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Veröffentlicht in: Erdöl-Erdgas Kohle, 128.Jg., 2012, H4 Moderne In-situ- und Labormessung von Permeabilität und Porosität zum Dichtheitsnachweis von Speichern für Wasserstoff, Erdgas und CO 2 Mohammed Amro, Frieder Häfner, Carsten Freese, Institut für Bohrtechnik und Fluidbergbau der TU Bergakademie Freiberg Kurzfassung Die Untergrundspeicherung von Erdgas, Wasserstoff und CO 2 in Poren- und Kavernenspeichern verlangen den Nachweis der Dichtheit des Caprock bzw. des Salzgesteins. Das Hauptproblem der Messungen ist dabei die notwendige Empfindlichkeitsschwelle für die Permeabilität (Durchlässigkeit). Laborative und In-situ-Messungen müssen Permeabilitäten von 10 -21 bis 10 -22 m 2 (10 -6 -10 -7 mD) sicher nachweisen können, um langzeitsichere Eigenschaften begründen zu können. Es wird ein instationäres Messverfahren (Mehrkammerverfahren) sowohl für Labor- als auch Bohrlochbedingungen entwickelt, dessen Interpretation die Bestimmung von Permeabilität, effektiver Porosität und Klinkenbergfaktor (bei Messung mit Gas) aus einer einzigen Messung erlaubt. Die Auswertung der Messung erfolgt numerisch über die inverse Lösung der Strömungs-Differenzialgleichungen. Die wesentlichen Neuheiten des schon in den 90ger Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelten Mehrkammerverfahrens bestehen in der Einbeziehung des Gleit- oder Klinkenbergeffektes ohne zusätzliche Messungen, die Einbeziehung von Messungen in zusätzlichen Beobachtungsbohrungen in die numerische Lösung (3D-Zylinderkoordinaten) und die Neuentwicklung von zwei Programmen (Perm1D, Perm3D) zur Auswertung der Messungen. Zur Illustration werden zwei Labor- / In-situ-Versuche aus der F&E-Praxis dargestellt und analysiert. Abstract The underground storage of hydrogen, natural gas and CO 2 in porous reservoirs and salt caverns requires the proof of gas tightness of caprocks and saltrocks, respectively. The identification of the sensitivity threshold value for the permeability is however the main problem encountered while evaluating gas tightness. Laboratory and in situ measurements have to be able to verify permeability in the range of 10 -21 to 10 -22 m 2 (10 -6 -10 -7 mD), to ensure long-term tightness. The method of the unsteady state measurement will be developed for laboratory conditions as well as for in situ conditions based on multi-chambers system. The interpretation of data using this method allows the permeability, effective porosity and Klinkenberg effect to be determined with the help of just a single measurement. The evaluation of the measured data is carried out numerically via the inverse solution of the differential flow equations. The most significant innovations in this method, which was applied in the beginning of 90 s, is the involving the Klinkenberg gas slippage effect without additional measurements, the involvement of measured pressure values in additional observation wells in the inverse solution and the new development of software (Perm1D, Perm3D) for evaluating the

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Veröffentlicht in: Erdöl-Erdgas Kohle, 128.Jg., 2012, H4

Moderne In-situ- und Labormessung von Permeabilität und Porosität zum Dichtheitsnachweis von Speichern für Wasserstoff, Erdgas und CO2

Mohammed Amro, Frieder Häfner, Carsten Freese, Institut für Bohrtechnik und Fluidbergbau der TU Bergakademie Freiberg Kurzfassung Die Untergrundspeicherung von Erdgas, Wasserstoff und CO2 in Poren- und Kavernenspeichern verlangen den Nachweis der Dichtheit des Caprock bzw. des Salzgesteins. Das Hauptproblem der Messungen ist dabei die notwendige Empfindlichkeitsschwelle für die Permeabilität (Durchlässigkeit). Laborative und In-situ-Messungen müssen Permeabilitäten von 10-21 bis 10-22 m2 (10-6-10-7mD) sicher nachweisen können, um langzeitsichere Eigenschaften begründen zu können. Es wird ein instationäres Messverfahren (Mehrkammerverfahren) sowohl für Labor- als auch Bohrlochbedingungen entwickelt, dessen Interpretation die Bestimmung von Permeabilität, effektiver Porosität und Klinkenbergfaktor (bei Messung mit Gas) aus einer einzigen Messung erlaubt. Die Auswertung der Messung erfolgt numerisch über die inverse Lösung der Strömungs-Differenzialgleichungen. Die wesentlichen Neuheiten des schon in den 90ger Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelten Mehrkammerverfahrens bestehen in der Einbeziehung des Gleit- oder Klinkenbergeffektes ohne zusätzliche Messungen, die Einbeziehung von Messungen in zusätzlichen Beobachtungsbohrungen in die numerische Lösung (3D-Zylinderkoordinaten) und die Neuentwicklung von zwei Programmen (Perm1D, Perm3D) zur Auswertung der Messungen. Zur Illustration werden zwei Labor- / In-situ-Versuche aus der F&E-Praxis dargestellt und analysiert. Abstract The underground storage of hydrogen, natural gas and CO2 in porous reservoirs and salt caverns requires the proof of gas tightness of caprocks and saltrocks, respectively. The identification of the sensitivity threshold value for the permeability is however the main problem encountered while evaluating gas tightness. Laboratory and in situ measurements have to be able to verify permeability in the range of 10-21 to 10-22 m2 (10-6-10-7mD), to ensure long-term tightness. The method of the unsteady state measurement will be developed for laboratory conditions as well as for in situ conditions based on multi-chambers system. The interpretation of data using this method allows the permeability, effective porosity and Klinkenberg effect to be determined with the help of just a single measurement. The evaluation of the measured data is carried out numerically via the inverse solution of the differential flow equations. The most significant innovations in this method, which was applied in the beginning of 90 s, is the involving the Klinkenberg gas slippage effect without additional measurements, the involvement of measured pressure values in additional observation wells in the inverse solution and the new development of software (Perm1D, Perm3D) for evaluating the

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measurement. To illustrate the implementation of the method, data from laboratory as well as in situ experiments taken from R&D studies will be presented and analyzed.

1 Einführung Die aktuellen Probleme der Untergrundspeicherung von Erdgas, Wasserstoff und CO2 in Poren- und Kavernenspeichern rücken den Nachweis der Dichtheit des Caprock bzw. des Salzgesteins wieder in den Blickpunkt der Forschung. Bereits in den 90ger Jahren des letzten Jahrhunderts wurden dazu neue Methoden und Apparaturen entwickelt und gebaut [1], [2], [BMBF 1-4], [SMRI 1], insbesondere für den Dichtheitsnachweis von Salzkavernen, Untertagedeponien und radioaktiven Endlagern. Das Hauptproblem der Messungen ist dabei die notwendige Empfindlichkeitsschwelle für die Permeabilität (Durchlässigkeit). Ein natürliches Gestein kann als technisch dicht bezeichnet werden, wenn die Permeabilität kleiner als 10-19 m2 (10-4 mD) ist. Für die Langzeitdichtheit gegenüber Gasen bzw. Schadstoffen ist diese Schwelle jedoch nicht ausreichend. Eine übliche Abschätzung des Schwellwertes geht davon aus, dass die Permeabilität so klein sein muss, dass bei realen Druckgradienten der Massenstrom infolge Strömung (Permeation) in der Größenordung des Diffusionsstromes liegt. Dazu muss man Werte von 10-21 bis 10-22 m2 (10-6 bis 10-7 mD) ansetzen, so dass die sichere Bestimmung derartig geringer Permeabilitäten eine untere Nachweisgrenze von 10-23 m2 (10-8 mD) und kleiner verlangt.

Die molekulare Diffusion im Porenraum kann in der praktischen Speichertechnik in der Regel nicht verhindert werden. Da der Diffusionsstrom bei üblichen lagerstättentechnischen Problemstellungen zumeist vernachlässigt wird (Permeation >> Diffusion), spielt auch die Art des Gases keine Rolle, wenn Dichte und Viskosität artspezifisch berücksichtigt werden. Bei den hier im Fokus stehenden Dichtheitsproblemen kann jedoch der Diffusionsstrom einen mehr oder weniger großen Einfluss auf die gemessene Permeabilität haben. Deshalb sollte die Permeabilität mit dem Gas gemessen werden, dass im Speicher vorliegt. Insbesondere für Wasserstoff und CO2 stellt dies neue Aufgaben bei den Werkstoffen der Apparaturen.

Die Messung sehr kleiner Permeabilitäten mit Flüssigkeit erscheint zwar technisch am einfachsten, da hierbei der Gleiteffekt (Klinkenberg-Effekt) [8], d.h. die Verfälschung der Permeabilität bei geringem Gasdruck, nicht auftritt. Schwierigkeiten bereitet aber die vollständige Sättigung der Probe, die mit der Vakuum-Sättigungsmethode nicht erreicht werden kann. In solchen Fällen muss die Probe durch (oftmals zeitlich sehr lange) Injektion der Flüssigkeit bei hohen Druckdifferenzen gesättigt werden. Der stationäre Volumenstrom, der ein Maß für die Permeabilität darstellt, ist trotzdem sehr klein und damit außerordentlich fehleranfällig. Die instationäre Messung mit Gas muss den Klinkenberg-Effekt entweder durch einen hohen mittleren Druck in der Probe vermeiden oder den Klinkenbergfaktor in die Parameterermittlung einbeziehen. Die stationäre Messmethode erfordert stets mehrere Messungen bei unterschiedlichen mittleren Drücken, um den Klinkenbergfaktor und die wahre Permeabilität ermitteln zu können.

Die Permeabilitätsmessung bei derart geringpermeablen Gesteinsproben nach der weithin üblichen stationären Methode [5] weist zwei Hürden auf:

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• die Messung kleinster Flüssigkeits- oder Gasvolumenströme ist stark fehlerbehaftet oder gar nicht mehr möglich und

• die Zeitdauer bis zur Einstellung des stationären Zustandes ist sehr lang. Aus diesen Gründen wurden sowohl für die Labormessung als auch für die in-situ-Messung in Bohrungen instationäre Verfahren entwickelt, zu deren Grundlagen, Apparaturen und praktischen Erfahrungen nachfolgend berichtet wird. 2 Kritische Einschätzung der stationären Messmethoden Ein Beispiel der stationären Permeabilitätsmesssung mit Gas soll die beiden Nachteile der Methode illustrieren. Nach dem Gesetz von Darcy und der Zustandsgleichung für ein reales Gas ergibt sich als Permeabilitäts-Auswerteformel für die Durchströmung einer Kernprobe der Länge L

                                                 μ

         (1) 

 k-Permeabilität, m2; L-Länge der Probe, m; A-Querschnittsfläche, m2; μg-dynamische Gasviskosität, Pa s; T, TN- Mess- und Normtemperatur, K; pN, pE, pA – Norm-, Eingangs- und Ausgangsdruck, Pa absolut, zg-Realgasfaktor (bei Messtemperatur und mittlerem Druck), QN-Volumenstrom bei Normbedingungen m3/s. Die Zeit bis zum Erreichen eines gesicherten stationären Zustandes läßt sich theoretisch aus der dimensionslosen Zeit tD ≥0.3 abschätzen [4, S.203], wobei

Øμ 2 t (2)

ist, mit t-Zeit, s; Ø-Porosität und c-isotherme Kompressibilität, Pa-1. In Abb.1 ist für ein Beispiel der Gasvolumenstrom und die Zeit bis zum Erreichen des stationären Zustandes dargestellt. Es ist ersichtlich, dass unter Voraussetzung des kleinsten messbaren Volumenstromes von 1cm3/h die untere Messgrenze für die Permeabilität bei ca. 10-21 m2 (10-6 mD) liegt und die erforderliche Messzeit ca. 8 Stunden liegt.

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Abbildung 1: Normvolumenstrom und Zeitbedarf bei einer Permeabilitätsmessung mit Stickstoff. Daten: L=5 cm, A=12.5 cm2, pE=100 bar abs.; pA=90 bar abs., T=293 K; zg =0.998; μg=18.2 μPa s.

Bei Messungen mit Flüssigkeit bestehen sehr ähnliche Beschränkungen. Will man also die untere Nachweisschwelle für die Permeabilität weiter erniedrigen, dann muss versucht werden, die Volumenstrommessung durch Druckmessungen zu ersetzen und den instationären Anlaufvorgang einer Messung zu nutzen. Das kann durch Messmethoden erreicht werden, die auf Lösungen der Strömungsdifferenzialgleichungen mit differenziellen Randbedingungen beruhen (Mehrkammermessverfahren).

3 Theoretische Grundlage der Mehrkammerverfahren

Instationäre (zeitabhängige) Strömungsprozesse im Porenraum werden durch partielle Differenzialgleichungen beschrieben, hier für ein reales Gas:

Ø (3)

1.E-04

1.E-03

1.E-02

1.E-01

1.E+00

1.E+01

1.E+02

1.E+03

1.E+04

1.E+05

1.E+06

1.E-24 1.E-23 1.E-22 1.E-21 1.E-20 1.E-19 1.E-18 1.E-17 1.E-16 1.E-15

Normvolumen

strom Gas, cm

3 /h; Zeit b

is 

stationä

rem Zustand

, s

Permeabilität, m2

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Die Messanordnung, die der Lösung dieser Gleichung für eine Labormessung mit Gas zugrundliegt, ist in Abb. 2 skizziert. 

Abbildung 2: Schematische Messanordnung für das Mehrkammerverfahren (hier Zweikammerverfahren)

Die Kammern am Ein- und Ausgang der Probe haben ein definiertes Volumen (einschließlich der Leitungszuführungen zur Probe. Für die Kammern gilt die differenzielle Randbedingung:

bei x=0 bzw. x=L. (4)

Die Randbedingung (4) bedeutet physikalisch, dass der Massenzu- bzw. abstrom in/aus der Probe (linke Seite der Gleichung) gleich der zeitlichen Massenänderung in der Kammer (rechte Seite der Gleichung) ist (VK-Volumen der Kammer, m3; cK-Kompressibilität der Kammer und des Kammerinhaltes, Pa-1). Zu Beginn der Messung (Anfangsbedingung) ist der Druck in der Probe und in der Ausgangskammer pA, der Druck in der Eingangskammer aber ist pE,. In der Regel ist dabei pE > pA. Für diese mathematische Aufgabe existiert eine Lösung (für den Laborversuch) in Form einer unendlichen Reihe [4, S.294 ff], für die zylindersymmetrische in-situ-Bohrlochmessung existieren keine analytischen Lösungen [4, S.296 ff.]. In [5] ist eine Näherungslösung für den Fall einer Randbedingung 1.Art an einem Probenende (konstanter Druck pE bzw. unendlich großes Kammervolumen VEingang) und konstanter Werte

MESSERGEBNIS

0.5 

1.5 

0  50000 100000 150000ZEIT in s

DR

UC

K i

n M

Pa 

pA

pE

MESSANORDNUNG

 

Kernprobe

VEingang

pE

VAusgang

pA

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für Kompressibilität und Viskosität sowie für kleine Porositäten angegeben, die auch in [6] für die Untersuchung von Sandsteinen genutzt wird:

(5)

(A-Probenquerschnittsfläche, m2; cK-Kompressibilität, Pa-1 (hier muss die Kompressibiliät der Kammer samt Fluid und der Kompressibilität des Porenraumes gleich sein !); VA-Ausgangskammervolumen, m3; pE, pA0 – konstanter Druck in der Eingangskammer und in der Ausgangskammer (bei t=0), Pa; pA(t) – zeitlicher Druckverlauf in der Ausgangskammer, Pa. Diese Lösung kann durch Regression in einem Koordinatensystem

                                                                        

direkt zur Bestimmung der Permeabilität benutzt werden. Hierbei muss aber betont werden, dass die gleichzeitige Bestimmung der Porosität nicht möglich ist - die Porosität kommt in der Näherungslösung gar nicht vor. Die in [5] und [6] angedeutete Nutzung dieser Lösung für ein echtes Zweikammerverfahren (mit einer Ein- und Ausgangskammer kleinen Volumens) ist ebenfalls nicht möglich, wie anhand der exakten Lösung (Reihenentwicklung) in [4] gezeigt werden kann. Da also keine brauchbare geschlossene Lösung zu erhalten ist, auf deren Basis eine einfache Messwertinterpretation zu machen wäre, kann die Aufgabe nur numerisch gelöst werden. Im Rahmen dieser Arbeit wurden die Strömungs-Differenzialgleichungen mit der Bilanzmethode in Form zweier Fortran-Programme (Perm1D, Perm3D) bearbeitet. Für das Laborverfahren ist nur die örtlich eindimensionale Lösung der Strömungsgleichung (in x-Richtung, s. Abb. 2) erforderlich. Für das in-situ-Bohrlochverfahren wird die Gleichung in dreidimensionalen Zylinderkoordinaten (r-φ-z) gelöst. Abb. 3 zeigt die schematische Messanordnung mit den technischen Details.

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Abbildung 3: Instationäre Vierfach-Packer-Apparatur zur in-situ-Messung der Permeabilität/Porosität nach dem instationären Mehrkammerverfahren.

Mit der neuentwickelten Software können nicht nur Messungen in den Beobachtungskammern neben der druckbeaufschlagten Kammer in die Interpretation einbezogen werden, sondern auch solche außerhalb des Bohrloches, z.B. in gesonderten Druckmesspunkten (Beobachtungsbohrungen). Das erlaubt eine wesentlich sicherere Bestimmung der ortsabhängigen Permeabilität und der Porosität. Eine Volumenstrommessung ist nicht erforderlich, aus den zeitlichen Druckverläufen in den Kammern können Permeabilität und Porosität der Probe berechnet werden. Das erfolgt durch näherungsweise inverse Lösung der Aufgabe in Form einer Gütefunktional-Minimierung. Das Gütefunktional ist dabei der mittlere quadratische Fehler aus gemessenen und berechneten Druckwerten

. , ∑ (6)

wobei N-Anzahl der Messwerte und wi- Wichtungsfaktoren sind. Dabei soll die Summe aller Wichtungsfaktoren gleich N sein.

Die Minimierung des Gütefunktionals (6) erfolgt mit mathematischen Suchverfahren nach Gauß-Newton bzw. Levenberg-Marquardt [7]. Die Minimierung des Fehlers f stellt die notwendige Bedingung für eine gute Lösung der inversen Aufgabe dar, sie ist jedoch nicht hinreichend bzgl. der Eindeutigkeit der zu kalibrierenden Permeabilitäts- und Porositätswerte. Bei Laborversuchen ist die Eindeutigkeit i.d.R. dann gegeben, wenn in beiden Kammern klare Druckreaktionen gemessen sind. Das bedeutet auch, dass aus einer Messung sowohl die Permeabilität als auch die effektiv wirksame Porosität ermittelt werden kann.

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Bei den in-situ-Versuchen sollte die Eindeutigkeit stets geprüft werden, indem der Minimierungsprozess mit unterschiedlichen Startwerten für die Parameter begonnen wird.

4 Instationäre Zweikammermethode für Labormessungen

Die Messanordnung ist in Abb. 2 für Gas als Fluid dargestellt. In Abb.4 wird die im Institut für Bohrtechnik und Fluidbergbau der TU Bergakademie entwickelte und installierte Anlage mit je drei Messsträngen für Gas und Flüssigkeit [2] gezeigt.

Abbildung 4: Messschrank für das instationäre Zweikammerverfahren mit 6 Messsträngen und unterschiedlichen Kammervolumina

Messung mit Gas Die Permeabilitätsmessung mit Gas ist technisch einfacher als mit Flüssigkeit, weil

• die Sättigung der Probe durch Vakuumtrocknung erfolgen kann und • die Kompressibilität der Kammern alleine durch den Kammerdruck bestimmt wird.

Die Kompressibilität der Kammer setzt sich aus den beiden Teilen

, (7)

zusammen, wobei cV – Kompressibilität des Kammervolumens, Pa-1 und cg-Kompressibilität des Gases, Pa-1, ist. Die Volumen-Kompressbilität der aus Edelstahl gefertigten Kammer und der Zuleitungen kann gegenüber der Gaskompressibilität vernachlässigt werden.

Der Anfangszustand wird auf unterschiedliche Weise eingestellt, z.B.

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• Athmosphärendruck in der Ausgangskammer und im Porenraum, Eingangskammer mit Druck pE.

• Einstellung eines höheren Druckes pA > 1 bar abs. im Gesamtsystem, indem vor der eigentlichen Messung die Durchströmung der Probe bei diesem Druck so lange erfolgt ist, bis sich Druckkonstanz in beiden Kammern eingestellt hat. Erst dann wird die Eingangskammer mit einem höheren Druck beaufschlagt und geöffnet.

Die Aufzeichnung der Drücke in beiden Kammern erfolgt über Drucksensoren auf PC und erfordert keinerlei Eingriffe durch das Laborpersonal, so dass auch Messungen über eine Zeitdauer von Monaten relativ einfach durchzuführen sind. Gegenüber dem ursprünglichen Entwicklungsstand [BMBF 2, 3, 4] der Jahres 1999 bis 2003 wurde eine neue Software zur Interpretation der Messungen entwickelt, die den Klinkenberg-Effekt mit in die Auswertung einbezieht, die in-situ-Messungen in (r-φ-z)-Koordinaten interpretiert, die numerische Lösung verbessert und das Daten-Handling sicherer und leichter macht (für Labormessungen Perm1D, für In-situ Messungen Perm3D). Diskussion des Gleit- oder Klinkenberg-Effektes bei der Messung mit Gas Man muss beachten, dass die Gesteinseigenschaft „Permeabilität k“ weder vom Druck noch von der Art des Fluids (Gas oder Flüssigkeit) abhängt. Bei der Strömung von Gas tritt jedoch auch immer, insbesondere in Poren mit sehr kleinen Radien, der druckabhängige Gleiteffekt auf, der zu einer Erhöhung des Massenstromes führt. Diesen Effekt hat Klinkenberg [8] in die „scheinbare Permeabilität kK“ integriert. Der Effekt wird mathematisch erfasst durch

1 (8)

wobei b-Klinkenbergfaktor, Pa; pm-mittlerer Gasdruck im Porenraum (Pa absolut) und kK-die durch den Effekt verfälschte scheinbare Permeabilität (m2) sind.

Will man jedoch an Kernproben gemessene Permeabilitäten auf eine andere Größenskala, z.B. den Porenraum von Lagerstätten, übertragen, können nur echte, unverfälschte Werte übertragen werden. Deshalb müssen gemessene (scheinbare) Werte kK nach Gl.(8) in Permeabilitäten k korrigiert werden. In [6] wurde vorgeschlagen, bei der Auswertung der Messungen jeweils einzelne zeitliche Intervalle mit unterschiedlichen mittleren Drücken gesondert zu interpretieren und dann die berechneten Klinkenberg-Permeabilitäten nach Gl.(8) über dem Kehrwert der mittleren Drücke grafisch aufzutragen, um bei 1/pm = 0 den wahren Permeabilitätswert ablesen zu können. Da das nur eine grobe Näherung ist, wird in der neuen Interpretationssoftware Gl.(8) in die numerische Lösung integriert, so dass als unbekannte Parameter nicht nur Permeabilität und Porosität, sondern auch noch bei Bedarf der Klinkenbergfaktor b zu bestimmen ist. Oftmals kann jedoch die Korrelation nach [3]

.

(9) (b in bar, k0 = 1×10-15 m2 = 1 mD) genutzt werden. Dabei ist nach gegenwärtigem Kenntnisstand der Korrelationsfaktor bK = 0.543.

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Aus Gl.(9) kann abgeschätzt werden, dass die Korrektur bei Permeabilitäten größer als ca. 10-12 m2 (1 D) nicht erforderlich ist. Andererseits ergeben sich ohne Klinkenberg-Korrektur enorme Fehler bei sehr geringpermeablen Proben (<1mD), wie sie für Dichtheitsuntersuchungen typisch und z.B. zuletzt in [BMBF 2,3,4], [SMRI 1], [9], [10] aufgetreten sind. So ergäbe sich z.B. bei einer Messung mit 6 bar mittlerem Druck (pE=11 bar abs., pA=1 bar abs) und einem nicht korrigierten Messwert von 1.25 10-5 mD eine wahre Permeabilität von 1 10-6 mD, also ein Fehler von mehr als einer Größenordnung. Mit der oben beschriebenen Auswerte-Software für instationäre Messungen ist nur eine einzige Messung erforderlich, in der die Klinkenberg-Korrektur eingeschlossen ist. Messung mit Flüssigkeit Die Messung sehr kleiner Permeabilitäten mit Flüssigkeit (Wasser, Salzlösung etc.) ist technisch ungleich sensibler als mit Gas, weil

• die vollständige Sättigung der Probe mit Flüssigkeit nicht immer erreichbar ist, so dass eine (wenn auch geringe) Restgassättigung verbleibt, die die Kompressibilität des Porenraumes drastisch erhöht,

• die Volumenkompressibilität der Kammern in ähnlicher Größenordnung wie die Flüssigkeitskompressibilität liegt.

Aus diesen Gründen liegt die untere Messschwelle für die sichere Permeabilitäts- und Porositätsbestimmung hier deutlich höher als mit Gas. Beispiel für eine Labormessung Instationäre Labormessungen nach dem Zweikammerverfahren sind für geringpermeable Gesteine mit zu erwartenden Permeabilitäten kleiner als 10-14 m2 (10 mD) besonders geeignet. Bei höheren Permeabilitäten ist i.d.R. die Zeit bis zum vollständigen Druckausgleich so kurz (< 100 s), dass eine gesicherte Aufnahme der Druckwerte fraglich wird. In Abb.5 ist die Gas-Permeabilitätsmessung an einer geringpermeablen Salzbetonprobe für ein Untertagebauwerk dargestellt. Die Messung erfolgte mit Stickstoff, wobei die Volumina der Eingangs- und Ausgangskammer 187.7 bzw. 189.2 cm3 betrugen. Die Probe hatte 10.97 cm Durchmesser und 8.06 cm Länge. Die Messung an dieser Probe erfordert unbedingt die Berücksichtigung des Klinkenbergeffektes. Abb.5 stellt das Endergebnis der Auswertung mit und ohne Klinkenberg-Effekt dar.

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Abbildung 5: Instationäre Labormessung von Porosität und Permeabilität. Ergebnis mit integrierter Klinkenberg-Korrektur: k=2.91×10-20 m2, Ø=0.6298 % ohne Klinkenberg-Korrektur: k=1.19 10-19m2, Ø=0.6298 % Die automatische Parametersuche begann mit Startwerten für Permeabilität von 10-3 mD und Porosität von 1 %. In Tabelle 1 und Abb. 6 wird der Verlauf der Parametersuche (Fehlerminimierung) für ausgewählte Iterationsstufen dargestellt. Es hat sich als sinnvoll erwiesen, zunächst die automatische Parametersuche mit Perm1D so zu nutzen, dass der Klinkenbergfaktor b nach Gl.(9) intern berechnet wird. Erst anschließend wird das beste Wertepaar (k, Ø) weiter verbessert, indem der Klinkenbergfaktor b in die automatische Suche einbezogen wird. Tabelle 1: Zwischenergebnisse der Parametersuche für das Beispiel „Labormessung mit Gas“ (der mittlere prozentuale Fehler ist auf den Mittelwert aller gemessenen Drücke bezogen)

Iteration Porosität (-)

Permeabilität, m2

Klinkenberg- Faktor b, bar

Mittlerer quadratischer

Fehler, bar

Mittlerer prozentualer

Fehler, % 1 0.01 1.0×10-18 nach Gl.(9) 1.444 25.37 3 0.00455 1.47×10-19 nach Gl.(9) 1.045 18.37 7 0.006623 8.47×10-20 nach Gl.(9) 0.8185 14.38 9 0.00716 6.39×10-20 nach Gl.(9) 0.676 11.88

16 0.00630 2.45×10-20 nach Gl.(9) 0.0633 1.11 17 0.00629 2.91×10-20 17.2 0.0527 0.926

ohne Klinkenberg-

Korrektur

0.00629

1.19×10-19

0

0.0536

0.943

0123456789101112

1.E+00 1.E+01 1.E+02 1.E+03 1.E+04 1.E+05 1.E+06

Druck (K

ammer 1 und

 2), ba

r ab

s.

Zeit, s

Kammer 1, Messwerte

Kammer 1, Endanpassung

Kammer 2, Messwerte

Kammer 2, Endanpassung

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Abbildung 6: Verlauf der automatischen Modellanpassung mit Berücksichtigung der Klinkenberg-Korrrektur nach Gl.(9). Falls die Interpretation der gemessenen Werte ohne die Berücksichtigung des Klinkenbergeffektes erfolgt, kann man eine gleich gute Kurvenanpassung (s.Abb.5) erreichen, der Fehler beträgt auch nur 0.0536 bar, die Permeabilität ist jedoch um ca. eine Größenordnung zu groß (s.Tab.1). Zur Erklärung des Einflusses der Messzeit auf die Sicherheit der Ergebnisse wurde der gleiche Versuch derart ausgewertet, dass nicht alle Messwerte der fast 12-tägigen Messung genutzt wurden, sondern nur Messwerte bis ca. 6 h (2×104 s). Am Ende dieser relativ kurzen Messzeit beginnt die Ausgangskammer zu reagieren (s.Abb.5). Es zeigt sich, dass die daraus bestimmbare Permeabilität relativ gut zu 3.5×10-5 mD ermittelt werden kann, die Porosität hingegen weist mit 0.268 % eine große Abweichung zum richtigen Wert auf. 5 Instationäre In-situ-Messung Die Permeabilität von Gesteinen, insbesondere Gesteinen mit viskos-plastischen Eigenschaften, wie Salz- und Tongesteine, hängt sehr stark vom Spannungs- und Verformungszustand ab. So bilden sich z.B. an den Rändern von Salzkavernen, am Kavernenhals oder um Grubenbaue stets Auflockerungszonen aus, in denen der Spannungszustand nicht mehr dem initialen Zustand entspricht, wobei das Gestein permeabel wird und eine sekundäre Porosität entsteht. Die Messung der Permeabilität/Porosität in diesen Zonen ist laborativ nicht möglich, da der jeweilige Spannungs-/Verformungszustand unbekannt ist und bei viskos-plastischem Material (Ton-, Salzgestein) laborativ in vertretbaren Zeiträumen von Monaten oft auch nicht wiederhergestellt werden kann.

0.00.10.20.30.40.50.60.70.80.91.01.11.21.31.41.51.6

0 2 4 6 8 10 12 14 16

mittlerer qua

dratischer Feh

ler, ba

r

Iterationen 

beste Werte (mit Klinkenberg‐Korrelation nach Gl.(9):

k=2.45×10‐20 m2,φ= 0.0063

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Aus diesen Gründen wurde ein Verfahren entwickelt, dass in Bohrlöchern arbeitet, in die eine Vierfach-Packerarmatur eingeführt wird [BMBF 4]. Das Messprinzip ähnelt dem oben beschriebenem Laborverfahren. Die vier Packer bilden eine Druckkammer (mittig, Testintervall) und zwei Beobachtungskammern (Kontrollintervalle), in denen die Druckreaktionen auf den Impuls der Druckkammer gemessen werden (s.Abb.3, unten). Bei diesem Verfahren tritt eine dreidimensionale (räumliche) Strömung auf. Nach Aufgabe eines Druckes (Gas oder Flüssigkeit) in der mittleren Kammer tritt der in Abb.7 skizzierte Strömungsvorgang ein, dessen Druckreaktionen in den Beobachtungskammern bzw. in gesonderten Beobachtungsbohrungen gemessen werden kann.

Die besondere Problematik dieses Verfahrens besteht darin, wie bei allen Testoperationen in der Erdöl-Erdgastechnik (Well Testing) auch, dass sich um das Bohrloch unterschiedliche Spannungs-Verformungszustände ausbilden, die Permeabilität und Porosität verändern können. Beim Well Testing unterscheidet man deshalb eine bohrlochnahe und eine bohrlochferne Permeabilität bzw. den Skinfaktor. Das hier skizzierte Verfahren verfügt jedoch mit den Messungen in den Beobachtungskammern und Beobachtungsbohrungen über weit bessere Messinformationen, die einem Interferenztest ähneln [3, S.104]. Bei den In-situ-Messungen (zumeist in 10-20 m langen Bohrungen, auf Deponien oder in Grubenbauen) sind drei Einflussbereiche zu unterscheiden:

• Initialer, von Spannungsänderungen unbeeinflusster Gebirgbereich (bohrlochfern), • Auflockerungszone im Bohrlochkopfbereich (Geländeoberkante, Streckenstoß), in der

Ausdehnung von einigen Metern, • Geringe Auflockerung um das Bohrloch herum, in der radialen Ausdehnung etwa

einige Zentimeter (orange gekennzeichneter Bereich in Abb.7).

 

 

Abbildung 7: Messprinzip einer Vierfach-Packerapparatur mit Darstellung der Strömung aus/in die drei Kammern und das Gestein mit einer Auflockerungszone um das Bohrloch

Die Simulation mit der 3D-Software Perm3D bildet diese Situation in Zylinderkoordinaten ab. Bei der Modellkalibrierung (Parameteridentifikation) ist jedoch zu beachten, dass mehr als zwei unbekannte Parameter zu bestimmen sind, da in jedem Bereich ein Permeabilitäts- und ein Porositätswert (bei Gas noch ein Klinkenbergfaktor) zu ermitteln sind. Die Kalibrierung, d.h. die Minimierung des Gütefunktionals (6) kann i.d.R. nicht mehr eindeutig gelöst werden,

r=3,5 cm z.B. r=4,0-4,5 cm

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so dass z.B. für die Porosität und den Klinkenbergfaktor geschätzte oder laborativ ermittelte Werte vorgegeben werden müssen.  

Zur Abschätzung der zeitlichen Dauer von In-situ Permeabilitätsmessungen

Die erforderliche Dauer einer einzigen Messung hängt entscheidend ab • von der Permeabilität des Gesteins am Standort und • von der gewünschten Sicherheit der Interpretationsergebnisse bzgl. Permeabilität und

Porosität. Um diese Einflüsse, die formelmäßig nicht darstellbar sind, deutlich zu machen, seien nachfolgend zwei simulierte Beispiele erläutert. Das erste Beispiel soll ein relativ gut durchlässiges Gestein mit 10-15 m2 (1 mD) Permeabilität beschreiben, das zweite ein Gestein mit 10-21 m2 (10-6 mD).

 

Abbildung 8: Zeitlicher Verlauf der Drücke in den Kammern der Packerarmatur bei 1 mD und 10-6 mD Permeabilität und 0.5 % Porosität (K1: Druckkammer, K2 und K3- Beobachtungskammern)

Aus Abbildung 8 ist ersichtlich: • Der Versuch im 1 mD-Gestein ist in 1-2 Minuten so schnell abgeklungen, so dass man

hier besser das Volumen der Druckkammer vergrößern oder bei konstantem Druck messen würde.

• Der Versuch in einem Gestein von 10-6 mD ist typisch für Salz- oder Caprockgestein in der Auflockerungszone bzw. im Übergangsbereich zum unverritzten Gebirge (s.Abb.7). Der Versuch wird nach ca. 10 Tagen (106 s) bereits für die Permeabilität ein auswertbares Ergebnis erbringen, für die genauere Ermittlung von

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

1.E+00 1.E+01 1.E+02 1.E+03 1.E+04 1.E+05 1.E+06 1.E+07 1.E+08

Druck in

 den

 Kam

mern de

r Packerarmatur, 

bar ab

solut

Versuchszeit, sec.

1 mD‐K1

1mD‐K2

1mD‐K3

1E‐6 mD ‐ K1

1E‐6 mD ‐ K2

1E‐6 mD ‐ K3

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Permeabilitätsbereichen und der Porosität wäre jedoch eine Messzeit von etwa 100 Tagen und größer notwendig (107 s).

• Die Porositätsbestimmung erfordert eine Messzeit bis in die Nähe des Druckausgleiches in allen Kammern. Sie bleibt aber stets eine unsichere Größe, da die Massenbilanz nicht geschlossen ist (das aus der Druckkammer abströmende Gas sammelt sich nur zum Teil in den Beobachtungskammern). Da die Porosität jedoch zumeist nicht im Fokus der Untersuchungen steht, wird man den Versuch nur im Einzelfall so lange auszudehnen versuchen.

Beispiel für eine In-situ-Messung Als ein typisches Beispiel soll eine In-situ-Messung in der Strecke einer Untertagedeponie (Salzbergwerk) dargestellt werden. Derartige Messungen sind oftmals nützlich als Analogon zu den Verhältnissen in Speicherkavernen. Die Bohrung hatte einen Durchmesser von 70 mm und eine Tiefe von 9.8 m. Die Vierfach-Packergarnitur wurde nahe am Bohrlochkopf positioniert, der erste Packer befand sich im Tiefenbereich 10-23 cm, der vierte Packer bei 82-95 cm Tiefe. Die Kammern zwischen den einzelnen Packern hatten Volumina von 366 cm3 (Druckkammer) und 131 cm3 (Beobachtungskammern). Die Abbildungen 9 bzw. Tabelle 2 zeigen einige Schritte der Auswertung. Abbildung 9 a mit einer relativ hoch geschätzten homogenen Permeabilität von 0.003 mD zeigt, dass die Reaktionen in den Beobachtungskammern in keiner Weise widergespiegelt werden. In Abb. 9b wurde die Auflockerungszone um das Bohrloch in vier Zonen (s.Tab.2) geteilt, so dass eine deutlich bessere Reaktion der Beobachtungskammern entsteht. Abb. 9c zeigt die beste Modellanpassung mit nahezu vollständiger Überdeckung von gemessenen und berechneten Kurven. Falls für diesen Parametersatz (s.Tab.2) die Klinkenberg-Korrektur nicht vorgenommen würde, entsteht eine deutliche Diskrepanz (s.Abb.9d).

9a

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

1.E+00 1.E+01 1.E+02 1.E+03 1.E+04 1.E+05

Druck, b

ar abs.

Zeit, s

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9b

9c

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

1.E+00 1.E+01 1.E+02 1.E+03 1.E+04 1.E+05

Druck, b

ar abs.

Zeit, s

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

1.E+00 1.E+01 1.E+02 1.E+03 1.E+04 1.E+05

Druck, b

ar abs.

Zeit, s

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9d Abbildungen 9:  Vergleich von gemessenen und berechneten Drücken für verschiedene Parameter-Kombinationen im Ablauf der Modellkalibrierung a: Homogene Permeabilität in allen Zonen, b: Permeabilitäts-Schätzwerte für bohrlochferne Verhältnisse und Zonen 1-4 (s.Tab.2), c: beste Modellanpassung (Minimum des mittleren quadratischen Fehlers), d: gleiche Permeabilitäten wie in c, jedoch ohne Klinkenberg-Korrektur. Legende zu Abbildungen 9:

Tabelle 2: Ergebnisse der Permeabilitätsbestimmung aus einer In-situ-Messung in einer Strecke einer Untertagedeponie (Salzgestein)

Abbildung Fehler

bar %

Permeabilität, mD

bohrloch-fern

Zone 1 Zone 2 Zone 3 Zone 4

9a, homogen 1.122 32.16 3 10-3 3 10-3 3 10-3 3 10-3 3 10-3

9b 0.661 18.97 1.15 10-7 0.1 0.1 1 10-3 1 10-3

9c (best) 0.066 1.89 1.1 10-6 0.11 0.17 0.042 0.21

9d(wie 9c, aber ohne

Klinkenberg-effekt)

0.301

8.63

1.1 10-6

0.11

0.17

0.042

0.21

Die Zonen sind Teile des bohrlochnahen Auflockerungsbereiches mit einem Radius von 5 cm. Zone 1: 0 bis 0.23 m Tiefe, Zone 2: 0.23 bis 0.6 m Tiefe, Zone 3: 0.6 bis 0.82 m Tiefe Zone 4: 0.82 bis 1.36 m Tiefe.

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

1.E+00 1.E+01 1.E+02 1.E+03 1.E+04 1.E+05

Druck, b

ar abs.

Zeit, s

Kammer1,mess 1simKammer2,mess 2simKammer3,mess 3sim

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Die Wahl des Radius der Auflockerungszone entspringt gebirgsmechanischen Überlegungen und kann nur geschätzt werden. Wesentlich ist jedoch, dass der Fluss aus der Druckkammer vom Produkt „Permeabilität Querschnittsfläche der Auflockerungszone = Leitfähigkeit“ abhängt, so dass nur die Leitfähigkeiten der Zonen gesichert sind, nicht aber die ermittelten Permeabilitäten der Zonen. Entscheidend ist der Wert der bohrlochfernen Permeabilität. In Abb.10 ist die Eindeutigkeit dieses Ergebnisses dargestellt. Der Kurvenverlauf zeigt ein Minimum des Modellfehlers für 1.1 10-6 mD als Bestätigung, dass ein deutlich größerer Wert oder ein wesentlich kleinerer Wert der bohrlochfernen Permeabilität aus der Messung nicht abgeleitet werden kann. Das Bild macht auch klar, dass es bei derart kleinen Permeabilitäten einen gesicherten Wertebereich gibt, es jedoch nicht sinnvoll ist, einen einzigen Wert hervorzuheben. In dem hier gezeigten Fall erscheint die Angabe eines Bereiches für die bohrlochferne Permeabilität von 10-7 – 2 10-6 mD (10-22 – 2 10-21 m2) gesichert. Die Porosität des bohrlochfernen Bereiches kann aus dieser Messung nicht ermittelt werden, sie besitzt eine verschwindende Sensitivität, d.h. ihr Wert hat nahezu keinen Einfluss auf die Permeabilität. Für die Simulationen wurde ein laborativ bestimmter Wert von 0.3 % eingesetzt.

Abbildung 10: Nachweis der Eindeutigkeit der berechneten bohrlochfernen Permeabilität Wie bei den Labormessungen so auch für In-situ-Messungen sei noch einmal auf die Notwendigkeit der Klinkenberg-Korrektur bei geringpermeablen Gesteinen, wie sie für alle Dichtheitsnachweise typisch sind, hingewiesen. Die Permeabilitäten werden ohne diese Korrektur stets zu hoch eingeschätzt, oftmals um mehr als eine Zehnerpotenz (s.Tab.1). Dieser Fehler trat leider in der Vergangenheit bei allen instationären Messungen immer dann auf, wenn der Druck in einer der Kammern oder im Initialzustand gering und die Permeabilität kleiner als 1mD war (zuletzt in [10]).

0

0.05

0.1

0.15

0.2

0.25

1.E‐09 1.E‐08 1.E‐07 1.E‐06 1.E‐05 1.E‐04 1.E‐03

mittlerer qua

dratischer Feh

ler de

r Mod

ellanp

assung, bar

bohrlochferne (unverritzte) Permeabilität, mD (1 10‐15 m2

minimaler Fehlerbei k=1.1 10‐6 mD

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6 Zusammenfassung Das Hauptproblem der Permeabilitätsmessung zum Dichtheitsnachweis von Untergrundspeichern für Erdgas, Wasserstoff und CO2 ist die notwendige hohe Empfindlichkeitsschwelle für die Permeabilität bei Werten in der Größenordnung von 10-18 bis 10-23 m2 (10-3 – 10-8 mD). Da die üblichen stationären Messverfahren oftmals am langen Zeitbedarf oder an der Messung geringster Volumenströme scheitern, wurde das instationäre Mehrkammer-Messverfahren weiterentwickelt. Die Einbeziehung des Klinkenberg-Effektes in die Interpretation von Messungen mit Gas erlaubt nunmehr die gleichzeitige Bestimmung von Permeabilität, Porosität und Klinkenbergfaktor aus einer Messung. Die Vernachlässigung des Klinkenbergeffektes bei der Versuchsauswertung bringt große Fehler in der Permeabilitätsbestimmung, bei extrem kleinen Werten und einem geringen Druckniveau der Messung können die Ergebnisse um ein bis zwei Größenordnungen verfälscht sein. Die Sättigung der Kernproben mit Flüssigkeit stellt bei extrem kleinen Permeabilitäten ein sehr schwieriges Problem dar. Da die Sättigung großen Einfluss auf die Kompressibilität des Systems hat, gelten o.g. Schwellwerte vorzugsweise für Messungen mit Gas. Für Laborversuche an Kernproben ist es erstrebenswert, die Messung bis zum Druckausgleich zu fahren, so dass auch die Porosität sicher ermittelt werden kann. Die untere Messschwelle der Permeabilität liegt mit der hier angewendeten Apparatur bei ca. 10-23 m2 (10-8 mD) , erfordert dann aber auch Messzeiten von einigen Wochen. Für die In-situ-Versuche in Bohrlöchern mit einer Vierfach-Packergarnitur gelten sehr ähnliche Bedingungen. Da die Massenbilanz bei den In-situ-Versuchen nicht messbar ist, ist die gleichzeitige Porositätsermittlung i.d.R. nicht möglich. Die örtlichen Veränderungen von Permeabilität und Porosität infolge Auflockerung des Porenraumes um das Bohrloch herum werden in die Auswertung einbezogen. Sie erschweren den Eindeutigkeitsnachweis der ermittelten Parameterkombinationen. Literatur: [1] Häfner, F., A.Kornjaew, A.Pohl & H.D.Voigt: Permeabilitäts- und Porositätsmessungen

an Gesteinsproben mit dem instationären Zweikammerverfahren. Erdöl Erdgas Kohle, (112), 1996, S. 401-404, Heft 10.

[2] Bruck, J.v.d.: Zum Permeabilitätsverhalten von kompaktiertem Salzgrus. Dissertation. TU

Bergakademie Freiberg, 1999. [3] Häfner, F., H.D.Voigt, H.F.Bamberg & M.Lauterbach: Geohydrodynamische Erkundung

von Erdöl-, Erdgas- und Grundwasserlagerstätten. WTI des Zentralen Geologischen Institutes Berlin, (26), H1 (232 S.) , 1985 oder download von

http://tu-freiberg.de/fakult3/tbt/studenten/lehrmaterialbf1.html. [4] Häfner,F., D.Sames & H.D.Voigt: Wärme- und Stofftransport. Springer-Verlag (622 S.),

1992.

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[5] Zoback, M.D. & J.D.Byerlee: The effect of microcrack dilatancy on the permeability of Westerly granite. J.Geophys. Res., (80), 1975, 752-755.

[6] Zisser, N. & G.Nover: Anisotropy of permeability and complex resistivity of tight

sandstones subjected to hydrostatic pressure. J.Applied Geophysics, (68), 2009, 356-370.

[7] Press,W.H., B.P. Flannery, S.A. Teukolsky. & W.T.Vetterling: Numerical Recipes. 2nd

ed., Cambridge University Press, Cambridge, 1992. [8] Klinkenberg, L.J.: The permeability of porous media to liquids and gases. API Drilling

and Production Practice, 1941, 200-213. [9] Jobmann,M., Th.Wilsnack & H.D.Voigt: Investigation of damage-induced permeability

of Opalinus clay. Int. Journ. Rock Mechanics and Mining Sci., (47), 2010, 279-285. [10] Voigt,H.D., F.Grafe & Th.Wilsnack: Entwicklung eines Oberflächenpackers zur

Bestimmung der Permeabilität von Salz- und Festgestein. Kali und Salz, 2011, H3, S.40-46.

Unveröffentlichte Forschungsberichte für BMBF und SMRI (über die Technische Informationsbibliothek der Universität Hannover zu beziehen, www.tib.uni-hannover.de) [BMBF 1] Wagner,S., W.Drees, F.Häfner & S.Förster: Bestimmung des Diffusions- und

Permeabilitätsverhaltens von Wasserstoff in Steinsalz und kompaktiertem Salzgrus. Abschlussbericht des BMFT-Forschungsvorhabens 02 E 8462/9, TU Bergakademie Freiberg, 1995.

[BMBF 2] Häfner, F., S.Wagner, S.Förster, J. von der Bruck & A.Behr:

Durchlässigkeitsverhalten von Steinsalz bei gekoppeltem Einfluss von Fluiddynamik, Gebirgsmechanik und Lösungsvorgängen. Unveröff. Abschlussbericht des BMFT-Forschungsvorhabens 02 E 8876, TU Bergakademie Freiberg, 1999.

[BMBF 3] Häfner,F., U.Belohlavek, A.Behr, S.Förster & A.Pohl: In-situ Ermittlung von

Strömungskennwerten natürlicher Salzgesteine in Auflockerungszonen gegenüber Gas und Salzlösungen unter den gegebenen Spannungsbedingungen im Gebirge. Unveröff. Abschlussbericht des BMFT-Forschungsvorhabens 02 C 0527 6, TU Bergakademie Freiberg, 2001.

[BMBF 4] Voigt,H.D., F.Häfner, U.Belohlavek, A.Behr & A.Pohl: Untersuchung der

Durchlässigkeit von kompaktiertem Salzgrus und Salzgestein gegenüber Laugen bei HAW- und DE-typischen Temperaturen. Unveröff. Abschlussbericht des BMFT-Forschungsvorhabens 02 E 9330, TU Bergakademie Freiberg, 2003.

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[SMRI 1] Behr, A., U.Belolahvek, T.Wilsnack & F.Häfner: Evaluation of Salt Permeability

Tests. Unpubl. Research Report No. 2001-3-SMRI. Encinitas/USA, 2001. Prof.Dr.-Ing. Mohammed Amro, [email protected], Prof.i.R.Dr.-Ing.Frieder Häfner, [email protected], Dr.Ing.Carsten Freese, [email protected] TU Bergakademie Freiberg, Institut für Bohrtechnik und Fluidbergbau, Agricolastraße 22, D-09596 Freiberg.