MITTELSTAND. MOTOR DER ENERGIEWENDE. - bvmw.de · DENEFF (2016), Branchenmonitor Energieeffizienz...

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MITTELSTAND. MOTOR DER ENERGIEWENDE. Energiepolitische Forderungen des Mittelstands

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MITTELSTAND. MOTOR DER ENERGIEWENDE.Energiepolitische Forderungen des Mittelstands

„So dezentral wie möglich, so zentral wie nötig“, lautet die Kernforderung, die der Bundesverwand mittelständi-sche Wirtschaft in Bezug auf die Energiewende und eine zukunftssichere Energieversorgung erhebt. Die Energie-wende steht vor wegweisenden Veränderungen. Die Kos-ten für Strom aus Erneuerbaren-Energien-Anlagen sind durch die Einführung von Ausschreibungen stark gesun-ken, der Kohleausstieg wird hitzig diskutiert und Themen wie die Sektorenkopplung und Speicherlösungen werden zunehmend bedeutsam.

Gleichzeitig leidet die Wettbewerbsfähigkeit der kleinen und mittleren Unternehmen durch die hohen Strompreise. Allein der Anteil der staatlich beeinflussten Kosten am Strompreis liegt bei über 50 Prozent.

Um die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstandes nicht zu gefährden, braucht es deshalb grundlegende politische Reformen bei den Abgaben, Entgelten, Umlagen und Steuern. Die Senkung der Stromsteuer auf das europäi-sche Mindestmaß wäre dafür ein erster richtiger Schritt. Zudem muss der Eigenverbrauch politisch stärker unter-stützt und die darauf eingeführten Belastungen wieder abgeschafft werden.

Ihr

Die ganze Welt schaut auf die deutsche Energiewende. Damit diese, wie der „German Mittelstand“, zu einem Symbol für deutsche Innovationskraft und verantwort-liches Handeln wird, bedarf es einer überlegten Aus-gestaltung. Das vom BVMW und seiner Kommission für Energie und nachhaltiges Wirtschaften ausgearbeitet Konzept „so dezentral wie möglich, so zentral wie nötig“ verbindet Ökologie und Ökonomie und erfüllt damit die Bedürfnisse mittelständischer Unternehmer.

Der deutsche Mittelstand braucht eine sichere und be-zahlbare Energieversorgung, um erfolgreich zu sein. Um dies auf einem nachhaltigen Weg zu erreichen, ist ein dezentraler Ansatz die beste Möglichkeit, daher for-dert der Mittelstand die dezentrale Energiewende für Deutschland.

Die Unternehmerinnen und Unternehmer haben jedoch nicht nur Erwartungen an die Politik. Um den Umstieg auf eine nachhaltige Versorgung zu stemmen, ist Exper-tise und Innovationskraft des deutschen Mittelstands gefragt. Hier können die Unternehmen innerhalb der Gesellschaft eine Pionierrolle übernehmen und echte Lösungen anbieten.

Ihr

MARIO OHOVENPräsident des Bundesver-bandes mittel ständische Wirt-schaft und des Euro päischen Mittelstandsver bandes Euro-pean Entrepreneurs

REINHARD SCHNEIDERVorsitzender der BVMW-Kom-mission für Energie und nach-haltiges Wirtschaften,Geschäftsführer der Werner & Mertz GmbH

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KERNFORDERUNGEN DES MITTELSTANDES1. DEUTSCHLAND 2018 ............................................................................................................................... 4

2. DEZENTRALE MITTELSTÄNDISCHE ENERGIEWENDE ................................................................................. 51. Energiewende umsetzen: „so dezentral wie möglich, so zentral wie nötig“2. Mittelstand als Motor der Energiewende stärken

3. ENERGIEEFFIZIENZ ................................................................................................................................. 61. Keine Einsparverpflichtungen: Anreize stärken2. Bürokratie abbauen – Zugang zu Fördermitteln vereinfachen3. Finanzierungsmöglichkeiten für KMU stärken4. Transparenz der Energiepreise erhöhen5. Energiemanagementsysteme für den Mittelstand optimieren

4. STROMWENDE ........................................................................................................................................ 81. Stromkosten senken – Stromsteuer verringern2. Erneuerbare Energien ausbauen3. Eigenstromversorgung fördern4. EEG durch eine Stetigkeitsprämie ersetzen5. Europäischen CO2-Mindestpreis einführen6. Versorgungssicherheit erhalten7. Strommarkt weiterentwickeln

5. WÄRMEWENDE ......................................................................................................................................121. Wärmewende technologieoffen gestalten2. Bürokratie abbauen3. Nutzungspflicht für Erneuerbare Energien bei Heizungserneuerung verhindern4. Forschung und Förderung in der Prozesswärme ausweiten5. Fördermittel in Abhängigkeit der erzielten CO2-Reduktion vergeben6. Steuerliche Abschreibung für energetische Sanierungen einführen

6. VERKEHRSWENDE .................................................................................................................................141. Verkehrswende mittelstandsfreundlich gestalten2. Verteilnetze stärken – Sektorenkopplung ermöglichen3. Verkehrswende technologieoffen umsetzen4. Ausbau von Ladestationen fördern

7. DIGITALISIERUNG ..................................................................................................................................151. Chancen der Digitalisierung nutzen2. Neue Aufgabenbereiche der Marktakteure definieren3. Herstellerunabhängige Standards entwickeln4. Daten und kritische Infrastruktur schützen

8. NETZE ...................................................................................................................................................161. Netzausbau mit Augenmaß – Verteilnetze stärken2. Experimentierklausel für Netze ausbauen3. Netzentgeltsystem reformieren4. Verursacherprinzip bei den Netzanbindungskosten einführen5. Intelligente Energienetze fördern – Lastmanagement optimieren

9. SEKTORENKOPPLUNG ...........................................................................................................................181. Sektorenkopplung vorantreiben2. Versorgungssicherheit gewährleisten3. Speichertechnologien fördern4. Gleiche Wettbewerbsbedingungen für Energiespeicher herstellen5. Faire und stabile Rahmenbedingungen schaffen

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1. DEUTSCHLAND 2018

1 vgl. BMWi (2018), Energiedaten: Gesamtausgabe, Stand: Januar 20182 ebd.3 vgl. Umweltbundesamt (2017), Treibhausgas-Emissionen, unter https://www.umweltbundesamt.de/

themen/klima-energie/treibhausgas-emissionen, zuletzt abgerufen am 10.08.20174 vgl. Europäische Kommission, Pariser Übereinkommen, unter https://ec.europa.eu/clima/policies/

international/negotiations/paris_de#tab-0-0, zuletzt abgerufen am 14.07.20175 vgl. BMUB, Klimaschutz – Wissenschaftliche Grundlagen, Unter: http://www.bmub.bund.de/themen/klima-energie/

klimaschutz/anpassung-an-den-klimawandel/klimaschutz-im-ueberblick/, zuletzt aufgerufen am 14.07.20176 vgl. BMUB (2016), Klimaschutzplan 2050, S. 77 vgl. BMWi: Was bedeutet eigentlich „Efficiency First“?, Unter https://www.bmwi-energiewende.de/EWD/

Redaktion/Newsletter/2016/23/Meldung/direkt-erklaert.html, zuletzt aufgerufen am 10.08.2017

Die Energiewende transformiert die Energiewirtschaft und die Verwendung von Energie grundlegend. Der An-teil der Erneuerbaren Energien ist in den letzten Jahren insbesondere im Strommarkt deutlich gestiegen. Der Primärenergieverbrauch wurde 2017 zu 13,2 Prozent mit Erneuerbaren Energien gedeckt.1 Bei der Bruttostrom-erzeugung erreichten die Erneuerbaren Energien in 2017 bereits einen Anteil von 33,1 Prozent.2 In den letzten Jah-ren sind jedoch die CO2-Emissionen in Deutschland, trotz des Ausbaus der Erneuerbaren Energien, insbesondere aufgrund des wachsenden Verkehrsaufkommens, wieder leicht gestiegen.3

Das Ziel des Pariser Klimaabkommens sieht eine dauer-hafte Begrenzung des Temperaturanstiegs auf unter zwei Grad vor.4 Eine Trendfortschreibung der aktuellen Treib-hausgasemissionen würde zu einem Anstieg der globalen

Mitteltemperatur von mehr als 4 Grad Celsius führen.5 Deshalb sieht der Klimaschutzplan der Bundesregierung eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 55 Pro-zent bis 2030 und um 80-95 Prozent bis 2050 vor.6 Auf-grund von nicht reduzierbaren landwirtschaftlichen und prozessbedingten CO2-Emissionen muss der Strom-, Wärme- und Verkehrssektor deshalb seine Treibhausgas-emissionen bis 2050 auf null reduzieren.

Die Verknüpfung des Strom-, Wärme- und Verkehrssek-tors durch die sogenannte Sektorenkopplung nimmt da-bei an Bedeutung zu. Die Sektorenkopplung ist die dritte Stufe des „Dreiklangs der Energiewende“. Nach der Stei-gerung der Effizienz (Stufe 1) und der direkten Nutzung Erneuerbarer Energien (Stufe 2) ist die Sektorenkopplung (Stufe 3) zur Deckung des Energiebedarfs vorgesehen, der nach den beiden ersten Stufen verbleibt.7

Entwicklung und Ziele der Energiewende

0%

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30%

40%

50%

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200

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1.000

2030 (Ziel)

2020 (Ziel)2016

20152014

20132012

20112010

20092008

20072006

Treibhausgas-emissionen in Mio. Tonnen CO2-equivalentBruttoend-

energie-verbrauch

Strom

Wärme

Verkehr

Anteil der Erneuer-baren Energien in %

CO2 CO2 CO2 CO2 CO2 CO2 CO2 CO2 CO2 CO2 CO2 CO2CO2

Quelle: BVMW in Anlehnung an AGEE Zeitreihen zur Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland (2017), Umweltbundesamt Emissionssituation (2017)

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2. DEZENTRALE MITTELSTÄNDISCHE ENERGIEWENDEKernforderungen des Mittelstands:

1. Energiewende umsetzen: „so dezentral wie möglich, so zentral wie nötig“2. Mittelstand als Motor der Energiewende stärken

8 vgl. BMUB (2017), Klimaschutz in Zahlen: Ausgabe 2017, S. 50

1. Energiewende umsetzen: „so dezentral wie möglich, so zentral wie nötig“

Eine dezentrale, verbrauchsnahe Erzeugung aus Erneu-erbaren Energien nach dem Prinzip „so dezentral wie möglich, so zentral wie nötig“ begrenzt die Kosten des Netzausbaus, verbessert das Verhältnis von Energiege-winnungskosten zu Infrastrukturkosten und stärkt den Wettbewerb auf dem Energiemarkt. Eine dezentrale Ener-giewende verringert somit die Kosten der Energiewende. Zudem verbleibt bei einer verbrauchernahen Energiege-winnung und Eigenverbrauch die Wertschöpfung in der Region. Dies stärkt auch den Mittelstand vor Ort. Das dezentrale Prinzip hat sich in der Strom- und Wärmever-sorgung bereits bewährt. So werden Herausforderungen immer auf der niedrigsten möglichen Spannungsebene gelöst. Nur selten wird die nächsthöhere Spannungs-ebene zur Problemlösung hinzugezogen. Der Photovol-taik und der Windkraft kommt dabei aufgrund ihrer De-zentralität und der direkten Gewinnung von elektrischer Energie bei Gestehungskosten von weniger als 5 Cent/kWh besondere Bedeutung zu. Neue Technologien wie die Power-to-Gas-Technologie können einen Ausgleich der Volatilität bei der Gewinnung erneuerbaren Stroms ermöglichen und somit eine Abschaltung oder Abrege-lung von Stromerzeugungsanlagen verhindern. Die be-stehende, flächendeckende Gasinfrastruktur könnte zur Unterstützung einer versorgungssicheren, dezentralen Energieversorgung für den Transport von CO2-freiem, synthetischem Gas genutzt werden.

2. Mittelstand als Motor der Energiewende stärken

Die Notwendigkeit, den Klimawandel auf einen Temperatur-anstieg von unter zwei Grad zu begrenzen, wurde vom Mit-telstand erkannt. Die kleinen und mittleren Unternehmen unterstützen deshalb die Umstellung der Wirtschaft auf einen nachhaltigen Wachstumspfad. Der Mittelstand ist der Motor der Energiewende, denn es sind vor allem mittel-ständische Unternehmen, die für Innovationen im Energie-bereich sorgen und tagtäglich vor Ort den Umbau der Ener-gieversorgung durch ihre Produkte und Dienstleistungen vorantreiben. Die Zahl der Arbeitnehmer in der Erneuerba-ren-Energien-Branche lag bereits 2015 bei über 330.000 Be-schäftigten und übertraf damit die Zahl der Arbeitnehmer in der konventionellen Stromerzeugung um das Dreifache.8 Der Großteil der Arbeitnehmer in diesen Branchen wird von mit-telständischen Unternehmen – vom Handwerksunternehmen bis zum Industriebetrieb – beschäftigt. Die Weltmarkt- und Technologieführerschaft Deutschlands im globalen Wachs-tumsmarkt der Erneuerbaren Energien muss deshalb weiter gestärkt werden. Dafür dürfen allerdings die Standortvorteile Deutschlands nicht durch zu hohe Energiepreise gefährdet werden. Das energiepolitische Zieldreieck aus Bezahlbarkeit, Umweltverträglichkeit und Versorgungssicherheit muss wei-ter das zentrale Maß der Energiepolitik bleiben. Daher muss die Vielfalt der Akteure, die Beteiligung der Bürger und mittel-ständischer Unternehmen an der der Energiewende gewahrt bleiben. Eine nachhaltige, klimaneutrale und wettbewerbsfä-hige Wirtschaft kann nur durch die Kombination der drei Ziele sowie die Förderung der Akteursvielfalt erreicht werden.

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3. ENERGIEEFFIZIENZKernforderungen des Mittelstands:

1. Keine Einsparverpflichtungen: Anreize stärken2. Bürokratie abbauen – Zugang zu Fördermitteln vereinfachen3. Finanzierungsmöglichkeiten für KMU stärken4. Transparenz der Energiepreise erhöhen5. Energiemanagementsysteme für den Mittelstand optimieren

9 vgl. Bundesregierung (2010), Energiekonzept der Bundesregierung, S. 510 vgl. DENEFF (2016), Branchenmonitor Energieeffizienz 2016, S.3411 vgl. BMWi (2017), Nationaler Energieeffizienz-Aktionsplan (NEEAP) 2017, S.3

1. Keine Einsparverpflichtungen: Anreize stärken

Ein effizientes Wirtschaften ist im ureigenen Interesse der kleinen und mittleren Unternehmen. Aufgrund der steigenden Energiekosten gewinnen Maßnahmen für mehr Energieeffizienz zunehmend an Bedeutung. Die Energieeffizienz bietet den Unternehmen eine eigenstän-dige Möglichkeit, der Belastung durch die hohen Energie-kosten innovativ entgegenzuwirken. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstands wird dadurch ge-stärkt und der Fixkostenanteil im Unternehmen reduziert. Denn die günstigste Kilowattstunde ist die, die nicht ver-braucht wird.

Der Primärenergieverbrauch soll nach den Zielen der Bun-desregierung gegenüber 2008 um 20 Prozent bis 2020 und um 50 Prozent bis 2050 sinken.9 Diese politischen Ziele sind ambitioniert und müssen durch geeignete An-reize anstelle von Zwang umgesetzt werden. Die Einfüh-rung eines europäischen Mindestpreises für CO2 würde die Anreize für Energieeffizienz erhöhen. Wichtig ist da-bei, dass Anreize technologieneutral gestaltet werden.

Die Unternehmen investieren bereits heute umfangreich in Effizienz- und Einsparmaßnahmen. So ist der Umsatz der Energieeffizienzbranche bereits in 2015 auf 135 Mil-liarden Euro angestiegen.10 Dadurch ist das Wirtschafts-wachstum in Deutschland bereits heute vom Energie-verbrauch entkoppelt.11 Die Aufgabe der Politik ist es jetzt, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, um gemeinsam mit den Unternehmen die Energieeffizienz weiter zu steigern, ohne den Mittelstand zu überlasten. Die Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen muss anschließend in der Eigenverantwortung der Unterneh-men liegen.

2. Bürokratie abbauen – Zugang zu Fördermitteln ver-einfachen

Der Mittelstand unterstützt Maßnahmen zur Energieeffi-zienz. Eine unübersichtliche Anzahl von Förderprogram-men sowie zu aufwendige Förderanträge mit dem damit verbundenen hohen Zeitaufwand und den Kosten, ver-hindern jedoch insbesondere bei kleinen Mittelständlern

Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom Energieverbrauch

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20162015

20142013

20122011

20102009

2008

Entwicklung des Primärener-gieverbrauchs und des Wirt-schaftswachstums.

Basisjahr 2008 = 100%

PrimärenergieverbrauchWirtschaftswachstums

Quelle: BVMW in Anlehnung an BMWi (2016) und des Statistischen Bundesamtes (2016)

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die Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen. Daher muss der Förderdschungel gelichtet werden. Eine Verein-fachung der Förderanträge sollte beispielsweise durch einstufige Verfahren, bei denen die Einreichung der Rech-nung und des Sachkundenachweises nach der erfolgten Umsetzung der Maßnahmen ausreicht, angestrebt wer-den. Als Vorbild hierfür können die Förderprogramme in Österreich dienen. Zudem müssen die umfassenden Dokumentations- und Nachweispflichten, insbesondere für die kleinen Unternehmen, verringert werden. Eine kon-sequent reduzierte Komplexität, ein Zuschnitt der Förder-programme, der den Mittelstand nicht benachteiligt oder Barrieren aufbaut und ein gutes Informationsangebot können wesentlich dazu beitragen, die Energieeffizienz voranzutreiben. Mit geeigneter Förderung lassen sich si-gnifikante Energieeinsparpotenziale realisieren.

3. Finanzierungsmöglichkeiten für KMUs stärken

Die Rahmenbedingungen für Investitionen in Energie-effizienz müssen verbessert werden. Fehlende Finanzie-rungsmittel sind ein großes Hemmnis zur Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen. Die langen Amortisations-zeiten verhindern, aufgrund knapper Finanzmittel, häufig Investitionsentscheidungen in die Energieeffizienz.12 Kür-zere Abschreibungszeiträume, eine Übernahme von Bürg-schaften und mittelstandsfreundliche Förderprogramme würden Investitionen in Energieeffizienz erleichtern.

12 vgl. Prognos (2010): Rolle und Bedeutung von Energieeffizienz und Energiedienstleistungen in KMU, S.27

4. Transparenz der Energiepreise erhöhen

Transparente Energierechnungen sollten Aufschluss da-rüber geben, aus welchen Bestandteilen sich der zu zah-lende Endkundenpreis zusammensetzt. Strombeschaf-fungskosten, Netzentgelte, EEG-Umlage, Stromsteuer sowie Abgaben an den Staat beeinflussen die Preise. Zusätzlich sollten die versteckten (externen) Kosten, wie Umweltschäden der jeweiligen Energiebezugsquelle, die in der Strompreisgestaltung unberücksichtigt bleiben, zur Aufklärung mit in der Endabrechnung aufgeführt werden. Die vom Staat beeinflussten Kostenbestandteile müssen langfristig wieder sinken.

5. Energiemanagementsysteme für den Mittelstand optimieren

Energiemanagementsysteme (ISO 50001) unterstützen Unternehmen beim Aufbau von Strukturen und Abläufen zur Verbesserung ihrer Energieeffizienz. Für kleine und mittlere Unternehmen ist der Aufwand für die Einführung eines kompletten Managementsystems häufig zu hoch. Daher müssen diese Systemanforderungen für kleine und mittlere Betriebe vereinfacht und an die Leistungsfähig-keit von KMU angepasst werden.

Bild: iStock.com/choness

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4. STROMWENDEKernforderungen des Mittelstands:

1. Stromkosten senken – Stromsteuer verringern2. Erneuerbare Energien ausbauen3. Eigenstromversorgung fördern4. EEG durch eine Stetigkeitsprämie ersetzen5. Europäischen CO2-Mindestpreis einführen6. Versorgungssicherheit erhalten7. Strommarkt weiterentwickeln

13 vgl. Eurostat (2018)

1. Stromkosten senken – Stromsteuer verringern

Deutschland hat mit einem Strompreis von 15,19 Cent pro Kilowattstunde für mittelständische Industrieunterneh-men den höchsten Strompreis in Europa.13 Die Einführung von Ausschreibungen für die EEG-Förderung hat zu einem signifikanten Rückgang der Kosten der Erneuerbaren Energien geführt. Die Systemgesamtkosten von Erneuer-baren Energien sind aufgrund des Netzausbau- und Spei-cherbedarfs zwar noch nicht auf einem wettbewerbsfä-higen Niveau, jedoch sind beim Neubau von Kraftwerken

die Stromgestehungskosten (Stromerzeugungskosten) von Erneuerbaren-Energien-Anlagen mittlerweile güns-tiger als von neuen fossilen Kraftwerken. Der gesunke-ne Börsenstrompreis wird zunehmend durch Steuern, Abgaben und Netzentgelte belastet. Der Mittelstand ist vom Anstieg der Stromkosten besonders betroffen, da er größtenteils weder von sinkenden Börsenstromprei-

sen noch von der besonderen Ausgleichsregelung für energie intensive Betriebe profitiert.

Reform der Abgaben-, Steuer-, Umlagen- und Netzent-geltsysteme

Eine Reform der Abgaben-, Steuer-, Umlagen- und Netz-entgeltsysteme ist daher dringend notwendig. Der Anteil der Strombeschaffung, des Vertriebs und der Gewinn-marge macht nur noch 25 Prozent des Strompreises aus. Demgegenüber setzt sich die Hälfte des Strompreises

aus Steuern, Abgaben und Umlagen zusammen. Die vom Staat beeinflussten Kostenbestandteile am Strompreis müssen wieder auf unter 50 Prozent gesenkt werden. Eine zeitliche Streckung der EEG-Umlage durch einen EEG-Fonds lehnt der Mittelstand ab, um die zukünftige Generation nicht zusätzlich zu belasten.

Strompreis für mittelständische Industrieunternehmenmit einem Jahresverbrauch zwischen 500 und 2.000 MWh

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20162015

20142013

20122011

20102009

20082007

Erzeugung und VertriebNetzentgelteSteuern und Abgaben

Quelle: BVMW in Anlehnung an Eurostat 2017

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Zusammensetzung des Strompreises im Jahr 2017 (in Prozent)

Strombeschaffu

ng, Vertrieb

und Gewinnmarge

KWK-Umlage 1,5%Umlage nach §19 der Strom-Netzentgeltverordnung 1,3%Offshore-Haftungsumlage 0,8%

Mehrwertsteuer auf die Strom-

beschaffung und Netzkosten

8,4%Mehrwertsteuer auf

Umlagen/Abgaben

Stromsteuer

6,9%

Netzko

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nd

Messst

ellen

betrie

b24,5%

Konzessionsabgabe 5,4%

EEG-Umlage23,0%

21,5%

7,6%

*Effektive Mehrwertsteuer ca. 16%. Auf den Netto-Gesamt-Strompreis findete der allgemeingültiger Steuersatz von 19 % Anwendung.

Quelle: BVMW, in Anlehnung an Bundesnetzagentur 2017

14 vgl. BDEW (2017), BDEW-Strompreisanalyse Februar 201715 vgl. BMWi (2018), Energiedaten: Gesamtausgabe, Stand: Januar 2018

Senkung der Stromsteuer

Die Stromsteuer wurde 1999 zur Reduzierung des Ren-tenbeitrages eingeführt. Der Strompreis hat sich seit-dem fast verdoppelt.14 Die künstliche Verteuerung des Strompreises durch die vom Staat beeinflussten Kosten-bestandteile verhindert deshalb die für die Sektorenkopp-lung notwendige Nutzung von Strom im Wärme- und Ver-kehrssektor. Die Stromsteuer sollte auf das europäische Mindestniveau gesenkt und die Mehrwertsteuer auf die Abgaben und Umlagen, die fast acht Prozent des Strom-preises ausmachen, abgeschafft oder zumindest deutlich reduziert werden.

Besondere Ausgleichsreglung steuerfinanzieren

Die besondere Ausgleichsreglung für energieintensive Un-ternehmen (die sog. EEG-Befreiung für die Industrie) sollte durch eine Steuerfinanzierung auf eine gesicherte Basis gesetzt werden. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Mit-telstand durch eine erhöhte EEG-Umlage die Umlagebe-freiung der Industrie mitfinanziert. Die Ausgleichsreglung

sollte auf Betriebe begrenzt werden, die im internationalen Wettbewerb stehen. Zu beachten ist, dass auch die Zulie-ferer von Exporteuren, sofern diese einen großen Teil des Preises des zu exportierenden Endprodukts ausmachen, von der EEG-Umlage entlastet werden sollten.

2. Erneuerbare Energien ausbauen

Der Mittelstand unterstützt den Ausbau der Erneuerba-ren Energien. Die Erzeugung von Strom muss bis 2050 vollständig erneuerbar sein. Die Stromwende befindet sich momentan an einem entscheidenden Wendepunkt. Die Markteinführung der Erneuerbaren Energien ist ab-geschlossen und der Anteil an Erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung15 hat mit 33,1 Prozent einen signifikanten Anteil erreicht. Die Erneuerbaren Energien müssen deshalb zunehmend Systemverantwortung über-nehmen. Dafür müssen jedoch auch Märkte für System-dienstleistungen wie Blindleistungen geschaffen werden.

Märkte garantieren Effizienz und Wettbewerb – einschließ-lich des Ringens um die beste Technologie. Gerade in sehr

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innovativen Sektoren wie bei Erneuerbaren Energien ist dies essentiell. Derzeit sind Windenergie- und PV-Anlagen die kostengünstigsten und effizientesten Erneuerbaren Energien und werden voraussichtlich die Leittechnologien der zukünftigen Energieversorgung in Deutschland sein. Beide Technologien ergänzen sich in Ihrem Erzeugungs-profil. Während Photovoltaik die Energie vor allem in den Sommermonaten und zur Mittagszeit während der größ-ten Stromnachfrage liefert, produziert die Windenergie vor allem in den Übergangszeiten und im Winter den größ-ten Stromertrag. Eine Konzentration des Windausbaus in Norddeutschland und der Photovoltaik in Süddeutschland sollte deshalb verhindert werden. Regionale Lastprofile können durch einen gleichmäßigen und dezentralen Zu-bau dieser beiden Leittechnologien bereits zu einem ho-hen Grad direkt gedeckt werden. Der Ausbau der Erneuer-baren Energien sollte sich nach den systemischen Kosten inklusive Spitzenkraftwerken, Reservekraftwerken, Netz-ausbau- und Speicherbedarf richten und nicht nach den reinen Stromgestehungskosten der Erneuerbaren-Ener-gien-Anlagen. Dadurch wird ein systemdienlicher dezen-traler Ausbau der Erneuerbaren Energien gewährleistet.

Der Bioenergie könnte neben der Photovoltaik und der Windenergie eine wichtige Rolle zukommen. Diese ist erneuerbar, grundlast- sowie langzeitspeicherfähig und erfüllt damit eine wichtige energiewirtschaftliche Funk-tion als Ausgleichsenergie in einem zunehmend durch Erneuerbaren Energien geprägten Stromsystem. Insofern sollten die derzeitigen Kapazitäten erhalten und moderat ausgebaut werden. Das jährliche Ausbauziel von 100 MW neuer Kapazitäten für Bioenergie sollte moderat an-gehoben werden, um einen realen Zubau der Biomasse zu erreichen. Auch die Geothermie könnte zukünftig eine wachsende Rolle einnehmen, da sie planbar, jederzeit

16 vgl. Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung e.V. (2013), Kraft-Wärme-Kopplung: Chance für Wirtschaft und Umwelt, S.12

verfügbar, flexibel und im Betrieb CO2-neutral ist. Pro-jekte der Tiefengeothermie sind Infrastrukturvorhaben mit langen Realisierungszeiträumen von fünf bis sieben Jahren. Daher ist das Vertrauen der Investoren auf stabile Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Ausbau der Tiefengeothermie besonders wichtig.

3. Eigenstromversorgung fördern

Die Eigenstromerzeugung aus Erneuerbaren Energien und mittels Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) ist ein wichtiger Be-standteil einer dezentralen Energiewende. Die Bedeutung der Eigenstromversorgung für den Mittelstand nimmt weiter zu. Der Einsatz hocheffizienter Blockheizkraft-werke zur gleichzeitigen Strom- und Wärmeerzeugung verringert den Energieverlust und die CO2-Emissionen um über 50 Prozent gegenüber der getrennten Erzeugung.16 Zudem helfen thermische Speicher, die KWK-Anlagen fle-xibel nach Bedarf einzusetzen. Deshalb eignen sich diese Anlagen besonders gut, um die wetterabhängig schwan-kende Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren Energien auszugleichen. Neben der Steigerung der Energieeffizienz leisten KWK-Anlagen der kleinen und mittleren Unterneh-men somit einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Netze. Die Einführung der EEG-Umlage auf Eigenstrom be-lastet die mittelständischen Unternehmen und verringert deren Wettbewerbsfähigkeit. Um einen weiteren Ausbau der Eigenstromversorgung zu gewährleisten, muss die 2014 eingeführte Belastung wieder abgeschafft werden. Die im EEG 2016 eingeführte, privilegierte Förderung der Verwendung von Überschussstrom in Netzengpassgebie-ten für KWK-Anlagen, die in das Netz der öffentlichen Ver-sorgung einspeisen, muss auf die industrielle KWK aus-gedehnt werden, um eine Chancengleichheit zwischen Industrie und Energieversorgern zu schaffen.

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4. EEG-Umlage durch eine Stetigkeitsprämie ersetzen

Produzenten von Erneuerbaren Energien müssen in Zu-kunft mehr Systemverantwortung übernehmen. Die EEG-Umlage sollte deshalb durch eine Stetigkeitsprämie ersetzt werden, welche die Produzenten von Erneuer-baren Energien in den Markt mit einbezieht und eine be-darfsgerechte und stetige Stromeinspeisung belohnt.

5. Europäischen CO2-Mindestpreis einführen

Das EU-Emissionshandelssystem ist aufgrund falscher Weichenstellungen gescheitert, obwohl die Idee richtig war. Es ist der marktwirtschaftliche Weg, um Anreize zur Vermeidung von CO2 zu setzen. Aus den Fehlern sollte gelernt und ein neuer Anlauf zur Wiederbelebung des Systems gestartet werden. Die Einführung eines euro-päischen CO2-Mindestpreises führt zu einer Bepreisung der externen Kosten innerhalb der Energiekosten, welche durch die CO2-Emissionen entstehen. Die Abgabe soll-te auf alle Energieträger erhoben werden und durch die Senkung von Energiesteuern insgesamt aufkommens-neutral gestaltet werden. Es ist wichtig, Anreize für eine klimaneutrale Stromerzeugung zu setzen und nicht mit Verboten zu reagieren. Investitionsanreize in Energieeffi-zienz und Eigenversorgung werden dadurch gestärkt. Der Mindestpreis muss sich dabei entlang eines festgelegten Pfads erhöhen, um Lock-In-Effekte zu verhindern.

6. Versorgungssicherheit erhalten

Die Versorgungssicherheit ist für den Mittelstand ein zen-traler Aspekt der Energiewende. Der Markt droht jedoch an diesem Punkt zu versagen, da durch die sinkenden Einsatzzeiten moderner, flexibler Gaskraftwerke mit ge-

ringen CO2-Emissionen über das Jahr keine ausreichende Refinanzierung der getätigten Investitionen sichergestellt werden kann. Die Gaskraftwerke werden jedoch zumin-dest als Brückentechnologie bei einem steigenden Anteil an Erneuerbaren Energien als flexibel steuerbares Back-up benötigt. Ein europäischer CO2-Mindestpreis stärkt die Wettbewerbsfähigkeit von modernen und flexiblen Gaskraftwerken während alte unflexible Kohlekraftwerke Schritt für Schritt freiwillig und marktbezogen aus dem Markt genommen werden können. Eine „strategische Re-serve“ kann für eine hinreichende Versorgungssicherheit insbesondere auch in der Dunkelflaute sorgen. Langfris-tig könnten Speichertechnologien wie Power-to-Gas den Brennstoff für diese Reservekraftwerke liefern und ande-re Speichertechnologien die Rolle fossiler Reservekraft-werke übernehmen.

7. Strommarkt weiterentwickeln

Durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien haben sich die Systemanforderungen an den Strommarkt stark ge-wandelt. Das Preissignal muss durch eine Senkung des Anteils von Steuern und Umlagen, die mittlerweile mehr als 50 Prozent des Strompreises ausmachen, wieder beim Stromverbraucher ankommen. Der Wettbewerb und die freie Preisbildung müssen gestärkt werden, um An-reize für Investitionen in Flexibilisierungsmaßnahmen, in Lastmanagement und in Speicher- und Erzeugungska-pazitäten zu schaffen. Somit kann die Bereitstellung der benötigten Kapazitäten sichergestellt und die negativen Auswirkungen der volatilen Erneuerbaren Energien abge-mildert werden. Diese können dadurch kosteneffizient in den Markt integriert und Anreize zum systemdienlichen Verhalten für Erneuerbare gesetzt werden.

Bild: ENERCON GmbH

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5. WÄRMEWENDEKernforderungen des Mittelstands:

1. Wärmewende technologieoffen gestalten2. Bürokratie abbauen3. Nutzungspflicht für Erneuerbare Energien bei Heizungserneuerung verhindern4. Forschung und Förderung in der Prozesswärme ausweiten5. Fördermittel in Abhängigkeit der erzielten CO2-Reduktion vergeben6. Steuerliche Abschreibung für energetische Sanierungen einführen

17 vgl. BMWi (2018), Energiedaten: Gesamtausgabe, Stand: Januar 201818 ebd.19 vgl. Bundesregierung (2010), Energiekonzept der Bundesregierung, S. 2720 vgl. BMWi (2016), Fünfter Monitor-Bericht zur Energiewende; Die Energie der Zukunft, S. 721 vgl. Statista (2017): Alter der Heizungsanlagen von Wohnungen in Deutschland, unter https://de.statista.com/statistik/daten/studie/380731/

umfrage/alter-der-heizungsanlagen-von-wohungen-in-deutschland/, zuletzt abgerufen am 07.08.2017

1. Wärmewende technologieoffen gestalten

Die Wärmeerzeugung ist für mehr als die Hälfte des Ener-gieverbrauchs in Deutschland verantwortlich.17 Von be-sonderer Bedeutung sind dabei die Raumwärme und die Prozesswärme mit einem Anteil von 28 bzw. 21 Prozent am Energieverbrauch.18 Eines der zentralen klimapoliti-schen Ziele der Bundesregierung ist das Erreichen eines nahezu klimaneutralen Gebäudebestands bis 2050.19 Der Erfolg der Energiewende hängt somit entscheidend vom Erfolg der Wärmewende ab. Für 2020 sieht das Zwischen-ziel eine Reduktion des Energieverbrauchs um 20 Pro-zent sowie eine Erhöhung des Anteils der Erneuerbaren Energien auf 20 Prozent vor. Bis 2015 wurden nur eine Reduktion des Wärmebedarfs um 11,1 Prozent und ein Anstieg des Anteils der Erneuerbaren Energien am Wär-meverbrauch auf 13,2 Prozent erreicht.20 Das Erreichen der Ziele der Bundesregierung bedarf somit zusätzlicher Anstrengungen.

Der Mittelstand leistet durch seine hohe Innovationskraft bereits heute einen wichtigen Beitrag zum Erfolg der Wär-mewende. Eine wirksame, technologieoffene Förderung der Wärmewende ist notwendig. Der Ausbau der verschie-denen Technologien wie Geothermie, Solarthermie, Um-weltwärme (zum Beispiel Wärmepumpen) und Biomasse muss sich im lokalen Wettbewerb entscheiden. Die to-pographische Situation sowie die individuelle Gebäude-struktur verhindern einheitliche Lösungen. Bestehende Infrastrukturen wie Fernwärme- und Gasnetze sollten dabei für eine kostenoptimale Wärmewende möglichst weiter genutzt werden. Jedoch sollte ein weiterer Ausbau der Fernwärme aufgrund von hohen Netzverlusten, lang-fristigen Lock-In-Effekten und Konflikten über Anschluss-zwänge nur erfolgen, wenn dies die wirtschaftlichste Lö-sung darstellt. Nahwärmenetze und KWK-Anlagen bieten häufig kostengünstige und dezentrale Alternativen zu einem weiteren Ausbau der Fernwärme. Eine Förderung von Gas- und Ölheizungen sollte als Brücke übergangs-weise erfolgen, wenn damit im Vergleich zur vorherigen Heizungsanlage eine schnelle Reduktion der CO2-Emis-sionen erzielt werden kann. So bestehen im Austausch

von alten Kesseln durch neue Brennwertheizungen große CO2-Einsparpotenziale.

Soweit neue Heizsysteme installiert werden, ist sicher-zustellen, dass diese die versprochene Effizienz liefern. Dies ist nur möglich, wenn alle Komponenten aufeinan-der abgestimmt sind. Beim Tausch des Wärmeerzeugers oder bei anderen Gebäudesanierungsmaßnahmen (zum Beispiel Dämmung, Fenstertausch) ist darum ein hydrau-lischer Abgleich vorzusehen.

2. Bürokratie abbauen

Die Rahmenbedingungen für energieeffizientes Bauen und Sanieren müssen vereinheitlicht werden. Die paral-lele Existenz verschiedener Regelwerke mit unterschied-lichen Begriffsdefinitionen und Vorgaben erschwert das energieeffiziente Bauen und Sanieren. Das Energieein-sparungsgesetz (EnEG), die Energieeinsparverordnung (EnEV) und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) müssen zu einem Gesetz zusammengefasst werden, welches einfacher, transparenter und unbürokra-tischer ist. Damit würden erstmals einheitliche Rahmen-bedingungen für energieeffizientes Bauen und Sanieren geschaffen werden. Eine weitere Verschärfung der ener-getischen Richtlinien im Neubau ist nicht sinnvoll.

3. Nutzungspflicht für Erneuerbare Energien bei Hei-zungserneuerung verhindern

Ein großer Teil der Heizungsanlagen in Deutschland ist veraltet. Über 50 Prozent der Heizungsanlagen in Woh-nungen stammen aus dem letzten Jahrhundert.21 Eine Erneuerung der veralteten Heizungsanlagen ermöglicht eine deutliche Senkung des Rohstoffverbrauchs und der CO2-Emissionen. Eine Pflicht zur Nutzung von Erneuer-baren Energien bei Heizungsmodernisierungen ist je-doch nicht zielführend. Diese würde die Kosten für einen Heizungsaustausch signifikant erhöhen und dadurch in vielen Fällen den Einbau moderner, energiesparender Hei-zungsanlagen verhindern. Das Beispiel Baden-Württem-berg zeigt, dass Nutzungspflichten im Gebäudebestand

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den Einsatz erneuerbarer Energien nicht beschleunigen, aber gleichwohl die Modernisierungsrate von Heizungs-altanlagen erheblich reduzieren können.

4. Forschung und Förderung in der Prozesswärme aus-weiten

Die Prozesswärme ist für 21 Prozent des deutschen Ener-gieverbrauchs verantwortlich.22 Trotz dieses hohen An-teils, wird die Umstellung der Prozesswärme auf Erneuer-bare Energien politisch nur unzureichend gefördert. Eine Ausweitung von Förderprogrammen und Forschungs-förderungen insbesondere im Hochtemperaturbereich ist dringend notwendig. Das Potenzial des bestehenden Gasnetzes sollte genutzt werden.

5. Fördermittel in Abhängigkeit der erzielten CO2-Re-duktion vergeben

Die Höhe der Förderungen sollte sich konsequent an der Menge des eingesparten CO2 orientieren. Nicht alle

22 vgl. BMWi (2018), Energiedaten: Gesamtausgabe, Stand: Januar 2018

energetischen Maßnahmen führen zu den gewünschten Ergebnissen. So führt eine Dämmung mit zunehmender Dämmstärke zu sinkenden zusätzlichen Energieeinspa-rungen. Ein stärkerer Fokus muss auf die energieeffizi-ente Haustechnik gelegt werden, wodurch deutliche Effi-zienzgewinne erreicht werden können.

6. Steuerliche Abschreibung für energetische Sanie-rungen einführen

Eine Erhöhung der jährlichen Sanierungsrate von ein auf zwei Prozent sollte angestrebt werden. Die langen steuerlichen Abschreibungszeiträume im Wärme- und Strombereich verhindern jedoch Investitionen. Die Ab-schreibungszeiträume sollten deshalb in allen Bereichen der Erneuerbaren Energien überprüft und eine steuerliche Abschreibung für energetische Sanierungen eingeführt werden.

Bild: Viessmann Werke GmbH & Co. KG

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6. VERKEHRSWENDEKernforderungen des Mittelstands:

1. Verkehrswende mittelstandsfreundlich gestalten2. Verteilnetze stärken – Sektorenkopplung ermöglichen3. Verkehrswende technologieoffen umsetzen4. Ausbau von Ladestationen fördern

23 vgl. BMWi (2016), Fünfter Monitor-Bericht zur Energiewende; Die Energie der Zukunft, S. 19

1. Verkehrswende mittelstandsfreundlich gestalten

Im Verkehrssektor bahnen sich mit dem Markthoch-lauf der E-Mobilität und innovativen Mobilitätslösungen radikale Veränderungen an. Gleichzeitig steigen die CO2-Emissionen aufgrund des wachsenden Verkehrsauf-kommens weiter an. Dieser Trend wird sich in den nächs-ten Jahren weiter fortsetzen. Auch der Anteil der Erneu-erbaren Energien im Verkehrssektor ist mit 5,2 Prozent (2016) noch gering und zuletzt sogar rückläufig.23 Die Ver-kehrswende muss deshalb stärker in den Fokus gerückt werden. Denn diese bietet enorme Möglichkeiten und Chancen für den Mittelstand, für die jetzt die Weichen ge-stellt werden müssen. Die Umstellung von gewerblichen Fahrzeugflotten sowie der Aufbau von Ladestationen auf Betriebsgeländen sollte durch eine Sonderabschreibung gefördert werden. Zudem sollte eine befristete Steuerbe-freiung für E-Dienstwagen eingeführt werden.

2. Verteilnetze stärken – Sektorenkopplung ermöglichen

Die Verteilnetze sind in der Regel nicht für das gleichzei-tige Laden von einer Vielzahl von Elektrofahrzeugen aus-gelegt. Das Problem der Gleichzeitigkeit des Ladens am frühen Abend, wenn der Großteil der Arbeitnehmer nach Hause kommt, ist technisch lösbar. Die Verteilnetzbetrei-ber müssen hier die Möglichkeit für ein Lastmanagement

zur Steuerung des Ladevorgangs von Elektrofahrzeugen erhalten, damit die Lastspitzen über die zur Verfügung stehende Ladezeit geglättet werden können. Die Kunden sollten durch Preissignale angereizt werden. Die Digitali-sierung ermöglicht eine direkte Kommunikation des Netz-betreibers mit den Verbrauchern bzw. Ladegeräten. Bat-terien der Elektrofahrzeuge können dadurch als zeitlich verschiebbare Last einen Beitrag zur Sektorenkopplung leisten. Der nach Umsetzung eines intelligenten Netzma-nagements noch verbleibende Ausbaubedarf der Verteil-netze muss vor dem Aufbau der Ladeinfrastruktur erfol-gen, damit die Verteilnetze bei einem Anstieg der Anzahl der Elektrofahrzeuge rechtzeitig ausgebaut sind.

3. Verkehrswende technologieoffen umsetzen

Die Umstellung der Mobilität auf einen CO2-neutralen An-trieb kann nicht durch die Beschränkung auf eine einzi-ge Technologie erfolgen. Eine Kombination aus direkter Elektrifizierung und einer Verwendung von Erdgas von Biomethan oder von Biokraftstoffen der zweiten Genera-tionen sollte als primäre Lösung angestrebt werden. Der direkt-elektrische Antrieb ist der effizienteste stromba-sierte Antrieb. Der Schwerpunkt bei der Verwendung von Wasserstoff, synthetischem Methan und synthetischen Kraftstoffen sollte aufgrund des hohen Strombedarfs in der Erzeugung – und dem damit geringen Wirkungsgrad – soweit wie möglich auf (noch) nicht elektrifizierbare Verkehrsmittel (Schwerlastverkehr, Schifffahrt, Landwirt-schaft und Flugverkehr) liegen, sofern keine technologi-schen Fortschritte den Wirkungsgrad erhöhen und damit den Einsatzbereich erweitern kann. Innovative Lösungen wie die Einführung von Oberleitungs-LKW sollten ergeb-nisoffen getestet werden. Gleichzeitig muss aber an Al-ternativen geforscht werden.

4. Ausbau von Ladestationen fördern

In Zukunft werden Fahrzeuge mit Hybrid- und Elektro-antrieb den Markt für Neufahrzeuge dominieren. Eine Kaufprämie ist jedoch der falsche Weg. Solange eine flächendeckende Ladeinfrastruktur für E-Mobilität in Deutschland fehlt, bleibt dieses Instrument wirkungslos. Zudem muss das Laden von Elektrofahrzeugen an Lade-säulen durch standardisierte Abrechnungsmöglichkeiten vereinfacht werden. Der Strompreis muss transparent ausgezeichnet werden.

Bild: eluminocity GmbH

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7. DIGITALISIERUNGKernforderung des Mittelstands:

1. Chancen der Digitalisierung nutzen2. Neue Aufgabenbereiche der Marktakteure definieren3. Herstellerunabhängige Standards entwickeln4. Daten und kritische Infrastruktur schützen

1. Chancen der Digitalisierung nutzen

Die Digitalisierung bietet viele Chancen. Sie hat das Po-tenzial, den Wandel von der zentralen, fossilen Energie-welt mit wenigen Anbietern zu einer neuen, dezentralen und nachhaltigen Energiewelt entschieden voranzutrei-ben. Mit der Digitalisierung kann die Verknüpfung der Be-reiche Strom, Wärme und Mobilität gelingen, die bisher zu stark getrennt voneinander behandelt wurden. Durch die bessere Kommunikation zwischen den Sektoren und An-lagen können Einspeisung und Verbrauch aufeinander ab-gestimmt und Kosten gesenkt werden. Auch im Wärme-bereich bietet die Digitalisierung durch nutzerorientierte Temperatur- und Belüftungssteuerung sowie mit einer intelligent geführten Heizungssteuerung große Chan-cen für einen effizienteren Betrieb von Gebäuden. Die Rahmenbedingungen müssen zukünftig einen direkten Stromhandel zwischen dezentralen Stromerzeugern und -verbrauchern ermöglichen. Die Chancen der Blockchain sollten genutzt werden. Die für das Systemmanagement notwendigen Daten müssen diskriminierungsfrei allen Akteuren angeboten werden können, damit regionale Märkte auch weiterhin funktionieren.

2. Neue Aufgabenbereiche der Marktakteure definieren

Der zunehmende Einsatz von Informations- und Kommu-nikationstechnik und die Zunahme an Akteuren erfordern eine Definition der neuen Aufgabenbereiche. Der Mittel-stand muss bei anstehenden Regulierungen und Definitio-nen von neuen Aufgabenbereichen mit einbezogen wer-den. Klare Definitionen durch den Gesetzgeber und klare Verantwortungen schaffen Planungssicherheit für die Ak-teure. Die Verteilnetzbetreiber kennen ihr Netz und dessen Feinheiten am besten und können Fehler vermeiden. Die

Verfügbarkeit relevanter Daten zur Steuerung des Netzes und das dezentrale Zusammenspiel aller Marktakteure ist heute der Erfolgsfaktor einer sicheren Stromversorgung und muss auch in Zukunft gewährleistet bleiben.

3. Herstellerunabhängige Standards entwickeln

Die Zunahme an Akteuren und die volatile Einspeisung Erneuerbarer Energien führen zu einem zunehmenden Koordinations- und Kommunikationsbedarf zwischen den Akteuren und den Erneuerbaren-Energien-Anlagen. Neue Akteure werden innovative Lösungen anbieten und zu einer besseren Integration der Erneuerbaren Energien in das Energiesystem beitragen. Ein medien- und hersteller-unabhängiges Kommunikationssystem, mit welchem alle Anlagen und Akteure untereinander mit gleichem Stan-dard kommunizieren können, ist die Grundlage für innova-tive Lösungen. Nicht zuletzt verhindern offene Standards wirksam Monopole.

4. Daten und kritische Infrastruktur schützen

Die digitale Vernetzung der Energieinfrastruktur schafft neue Ziele für Angriffe gegen die kritische Strom- und Gasinfrastruktur. Daten über den Energieverbrauch geben Aufschluss über die Produktion oder die Abwesenheit von Bewohnern. Daher muss die IT-Sicherheit als zentraler Bestandteil der Digitalisierung bereits im Aufbau berück-sichtigt werden. Jede digitale Handlung muss automa-tisch vor dem Hintergrund der IT-Sicherheit laufen. Das Prinzip der Datensparsamkeit muss angewandt werden. Aktuelle Verbrauchszahlen, die zur Steuerung des Netzes notwendig sind, müssen anonymisiert werden. Die Erstel-lung eines Nutzerprofils aus den Verbrauchsdaten darf ohne Einwilligung des Nutzers nicht möglich sein.

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8. NETZEKernforderungen des Mittelstands:

1. Netzausbau mit Augenmaß – Verteilnetze stärken2. Experimentierklausel für Netze ausbauen3. Netzentgeltsystem reformieren4. Verursacherprinzip bei den Netzanbindungskosten einführen5. Intelligente Energienetze fördern – Lastmanagement optimieren

24 vgl. E-Bridge et al. (2014): Moderne Verteilnetze für Deutschland (Verteilnetzstudie). Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi), S. 6

25 vgl. Bundesnetzagentur (2017): BBPlG-Monitoring, Stand der Vorhaben aus dem Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) nach dem ersten Quartal 2017, S. 5

26 Durchschnittliches Netznutzungsentgelt bei einem Verbrauch von 3.500 kWh pro Jahr. vgl.: Bundesnetzagentur (2017): Monitoringbericht 2017, S. 234

27 vgl. Bundesnetzagentur (2017): Monitoringbericht 2017, S. 42328 vgl. E-Bridge et al. (2014): Moderne Verteilnetze für Deutschland (Verteilnetzstudie).

Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi), S. 48

1. Netzausbau mit Augenmaß – Verteilnetze stärken

Die Stromnetze müssen an die zunehmende Erzeugung von Erneuerbaren Energien angepasst werden. Die Strom-wende findet dabei vor allem in den Verteilnetzen statt, an denen 98 Prozent der Erneuerbaren-Energien-Anlagen angeschlossen sind.24 Deren Ausbau ist zukünftig unver-zichtbar – auch weil ein Großteil der neuen Stromverbrau-cher wie Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen an die Ver-teilnetze angeschlossen werden.

Der Netzausbau muss aufgrund der hohen Kosten und der Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung mit Bedacht vorgenommen werden. Verteilnetzbetreiber und weitere berechtigte Akteure sollten eine Einsicht in die Über-tragungsnetze erhalten, um den tatsächlichen Netzaus-baubedarf nachvollziehen zu können. Eine dezentrale Energiewende verringert den Ausbaubedarf der Übertra-gungsnetze. Deshalb sollte der Netzausbau sich auf die regionalen und dezentralen Verteilnetze fokussieren. Die rund 900 Verteilnetzbetreiber müssen dafür stärker an der von den Übertragungsnetzbetreibern dominierten Diskussion um den Netzausbau beteiligt werden, nicht zuletzt weil der Ausbau der Übertragungsnetze nur sehr langsam voran geht. So wurden von dem im Bundes-bedarfsplangesetz vorgesehenen Ausbau von 5.900km Übertragungsleitungen bis Anfang 2017 nur 450km ge-nehmigt und 150km realisiert.25

2. Experimentierklausel für Netze ausbauen

Die volatile Einspeisung der Erneuerbaren Energien und Veränderung des Verbraucherverhaltens durch die Elekt-rifizierung der Mobilität und der Wärmeversorgung stellt das Lastmanagement vor neue Herausforderungen. Die Einführung von Experimentierklauseln für verschiedene Netze würde es ermöglichen, Nicht-Stetigkeits-Situa-tionen zu testen und Erfahrungswerte zu sammeln. Eine Verbesserung der Möglichkeiten des Lastmanagements kann dadurch erreicht werden.

3. Netzentgeltsystem reformieren

Netzentgelte erfüllen durch die Umlage der Investitions-kosten eine wichtige Funktion bei der Finanzierung des Netzausbaus im Zuge der Energiewende und werden an-hand eines transparenten, nachvollziehbaren Musters be-rechnet. Durch verschiedene Faktoren, vor allem aber den Zubau von Erneuerbaren-Energien-Anlagen, sind die Netz-entgelte trotz der Anreizregulierung von durchschnittlich 5,75 ct/kWh im Jahr 2010 auf 7,31 ct/kWh im Jahr 2017 gestiegen.26 Die Netzkosten machen damit bereits über 23 Prozent des Strompreises aus.27 Ein weiterer Anstieg der Netzentgelte ist aufgrund der hohen Netzausbaukos-ten – insbesondere im Übertragungsnetz – von bis zu 48,9 Mrd. Euro bis 203228 zu erwarten.

Das ursprüngliche Ziel der Anreizregulierung, die mittel- bis langfristige Senkung der Netzentgelte und damit die Entlastung der Verbraucher und gerade auch der mittel-ständischen Wirtschaft, sollte und darf nicht aus den Au-gen verloren werden. Entscheidend für eine Kostensen-kung ist hierbei die Umlage der Kosten auf einen größeren Verbraucherkreis. Langfristig sollte eine feste Grundge-bühr parallel zum Leistungspreis beibehalten werden, um die Bereitstellung des Stromanschlusses auch bei einem zunehmenden Eigenverbrauch zu finanzieren.

4. Verursacherprinzip bei den Netzanbindungskosten einführen

Die Netzanschlusskosten werden heute über die Netzent-geltumlage von den Stromverbrauchern finanziert. Der Netzbetreiber ist unabhängig von der geographischen Lage verpflichtet, Erneuerbare-Energien-Anlagen an das Stromnetz anzuschließen. Dieses Umlageverfahren be-günstigt die Ansiedlung von Großanlagen außerhalb der Verbrauchszentren. Die Auswirkungen auf die volkswirt-schaftlichen Gesamtkosten und die Systemstabilität der Stromnetze bleiben unberücksichtigt. Zukünftig sollten die Netzanschluss- und Netzausbaukosten gemäß dem Verursacherprinzip umgelegt werden. Großanlagenbe-

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treiber auf der Stromerzeugungsebene werden dann so-wohl an den Kosten des Netzanschlusses, als auch an den Wartungs- und Instandhaltungskosten der von ihnen stark beanspruchten Trassen beteiligt. Dies würde bewir-ken, dass Investoren bei der Standortsuche gezielt ver-brauchsnahe Positionen bevorzugen und sich dadurch langfristig vor steigenden Netzkosten schützen.

Gleichzeitig könnte die konkrete Ausgestaltung der Netz-anschlusskosten auch eine allokative Wirkung entfalten, um gezielt Investitionen in noch kaum von Erneuerba-ren-Energien-Anlagen erschlossenen Regionen zu för-dern. Dadurch kann einer lokal überproportionalen Zu-nahme der Netzentgelte infolge der Konzentration des Erneuerbaren-Energien-Zubaus in einigen Regionen ent-gegengewirkt werden.

29 Als Beispiel kann das Kompetenznetzwerk dezentralen Energietechnologien (deEnet) dienen. In diesem Netzwerk existieren bereits viele Modell-regionen, die das Ziel einer erneuerbaren Energieversorgung mit möglichst intelligenten Technologielösungen verfolgen.

5. Intelligente Energienetze fördern – Lastmanage-ment optimieren

Mit steigendem Ausbau der Erneuerbaren Energien ist eine Flexibilisierung der Stromversorgung unter Einbe-ziehung des Mittelstands notwendig. Intelligente Ener-giemanagementsysteme unterstützen einen effizienten und sicheren Netzbetrieb. Durch die sogenannten Smart Grids können Energieerzeuger, Verbraucher, Speicheran-lagen- und Netzbetreiber miteinander in einem Energie-informationssystem verbunden werden. Somit entstehen kleine Netzwerke, in denen die Energieflüsse gesteuert werden. Um einen optimalen Einsatz dezentraler Ener-giesysteme durch virtuelle Kraftwerke und ein regiona-les Lastmanagement zu ermöglichen, müssen regionale Energiekonzepte entworfen werden.29

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9. SEKTORENKOPPLUNG

30 vgl. BMWi: Was bedeutet eigentlich „Efficiency First“? unter https://www.bmwi-energiewende.de/EWD/Redaktion/Newsletter/2016/23/Meldung/direkt-erklaert.html, zuletzt aufgerufen am 10.08.2017.

Kernforderungen des Mittelstands:

1. Sektorenkopplung vorantreiben2. Versorgungssicherheit gewährleisten3. Speichertechnologien fördern4. Gleiche Wettbewerbsbedingungen für Energiespeicher herstellen5. Faire und stabile Rahmenbedingungen schaffen

1. Sektorenkopplung vorantreiben

Die Verknüpfung der Wärme-, Strom- und Verkehrssekto-ren leistet einen wichtigen Beitrag zum Erfolg der Ener-giewende. Die Sektorenkopplung wird als dritte Stufe des „Dreiklangs der Energiewende“ gesehen. Nach der Stei-

gerung der Effizienz (Stufe 1) und der direkten Nutzung Erneuerbarer Energien (Stufe 2) ist die Sektorenkopplung (Stufe 3) zur Deckung des Energiebedarfs vorgesehen, der nach den beiden ersten Stufen verbleibt.30

Schematische Darstellung der Sektorenkopplung

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STROMWENDE

Energetische

Gebäudesanierung,

Prozesswärme, Raumwärme,

Solarthermie, Holzpellets,

Brennstoffzellenheizung,

Wärmepumpen

Bioenergie,Eigenstromversorgung, Geothermie,

Intelligente Stromnetze, Photovoltaik,Wasser, Wind

DezentralitätDigitalisierung

Dekarbonisierung

Energieeffizienz,

wasserstoff- und

strombasierte

Kraftstoffe

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Quelle: BVMW

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Trotz der Anstrengungen zur Senkung des Energiebe-darfs wird der Stromver brauch steigen. Dies ergibt sich aus dem Ziel, mehr Erneuerbare Energien in die Sektoren Wärme und Mobilität zu bringen. Insbesondere strom-intensive Technologien wie die Elektromobilität und der Einsatz von Wärmepumpen und Power-to-X-Technologien werden diese Entwicklung beschleunigen. Zur optimalen Integration überschüssiger Strommengen durch volatile Einspeisung müssen die Möglichkeiten des Einspeise- und Lastmanagements sowie des Netz- und Speicher-ausbaus synchronisiert werden. Sinnvoll ist es auch, dass die Verteilnetzbetreiber in die lokalen Planungen zur Errichtung der Ladesäuleninfrastruktur und größe-ren Speichern mit einbezogen werden. Durch innovative Technologien wie Power-to-Gas kann auch die vorhan-dene Gasinfrastruktur für die Sektorenkopplung genutzt werden. So kann der Strom aus Erneuerbaren Energien in Zeiten des Überschusses systemdienlich verwendet und in der vorhandenen Gas- oder Wärmeinfrastruktur für Zeiten der Dunkelflaute gespeichert werden. Dies ist sinn-voller und kostengünstiger, als das Abregeln der Anlagen mit entsprechenden Zahlungen an die Anlagenbetreiber. Gleichzeitig steigt der Anteil der Erneuerbaren Energien am Energiebedarf.

2. Versorgungssicherheit gewährleisten

Deutschland gehört gemessen an den Versorgungsunter-brechungen, international zur Spitzengruppe für eine ver-lässliche Stromversorgung.31 Die Anzahl der Netz- und Systemsicherheitsmaßnahmen der Netzbetreiber ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen.32 Noch sind die Versorgungsunterbrechungen im internationalen Vergleich gering, doch die Kosten für Abregelung und Redispatch erhöhen die Netzentgelte und belasten ins-besondere die mittelständische Wirtschaft – auch im internationalen Vergleich. Neben dem Einsatz von Spei-chern kann auch die Sektorenkopplung ihren Beitrag zur Versorgungssicherheit und zur Kostendämpfung in einem System mit steigendem Anteil Erneuerbarer Energien leisten. Dafür muss die Sektorenkopplung bidirektional betrachtet werden, denn auch die Stromerzeugung de-zentraler Systeme im Wärmemarkt kann einen Beitrag zur Stromerzeugung in Zeiten geringer Einspeisung von Erneuerbaren Energien leisten. Wichtig ist dabei ein tech-nologieoffener Ansatz.

3. Speichertechnologien fördern

Die wachsende Bedeutung der Speicher für die Energie-wende ist allgemein anerkannt. Während KWK-Anlagen, Biogasanlagen und Geothermie konstante und sogar steuerbare Einspeiseverläufe aufweisen, schwankt die Energiegewinnung bei Windkraft- und Photovoltaikan-lagen stark. Je mehr Verantwortung die Erneuerbaren Energien im Stromsystem übernehmen, umso wichtiger wird es, die volatile Erzeugung zu glätten. Die Speicher-aufgabe kann am besten durch dezentrale Speicher im

31 vgl. Council of European Energy Regulators (2016): 6th Benchmarking Report on the Quality of Electricity and Gas Supply in Europe, S. 20332 vgl. Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik, Störungsstatistik 2015, unter: https://www.vde.com/de/presse/

pressemitteilungen/73-16-vde-fnn-stoerungsstatistik-2015#, zuletzt aufgerufen am 10.08.201733 vgl. Fraunhofer ISI (2015): Gesamt-Roadmap Stationäre Energiespeicher 2030, S.12

Verteilnetz gelöst werden. Dies würde das Netz stabili-sieren und der Lastdeckung dienen. Um den Einsatz der benötigten Speicher anzureizen, müssen die Rahmen-bedingungen entsprechend verbessert werden. Für die Entwicklung neuer Stromspeichertechnologien und zur Stärkung des Technologiewettbewerbs müssen Anreize über Forschungsprogramme massiv ausgeweitet und eine steuerliche Forschungsförderung gewährleistet wer-den. Die Langzeitspeicherung wird zunehmend wichtig, um in Zeiten der Dunkelflaute die Verbraucher mit er-neuerbarem Strom versorgen zu können. Eine besondere Rolle nehmen dabei die Power-to-Gas-Technologien ein, die es erlauben, Energie aus erneuerbarem Strom im Gas-netz mit seinen großen Kapazitäten zu speichern. Neue, leistungsfähige Speichertechnologien sind langfristig der Schlüssel für eine erfolgreiche Energiewende.

4. Gleiche Wettbewerbsbedingungen für Energiespei-cher herstellen

Die Kosten für Batteriespeicher sind stark gesunken.33 Trotzdem verlief der Ausbau an Energiespeichern auf-grund fehlender Anreize in der Vergangenheit schlep-pend. Um den Ausbau der Speicher weiter voranzu-treiben, müssen die Rahmenbedingungen für Speicher verbessert werden. Speicher gelten als Letztverbraucher, wodurch sie doppelt mit Netzentgelten und Umlagen be-lastet werden – sowohl bei der Speicherung des Stroms, der als Stromverbrauch gilt, als auch beim späteren tat-sächlichen Verbrauch. Speicher müssen deshalb von der Letztverbraucherpflicht befreit werden. Dies ist nicht nur systemdienlich, sondern auch folgerichtig, da Speicher keine Letztverbraucher sind, sondern einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit in Zeiten geringer Ein-speisung von Strom aus Erneuerbaren Energien leisten können.

5. Faire und stabile Rahmenbedingungen schaffen

Sektorenkopplung kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie sich betriebswirtschaftlich rechnet. Die Refinanzie-rung der Investitionen auf Basis funktionierender Ge-schäftsmodelle kann nur gelingen, wenn Planungssi-cherheit für die Unternehmen herrscht. Daher muss der Rahmen für die Sektorenkopplung glaubhaft stabil und langfristig angelegt sein. Wichtig ist zudem ein tech-nologieneutraler Ansatz. So wird gewährleistet, dass im Wettbewerb die effizienteste und kostengünstigste Technologie zuerst eingesetzt wird. Das Setzen gleicher Rahmenbedingungen für verschiedene Technologien (le-vel-playing-field) ist erfolgsversprechender als ein Mas-terplan für bestimmte Technologien. Um ein unbürokra-tisches Experimentieren mit neuen Geschäftsmodellen im Bereich der Sektorenkopplung zu ermöglichen, sollten jedoch Bagatellgrenzen eingeführt werden, damit Start-ups und neue Geschäftsideen nicht sofort in das Blick-feld der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht geraten.

Der BVMW vertritt im Rahmen seiner Mittelstandsallianz die Interes-sen von über 760.000 Mitglieder, die über zwölf Millionen Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter beschäftigen. Über 300 Repräsentanten haben jährlich rund 800.000 direkte Unternehmerkontakte. Der BVMW orga-nisiert mehr als 2.000 Veranstaltungen pro Jahr.