Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der ...Moderne Anforderungen und derzeitiger...

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Ruhr-Universität Bochum PD Dr. med. Sven Schiermeier Dienstort: Marien-Hospital Witten Abteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der Geburtsdokumentation in Europa Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin einer Hohen Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum vorgelegt von Nadja Syllwasschy aus Bochum 2012

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Ruhr-Universität Bochum

PD Dr. med. Sven Schiermeier

Dienstort: Marien-Hospital Witten

Abteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe

Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der

Geburtsdokumentation in Europa

Inaugural-Dissertation

zur

Erlangung des Doktorgrades der Medizin

einer

Hohen Medizinischen Fakultät

der Ruhr-Universität Bochum

vorgelegt von

Nadja Syllwasschy

aus Bochum

2012

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Dekan: Prof. Dr. med. K. Überla Referent: PD Dr. med. S. Schiermeier Korreferent: Prof. Dr. med. C. Tempfer Tag der mündlichen Prüfung: 25.06.2013

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ABSTRACT

Syllwasschy

Nadja

Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in de r Geburtsdokumentation in Europa

Problem: Dokumentationsmängel bedingen einen hohen Anteil medizinischer Behandlungsfehler.

Insbesondere Missstände in der Geburtsdokumentation stellen eine (Mit-)Ursache von steigenden

Haftpflichtversicherungsprämien für Hebammen und Ärzte dar. Trotz der großen Bedeutung des

Geburtsprotokolls (Partogramm) für die Behandlungsqualität, die Patientensicherheit, den

Haftungsschutz und leistungsrechtliche Bedürfnisse, existieren im europäischen Raum kaum

einheitliche Regelungen und Leitlinien. Darüber hinaus fehlen evaluierte Vordrucke sowie Studien,

welche die praktische Umsetzung behandeln.

Methode: Neben einer selektiven Literaturrecherche zur Ermittlung der modernen Anforderungen an

die Kreißsaaldokumentation, wurden anhand einer deutschlandweiten empirischen postalischen

Fragebogenerhebung Ärzte und Hebammen aus 95 Geburtskliniken zu ihrer praktischen

Geburtsdokumentationsumsetzung befragt. Die Teilnehmerselektion erfolgte mittels geschichteter

Zufallsauswahl bei einer Fokussierung auf Kliniken der Maximalvesorgung. Der Fragebogen wurde im

Rahmen dieser Arbeit unter Berücksichtigung der Literaturanalyse und der Empfehlungen aus

Interviews mit geburtshilflichen Experten entwickelt und nach telefonischer Voranfrage und unter

Garantierung einer anonymen Auswertung versendet.

Ergebnisse: 49 Ärzte und 24 Hebammen sandten den ausgefüllten Fragebogen zurück, was einer

Rücklaufquote von 51,6% bzw. 25,3% entspricht. Ca. 60% der Antworten stammten aus Kliniken mit

einer Geburtenzahl von über 1000 Entbindungen pro Jahr und einer neonatologischen

Versorgungsstufe des Levels I. Rund 80% gaben an, regelmäßig und in Kooperation aller

geburtsbegleitenden Berufsgruppen ein Partogramm zu führen. Drei Viertel der Beteiligten wählten als

Aufzeichnungsmedium einen Vordruck, 8% ein leeres Blatt und 6% die EDV-gestützte Dokumentation.

Die Mehrzahl der von den Teilnehmern gewählten Geburts-Parameter wurde analog zur DGGG-

Leitlinie festgehalten. Abweichungen und Ergänzungen fanden sich insbesondere bei der CTG-

Auswertung und forensischen Aspekten. Etwa die Hälfte der Teilnehmer sah in der hauseigenen

Geburtsdokumentationspraxis Verbesserungsbedarf.

Diskussion: Die vorliegende Arbeit zeigt den Handlungsbedarf auf dem Gebiet der

Geburtsdokumentation auf und verdeutlicht die qualitätsfördernde und risikopräventive Funktion des

Partogramms. Durch die Fragebogenstudie kann gezeigt werden, dass die Mehrheit der befragten

Kliniken eine Geburtsdokumentation kongruent zu Leitlinien- und Literaturempfehlungen pflegt.

Nichtsdestotrotz können in einzelnen Bereichen Verbesserungspotentiale identifiziert und

Entwicklungsperspektiven aufgezeigt werden. Aus der Synthese der Erkenntnisse von Literaturanalyse

und Fragebogenerhebung erfolgen Anpassungsvorschläge der DGGG-Leitlinie und der Entwurf eines

Musterpartogramms.

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Meiner Familie

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Inhaltsverzeichnis

1 EINLEITUNG.......................................................................................... 9

1.1 Hinführung zum Thema ................................................................... 9

1.2 Einordnung in den klinischen Versorgungsprozess ....................... 13

1.3 Relevanz von Dokumentationsmängeln ........................................ 15

2 AUFBAU UND ZIELSETZUNG DER ARBEIT .................. ................... 18

3 THEORETISCHER HINTERGRUND.................................................... 19

3.1 Historische Entwicklung................................................................. 19

3.2 Geburtsdokumentation im Länderverlgleich .................................. 23

3.3 Anforderungen an die Geburtsdokumentation ............................... 24

3.3.1 Allgemeine Bedeutung der medizinischen Dokumentation..... 24

3.3.2 Ziele der Geburtsdokumentation ............................................ 25

3.3.3 Parameter............................................................................... 27

3.3.4 Layout..................................................................................... 30

3.3.5 Aufzeichnungsmedium ........................................................... 32

3.4 Forensische Aspekte ..................................................................... 33

3.4.1 Dokumentationspflichten ........................................................ 33

3.4.2 Beweislast .............................................................................. 37

3.4.3 Problematik von Kompetenzschnittstellen .............................. 38

3.5 Standardisierung der medizinischen Dokumentation..................... 40

4 METHODIK........................................................................................... 42

4.1 Klinikauswahl................................................................................. 42

4.2 Experteninterview .......................................................................... 43

4.3 Erhebungsbogen ........................................................................... 43

4.4 Versendung der Fragebögen......................................................... 44

4.5 Auswertung und Statistik ............................................................... 44

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5 ERGEBNISSE ...................................................................................... 46

5.1 Stichprobenstruktur........................................................................ 46

5.1.1 Rücklaufquote......................................................................... 46

5.1.2 Berufliche Position.................................................................. 47

5.1.3 Geburtenzahl.......................................................................... 47

5.1.4 Neonatologische Versorgungsstufe........................................ 48

5.2 Zufriedenheit mit derzeitiger Geburtsdokumentation ..................... 48

5.3 Organisation .................................................................................. 49

5.3.1 Regelmäßige Partogrammführung ......................................... 49

5.3.2 Gemeinsame Partogrammführung ......................................... 49

5.3.3 Aufzeichnungsmedium ........................................................... 50

5.3.4 Beginn der Aufzeichnung ....................................................... 50

5.3.5 Geburtsphasen....................................................................... 50

5.3.6 Dokumentation weiterer Maßnahmen..................................... 51

5.3.7 Zeitachse................................................................................ 52

5.3.8 Aufklärungen .......................................................................... 52

5.3.9 Handzeichen .......................................................................... 52

5.3.10 Arztanforderung...................................................................... 52

5.4 Parameter...................................................................................... 52

5.4.1 Allgemein................................................................................ 52

5.4.2 Geburtsverlauf ........................................................................ 53

5.4.3 CTG........................................................................................ 54

5.4.4 MBU ....................................................................................... 56

5.4.5 Eckdaten der Geburt .............................................................. 56

5.4.6 Neugeborenes........................................................................ 57

5.4.7 Anmerkungen/Geburtsleitung................................................. 58

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5.5 Beispielpartogramme..................................................................... 58

5.6 Handschriftliche Ergänzungen....................................................... 59

6 DISKUSSION ....................................................................................... 61

6.1 Stichprobe ..................................................................................... 61

6.2 Vergleich von Ergebnissen und Literaturrecherche ....................... 62

6.2.1 Organisation ........................................................................... 62

6.2.2 Parameter............................................................................... 65

6.2.3 Beispielpartogramme.............................................................. 68

6.3 Schlussfolgerungen ....................................................................... 71

6.4 Musterpartogramm ........................................................................ 74

6.5 Ausblick ......................................................................................... 75

7 ZUSAMMENFASSUNG.................................... .................................... 77

8 LITERATURVERZEICHNIS ............................... .................................. 79

9 ANHANG............................................. ................................................. 87

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4

Abkürzungsverzeichnis

Abs. Absatz

AG MedR Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht

AGMFM Arbeitgemeinschaft für Materno-Fetale Medizin

AHRS Arzthaftpflicht-Rechtsprechung

AWMF Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen

Fachgesellschaften

BÄK Bundesärztekammer

BGH Bundesgerichtshof

BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshof in Zivilsachen

BMFSFJ Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

bspw. beispielsweise

ca. circa

CIRS Critical Incident Reporting System

CTG Kardiotokogramm

DESTATIS Deutsches Statistisches Bundesamt

DGGG Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe

DGPM Arbeitsgruppe der Deutschen Gesellschaft für Perinatale

Medizin

DHV Deutscher Hebammenverband

DIN Deutsches Institut für Normung

DRG Diagnosis Related Groups

ebd. ebenda

EDV Elektronische Datenverarbeitung

et al. und andere

etc. und so weiter

evtl. eventuell

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5

f. folgende Seite

ff. folgende Seiten

FIGO Fédération Internationale de Gynécologie et d'Obstétrique

G-BA Gemeinsamer Bundesausschuss

ggf. gegebenenfalls

Hrsg. Herausgeber

i. m. intramuskulär

IT Informationstechnik

LHebG Landeshebammengesetz

MBO-Ä Musterberufsordnung für deutsche Ärztinnen und Ärzte

MBU Mikroblutuntersuchung

MDR Monatsschrift für Deutsches Recht

MDS Medizinischer Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen

MedR Medizinrecht

MERS Medical Error Reporting System

mind. mindestens

NEO-KISS Krankenhaus-Informations-Surveillance-System

neonatologischer Intensivstationen

NHS National Collaborating Centre for Women’s and Children’s

Health

NICE National Institute for Health and Clinical Excellence

NJW Neue Juristische Wochenschrift

Nr. Nummer

NRW Nordrhein-Westfalen

OLG Oberlandesgericht

OP Operation

PDA Periduralanästhesie

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pH potentia Hydrogenii

RKI Robert Koch-Institut

RR Riva-Rocci

RVO Reichsversicherungsordnung

S. Seite

sog. sogenannt

u. a. unter anderem

usw. und so weiter

u. U. unter Umständen

VersR Versicherungsrecht

WHO Weltgesundheitsorganisation

z. B. zum Beispiel

Im Interesse des Leseflusses wird in der vorliegenden Arbeit die männliche

Sprachform stellvertretend für die Beschreibung beider Geschlechter

verwendet, sofern nicht die weibliche Form allgemeiner Sprachgebrauch ist.

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Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Ziele der Dokumentation (nach Berg, 2006)................................ 25

Tabelle 2: Besonderheiten der Anamnese und jetzigen Schwangerschaft

(nach DGGG und AG MedR, 2008a) ........................................................... 28

Tabelle 3: Informationen über Verlauf und Stand der Geburt (nach DGGG

und AG MedR, 2008a) ................................................................................. 29

Tabelle 4: Rücklauf der Fragebögen............................................................ 46

Tabelle 5: Geburtsphasenaufzeichnung ...................................................... 51

Tabelle 6: Dokumentation weiterer Maßnahmen ......................................... 51

Tabelle 7: Allgemeine Geburtsparameter .................................................... 53

Tabelle 8: Geburtsverlaufsparameter........................................................... 53

Tabelle 9: CTG-Beurteilung auf dem Partogramm....................................... 55

Tabelle 10: MBU-Dokumentation................................................................. 56

Tabelle 11: Eckdaten der Geburt ................................................................. 57

Tabelle 12: Neugeborenen-Parameter......................................................... 58

Tabelle 13: Ärzte-Bewertung der Beispielpartogramme............................... 58

Tabelle 14: Hebammen-Bewertung der Beispielpartogramme .................... 59

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Arzthaftung: Klagen und Kosten in Deutschland (nach Haller

und Fink, 2006)............................................................................................ 10

Abbildung 2: Organisatorische Mängel als (Mit-)Ursache von Fehlervorwürfen

(nach Hansis, 2001)..................................................................................... 16

Abbildung 3: Die Friedman-Geburtskurve (nach Friedman, 1954)............... 19

Abbildung 4: Cervicograph mit Alert und Action line (nach Philpott und Castle,

1972a).......................................................................................................... 20

Abbildung 5: WHO-Partograph (Ausschnitt) (nach WHO, 1993).................. 21

Abbildung 6: Optischer Effekt unterschiedlicher Achsenverhältnisse im

Partogramm ................................................................................................. 31

Abbildung 7: Meldung von Geburtsschäden bei der Versicherungskammer

Bayern unter Berücksichtigung von Melde- und Ereignisjahr (nach

Lichtmannegger und Kleitner, 2006) ............................................................ 36

Abbildung 8: Anteil der Klinikentbindungen in der Bundesrepublik

Deutschland 1955-2008 (nach BMFSFJ, 1999 und DESTATIS, 2010)........ 39

Abbildung 9: Berufliche Position der ärztlichen Studienteilnehmer .............. 47

Abbildung 10: Geburtenzahlen der teilnehmenden Kliniken pro Jahr, inklusive

Universitätskliniken ...................................................................................... 47

Abbildung 11: Neonatologische Versorgungsstufe der teilnehmenden

Kliniken ........................................................................................................ 48

Abbildung 12: Verbesserungsbedarf des hausinternen Partogramms aus

ärztlicher Sicht ............................................................................................. 48

Abbildung 13: Verbesserungsbedarf des hausinternen Partogramms aus

Hebammen-Sicht ......................................................................................... 49

Abbildung 14: Verwendetes Aufzeichnungsmedium.................................... 50

Abbildung 15: Score-Anwendung bei der CTG-Beurteilung auf dem

Partogramm ................................................................................................. 56

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1 EINLEITUNG

Im Folgenden soll unter Berücksichtigung des aktuellen Kontextes zu Thema

und Problematik der Arbeit hingeleitet werden. Der Aufbau und die

Zielsetzung werden im Anschluss daran erläutert.

1.1 Hinführung zum Thema

Seit den Neunzigerjahren steigen die Prämien für die

Berufshaftpflichtversicherung der Gesundheitsberufe kontinuierlich an.

Neben Chirurgen und Orthopäden sind insbesondere Gynäkologen und

Hebammen betroffen (BÄK, 2010).

So muss ein niedergelassener Gynäkologe für eine Belegarzttätigkeit im

Bereich der Geburtshilfe bei einer Deckungssumme von 5 Mio. Euro zurzeit

zwischen 25 350 und 47 986 Euro jährlich zahlen, sofern bisher

Schadensfreiheit besteht. Das bedeutet, dass pro Jahr rund 200 Geburten

erbracht werden müssen, allein um die Versicherungssumme abzudecken

(Steinmeier et al., 2011). Einige Versicherungsanbieter verweigern sogar

gänzlich den Versicherungsschutz für die Hochrisikogruppe der

geburtshilflich tätigen Gynäkologen (Flintrop und Korzilius, 2010). Die

Situation ist somit sowohl für den einzelnen Versicherungsnehmer als auch

für das hiesige Gesundheitssystem problematisch.

Die beschriebenen Beitragssteigerungen resultieren in erster Linie aus den

stark gestiegenen Aufwendungen für Schadensfälle. So betrugen im Jahr

2009 die Ausgaben der Versicherungen rund das Doppelte der Einnahmen

aus den Beitragsprämien. Der Hauptgrund hierfür ist die Zunahme der

sogenannten Großschäden mit einer Versicherungsleistung von mehr als

200 000 Euro, wobei vor allem die Geburtshilfe mit Millionenschäden zu

Buche schlägt (Gerst, 2010).

Zur Veranschaulichung der Entwicklung sind in Abbildung 1 die

bundesweiten Arzthaftungsklagen und -kosten von 1980 bis 2000 dargestellt.

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10

0

5000

10000

15000

20000

25000

1980 1991 1994 1996 2000

Jahr

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1980 1991 1994 1996 2000

Jahr

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EU

R)

Abbildung 1: Arzthaftung: Klagen und Kosten in Deutschland (nach Haller und Fink, 2006)

Was liegt dieser Entwicklung ursächlich zugrunde? Hier existieren sicherlich

multiple Faktoren - teils medizinischer, teils gesellschaftlicher, teils rechtlicher

Natur.

Im Folgenden sollen hierzu einige Erklärungsversuche unternommen werden:

• Generell sind Patienten durch den wachsenden Qualitäts- und

Transparenzanspruch an medizinische Maßnahmen sensibler und

kritischer als noch vor einigen Jahren. Der Patient möchte sich nicht als

bloßer Empfänger von Ratschlägen und Anordnungen, sondern als

Partner des Arztes verstanden wissen (Berg und Ulsenheimer, 2006). Die

mediale Vernetzung eröffnet expandierende Möglichkeiten der

Informationsbeschaffung und des Informationsaustausches. Dass dies für

das Arzt-Patienten-Verhältnis nicht immer förderlich ist, spiegelt sich in

einer sinkenden Akzeptanz biologischer Gesetzmäßigkeiten und einem

zunehmenden Anspruch auf eine vollkommene Medizin wieder. Eine

zeitweise zu beobachtende antiärztliche Berichterstattung der Presse, im

Sinne wenig differenzierter, destruktiv-anklagender Darstellungen von

„Ärztepfusch“-Schadensfällen, trifft auf der Basis dieser Entwicklungen

auf positive Resonanz. Die fachliche und nichtfachliche öffentliche

Diskussion steigert die Wahrnehmung vermeintlicher ärztlicher

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Fehlleistungen. (Haller und Fink, 2006). Die in der medizinischen

Versorgung notwendigen Grenzen zwischen Unglück und Unrecht,

Schicksal und Schuld verschwimmen (Berg und Ulsenheimer, 2006).

• Eine nicht unbedeutende Rolle spielt auch die Rechtssprechung der

jüngsten Zeit, da diese Neuregelungen im Bereich der Beweislast und

des Schmerzensgeldes getroffen hat. Dies hat neue Anreize und

geringere Hürden für Kläger geschaffen (Ulsenheimer, 2006).

• Der vermehrte Abschluss von Rechtsschutzversicherungen deckt das

Kostenrisiko bei Rechtsverfolgungen ab und senkt die Hemmschwelle

einer Prozesseröffnung (ebd.).

• Aufgrund des medizinisch-technischen Fortschritts haben auch Schwer-

und Schwerstgeschädigte eine verbesserte Lebenserwartung. Diese im

Sinne des wissenschaftlichen Progresses positive Entwicklung bedeutet

jedoch hinsichtlich der Frage der Haftung, dass die Absicherung der

Heilbehandlungs-, Pflege- und Alterssicherungskosten sowie von

Schmerzensgeldern bzw. potentiellen Verdienstausfällen zu höheren

finanziellen Summen als noch vor einigen Jahren führt (Steinmeier et al.

2011). Eine Untersuchung des Gesamtverbandes der Deutschen

Versicherungswirtschaft (GDV) hat gezeigt, dass die Schadenshöhen im

Schnitt um 6% pro Jahr steigen (Langeder, 2010).

• Auch eine Vielzahl an neuen Diagnoseverfahren birgt haftungsrechtliche

Risiken, denn je mehr Diagnosemöglichkeiten dem Arzt zur Verfügung

stehen, desto höher ist die Gefahr, später der mangelnden

Befunderhebung bezichtigt zu werden. Hierbei besteht die Problematik

darin, dass drohende Budgetüberschreitung oder fehlende Vergütungen

durch die Krankenkassen den Arzt haftungstechnisch nicht entlasten

(Flintrop und Korzilius, 2010).

• Die Entwicklung einer Fehleranerkennungskultur im Medizinbereich steckt

in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Anonyme Fehler-

meldesysteme, wie sie beispielsweise in der Luftfahrt üblich sind,

kommen im klinischen Alltag nur schleppend in Gang. Dabei könnte ein

etabliertes Risikomanagement in Form von „Critical Incident Reporting

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Systemen“ (CIRS) zur Schadensbegrenzung und Schadensverhütung

beitragen, damit sich Fehler oder Beinahefehler nicht wiederholen (Haller

und Fink, 2006).

• An der Patientenversorgung sind immer mehr Glieder beteiligt, die einen

steigenden Grad an Spezialisierung aufweisen. Zum Einen wird so eine

gewisse Unpersönlichkeit gefördert, welche die Hemmschwelle der

Verfahrenseinleitung herabsetzt. Zum Anderen ist ein Versagen der

Organisationskette infolge von Kommunikations- und Koordinations-

defiziten bei der Zusammenarbeit der Beteiligten in Klinik und Praxis zu

beobachten (Berg und Ulsenheimer, 2006).

Es liegt in der Natur der Geburtshilfe, dass diese einen außerordentlich

sensiblen Bereich der Medizin darstellt. Kleine Nachlässigkeiten können weit

reichende Auswirkungen haben, die auch für den medizinischen Laien leicht

erkennbar oder zumindest zu vermuten sind. Ohnehin bewegen sich

Schwangere heutzutage in einem medizinischen Spannungsfeld zwischen

Pathologisierung und Idealisierung (Schücking und Schwarz, 2002). Vor dem

Hintergrund der steigenden Erwartungshaltungen wird vielfach nicht

wohlwollend über Komplikationen hinweggesehen, sodass das Fachgebiet

der Geburtshilfe für Haftpflichtforderungen prädestiniert ist.

Es sollte jedoch nicht vergessen werden: Irren ist menschlich (Cicero, 43 v.

Chr.). Wo immer Menschen tätig sind, entstehen Irrtümer, Nachlässigkeiten,

Fehleinschätzungen, Unwissenheit und Selbstüberschätzung (Rasmussen

und Jensen, 1974). Das bedeutet, dass es nie zu einem Zustand der

Fehlerfreiheit in der Medizin kommen wird.

Die Medizin steht allerdings in der Pflicht zu ermitteln, welche

fehlerbegünstigenden Faktoren - die der Mensch im Stande ist zu

beeinflussen - eine Rolle spielen und was getan werden kann, um

geburtshilfliche Behandlungsfehler zu dezimieren. Dies ist von

beiderseitigem Interesse, sowohl des Patienten als auch des Arztes.

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Diese Arbeit verfolgt daher zwei höhere Ziele:

• Die Sicherheit des Patienten in der Geburtshilfe zu fördern und

• die Risiken des geburtshilflich tätigen Arztes, die er in der Gestalt der

Haftung für seine ärztliche Tätigkeit eingeht, zu verringern.

Als Ansatzpunkt ergaben verschiedene Untersuchungen, dass eine

unzureichende Dokumentation in einem nicht unerheblichen Teil von

Haftungsfällen bemängelt wird und diese eine (Mit-)Ursache für schlechte

Behandlungsverläufe darstellt (siehe Kapitel 1.3). Dies ist eine Fehlerquelle,

auf die durch präventive Maßnahmen eingewirkt werden kann und mit der

sich diese Arbeit genauer beschäftigen soll.

Im Geburtswesen werden an die Dokumentation besonders hohe

Anforderungen gestellt. Sie spielt eine Schlüsselrolle im Informationsfluss

zwischen Patient, Arzt, Hebamme, Pflegekräften und Dritten (Gutachtern,

Krankenkassen etc.) und ist für medizinische Entscheidungen und den

zufriedenstellenden Ausgang einer Geburt für alle Beteiligten ein

entscheidendes Werkzeug. Es soll daher eine Bestandsaufnahme der zurzeit

gängigen Geburtsdokumentationspraxis erhoben und mögliche

Verbesserungspotentiale aufgezeigt werden. Vergleichbare Analysen dieser

Art fehlen bisher.

1.2 Einordnung in den klinischen Versorgungsprozess

Aus heutiger Sicht fungiert die Geburtshilfe als wichtiger Imagefaktor für ein

Krankenhaus. Als emotional gefärbte Disziplin lassen sich durch sie

Professionalität, Empathie und Engagement besonders einprägsam nach

außen vermitteln. Es liegt also im Interessensbereich eines Krankenhauses,

Qualitäts-, Kosten-, Zeit- und Servicegesichtspunkte in diesem Feld zu

optimieren, da dies, neben einer Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben, auch

eine Verbesserung der eigenen Wettbewerbsposition erzielt. Um

Verbesserungspotentiale identifizieren zu können und die medizinische,

pflegerische und emotional-soziale Leistungsqualität zu steigern, ist ein

professionelles Dokumentationsmanagement Voraussetzung. Neben einer

Fehlerprävention kann eine Verbesserung der interdisziplinären

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Zusammenarbeit und des Gesamtprozesses erreicht werden (Braun von

Reinersdorff et al., 2011).

Die klinische Geburtsbetreuung wird in Deutschland durch ein

multiprofessionelles Team - bestehend aus Ärzten verschiedener

Fachrichtungen, Hebammen und Pflegefachkräften - gewährleistet. Dieses

Team nimmt Eintragungen in einer Reihe von Dokumenten vor, wie

beispielsweise in den Pflegedokumentationsbogen, den Aufnahmebogen, die

„Kurve“, ggf. den Anästhesiebogen und OP-Bericht, den Mutter-Pass und

den Entlassungsbrief. Darüber hinaus spielen u. U. weitere Informationen,

entnommen aus Kardiotokogramm (CTG), Ultraschallbefund,

Mikroblutuntersuchung (MBU), Allergiepass, alten Entlassungsbriefen etc.,

eine für die Geburtsbetreuung relevante Rolle. Um während der mitunter

kritischen Geburtsphase eine schnelle und übersichtliche Zusammenfassung

relevanter Informationen zu erhalten, dient die Geburtsverlaufs-

dokumentation als Fundament und Bindeglied des interdisziplinären

medizinischen und geburtshilflichen Handelns.

Durch die Knappheit an konkreten Vorgaben und Leitlinien und dem Mangel

an geprüften und anerkannten Vordrucken, stellt sich die praktische

Handhabung der Geburtsdokumentation europaweit jedoch mannigfaltig dar.

Dabei gilt es zu beachten, dass der Zeitaufwand für die Dokumentation für

alle patientenbetreuenden Berufsgruppen gestiegen ist und zu einer

bedeutsamen Arbeitsmehrbelastung geführt hat. Ein Mehraufwand ist nicht

nur für die Dokumentation unmittelbarer Behandlungsleistungen, sondern

insbesondere für rechtliche und finanzielle Bereiche zu verzeichnen. Es wird

angenommen, dass Ärzte mittlerweile 25-40% ihrer Arbeitszeit mit

administrativen Aufgaben verbringen - mit steigender Tendenz (Berg, 2006).

Nicht selten sind wenig sinnvolle Mehrfachdokumentationen zu beobachten.

Besonders ausgeprägt stellt sich dieses Problem in Bereichen großer

Schnittstellen verschiedener Berufsgruppen dar, wie es u. a. in der

Geburtshilfe der Fall ist (Meilwes, 2005). Um Ressourcen nicht unnötig zu

vergeben und widersprüchliche Eintragungen zu vermeiden, muss daher

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versucht werden, das Dokumentationswesen zu vereinfachen und zu regeln

(Berg, 2006).

1.3 Relevanz von Dokumentationsmängeln

Bislang existiert in Deutschland keine einheitliche, zusammenfassende

Erhebung vermuteter oder tatsächlich nachgewiesener medizinischer

Behandlungsfehler. Schätzungen stützen sich auf Angaben der

Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Landesärztekammern,

des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen, sowie der

Haftpflichtversicherer (RKI et al., 2001). Zwar werden die Daten aus den

Gutachter- und Schlichtungsstellen der Länder mithilfe des „Medical Error

Reporting Systems“ (MERS) seit 2006 in einer Bundesstatistik

zusammengeführt (Weidinger, 2010), allerdings ist keine Fehlerursachen-

zuschreibung im Bezug auf Dokumentationsmängel ablesbar.

Bundesweit erfasste, valide Daten zur haftungsrechtlichen Relevanz von

Dokumentationsmängeln stehen demnach nicht zur Verfügung. Es können

jedoch Rückschlüsse über Einzeluntersuchungen gezogen werden.

Das Robert Koch-Institut sieht in organisatorischen Defiziten

unterschiedlicher Art bedeutende, fachunabhängige fehlerverursachende

Faktoren. Dokumentationsmängel, die den schlechten Verlauf bzw. den

Fehlervorwurf einer Behandlung erkennbar (mit-)verursacht haben, nehmen

hierbei einen hohen Anteil ein (Abbildung 2). Im Teilbereich der rechtzeitigen,

umfassenden und verständlichen Aufklärung über eine vorgesehene

Behandlung, ihrer Alternativen und Risiken sowie weitere

Behandlungsschritte, werden in 7% der Bescheide deutliche Defizite

offenbart (RKI et al., 2001). Daher wird dringend die Dokumentation des

Aufklärungsgespräches unter Verwendung der handelsüblichen

Aufklärungsbögen empfohlen (Berg, 2006).

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16

0 5 10 15 20 25

Prozent

Koordinationsmängel

Dokumentationsmängel

Übernahmeverschulden

Erkennen und Behandelnvon Komplikationen

Aufklärungsmängel

Notfallsituation

Abbildung 2: Organisatorische Mängel als (Mit-)Ursache von Fehlervorwürfen (nach Hansis, 2001)

Auch in Untersuchungen der Bayerischen Versicherungskammer wird bei

20% der Haftungsfälle eine unzureichende Dokumentation bemängelt (Berg,

2006).

Laut einer internen Erhebung der Gutachterinnenkommission des Deutschen

Hebammenverbandes (DHV) sind in den Jahren 2003 bis 2005 die

Meldungen über Schadensfälle von 67 auf 107 Fälle angestiegen. Von 70

untersuchten Fall-Dokumentationen konnten nur sechs mit „gut“ bewertet

werden. In den übrigen Geburtsprotokollen waren die Vorgänge nicht

ausreichend nachvollziehbar. Insbesondere wurden CTG-Befunde nicht

korrekt interpretiert, Arztrufe erfolgten zu spät oder es existierten

organisatorische Probleme anderer Natur. Die Ursachen werden in einem

Interessenskonflikt von Hebammen und Ärzten, in Überlastungsanzeichen, in

der mangelhaften Dokumentation und in der inkorrekten CTG-Auswertung

gesehen (Gutachterinnenkommission des DHV, 2005).

In einer schwedischen Studie wurden retrospektiv 212

Geburtsverlaufsdokumentationen analysiert. Obwohl eine exakte

Übertragung der Ergebnisse auf die deutsche Praxis nicht vorgenommen

werden kann, so ist doch aufgrund ähnlicher Qualitätsstandards, wie

materieller Ausstattung und personeller Verfügbarkeit, ein Vergleich statthaft.

In einer Vielzahl der analysierten Geburtsverläufe wurden dokumentarische

Mängel festgestellt. Neben einer seltenen Aufzeichnung des mütterlichen

Page 21: Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der ...Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der Geburtsdokumentation in Europa Inaugural-Dissertation ... das Arzt-Patienten-Verhältnis

17

Befindens, wurde insbesondere die Indikationsdokumentation für

Interventionen vernachlässigt. So waren bspw. nur in etwa der Hälfte der

Fälle die Indikation für eine Blasensprengung oder Episiotomie festgehalten

worden (Sandin-Bojö et al., 2006).

Die genannten Untersuchungen zeigen also, dass Dokumentations-

verbesserungen - insbesondere in der Geburtshilfe - erforderlich sind.

Sofern es durch qualitätssichernde Maßnahmen gelingt, dieser Fehlerquelle

der unzureichenden Dokumentation beizukommen, müsste sich ein Gutteil

der Fehlervorwürfe bzw. der tatsächlich nachgewiesenen Fehler vermeiden

lassen (RKI et al., 2001).

Page 22: Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der ...Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der Geburtsdokumentation in Europa Inaugural-Dissertation ... das Arzt-Patienten-Verhältnis

18

2 AUFBAU UND ZIELSETZUNG DER ARBEIT

Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel,

• die modernen Anforderungen an die Geburtsdokumentation

darzustellen,

• den derzeitigen Standard zu untersuchen und

• mögliche Entwicklungsperspektiven aufzuzeigen.

Zunächst wird mittels selektiver Literaturanalyse die klinische Dokumentation

in der Geburtshilfe wissenschaftlich ergründet. In Anbetracht der sich

wandelnden Ansprüche, Erwartungen und Qualitätskriterien werden die

medizinischen und rechtlichen Rahmenbedingungen erläutert.

Im Anschluss an diese theoretische Grundlage folgt die Darstellung der im

Rahmen dieser Arbeit durchgeführten klinisch-prospektiven

Fragebogenstudie, welche durch Befragung von Hebammen und

geburtshilflich tätigen Ärzten erstmalig die derzeitige praktische

Dokumentationsumsetzung in Kreißsälen der Bundesrepublik Deutschland

erhebt.

Der Diskussionsteil der Arbeit vollzieht abschließend die Synthese aus

beiden Erkenntnisgewinnen, indem die erhobenen Daten einer kritischen

Analyse unterzogen und mit den aktuellen Erfordernissen abgeglichen

werden. Daraus folgend, können Empfehlungen für eine Optimierung der

Geburtsdokumentation und Impulse für einen möglichen Standard gegeben

werden.

Page 23: Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der ...Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der Geburtsdokumentation in Europa Inaugural-Dissertation ... das Arzt-Patienten-Verhältnis

19

3 THEORETISCHER HINTERGRUND

Der medizinischen Dokumentation wird ein steigender Stellenwert

beigemessen, wobei insbesondere im Bereich der Geburtshilfe spezielle

Erfordernisse existieren. Die folgenden Untersuchungspunkte sollen diesem

Sachverhalt Rechnung tragen und dem Leser Einblicke in Historie,

Handhabung in anderen Ländern, Anforderungen und Forensik verschaffen.

3.1 Historische Entwicklung

Die Geburtsbetreuung ist eine der ältesten Aufgaben der Menschheit. Wie

sich in diesem Zusammenhang die Geburtsdokumentation entwickelt hat und

welche Personen und Institutionen dazu beigetragen haben, soll der folgende

Abschnitt aufzeigen. Im Anschluss daran wird diese Fortentwicklung einer

kritischen Prüfung im Spiegel aktueller Studien unterzogen.

Die Grundlage für die heutige Form der Geburtsdokumentation wurde durch

den US-amerikanischen Geburtshelfer Emanuel Friedman 1954 gelegt

(Friedman, 1954). Er untersuchte bei Erstgebärenden die Geburtsphasen

und deren Dauer, insbesondere die Muttermundsöffnung im zeitlichen

Verlauf. Daraus entwickelte er eine s-förmige Kurve, die „Friedman-

Geburtskurve“ (Abbildung 3).

Abbildung 3: Die Friedman-Geburtskurve (nach Friedman, 1954)

Page 24: Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der ...Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der Geburtsdokumentation in Europa Inaugural-Dissertation ... das Arzt-Patienten-Verhältnis

20

Weiterentwickelt wurde Friedmans Arbeit durch R. H. Philpott und W. M.

Castle (Philpott und Castle, 1972 a+b). Sie sahen sich im ländlichen Afrika

(Südrhodesien, heute Zimbabwe) mit den fatalen Folgen verschleppter

Geburtsverläufe konfrontiert. Mit dem Ziel für betreuende Hebammen in

abgelegenen Dörfern eine Leitlinie zu entwickeln, ob und wann sie mit einer

unter der Geburt stehenden Frau eine Klinik aufsuchen sollten, entwarfen sie

eine Grafik, in welcher die Muttermundsöffnung gegen die Zeit aufgetragen

wird (Cervixdilatationskurve), der „Cervicograph“. In dieser Grafik sind zwei

diagonale Linien eingezeichnet, welche parallel zueinander um vier Stunden

versetzt sind und eine Beurteilung des Geburtsfortschritts erlauben sollen

(Abbildung 4). Das Kreuzen der Cervixdilatationskurve mit der ersten Linie

(„Alert line“ oder „Warnlinie“) impliziert eine erhöhte Achtsamkeit und einen

Transport der werdenden Mutter ins Hospital, das Kreuzen der zweiten Linie

(„Action line“ oder „Handlungslinie“) fordert zum aktiven Eingreifen des

Geburtshelfers auf. Die zuvor hohe perinatale Morbidität und Mortalität

konnte so signifikant gesenkt werden (Helms und Perl, 2004).

0

2

4

6

8

10

0 2 4 6 8 10 12 14

Time (hrs)

Cer

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l Dila

tatio

n (c

ms)

Alert line

Action line

Abbildung 4: Cervicograph mit Alert und Action line (nach Philpott und Castle, 1972a)

In den folgenden Jahren wurden vielfache Studien zur weiteren Erforschung

der Thematik durchgeführt. Exemplarisch seien hier die Autoren Beazley,

Studd, O’Driscoll und Drouin genannt, welche leichte Variationen oder

Page 25: Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der ...Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der Geburtsdokumentation in Europa Inaugural-Dissertation ... das Arzt-Patienten-Verhältnis

21

Ergänzungen anbrachten (Beazley und Kurjak, 1972, Drouin et al., 1979,

O’Driscoll et al., 1973, Studd, 1973).

Auf der Basis der damaligen Studienlage griff die

Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Modell auf und modifizierte dieses

mehrmals im Rahmen ihrer 1987 gestarteten Initiative für sichere

Mutterschaft (WHO, 1993, 1994 a+b). Der „Partograph“, als Synthese der

damaligen wissenschaftlichen Erkenntnisse, berücksichtigt, neben der

Muttermundsöffnung inklusive „Alert“ und „Action line“, auch das Tiefertreten

des vorangehenden Kindsteils, den kindlichen Zustand und mütterliche

Parameter (Abbildung 5). Um protrahierten Geburtsverläufen entgegen zu

wirken, fungiert diese Art der Geburtsdokumentation - speziell in

Entwicklungsländern - als ein einfaches, übersichtliches und kostengünstiges

Instrument zur Betreuung der Gebärenden und wird bis heute angewandt

(Tomaselli, 2009).

Abbildung 5: WHO-Partograph (Ausschnitt) (nach WHO, 1993)

Da Faktoren wie die Nicht-Erreichbarkeit fachkundiger Hilfe oder lange

Transportzeiten in ein spezialisiertes Krankenhaus hierzulande

weitestgehend entfallen und eine dauerhafte Überwachung des

Wohlbefindens von Mutter und Kind durch CTG, MBU etc. gewährleistet ist,

Page 26: Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der ...Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der Geburtsdokumentation in Europa Inaugural-Dissertation ... das Arzt-Patienten-Verhältnis

22

empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe

(DGGG) in ihrer Leitlinie die Verwendung eines „Partogramms“, jedoch ohne

expliziten Einsatz einer eingezeichneten idealen Cervixdilatationsrate

(DGGG und AG MedR, 2008a). Die Inanspruchnahme von Interventionen

kann dadurch in Kenntnisnahme mehrerer Faktoren abgewogen werden,

sodass nicht alleinig die Cervixdilatationsrate für das geburtshilfliche Handeln

bestimmend ist. Ausführlichere Erläuterungen zum DGGG-Partogramm sind

in Kapitel 2.3 aufgeführt.

Dieses Vorgehen deckt sich mit Erkenntnissen aus aktuellen Studien, welche

die Anwendung von Normkurven hinterfragen. Auch wenn Friedman

grundlegend zum Verständnis des Geburtsverlaufs beigetragen hat, ist die

von ihm konstatierte Mindest-Muttermundsöffnung in der aktiven Phase der

Eröffnungsperiode bei Erstgebärenden von >1,5 cm pro Stunde bzw. >1 cm

pro Stunde, wie von Philpott gefordert, im Angesicht der heutigen Datenlage

nicht haltbar. Es konnte gezeigt werden, dass eine große Variationsbreite an

Geburtslängen existiert und dass auch langsamere Eröffnungsverläufe bis

etwa 0,5 cm Cervixöffnung pro Stunde nicht automatisch mit erhöhter

Morbidität und Mortalität assoziiert sind (Albers, 1999, Cesario, 2004, Perl

und Hunter, 1992, Zhang et al., 2002). Diese Feststellung wird durch weitere

Studien unterstrichen, die verschiedene „Action line“-Positionierungen, zwei

bis vier Stunden nach der „Alert line“, im Partogramm miteinander

vergleichen (Lavender et al., 1998, 2006, 2008, Leanza et al., 2011,

Pattinson et al., 2003, Van Bogaert, 2006). Durch das frühere Kreuzen der

Cervixdilatationskurve mit der „Action line“ ist lediglich eine erhöhte

Interventionsrate zu beobachten, jedoch kein Benefit im Outcome von Mutter

oder Kind. Leider wurde bis dato die Verwendung eines Blanko-Patogramms

ohne Eingreiflinien keiner wissenschaftlichen Überprüfung unterzogen.

So kommen auch das britische National Collaborating Centre For Women’s

and Children’s Health (NHS) und das National Institute for Health and Clinical

Excellence (NICE) in der „Intrapartum care“-Leitlinie zu dem Ergebnis

entweder ein Partogramm ohne Interventionsimplikation zu verwenden oder

eines mit einer um vier Stunden versetzten „Action line“ nach WHO-Vorbild

(NHS und NICE, 2007).

Page 27: Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der ...Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der Geburtsdokumentation in Europa Inaugural-Dissertation ... das Arzt-Patienten-Verhältnis

23

Wenn also andere Technologien, wie CTG und MBU, zur Verfügung stehen,

die es erlauben, das mütterliche und kindliche Befinden realistisch

einzuschätzen, sollte nicht rigide an Zeitgrenzen festgehalten werden.

Vielmehr steht eine individuelle Entscheidungsfindung im Vordergrund, um

nicht unreflektiert unnötige und mit weiteren Risiken verbundene Einsätze

von Oxytocin oder geburtshilflichen Operationen zu induzieren (Helms und

Perl, 2004).

Zu erwähnen ist, dass im Laufe der Jahre die Betitelung des

Geburtsprotokolls leicht variierte. Verwendet wurden Begriffe wie

„Partogram(m)“, „Partograph“ und „Cervicograph“, welche jedoch letztendlich

das gleiche beschreiben: Die grafische Darstellung der Muttermundsöffnung

im zeitlichen Verlauf. Mit den Jahren wurden weitere Parameter im

Geburtsprotokoll erfasst, wie die Schwangerschaftsanamnese, mütterliches

und kindliches Befinden etc., sodass der Terminus „Partogramm“ mittlerweile

synonym für die gesamte Geburtsverlaufsdokumentation verwendet wird.

Dies wird u. a. am Titel der Leitlinie der DGGG deutlich: „Empfehlungen zur

Dokumentation der Geburt – Das Partogramm“. Ebenso verwenden weitere

Autoren (Berg, 2006, Straub, 2006, Wolff, 2004) - wie auch diese Arbeit - den

Begriff in seiner erweiterten Bedeutung.

3.2 Geburtsdokumentation im Länderverlgleich

Leitlinien zur Verwendung eines normierten Partogramms existieren nur

vereinzelt. Dies mag mitunter daran liegen, dass wenig Evidenz-basierte

Daten zur Verfügung stehen. Somit haben sich eher historisch geprägte

Vorgehensweisen gefestigt, welche durch aktuelle Rechtssprechungen

Modifikationen erfahren.

Im anglo-amerikanischen Raum und in Entwicklungsländern stellt die

Verwendung des WHO-Partographen wohl den Standard dar (Tomaselli,

2009). Aus oben genannten Gründen hat sich dieser auf dem europäischen

Festland nicht etablieren können, sodass von eine enormen

Gestaltungsvielfalt auszugehen ist. Nationale oder internationale Studien zur

konkreten Umsetzung dieser Thematik fehlen jedoch. Daher ist es eine

Teilaufgabe dieser Arbeit, eine Zusammenschau der

Page 28: Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der ...Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der Geburtsdokumentation in Europa Inaugural-Dissertation ... das Arzt-Patienten-Verhältnis

24

Geburtsdokumentationspraxis in der Bundesrepublik Deutschland zu

erstellen.

3.3 Anforderungen an die Geburtsdokumentation

Im Folgenden werden die allgemeinen und speziellen Anforderungen an die

Dokumentation des Geburtsverlaufs im europäischen Raum dargestellt.

3.3.1 Allgemeine Bedeutung der medizinischen Dokume ntation

Dokumentation bedeutet im Allgemeinen die gezielte Sammlung,

Erschließung und Speicherung von Daten. Menschen dokumentieren in der

Absicht, Informationen oder Wissen nutzbar zu machen. Die Dokumentation

stellt also keinen Selbstzweck dar. Es geht vielmehr darum, berechtigten

Personen gezielt relevante Informationen zur Verfügung zu stellen, und zwar

zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort und in der richtigen Form - im

medizinischen Aufgabenkreis zum Wohle der Patientenversorgung. Schon

Hippokrates empfahl daher seinen Schülern, sich Aufzeichnungen über ihre

Patienten zu machen. Neben diesem ursprünglichen Ziel, existieren

mittlerweile juristisch, wirtschaftlich und wissenschaftlich motivierte

Dokumentationsaufgaben (Leiner et al., 2006).

Primär dient die medizinische Dokumentation jedoch der wirkungsvollen und

angemessenen Behandlung des Patienten, indem sie

• deren Verlauf dokumentiert,

• die Basis für alle Entscheidungen darstellt und dadurch

• alle getroffenen Entscheidungen begründet und nachvollziehbar

macht (Haas, 2005).

Die folgende Tabelle veranschaulicht die dokumentarischen Ziele.

Page 29: Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der ...Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der Geburtsdokumentation in Europa Inaugural-Dissertation ... das Arzt-Patienten-Verhältnis

25

Tabelle 1: Ziele der Dokumentation (nach Berg, 2006)

Ärztliche/ pflegerische

Gesichtspunkte

Patienten-rechte

Haftungs-rechtliche

Bedürfnisse

Leistungs- rechtliche

Bedürfnisse *

Gedächtnisstütze für den

behandelnden Arzt

X

Information mitbe- handelnder Ärzte und

Pflegekräfte

X

Information des

Patienten

X

Information Dritter (Versicherungen,

Gutachter, Gericht)

X

X

Nachweis diagnos-tischer und thera-

peutischer Maßnahmen

X

X

*Fehlbelegungsprüfung der Kostenträger, unnötige/unwirtschaftliche Leistungserbringung, ambulante vs. stationäre Behandlung etc.

3.3.2 Ziele der Geburtsdokumentation

Im Geburtswesen ist die Verlaufsdokumentation der Geburt von

außerordentlicher Bedeutung. Sie gestaltet sich allerdings, aufgrund der

multiplen Beteiligten sowie der unterschiedlichen Zuständigkeitsbereiche, als

besonders komplex.

Die schriftliche Fixierung des Geburtsvorgangs vertritt jedoch die Interessen

aller beteiligten Personenkreise, denn sie dient sowohl der

Patientensicherheit als auch dem Haftungsschutz und leistungsrechtlichen

Bedürfnissen. Das Geburtsprotokoll ermöglicht alle erbrachten

therapeutischen Teilleistungen zu dokumentieren, zu visualisieren und es

bildet gleichsam die Verständigungsbasis zwischen den kooperierenden

Berufsgruppen.

Da detailliertere Anforderungen an das Geburtsprotokoll im europäischen

Raum bisher von keiner Fachgesellschaft oder Organisation – außer der

Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe in

Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht – ausgesprochen

wurden, beziehen sich nachfolgende Angaben im Wesentlichen auf jene

Page 30: Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der ...Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der Geburtsdokumentation in Europa Inaugural-Dissertation ... das Arzt-Patienten-Verhältnis

26

Leitlinie „Empfehlungen zur Dokumentation der Geburt – Das

Partogramm“ (DGGG und AG MedR, 2008a).

Die Geburtsdokumentation dient:

1. als Instrument zur chronologischen und grafischen Darstellung des

Geburtsverlaufs,

2. als Gedächtnisstütze für den behandelnden Arzt,

3. zur Information mit- und nachbehandelnder Ärzte, Hebammen und

Pflegekräfte,

4. zur Information der Patientin,

5. zur Information Dritter wie z. B. Qualitätssicherung, Gutachter und

Gericht und Krankenkassen.

Diese Punkte werden im Folgenden näher erläutert:

Zu 1.: Die chronologische und grafische Aufzeichnung des

Geburtsgeschehens erlaubt dem Informationssuchenden eine schnelle

Übersichtsverschaffung über die Abläufe. Der grafische Anteil des

Partogramms bietet hierbei dem menschlichen Auge eine besonders präzise

und schnell nachvollziehbare visuelle Informationsqualität, die einer rein

schriftlichen Protokollierung überlegen ist (Washburne, 1927 a+b).

Zu 2.: Im Klinikalltag befindet sich der geburtsbetreuende Arzt zumeist in

einem vielschichtigen Aufgabenareal. Nicht selten werden mehrere Geburten

gleichzeitig betreut. Um trotzdem die Übersicht über die einzelnen Verläufe

zu behalten, fungiert das Geburtsprotokoll als Erinnerungshilfe (Berg, 2006).

Zu 3.: Der zeitliche Rahmen einer Geburt ist sehr variabel und kaum

vorhersehbar. In der Regel ist die Gebärende daher von Schichtwechseln der

Ärzte und Hebammen betroffen. Die Dokumentation dient hier der

Vermeidung eines Informationsverlustes an Nachbehandelnde und

unterstützt die Kommunikation zwischen den Berufsgruppen. Aus diesem

Grund ist eine einheitliche und von Ärzten und Hebammen gemeinsam

vorgenommene Dokumentation von eminenter Bedeutung. So wird ein

doppelter Arbeitsaufwand und widersprüchliche Eintragungen vermieden

(Meilwes, 2005).

Page 31: Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der ...Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der Geburtsdokumentation in Europa Inaugural-Dissertation ... das Arzt-Patienten-Verhältnis

27

Zu 4. und 5.: Des Weiteren wird durch die Dokumentation das

Informationsrecht der Patientin und ggf. Dritter gestillt. Idealerweise erhöht

die Geburtsdokumentation damit die Transparenz der Vorgänge und

ermöglicht Vergleichbarkeit, bietet forensische Absicherung und gewährt

unter ökonomischen Gesichtspunkten eine angemessene Leistungs-

vergütung (Leiner, 2006).

Zusätzliche Ansprüche ergeben sich laut DGGG daraus, dass das

Geburtsprotokoll in seiner Bedeutung einem OP-Bericht entspricht. Es soll

den Geburtsverlauf so darstellen, dass es auch einem fachkundigen Dritten

möglich ist, sich in kürzester Zeit einen Überblick über die handelnden

Personen, die Zeiten, die getroffenen Maßnahmen, Beobachtungen und

Überlegungen zu verschaffen. Auch die Nichtdurchführung eines zwar

erwogenen, aber schließlich doch nicht durchgeführten Eingriffes und die

Gründe hierfür sollten dokumentiert werden (DGGG und AG MedR, 2008a).

Aufgrund der Komplexität und praktischen Relevanz der forensischen

Obliegenheiten, werden diese im nachfolgenden Kapitel detaillierter

betrachtet.

An dieser Stelle sei angemerkt, dass die erwähnte Leitlinie der DGGG, wie

alle Leitlinien, die Summe Evidenz-basierter medizinischer Erkenntnisse und

ärztlicher Erfahrung darstellt. Ihnen kommt zwar kein Gesetzesrang zu, in der

Regel stellen sie aber im Falle von Haftungsklagen den rechtlichen Maßstab

und den Mindeststandard dar (Pelz und Hickl, 1999).

Leitlinien sind also unverbindliche Handlungsanleitungen, von welchen im

individuellen Fall aufgrund der Therapiefreiheit abgewichen werden kann.

Damit aus diesem Abweichen kein Haftungstatbestand folgt, sollte das

Abweichen mit Begründung dokumentiert werden (Weidinger, 2007).

3.3.3 Parameter

Ein allgemein anerkannter Vordruck des Partogramms auf Basis der Leitlinie

existiert bisher nicht, allerdings sind die einzelnen Aufzeichnungsparameter

näher benannt und erläutert.

Das Partogramm sollte neu hinzukommenden Hebammen und Ärzten rasch

und übersichtlich folgendes darlegen:

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28

1. Information über die Besonderheiten der Anamnese und jetzigen

Schwangerschaft (Tabelle 2),

2. Information über Verlauf und Stand der Geburt (Tabelle 3).

Ergänzend kommen hinzu:

• das CTG,

• evtl. OP-Berichte,

• Eingaben in das klinikübliche Programm der Qualitätssicherung,

• Aufklärungen über geburtshilfliche Operationen und die PDA, eine

eventuelle Blenorrhoe-Prophylaxe, die Konakion-Gabe etc.

Im Einzelnen werden von der DGGG folgende Datenerhebungen gefordert:

Tabelle 2: Besonderheiten der Anamnese und jetzigen Schwangerschaft (nach DGGG und AG MedR, 2008a)

Notwendige Stammdaten der Patientin

Name, Geburtsdatum, Wohnort, Ansprechpartner in Notfällen, Religion, Krankenkasse Anzahl der Schwangerschaften, Fehlgeburten, EUG, Mole, Geburten mit Angabe des Jahres, relevante Voroperationen Tragzeit, Geburtsmodus, Geburtsverlauf, Kindsgewicht, „schwere oder lange“ Geburt, Zustand des Kindes, Geburtsverletzungen, sonstige Besonderheiten

Synopsis früherer Schwangerschaften

Pathologie der Schwangerschaft, der Nachgeburtsperiode oder des Wochenbetts

Besonderheiten der jetzigen Schwangerschaft

z. B. Frühgeburt, Hypertonie, Diabetes, Rh-Inkompatibilität, fetale Retardierung, Einnahme von Medikamenten, Drogen, Nikotin etc.

Angaben zum Geburtstermin

Errechneter Termin Korrigierter Termin Tragzeit bei Kreißsaaleintritt

Angaben zum Geburtsbeginn

Zeitpunkt der Wehenbeginns Blasensprung Fruchtwasserfarbe

Wichtige serologische Angaben

Blutgruppe, Rh-Faktor, Infektionen (z. B.: beta-hämolysierende Streptokokken nachgewiesen?) Allergien

Angaben zur Krankenhaus- und Kreißsaalaufnahme und zur Erstuntersuchung

Datum und Uhrzeit des Klinikeintritts Datum und Uhrzeit des Kreißsaaleintritts Datum und Uhrzeit der Erstuntersuchung Befunderhebung: - Wehentätigkeit - Schmerzen - Muttermundseröffnung - Höhenstand des vorangehenden Teils - Lage und Haltung des Kindes - ggf. Pfeilnaht - geschätztes Kindsgewicht - Fruchtblase, Fruchtwasser (Abgang, Farbe) - Aufnahme-CTG (normal, suspekt, pathologisch) - Blutdruck und Puls, ggf. Temperatur der Schwangeren

Page 33: Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der ...Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der Geburtsdokumentation in Europa Inaugural-Dissertation ... das Arzt-Patienten-Verhältnis

29

Tabelle 3: Informationen über Verlauf und Stand der Geburt (nach DGGG und AG MedR, 2008a)

In tabellarischer Form

Die Tabelle enthält Spalten für - Datum und Uhrzeit - Befund/Anordnung/

Besonderheiten/ Aufklärung - Unterschrift von Arzt und

Hebamme

Hier sind alle erhobenen Befunde zeitgerecht zu dokumentieren und durch Unterschrift zu bestätigen. Erfasst werden sollten auch Anordnungen und Maßnahmen wie - Verständigung des Arztes bzw.

Oberarztes - Eintreffzeit des Hinzugezogenen - Gabe von Medikamenten und

Infusionen - Besondere Lagerung/Haltung der

Gebärenden CTG Jeder CTG-Streifen ist mit

Name der Patientin, Datum und Uhrzeit zu versehen.

Jedes CTG ist vom Arzt abzuzeichnen. Der Arzt soll sich auf eine Diagnose, am besten nach dem FIGO-Score, festlegen: - Pathologisch - Suspekt - Unauffällig - Wiederholung (wenn technisch

mangelhaft) Die Zeitangaben des Kardiotokographen müssen mit der tatsächlichen Uhrzeit und allen anderen benutzten Uhren übereinstimmen.

Gesonderte Berichte

Geburtshilfliche Operationen (auch Nichtdurchführung einer erwogenen Operation)

Im Geburtsbericht ist die geburtshilfliche Gesamtsituation zu beschreiben, die zur Operation bzw. deren Unterlassung führte. Es sind die Namen aller Beteiligten und Zeiten zu dokumentieren.

Beurteilung des Neugeborenen

Nach den Regeln der entsprechenden Leitlinien und gesetzlicher Qualitätssicherungsmaßnahmen

Apgar-Wert, pH, Gewicht, Länge, Kopfumfang, U1, Besonderheiten, evtl. Verlegung

Der Zustand von Mutter und Kind post partum sollte nach den Regeln der

gesetzlichen Qualitätssicherungsmaßnahmen erfasst werden.

Zur Vermeidung widersprüchlicher Eintragungen sollte das Geburtsprotokoll

abgeglichen und von Hebamme und Arzt unterschrieben werden.

Die Auswertung des CTGs kann unter Anwendung verschiedener Methoden

erfolgen, am gebräuchlichsten sind FIGO- und Fischer-Score. Der FIGO-

Score ist sowohl zur ante- als auch zur subpartualen Beurteilung des CTGs

geeignet, der Fischer-Score gestattet lediglich die antepartuale Auswertung

(Schneider und Gnirs, 2006). Aus diesem Grund empfiehlt die DGGG eine

Page 34: Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der ...Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der Geburtsdokumentation in Europa Inaugural-Dissertation ... das Arzt-Patienten-Verhältnis

30

Auswertung nach FIGO (DGGG und AG MedR, 2008a, DGGG et al., 2007).

Es besteht die Möglichkeit, die Eintragung von Befunden, Anordnungen und

Maßnahmen auf dem CTG-Streifen als Ersatz für Eintragungen im

Partogramm zu verwenden (DGGG und AG MedR, 2008a).

3.3.4 Layout

Der - wie von der DGGG geforderte - tabellarische Anteil des Partogramms

eignet sich insbesondere für eine schnelle Übersichtsverschaffung über den

Geburtsverlauf. Ob die Öffnung des Muttermundes und das Tiefertreten des

vorangehenden kindlichen Teils grafisch, also durch eine Abszisse, die den

zeitlichen Verlauf und eine Ordinate, welche Höhenstand und Cervixdilatation

beschreibt, visualisiert werden sollte, bleibt jedoch mangels Konkretisierung

seitens der Leitlinie offen. Aufgrund dessen, dass im Leitlinien-Titel der

historisch geprägte Begriff „Partogramm“ Verwendung findet, ist jedoch von

der Empfehlung einer grafischen Darstellung auszugehen.

Es existiert allerdings kein universell anerkanntes Design dieses

bedeutsamen Instruments. Daher besteht eine große Variationsbreite der

Achsenverhältnisse in den verschiedenen zurzeit verwendeten

Partogrammen. Dies wirkt sich insofern aus, als dass trotz identischer Daten,

die eingezeichneten Kurven steiler oder flacher verlaufen können. Zur

Veranschaulichung sind in Abbildung 6 in zwei Diagramme mit

unterschiedlicher Achsenrelation identische Cervixdilatationswerte gegen

den zeitlichen Verlauf aufgetragen.

Obwohl dies ein rein optisches Phänomen darstellt, ist eine Beeinflussung

des geburtshilflichen Handelns nicht auszuschließen. So kann eine flach

verlaufende Cervixdilatationskurve einen scheinbar prolongierten

Geburtsverlauf implizieren und eine ärztliche Entscheidung eher in Richtung

eines großzügigen Interventionseinsatzes lenken (Cartmill und Thornton,

1992).

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31

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Zeit (h)

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Zeit (h)

Cer

vixd

ilata

tion

(cm

)

Abbildung 6: Optischer Effekt unterschiedlicher Achsenverhältnisse im Partogramm

Diese Hypothese wurde in einer Studie aufgegriffen, welche drei

verschiedene Achsenverhältnisse im klinischen Einsatz miteinander

verglichen hat. Es konnte gezeigt werden, dass bei flachem Kurvenanstieg

signifikant häufiger Oxytocin zur Kontraktilitätssteigerung des Uterus

verwendet wurde, während jedoch andere Indikatoren, wie die Dauer der

Eröffnungsphase, Anzahl der vaginalen Untersuchungen und

Page 36: Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der ...Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der Geburtsdokumentation in Europa Inaugural-Dissertation ... das Arzt-Patienten-Verhältnis

32

geburtshilflicher Operationen, in allen Gruppen sich ähnlich verhielten (Tay

und Yong, 1996).

Eine eindeutige Aussage zur Relevanz des Achsenlayouts kann somit noch

nicht getroffen werden. Bei künftigen Entwürfen sollte eine mögliche

Beeinflussung der geburtshilflich handelnden Personen jedoch im Hinterkopf

behalten werden.

3.3.5 Aufzeichnungsmedium

Als Aufzeichnungsmedium sind drei mögliche Varianten denkbar:

Zum Einen können jegliche Eintragungen auf einem Blanko-Zettel

vorgenommen werden. Als problematisch können sich hierbei die geringe

Strukturierung und die Gefahr der Unvollständigkeit erweisen. Die

Übersichtlichkeit hängt stark vom Ausfüllenden ab und ist für

Hinzukommende möglicherweise nicht selbsterklärend. Eine reine Auflistung

der Geschehnisse, ohne Grafik, ist zudem schwer verständlich und

arbeitsintensiv.

Zum Anderen existiert die derzeit wohl am häufigsten praktizierte Option des

Vordrucks auf Papier, meist im DIN A3- oder DIN A4-Format mit

eingebundener Grafik, in welchen handschriftliche Eintragungen

vorgenommen werden. Hierbei ist eine klare Strukturierung vorgegeben und

dem Ausfüllenden stehen wesentliche Eintragsvorschläge zur Verfügung.

Nachteilig ist die große Vielfalt der verwendeten Vordrucke.

Drittens besteht die Möglichkeit der digitalen Aufzeichnung, welche mit

steigender Tendenz genutzt wird. Diesbezüglich stehen verschiedene

Softwaresysteme zur Verfügung. Neben den Stärken und Schwächen, die

sich ähnlich wie beim Vordruck verhalten, ist es erwähnenswert, dass hier

optional die Möglichkeit der elektronischen Erinnerung bei Unvollständigkeit

gegeben ist (Haas, 2005). Informationsbündelnd kann auch eine Anbindung

an geburtsmedizinische Geräte, wie beispielsweise die Einspeisung von

CTG-Daten mit evtl. computergestützter Auswertung, wirken. Des Weiteren

wäre eine Informationsweitergabe an andere berechtigte Dokumentations-

systeme, wie z. B. an die Qualitätssicherung (Perinatal-, Neonatal-

erhebungen, NEO-KISS), elektronische Krankenakte und DRG-Kodierung,

Page 37: Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der ...Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der Geburtsdokumentation in Europa Inaugural-Dissertation ... das Arzt-Patienten-Verhältnis

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denkbar. So kann eine erhöhte Arbeitsbelastung durch Mehrfach-

dokumentation vermieden werden (Meilwes, 2005). Ein nicht zu

unterschätzender Vorteil ergibt sich aus der gleichzeitigen Verfügbarkeit der

Daten an mehreren Orten (Leiner et al., 2006). So wäre es bspw. möglich,

dass ein auf Station tätiger Arzt in der Anfangsphase der Geburt

Einsichtnahme in deren Verlauf hat ohne Wegstrecken auf sich nehmen zu

müssen. Die Einarbeitung mag hierbei wohl am aufwendigsten sein und es

sind spezielle rechtliche Anforderungen zu erfüllen, die im nachfolgenden

Kapitel näher dargestellt werden.

Ob die EDV-gestützte Dokumentation vollständiger ist als diejenige auf

Papier, ist umstritten. In einer amerikanischen Studie fehlten in den

herkömmlichen Papierakten der Aufnahmeuntersuchung signifikant häufiger

Angaben bezüglich Wehentätigkeit, Fruchtblasenstatus, vaginaler Blutung,

Kindsbewegungen, und serologischer Ergebnisse gegenüber der

computergestützten Aufzeichnung (Eden et al., 2008). Ist jedoch die

elektronische Erinnerungsfunktion, die bei nicht ausgefüllten Feldern für

Vollständigkeit sorgen soll, deaktiviert, so sinkt der Anteil ordnungsgemäß

ausgefüllter Akten drastisch (Habermann et al., 2007, Tomaselli, 2009).

Schlussfolgernd kann ein elektronisches Dokumentationssystem also eine

gute, wenn nicht gar bessere, Alternative zur handschriftlichen

Dokumentation darstellen, wenn die Risiken dabei beachtet werden. Hier ist

auf eine Weiterentwicklung der Software-Technik, gerade in Bereichen der

forensischen Sicherheit und Anwenderfreundlichkeit, in den nächsten Jahren

zu bauen.

3.4 Forensische Aspekte

In diesem Teil der Arbeit werden die vielschichtigen rechtlichen Aspekte der

medizinischen Dokumentation und der Geburtsdokumentation im Speziellen

erörtert.

3.4.1 Dokumentationspflichten

Gemäß § 10 der Musterberufsordnung für deutsche Ärztinnen und Ärzte

(MBO-Ä) gehört die Dokumentation zur Berufspflicht des Arztes. Zwar soll sie

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34

in erster Linie als Kommunikations- und Qualitätssicherungsinstrument der

ordnungsgemäßen Behandlung des Patienten dienen (OLG Oldenburg,

MedR 1992, 114; BGH VersR 1995, 340), jedoch kommt ihr immer mehr die

Bedeutung eines Beweismittels bei haftungsrechtlichen Auseinander-

setzungen zu. Eine Dokumentation zur Information Dritter (z. B. Gutachter)

ist also nicht zwingend erforderlich, erscheint aber in Anbetracht der

juristischen Entwicklungen zweckmäßig und sinnvoll. Der frühere Standpunkt

der Rechtssprechung, wonach ärztliche Aufzeichnungen lediglich als

Gedächtnisstütze des Arztes galten, wurde im Jahr 1978 vom BGH

aufgegeben (Ulsenheimer, 2006).

Grundsätzlich gilt, dass einer vertrauenswürdigen ärztlichen Dokumentation

bis zum Beweis des Gegenteils Vertrauen zu schenken ist und diese die

Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich hat (BGH MDR 1978,

917). Hierfür ist eine exakte, ausführliche und glaubwürdige Dokumentation

jedoch unerlässlich.

Ebenso besteht auf Seiten der Hebammen eine in der Berufsordnung der

Länder verankerte Dokumentationspflicht (z. B. für Nordrhein-Westfalen gilt:

§ 1 Abs. 2 Nr. 3 LHebG NRW).

Die Dokumentation ist ebenfalls eine geschuldete Nebenpflicht des

Behandlungsvertrages zwischen Arzt und Patient (Meister, 1999). Im

Klinikbetrieb steht der Krankenhausträger in der Verpflichtung, für die

Durchführung einer ordnungsgemäßen Dokumentation zu sorgen und deren

Einhaltung zu kontrollieren. In der Regel wird dieser Aufgabenbereich an den

leitenden Arzt einer Abteilung bzw. die leitende Pflegekraft delegiert (Berg,

2006).

Die Dokumentation muss zeitnah durchgeführt werden und darf nach ihrem

Abschluss nicht mehr verändert werden, da sonst der Tatbestand der

Urkundenfälschung erfüllt ist (OLG Koblenz, MedR 1995, 29 ff.). Ist die

Dokumentation jedoch fehlend, unzureichend oder fehlerhaft, kann auch

noch nachträglich ergänzt und kommentiert werden, wenn dies unter Angabe

des Veranlassenden, des Datums und der Uhrzeit erfolgt (OLG Oldenburg

1991, 5 U 120/90, MedR 1992, 111).

Page 39: Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der ...Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der Geburtsdokumentation in Europa Inaugural-Dissertation ... das Arzt-Patienten-Verhältnis

35

Falls Komplikationen zu sich überstürzenden Ereignissen führen und ein

zeitgleiches protokollieren nicht möglich ist, sollte nach Behandlungs-

abschluss ein ausführliches Gedächtnisprotokoll von allen Beteiligten

angefertigt werden (Rumler-Detzel und Beck, 1999).

Die Dokumentation hat zum Ziel, die üblichen Daten der Beratung, der

Diagnostik, der Therapie und des Verlaufs festzuhalten, um den

behandelnden Arzt, Mitarbeiter und ggf. Gutachter in die Lage zu versetzen,

das Geschehen zu verstehen und zu bewerten. Die Qualität der laufenden

Behandlung sowie von Anschlussbehandlungen wird auf diese Weise

sichergestellt. Hierbei ist zu beachten, dass Routinemaßnahmen, wie

beispielsweise die Desinfektion vor einer i.m.-Injektion, nicht vermerkt zu

werden brauchen. Die Notizen sollten jedoch umso ausführlicher sein, wenn

von der Norm abgewichen wird und Ausnahmen gemacht werden (BGH VI

ZR 170/88, NJW 1989, 2330; OLG Zweibrücken, 1997, 5 U 7/95, Pflegerecht

1998, 88). Bei Standardverfahren können gängige Kürzel, wie etwa „PA“ für

Pudendusanästhesie ohne Komplikationen, verwendet werden (OLG

Saarbrücken, 1993, AHRS KzA 6450/107).

Zu beachten ist, dass immer auch der Normalverlauf dokumentiert werden

muss, da sonst Vermutungen angestellt werden können, dass Abweichungen

nicht beachtet wurden. Wenn beispielsweise Eintragungen zwischen der

Aufnahme der Gebärenden in den Kreißsaal und der Geburt des Kindes

fehlen, kann einem Vorwurf der Patientin, es habe sich niemand um sie

gekümmert, nichts entgegengehalten werden (Berg, 2006).

Die ordnungsgemäße Dokumentation dient auch der Wahrung des

Persönlichkeitsrechts des Patienten (BGH MedR 1987, 238). Sie soll der

behandelten Person darüber Rechenschaft ablegen, was mit Körper und

Gesundheit im Behandlungsverlauf geschehen ist. Dieser Anspruch

begründet sich auf dem durch Artikel 2 Abs. 2 des Grundgesetzes

geschützten Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Rumler-Detzel

und Beck, 1999). Daher hat der Patient ein Recht auf Einsichtnahme in die

Unterlagen. Ausnahmen bilden lediglich Passagen, die subjektive Eindrücke

und Wahrnehmungen des Arztes enthalten (§ 10 MBO-Ä). Auf Verlangen

Page 40: Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der ...Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der Geburtsdokumentation in Europa Inaugural-Dissertation ... das Arzt-Patienten-Verhältnis

36

sind Kopien der Unterlagen gegen Erstattung der Kosten herauszugeben

(Dettmeyer, 2001).

Die Berufsordnung verlangt eine Aufbewahrungsfrist der Unterlagen von 10

Jahren. Aus haftungsrechtlicher Sicht besteht die Empfehlung diese auf 30

Jahre auszuweiten, da gerade im geburtshilflichen Bereich Klagen noch nach

Jahrzehnten zu erwarten sind (Berg, 2006). Abbildung 7 verdeutlicht dies

exemplarisch anhand einer Statistik der Versicherungskammer Bayern.

Abbildung 7: Meldung von Geburtsschäden bei der Versicherungskammer Bayern unter Berücksichtigung von Melde- und Ereignisjahr (nach Lichtmannegger und Kleitner, 2006)

Die Archivierung der Daten sollte so erfolgen, dass auf sie auch noch nach

Jahren zurückgegriffen werden kann. Neue Herausforderungen warten hier

in der Übergangsphase zur digitalen Speicherung. Während ein schriftliches

Dokument Urkundenstatus besitzt, müssen digitale Daten erst gegen

nachträgliche Manipulierbarkeit geschützt werden und es muss gewährleistet

sein, dass diese auch nach Jahren noch auslesbar sind. Eine unrechtmäßige

Einsichtnahme und Verwendung muss ausgeschlossen sein (Berg, 2006).

Aus diesem Grund wird zurzeit noch empfohlen, dass digital erstellte Daten

zeitnah ausgedruckt und handschriftlich abgezeichnet werden (DGGG und

AG MedR, 2008a).

Page 41: Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der ...Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der Geburtsdokumentation in Europa Inaugural-Dissertation ... das Arzt-Patienten-Verhältnis

37

3.4.2 Beweislast

Im Falle eines Arztfehlerprozesses muss der Arzt dem klagenden Patienten

Aufschluss über sein Vorgehen geben. Dieser Beweispflicht kommt er durch

Vorlage einer ordnungsgemäßen Dokumentation nach. Ist diese nicht

vorhanden oder lückenhaft, stellt dies zwar keine eigenständige

Anspruchsgrundlage für Schadensersatz- und/oder Schmerzensgeld-

ansprüche dar (BGH NJW 1988, 2949 ff.), dies kann jedoch zu einer

Beweislasterleichterung zugunsten des Patienten bzw. sogar zur

Beweislastumkehr zu Lasten des Arztes führen.

In der Regel trägt der Kläger die Beweislast. Das heißt, er muss

Nachforschungen anstellen, die juristisch ein Fehlverhalten des Arztes

nachweisen. Im Falle der Beweislastumkehr liegt jedoch die Beweispflicht für

den kausalen Zusammenhang der defizitären Behandlung mit dem

eingetretenen Schaden nicht auf Seiten des Patienten, sondern der Arzt hat

nachzuweisen, dass ein fehlerhaftes Verhalten auf seiner Seite

ausgeschlossen ist (Ulsenheimer, 2006). Zu dieser Umkehrung kann es

kommen, wenn die Dokumentationslücke einen groben Behandlungsfehler

indiziert, der als solcher die Grundlage für eine Beweislastumkehr bildet

(BGH NJW 1993, 2376). Von einem groben Behandlungsfehler spricht man,

wenn bei allem Verständnis für ein gelegentliches menschliches

Fehlverhalten bei Anwendung des gebotenen Ausbildungs- und

Wissensmaßstabes so sehr gegen elementare Regeln verstoßen wird, dass

ein solcher Fehler nicht vorkommen darf (BGH NJW 1983, 2080 = VersR

1983, 729, ständ. Rspr.). Hier sei exemplarisch das Zuwarten trotz

pathologischen CTGs genannt.

Die korrekte Dokumentation stellt bei diesem Sachverhalt also einen

zentralen Aspekt dar: „Was nicht dokumentiert ist, gilt als nicht

geschehen.“ (BGHZ 99, 391, S. 396 f.).

Bei Dokumentationsdefiziten und vermutetem groben Behandlungsfehler ist

es demnach dem Arzt unmöglich, sein mutmaßlich korrektes Vorgehen vor

Gericht zu beweisen und er verliert, unabhängig davon, ob ein

Behandlungsfehler vorliegt oder nicht, den Prozess.

Page 42: Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der ...Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der Geburtsdokumentation in Europa Inaugural-Dissertation ... das Arzt-Patienten-Verhältnis

38

3.4.3 Problematik von Kompetenzschnittstellen

Durch zunehmende Spezialisierung im Gesundheitssektor kommt der

interdisziplinären Zusammenarbeit in Krankenhaus und Praxis eine

steigende Bedeutung zu. Im geburtshilflichen Bereich wird die

Patientenbetreuung in der Regel durch ein umfangreiches

multiprofessionelles Team sichergestellt, bestehend aus niedergelassenen

und klinisch tätigen Gynäkologen, Anästhesisten, Pädiatern, Hebammen,

Pflegepersonal und ggf. weiteren Beteiligten. Eine gute Kommunikations-

und Organisationsstruktur dieser Schnittstellen verschiedener Berufsgruppen

und Abteilungen hat entscheidenden Einfluss auf ein erfolgreiches

Behandlungskonzept. So verwundert es nicht, dass die Auswertung von

Schadensfällen mehrfach belegt hat, dass nicht der klassische

Behandlungsfehler das größte Risiko darstellt, sondern Koordinations- und

Organisationsmängel (Berg, 2004, Lichtmannegger, 2004, Rumler-Detzel

und Beck, 1999). Dies verdeutlicht den Stellenwert der Dokumentation als

Kommunikationsinstrument zwischen den einzelnen Beteiligten.

Eine besondere Hersausforderung ist im sich ergänzenden Arbeitsfeld von

Hebamme und geburtshilflich tätigem Arzt zu verzeichnen. Während noch

über den zweiten Weltkrieg hinaus in Deutschland die Hausgeburt unter der

alleinigen Leitung einer frei praktizierenden Hebamme üblich war, wandelte

sich dieser Sachverhalt im Laufe der Jahre. Die medizinische Wissenschaft

drang auf dem Gebiet der Geburtshilfe vor und setzte neue Maßstäbe im

Bereich der Sicherheit für Mutter und Kind. Deutschland nimmt, dank der

Beiträge von beiden Berufsgruppen, im Ländervergleich eine Spitzenstellung

ein, wenn es um die geringe Mortalität und Morbidität von Mutter und Kind

geht (Franzki, 2006). Seit in Kraft treten der Paragraphen §§ 195, 196 RVO,

welche Schwangeren das Wahlrecht einräumen, bei und nach der

Entbindung ärztliche Betreuung in Anspruch zu nehmen, verschiebt sich das

Gewicht von Hausgeburt in Richtung Klinikentbindung und stagniert auf

einem konstanten Niveau (Abbildung 8).

Page 43: Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der ...Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der Geburtsdokumentation in Europa Inaugural-Dissertation ... das Arzt-Patienten-Verhältnis

39

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010

Jahr

Klin

iken

tbin

dung

en in

%

Abbildung 8: Anteil der Klinikentbindungen in der Bundesrepublik Deutschland 1955-2008 (nach BMFSFJ, 1999 und DESTATIS, 2010)

Somit hat sich auch das Betreuungs- und Kompetenzbereichverhältnis

verschoben. Doch die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Hebamme im

Klinikbetrieb ist im Berufsrecht nicht detailliert geregelt, sondern zeichnet sich

vielmehr durch örtliche Absprachen, klinische Dienstanweisungen, sowie

durch Rechtssprechungen aus (Franzki, 2006).

Aus dem Reichshebammengesetz von 1938 wurde in das aktuelle

Hebammengesetz von 1985 die Pflicht übernommen, bei jeder Geburt eine

Hebamme mitwirken zu lassen. Ein Arzt muss nicht regelhaft hinzugezogen

werden, denn allgemein gilt, dass gemäß § 4 des Hebammengesetzes

Hebammen dazu befähigt sind, alle regelrechten Vorgänge der

Schwangerschaft, der Geburt und des Wochenbettes selbstständig zu

betreuen. Jedoch ist bei regelwidrigen Ereignissen der Arzt verpflichtend

einzuschalten.

Entscheidet sich die Schwangere allerdings bewusst für eine stationäre

Geburtsbetreuung in einer Klinik, liegt die organisatorische

Endverantwortung auf ärztlicher Seite. Falls die Gebärende nicht

ausdrücklich darauf verzichtet, darf sie erwarten, dass die Leitung der Geburt

regelhaft ab einem bestimmten Stadium von einem Arzt übernommen wird.

Dies ist spätestens mit Beginn der Pressperiode der Fall (DGGG und AG

MedR, 2008b). Der die Geburtshilfeabteilung leitende Arzt befindet darüber,

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40

in welchem Umfang bestimmte Aufgaben von der Ärzteschaft

wahrgenommen oder von Hebammen ausgeführt werden. Bei Hausgeburten

und Entbindungen in Geburtshäusern verhält sich die Rechtslage anders. Da

diese aus prozentualer Sicht eine untergeordnete Rolle spielen und sich

diese Arbeit auf den klinischen Bereich konzentriert, soll an dieser Stelle

nicht näher darauf eingegangen werden.

Hebammen befinden sich demnach in einer außergewöhnlichen beruflichen

Situation, da sie teils selbstständig und teils als Gehilfin des Arztes agieren

und sich ihr Berufsbild durch die erwähnte Verlagerung von der Haus- zur

Klinikgeburt stark gewandelt hat (Franzki, 2006). Aufgrund ihrer Doppelrolle

als Heilhilfs- und eigenständigem Medizinalberuf, befinden sie sich in einem

Spannungsfeld aus horizontaler und vertikaler Arbeitsteilung (Ratzel, 1999).

Um diesem Konfliktpotential Einhalt zu gewähren, ist jeder Klinik anzuraten,

berufsgruppenübergreifende Kompetenz- und Zuständigkeitsabgrenzungen

zu erarbeiten und schriftlich niederzulegen, um Schadensfälle abzuwenden

und die Verantwortlichen vor dem Vorwurf verletzter Organisations- und

Aufsichtspflichten zu bewahren (Lichtmannegger und Burdelski, 2006).

3.5 Standardisierung der medizinischen Dokumentatio n

Unter standardisierter Dokumentation versteht man die einheitliche

Aufzeichnung bestimmter Merkmale (Leiner, 2006). Im medizinischen

Verwendungszweck existieren alle Grade der Standardisierung, also von

nichtstandardisierter Dokumentation (z. B. Freitextanamnese) bis zu

überwiegend vollstandardisierter Dokumentation (z. B. Todesbescheinigung

NRW).

Vom Standardisierungsgrad der Dokumentation ist sowohl die Nutzung für

nachgeordnete Verwendungszwecke als auch ihre Vollständigkeit, Qualität,

Kontinuität und Unabhängigkeit von einzelnen Beobachtern abhängig (Haas,

2005). Feinstein geht sogar davon aus, dass die Standardisierung die Basis

einer fortschrittsorientierten und zum medizinischen Erkenntnisgewinn

beitragenden medizinischen Dokumentation darstellt und definiert sie als den

kritischen Erfolgsfaktor für die Medizin der Zukunft (Feinstein, 1987).

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41

Die Erhöhung der Vergleichbarkeit, die mit zunehmender Standardisierung

gewonnen wird, ist eine wesentliche Bedingung für Qualitätstransparenz und

schafft die Voraussetzung für eine Nutzung der Daten für klinisch-

wissenschaftliche Forschung. Dieser Zugewinn muss jedoch mit einer

reduzierten Spezifität abgewogen werden, welche sich durch eine

vergröberte Abbildung der tatsächlichen Verhältnisse in standardisierten

Verfahren manifestiert (Leiner, 2006).

Als Schlussfolgerung für die Geburtshilfe, die einen Bereich darstellt, in dem

eine hohe Transparenz durch Ärzte, Patienten, Qualitätssicherung etc.

eingefordert wird, ist also ein hohes Maß an Standardisierung

wünschenswert. Jedoch sollten ergänzende individuelle Eintragungen sowohl

im Papier- als auch im EDV-Dokument durch Freitextangaben möglich sein.

Page 46: Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der ...Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der Geburtsdokumentation in Europa Inaugural-Dissertation ... das Arzt-Patienten-Verhältnis

42

4 METHODIK

Zur Erfassung der deutschlandweiten Dokumentationspraxis wurde im

Rahmen dieser Arbeit eine empirische klinisch-prospektive Fragebogen-

erhebung als Studiendesign gewählt.

Die Durchführung der Studie wurde durch die Ethik-Kommission der

Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum genehmigt (Registrier-

Nr. 3743-10).

4.1 Klinikauswahl

In der Bundesrepublik Deutschland werden rund 98% aller Kinder in einer

geburtshilflichen Klinik, mit einer Betreuung durch Ärzte und Hebammen,

geboren (DESTATIS, 2010). Dies war Anlass, im Rahmen dieser Arbeit

lediglich in Geburtskliniken tätige Ärzte und Hebammen zu befragen und die

Untersuchung nicht auf Geburtshäuser unter Hebammenleitung und

freiberuflich tätige Hebammen im hausgeburtlichen Bereich auszudehnen.

Zur Auswahl der in dieser Studie befragten Kliniken wurde die Milupa-

Geburtenliste 2007/2008 herangezogen. In dieser Liste sind alle

geburtshilflich tätigen Kliniken der Bundesrepublik Deutschland,

einschließlich ihrer Geburtenzahlen des Jahres 2008, verzeichnet (Milupa,

2009). Ausgehend von 887 Geburtskliniken und einem gewünschten Recall

von 50% wurde eine Gesamtzahl von 95 Kliniken einkalkuliert um etwa 5%

aller deutschen Geburtskliniken durch die Befragung abzudecken.

Diese Kliniken wurden in vier Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe bilden die 35

Universitätskliniken. Die übrigen drei Klinikgruppen wurden mittels

geschichteter Zufallsauswahl gegliedert. Anhand der Anzahl der Geburten im

Jahr 2008 wurde eine Stichprobenschichtung in Häuser mit mehr als 1000

Geburten, 500 bis 999 und weniger als 500 vorgenommen. Aus jeder

Schichtgruppe sind jeweils 20 Häuser randomisiert ausgewählt worden.

Insgesamt wurden also 95 Geburtskliniken um Teilnahme an der Studie

gebeten.

Die Stichprobe ist demnach nicht als repräsentativ zu verstehen. Sie bildet

zwar alle Klinikgrößen ab, trägt aber der Tatsache Rechnung, dass in

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43

Kliniken der Maximalversorgung aufgrund des Hochrisikokollektivs und der

damit verbundenen erhöhten Komplikationsrate besonders komplexe

Anforderungen an die Dokumentation gestellt werden. Darüber hinaus wird

den Universitätskliniken ein gesteigertes Interesse an der Umsetzung

evidenzbasierter Praktiken und aktuellster wissenschaftlicher Erkenntnisse

unterstellt.

4.2 Experteninterview

Nach Einarbeitung in die Thematik wurden einige Experten aus dem Bereich

der Geburtshilfe um Teilnahme an einem telefonischen Interview gebeten.

Zur Verfügung gestellt haben sich freundlicherweise Prof. Dr. med. Werner

Bader aus Hannover, Prof. Dr. med. Hartmut Hopp aus Berlin, Prof. Dr. med.

Thomas Schwenzer aus Dortmund und Prof. Dr. med. Werner Rath aus

Aachen. Die Gespräche fanden im Juni 2009 statt. Diskutiert wurden die

Bedeutung der Studie und der Aufbau des Fragebogens. Es wurde als

sinnvoll erachtet, sowohl Ärzte als auch Hebammen zur Thematik zu

befragen.

4.3 Erhebungsbogen

Die Erhebung der Daten erfolgte über einen standardisierten Fragebogen,

welcher im Rahmen der vorliegenden Arbeit entwickelt wurde (siehe Anhang

S. 88-93). Der Fragebogen gliedert sich in drei Teile und umfasst 17 Fragen.

Im ersten Teil (Frage 1 bis 3) werden Angaben zum Berufsstand der

ausfüllenden Person (Assistenzarzt, Facharzt, Oberarzt, Chefarzt, Hebamme)

und Daten zur Eingruppierung der Geburtsklinik erhoben. Zum einen wird

nach der Anzahl der Entbindungen pro Jahr (>1000, 500 - 999, <500) und

dem eventuell vorhandenen Status einer Universitätsklink gefragt. Zum

anderen wird die neonatologische Versorgungsstufe ermittelt

(Perinatalzentrum Level I/II, perinataler Schwerpunkt, Geburtsklinik) gemäß

der „Vereinbarung über Maßnahmen zur Qualitätssicherung von Früh- und

Neugeborenen“ (G-BA, 2005).

Der zweite Fragenblock (Frage 4 bis 16) thematisiert die in der Klinik derzeit

durchgeführte Geburtsdokumentationspraxis und etwaige Verbesserungs-

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44

vorschläge. Unter anderem wird nach der regelmäßigen Durchführung eines

Partogramms, der gemeinsamen Nutzung eines Partogramms durch Ärzte

und Hebammen, dem Aufzeichnungsmedium und den einzelnen erhobenen

Parametern gefragt. Entwickelt wurden die Fragen u. a. aus der Leitlinie der

Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe „Empfehlungen zur

Dokumentation der Geburt – Das Partogramm“ (DGGG und AG MedR,

2008a), sowie dem Kapitel „Geburtsdokumentation“ aus „Facharzt

Geburtsmedizin“ (Kainer, 2005). Des Weiteren fanden Anregungen aus den

Experteninterviews Verwendung.

Im dritten Teil des Fragebogens (Frage 17) werden drei anonymisierte, auf

DIN A4-Format verkleinerte Fragebögen aus drei deutschen

Universitätskliniken einer Bewertung nach Schulnoten unterzogen.

Abschließend steht ein Freitext-Feld zur Verfügung, um Kommentare und

Anmerkungen vornehmen zu können.

4.4 Versendung der Fragebögen

Die ausgewählten Frauenkliniken wurden zunächst telefonisch um Teilnahme

gebeten. Nach Nennung eines Ansprechpartners erfolgte die Versendung

des Fragebogens in der Mehrzahl der Fälle per E-Mail. Wahlweise konnte

dies aber auch per Fax oder Brief erfolgen. Nach Möglichkeit wurden Ärzte

und Hebammen einzeln kontaktiert. In einem beiliegenden kurzen

Anschreiben wurde die Thematik erläutert und die Anonymität der

Auswertung versichert.

Die Versendung der Fragebögen erfolgte im Zeitraum von Dezember 2009

bis April 2011. Es wurden insgesamt 190 Fragebögen versandt, 95

Fragebögen an Ärzte und 95 Fragebögen an Hebammen. Berücksichtigt

wurden Antwortbögen, die bis zum 30.06.2011 eingetroffen sind.

4.5 Auswertung und Statistik

Die Auswertung erfolgte nach anonymer Übertragung der Antworten in ein

Tabellensystem in Microsoft Excel. Zur Auswertung gelangten 73

Fragebögen. Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt in Form einer

deskriptiven Statistik.

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45

Ursprünglich waren in Fragenblock 2 (Frage 4 bis 16) zwei verschiedene

Antwortoptionen für jede Frage (außer Nr. 8) vorgesehen: zum einen die

Darstellung des Ist-Zustandes der Geburtsdokumentation in den jeweiligen

Kliniken, zum anderen die Möglichkeit das derzeitige Vorgehen zu bewerten

und Wünsche zu äußern, was in ein etwaiges standardisiertes Partogramm

mit aufgenommen werden sollte. Auf Grund von häufig unvollständiger oder

widersprüchlicher Bearbeitung der zweiten Antwortoption, wurde diese nicht

in die Auswertung aufgenommen.

Page 50: Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der ...Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der Geburtsdokumentation in Europa Inaugural-Dissertation ... das Arzt-Patienten-Verhältnis

46

5 ERGEBNISSE

Nachfolgend werden die Ergebnisse der Fragebogenstudie zur

Geburtsdokumentation in der Bundesrepublik Deutschland in deskriptiver

Form dargelegt.

Um eine Verzerrung der Ergebnisse zugunsten der Kliniken, von welchen

sowohl Ärzte als auch Hebammen geantwortet haben, zu vermeiden, werden

die Antworten nach Berufsgruppe separat ausgewertet. Da sich das

Antwortverhalten von Ärzten und Hebammen sehr ähnlich gestaltete, finden

von Seiten der Hebammen lediglich stark differierende Ergebnisse Eingang.

5.1 Stichprobenstruktur

Die bundesweite schriftliche Befragung wurde mit jeweils 95 Ärzten und

Hebammen aus 95 verschiedenen Geburtskliniken durchgeführt. Die

Auswertung der Fragen 1 bis 3 stellt sich wie folgt dar.

5.1.1 Rücklaufquote

Auf Seiten der Ärzte wurden 49 Fragebögen zurückgesandt. Auf Seiten der

Hebammen waren es insgesamt 24 Bögen, die in die statistische Auswertung

mit eingingen. Die ärztliche Rücklaufquote beträgt somit 51,6%, die

Antwortrate der Hebammen 25,3%. Eine weitere Aufschlüsselung des

Rücklaufs in die vier Klinikkategorien ist folgender Tabelle zu entnehmen.

Tabelle 4: Rücklauf der Fragebögen

Kliniktyp Berufsgruppe

Versendete

Fragebögen

(n)

Zurückgesandte

Fragebögen

(n) (%)

Unikliniken Ärzte

Hebammen

35

35

19

7

54,3

20,0

> 1000 Geburten

pro Jahr

Ärzte

Hebammen

20

20

10

6

50,0

30,0

500-999 Geburten

pro Jahr

Ärzte

Hebammen

20

20

10

5

50,0

25,0

< 500 Geburten

pro Jahr

Ärzte

Hebammen

20

20

10

6

50,0

30,0

Summe Ärzte

Hebammen

95

95

49

24

51,6

25,3

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47

5.1.2 Berufliche Position

Auf ärztlicher Seite wurde der Fragebogen überwiegend von Oberärzten

ausgefüllt. Folgende Grafik gibt eine Übersicht über die berufliche Position

der ärztlichen Befragungsteilnehmer.

Facharzt12,2%

Oberarzt51,0%

Chefarzt8,2% Assistenzarzt

28,6%

Abbildung 9: Berufliche Position der ärztlichen Studienteilnehmer

5.1.3 Geburtenzahl

Eine Einordnung der teilnehmenden Universitätskliniken nach ihrer jährlichen

Geburtenzahl in die drei übrigen Klinikgruppen zeigt ein Überwiegen der

Kliniken mit mehr als 1000 Geburten pro Jahr (Abbildung 10).

<500 Geburten22,4%

500-999 Geburten

22,4%

>1000 Geburten55,1%

Abbildung 10: Geburtenzahlen der teilnehmenden Kliniken pro Jahr, inklusive Universitätskliniken

Page 52: Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der ...Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der Geburtsdokumentation in Europa Inaugural-Dissertation ... das Arzt-Patienten-Verhältnis

48

5.1.4 Neonatologische Versorgungsstufe

Die Hauptbeteiligung lag auf Seiten der Kliniken, die als Perinatalzentrum

Level I ausgewiesen sind. Die übrigen neonatologischen Versorgungsstufen

gemäß GB-A werden von den teilnehmenden Abteilungen wie folgt

repräsentiert (Abbildung 11).

perinataler Schwerpunkt

2,0%

Geburtsklinik28,6%

Perinatalzentrum Level II8,2%

Perinatalzentrum Level I61,2%

Abbildung 11: Neonatologische Versorgungsstufe der teilnehmenden Kliniken

5.2 Zufriedenheit mit derzeitiger Geburtsdokumentat ion

Die Teilnehmer wurden interviewt, ob sie Verbesserungsbedarf in ihrem

verwendeten Partogramm sehen (Frage 8). Die Antwortenverteilung verhielt

sich bei Ärzten (Abbildung 12) und Hebammen (Abbildung 13) wie folgt.

keine Angabe16,3% Verbesserungs-

bedarf40,8%

kein Verbesserungs-

bedarf42,9%

Abbildung 12: Verbesserungsbedarf des hausinternen Partogramms aus ärztlicher Sicht

Page 53: Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der ...Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der Geburtsdokumentation in Europa Inaugural-Dissertation ... das Arzt-Patienten-Verhältnis

49

keine Angabe8,3%

Verbesserungs-bedarf50%

kein Verbesserungs-

bedarf41,7%

Abbildung 13: Verbesserungsbedarf des hausinternen Partogramms aus Hebammen-Sicht

Etwa die Hälfte der Studienteilnehmer, auf ärztlicher Seite etwas weniger,

sah in der hausinternen Umsetzung der Geburtsdokumentation

Verbesserungsmöglichkeiten. Weniger als die Hälfte der Teilnehmer sah

keinerlei Verbesserungsbedarf.

5.3 Organisation

Zur Darstellung der organisatorischen Dokumentationsverhältnisse in den

jeweiligen Kliniken sind in diesem Abschnitt die Auswertungen der Fragen 4

bis 7 und 9 bis 15 aufgeführt.

5.3.1 Regelmäßige Partogrammführung

Die Teilnehmer wurden dazu befragt, ob sie regelmäßig bei jeder Geburt ein

Partogramm führen. Dies war in der überwiegenden Zahl der Antworten der

Fall. Auf ärztlicher Seite wurde die Frage von 79,6% der Teilnehmer bejaht,

auf Seiten der Hebammen von 79,2%.

5.3.2 Gemeinsame Partogrammführung

Auf die Frage, ob die Geburtsdokumentation von Ärzten und Hebammen

gemeinsam in einem Partogramm vorgenommen wird, antworteten 73,5%

aller Ärzte, dass die Eintragungen von beiden Berufsgruppen gemeinsam

geführt werden, bei einer Enthaltungrate von 6,1%. Von den regelmäßigen

Nutzern wurde die Frage zu 82,1% enthaltungslos bejaht.

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50

5.3.3 Aufzeichnungsmedium

In Abbildung 14 ist das Antwortverhalten bezüglich des

Aufzeichnungsmediums wiedergegeben. Knapp drei Viertel der Teilnehmer

verwenden einen Vordruck oder eine Kombination aus Vordruck und einem

leeren Blatt.

Leeres Blatt8,2%

Vordruck61,2%

Leeres Blatt + Vordruck12,2%

Elektronisches Partogramm

6,1% keine Angabe12,2%

Abbildung 14: Verwendetes Aufzeichnungsmedium

In den Kliniken, in welchen eine Papierdokumentationsform zur Anwendung

kommt, wurde in 48,7% der Fälle das DIN A3-Format angegeben. Das DIN

A4-Format wurde in 41,0%, eine Kombination aus DIN A3 und DIN A4 in

5,1% gewählt. In einem Fall wurde das DIN A2-Format handschriftlich

ergänzt, in einem anderen erfolgte keine Formatsangabe.

5.3.4 Beginn der Aufzeichnung

Die Aufzeichnung des Partogramms wurde in 65,3% der Antworten mit dem

Betreten des Kreißsaals durch die Gebärende begonnen. 10,2% der

Teilnehmer ließen eine Angabe hierzu aus.

5.3.5 Geburtsphasen

Die Antwortenverteilung auf die Frage, welche Geburtsphasen im

Partogramm aufgezeichnet werden, ist in Tabelle 5 dargestellt.

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51

Tabelle 5: Geburtsphasenaufzeichnung

Antwort

Phase Ja Nein Keine Angabe

Evtl. durchgeführtes

Priming 55,1% 30,6% 14,3%

Eröffnung 89,8% 2,0% 8,2%

Austreibung 89,8% 2,0% 8,2%

Nachgeburt 81,6% 10,2% 8,2%

Versorgung evtl.

Geburtsverletzungen 79,6% 12,2% 8,2%

Relativ homogen gestaltet sich das Antwortverhalten bei der Aufzeichnung

von Eröffnung, Austreibung, Nachgeburt und Versorgung eventueller

Geburtsverletzungen im Partogramm. Ein möglicherweise durchgeführtes

Priming (Geburtseinleitung durch Unterstützung des cervikalen

Reifungsprozess mittels Prostaglandin) wird dagegen nur von ca. der Hälfte

der Mitwirkenden aufgezeichnet.

5.3.6 Dokumentation weiterer Maßnahmen

Die Teilnehmer wurden zur Dokumentation weiterer Maßnahmen befragt.

Tabelle 6 zeigt, dass etwa die Hälfte der Teilnehmer die aufgeführten

Maßnahmen im Partogramm festhalten.

Tabelle 6: Dokumentation weiterer Maßnahmen

Antwort

Maßnahme Ja Nein Keine Angabe

Ultraschall 51,0% 40,8% 8,2%

Legen einer

Venenverweilkanüle 49,0% 44,9% 6,1%

Labor 49,0% 44,9% 6,1%

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52

5.3.7 Zeitachse

Die Darstellung der Geburt kann einer konstanten Zeitachse unterliegen,

welche den Geburtsverlauf bspw. in einstündige Abstände unterteilt, wie im

WHO-Partographen dargestellt. Diese Darstellungsform wurde von 51,0%

der Teilnehmer ausgewählt, bei einer Antwortenthaltung von 10,2%.

5.3.8 Aufklärungen

Getätigte Aufklärungen werden von 53,1% im Partogramm dokumentiert.

12,2% der Beteiligten machten zu dieser Frage keine Angaben.

5.3.9 Handzeichen

Die Frage, ob alle vorgenommenen Partogrammeinträge per Handzeichen

dokumentiert werden und somit bestimmten Personen zuzuordnen sind,

wurde in 71,4% bejaht. 10,2% der Teilnehmer enthielten sich.

5.3.10 Arztanforderung

Die Arztanforderung durch die Hebamme, z. B. im Falle eines

Komplikationseintrittes, und der Eintreffzeitpunkt des Angeforderten werden

von 67,3% dokumentiert. 6,1% der Teilnehmer machten hierzu keine

Angaben.

5.4 Parameter

Dieser Abschnitt führt die Auskünfte zu den Parametern auf, welche in der

Geburtsdokumentation der Studienteilnehmer Anwendung finden (Frage 16).

5.4.1 Allgemein

Tabelle 7 gibt einen Überblick über die Antwortenverteilung zu den

allgemeinen Geburtsdaten. Die überwiegende Zahl der Teilnehmer erhebt

sämtliche vorgeschlagenen Parameter. Die größte Abweichung im

Antwortverhalten bestand in der Aufzeichnung der Blutgruppe und von

Allergien/Rhesusprophylaxe mit ca. 15% Verneinung.

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Tabelle 7: Allgemeine Geburtsparameter

Antwort

Parameter Ja Nein

Keine

Angabe

Name und Geburtsdatum der Mutter 98,0% 2,0% 0,0%

Datum und Uhrzeit der Aufnahme 91,8% 8,2% 0,0%

Gravidität 98,0% 2,0% 0,0%

Parität 98,0% 2,0% 0,0%

Gestationsalter 98,0% 2,0% 0,0%

Geburtsrelevante Risiken und Besonderheiten 93,9% 6,1% 0,0%

Kindslage 93,9% 6,1% 0,0%

Blutgruppe 85,7% 14,3% 0,0%

Allergien/Rhesusprophylaxe 83,7% 16,3% 0,0%

5.4.2 Geburtsverlauf

Zur Darstellung des Geburtsverlaufs wurden von den Studienteilnehmern

folgende Antwortmöglichkeiten gewählt (Tabelle 8).

Tabelle 8: Geburtsverlaufsparameter

Antwort

Parameter Ja Nein

Keine

Angabe

Muttermundsweite 79,6% 14,3% 6,1%

Höhenstand nach DeLee 44,9% 42,9% 12,2%

Höhenstand nach Hodge 44,9% 40,8% 14,3%

Pfeilnaht 85,7% 8,2% 6,1%

Fontanellenposition 83,7% 10,2% 6,1%

Fruchtwasserabgang 83,7% 10,2% 6,1%

Fruchtwasserfarbe 77,6% 16,3% 6,1%

Wehentätigkeit 73,5% 20,4% 6,1%

Analgesie/PDA 81,6% 12,2% 6,1%

Wehenmittel 81,6% 12,2% 6,1%

Medikamente/Infusionen 79,6% 14,3% 6,1%

Urin 67,3% 26,5% 6,1%

RR 77,6% 16,3% 6,1%

Puls 75,5% 18,4% 6,1%

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Temperatur 77,6% 16,3% 6,1%

Lagerung 69,4% 24,5% 6,1%

Befinden 61,2% 32,7% 6,1%

Diagnosen des Arztes 73,5% 18,4% 8,2%

Therapieentscheidungen des Arztes 75,5% 18,4% 6,1%

Die überwiegende Zahl der vorgegebenen Parameter findet in mehr als 70%

der Klinikpartogramme Anwendung. Abweichend davon verhielten sich die

Erfassung des Höhenstandes des vorangehenden Kindsteils, des Urins, der

Lagerung und des Befindens der Gebärenden.

Von denjenigen Mitwirkenden, die eine Erfassung des Höhenstandes

angaben, wählten etwa ein Drittel die Methode nach DeLee, ein Drittel die

Methode nach Hodge und ein weiteres Drittel eine Kombination aus beiden

Methoden.

Die Parameter Urin, Lagerung und Befinden verhielten sich insofern

abweichend, als dass sie von mindestens einem Viertel der Teilnehmer nicht

erfasst wurden.

5.4.3 CTG

Auf die Frage nach der CTG-Beurteilung auf dem Partogramm antworteten

die Beteiligten wie folgt (Tabelle 9).

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Tabelle 9: CTG-Beurteilung auf dem Partogramm

Antwort

Parameter Ja Nein

Keine

Angabe

Basalfrequenz 67,3% 24,5% 8,2%

Bandbreite 63,3% 28,6% 8,2%

Nulldurchgänge/min 55,1% 34,7% 10,2%

Akzelerationen 63,3% 28,6% 8,2%

Dezelerationen 69,4% 22,4% 8,2%

Punkte nach Fischer 28,6% 65,3% 6,1%

Punkte nach FIGO 30,6% 61,2% 8,2%

Besonderheiten 77,6% 16,3% 6,1%

Elektronische CTG-Beurteilung nach Roemer 2,0% 89,8% 8,2%

Elektronische CTG-Beurteilung nach Dawes/Redman 2,0% 89,8% 8,2%

Elektronische CTG-Beurteilung mit „CTG-Online“ 4,1% 87,8% 8,2%

Keine CTG-Beurteilung auf dem Partogramm 22,4% 71,4% 6,1%

Etwa 70% der Teilnehmer gaben an, die Beurteilung des CTGs auf dem

Partogramm festzuhalten. Ein kleiner Teil derjenigen, welche keine generelle

CTG-Dokumentation auf dem Partogramm angaben, registrierte jedoch

zumindest CTG-Auffälligkeiten auf dem Geburtsprotokoll.

Am häufigsten wurde die Angabe von Besonderheiten gewählt, gefolgt von

Dezelerationen, Basalfrequenz, Akzelerationen, Bandbreite und

Nulldurchgängen pro Minute.

Zur Beurteilung des CTGs existieren zwei gängige Scoring-Systeme, der

FIGO- und der Fischer-Score. Abbildung 15 zeigt die gegebenen Antworten

zu dieser Thematik von denjenigen Teilnehmern, welche generell eine CTG-

Beurteilung auf dem Partogramm vornehmen.

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kein Score40,0%

beide Scores8,6%

FIGO-Score28,6%

Fischer-Score22,9%

Abbildung 15: Score-Anwendung bei der CTG-Beurteilung auf dem Partogramm

Eine EDV-gestützte CTG-Auswertung teilten die Mitwirkenden in den

wenigsten Fällen mit.

5.4.4 MBU

In Tabelle 10 sind die Auskünfte der Teilnehmer über die Dokumentation

einer evtl. durchgeführten kindlichen Mikro-Blut-Untersuchung dargestellt.

Tabelle 10: MBU-Dokumentation

Ja Nein Keine Angabe

Zeitpunkt 93,9% 4,1% 2,0%

pH-Wert 93,9% 4,1% 2,0%

Base-Excess 87,8% 10,2% 2,0%

Nahezu alle Beteiligten führten an, die MBU-Parameter aufzuzeichnen.

5.4.5 Eckdaten der Geburt

Die Erfassung der Eckdaten der Geburt wurde von den Mitwirkenden in

folgender Weise angegeben (Tabelle 11).

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57

Tabelle 11: Eckdaten der Geburt

Antwort

Parameter Ja Nein Keine Angabe

Zeitpunkt der Aufnahme 89,8% 8,2% 2,0%

Wehenbeginn 91,8% 6,1% 2,0%

Blasensprung 95,9% 2,0% 2,0%

Muttermund vollständig 95,9% 2,0% 2,0%

Pressbeginn 83,7% 14,3% 2,0%

Geburtszeit 98,0% 0,0% 2,0%

Geburt Plazenta 89,8% 8,2% 2,0%

Vollständigkeit Plazenta 89,8% 8,2% 2,0%

Plazentagewicht 42,9% 55,1% 2,0%

Nabelschnurumschlingungen 87,8% 10,2% 2,0%

Geschätzter Blutverlust in ml 85,7% 12,2% 2,0%

Dauer Eröffnungsperiode 77,6% 20,4% 2,0%

Dauer Austreibungsperiode 77,6% 20,4% 2,0%

Dauer Nachgeburtsperiode 79,6% 18,4% 2,0%

Geburtsmodus 95,9% 2,0% 2,0%

Geburtsverletzungen 93,9% 4,1% 2,0%

Operative Eingriffe 91,8% 6,1% 2,0%

Kontraktilität des Uterus 81,6% 16,3% 2,0%

Die meisten Teilnehmer gaben an, alle aufgeführten Parameter

aufzuzeichnen, mit Ausnahme der Aufzeichnung des Plazentagewichts.

Erhöhte Verneinungsraten fanden sich darüber hinaus bei der Aufzeichnung

der Dauer der Geburtsperioden sowie bei der Erfassung des Pressbeginns

und der Uteruskontraktilität.

5.4.6 Neugeborenes

Wie sich die Antwortenverteilung bezüglich der erhobenen Parameter des

Neugeborenen darstellt, gibt Tabelle 12 wieder.

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58

Tabelle 12: Neugeborenen-Parameter

Ja Nein Keine Angabe

Apgar 93,9% 4,1% 2,0%

Nabelarterien-/venen-pH-Messung 93,9% 4,1% 2,0%

Geschlecht 93,9% 4,1% 2,0%

Gewicht 93,9% 4,1% 2,0%

Länge 93,9% 4,1% 2,0%

Kopfumfang 93,9% 4,1% 2,0%

Besonderheiten 93,9% 4,1% 2,0%

5.4.7 Anmerkungen/Geburtsleitung

Raum für Anmerkungen ist nach Angaben der Beteiligten zu 91,8%

vorhanden und die Leitung der Geburt wird durch Namensvermerk von

Hebamme und Arzt von 93,3% der Befragten dokumentiert. Keine Angaben

hierzu machten jeweils 4,1% der Mitwirkenden.

5.5 Beispielpartogramme

Abschließend wurden die Teilnehmer um eine Schulnoten-Bewertung von

drei anonymisierten Partogrammvordrucken aus drei deutschen

Universitätskliniken gebeten (Frage 17). Die Antwortenverteilung der

ärztlichen Teilnehmer gibt Tabelle 13 wieder, die der Hebammen Tabelle 14.

Tabelle 13: Ärzte-Bewertung der Beispielpartogramme

Schulnote

Beispiel-

Partogramm

1 2 3 4 5 6 K. A. Durch-

schnitt

Partogramm 1 2,0% 12,2% 22,4% 32,7% 24,5% 2,0% 4,1% 3,74

Partogramm 2 8,2% 46,9% 26,5% 6,1% 4,1% 0,0% 8,2% 2,47

Partogramm 3 2,0% 24,5% 42,9% 18,4% 2,0% 2,0% 8,2% 3,00

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59

Tabelle 14: Hebammen-Bewertung der Beispielpartogramme

Schulnote

Beispiel-

Partogramm

1 2 3 4 5 6 K. A. Durch-

schnitt

Partogramm 1 0,0% 4,2% 8,3% 37,5% 41,7% 0,0% 8,3% 4,27

Partogramm 2 0,0% 33,3% 33,3% 20,8% 4,2% 0,0% 8,3% 2,95

Partogramm 3 0,0% 25,0% 16,7% 37,5% 12,5% 0,0% 8,3% 3,41

Die Benotungsenthaltung einiger Teilnehmer begründete sich in erster Linie

auf einer Verschlechterung der optischen Qualität, welche sich bei einer

Versendung der Fragebögen per Fax eingestellt hat.

Durchschnittlich bewerteten Ärzte die Beispielpartogramme eine halbe

Schulnote besser im Vergleich zu den Hebammen. Die beste Benotung

erhielt Partogramm 2, gefolgt von Partogramm 3 und 1.

5.6 Handschriftliche Ergänzungen

Es bestand für die Teilnehmer die Möglichkeit, Bemerkungen und

Anregungen in einem Freitextfeld zu erteilen. Diese Option wurde

insbesondere für Anmerkungen zu den Beispielpartogrammen genutzt. Die

häufigsten Kommentare werden im Folgenden dargestellt.

Partogramm 1:

• zu wenig Information zu Frau, Kind und Geburt

• unübersichtlich

• zu viel Raum für CTG-Bewertung

• Positive Beurteilung des Sonografie-Feldes

• Positive Wertung des Raumes für Verlaufsbeurteilung

Partogramm 2:

• bessere Übersichtlichkeit

• wenig Freitextraum

• Empfehlung einmalige Befunde oder Eingriffe, wie Blasensprung und

PDA, nicht in der laufenden Kurve erscheinen zu lassen

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60

• Gute Beurteilung der Legende

• Empfehlung der Ergänzung um das Befinden und Lagerung der

Gebärenden

Partogramm 3:

• zu wenig Information zu Frau, Kind und Geburt

• kein Platz für zusätzliche Eintragungen

• gute Darstellung der Muttermundsöffnung und des Höhenstandes

• zu enge und schmale Felder

Des Weiteren war einzelnen Kommentaren zu entnehmen:

• Ergänzungswunsch nach Dokumentation der postpartalen

Überwachung und Übergabe an die Station

• Absicht, in Zukunft EDV-gestützt zu dokumentieren

• Unklarheiten über die Partogramm-Definition

• Wunsch nach ausschließlicher Partogrammentwicklung durch

Hebammen

• Empfehlung zur Entwicklung unterschiedlicher Partogramme bezogen

auf die neonatologische Versorgungsstufe

• Bevorzugung einer Fließtextdokumentation

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61

6 DISKUSSION

In der folgenden Diskussion werden die Ergebnisse der Fragebogenstudie

mit den Theorieteil-Feststellungen über die modernen Geburtsanforderungen

verglichen und kritisch reflektiert. Abschließend erfolgt aus den

Erkenntnissen eine Synthese, um Empfehlungen für die

Geburtsdokumentation aussprechen zu können und ein Musterpartogramm

zu entwickeln.

6.1 Stichprobe

Die vorliegende Arbeit ist die erste bundesweit durchgeführte Studie, die

sowohl Ärzte als auch Hebammen zum Thema Geburtsdokumentation

befragt hat. Bewusst wurde die Erhebung auf den stationären Bereich

geburtshilflicher Abteilungen beschränkt, da dieser von ca. 98% aller

Schwangeren in Deutschland als Geburtsort gewählt wird (DESTATIS, 2010).

Die Rücklaufquote von ca. 50% auf ärztlicher Seite und ca. 25% auf

Hebammen-Seite verhält sich bei allen vier Kliniktypen ähnlich, sodass keine

Gruppe über- oder unterrepräsentiert ist. Über die Ursache der doppelt so

hohen ärztlichen Rücklaufquote gegenüber der Hebammen-Rücklaufquote

kann nur gemutmaßt werden. Womöglich besteht auf ärztlicher Seite ein

ausgeprägteres Interesse an Forschungsunterstützung.

Die Rücklaufquote ist im Vergleich mit anderen postalischen

Fragebogenstudien als durchschnittlich bis gut einzustufen. Dies ist mitunter

der telefonischen Voranfrage und dem in Kommentaren mitgeteilten

thematischen Interesse zuzuschreiben (Diekmann, 2004b).

Der Recall wäre durch Erinnerungsschreiben möglicherweise weiter

steigerungsfähig gewesen (Longworth, 1953). Da die Fragebögen zur

Wahrung der Anonymität allerdings nicht nummeriert oder namentlich

gekennzeichnet waren, war ein gezieltes Erinnern einzelner Teilnehmer nicht

möglich.

Den Teilnehmern wurde eine anonyme Auswertung ausdrücklich versichert.

Trotzdem ist eine Verzerrung der Ergebnisse in Form einer Selektionsbias

denkbar (Diekmann, 2004a). Tendenziell könnten eher Abteilungen zur

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62

Antwort bereit gewesen sein, die einen höheren Wert auf korrekte

Dokumentation legen, während diejenigen Kliniken, die sich Nachlässigkeiten

bewusst waren, eher zur Nicht-Teilnahme bewegt waren.

Die Auswertung der neonatologischen Versorgungsstufe der teilnehmenden

Kliniken verhält sich erwartungsgemäß. Da der Fokus der Stichprobe auf

Häusern mit hoher Geburtenzahl und universitärem Hintergrund liegt, drückt

sich dies in einer hohen Rate von Perinatalzentren der Stufe 1 aus. Diese

sind mit 61,2% in der Stichprobe vertreten, während der bundesweite

Durchschnitt bei ca. 1,21% liegt (MDS, 2007). Somit ist gewährleistet, dass

Partogrammempfehlungen auch auf Kliniken der Maximalversorgung

anwendbar sind.

6.2 Vergleich von Ergebnissen und Literaturrecherch e

In der vorliegenden Studie wurden Ärzte und Hebammen zu ihrem

derzeitigen Vorgehen bei der Geburtsdokumentation befragt. Knapp die

Hälfte der Teilnehmer gibt einen Verbesserungsbedarf ihrer jeweiligen

Dokumentationspraxis an. Dies verdeutlicht den Handlungsbedarf innerhalb

des Themengebiets und den Stellenwert der vorliegenden Arbeit.

6.2.1 Organisation

Etwa 80% der Teilnehmer bestätigen ein Leitlinien-konformes Vorgehen,

welches eine regelhafte Geburtsdokumentation in einem Partogramm mit

einer gemeinsamen Nutzung und Bearbeitung durch Ärzte und Hebammen

vorsieht (DGGG und AG MedR, 2008a). Dies ist aus vielerlei Hinsicht

geboten: Zum einen wird so die Erinnerungsfunktion in Form einer

Gedächtnisstütze für Ärzte und Hebammen erfüllt. Zum anderen dient die

gemeinsame Dokumentationsführung als kommunikatives Instrument

zwischen den beteiligten Berufsgruppen und beugt so einem

Informationsverlust vor (Leiner et al., 2006). Auch unter ökonomischen

Gesichtspunkten ist eine berufsgruppenübergreifende Dokumentation

anzuraten, da so eine Mehrfachdokumentation unter dem Aspekt der

knappen Zeitressourcen vermieden wird (Meilwes, 2005). Darüber hinaus

existieren forensische Gründe, wie die Vermeidung widersprüchlicher

Eintragungen (DGGG und AG MedR, 2008a), welche eine gemeinsame

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63

Partogrammführung obligat erscheinen lassen. Jeder Klinik ist anzuraten, die

berufsgruppenübergreifende Organisations- und Zuständigkeitsbereiche

schriftlich niederzulegen, um Schadensfälle abzuwenden und die

Verantwortlichen vor dem Vorwurf verletzter Organisations- und

Aufsichtspflichten zu bewahren (Lichtmannegger und Burdelski, 2006).

Handschriftlichen Anmerkungen der Befragten ist zu entnehmen, dass

gelegentlich Unklarheit über die Begrifflichkeit des Partogramms besteht. Wie

in Kapitel 2.1 erläutert, wird in dieser Arbeit - in Anlehnung an die Leitlinie der

DGGG (DGGG und AG MedR, 2008a) - der Terminus „Partogramm“ für die

gesamte Geburtsverlaufsdokumentation verwendet. In zukünftigen Studien

könnte durch eine vorangestellte Begriffsdefinition Missverständnissen

vorgebeugt werden.

Aus der Beantwortung der Fragen kann geschlossen werden, dass das

derzeit gängigste Aufzeichnungsmedium einen Papier-Vordruck darstellt, in

welchen handschriftliche Eintragungen vorgenommen werden. Das zumeist

gewählte DIN A3-Format unterstützt die Anforderungen an eine gute

Übersichtlichkeit und gewährt ausreichend Aufzeichnungsplatz. Ein

elektronisches Dokumentationssystem kommt in den wenigsten Kliniken zur

Anwendung. Handschriftlich mitgeteilte Absichtsbekundungen der Einführung

eines solchen lassen jedoch vermuten, dass hier ein Umbruch zur

Digitalisierung, wie in vielen anderen medizinischen und nicht-medizinischen

Bereichen, stattfindet (Haas, 2005). Im Hinblick auf eine zukünftig

möglicherweise verstärkte Nutzung einer EDV-gestützten

Geburtsdokumentation, lassen sich der Literatur folgende Empfehlungen

entnehmen. Zur Vermeidung unvollständiger Angaben, sollte eine

elektronische Erinnerungsfunktion bei nicht sachgerecht ausgefüllten Feldern

implementiert sein (Eden et al., 2008). Um zur Arbeitserleichterung der

Beteiligten beizutragen, ist eine Einspeisung der Daten aus anderen

Informationssystemen, z. B. Aufnahmedaten und Vorerkrankungen aus

vorherigen Aufenthalten, sowie geburtsmedizinischer Geräte, wie z. B. dem

CTG, wünschenswert. Ebenso sollte eine Weitergabe relevanter Daten an

andere berechtigte Dokumentationssysteme, wie bspw. die Qualitätkontrolle,

elektronische Krankenakte und DRG-Kodierung, erfolgen. Zeitaufwendige

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64

und unnötige Mehrfachdokumentationen können so reduziert werden

(Meilwes, 2005). Gefordert wird, dass jede Eingabe ins Dokument die

Feststellung von Datum, Uhrzeit und Angaben zur eingebenden Person

ermöglichen muss (DGGG und AG MedR, 2008a). An die Archivierung der

Daten wird die Anforderung gestellt, dass eine nachträgliche spurlose

Manipulierung und unberechtigte Einsichtnahme ausgeschlossen sind, damit

dem Dokument Urkundenstatus zukommt. Ebenso muss gewährleistet sein,

dass jederzeit ein Auslesen der Daten, mindestens bis zum Ablauf der

gesetzlichen Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren, besser über einen Zeitraum

von 30 Jahren, möglich ist (Berg, 2006). Im Zweifelsfalle sollte zusätzlich ein

unterzeichneter Ausdruck angefertigt werden (DGGG und AG MedR, 2008a).

Der Beginn der Aufzeichnung erfolgt in der Mehrzahl der Fälle mit dem

Betreten des Kreißsaals durch die Gebärende. Dies ist vor dem Hintergrund

der Literatur zu befürworten, da so eine lückenlose Dokumentation

gewährleistet ist. Ebenso sollten alle Phasen der Geburt, einschließlich

Nachgeburtsperiode und die Versorgung eventueller Geburtsverletzungen

gemäß dem Konsens dieser Studie aufgezeichnet werden. Ein weiterer

interessanter Anstoß ergibt sich aus dem Kommentar eines

Studienteilnehmers, welcher die Dokumentation der postpartalen

Überwachung bis zur Verlegung der Mutter auf Station im Partogramm

empfiehlt. Diese Vorgehensweise könnte also eine zusätzliche Aufzeichnung

von mütterlichem und kindlichen Befinden und der weiteren Betreuung nach

abgeschlossener Geburt inkludieren, einschließlich einer Beurteilung von

Bonding und erstem Anlegen des Kindes an die mütterliche Brust,

Durchführung einer Vitamin K-Gabe, Credeschen und Anti-D-Prophylaxe etc.,

und das Partogramm als universelles Kreißsaaldokument abrunden. Der

gesamte Kreißsaalaufenthalt wäre somit in einem Dokument auffindbar und

würde ein Blättern durch verschiedene Formulare unnötig machen. Dies

könnte zu einer Erleichterung für nachfolgende Patientenkontakte mit Ärzten

und Pflegepersonal führen und eine Verbesserung des

Versorgungsprozesses unterstützen.

Etwa die Hälfte der Studienteilnehmer dokumentiert weitere Maßnahmen,

wie die Sonografie-Untersuchung, das Legen einer Venenverweilkanüle und

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65

Laboruntersuchungen, im Partogramm. Im Hinblick auf die hohe Relevanz

der durchgeführten Maßnahmen für den weiteren Geburtsverlauf und eine in

Anmerkungen mitgeteilte positive Resonanz, insbesondere auf die Eckdaten

der Ultraschall-Untersuchung, erscheint eine regelhafte Aufzeichnung

sinnvoll.

Forensische Anforderungen werden durch das Vorgehen der meisten

Teilnehmer zweckdienlich erfüllt, indem getätigte Aufklärungen und

Arztanforderungen im Partogramm festgehalten werden und Eintragungen

durch Handzeichen den Beteiligten zuzuordnen sind (DGGG und AG MedR,

2008a). Allerdings stellt sich in diesem Themenfeld, insbesondere bei der

Dokumentation der Aufklärungen, eine im Vergleich zu anderen Fragen hohe

prozentuale Nichtdurchführung dar. Dies lässt zwar nicht darauf schließen,

dass Aufklärungen generell vernachlässigt werden, sondern nur, dass die

Durchführung nicht im Partogramm festgehalten wurde. Aufgrund des häufig

zu beobachtenden Defizits in Haftungsklagen (RKI et al., 2001) ist eine

übersichtliche Zusammenfassung der getätigten Aufklärungen, welche am

sinnvollsten unter Zuhilfenahme der handelsüblichen Aufklärungsbögen

erfolgen sollten (Berg, 2006), jedoch im Partogramm ausdrücklich zu

befürworten.

6.2.2 Parameter

Aus der Studie geht hervor, dass die Erhebung der allgemeinen Parameter

sich nahezu gänzlich mit den Empfehlungen der Partogramm-Leitlinie deckt.

Die Stammdaten der Patientin, Besonderheiten früherer Schwangerschaften

und der jetzigen sollten also in jedem Falle im Partogramm vorzufinden sein,

ebenso wie weitere geburtsrelevante Angaben wie Blutgruppe, Allergien etc.

(DGGG und AG MedR, 2008a).

Bei der Erfassung des Geburtsverlaufs wird durch die Mehrzahl der

Beteiligten die Verwendung der vorgeschlagenen Parameter bestätigt.

Uneinigkeit besteht jedoch in der Messung des Höhenstandes des

vorangehenden Kindsteils. Nach einer vaginalen Untersuchung zur

Ermittlung des Höhenstandes stehen zwei gebräuchliche

Beschreibungsmöglichkeiten zur Verfügung: die Parallelebenen nach Hodge

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66

und die Höhenstandsdiagnose nach DeLee (Breckwoldt und Schneider,

2008). Zwar empfiehlt die DGGG bei vaginal-operativen Entbindungen die

Beschreibung nach DeLee (DGGG, 2007), allerdings erscheint aus Gründen

der mangelnden Evidenzlage und der gleichmäßigen Antwortenverteilung auf

beide Systeme ein nebeneinander der beiden Methoden nicht von Nachteil.

Wie von einem Drittel der Teilnehmer praktiziert und in Beispielpartogramm 1

dargestellt, können beide Messverfahren nebeneinander verwendet und

abgebildet werden.

Die im Vergleich zu anderen Parametern reduzierte Erfassung von Lagerung

und Befinden der Schwangeren, deckt sich mit den Feststellungen aus einer

schwedischen Studie, welche eine Dokumentationsschwachstelle im Bereich

dieser Parameter aufgedeckt hat (Sandin-Bojö et al., 2006). Da Angaben

hierzu für den Geburtsverlauf und unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten

nicht unerheblich sind, sollte stets eine Aufzeichnung erfolgen (DGGG und

AG MedR, 2008a).

Die Mehrheit der Befragten von ca. 70% macht auf dem Partogramm

Angaben zum CTG. Neben einer Dokumentation von Besonderheiten

werden zumeist die Beurteilungsparameter (Basalfrequenz, Bandbreite,

Nulldurchgänge pro Minute, Akzelerationen und Dezelerationen) erfasst. Das

von der DGGG empfohlene Beurteilungsschema, der FIGO-Score (DGGG

und AG MedR, 2008a, DGGG et al., 2007), wird dagegen nur von einer

Minderheit (28,6% derjenigen, welche generell die CTG-Auswertung auf dem

Partogramm dokumentieren) festgehalten. Jedoch wird von einem nahezu

ebenso großen Anteil (22,9%) eine Auswertung nach dem Fischer-Score

vorgenommen, wobei 8,6% beide Scoring-Systeme verwenden. Zu

bemängeln ist, dass der Fischer-Score zur subpartualen Verwendung nicht

zugelassen ist, während der FIGO-Score sowohl ante- als auch subpartual

zur CTG-Bewertung herangezogen werden kann (Schneider und Gnirs,

2006). Es scheint also auf diesem Themengebiet noch Aufklärungsbedarf zu

bestehen. Computergestützte CTG-Auswertungen spielen eine

untergeordnete Rolle. Kritisch zu hinterfragen ist die von der DGGG

gewährte Option, die Eintragung von Befunden, Anordnungen und

Maßnahmen auf dem CTG-Streifen als Ersatz für Eintragungen im

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67

Partogramm zu verwenden (DGGG und AG MedR, 2008a). Dieses Vorgehen

würde eine Zerstückelung der Geburtsdokumentation an verschiedene Orte

bedeuten, welche es gerade durch die zentrale Partogrammführung zu

vermeiden gilt. Darüber hinaus erscheint der CTG-Streifen zur schnellen

Übersichtsverschaffung nicht geeignet, da er im Geburtsverlauf leicht

mehrere Meter bemessen kann.

Die Dokumentation einer etwaigen Durchführung und Auswertung einer MBU

wird in der DGGG-Leitlinie zwar nicht explizit gefordert, erscheint aber

aufgrund der Teilnehmer-Antworten und der Relevanz für geburtshilfliche

Entscheidungen sinnvoll.

Von fast allen Teilnehmern werden die vorgeschlagenen Parameter der

Eckdaten der Geburt erfasst. Eine Ausnahme bildet die Niederschrift des

Plazentagewichts, welche von weniger als der Hälfte der Beteiligten

durchgeführt wird. In der Leitlinie findet diese Maßnahme keine Erwähnung,

ebenso wie die gesamte Nachgeburtsperiode im Detail unbehandelt bleibt.

Diese Phase gehört jedoch definitionsgemäß zur Geburt dazu (Breckwoldt

und Pfleiderer, 2008), wodurch aus diesem Blickwinkel die Erfassung der

Nachgeburtsparameter komplettierend und sinnvoll erscheint.

In nahezu sämtlichen befragten Abteilungen werden Daten zum

Neugeborenen auf dem Partogramm festgehalten, deckungsgleich zur

Leitlinie (DGGG und AG MedR, 2008a).

Ebenso Leitlinien-gerecht und besonders im Hinblick auf die

haftungsrechtliche Relevanz von Bedeutung, findet überwiegend eine

Dokumentation der Namen der Geburtsleitenden statt.

Eine Standardisierung der medizinischen Dokumentation ist vor dem

Literaturhintergrund wünschenswert, solange nicht die Informationsqualität

darunter leidet (Feinstein, 1987, Leiner, 2006, Haas, 2005). In der

Geburtshilfe wird eine hohe Transparenz und Effizienz durch Ärzte, Patienten,

Qualitätssicherung etc. eingefordert, sodass der Grad der Standardisierung

relativ hoch angesiedelt sein sollte. Demgegenüber darf nicht die Spezifität

und der individuelle Spielraum außer Acht gelassen werden. So ist es, wie es

Page 72: Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der ...Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der Geburtsdokumentation in Europa Inaugural-Dissertation ... das Arzt-Patienten-Verhältnis

68

der Großteil der Teilnehmer praktiziert, empfehlenswert, Raum für

freitextliche Anmerkungen im Partogramm vorzusehen.

6.2.3 Beispielpartogramme

Die im Fragebogen zu benotenden Beispielpartogramme (S. 91-93) stammen

aus drei deutschen Universitätskliniken, da im europäischen Raum kein

evaluierter Vordruck Verwendung findet, der herangezogen werden konnte.

Im Erklärungstext zu den Partogrammen wurde versäumt einen Hinweis

dazu anzubringen, dass die Vordrucke verkleinert sind und nicht der

Originalgröße entsprechen. Ein Teil der Kommentare, lässt darauf schließen,

dass die Darstellung nicht selbsterklärend ist und deutet darauf hin, dass sich

dieser Umstand in der Benotung niedergeschlagen hat.

Die Partogramme unterscheiden sich in einigen Elementen, in anderen

ähneln sie einander. Übereinstimmend gestalten sich das Querformat und

der tabellarische Aufbau entlang einer Zeitachse. Ebenso erfassen alle drei

Vordrucke anamnestische Daten zu Mutter und Schwangerschaft. Die

ausführlichste Variante mit einem eigenen Abschnitt für

Einzeldatenerhebungen bietet Partogramm 2. Diese übersichtliche

Aufbereitung der Informationen wurde von vielen Teilnehmern positiv

bewertet und trägt den Anforderungen der Leitlinie weitestgehend Rechnung

(DGGG und AG MedR, 2008a).

Ebenso findet in allen drei Beispielen die grafische Darstellung von

Muttermundsöffnung und Höhenstand Anwendung - wie im europäischen

Raum üblich, ohne vorgezeichnete Warn- und Handlungslinie nach Vorbild

des WHO-Partographen (WHO, 1993, 1994 a+b). Die deutsche Leitlinie

spricht sich zwar nicht explizit gegen eine Verwendung aus, vor dem

Hintergrund der Studienlage kann der Einsatz vorgegebener

Cervixdilatationsraten jedoch nicht befürwortet werden (Albers, 1999,

Cesario, 2004, Lavender et al., 1998, 2006, 2008, Leanza et al., 2011,

Pattinson et al., 2003, Perl und Hunter, 1992, Van Bogaert, 2006, Zhang et

al., 2002). Die personelle und materielle Ausstattung ist in Europa eine

andere als in Entwicklungsländern, für welche der WHO-Partograph

entworfen wurde, sodass dieser bei mangelnder Möglichkeit zur dauerhaften

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69

Überwachung des mütterlichen und kindlichen Wohlbefindens durchaus

seine Anwendungsberechtigung erfährt.

Verschiedene Studien erwägen, dass das Verhältnis der Partogrammachsen

einen Einfluss auf die Handlungen der Geburtsbetreuer haben könnte. Je

nach optischem Effekt, ist die Vortäuschung eines scheinbar prolongierten

Geburtsverlaufes denkbar, der zu unnötigen geburtshilflichen Interventionen

verleiten könnte (Cartmill und Thornton, 1992, Tay und Yong, 1996).

Klärende Untersuchungen fehlen bisher. Bei der Betrachtung der

Beispielpartogramme, bestätigt sich eine im Verhältnis zur Cervixdilatation

lange Zeitachse, sodass das angesprochene Phänomen eintreten könnte.

Der Zeitachse wird in keinem Beispiel eine Einheit zugeschrieben, es wäre

also eine Unterteilung in Zeitstunden nach WHO-Vorbild ebenso wie

Eintragungen pro Untersuchungsvorgang möglich. Eine feste Unterteilung

wird laut Fragebogen nur von etwa der Hälfte der Teilnehmer genutzt, was

die Frage nach den Vor- und Nachteilen aufwirft. Bei einer festen Zeitachse

ist zu bemängeln, dass das Partogramm u. U. sehr umfangreich werden

könnte und weitere Vordruckblätter angehängt werden müssten. Dies kann

z. B. der Fall sein, wenn sich die Gebärende in einer sehr frühen

Geburtsphase befindet, in welcher sie den Kreißsaal aufsucht. Ebenso

problematisch kann sich das Platzangebot für Eintragungen bei mehreren

Untersuchungen/Maßnahmen in kurzen zeitlichen Abständen gestalten. Die

konstante Zeitachse birgt jedoch den Vorteil, dass ein intuitives Ablesen des

Geburtsfortschritts möglich ist, ohne auf Uhrzeiteintragungen achten zu

müssen. Ebenso kann vermutet werden, dass die Geburtsbetreuer eher dazu

angehalten werden, regelmäßige Eintragungen vorzunehmen. Das optische

Problem des Achsenverhältnisses wird in Partogramm-Vordrucken auf

Papier wohl schwerlich zu lösen sein, da sonst ein eingeschränktes

Platzangebot für weitere Eintragungen droht. Bei einer Computer-gestützten

Dokumentation sind jedoch suffiziente Darstellungsvarianten vorstellbar.

Tabellarisch werden von allen drei Beispielpartogrammen weitere Daten über

Verlauf, Untersuchungen und Maßnahmen festgehalten. Unterschiede

werden im Hinblick auf den Grad der Vorgabe sichtbar. Während Vordruck 1

den Ausfüllenden relativ viel Freiraum in der Parameterwahl und Gestaltung

Page 74: Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der ...Moderne Anforderungen und derzeitiger Standard in der Geburtsdokumentation in Europa Inaugural-Dissertation ... das Arzt-Patienten-Verhältnis

70

überlässt, steigert sich die Regulierung über Partogramm 2 bis zu

Partogramm 3, welches ein verhältnismäßig starres Konzept verfolgt und

Freitextanmerkungen nicht vorsieht. Sowohl die Literatur als auch die

Bewertung der Teilnehmer stimmen darin überein, der Gestaltung von

Partogramm 2 den Vorzug zu geben. Der Grad der Standardisierung wird so

auf einem hohen Level gehalten und lässt trotzdem individuelle Eintragungen

zu (Leiner, 2006).

Ein Unterscheidungsmerkmal stellt die CTG-Beurteilung dar. Zwar ist in

jedem Vordruck die regelmäßige Dokumentation der CTG-Auswertung

vorgesehen, Partogramm 1 räumt diesem Aspekt jedoch besonders viel

Raum ein. Von den Studienteilnehmern wurde diese Tatsache häufig

bemängelt. Die DGGG empfiehlt jedoch eine Auswertung des CTGs nach

FIGO-Richtlinien (DGGG und AG MedR, 2008a, DGGG et al., 2007), sodass

die Intention, die Partogrammnutzer dazu anzuhalten eine Bewertung

anhand dieses Scoring-Systems vorzunehmen, positiv zu werten ist. Anhand

der Ergebnisse der vorliegenden Erhebung wird eine Vernachlässigung

dieser Auswertungsmethode bestätigt, wonach nur ca. ein Drittel den FIGO-

Score nutzen. Allerdings bewirkt die Verwendung des Scores eine

intensivere Auseinandersetzung mit dem CTG und schafft die Möglichkeit

einer objektiven Verlaufskontrolle (Gonser et al., 1995). In Anbetracht der

häufigen Haftungsfälle durch ungenügende CTG-Interpretation

(Gutachterinnenkommission des DHV, 2005, Ratzel, 1999), offenbart das

Partogramm eine einfache Möglichkeit diesem Sachverhalt präventiv zu

begegnen.

Eine schwedische Studie zeigte Dokumentationsmängel bei der Erfassung

des Befindens der Schwangeren auf (Sandin-Bojö, 2006). Auch in der

vorliegenden Studie konnte eine erniedrigte Anwendungsrate festgestellt

werden. Partogramm 1 und 3 sehen Felder für die Erfassung vor,

Partogramm 2 hingegen nicht, wodurch Studienteilnehmer um Ergänzung

gebeten haben.

Die Eckdaten der Geburt und Einzelangaben zur Nachgeburtsperiode

werden lediglich von Partogramm 2 abgefragt. Dieses Vorgehen wird jedoch

von den Beteiligten honoriert, ebenso wie die Legende zur

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71

Höhenstandseinzeichnung. Insbesondere Berufsanfänger und „Dokumentier-

Faule“ dürften von diesen zusätzlichen Vorgaben profitieren.

Partogramm 1 erhält für das zusätzliche Ultraschall-Dokumentationsfeld

positive Resonanz, da Kindslage und geschätztes Gewicht für die

Einschätzung des Geburtsverlaufs von hoher Bedeutung sind.

6.3 Schlussfolgerungen

Die vorliegende Arbeit zeigt den Handlungsbedarf auf dem Gebiet der

Geburtsdokumentation auf und macht auf die unterstützende und

risikopräventive Funktion des Partogramms aufmerksam.

Aufgrund der Ergebnisse von Literaturrecherche und Fragebogenstudie wird

für die praktische Umsetzung der Geburtsdokumentation die

Schlussfolgerung gezogen, dass die DGGG-Leitlinie einen guten Leitfaden

für eine qualitativ hochwertige und forensisch abgesicherte Geburts-

dokumentation darstellt. Die Fragebogenerhebung konnte zeigen, dass in der

Mehrzahl der befragten Häuser eine hauptsächlich Leitlinien-kongruente

Dokumentation stattfindet. In einzelnen Punkten sind jedoch Verbesserungs-

potentiale identifizierbar.

Die Leitlinie ist in der Benennung der Dokumentations-Rahmenbedingungen

vereinzelt zu unkonkret. Beispielsweise wird es dem Leser nicht eindeutig

ersichtlich, dass Ärzte und Hebammen gemeinsam dokumentieren sollten.

Zwar lassen sich indirekt Rückschlüsse hierfür ableiten - wie etwa, dass

sowohl Ärzte als auch Hebammen das Partogramm unterschreiben sollen

(DGGG und AG MedR, 2008a) - eine Konkretisierung wäre im Hinblick

darauf, dass ca. ein Fünftel der Studienteilnehmer keine gemeinsame

Dokumentation pflegt, allerdings ratsam.

Des Weiteren ist nicht zweifelsfrei benannt, dass es sich im Idealfall um ein

einziges Dokument handeln sollte, in welchem Raum sowohl für relevante

Anamnesedaten als auch für die Verlaufsdokumentation vorhanden ist. Die

Inkonsequenz in der Bezeichnung des Dokumentationsortes wird darüber

hinaus in der Aussage deutlich, dass Eintragungen im CTG-Streifen als

Ersatz für Partogrammeinträge dienen könnten (DGGG und AG MedR,

2008a). Das geringe und vom Maß der CTG-Aufzeichnung abhängige

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72

Platzangebot lässt annehmen, dass die von der DGGG geforderte

tabellarische Umsetzung der Dokumentation von allen Befunden,

Anordnungen und Maßnahmen auf dem CTG-Streifen schwerlich ausführbar

ist. Unübersichtlichkeit und somit Nachteile für alle Beteiligten wären die

Folge. Eine Überarbeitung dieser Passagen in der Leitlinie ist daher zu

befürworten.

Unklar seitens der Leitlinie bleibt zudem die Verwendungsempfehlung einer

Grafik auf dem Partogramm. Zwar wird ein tabellarischer Aufbau zur

Dokumentation der erhobenen Befunde angeraten, ob Muttermundsöffnung

und Höhenstand jedoch grafisch visualisiert werden sollten, bleibt offen. Da

der Titel der Leitlinie den historisch geprägten Begriff „Partogramm“ enthält,

ist eine Befürwortung zu vermuten.

Darüber hinaus ist eine Nachbesserung der Anweisungen zur Dokumentation

der Nachgeburtsperiode in der Leitlinie empfehlenswert, da lediglich der

Hinweis erfolgt, dass die Erfassung des Zustandes von Mutter und Kind post

partum nach den Regeln der gesetzlichen Qualitätssicherungsmaßnahmen

erfolgen soll. Für die Geburtsbetreuung sind jedoch darüber hinausgehende

Aspekte von Relevanz und sollten daher konkretisiert werden.

Für die CTG-Auswertung wird durch die Leitlinie die Empfehlung

ausgesprochen, eine Bewertung nach dem FIGO-Score vorzunehmen

(DGGG und AG MedR, 2008a). Dieser Ratschlag wird durch weitere

Literaturstellen in seiner Zweckmäßigkeit bestätigt (DGGG et al., 2007,

Schneider und Gnirs, 2006). Laut vorliegender Studie gestaltet sich die

Umsetzung in den Kreißsälen jedoch teils mangelhaft, was eine Mitursache

für die hohen Schadensfallzahlen durch ungenügende CTG-Interpretation

(Gutachterinnenkommission des DHV, 2005, Ratzel, 1999) begründen

könnte. Möglicherweise wären aus diesem Grund Aufklärungskampagnen

und regelmäßige Fortbildungen von Nutzen.

Auch die in der Fragebogenerhebung festgestellte Vernachlässigung einiger

forensischer Aspekte, wie der Aufklärungsdokumentation und dem Beleg

einer Arztanforderung durch die Hebamme, lässt auf Begründungs-

möglichkeiten für Haftpflichtforderungen in der Geburtshilfe schließen.

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73

Diesem Verbesserungspotential könnte ebenso mit vermehrter Aufklärung

und einem standardisierteren Ablauf der Geburtsdokumentation begegnet

werden.

Der Standardisierungsgrad in der geburtshilflichen Dokumentation ist bislang

auf einem eher niedrigen Niveau angesiedelt. Zwar werden durch Qualitäts-

sicherungserhebungen nach abgeschlossener Geburt wesentliche Daten

erfragt, die eigentliche Dokumentation der Geburtsphase bleibt davon

allerdings unberührt. Da vom Standardisierungsgrad jedoch sowohl die

Nutzung der Dokumentation für nachgeordnete Verwendungszwecke als

auch ihre Vollständigkeit, Qualität, Kontinuität und Unabhängigkeit von

einzelnen Beobachtern abhängig ist (Haas, 2005) und hinsichtlich der

haftungsrechtlichen Akutizität der Handlungsbedarf deutlich wird, ist eine

Steigerung des Standardisierungsgrades in Betracht zu ziehen. Dies könnte

z. B. auf der Basis klinisch und forensisch geprüfter Vordrucke bzw. Software

erfolgen, welche für alle Geburtsabteilungen frei zugänglich sein sollten.

Aufgrund der Entlastung der einzelnen geburtshilflichen Abteilungen

hinsichtlich der Entwicklung und Prüfung eigener Dokumentationssysteme,

wäre eine verstärkte Nutzung der Vorlagen zu vermuten und somit ein

steigender Standardisierungsgrad in die Wege geleitet.

Entwicklungsperspektivisch scheint eine zunehmende Nutzung der EDV-

gestützten Dokumentation ebenso sinnvoll wie auch langfristig unvermeidbar.

Neben einer effizienteren und qualitativ hochwertigeren Gesundheits-

versorgung (Haas, 2005), kann auf diese Weise dem steigenden

Dokumentationsaufwand, welcher zurzeit geschätzt 25-40% der ärztlichen

Arbeit ausmacht (Berg, 2006), effektiv begegnet werden. Die derzeit üblichen

Mehrfachdokumentationen (Meilwes, 2005) könnten durch Kommunikation

zwischen den verschiedenen Informationssystemen eingedämmt werden.

Dies setzt jedoch zum einen progressive IT-Entwicklungen auf dem Gebiet

der Kompatibilität, forensischen Sicherheit sowie Anwenderfreundlichkeit und

zum anderen eine verstärkte Bereitschaft zur Nutzung auf Seiten der

Anwender voraus, denn der Einsatz von EDV-gestützter Dokumentation

bleibt bisher weitestgehend hinter den Möglichkeiten zurück (Haas, 2005).

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74

Für den Einsatz eines elektronischen Partogramms können folgende

Empfehlungen abgegeben werden:

• Es sollte der Vorteil der Erinnerungsfunktion bei unvollständiger

Dokumentation genutzt werden (Eden et al., 2008).

• Es sollte eine Einspeisung von relevanten Daten aus anderen

Informationssystemen (CTG, alten Patientenakten, etc.) und ein

Weitergabe von Daten an weitere berechtigte Dokumentationssysteme

(Qualitätssicherung, Abrechnung) erfolgen (Haas, 2005).

• Jede Eingabe ins Dokument muss die Feststellung von Datum, Uhrzeit

und Angaben zur eingebenden Person ermöglichen (DGGG und AG

MedR, 2008a).

• Die Archivierung der Daten muss so erfolgen, dass eine nachträgliche

spurlose Manipulierung und unberechtigte Einsichtnahme

ausgeschlossen sind (DGGG und AG MedR, 2008a).

• Ebenso muss gewährleistet sein, dass ein Auslesen der Daten,

mindestens bis zum Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist von 10

Jahren, besser über einen Zeitraum von 30 Jahren, möglich ist (Berg,

2006). Im Zweifelsfalle sollte zusätzlich ein unterzeichneter Ausdruck

angefertigt werden (DGGG und AG MedR, 2008a).

6.4 Musterpartogramm

Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass sich der Großteil der

Geburtsdokumentationspraxis der teilnehmenden Kliniken mit den

Empfehlungen der Partogramm-Leitlinie und anderer Literatur

deckungsgleich verhält. Diese in puncto Qualität und Forensik positiv zu

bewertende Erkenntnis darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass nicht

sämtliche Abteilungen diese Anforderungen erfüllen und einige Aspekte

einen Nachbesserungsbedarf aufweisen.

Die Wahl und Gestaltung der Geburtsaufzeichnung bleibt letztendlich jeder

Abteilung selbst vorbehalten und ist nicht zuletzt Geschmackssache. Für

Geburtskliniken, die jedoch keine zeit- und personalaufwendigen

Neuentwicklungen und regelmäßige Anpassungen der Geburts-

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dokumentation vornehmen können oder wollen, stellen Leitlinien und

Mustervordrucke eine praktikable Lösung dar. Darüber hinaus ist

festzustellen, dass der gewünschte Grad der Transparenz und

Standardisierung in der Geburtshilfe noch steigerungsfähig ist und ein

einheitliches Dokumentationssystem konstruktiv dazu beitragen könnte. Aus

diesen Gründen wird an dieser Stelle der Versuch unternommen, aus den

gewonnenen Erkenntnissen ein Musterpartogramm zu entwickeln.

Seite 94 im Anhang zeigt den Vorschlag für ein Musterpartogramm in der

verkleinerten Übersicht. Um größtmöglichen Platz für Eintragungen,

insbesondere für Freitextanmerkungen, zu bieten und trotzdem eine

möglichst geburtsumfassende Zeitachse abzubilden, wurde als Format die

dreifache DIN A4-Blatt-Größe gewählt bzw. DIN A3 + DIN A4 (siehe in

Originalgröße Anhang S. 95-97). Für Übersichtlichkeit sorgt eine vertikale

optische Dokumentaufteilung in zum einen Geburtsfakten - wie Anamnese,

Ultraschallbefund, U1 etc. - und zum anderen die tabellarisch-grafische

fortlaufende Geburtsverlaufsdokumentation. In Anlehnung an den WHO-

Partographen wird hier weiter unterteilt in Parameter von Kind und Mutter

sowie die schriftliche Fixierung getätigter Maßnahmen. Als Konklusion aus

Studien- und Literaturrechercheergebnissen gilt besonderes Augenmerk dem

CTG-Feld, der Höhenstandsmessung sowohl nach DeLee als auch nach

Hodge, dem Raum für mütterliches Befinden und Lagerung sowie dem

großen Platzangebot für freitextliche Eintragungen. Eine Legende am oberen

Bildrand gewährleistet einheitliche grafische Aufzeichnungen. Zur

Verdeutlichung ist im Anhang auf Seite 98 ein beispielhaft ausgefülltes

Partogramm dargestellt. Die Zeitachse kann sowohl absolut im Sinne einer

Zeitstundeneinteilung als auch - wie im Beispiel - relativ mit Eintragungen pro

Untersuchungsvorgang genutzt werden.

6.5 Ausblick

Auf dem Gebiet der Geburtsdokumentation existieren multiple

Verbesserungspotentiale und überprüfungswürdige Fragestellungen. Von

wissenschaftlichem Interesse wäre bspw. die Dokumentationsumsetzung in

weiteren Ländern, der tatsächliche Einfluss des Achsenlayouts auf das

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76

Handeln der Geburtshelfer und die klinische und forensische Evaluation von

Partogramm-Vorlagen bzw. EDV-gestützter Geburtsverlaufsdokumentation.

Eine mit der Erforschung verbundene Steigerung von Behandlungsqualität

und forensischer Sicherheit wäre für alle Beteiligten von Nutzen.

Möglicherweise wäre auch eine Anpassung bzw. Konkretisierung der Leitlinie

denkbar.

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77

7 ZUSAMMENFASSUNG

Die medizinische Dokumentation stellt nicht nur eine Pflichterfüllung der

ärztlichen Berufsordnung, des Behandlungsvertrages und des Informations-

rechts des Patienten dar, sie fungiert auch als Gedächtnisstütze,

Kommunikationsinstrument und dient der forensischen und leistungs-

rechtlichen Absicherung. Insbesondere im Bereich der multiprofessionell

betreuten Geburtshilfe werden an sie komplexe Anforderungen gestellt, da

sie einen wichtigen Beitrag zum Informationsfluss zwischen den einzelnen

Berufsgruppen und somit zur Behandlungsqualität, Patienten-, Hebammen-

und Arztsicherheit leistet.

Daher erweist es sich als schlüssig, dass Geburtsdokumentationsmängeln

eine (Mit-)Ursache für steigende Haftpflichtprämien zugeschrieben wird.

Dokumentationslücken bedingen nicht nur eine Prozessqualitäts-

verschlechterung, sie können auch beweisrechtliche Folgen nach sich ziehen.

So lässt die Nicht-Dokumentation einer aufzeichnungspflichtigen Maßnahme

ihr Unterbleiben vermuten und kann zur Beweislasterleichterung zu Gunsten

des Patienten bzw. zur Beweislastumkehr zu Lasten von Hebamme und Arzt

führen.

Trotz der immensen Bedeutung existieren weltweit wenig Vorgaben und

Leitlinien zur Dokumentation der Geburt. Der von der WHO entwickelte

Partograph lässt sich in seiner Anwendung nicht auf den europäischen Raum

übertragen, da die geburtshilflichen Rahmenbedingungen in Europa von

denen in Entwicklungsländern divergieren. Im europäischen Raum wurden,

bis auf die von der DGGG und AG MedR erarbeitete Leitlinie „Empfehlungen

zur Dokumentation der Geburt - Das Partogramm“, keine Alternativen

konzipiert. Ebenso fehlen evaluierte Vordrucke, sodass sich die

Geburtsdokumentationsumsetzung vielfältig gestaltet.

Die vorliegende Arbeit hat daher zur Zielsetzung mittels selektiver

Literaturanalyse die modernen Anforderungen an die Geburtsdokumentation

darzustellen, den derzeitigen Standard mithilfe einer Fragebogenstudie zu

untersuchen und aus den Ergebnissen Empfehlungen und Entwicklungs-

perspektiven abzuleiten.

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Im Rahmen der deutschlandweiten postalischen Fragebogenstudie wurden

Ärzte und Hebammen aus 95 Geburtskliniken zu ihrer praktischen

Geburtsdokumentationsumsetzung befragt. Die Teilnehmerselektion erfolgte

mittels geschichteter Zufallsauswahl bei einer Fokussierung auf Kliniken der

Maximalversorgung. Der Fragebogen wurde unter Berücksichtigung der

Literaturanalyse und der Empfehlungen aus Interviews mit geburtshilflichen

Experten entwickelt und nach telefonischer Voranfrage und unter

Garantierung der anonymen Auswertung versendet.

49 Ärzte und 24 Hebammen sandten den ausgefüllten Fragebogen zurück,

was einer Rücklaufquote von 51,6% bzw. 25,3% entspricht. Ca. 60% der

Antworten stammten aus Kliniken mit einer Geburtenzahl von über 1000

Entbindungen pro Jahr und einer neonatologischen Versorgungsstufe des

Levels I. Rund 80% gaben an, regelmäßig und in Kooperation aller

geburtsbegleitenden Berufsgruppen ein Partogramm zu führen. Drei Viertel

der Beteiligten wählten als Aufzeichnungsmedium einen Vordruck, 8% ein

leeres Blatt und 6% die EDV-gestützte Dokumentation. Die Mehrzahl der von

den Teilnehmern gewählten Geburts-Parameter wurde analog zur DGGG-

Leitlinie festgehalten. Abweichungen und Ergänzungen fanden sich

insbesondere bei der CTG-Auswertung und forensischen Aspekten. Etwa die

Hälfte der Teilnehmer sah in der hauseigenen Geburtsdokumentationspraxis

Verbesserungsbedarf.

Die vorliegende Arbeit zeigt den Handlungsbedarf auf dem Gebiet der

Geburtsdokumentation auf und macht auf die qualitätsfördernde und

risikopräventive Funktion des Partogramms aufmerksam. Durch die

Fragebogenstudie kann gezeigt werden, dass die Mehrheit der befragten

Kliniken eine Geburtsdokumentation kongruent zu Leitlinien- und

Literaturempfehlungen pflegt. Nichtsdestotrotz können in einzelnen

Bereichen Verbesserungspotentiale identifiziert und Entwicklungs-

perspektiven aufgezeigt werden. Aus der Synthese der Erkenntnisse aus

Literaturanalyse und Fragebogenerhebung erfolgen Anpassungsvorschläge

der DGGG-Leitlinie und der Entwurf eines Musterpartogramms.

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8 LITERATURVERZEICHNIS

Albers, L. L. (1999). The duration of labor in healthy women. in Journal of Perinatology 19 (2), 114-119 Beazley, J. M., Kurjak, A. (1972). Influence of a partograph on the active management of labour. in The Lancet 7773 (300), 348-351 Berg, D. (2004). Dokumentation. in Der Gynäkologe 37, 38-44 Berg, D. (2006). Dokumentation. in Berg, D., Ulsenheimer, K. (Hrsg.). Patientensicherheit, Arzthaftung, Praxis- und Krankenhausorganisation. Springer Verlag, Berlin, 223-238 Berg, D., Ulsenheimer, K. (2006). Vorwort. in Berg, D., Ulsenheimer, K. (Hrsg.). Patientensicherheit, Arzthaftung, Praxis- und Krankenhausorganisation. Springer Verlag, Berlin, V-VI Braun von Reinersdorff, A., Freude, N., Heil, U., Jüngerhans, M. (2011). Alleinstellungsmerkmale durch Qualitätsmanagement 2.0 – Wettbewerbs- und Patientenorientierung ist für die Geburtskliniken eine besondere Herausforderung. in Peter Strahlendorf (Hrsg.). Jahrbuch Healthcare Marketing 2011. New Business Verlag, Hamburg, 85-89 Breckwoldt, M., Pfleiderer, A. (2008). Regelhafte Geburt. in Breckwoldt, M., Kaufmann, M., Pfleiderer, A.. Gynäkologie und Geburtshilfe. 5. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, 412-421 Breckwoldt, M., Schneider, H. (2008). Überwachung und Leitung der Geburt. in Breckwoldt, M., Kaufmann, M., Pfleiderer, A.. Gynäkologie und Geburtshilfe. 5. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, 422-436 Bundesärztekammer (BÄK) (2010). Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer. Entschließungen zum Tagesordnungspunkt V. Deutsches Ärzteblatt 107(20), A-1003 / B-879 / C-867 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (1999). Bericht zur gesundheitlichen Situation von Frauen in Deutschland. Eine Bestandsaufnahme unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Entwicklungen in West- und Ostdeutschland. Schriftenreihe der Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kohlhammer Verlag, Berlin, 209, 356 Cartmill, R. S., Thornton, J. G. (1992). Effect of presentation of partogram information on obstetric decision-making. in The Lancet 8808 (339), 1520-1522

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DANKSAGUNG

Ich möchte mich herzlichst bei meinem Doktorvater PD Dr. med. Sven

Schiermeier für die Vergabe des Themas, die ausdauernde Betreuung und

die konstruktive Kritik bedanken.

Des Weiteren danke ich Prof. Dr. med. Werner Bader, Prof. Dr. med. Hartmut

Hopp, Prof. Dr. med. Thomas Schwenzer sowie Prof. Dr. med. Werner Rath

für die Teilnahme am Telefoninterview.

Mein besonderer Dank gilt darüber hinaus den Hebammen und Ärzten, die

sich die Zeit zum Ausfüllen des Fragebogens genommen haben.

Meinen Freunden danke ich für das unermüdliche Korrekturlesen und ihren

stets optimistischen Zuspruch.

Seiner Familie hat man meist vieles zu verdanken. Daher bedanke ich mich

nicht zuletzt dafür, dass sie mir mit ständiger Zuversicht die Fertigstellung

dieser Arbeit ermöglicht hat.

„Errare humanum est,

sed in errare perseverare diabolicum“

Cicero, 43 v. Chr. (Orationes Philippicae, 12, 2)

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LEBENSLAUF

_____________________ Persönliche Angaben

Name: Nadja Syllwasschy

Geburtstag und -ort: 12. Juni 1985

Bochum

Staatsangehörigkeit: deutsch

_____________________ Schulische Ausbildung

1991 - 1995: Grundschule Wattenscheid-West

1995 - 2004: Märkisches Gymnasium Bochum

_____________________ Studium

WS 2004/05 - 2010/11: Studium der Humanmedizin

an der Ruhr-Universität Bochum

Praktisches Jahr: Marienhospital Witten

Wahlfach: Gynäkologie und Geburtshilfe

SS 2011: Promotionsstudiengang Medizin

an der Ruhr-Universität Bochum

_____________________ Beruf

seit Oktober 2011: Assistenzärztin für HNO-Heilkunde

Klinikum Dortmund Mitte

Direktor: Prof. Dr. med. Thomas Deitmer