Mobiles und ubiquitäres Lernen - Technologien und didaktisches Aspekte

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#mobil #ver*efung #theorieforschung Version vom 1. März 2011 Patenscha> übernommen von evolaris next level GmbH | www.evolaris.net Mobiles und ubiquitäres Lernen Technologien und didaktische Aspekte Marcus Specht und Mar*n Ebner Quelle: xlibber, URL: hOp://www.flickr.com/photos/xlibber/3423766012/ [20110110] In diesem Kapitel wird ein Überblick zu den Grundlagen und aktuellen Entwicklungen mobiler und ubiqui tärer Lernunterstützung gegeben. Das Kapitel beschreibt verschiedene Defini*onen mobilen Lernens und führt in die zugrundeliegenden Probleme und Lösungsansätze ein. Die sich rasant entwickelnde Techno logie wird hierbei in verschiedene Komponenten von Sensoren und Displays unterschieden und es werden zentrale theore*sche Paradigmen vorgestellt. Im letzten AbschniO werden unterschiedliche Funk*onen mobiler und ubiquitärer Lernunterstützung vorgestellt und auf entsprechende Klassifika*onssysteme in der Literatur verwiesen.

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Kapitel des L3T Lehrbuch (http://l3.teu)

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#mobil

#ver*efung#theorieforschung

Version  vom  1.  März  2011

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Mobiles und ubiquitäres LernenTechnologien und didaktische Aspekte

Marcus  Specht  und  Mar*n  Ebner

 

Quelle:  xlibber,  URL:  hOp://www.flickr.com/photos/xlibber/3423766012/  [2011-­‐01-­‐10]

In  diesem  Kapitel  wird  ein  Überblick  zu  den  Grundlagen  und  aktuellen  Entwicklungen  mobiler  und  ubiqui-­‐tärer  Lernunterstützung  gegeben.  Das  Kapitel  beschreibt  verschiedene  Defini*onen  mobilen  Lernens  undführt   in  die  zugrundeliegenden  Probleme  und  Lösungsansätze  ein.  Die  sich  rasant  entwickelnde  Techno-­‐logie  wird  hierbei  in  verschiedene  Komponenten  von  Sensoren  und  Displays  unterschieden  und  es  werdenzentrale   theore*sche   Paradigmen   vorgestellt.   Im   letzten   AbschniO  werden   unterschiedliche   Funk*onenmobiler   und   ubiquitärer   Lernunterstützung   vorgestellt   und   auf   entsprechende   Klassifika*onssysteme   inder  Literatur  verwiesen.  

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2  —  Lehrbuch  für  Lernen  und  Lehren  mit  Technologien  (L3T)

1. Defini(onen

Mobiles und ubiquitäres Lernen bezeichnet dieNutzung mobiler und allgegenwärtiger Computer-technologie als Lernunterstützung. Traxler (2009) be-schreibt verschiedene Ansätze zur Definition des„Mobilen Lernens“:▸ Frühe Definitionen legten meist eine technozen-

trische Perspektive zu Grunde; mobiles Lernengalt als: „jedes Bildungsangebot, in dem die ein-zigen oder dominanten Technologien Handheld-oder Palmtop-Geräte sind“ (Traxler, 2005).

▸ In einem nächsten Schritt wurde Mobilität derLernenden mehr und mehr zentrales Kriteriumvon Definitionen: „Jede Art des Lernens, das statt-findet, wenn der Lernende nicht an einem festen,vorgegebenen Ort ist, oder das Lernen, wenn derLernende Lernmöglichkeiten nutzt die mobileTechnologien bieten“ (O'Malley et al., 2003).

▸ In einer Analyse durch Naismith et al. (2004)wurden die Formen des mobilen Lernens nach un-terschiedlichen pädagogischen Paradigmen in be-havioristische, konstruktivistische, situierte, koope-rative und informelle Ansätze unterteilt.

▸ In der aktuellen Forschung sind die Konzepte derKontextualisierung, Personalisierung, Multi-Mo-dalen Interaktion, Awareness und Reflexion zen-trale Komponenten einer mobilen Lernunter-stützung. In einer Analyse von mehr als 150 mo-bilen Lernapplikationen identifizieren Frohberg etal. (2009) sechs Dimensionen zur Klassifikationmobiler Lernunterstützung.

Ubiquitäre Lernunterstützung hat sich in den letztenJahren aus der Verbindung mobilen Lernens und derNutzung von allgegenwärtigen Technologien in derdurchgängigen Lernunterstützung entwickelt. DenSchritt von mobiler zu ubiquitärer oder durchgän-gigen Lernunterstützung betonen Looi et al.(2010) in ihrer Analyse von „Mobile Assisted Seamless Learning”. Hierbei beschreiben sie ver-schiedene Nutzungsbrüche, welche überbrückt wer-den müssen: zwischen formalen und informellenLernsettings, zwischen personalisierter und sozial ein-gebetteter Lernunterstützung, zwischen verschie-denen Lernzeiten und Lernorten, zwischen physikali-scher Umgebung und digitalen Informationen, zwi-schen verschiedenen Geräten, sowie zwischen ver-schiedener Lernaufgaben und -aktivitäten. Die Über-brückung dieser Brüche der Lernunterstützung kannhierbei durch mobile Endgeräte wie auch durch in dieUmgebung eingebettete Technologie erreicht werden.

2.Mobile  LerntechnologieS e i t Anfang der 1990er Jahre haben sich insbe-sondere mobile Technologien, sowie Sensor- undDisplay-Technologien rasant entwickelt. Diese Tech-nologien bilden den Grundstein mobiler und ubiqui-tärer Lernunterstützung. Grundsätzlich lässt sich einTrend zur mobilen Unterstützung von Informations-verarbeitung und der Einbettung von Computertech-nologien in die physikalische Umwelt erkennen(Specht, 2009). In den Horizon Reports der letztensechs Jahre finden sich in jedem Sinn relevante Per-spektiven die Mobilität und ubiquitäre Technologieals sehr relevante Entwicklung für die Unterstützungvon Lernen, Lehren, Forschung, sowie Kreativitäteinstufen (Johnson et al., 2010).

Während es vor zehn Jahren eine zentrale tech-nische Frage war, wie Inhalte auf mobilen Gerätenzugänglich gemacht werden geht es heute mehr umdie Integration und Orchestrierung von mobilenTechnologien in durchgängigen Lernunterstützungs-modellen. Bei der Verbindung von digitalen Informa-tionen und Services mit der physikalischen Umweltspielen mobile Endgeräte eine zentrale Rolle (Specht,2009). Die Verbindung findet hierbei über ver-schiedene Merkmale der aktuellen Situation oderauch sogenannte Kontextdimensionen (Zim-mermann et al., 2007) statt. Diese Merkmale der ak-tuellen Situation werden durch spezielle Sensortech-nologien in mobilen Endgeräten erkannt. Zur Mar-kierung physikalischer Objekte werden besondereKennmarken basierend auf RFID, Barcodes, In-frarot, oder Bluetooth genutzt. Aktuelle Genera-tionen von Smartphones enthalten bereits eine Reihevon Sensorkomponenten wie Kamera, Mikrofon,GPS, Kompass, oder Kreiselgeräte zur Erfassung dergenauen Position im Raum. Einen aktuellen Über-blick über Entwicklungen zu ortsbezogenem undkontextuellem Lernen gibt Brown (2010).

Barcode   oder   sogenannter   Strichcode   ist   eine   opto-­‐elektronische  lesbare  Schri>,  die  im  eindimensionalenFall  aus  unterschiedlichen  dicken  Strichen  und  Lückenbestehen  (z.B.  E*keOen  im  Einkaufsladen)  und  mit  Le-­‐segeräten  erfasst  werden.  Eine  Erweiterung  sind  zwei-­‐dimensionale  Codes,  wie  zum  Beispiel  QR-­‐Codes.  

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RFID   (Radio-­‐Frequency   IDen*fica*on)   ist   eine   soge-­‐nannte   Nahfeldkommunika*on   bei   der   miOels   einesTransponders   (befindet   sich   am   Gegenstand)   Datenauf   ein   Lesegerät   übertragen   werden.   Haupteinsatz-­‐gebiet  ist  heute  der  Logis*kbereich,  aber  auch  Biblio-­‐theken.

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In einem Bericht über die Verwendung von Mobil-telefonen in „Citizen Media“ wurden die technologi-schen Eigenschaften von Mobiltelefonen und derenPotenzial für mobile soziale Inhalte auf funktionalerEbene analysiert (MobileActive.org:▸ Telefonie und Audio: Meist wird mit Mobiltele-

fonen und deren Audiofunktionalität nur Tele-fonie verbunden. Darüber hinaus bieten Mobilte-lefone die Möglichkeit zu mobilen Audiokonfe-renzen, die Verbindung von Datendiensten, dasVerwalten von Kontakten, Adressen und Ter-minen oder die Nutzung von sprachbasiertenNetzdiensten. Ebenso können alle audiobasiertenMedien wie Podcasts, Rundfunk oder personali-sierte Audiostreams über diese Funktionalität aus-geliefert werden.

▸ Textnachrichten (SMS, MMS) bieten Möglich-keiten einer spontanen Kommunikation mit an-deren Mobilgeräten sowie den Aufbau von per-sönlichen und kontextualisierten Informations-kanälen. Darüber hinaus können Benachrichti-gungsdienste Lernende in jeder Situation aktivüber Veränderungen des aktuellen Kontexts inKenntnis setzen. Das zugrunde liegende Modellermöglicht ortsbezogene und personalisierte In-formationsvermittlung und Aggregation von In-formationen, ebenso wie Modelle (zum Beispielpersonalisierte Microblogging-Modelle) und dieBündelung dieser. Ungefähr 90 Prozent aller be-nutzten mobilen Telefone unterstützen SMS-ba-siertes Messaging.

▸ Foto- und Videofunktionalität ermöglicht Mobil-telefonen Video und Fotoinhalte spontan zusammeln, zu übertragen und selbst mit anderenMobilgeräten zu teilen. Auswirkungen von kon-textbezogenen Informationen wurden in verschie-denen Projekten zu Exkursionen untersucht.Hierbei wurden bis heute hauptsächlich Möglich-keiten zur Erstellung von Photos und Video Mate-rialien zur Dokumentationen und Reflexion ge-nutzt, neueste Generationen von mobilen Gerätenermöglichen nun auch Videokonferenzen von Mo-bilgeräten.

3. Allgegenwär+ge  Lernunterstützung

In seinem Buch „Everyware“ beschreibt AdamGreenfield (2006) die Auswirkungen des „UbiquitousComputing“ auf verschiedenen Ebenen unserer all-täglichen Lebensumwelt.

Auf der Ebene des Individuums ermöglichen Sen-soren in Kleidung oder Gebrauchsgegenständen dieÜberwachung von Körperfunktionen und motori-schen Aktivitäten, wodurch eine Nutzung in Lernta-gebüchern oder für Selbstkontrollen ermöglicht wird.Umso mehr Informationen in eine Überprüfung ein-gehen können, desto valider wird diese. Mittels Sen-sorik können neue Messverfahren eine Analyse derNutzerperformanz mit Messungen des Nutzerver-haltens in der realen Welt unterstützen. IntelligenteKleidung wird beispielsweise heute genutzt, um Trai-ningsunterstützung durch direktes Feedback zu gebenoder um Bewegungsabläufe im Leistungssport zu op-timieren.

Die Integration von Computern in Alltagsge-genstände wie Möbel, Wände, Türen, Tassen, oderKüchenausstattung ist ein Grundgedanke des „ubi-quitous computing“. Zentral zum Verständnis ubiqui-tärer Lernszenarien ist die Bedeutung von Sensorenund Indikatoren. Sensoren können jede Art von In-formation abgreifen; von der Raumtemperatur bishin zu Testergebnissen von Lernenden. Indikatorenermöglichen die Anzeige von Informationen imUmfeld von Lernenden. Bei einem Indikator odereinem Display kann es sich um ein persönliches mo-biles Gerät handeln, aber auch um eine Lautsprecher-anlage über die eine allgemeine Durchsage gegebenwerden kann.

Durch die Integration von Sensorik in die realeUmwelt kann eine langfristige Beurteilung von Per-formanzsituationen semi-automatisch realisiert wer-den. Die Lernenden können über ihre Aktivitäten re-flektieren oder ihre Lernergebnisse in Portfoliossammeln. Aufnahmen von Video-, Audio-, oderSensordaten oder sogar biometrische Messungenkönnen mit diesen Daten kombiniert werden unddamit solchen Messungen völlig neue Interpretations-und Reflexionsmöglichkeiten eröffnen.

Eine zweite zentrale Komponente von ubiquitärerLernunterstützung sind Displays oder Indikatoren.

Mobile  Technologie  bildet  einen  persönlichen  Zugangzur  Lernunterstützung.  Sensorik  in  Endgeräten  ermög-­‐licht  hierbei  die  Verbindung  von  Lernzielen  und  Ak*vi-­‐täten  mit  dem  Nutzungskontext.

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Erstellen   sie   eine   Liste   von   physikalischen   Objektensowie   Orten   und   sammeln   sie   damit   verbundeneLerninhalten.  Suchen  sie  Möglichkeiten  diese  Informa-­‐*onen   auf   einem   mobilen   Endgerät   Lernenden   zu-­‐gänglich  zu  machen,  oder  die  Neugier  der  Lernendendurch  Hinweise  auf  dem  mobilen  Endgerät  zu  wecken.

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Beispiele für ein Display sind der Computerbild-schirm oder eine große, öffentliche Leinwand ineinem Bahnhof. Ein Display kann ebenso der Laut-sprecher eines Mobiltelefons oder ein Sound-Systemin einem Kino sein. Auch die haptische Ausgabe beieiner Spielkonsole (engl. „force feedback“) ist einDisplay, das verwendet werden kann, um über ein Er-eignis zu informieren, oder relevante Informationenzu übermitteln (siehe Kapitel #usability). In der aktu-ellen Forschung im Bereich multimodaler Benutzer-schnittstellen ist hierbei mehr und mehr auch eine In-tegration mit mobilen und persönlichen Geräten zubeobachten.

Von zentraler Bedeutung für eine durchgängigeLernunterstützung ist die Fähigkeit von Displays die„reflection in and about action” (Schön, 1983; Schön,1987), also die Reflexion über den eigenen Lern-prozess in einem Kontext zu ermöglichen. Multi-modale Displays ermöglichen es, Informationen je-derzeit und überall an die Benutzer zu übermitteln.Multimodale Displays können hierbei sowohl in per-sonalisierter Lernunterstützung wie auch in koopera-tiven Lern- und Arbeitsszenarien eingesetzt werden.Persönliche Displays und öffentliche Displayskönnen für verschiedene Aufgaben im Instruktions-design eingesetzt werden. Öffentliche Displays er-

möglichen die Zusammenarbeit in Lernaktivitätensowie die Nutzung von Sozialen-Netzwerkenwährend personalisierte Displays meist der individu-ellen Lernunterstützung dienen.

4. Didak(sche  Aspekte:  Lernen  im  Kontext

Tulving et al. (1970) zeigten in ihren Untersuchungenzur Kodierung von Informationen die zentrale Re-levanz des Kodierungskontextes auf die Erinne-rungsleistung. Die Theorie der Kodierungsspezifitätbesagt, dass die wirksamsten Abrufhilfen für Infor-mationen diejenigen sind, welche zusammen mit derErinnerung an die Erfahrung selbst gespeichertwurden.

Wie Medien durch Koppelung an Erfahrungen inder realen Welt wirken, wurde auch im SenseCam-Projekt von Microsoft Research untersucht. Sense-Cam ist eine tragbare digitale Kamera mit einerFischaugenlinse und eingebauter Sensorik für Tempe-ratur, Bewegung, und die Lichtverhältnisse imUmfeld des SenseCam-Trägers. Sobald die Kameraeine Veränderung in der Temperatur, der Lichtver-hältnisse oder eine Bewegung entdeckt wird ein Bildaufgenommen. Alle Bilder können anschließend ineiner Art „Film des Tages“ betrachtet werden. Dieregelmäßige Betrachtung dieser Bilder durch Amne-siepatient/innen führte zu einem signifikanten An-stieg der Erinnerungsleistung an Ereignisse des Tages(Hodges et al., 2006).

Das Synchronisieren der Lernunterstützung mitder physischen Umwelt und dem Kontext kann indiesem Sinne als ein vielversprechender Ansatz aufder Basis verschiedener Lerntheorien gesehen

Sensoren   und   Displays   sind   die   zentralen   Kompo-­‐nenten  allgegenwär*ger  Lernunterstützung.  Sensorenbieten   die   Möglichkeit   einer   valideren   Analyse   derLernsitua*on   und   Anpassungen   der   Lernunter-­‐stützung.  Displays  erweitern  die  Möglichkeiten  zur  In-­‐terven*on  und  Unterstützung  des  Lernprozesses.

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werden. Im Sinne der „Information ProcessingTheory“ (Miller, 1956) und der „Cognitive LoadTheory“ (Sweller, 1988), hat das menschliche Kurz-zeitgedächtnis eine begrenzte Kapazität. Daher sollenLerninhalte so strukturiert sein, dass die Informati-onsmenge die Lernenden nicht überfordert. Darüberhinaus besagt die „Multimedia Learning Theory“(Moreno, 2001; Moreno & Mayer, 2000), dass jedersensorische Kanal (visuell und auditiv) begrenzteVerarbeitungskapazität hat und die Informationsver-arbeitung optimal unterstützt wird, wenn unter-schiedliche, sich ergänzende Kanäle genutzt werden(siehe Kapitel #gedaechtnis).Lave und Wenger (1991) heben hervor, dass Infor-mation in einem authentischen Kontext dargebotenwerden sollen. Der authentische Kontext sollte imbesten Fall die Anwendungen der Information er-fordern.

Die Aktivierung der Lernenden über ihren eigenenLernprozess zu reflektieren, ist zentral im Ansatz von

Donald Schön zu „Reflection in Action“ und „Re-flection about Action“ (Schön, 1987). Durch die Re-flexion über den eigenen Lernprozess entwickelnLernende metakognitive Kompetenzen für dieSteuerung ihres eigenen Lernprozesses. Diese sindhierbei auch an Komponenten des Nutzungkontextsgebunden. Laut Glahn (2009) sind die Aggregationvon Sensordaten und der Kontext der Visualisierungzwei wesentliche Parameter für die Gestaltung vonIndikatoren und Möglichkeien zur Förderung der Re-flexion.

5. Klassifika*on  und  Anwendungsbeispiele

Roschelle (2003) unterscheidet verschiedene Kate-gorien mobiler Lernsysteme in interaktive Klassen-raumsysteme, interaktive und verteilten Simulationensowie Anwendungen zum kollaborativen Daten-sammeln.

Mobiles Lernen wird in formalen Lernkontextenwie beispielsweise im Klassenzimmer als auch in in-formellen Lernkontexten unterstützt. Ally (2009) gibt

hierzu einen aktuellen Überblick mit verschiedenenAnwendungsszenarien in unterschiedlichen Lernset-tings. Frohberg et al. (2009) analysierten mehr als1.400 Publikationen und beschreiben sechs Dimen-sionen auf denen sie eine Klassifikation und Analysevon 102 mobilen Lernsystemen vorgenommenhaben: Kontext (wo und wann?), Werkzeuge(womit?), Kontrolle (wie?), Kommunikation (mitwem?), Subjekt (wer?), und Lernziel (was?). Diese Di-mensionen basieren auf Sharples Ansatz zu einerTheorie mobilen Lernens (Sharples, 2007). Aus derAnalyse ergibt sich ein Fokus heutiger mobiler Lern-unterstützung auf Einzelnutzer/innen in unabhän-gigen Lernkontexten sowie ein Schwerpunkt auf Ler-nende mit wenig oder keinen Vorkenntnissen. In denmeisten Systemen zum kollaborativen mobilenLernen wird eine zentrale Kontrollfunktion beimLehrenden gesehen.

De Jong et al. (2008) klassifizierten mobile Lern-unterstützung nach den Dimensionen Informati-onsart, Kontextnutzung, Hauptzweck, Informations-fluss sowie lerntheoretisches Paradigma. Die Autorenanalysierten mehr als 80 verschiedene Systeme be-züglich benutzter Kontextfaktoren basierend aufeinem Referenzmodell das fünf verschiedene Kon-textdimensionen berücksichtigt (Zimmermann et al.,2007): Identität, Umgebung, Beziehungen, Zeit, undAktivität. Als Hauptziele mobiler Lernunterstützungwerden hierbei beispielsweise der Austausch von In-formation, die Erleichterung von Diskussionen undBrainstorming, soziales Bewusstsein, Kommunikati-onsführung sowie Engagement und Versenkungidentifiziert. Vergleichbare Klassifikationen findensich auch bei Naismith (2004), der hauptsächlich daspädagogische Paradigma zur Klassifikation herange-zogen hat.

Ein allgemeines Modellierungmodell für mobileund ubiquitäre Lernanwendungen beschreibt Spechtmit den „Ambient Information Channels” (2009). Indiesem Modell werden Informationen auf vierEbenen verarbeitet: Sensorik, Aggregation,Steuerung, und Display-Ebene.

In der Literatur der letzten 15 Jahre ist insbe-sondere die Unterstützung von Exkursionen und dieVerbindung von Klassenzimmer und realen Anwen-dungskontexten ein immer wieder kehrendes Beispiel

Analysieren  Sie  aktuelle  Lehrsitua*onen  in  denen  phy-­‐sikalische   Objekte   zur   S*mula*on   von   Reflexion   ge-­‐nutzt   werden.   Überlegen   Sie   dann,   wie   Sie   diese   Si-­‐tua*onen   durch   Feedback   von   Sensorinforma*onennoch  verbessern  könnten.

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Verschiedene   Lerntheorien   betonen   die   Notwen-­‐digkeit   der   Effizienz   der   Informa*onsvermiOlung   andie   aktuelle   Nutzungssitua*on.   Hierbei   spielt   die   En-­‐und  Dekodierung   von   Informa*onen   im   Kontext,   Be-­‐schränkungen   des   Kurzzeitgedächtnisses,   wie   auchProzesse  der  mul*medialen  Informa*onsverarbeitungeine  Rolle.

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für mobile Lernanwendungen (Herrington et al.,2009). Hierbei finden sich zum einen klassische di-daktische Modelle wie „Wissens-Ralleys“, bei denendie Beantwortung von Fragen neue Lernfragen frei-schaltet, wie auch mehr explorative Modelle, in denendie physikalische Umwelt aufgabenbasiert entdecktwird.

Die Einbettung von intelligenten Objekten in kon-krete Lernsituationen (Son Do-Lenh et al., 2010;Alavi et al., 2009) im Klassenraum sind aktuelle Bei-spiele für die Nutzung allgegenwärtiger Technologienund neuer Benutzerschnittstellen für die Verbes-serung von Effizienz und Kommunikation in kolla-borativen Lernsituationen.

6. Zentrale  Erkenntnisse

Mobiles Lernen ist wohl eines der sich derzeit amschnellsten weiterentwickelnden Forschungsgebiete.Mit dem Aufkommen der Multi-Touch-Technologie(siehe Kapitel #ipad) sowie den jeweiligen Endge-räten (zum Beispiel Smartphones mit Android-Be-triebssystem oder iPhone, iPad) und damit verbundender Möglichkeit sogenannte Apps (Applications) zuentwickeln ergeben sich viele weitere Potentiale(Ebner et al., 2010). So kann für spezifische Lernpro-bleme in einem speziellen Lernkontext ein kleinesLernprogramm zur Seite stehen.

Literatur

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Nennen  Sie   verschiedene  Arten  von  mobilen   Lernan-­‐wendungen  und  vergleichen  Sie  deren  Zielsetzung.?

In der Praxis : TUGeoWiki An   der   TU  Graz  wurde   ein  Geowiki   entwickelt,  welches   dieMöglichkeiten   von   Wiki-­‐Systemen   (kollabora*ves   Arbeiten)und  Geotagging  verbinden  soll  (Safran  et  al.,  2010).  

Hierzu   wurde   die   Vorlagen   MediaWiki-­‐Seite   mit   Hilfe   derMashup-­‐Technologie   (siehe   Kapitel   #webtechnologie)   umGoogle  Maps  erweitert.  Wenn  nun  ein  Bild,  welches  globaleKoordinaten  enthält,  in  eine  solche  Seite  geladen  wird,  kanndie   Posi*on   automa*sch   auf   der   Google   Karte   visualisiertwerden.

Der   Feldversuch  mit   Studierenden   der   Bauingenieurwissen-­‐scha>en  fand  im  Sommer  2008  während  einer  FeldexkursionstaO.   Studierende   und   Lehrende   waren   mit   Digitalkamerasoder  Mobiltelefonen  ausgestaOet  mit  dem  Au>rag  Bilder  fürden  abschließenden  Bericht   zu   fotografieren.   Ein   LehrenderhaOe  zusätzlich  einen  GPS-­‐Tracker  eingesteckt,  welcher  jedeSekunde  die  globale  Koordinate  mitspeicherte.  Im  Anschlussan   die   Feldexkursion   erfolgte   eine   Synchronisierung   sämt-­‐licher  Bilder  mit  den  Koordinaten  des  GPS-­‐Tracker  aufgrund

des  Zeitstempels.  Die  so  ins  Wiki  übertragenen  Fotos  dientenals  Illustra*on  für  den  Abschlussbericht  mit  dem  zusätzlichenMehrwert  der  exakten  Posi*onierung.

Solche   Einsatzszenarien   sind   für   viele   weitere   Lernsitua-­‐*onen  denkbar,  sobald  die  globale  Posi*on  eine  wesentlicheInforma*on  im  Lernkontext  darstellt.  

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