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Krieg ist das, was die Welt zulässt MÄNNERGESANGVEREIN BOZEN: Spannende Erstaufführung der Friedensmesse „The Armed Men“ von Karl Jenkins in der Grieser Stiftskirche BOZEN. Mit der Einschaltung von Texten aus der biblischen Vorzeit bis in die Gegenwart hat der walisische Komponist Sir Karl Jenkins vor elf Jahren „The Armed Men – A Mass for Peace“ komponiert. Jenkins' ethischer Auftrag gilt, ganz in britischer Tradition, den Opfern des Koso- vo Krieges. Bereits am 30. Mai 1962 hatte Benjamin Britten sein berühmtes „War Requiem“ als Versinnbildlichung der Schre- cken des 2. Weltkrieges und als dessen leidenschaftliche Verur- teilung uraufgeführt. Am 14. No- vember 1940 zerstörten deutsche Brandbomben die englische In- dustriestadt Coventry. Von der gotischen Kathedrale blieben nur mehr die Außenmauern ste- hen. Neben den Ruinen entstand eine neue Kirche, die ebenso wie die Weltfriedenskirche in Hiro- shima als Mahnmal der Mensch- heit gilt. Britten verwendet zu den Worten der „Missa pro de- functis“ Texte des Lyrikers Wil- fred Owen. Ein genialer Kunst- griff, der bei der Uraufführung ei- ne ungeheure Wirkung hatte. Die damals sowjetische Sopra- nistin und Frau des Cellisten Rostropowitsch Galina Wi- schnewskaja durfte aber mit dem englischen Tenor Peter Pears und dem deutschen Bariton Fi- scher-Dieskau nicht auftreten, wohl aber singt sie die Einspie- lung unter Britten mit grenzdich- ter Dramatik. Die Friedensmesse von Jen- kins ist dem melodramatischen Typus von Britten sehr ähnlich. Das religiös Vertiefende der 13 Abteilungen mit einer bestim- menden Gereiztheit wird mit der Psychodynamik der Texte erlebnisdichter. Dem hochmusikalischen Hu- go Laimer gelingt mit den Chö- ren des MGV und großartigen In- strumentaltisten ein packendes Weihespiel. Zunächst erfahren wir durch martialisch getrom- melte Dauerrhythmik, dass Krieg das ist, was die Welt zulässt. Der Muezzin ruft leider nur vom Band zum Gebet, während die tiefen Streicher fast wagnerisch das Kyrie ankünden, bis die Flöte eintritt. Der Chor ist wohl etwas zögerlich bei den kindlich kna- benhaften Ostinati, wobei die Frauenstimmen glatt überlegen sind. Es liegt daran, dass Jenkins die Männerstimmen zu hoch no- tiert, und das wirkt bei monoto- nem fortschreitenden Minimalis- mus aus dem Umkreis von Steve Reich oder Philip Glass zu gleich- förmig. Sibylle Maack besingt gefühls- warm mit feinster englischer Dik- tion das enigmatische Schweigen der Waffen. Die Verse des indi- schen Epos „Mahàbhàrata“ erin- nern an das legendäre Theater von Peter Brook, das sich mit leicht zartem Dahinfließen im Agnus Dei oder mit der grandios gespielten Cellokantilene im Be- nedictus liturgisch verbindet. Der Schlusschoral, hervorra- gend von allen gesungen, ist eine Apotheose der menschlichen Stimme an die Musik, und das herrliche Publikum bejubelt den Triumph des Friedens! Nächste Konzerte: 3. Dezember, 20 Uhr „Maria Himmelfahrt“ Kirche in Meran; 4. Dezember 20.30 Uhr „Santa Maria Assunta“ Kirche in Cavalese Sopran-Solistin Sybille Maak

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Krieg ist das, was die Welt zulässtMÄNNERGESANGVEREIN BOZEN: Spannende Erstaufführung der Friedensmesse „The Armed Men“ von Karl Jenkins in der Grieser Stiftskirche

BOZEN. Mit der Einschaltungvon Texten aus der biblischenVorzeit bis in die Gegenwart hatder walisische Komponist SirKarl Jenkins vor elf Jahren „TheArmed Men – A Mass for Peace“komponiert. Jenkins' ethischerAuftrag gilt, ganz in britischerTradition, den Opfern des Koso-vo Krieges. Bereits am 30. Mai1962 hatte Benjamin Britten seinberühmtes „War Requiem“ alsVersinnbildlichung der Schre-cken des 2. Weltkrieges und alsdessen leidenschaftliche Verur-teilung uraufgeführt. Am 14. No-vember 1940 zerstörten deutscheBrandbomben die englische In-dustriestadt Coventry. Von der

gotischen Kathedrale bliebennur mehr die Außenmauern ste-hen. Neben den Ruinen entstandeine neue Kirche, die ebenso wiedie Weltfriedenskirche in Hiro-shima als Mahnmal der Mensch-heit gilt. Britten verwendet zuden Worten der „Missa pro de-functis“ Texte des Lyrikers Wil-fred Owen. Ein genialer Kunst-griff, der bei der Uraufführung ei-ne ungeheure Wirkung hatte.

Die damals sowjetische Sopra-nistin und Frau des CellistenRostropowitsch Galina Wi-schnewskaja durfte aber mit demenglischen Tenor Peter Pearsund dem deutschen Bariton Fi-scher-Dieskau nicht auftreten,

wohl aber singt sie die Einspie-lung unter Britten mit grenzdich-ter Dramatik.

Die Friedensmesse von Jen-kins ist dem melodramatischenTypus von Britten sehr ähnlich.Das religiös Vertiefende der 13Abteilungen mit einer bestim-menden Gereiztheit wird mit derPsychodynamik der Texteerlebnisdichter.

Dem hochmusikalischen Hu-go Laimer gelingt mit den Chö-ren des MGV und großartigen In-strumentaltisten ein packendesWeihespiel. Zunächst erfahrenwir durch martialisch getrom-melte Dauerrhythmik, dass Kriegdas ist, was die Welt zulässt. Der

Muezzin ruft leider nur vomBand zum Gebet, während dietiefen Streicher fast wagnerischdas Kyrie ankünden, bis die Flöteeintritt. Der Chor ist wohl etwaszögerlich bei den kindlich kna-benhaften Ostinati, wobei dieFrauenstimmen glatt überlegensind. Es liegt daran, dass Jenkinsdie Männerstimmen zu hoch no-tiert, und das wirkt bei monoto-nem fortschreitenden Minimalis-mus aus dem Umkreis von SteveReich oder Philip Glass zu gleich-förmig.

Sibylle Maack besingt gefühls-warm mit feinster englischer Dik-tion das enigmatische Schweigender Waffen. Die Verse des indi-

schen Epos „Mahàbhàrata“ erin-nern an das legendäre Theatervon Peter Brook, das sich mitleicht zartem Dahinfließen imAgnus Dei oder mit der grandiosgespielten Cellokantilene im Be-nedictus liturgisch verbindet.

Der Schlusschoral, hervorra-gend von allen gesungen, ist eineApotheose der menschlichenStimme an die Musik, und dasherrliche Publikum bejubelt denTriumph des Friedens!

# Nächste Konzerte: 3. Dezember,20 Uhr „Maria Himmelfahrt“Kirche in Meran; 4. Dezember20.30 Uhr „Santa Maria Assunta“Kirche in CavaleseSopran-Solistin Sybille Maak