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HARDBEAT Mix it! 24 beat 07 | 2005 MIX IT! Das Abmischen der eigenen Musik ist ohne Zweifel der kreativste Part des Sound-Engineerings, aber für viele Musiker auch ein Buch mit sieben Siegeln. Beat verrät Ihnen Tipps und Tricks aus der Studioarbeit der Profis, damit Ihre Stücke den perfekten Klang erhalten. von Mark Cousins O bwohl auch viele semiprofessionel- le Musiker mittlerweile ihre Aufnah- men selbst abmischen, hat dieses Handwerk immer noch einen Hauch von Alchemie: Hier ein mäßig begabter Sänger, dort ein dröh- nendes Keyboard aus dem TV-Shop – und am Ende soll pures Gold herauskommen, selbst wenn es dann Katzengold sein sollte. Die großen Meister ihres Faches, wie Lord Alges und ‚Spike‘ Stents, können zumindest einen Mix produzieren, der das Potential zum Hit hat. Diese Techniker verlangen aber schon eine hohe Summe, um Tracks zu veredeln, und die Warteliste der Kunden ist lag. Ein gewisses Talent der Künstler einmal vorausgesetzt, ist das Abmischen auf Band, HD oder ein anderes Medium ein relativ ein- facher Vorgang. Dank Computer-Unterstüt- zung sind die nötigen Werkzeuge für den richtigen Mix heute auch für Normalsterbli- che erschwinglich: Während früher ein Kom- pressor schon ein kleines Vermögen kostete, werden diese heute vom Computer im Dut- zend simuliert. Die professionellen Funktio- nen sind da, jetzt kommt es „nur“ noch dar- auf an, wie der Produzent sie verwendet. Und genau da liegt der Haken: Das Aufneh- men und vielleicht auch der Rohmix sind nicht besonders schwer, aber das Ergebnis ist dann noch weit von einer professionellen Abmischung entfernt. Das fällt nicht nur dem Amateur, sondern auch den Profis schwer: Selbst diese müssen dann schon einmal bei Mixern wie Mike ‚Spike‘ Stents anfragen, ob sie denn nicht diesen oder jenen Track kurz- fristig noch retten könnten. Das akustische Vermächtnis Es ist schwer vorstellbar, dass es eine Art von Abmischung bereits in einer Zeit gab, als noch keine mächtigen Mischkonsolen mit Hunder- ten von Fadern, Kompressoren und Reverb- Einheiten existierten. Gemessen an der Zeit, in der die Menschheit schon Musik macht, nimmt sich das das elektronische Zeitalter sehr winzig aus. Die Erforschung der Akustik hat die Menschheit aber schon lange beschäftigt – vermutlich bereits seit den Tagen, als der Mensch in die Höhle ging, dort den Hall entdeckte und kurz darauf von einem Höllenlöwen verspeist wurde. Später baute man Kirchen und erste Konzerthallen, diesmal ohne Löwen, aber dafür mit immer besserer Akustik. Noch heute verursacht die Akustik in Kirchen bei vielen offene Münder – aber immerhin stecken dort auch teilweise mehrere hundert Jahre Entwicklungsarbeit. Neben dem passenden Ort kam die Mensch- heit auch schnell auf die Idee, dass die Anord- nung der Instrumente den Sound wesentlich beeinflussen kann. In der digitalen Welt stellen sich durch- aus ähnliche Fragen der Akustik. Wie sollte das richtige Setup der Band aussehen? Wie spiegelt sich die Stimmung auf der Bühne in dem finalen Mix wieder? Leicht verliert sich der Produzent in der Vielzahl digitaler Lösun- gen (digitale Reverbs, Kompressoren und EQs), sodass die teilweise einfachen Mög- lichkeiten der Akustik für viel Erstaunen sor- gen. Tatsächlich gab es in den 20er Jahren, als die Musik noch direkt auf Band aufge- nommen wurde, keine andere Möglichkeit, die Musikbalance zu beeinflussen, als die Anordnung der Künstler auf der Bühne zu verändern. Der Sänger ist dadurch meistens vorne, sehr nahe am Mikrofon, gelandet. Der digitale Weg des Mixens hat sich dagegen erst entwickelt, als die Songs kom- plexer wurden und mehrere Mikrofone und Tracks eingesetzt wurden. Mit der Komplexi- tät sind aber auch die Ansprüchen an den Mix gestiegen.

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HARDBEATMix it!

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MIX IT!Das Abmischen der eigenen Musik ist ohne Zweifel der kreativste Part des Sound-Engineerings,

aber für viele Musiker auch ein Buch mit sieben Siegeln. Beat verrät Ihnen Tipps und Tricks aus der

Studioarbeit der Profi s, damit Ihre Stücke den perfekten Klang erhalten.

von Mark Cousins Obwohl auch viele semiprofessionel-

le Musiker mittlerweile ihre Aufnah-

men selbst abmischen, hat dieses Handwerk

immer noch einen Hauch von Alchemie: Hier

ein mäßig begabter Sänger, dort ein dröh-

nendes Keyboard aus dem TV-Shop – und am

Ende soll pures Gold herauskommen, selbst

wenn es dann Katzengold sein sollte. Die

großen Meister ihres Faches, wie Lord Alges

und ‚Spike‘ Stents, können zumindest einen

Mix produzieren, der das Potential zum Hit

hat. Diese Techniker verlangen aber schon

eine hohe Summe, um Tracks zu veredeln,

und die Warteliste der Kunden ist lag.

Ein gewisses Talent der Künstler einmal

vorausgesetzt, ist das Abmischen auf Band,

HD oder ein anderes Medium ein relativ ein-

facher Vorgang. Dank Computer-Unterstüt-

zung sind die nötigen Werkzeuge für den

richtigen Mix heute auch für Normalsterbli-

che erschwinglich: Während früher ein Kom-

pressor schon ein kleines Vermögen kostete,

werden diese heute vom Computer im Dut-

zend simuliert. Die professionellen Funktio-

nen sind da, jetzt kommt es „nur“ noch dar-

auf an, wie der Produzent sie verwendet.

Und genau da liegt der Haken: Das Aufneh-

men und vielleicht auch der Rohmix sind

nicht besonders schwer, aber das Ergebnis ist

dann noch weit von einer professionellen

Abmischung entfernt. Das fällt nicht nur dem

Amateur, sondern auch den Profi s schwer:

Selbst diese müssen dann schon einmal bei

Mixern wie Mike ‚Spike‘ Stents anfragen, ob

sie denn nicht diesen oder jenen Track kurz-

fristig noch retten könnten.

Das akustische VermächtnisEs ist schwer vorstellbar, dass es eine Art von

Abmischung bereits in einer Zeit gab, als noch

keine mächtigen Mischkonsolen mit Hunder-

ten von Fadern, Kompressoren und Reverb-

Einheiten existierten. Gemessen an der Zeit,

in der die Menschheit schon Musik macht,

nimmt sich das das elektronische Zeitalter

sehr winzig aus. Die Erforschung der Akustik

hat die Menschheit aber schon lange

beschäftigt – vermutlich bereits seit den

Tagen, als der Mensch in die Höhle ging, dort

den Hall entdeckte und kurz darauf von

einem Höllenlöwen verspeist wurde. Später

baute man Kirchen und erste Konzerthallen,

diesmal ohne Löwen, aber dafür mit immer

besserer Akustik. Noch heute verursacht die

Akustik in Kirchen bei vielen offene Münder –

aber immerhin stecken dort auch teilweise

mehrere hundert Jahre Entwicklungsarbeit.

Neben dem passenden Ort kam die Mensch-

heit auch schnell auf die Idee, dass die Anord-

nung der Instrumente den Sound wesentlich

beeinfl ussen kann.

In der digitalen Welt stellen sich durch-

aus ähnliche Fragen der Akustik. Wie sollte

das richtige Setup der Band aussehen? Wie

spiegelt sich die Stimmung auf der Bühne in

dem fi nalen Mix wieder? Leicht verliert sich

der Produzent in der Vielzahl digitaler Lösun-

gen (digitale Reverbs, Kompressoren und

EQs), sodass die teilweise einfachen Mög-

lichkeiten der Akustik für viel Erstaunen sor-

gen. Tatsächlich gab es in den 20er Jahren,

als die Musik noch direkt auf Band aufge-

nommen wurde, keine andere Möglichkeit,

die Musikbalance zu beeinfl ussen, als die

Anordnung der Künstler auf der Bühne zu

verändern. Der Sänger ist dadurch meistens

vorne, sehr nahe am Mikrofon, gelandet.

Der digitale Weg des Mixens hat sich

dagegen erst entwickelt, als die Songs kom-

plexer wurden und mehrere Mikrofone und

Tracks eingesetzt wurden. Mit der Komplexi-

tät sind aber auch die Ansprüchen an den Mix

gestiegen.

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Über den AutorMark Cousins arbeitet als Komponist für Auftragsar-beiten, in erster Linie für BMG-Zomba. Seine Kompo-sitionen werden von verschiedenen Fernsehsendern genutz, darunter BBC, ITV, Channel 4, Fire und Sky. Er unterhält enge Beziehungen zum Lehrstab der Con-fetti School of Recording Technologie.

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Perfekt abgemischtObwohl der Ausdruck durchaus öfter in den

Mund genommen wird, ist die Defi nition

eines perfekten Mixes gar nicht so einfach.

Die Meinungen, was ein perfekter Mix ist,

gehen weit auseinander. Deshalb gibt es dar-

auf auch keine eindeutige Antwort, aber

umso mehr Tools, die alle den perfekten Mix

versprechen. Mit nur einigen grundlegenden

Werkzeugen (ein Schreibtisch, einigen Kom-

pressoren, Gate- und Effekt-Einheiten) können

verschiedene Aufnahmetechnik bereits

erstaunliche Ergebnisse erzielen – ob dies von

der Öffentlichkeit dann positiv aufgenommen

wird, müssen die Käufer entscheiden. Es kann

aber nützlich sein, sich die verschiedene

Trends anzuschauen. In jedem Genre hat der

Käufer eine gewisse Erwartungshaltung, von

der immerhin dann doch so eine Art Defi niti-

on abgeleitet werden kann.

Die erste Überzeugung zur Abmischung

fi nden sich vor allem beim beim Jazz, Folk

und der klassischen Musik. Es könnte auch

als die „natürliche Form“ des Mischens

betrachtet werden, bei der das Band so

gemischt wird, als sei es gerade erst auf-

genommen worden. Der fast unbehandel-

te Sound von Künstlern wie Norah Jones, das

folkige Sleep/Holiday von Gorky‘s Zygotic

Mynciund, der orchestrale Soundtrack von

The Terminal (John Williams): All diese

Alben und Singles machen nur sehr spora-

disch Gebrauch von Kompressor und EQ mit

wenig bis gar keinem Reverb. Einen Großteil

der Stereo-Informationen liefern die Raum-

Mikros und weitere gezielt platzierte Mikros,

um ein möglichst natürlichen Panorama zu

erhalten und der Produktion mehr Breite zu

verleihen.

Was so religiös klingt, ist eigentlich ein ganz irdisches Prinzip: Jede

Einstellung hat Auswirkungen auf den Track. Wenn Sie den EQ mit

einer bestimmten Frequenz hinzufügen, wird sich die Art und Wei-

se, mit der der Sound mit den anderen Instrumenten im Mix inter-

agiert, ändern. Wenn Sie bei einem Sound eine Pegelanhebung

durchführen, suchen Sie nach einem anderen Sound im Mix, der

einen dazu passenden Schnitt

verkraften kann. Ganz einfach ist

es jedoch nicht, beispielsweise

sollte nicht der Bass von einer

Tamburine weggenommen wer-

den, nur um den Bass auszuba-

lancieren, der eine Bassfußtrom-

mel hinzugefügt wurde. Sehen

Sie es als das Yin und Yang des

Mixens oder als „Einerseits –

Andererseits“: Wenn die passen-

de Balance bereits hergestellt ist,

sollten Sie in der Lage sein, den

Klangraum besser auszugestal-

ten und die Sounds klarer zu

defi nieren.

Gleiche Instrumente, verschiedene FarbenWenn Sie auch zu der Gattung Musiker gehören, welche die

Instrumente nicht nur im Schrank stapelt, sondern auch in Form

von Instrumenten-Ebenen auf dem Computer, sollten Sie beim

Mix die gleichen Instrumente immer leicht im Ton und EQ variie-

ren, damit nicht ein ungewollter Soundbrei entsteht. Wenn das

gleiche Instrument oder die gleiche Stimme in der gleichen Tonla-

ge mehrmals vervielfältigt wird, macht das auf die Zuhörer einen

unnatürlichen Eindruck. Schaffen Sie also Kontraste, um jedem

Track einen Hauch von Individualität zu verleihen.

Kenne und liebe dein EQEs soll ja tatsächlich geben, die mit ihrem Equalizer ins Bett gehen,

um ihn besser zu verstehen. Nun ist das richtige Verständnis eines

Sounds bei verschiedenen Frequenzen durchaus wichtig – aber

dafür reicht auch das Ohr. So kann 200 Hz etwas schmutzig und 2

kHz etwas kantig klingen. Die Übung macht auch hier den Ton-

meister, und nach einer Zeit entwickelt man das nötige Gespür für

die Töne. Als Übungsmethode können Sie auch fertig produziertes

Material (beispielsweise von einer CD) nehmen und es durch den

Equalizer jagen. Verändern Sie etwas an den Frequenzen, heben

Sie auf der einen Seite etwas an und senken Sie dafür auf der Sei-

ten den Pegel. Achten Sie darauf, wie sich der Gesamt-Mix ändert!

Mit FilterIn einem komplexen Mix erweisen sich Filter (Low-Pass, Band-Pass,

High-Pass) als eine echte Hilfe beim Platzieren des Sounds. Beson-

ders Low-Pass-Filter eignen sich dazu, den Sound nach unten und

rechts im hinteren Teil des Sound-Panoramas zu verschieben. Mit

dem High-Pass kann hingegen eine Art Flurbereinigung durchge-

führt werden – sehr pratisch, wenn die Bass-Frequenzen den Mix

zerstückeln. Im Idealfall sollte das Bassende eines Mixes mit eini-

gen einfachen Elementen auskommen, der Rest der Instrumentie-

rung bleibt klar. Band-Pass-Filter können als ein Spezial-Effekt ver-

wendet werden und vertragen sich gut mit dem Gesang, der sich

dann anhört, als käme er aus dem Radio, oder für einen kleinen

Snare-Reverb.

Gleichheit, Freiheit, BrüderlichkeitMit der einen Hand nehmen, mit der anderen geben

Gut ausbalanciert: Wenn Sie EQ-Werte einsetzen, nehmen Sie die Frequenz stets aus einem anderen Instrument heraus. Auf diese Art erhalten Sie eine bessere Spektral-Balance.

Lernen Sie Ihre Frequenzen ken-nen: Sie können jeden EQ nutzen um den Klang von Frequenzen zu verstehen. Spectron von iZotope enthält ein Feature zum Ausmas-kieren bestimmter Frequenzen.

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School of RockEin starker Kontrast, verglichen mit der besprochenen

natürlichen Form, ist der „American Radio Mix“, der in

seiner Reinform bei Audio-Technikern wie den Gebrü-

dern Chris und Tom Lord Alge zu fi nden sind. Zwei der

bekanntesten Bands, die diesen Stil verwenden, sind die

Red Hot Chilli Peppers und die Foo Fighters. Deren Mixe

sind generell so ausgelegt, selbst auf einem kleinen Kof-

ferradio noch nach etwas klingen. Im Gegensatz zu ihren

Kollegen werden die Vertreter des Amercian Radio Mix

sehr häufi g gerufen, um speziell die geplanten Single-

Auskopplungen zu veredeln. Ein aktuelles Beispiel ist

Snow Patrols Final Straw, auf dem Spitting Games und

Chocolate and Run von dem omnipräsenten Chris Alge

gemischt wurden. Wer dann von den Singles ausgehend

sich das Album besorgt, wird sich mitunter etwas wun-

dern, denn selbst mit Louis Terans Mastering haben die-

se Tracks einen etwas unterschiedlichen Sound als der

Rest des Albums: Die Auskopplungen wirken massiv und

offensiv, während der der Gesang und Gitarren-Sound

sich in Sachen Power nicht zurückhalten.

Warum hören sich diese Mixe nun so an, als hät-

te jemand seinen Golf auf 450 PS getuned? Zunächst

haben die Techniker die nötige Erfahrung, um auch

noch den letzten Dezibel aus dem Kompressor heraus-

zukitzeln, ohne den Sound zu zerstören. Derer gibt es

ein bis zwei, die auf jeden Track und Buss angesetzt

werden. In der Hinterhand stehen weitere Kompres-

soren zur Verfügung, die ihre Stärken jeweils in einem

bestimmten Gebiet ausspielen können (Urei 1176s, Fair-

childs, Neves, Pultecs und so weiter). Da die Kompresso-

ren das Hauptwerkzeug in diesem Mix sind, werden sie

sowohl mit extremen (10 dB Gain-Reduktion) als auch

subtilen Werten verwendet. Solange das Instrument an

seinem Platz im Stereo-Panorama bleibt, sind den Wer-

ten kaum Einschränkungen auferlegt.

Das zweite Charakteristika dieses Mixes ist die Ste-

reobreite. Der Techniker orientiert sich hier weitgehend

an einer Mono-Bühne, stellt aber trotzdem einen Ste-

reo-Mix zusammen. Diese zunächst widersprüchliche

Arbeitsweise soll verhindern, dass sich die Musik zu

weit „zerstreut“ und in die Breite verteilt – es geht aber

immerhin darum, dem Zuhörer einen möglichst effekti-

ven und harten akustischen Faustschlag ins Gesicht zu

verpassen. Würde die Faust sich nun im ganzen Stereo-

Spektrum verteilen, käme höchstens noch ein Fäust-

chen an. Wie eine begrenzte virtuelle Bühne zu einem

Album mit ordentlich Power führen kann, zeigen wie-

derum die Red Hot Chilli Peppers mit Blood Sugar Sex

Magik – im Stereo-Klangbild liegt kaum etwas über drei

oder neun Uhr.

Dass der Sound auch den amerikanischen Hip-Hop

erobert hat, macht mit dem obigen Beispiel sogar Sinn,

aber auch in R‘n‘B-Produktionen kommt diese Technik

vor. Einige der Veteranen des American Rock sind längst

zur Produktion von Hip-Hop gewechselt: Kein Wunder,

denn Hip-Hop ist in den USA derart erfolgreich, dass

sich hoffnungsvolle Talente schon vor der ersten Sing-

le die 45-Millionen-Dollar-Villa in Beverly Hills reservie-

ren können. Erstaunlicherweise ist die Umstellung von

Es gibt nur wenige Menschen in der Musikindustrie, denen

zugetraut wird, aus jedem Material Gold zu machen. Die

Vita von Mark „Spike“ Stent liest sich wie ein Who‘s Who der

Branche: Britney Spears, U2, Linkin‘ Park, Massive Attack,

Oasis, Björk und Spice Girls haben mit Sicherheit nicht nur

einen Kaffee mit Spike getrunken.

Als einer der Erfolgreichsten seines Faches hat er klare Vor-

stellungen, was ihn dermaßen erfolgreich macht: „Ich glau-

be, ich habe ein ganz gutes Gefühl für die Balance. Außer-

dem habe ich Verständnis für die Künstler und die

Vorstellungen ihrer Plattenfi rmen.“ Viel Verständnis ist auch

notwendig, denn oft ist Spike gar nicht von Anfang an dabei,

sondern wird ganz am Schluss gerufen, um das Optimale

aus einem Track herauszuholen: „In der Regel werde ich

gerufen, wenn sich jemand in seiner eigenen Produktion

verrannt hat. Ich höre mir dann das ursprüngliche Demo an

und weiß danach meistens schon, was zu tun ist.“ Der Vor-

teil für alle Beteiligten, wenn Spike später zur Produktion

stößt, ist seine Objektivität – eine Art soundtechnischer Feu-

erwehrmann also.

Obwohl der Prozess des Mischens ein sehr technischer ist,

bleibt Raum für Intuition in Inspiration. „Ich gehe einen Mix

nicht von einem technischen Standpunkt aus an. Zunächst

drehe ich die Lautstärke auf, höre mir den Song an und ver-

suche ein Gefühl für die nötigen Änderungen zu bekom-

men.“ Nach seiner Einschätzung, wie die Intention des

Songs am geeignetsten betont werden könnte, macht sich

Spike an die Arbeit, versucht sich aber zunächst nicht zu

sehr in Details zu verlieren. „Die Grundbalance fi nde ich sehr

schnell,“ sagt Spike, „Ich würde es hassen, drei Stunden an

einem Bass-Drum-Sound zu verbringen!“.

Für Spike ist das Mischen ein kreativer Prozess:

„Ohne Gefühl geht da nichts. Es kümmert mich nicht, ob

etwas verzerrt oder eigenartig klingt, solange es mich

bewegt und ich der Meinung bin, es würde dem Track gut tun.“

Dies kann schon einmal zu einer völligen Neukonstruktion

des Arrangements führen. Dafür benötigt er neben dem

Vertrauen der Künstler auch ab und zu Hilfe. Tatsächlich ist

Spike kein Einzeltäter, sondern leitet ein ganzes Team.

„Wenn ein Track wirklich stark überarbeitet werden muss,

arbeite ich mit Lee Groves – er ist meine rechte Hand, wenn

es um das Programmieren geht und zaubert mir Drums oder

Bass und Drums in den Track hinein – wir müssen da flexibel sein“.

Auch ein Profi wie Spike hat nicht alle möglichen Funktio-

nen in der linken Maustaste. Seine Software-Austattung

umfasst Profi -Werkzeuge wie Pro Tools, Logic Pro und die

SSL-G-Serie, installiert in die Olympic-Studio-Mix-Software.

Man sollte annehmen, diese Software müsste seine Arbeit

zum Kinderspiel werden lassen, aber dem ist nicht so: „Die

saubere Trennung ist immer wieder eine Herausforderung,

obwohl ich mich in dem Gebiet für ganz kompetent halte.“

Für eine Trennung macht er intensiven Gebrauch von Kom-

pressoren und EQ. „Das ist meine Welt,“ erzählt Spike. „Am

liebsten würde ich alles durch den Kompressor jagen.“ Aber

auch er weiß, dass es wichtig ist, rechtzeitig die Grenzen der

Bearbeitung zu sehen und es mit der Trennung nicht zu

übertreiben. „Man muss echt vorsichtig sein, schnell verliert

der Track seinen Vibe – manchmal ist es sogar etwas Sound-

Matsch, welches den Track seine Qualitäten gibt.“

Mit einem starken Team von Assistenten im Rücken und

Programmierern, die für ihn arbeiten, lässt es sich selbst in

der hektischen Musikbranche angenehm arbeiten. Als bra-

ver Arbeitgeber weiß er das auch zu würdigen: „Es geht

nicht nur um mich, es arbeitet immer ein ganzes Team“ sagt

Spike. „Es stimmt, dass ich manchmal von zehn Uhr mor-

gens bis zwei Uhr am nächsten Morgen am Pult sitze, aber

ich bin auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen, die mir

meine Arbeit sehr erleichtern.“

Die Stärke seines Teams hat sich inzwischen bis nach Über-

see herumgesprochen: „Derzeit bekomme ich sehr viele

Anrufe aus den USA, mein Team nimmt mir dazu viel Arbeit

ab.“ Mit dem beachtlichen Track-Rekord im Rücken, dürfte

auch zukünftig sein Telefon nicht still stehen und wir wer-

den mit Sicherheit noch mehr von seinen Arbeiten hören.

Mark „Spike“ Stent

Mixen für die Stars – eine kreative Herangehensweise

Die Olympic Mix Suite ist ein Zusammenschluss der Olympic Studios mit Mark „Spike“ Stent. Zu finden ist hier das beste erhältliche Equipment, darunter eine G-Control aus der SSL-Serie.

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Rock auf Hip-Hop keine so gewaltige. In den

großen Veröffentlichungen von Jay-Z und

seinem Alphabetkollegen Xzibit ist deutlich

die selbe charakteristische starke Kompres-

sion zu hören. Das enge Stereo-Panorama

wird hier von Schlagzeug und Sprechgesang

dominiert, auch wenn mancher Rapper ab

und zu eine krachende Gitarre in seine Pro-

duktion einbaut.

Alles an seinem PlätzchenWer seine Musik hart, aggressiv und offensiv

mag, sollte den „amerikanischen Ansatz“

wählen, aber natürlich können noch wesent-

lich mehr Emotionen aus den zwei Lautspre-

chern gekitzelt werden. Dazu wechseln wir

wieder nach Europa, genauer gesagt nach

Großbritannien. Dort hat Mark ‚Spike‘ Stent

seine Heimat, und er ist ein gutes Beispiel für

einen Techniker, der es mit neuen und innova-

tiven Mix-Techniken sogar in den USA für Auf-

sehen zu sorgen.

Charakteristisch für seinen Stil ist die

intensivere Nutzung des Stereo-Panoramas,

mit einer klar defi nierten und abwechslungs-

reichen Soundstage. In seinen Plänen hat

jedes Instrument seinen eigenen Platz, was

den fertigen Mix umso interessanter macht.

Ein guter Vergleich ist der Sound des ameri-

kanischen Hip-Hops in den späten 90er Jah-

ren und der Kooperation von Spike mit Massi-

ve Attack auf den zwei Alben Protection und

Mezzanine. Beide Alben benutzen eine kom-

plexe und unterschiedliche Instrumentie-

rung, auch die Bearbeitung ist aufwendig:

Von den Strings und Turntables bis zu den

Gitarren wird alles durch Delay, Distortion

und großzügige Reverb verbunden.

Die Grundthese dieser Technik ist, dass

Charakter und Abwechslung in der Musik

einen wichtigen, wenn nicht gar höhe-

ren Stellenwert haben sollten als die rei-

ne Power. Für den Techniker ist die Komple-

xität Herausforderung und Freude zugleich,

denn es darf kreativ gedacht werden, mit

dem gesamten Stereo-Panorama als Arbeits-

fl äche. Restriktionen sind weitgehend aufge-

hoben, und so präsentiert sich diese Technik

als praktisch prädestiniert für Experimental-

musik. Das Letztere von der als rein kommer-

ziell geltenden Musik manchmal gar nicht so

weit entfernt, zeigt sich bei einer der erfolg-

reichsten Girl-Groups aller Zeiten: Spike hat

die ersten beiden Alben der Spice Girls abge-

mischt. Da diese Technik in Großbritanni-

en entstand, bildete sie schnell das Funda-

ment für viele Pop-Produktionen. Das weckte

Extremes PanoramaDas könnte so auch der Bundesinnenminister unter-

streichen: Seien Sie beim Umgang mit den beiden

Richtungen extrem Rechts und extrem Links beson-

ders vorsichtig. Damit ist allerdings nicht die politi-

sche Gesinnung gemeint, sondern das Stereo-Panora-

mafeld. Wenn die Mitte in diesem Feld schwächelt,

verringert sich auch die Power und die Effektivität der

ganzen Aufnahme. Außerdem kann der zu exzessive

Gebrauch von Stereo-Effekten zu einem Pseudo-Ste-

reo führen, bei dem alles in Stereo erscheint, aber das

Ergebnis eher durch den Effekt-Algorithmus statt

durch bewusstes Platzieren der Instrumente im Klan-

graum erzeugt wird. Vermeiden Sie, dass Ihre Instru-

mente zu sehr in die Breite gehen. Schränken Sie zum

Beispiel ruhig einmal nachträglich die Stereo-Effekte

eines Keyboard-Sounds oder einer Drumspur ein.

Extremes ZentrumWährend die ganze Aufmerksamkeit auf die äußeren

Bereiche des Klangraumes gelenkt wird, könnte die

Klangmitte fast vergessen werden. Natürlich heischt

auch diese nach Beachtung und wird meistens mit

der Solo-Stimme oder dem Solo-Instrument besänf-

tigt. Alles, was in dem Bereich platziert wird, von Kick-

Drums und Bass einmal abgesehen, hat einen direk-

ten Einfl uss auf die Verständlichkeit. Wenn die Mitte

besonders betont (was auch eine gute Mono-Kompa-

tibilität bedeutet) werden soll, können Sie beispiels-

weise andere Instrumente um die Mitte gruppieren.

Wenn Sie nautisch begabt sind: 11 Uhr und 1 Uhr sind

gute Werte.

Frequenz-PanoramaFragen Sie sich immer noch, wie die einzelnen Instru-

mente im Klangraum zu verteilen sind? Ein guter Tipp

ist es, sich an dem klassischen Aufbau eines Orches-

ters zu orientieren. Violinen kommen etwa weiter

nach links, während Bass-Instrumente wie das Cello

mehr rechts stehen. Aus dem Blickwinkel eines Auf-

nahme-Technikers stellt sich diese Herangehensweise

immer noch problematisch sein – zum Beispiel müss-

te der Bass zentraler stehen, wenn eine spätere Pres-

sung auf Vinyl geplant ist. Als Starthilfe für die effekti-

ve Verteilung des Hintergrundgesangs und der

verschiedenen Gitarren-Parts ist es dennoch geeig-

net.

Ping-Pong und Dong-DongVor verschiedenen Effekttypen müsste eigentlich eine

Warnung vor den Nebenwirkungen gesetzt werden.

Ping-Pong-Delays macht es beispielsweise eine diebi-

sche Freude, mit einem harten Schmetterball die Ver-

teilung im Klangraum vollends durcheinander zu

bringen. In der Mitte entsteht dafür eine Wüste ohne

Informationen. Wenn Sie in Ihrer Ping-Pong-Delay-

Einheit eine Pan-Kontrolle haben, können Sie die linke

und rechte Seite mehr ins Zentrum setzen. Als Alter-

native können Sie auch einfach ein Mono-Delay

benutzen und es im Stereo-Klangbild strategisch

günstig platzieren.

Stereo-PanoramaDie Welt zwischen den beiden Lautsprechern ist groß

Ein großes Panorama erzeugt einen Mix mit wenig Druck aber viel Raum. Achten Sie auf Löcher, die leicht im Zentrum des Stereobildes entstehen. Vergessen Sie auch die Mono-Kompa-tibilität nicht.

Ein enges Panorama und ein wohl bedachter Einsatz von Ste-reo-Effekten erzeugt ein enges Stereobild, wie der Goniome-ter im oberen Fenster zeigt.

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auch das Interesse vieler US-Stars und füll-

te die Bankkonten britischer Aufnahmetech-

niker, denn diese waren plötzlich nicht nur in

ihrem Heimatland gefragt. Eine der bekann-

testen Produktionen in diesem Stil mit

einem US-Star ist „Ray of Light“ von Madon-

na, das William Orbit produzierte.

Eine Frage des MaterialsNun haben Sie drei teilweise sehr gegensätz-

liche Techniken kennen gelernt, die ihnen die

verschiedenen Vorgehensweisen verdeutli-

chen und das mögliche Ergebnis nach dem

Mischen. Bevor jedoch Drehregler und Fader

geölt werden, ist eine Mix-Strategie sehr

empfehlenswert. Machen Sie sich Gedanken

über das Material, das Ihnen vorliegt, seine

Eigenheiten, Stärken und Schwächen. Über-

legen Sie, wie die virtuelle Soundstage aus-

sehen soll, die Sie erstellen (die drei bereits

beschrieben Stile können hier als Anhalts-

punkte dienen). Machen Sie sich außerdem

Gedanken um die Techniken, mit denen Sie

das gewünschte Ergebnis erreichen möch-

ten. Ein großer Fehler ist es beispielswei-

se, einfach durch jeden einzelnen Part zu

gehen, um den Klang zu verbessern: Mehr

Bass, mehr Schlagzeug und schon klingt das

Ergebnis irgendwie anders – so kann man

falsch liegen.

Eine bessere Vorgehensweise ist ein Ver-

ständnis für das Gesamtwerk zu entwickeln

und die individuellen Elemente so anzupas-

sen, dass Sie ihre ganz persönliche Vision

verwirklichen können. Ein Teil Ihrer Strategie

sollte sich auch mit der Reihenfolge beschäf-

tigen, in der Sie mixen möchten: Soll mit den

Lead-Vocals gestartet werden oder doch

besser mit der Bass-Drum? Natürlich hat

die Wahl der Reihenfolge einen großen Ein-

fl uss auf das Endergebnis Ihrer Sound-Land-

schaft. Obwohl sich viele Techniker im Mix

von unten nach oben vorarbeiten, gibt es

gute Argumente dafür, den Gesang zuerst zu

bearbeiten und alles andere daran zu orien-

tieren. Bloß weil der Gesang anfangs allein

im Stereo-Panorama steht, ist er jedoch

nicht unbedingt einfacher zu mischen: Den

Gesangspart so hinzubekommen, dass er an

der richtigen Stelle sitzt, stellt einen echten

Test Ihrer Fähigkeiten dar, während das Tam-

burin im letzten Drittel des Songs nicht so

viel abverlangt. Auch die Triangel sollte nicht

ganz oben auf Ihrer persönlichen Agenda

legen.

Öffentlicher Nahverkehr in der MusikDestiny‘s Child sagen einst, dass sie in einen Bus ein-

steigen und immer mehr Musiker verwenden den

Buss. Doch dabei handelt es sich nicht um ein Fortbe-

wegungsmittel, sondern um eine extreme Kompressi-

on. Dabei soll natürlich der natürliche und ausgegli-

chene Sound erhalten werden. Eine Technik, die von

Mix-Meistern wie Chris Lord Alge verwendet werden,

sendet das Audio-Signal, um es zu einem Buss zu

komprimieren, den Buss erneut zu komprimieren und

diesen dann in das unbehandelte Material integrie-

ren. Auf diese Weise können Sie sogar größere Schrit-

te bei der Gain-Reduktion vollführen, ohne dass die

Stabilität des Sounds beeinträchtigt wird. Versuchen

Sie es mit einer Prise EQ und einem Spritzer Room-

Reverb für einen noch beeindruckenderen Sound.

Es geht aufwärtsUm die Intensität eines Teils zu erhöhen, ohne dazu

auf Kompression zurückzugreifen, sollten Sie sich

Upward-Expander anschauen. Ein solcher Expander

kann die Signalpegel bis unter eine bestimmte Gren-

ze erhöhen und damit auch Elemente hervorholen,

die vorher nur als leichtes Flüstern in der Aufnahme

auftauchten.

Mehr als ein BandWenn ein Instrument über eine breite Palette an Fre-

quenzen versucht, braucht es schon einen Multi-

Band-Kompressor. Es ist nicht notwendig, diesen

extra für das Mastering aufzuheben, wenn so viele

Instrumente davon profi tieren können: Drums gehö-

ren beispielsweise dazu, denn die Sound-Energie, die

vom Kick-Drum ausgeht, hat kaum Auswirkungen auf

die Cymbals. Falls Sie nach dem klassische Led-Zeppe-

lin-Drum-Sound her sind, reicht auch ein Single-

Band-Composer wie das Fairchild und das Urei in der

entsprechenden Einstellung aus. Hohe Ratio-Einstel-

lungen, kombiniert mit einer großen Portion Gain-

Reduzierung, sorgt für den klassischen, pumpenden

Sound, der mit einem kleinen Room-Reverb sogar

noch weiter ausgebaut werden kann.

VariabelViele Ton-Meister sehen den Kompressor als einen der

wichtigsten Werkzeuge in einem Mix an. Versuchen

Sie an mehrere Kompressoren (Hardware und Softwa

re), heranzukommen und nehmen Sie sich Zeit, um

die individuellen Stärken herauszufi nden. Genau wie

bei der Eisdiele gibt es viele verschiedene

Geschmacksrichtungen, inklusive optischen, VCS- und

FET-basierten Systemen. Jeder Kompressor hat sei-

nen eigenen Sound, abhängig von der Qualität der

Reaktionsgeschwindigkeit (optische Kompressoren

reagieren beispielsweise erheblich langsamer) und

anderen Anomalien wie etwa Verzerrung. Um diese

Flexibilität zu erforschen, ist entweder ein gut

gedecktes Bankkonto oder Liquid Channel erforder-

lich, das verschiedene Vintage-Geräte nachahmt.

Aufpumpen des SoundsWie die Dynamik eines Instruments kontrolliert und missbraucht wird

Schränken Sie die Benutzung eines Multi-Band Prozessors nicht auf das eigentliche Mastering ein, er kann schon beim für Instrumente mit weiter Bandbreite Mix sehr hilfreich sein.

Eine ungewöhnliche Nutzung des Kompressors ist seine Anwen-dung auf einen Ausgangs-Bus. Das Ergebnis kann mit der unkomprimierten Version gemischt werden, um einen noch intensiveren, aber nicht allzu gepressten Sound zu erzeugen.

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re-Top zur Snare-Bottom). Das Beste ist aber,

dass Sie die Möglichkeit haben, mehr Bear-

beitungszeit in einzelne Sektionen des Mixes

zu stecken. Drums profi tieren zum Beispiel

von einem kleinen räumigen Reverb und dis-

kreter Begrenzung an einigen Punkten. Neh-

men Sie sich auch Zeit, um die Trackreihen-

folge in der Konsole (unabhängig davon, ob

es sich um Hardware oder Software handelt)

zu planen, da Ihnen das helfen wird, einzelne

Instrumente besser zu fi nden und den Mix

im Kopf leichter zu organisieren.

Darth FaderWir alle lieben es, wenn ein Plan funktioniert

– und mit einem guten Konzept im Rücken

kann nichts mehr schief gehen. Nach der lan-

gen Planungsphase dürfen Sie nun die schon

unruhigen Hände an die Fader setzen. In der

gleichen Art und Weise, wie Sie die Instru-

mentierung aufgespalten haben, sollten

Sie sich Gedanken über das Aufteilen des

Mischen machen. Statt sich zu sehr in Details

zu vertiefen, wird zunächst ein Rohmix mit

nur minimalem Bearbeitungsaufwand

erstellt – außer Pegeländerungen und Pan

Ein anderer Teil des Planungsprozes-

ses, den Sie in Erwägung ziehen sollten, ist

das Benutzen von Sub-Gruppen oder Buss-

Fadern, um den Mix in gut verdauliche Porti-

onen zu unterteilen – bei modernen Produk-

tionen kann der Track-Count schon einmal

in die Hunderte gehen. Wer gut unterteilt,

kann sich auf andere Aspekte konzentrie-

ren, beispielsweise die Overriding-Balan-

ce des Mixes (der Pegel der Drums relativ

zu den Gitarren, um nur ein Beispiel zu nen-

nen) sowie detailliertere Elemente (das Sna-

Jeff Knowler arbeitet als Freelancer an einer ganzen Reihe von Projekten

und mit unterschiedlichen Künstlern, darunter Lamb, Vanessa Carlton,

Super Furry Animals und Beth Orton. Vorher war er der House-Engineer

bei den Eden Studios und verfeinerte dort seine Fähigkeiten und Techniken.

Von allen Aspekten der Produktion ist das Mischen für ihn

eine der aufregendsten Beschäftigungen für ihn. „Das

Mischen ist so ein wichtiger Teil des ganzen Produktionsab-

laufs, da ich mit nur wenigen Änderungen den ganzen Track

in seiner Ausrichtung völlig verändern kann.“

Schon von Anfang an möchte Jeff einen klaren Plan haben,

was an einem Track getan werden muss. „Es hört sich jetzt

vielleicht ziemlich offensichtlich an, aber die erste wichtige

Aufgabe ist es, sich den Track anzuhören. Und damit meine

ich, wirklich anhören: Fader hoch, und ich höre mir an, was

auf dem Tape ist.“ Er versucht auch Vorschläge und Kom-

mentare sowohl von der Band als auch vom Produzenten

einzuholen und macht sich dabei Notizen. „Es gibt soviele

Arten, beim Mischen vorzugehen, dass ich vorher gerne

möglichst genau wissen möchte, welche Vorgehensweise

erfolgsversprechend sind.“

Sobald er im Studio ist, nimmt die Mischung langsam Formen an.

Zunächst geht es darum, die technischen Probleme einzugrenzen und

langsam kreative Bearbeitungen zu erforschen. „Das Mischen hat für mich

zwei Seiten: die korrektive und die kreative“, so Jeff. „Korrektiv bedeutet,

dass ich Störungen ausschalte, Nebengeräusche, die sich auf die Aufnah-

me geschlichen haben oder auch Timing-Probleme.“ Nachdem das Mate-

rial glattgebügelt ist, macht sich Jeff an den nächsten Schritt, in dem er

sich künstlerische Freiheiten erlaubt. „Im kreativen Teil ist es meine Aufga-

be, die richtige Atmosphäre für den Song zu fi nden, die Instrumente richti-

ge im Panorama zu platzieren und Spezial-Effekte herauszusuchen, die

nützlich sein könnten.“

Beim Mischen legt Jeff immer mal wieder eine Unterbrechung ein, um die

gewünschte Perspektive nicht zu verlieren. Mit zurückhaltender Benut-

zung des Solo-Buttons und einem schon fast intuitiven Arbeitsprozess.

„Ich habe unter dem großen Produzenten Dave Bascombe trainiert,“ sagt

Jeff. „Er ist echt ein großartiger Mixer und er macht selber kaum Gebrauch

vom Solo-Button. Er hat ein Balance-Gefühl, bei dem er alles in Relation

zueinander setzt. Jeder Part hat ein Gegenstück.“ Obwohl Jeff viel Zeit dar-

auf verwendet, um wichtige Sounds gut in Szene zu setzen (beispielswei-

se die Drums), schreckt er davor zurück, sich zu sehr in Details zu vertiefen.

„Drei Stunden mit dem Equalizer und dem Gitarren-Sound in Isolation zu

verbringen, ist weder besonders angenehm, noch bringt es etwas – jeden-

falls nicht dann, wenn man nicht darauf achten, welche Auswirken der

Sound auf die Gesamtaussteuerung des Songs hat.“

Damit er vor lauter Arbeit nicht ungewollt einnickt und damit unter

Umständen einen ganz ungewollten Mix beisteuert, sind regelmäßige

Pausen fester Bestandteil seiner Arbeit. „Ich geh‘ raus, trinke eine Tasse

Tee und mache meine Ohren frei, damit ich danach wieder fi t bin, um wei-

terzuarbeiten. Dann überprüfe ich die EQ- und Kompressorwerte und höre

mir den aktuellen Mix noch einmal an.“ Wenn neue Tracks hinzukommen,

wird eine konstante Neueinschätzung des Mixes unumgänglich: „Ich fan-

ge mit den Lead-Vocals an und versuche diese an die richtige Stelle im

Panorama zu bewegen. Dies bedeutet aber, dass weitere Änderungen an

anderen Tracks notwendig sind. So ist das ganze ein ständiges Drehen an

kleinen Stellen und wirklich fest steht eigentlich nichts.“

Am Ende des Arbeitsprozesses verändert Jeff erneut die Art, wie er seine

Arbeit kontrolliert.

„Gegen Ende meiner Arbeit versuche ich zu vergessen, dass ich gerade am

Track gearbeitet habe und stelle mir vor, ich würde einer fertigen Aufnah-

me zuhören. Ich versuche nicht, mich auf alles gleichzeitig zu kontrollieren

– das wäre ohnehin eine ausweglose Sache.“

Jeff Knowler

Was ist das Geheimnis eines guten Mix? Arbeit, Arbeit, Arbeit ...

Jeff Knowles hat mit Supa Fury Animals, Lamb und Beth Orton gearbeitet. Er gilt als absoluter Profi im Bereich moderner Mixing-Techniken.

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und die Klarheit des Mixes zu erhöhen. Für

gewöhnlich macht es Sinn, zuerst an der

Dynamik und dem Timbre zu arbeiten, bevor

die aufregenderen Bereiche der Produktion

(Delay und Reverb) für Ablenkung sorgen. Ihr

primäres Ziel sollte es sein, zu verstehen, wie

die Wechselwirkungen innerhalb des Materi-

als ablaufen. Sie merken vielleicht schon am

fast infl ationären Gebrauch des Wortes „ver-

stehen“, wie wichtig die Wechselwirkungen

und die daraus resultierende Balance sind –

aber es gibt auch wirklich kaum etwas Peinli-

cheres, als seinen eigenen Song nicht zu ver-

stehen – auch wenn dies einen ganz eigenen

Reiz haben sollte. So manches Song-Element

hört sich einzeln furchtbar an, aber sehr gut

in der Gesamtkomposition. Schrecken Sie

nicht vor radikalen Maßnahmen zurück: bei-

spielsweise vor dem Entfernen eines fetten

Basses, wenn es dem großen Ganzen dient.

Zumindest wenn es um die Bearbeitung geht,

sollten Sie mindestens soviel Zeit in Solo-Out

wie in Solo-In verbringen.

Mit größeren Mixen und aufwändige-

rer Instrumentierung steigt auch die Zeit

für Kompression und EQ. Kompression kann

sowohl als eine Kontrolle über die Intensi-

tät (hören Sie sich dazu einfach einen Radio-

Mix an) als auch der Dynamik beschrieben

werden. Mehr als jedes andere Instrument

in einem Track profi tieren die entgegenge-

setzten Enden eines Mixes – der Bass und

der Gesang – von der Kompression. Der Bass

liefert einen Großteil der Song-Energie und

stellt die Basis für die Musik dar. Entspre-

chend straff sollte dieser behandelt werden

– ein schlampiger Bass kann dazu führen,

dass der Gesamtpegel des Mixes wild fl uk-

tuiert und die harmonische Grundlage der

Musik verpufft. Wer nicht auch noch in den

Ohren zwei Bässe stecken hat, sollte das aber

leicht heraushören.

Der Gesang ist vom technischen Stand-

punkt betrachtet am anderen Ende des

Audio-Spektrums und ein echter Härte-

test für Ihren Kompressor und Ihre Fähig-

wird nicht viel gemacht. Wenn Sie die Instru-

mente zusammenbringen, sollten Sie immer

gut zuhören und feststellen, wie sich der Track

verändert, wenn weitere Instrumente dazu

kommen. Es ist – nebenbei gesagt – auch eine

gute Übung, nach potenziellen Problemge-

bieten zu suchen, wie etwa unerwünschtem

Rauschen. Versuchen Sie es mit dem intelli-

genten Metering (Phase-Meter, Spektrum-

Analyse und so weiter), um Ihre Ohren bei die-

ser nicht ganz einfachen Aufgabe zu

unterstützen. Wenn der Vibe stimmt, sollte

die erste Balance nicht mehr als 30 bis 45

Minuten brauchen. Selbstverständlich kommt

es auch auf die Anzahl der Tracks an. Der ferti-

ge Rohmix ist – wie andere rohe Speisen –

durchaus schon genießbar und lässt sich bei

einem späteren Charterfolg blendend ver-

markten.

Ab jetzt werden etwas feinere Schrit-

te unternommen: Nehmen Sie die funktio-

nierende Balance und fügen Sie Kompressi-

on, EQ und Effekte hinzu, um die Trennung

Durch die Anwendung von Hall können Sie einen Klang auch besonders unter-

stützen, ohne ihn aus der Stereo-Mitte herauszuziehen.

Zwei Sounds mit einer ähnlichen Klangfarbe können sich im Zentrum eines

Mixers aufheben. Eine Lösung dieses Problems ist die Verteilung auf entgegen-

gesetzte Seiten des Panoramas.

Instrumente übberschneiden sich Equalizer

Instrumente im Stereopanorama Hall

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eingesetzt und in der Länge jeweils auf nicht

mehr als eine Sekunde reduziert, klingen sie

ganz und gar nicht billig, sondern geben dem

Sound noch etwas mehr Atmosphäre. Das

Erstaunliche ist, dass viele Produktionen, die

staubtrocken klingen, durchaus ordentlichen

Gebrauch vom Reverb machen. Es wäre ver-

mutlich interessant zu hören, wie diese Stü-

cke ohne Reverb klingen, aber es steht zumin-

dest fest, dass der Reverb nie populärer war

als zurzeit, er tritt nur eben in dezenterer

Form auf.

Nachdem der Reverb die Neugier auf wei-

tere Effekte geweckt hat, beginnt der eigent-

liche Spaß. Denn mit der Kombination von

Effekten können ganz erstaunliche Ergeb-

nisse erzielt werden. Als erstes bekommt

der Reverb Gesellschaft in Form eines

Delay. Zusammen bewirken sie etwas ganz

Erstaunliches und lassen den Zuhörer die

Musik räumlich erleben – das geht weit über

das einfache Umlegen auf einen anderen

Kanal hinaus. Der Eindruck von Tiefe lässt

sich mit verschiedenen Mitteln erreichen:

Reduzierung der Pegel, Erhöhung des Reverb

(oder Delay) oder Reduzieren der Hoch-Fre-

quenz-Energie. Da wir jetzt mit einer Extra-

Achse spielen können, kann eine wesentlich

realistischere Trennung der Instrumente und

eine überzeugendere Bühne kreiert werden

– bei Konzerten stehen schließlich auch die

wenigstens Bands in einer Reihe, von Kraft-

werk einmal abgesehen.

Das führt zu einem weiteren Punkt: der

Charakterentwicklung. Mit weiteren Bearbei-

tungsschritten kann der Charakter des Mixes

weiter entwickelt werden, und natürlich kön-

nen Sie hier viele Möglichkeiten ausprobie-

ren. Eine kleine Einschränkung gibt es aller-

dings: Vermeiden Sie „farbenfrohe“ Effekte

auf jedem einzelnen Instrument oder das

Stapeln mehrerer Behandlungsschritte/Plug-

ins (Verzerren, Flange, Chorus und Delay zum

Beispiel) auf einen Sound, in einem verzwei-

felten Versuch, diesen gut klingen zu lassen.

Die besten Ergebnisse entstehen aus muti-

gen, aber geplanten Eingriffen – ein Verzer-

rungseffekt auf einem Drump-Loop, aber

nicht über alle Drums, oder ein Tremolo auf

der Lead-, aber nicht auf der Rhythmus-

Gitarre.

Ohren aufsperrenDas Ohr und das menschliche Gehirn haben

leider die unangenehme Eigenschaft, bei

einem statischen Mix ohne viel Überraschun-

gen schnell abzuschalten. Sofern der Song

nicht als Schlafl ied gedacht ist, sollte an die

Dynamik gedacht werden. Gehen wir noch

einmal zurück zu den Effekten, mit denen die

Produktion etwas Pep bekommt. Gezielt ein-

gesetzt können damit Überraschungsmo-

mente eingebaut werden, welche die Auf-

merksamkeit auf sich ziehen – so wie ein

Professor, der an den richtigen Stellen seine

Stimme erhebt, um seine Studenten zu

wecken. Ein bekanntes Beispiel für einen

Überraschungsmoment ist die Vocoder-

behandelte, verzerrte Stimme von Britney

Spears gegen Ende ihres Songs „Toxic“. Die

Band Athlete hat mit „Wires“ einen Song ver-

öffentlicht, bei dem laufend die Delays verän-

dert werden und auch die Drums immer wie-

der anders klingen. Die Automation ist ein

weiteres wichtiges Werkzeug, um von der

Balance als statischen Zustand Abstand zu

nehmen. Großartige Dub-Techniker wie King

Tubby können auf der Konsole regelrecht

„spielen“.

Automation ist auch für das Arrange-

ment wichtig, um Parts früh im Song stumm

zu schalten und die ganze Erscheinungs-

form und Struktur zu formen. Heutzutage

kann dies auch über die Bearbeitungsfunkti-

onen mit Audio-Sequenzer erfolgen, was das

Modifi zieren verschiedener Arrangements

wesentlich vereinfacht. Mit verschiede-

nen Arrangements können Sie den Charak-

ter des Songs noch einmal völlig verändern

– und immerhin stimmt jetzt die Balance. Es

ist auch nicht ungewöhnlich, wenn an die-

sem Punkt noch neue Instrumente eingefügt

werden, obwohl das eher die Ausnahme ist.

keiten, diesen zu benutzen. Daher macht es

Sinn, für diese Aufgabe einen oder zwei der

besten Kompressoren zu reservieren – oder

einen Kompressor mit eingebautem Limiter.

Mit einem kritischen Ohr wird dem Gesang

parallel zu den restlichen Tracks zugehört.

So zeigt sich schnell, ob etwas nicht stimmt,

denn der Gesang sollte klar und verständ-

lich über allem schweben, selbst wenn die-

ser ganz und gar nicht himmlisch klingt.

Dies bedeutet in der Regel ein mittleres

bis hohes Verhältnis (4:1–6:1), welches eine

Gain-Reduktion von bis zu 10 dB nach sich

zieht. Anderen Instrumenten sollte eine ähn-

liche Behandlung widerfahren, wenn sie es

wagen sollten, ungefragt aus dem allgemei-

nen Soundpegel hervorzustechen.

Die KnallprobeBis jetzt wurde viel Zeit auf das Ausbalancie-

ren der Dynamik und der Klangfarben-Struk-

tur im Mix verwendet. Sofern sich nicht Fehler

eingeschlichen haben, müsste die Defi nition,

Trennung und Klarheit der verschiedenen

Instrumente wesentlich höher sein. Zudem

sollten alle Elemente zusammen fröhlich in

Harmonie leben und auf ihren Einsatz als

Fahrstuhlmusik warten. Wer ein Anhänger

von trockenen Mixen ohne zusätzliche Gim-

micks hat, hat hiermit den Großteil der Arbeit

schon hinter sich. Und es soll diesen Anhän-

gern auch nicht die Freude am Wüsten-Mix

verleidet werden – gut, eigentlich haben wir

das genau an dieser Stelle vor... Es schadet auf

keinen Fall, über den Einsatz von kleinen

Reverbs (Nachhall) nachzudenken. Sparsam

Ein guter Einsatz der Kompression

trennt die Gesangsstimme sauber

von dem restlichen Sound.

Vor der Kompression Nach der Kompression

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Das kritische OhrEs ist schwer, einen Endpunkt zu fi nden und

zumindest vorerst die Arbeit ruhen zu lassen.

Ein Mix ist nie wirklich fertig, aber wer ewig

an einem Mix arbeitet, kommt nicht zu neuen

Aufgaben. Am Ende müssen Sie selbst mög-

lichst objektiv ihrem eigenen Werk lauschen.

Hören Sie die Musik an verschiedenen Orten

und mit unterschiedlichen Lautsprechern, um

die Wirkung auf andere Zuhörer besser ein-

schätzen zu können. Sie können auch von

einem anderen Raum aus der Musik zuhören,

damit kann sich schnell zeigen, ob als wie ein

„richtiger“ Mix klingt. Wenn Sie Zweifel an der

Qualität hegen, sollten Sie einen Tag pausie-

ren und am Tag darauf noch einmal Probe

hören. Nach der langen Arbeit sind schließlich

auch die Ohren etwas erschöpft – ähnlich

dem Auswählen eines Parfums in der Parfu-

merie. Wenn Sie viel Zeit haben, können Sie

verschiedene Versionen des Mixes sichern

(beispielsweise mit einem unterschiedlich

lautem Gesangspart) oder Sie starten „Stem“-

Mixe, indem Sie die Tracks in vier separate

Untergruppen auf einem DA-88 (oder ein

anderes Multitrack-Fromat) aufteilen, um spä-

ter eine neue Balance herzustellen.

Das Feng-Shui des Raumes

Wenn es wirklich Ernst wird und Sie sich einer

Deadline gegenübersehen, kann ein guter

Mix ganz instinktiv gefühlt werden. Trotz der

fortschrittlichen Technik im Bereich der

Audio-Analyse ist das Ohr immer noch der

beste Richter über die Qualität des Mixes. Sie

sollten in ihre Fähigkeiten als Aufnahmetech-

niker vertrauen, ab und zu ihre Ohren ent-

spannen – und immer daran denken, dass

Ihnen der wahre Horror noch bevorsteht:

Der Auftritt auf einer Bühne!

Hall mit WiederhallUm einen noch dichteren und interessanteren Reverb zu erzeugen, benutzen Sie zwei (oder mehr) Algo-

rithmen oder IR-Dateien gleichzeitig. Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, dass sich die Selektionen gut

unterscheiden und ergänzen – sie könnten beispielsweise einen kleinen Reverb mit einem größeren und

tieferen kombinieren. Damit ist es allerdings noch nicht getan: Um die beiden Reverbs stubenrein zu

bekommen, muss mit dem Equalizer das Ende den respektiven Charakteristika angepasst werden. Bezo-

gen auf das vorherige Beispiel wäre hier ein helles EQ für den kleinen Reverb (roll-off 12 dB bei 200 Hz)

und ein tiefes EQ (eventuell ein Low-Pass-Filter bei 8 kHz) für den großen Reverb.

Billig und willigDie Versuchung ist groß, für die einzelnen Aufgaben immer gleich zum besten oder teuersten Reverb zu

greifen – vorausgesetzt, es besteht überhaupt eine Auswahl. Aber der Mix kann noch auf andere Arten

behandelt werden. Da bietet sich das günstige Trio bestehend aus Delay, Federhall (Spring Reverb) und

Plattenhall (Plate Reverb) geradezu an. Obwohl der Sound eines teuren Reverb-Modells oder eines gutes

IR-Samples realistischer klingt, kann die alternative Methode dem Track mehr Charakter verleihen. Gut

zu hören ist das beispielsweise bei Massive Attacks „Spying Glass“ und Broadcasts „The Noise Made by

People“, in denen dieser Sound in all seiner Pracht vorkommt.

Am Reverb gebautDer Reverb scheint für viele Fans das ideale Mittel zu sein, um der Musik eine emotionale Seite zu geben

– vergleichen Sie einmal den eher trockenen Sound von Franz Ferdinand mit den Reverb-getränkten Stü-

cken von Keane. Wenn der Reverb auch sonst nicht zum Einsatz kommen soll, ist er doch zumindest bei

Chören sehr praktisch, um die Resonanz der Stimmen weiter zu erhöhen. Wer es versäumt hat, rechtzei-

tig ein paar Chorsänger für das eigene Musik-Projekt zu entführen, kann den Reverb auch auf das Hin-

tergrund-Keyboard oder den Gitarren-Part hetzen und dann mit einem zusätzlichen Vocal-Reverb den

letzten Chor in ein solch tiefes Tal der Tränen zu stürzen, dass „The Power of Love“ (Frankie Goes to Holly-

wood) dagegen so emotional klingt wie ein trockenes Knäckebrot.

Verzögerter HallEs ist nicht so, dass Delay und Reverb ein emotionales Verhältnis haben, aber sie bilden ein interessantes

Paar. Eine der besten Techniken setzt eine Delay-Einheit vor dem Reverb (beide auf einem Buss), um ein

extra langes Vor-Delay zu erzeugen. Das Ergebnis stellt eine saubere Trennung zwischen dem trockenen

Sound (oft der Gesang) und dem darauf folgenden Reverb dar. In einem Mix hilft dieser Vor-Delay dabei,

den Gesang rechts vorne im Klangpanorama zu halten, während der dazugehörige Reverb im Hinter-

grund für Stimmung sorgt. Ein Band, die sich oft dieser Technik bedient, sind The Cure, aber auch in der

Trance-Musik wurde dies zu einer Art Schlüsseltechnik.

Um ein echtes Vintage Reverb zu erzielen, versuchen Sie es mit Guitar Amp Pro aus Logic Pro 7. Schalten Sie den Amp auf „Clean Tube“ und die Lautsprecher auf „Dl-Box“.

Verschiedene Reverb-Artne in Kombination mit anderen Effekten zu nut-zen, erzeugt einen weiten Sound. Hier sind zwei Reverbs übereinander gepackt: Ein dunkles, langes Reverb mit einem langen Pre-Reverb ist kombiniert mit einem kurzen Hall mit reduziertem Bass.