of theFelix Klein and Hans Freudenthal Awards are:Michèle Artigue (Paris) – The Felix Klein Medal forlifetime achievementFrederick Leung (Hong Kong) – The Hans Freuden-thal Medal for a major cumulative programme ofresearch

Please join with us in congratulating bothMichèle and Frederick, and acknowledging theirfine contributions to mathematics education andtherefore to the mathematics education commu-nity. We look forward to honouring them at ICME-13 in Hamburg in 2016.

The Felix Klein Medal for 2013 goes to MichèleARTIGUE, Université Paris Diderot – Paris 7,France

Michèle Artigue (© ICMI)

It is with great pleasurethat the ICMI AwardsCommittee hereby an-nounces that the FelixKlein Medal for 2013 isgiven to Michèle Artigue,Emeritus Professor, Uni-versité Paris Diderot –Paris 7, France, in recog-nition of her more thanthirty years of sustained,consistent, and outstand-

ing lifetime achievements in mathematics educa-tion research and development. Michèle Artigue’sresearch, which was initially in the area of math-ematics, progressively moved toward mathematicseducation during the mid-to-late 1970s. She hasbeen a leading figure in developing and strength-ening new directions of research inquiry in ar-eas as diverse as advanced mathematical thinking,the role of technological tools in the teaching andlearning of mathematics, institutional considera-tions in the professional development of teachers,the articulation of didactical theory and methodol-ogy, and the networking of theoretical frameworksin mathematics education research. Michèle Ar-tigue’s theoretical contributions to the instrumen-tal approach to tool use and her elaboration of the

methodological tool of didactic engineering havehad a significant impact and are but two examplesof the way in which her work has advanced thefield’s collective expertise. Her research is inter-nationally acclaimed with more than 100 ground-breaking articles and books published nationallyand internationally, and with no fewer than 40 in-vited lectures outside France within the past fiveyears alone. A seminal characteristic of MichèleArtigue’s research is that it is always supported bydeep mathematical and epistemological reflection.This reflective orientation, combined with her re-markable ability to build bridges between variousissues, to identify fruitful directions for research, toclarify and discuss different approaches, and ulti-mately to enrich theoretical frameworks, make hercontributions to the field of mathematics educationresearch extraordinary in both their scope and co-herence.

Michèle Artigue’s distinguished scholarly workis matched by a record of outstanding service tothe international mathematics education commu-nity. In addition to the strong leadership shehas demonstrated within the International Com-mission on Mathematical Instruction (ICMI), shehas played a central role in ICMI’s program of in-ternational cooperation, the Developing CountriesStrategic Group. She has also built relationshipswith UNESCO for both the International Mathe-matical Union and ICMI, which have given riseto her authoring the document “Challenges in Ba-sic Mathematics Education”, published in severallanguages by UNESCO, and serving as ICMI liai-son officer for the development and launching ofthe Capacity and Networking Programme. Her in-ternational cooperation activity beyond ICMI hasranged from advising the European projects Fi-bonacci and PRIMAS to collaborating in programdevelopment with researchers in Spain, Brazil,Colombia, and Argentina. At the national level,Michèle Artigue has been active in the Institut Na-tional de Recherche Pédagogique, in the FrenchCommission for the Teaching of Mathematics (a re-gional ICMI sub-commission), and within her ownuniversity. Another component of Michèle Ar-tigue’s service to the international community hasbeen her editorial work over several years for theInternational Journal of Computers for Mathemati-cal Learning, as well as her current co-editorship of

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 Personalia 83

the Encyclopedia of Mathematics Education, andher participation in the editorial boards of severalprestigious research journals.

Michèle Artigue obtained her Ph.D. in mathemat-ical logic in 1972 from the Université Paris 7. Thiswas followed by a Doctorat d’État ès Sciences in1984 and the Habilitation à Diriger les Recherchesin 1987 from the Université Paris 7. During theyears 1970–1991, she was Lecturer and then Maîtrede Conférences at the Université Paris 7, where shetaught mathematics to undergraduate students. In1991, she was named Professor of the IUFM (Uni-versity Institute for Teacher Training) at Reims,where she remained until 1999, in charge of thetraining of future secondary school mathematicsteachers. In 1999, she returned to the mathematicsdepartment of the Université Paris Diderot – Paris7, as Professor and also Head of the Institut deRecherche sur l’Enseignement des Mathématiques.In September 2010, she was named Emeritus Pro-fessor.

When Michèle Artigue joined the newly cre-ated Université Paris 7, she was one of the firstmembers of its Institute for Research on Mathe-matics Teaching (IREM). There she became inter-ested in the developing theory of didactical situa-tions and, for the thesis of her Doctorat d’État, con-ducted the first study in didactic engineering in an“ordinary” school. She found that the classroomas a dynamical system defied the then-current im-plicit models of reproducibility of didactical situa-tions and thus was kindled her passion for theorybuilding. When her research turned toward the in-tegration of digital tools into the learning of uppersecondary and university level mathematics, theneed for theoretical foundations in this area wassoon apparent to her. She and her research teamsought to generate a framework that would avoidthe traditional “technical-conceptual cut.” Draw-ing on Chevallard’s anthropological theory of thedidactic and Rabardel’s cognitive ergonomic ap-proach, the framework of the instrumental approachto tool use emerged. Further theoretical develop-ment was to occur when she collaborated on thetwo successive European projects, TELMA and Re-Math. One of her early initiatives within the Re-Math project was the formulation of an integrativetheoretical frame, using for the first time the lan-guage of networking of theories. This construct isone that she has been continuing to develop boththeoretically and methodologically with a group ofCERME researchers.

Some of Michèle Artigue’s most highly-citedpublications include: the now-classic article onthe use of digital tools in mathematics education,Learning mathematics in a CAS environment: the gen-

esis of a reflection about instrumentation and the dialec-tics between technical and conceptual work (2002); herseminal article on didactic engineering, Ingénieriedidactique (1989); the article on epistemology anddidactics, Epistémologie et didactique (1990); and herchapter on university-level teaching and learning,What can we learn from educational research at theuniversity level? (2001). In addition to her pub-lished contributions, Michèle Artigue has super-vised more than two dozen Ph.D.s and Habilita-tions à diriger les recherches, and has mentored sev-eral young researchers, especially from developingcountries.

In summary, Michèle Artigue is an eminentlyworthy recipient of the Felix Klein Medal for 2013.

The Hans Freudenthal Medal for 2013 goes toFrederick Koon Shing LEUNG, The Universityof Hong Kong, SAR China

Frederick Koon ShingLeung (© ICMI)

It is with great pleasurethat the ICMI AwardsCommittee hereby an-nounces that the HansFreudenthal Medal for2013 is given to Pro-fessor Frederick K. S.Leung of The Univer-sity of Hong Kong, inrecognition of his re-search in comparativestudies of mathemat-ics education and onthe influence of cultureon mathematics teach-

ing and learning. His groundbreaking work, forwhich he is internationally known, is the uti-lization of the perspective of the Confucian Her-itage Culture to explain the superior mathemat-ics achievement of East Asian students in inter-national studies such as the IEA Trends in Inter-national Mathematics and Science Studies and theOECD Programme for International Student As-sessment. His research extends to the use of thesame cultural perspective to explain characteristicsof classroom teaching in East Asia, and more re-cently in explaining differences in teacher knowl-edge between East Asian and Western countries.His research has contributed significantly to thecultural perspective of mathematics education andhas produced a framework for understanding therelation between culture and mathematics educa-tion.

Frederick Leung’s research and professional ac-tivities have had an important impact on policiesand practices in mathematics education in East

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Asian countries and beyond. He has been a piv-otal figure in promoting understanding betweenmathematics educators in the East Asian regionand the rest of the world through, for example, hisco-chairing of the 13th ICMI Study on “Mathemat-ics Education in Different Cultural Traditions: AComparative Study of East Asia and the West” andhis numerous research publications in comparativestudies of East Asia and the West. In the East Asianregion, he has been instrumental in organizing theEast Asia Regional Conferences in MathematicsEducation and has been the liaison person in manyinitiatives of collaboration among mathematics ed-ucation scholars in East Asia, and between schol-ars in East Asia and the West. Frederick Leung hasbeen invited to be the keynote speaker in majormathematics education conferences in the regionand around the world. He has also served on pres-tigious international committees, as well as on theeditorial teams of the Second and Third Interna-tional Handbooks on Mathematics Education.

Frederick Leung’s degrees include a B.Sc. (Mathe-matics) in 1977 and M.Ed. (Testing, Measurementand Evaluation) in 1984 from The University ofHong Kong, and a Ph.D. (Mathematics Education)in 1992 from the University of London, Instituteof Education. From 1977 to 1982, he taught sec-ondary school mathematics. He obtained the po-sition of Lecturer at The University of Hong Kongin 1982, then Senior Lecturer in 1992, and Profes-sor in 2006. Frederick Leung was awarded a Se-nior Fulbright scholarship in 2003 for research atUCLA and, from the Faculty of Education at TheUniversity of Hong Kong, both the OutstandingResearcher award in 2006 and the Outstanding Re-searcher Student Supervisor award in 2008.

Early in his academic career Frederick Le-ung became interested in comparative studies ofmathematics education. His master’s thesis, partof which was published in Educational Studiesin Mathematics (1987), compared the mathematicscurricula in Guangzhou and Hong Kong. This re-search interest was further developed in his Ph.D.study where he compared the mathematics curric-ula of China, Hong Kong, and England. He foundthat the data could not be fully accounted for with-out reference to the similarities and differencesamong the cultures of the three sites. In the 1990s,Frederick Leung participated in the Third Interna-tional Mathematics and Science Study (TIMSS) asPrincipal Investigator and National Research Co-ordinator for Hong Kong. He recognized that thecultural explanation he used for his Ph.D. researchafforded an appropriate framework to interpret thesuperior performance of the East Asian countriesin the TIMSS study. Equally important, this frame-

work of interpretation provided East Asian coun-tries with a basis for exploring their own mathe-matics education identity, described in his highly-cited paper: In Search of an East Asian Identity inMathematics Education (2001).

Frederick Leung’s research evolved from com-parative study of student achievement in mathe-matics to comparative study of mathematics teach-ing in different countries, and led to the exten-sion of his cultural explanation of mathematicsachievement to interpreting results of classroomstudies. An early publication reflecting this di-rection was his 1995 article: The Mathematics Class-room in Beijing, Hong Kong and London. His subse-quent involvement in two international classroomvideo studies, the TIMSS 1999 Video Study and theLearner’s Perspective Study, led to deeper devel-opment of his cultural perspective, as illustratedby his several publications related to these studies(e.g., Some Characteristics of East Asian MathematicsClassrooms Based on Data from the TIMSS 1999 VideoStudy, published in 2005). He elaborated furtheron the characteristics of the Confucian HeritageCulture in relation to mathematics teaching andlearning in his scholarly presentation at the 2012

ICME-12 plenary panel. Frederick Leung’s im-pressive research contributions include 21 fundedresearch projects and more than 60 books, bookchapters, and journal articles.

Frederick Leung’s work has opened up a newdimension of looking at differences in mathematicsachievement and classroom practices from the per-spective of culture. His outstanding achievementin research, his contribution to mathematics edu-cation in the East Asian region, and his promotionof understanding between mathematics educationcommunities in East Asian and western countriesattest to the merit of Frederick Leung’s receivingthe Hans Freudenthal Medal for 2013.

Information provided by Ferdinando Arzarello (Presi-dent of ICMI) and Lena Koch, International Mathemati-cal Union (Secretariat).

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 In eigener Sache 85

Umstellung Einzugsermächtigung in ein SEPA-Lastschriftmandat

Christine Bescherer

Wie Sie sicherlich schon von verschiedenen Stellenerfahren haben, gelten ab 1. Februar 2014 (bzw. ge-mäß verlängerter Frist spätestens 1. August 2014)in Deutschland und in Europa die einheitlichenRegelungen für SEPA-Zahlungen, also Überwei-sungen und Lastschriften in Euro.

Dazu wird die von unseren meisten Mitglie-dern aus Deutschland erteilte Einzugsermächti-gung für den Mitgliedsbeitrag in ein SEPA-Basis-Lastschriftmandat umgewandelt.

Dieses Lastschriftmandat wird durch Ihre ein-deutige Mandatsreferenz (eine Art Mitgliedsnum-mer), die Sie auf der Abbuchung des Mit-gliedsbeitrags für das Jahr 2014 finden wer-den, und unsere Gläubiger-IdentifikationsnummerDE35ZZZ00001081665 gekennzeichnet, die vonuns bei allen Lastschrifteinzügen angegeben wer-den.

Da diese Umstellung durch uns erfolgt, brau-chen Sie nichts weiter unternehmen.

Der Einzug der Mitgliedsbeiträge wird in Zu-kunft im Laufe des Monats April erfolgen. Die Mit-glieder werden per Email mindestens sechs Tagevor der Abbuchung informiert.

Wenn Sie den Mitgliedsbeitrag nach dem 1. Fe-bruar 2014 selbst überweisen, verwenden Sie bittedie folgende Bankverbindung:

Gesellschaft für Didaktik der MathematikVereinigten Raiffeisenbanken HeroldsbergIBAN-Nummer: DE05770694610003058700

BIC: GENODEF1GBF

In Zukunft werden wir auch Mitgliedern aus an-deren EU-Ländern das SEPA-Lastschriftverfahrenals Zahlungsweise anbieten können. Über die wei-teren Details der Umstellung werden wir Sie perRundmail rechtzeitig informieren, der wir auch dieneuen Einzugsermächtigungsformulare beifügen.

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86 In eigener Sache GDM-Mitteilungen 96 · 2014

Leserbrief

Ausgrenzung von Frauen in der GDM?GDM-Mitteilungen 95 (2013)

Bei der Lektüre des Heftes 95/Juli 2013 der GDM-Mitteilungen sind mir gleich zwei Fotos aufgefal-len, in denen auf den Fotos abgebildete Frauenin der Beschreibung der Personen auf den Fo-tos schlichtweg weggelassen wurden. Werden alsoFrauen in der GDM ausgegrenzt?

Das erste Foto ist auf Seite 12 oben. Der Bildun-terschrift nach zeigt es Otto Toeplitz und HeinrichBehnke. Tatsächlich ist aber zwischen den beideneine Frau zu sehen, untergehakt bei Behnke undToeplitz – beiden also wohl bekannt. Falls man ei-ne Person auf einem Foto nicht kennt, gibt manin der Bild-Legende üblicherweise an: unbekannteFrau. In diesem Falle aber kann man in der angege-benen Quelle, dem Oberwolfacher Bildarchiv, su-chen. Dort findet man ein Gruppen-Foto von 1930,u. a. mit Behnke und Toeplitz – und der gleichenFrau. Und dort gibt es eine Erklärung für sie: es istLisa Behnke.

Das zweite Foto ist ein ganz frisches: auf Seite85, von der Preisverleihung an E. Wittmann: auchdort sind in der Bildunterschrift nur drei der vierPersonen genannt und die Frau ist wiederum ohneNamen und Nennung. Ihr Name lässt sich sicherleicht feststellen.

Vermutlich wird das abgedruckt worden sein,was die Autoren gesendet haben. Wenn die Auto-ren aber so unvollständige Informationen gelieferthaben, gehört es m. E. zu den Aufgaben der Re-daktion, die Autoren zu vollständigen Angaben zuveranlassen.

Gert Schubring, Bielefeld

Anmerkung des Herausgebers: Bei der Nicht-Nennung der zwei weiblichen Personen handeltes sich um eine redaktionelle Unachtsamkeit. Wirwerden künftig in ähnlichen Fällen darauf ach-ten, unbekannte Personen (unabhängig vom Ge-schlecht) ggf. als solche zu kennzeichnen. Nach-trägliche Recherchen ergeben, dass es sich bei derauf S. 85 abgebildeten, nicht genannten Person umSybille Tochtermann (Klett-Verlag) handelt, bei derwir uns für die Nicht-Nennung herzlich entschul-digen möchten.

Die Autor(inn)en möchten wir bei dieser Gele-genheit erinnern, beigefügte Bilder möglichst mitvollständigen Informationen zu versehen (Bildun-terschrift, abgebildete Personen, Name des Foto-grafen, ggf. Lizenzhinweise). In den o. g. Fällenwurden die Abbildungen vom Herausgeber auf-genommen, die Autoren trifft daher keine Schuld.

Gesellschaft für Didaktik der Mathematik e. V. (GDM)

Vorstand. 1. Vorsitzender: Prof. Dr. Rudolf vomHofe, Fakultät für Mathematik, Institut für Didak-tik der Mathematik, Universität Bielefeld, Universi-tätsstraße 25, 33615 Bielefeld. Tel. 0931 . 521106-5063,[email protected]

2. Vorsitzende: Prof. Dr. Silke Ruwisch, UniversitätLüneburg, Institut für Mathematik und ihre Didaktik,Scharnhorststraße 1 21335 Lüneburg. Tel. 04131 . 677-1731, [email protected]

Kassenführer: Prof. Dr. Christine Bescherer, Pädagogi-sche Hochschule Ludwigsburg, Institut für Mathema-tik und Informatik, Reuteallee 46, 71634 Ludwigsburg.

Tel. 07141 . 140-385, Fax. 07141 . 140-435, [email protected]

Schriftführer: Priv.-Doz. Dr. Andreas Vohns, Institutfür Didaktik der Mathematik, Alpen-Adria-UniversitätKlagenfurt, Sterneckstraße 15, 9010 Klagenfurt, Öster-reich. Tel. +43 (0)463 . 2700-6116, Fax. +43 (0)463 . 2700-99 6116, [email protected]

Bankverbindung: Vereinigte Raiffeisenbanken Herolds-berg, Kto-Nr. 305 87 00, BLZ 770 694 61, IBAN DE05

7706 9461 0003 0587 00, BIC GENODEF1GBF.Homepage der GDM: www.didaktik-der-mathematik.de

ImpressumVerleger: GDM Herausgeber: Priv.-Doz. Dr. Andreas Vohns (Anschrift s. o.) Gestaltung und Satz: Christoph

Eyrich, Berlin ([email protected]) Umschlagentwurf: Priv.-Doz. Dr. Andreas Vohns Druck: Oktoberdruck AG,BerlinDer Bezugspreis der GDM-Mitteilungen ist im Mitgliedsbeitrag der GDM enthalten.

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GDM-Mitteilungen 96 · 2014 In eigener Sache 87

Hinweise für Autor(inn)en

Zielgruppe/Inhalte

Die Mitteilungen der GDM werden halbjährlich analle Mitglieder der GDM versandt. Redaktions-schluss ist jeweils der 15. 5. und der 30. 11. ei-nes Jahres. Die Mitteilungen möchten über allesberichten, was einen deutlichen Bezug zur Ma-thematikdidaktik, zum Mathematikunterricht undzur Lehrer(innen)bildung im Fach Mathematikaufweist, insbesondere über alle Aktivitäten derGDM, ihrer Arbeitskreise und der von der GDMmitbestellten Kommissionen. Vor dem Schreibeneines freien Beitrags für die Mitteilungen (Rubri-ken: Magazin, Diskussion) wird empfohlen, zu-nächst mit dem Herausgeber abzuklären, in wieweit der geplante Beitrag für die Mitteilungen vonInteresse ist.

Bilder/Illustrationen

Wir streben an, den Anteil schöner (schwarz-weiß)Illustrationen aller Art zu erhöhen. Alle Auto-ren sind dazu aufgerufen, sich hierzu Gedankenzu machen und möglichst qualitativ hochwerti-ge Illustrationen mit ihrem Beitrag mitzuliefern(als Dateien oder Vorlagen zum Scannen) oderVorschläge zu unterbreiten. Bei technischen Fra-gen oder Problemen steht Ihnen Christoph Eyrich([email protected]) zur Verfügung.

Manuskripte/Umfang

Der Umfang eines Beitrags sollte zunächst mit demHerausgeber abgestimmt werden. Er sollte in derRegel sechs Seiten (also zwölf Spalten) inklusiveIllustrationen nicht überschreiten. In vielen Fäl-len darf/sollte es aber gerne auch kürzer sein.Beiträge sollten als weitestgehend unformatierteWORD- oder LATEX-Files eingereicht werden – siewerden von uns dann professionell gesetzt. BeiManuskripten mit einem hohen Anteil mathemati-scher Formeln helfen Sie uns mit einer Einreichungals LATEX-File. Eine reine Textspalte in den Mittei-lungen hat ca. 2 500 Anschläge (inklusive Leerzei-chen).

Am Ende eines Beitrags drucken wir üblicher-weise die Kontaktadresse des Autors (inkl. Email-adresse) ab.

Einreichung/Kontakt

Bitte senden Sie Manuskripte (mit Ausnahmeder Rubrik: Rezensionen) an den Herausgeber([email protected]). We-gen Rezensionen und Rezensionsanfragen wendenSie sich bitte an Thomas Jahnke ([email protected]), Anfragen zu Anzeigen oder techni-scher Natur an Christoph Eyrich ([email protected]).

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Beitrittserklärung zur Gesellschaft für Didaktik der Mathematik e. V.

Hiermit beantrage ich die Aufnahme in die Gesellschaft für Didaktik der Mathematik e. V. (GDM).

Eintrittsdatum: ◦ 1. Januar diesen Jahres oder◦ 1. Januar des folgenden Jahres (Zutreffendes bitte ankreuzen!)

Vorname, Name (mit Titel):

Geburtsdatum: Geburtsort:

◦ Adresse privat (mit Tel.-Nr.)

◦ Adresse dienstlich (mit Tel.-Nr.):

(Versandadresse [Mitteilungen der GDM, JMD, Rundschreiben] bitte ankreuzen!)

◦ Email (privat):

◦ Email (dienstlich):

(Bevorzugte Emailadresse für Rundmails, Rückfragen der Schriftführung bitte ankreuzen!)

Ich bin damit einverstanden, dass diese Daten für vereinsinterne Zwecke in einer elektronischen Da-tenverarbeitungsanlage gespeichert werden.

Ort, Datum: Unterschrift:

(Bitte an die Schriftführung senden, bevorzugt per Email/Fax)

Ass.-Prof. Dr. Andreas Vohns– Schriftführer der GDM –Institut für Didaktik der MathematikAlpen-Adria-Universität KlagenfurtSterneckstraße 159010 KlagenfurtÖsterreich

Tel.: +43 (0)463 2700 6116Tel.: +43 (0)463 2700 6162 (Sekretariat)Fax: +43 (0)463 2700 996116Email: [email protected]