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Moderne Zeiten – Ressourcen stärken in der digitalen Gesellschaft Bundesfachkonferenz Gesundheit für Programmplanende an Volkshochschulen 27. und 28. Januar 2014, Kassel Tagungsdokumentation

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Moderne Zeiten – Ressourcen stärken in der digitalen Gesellschaft

Bundesfachkonferenz Gesundheit für Programmplanende an Volkshochschulen

27. und 28. Januar 2014, Kassel

Tagungsdokumentation

Moderne Zeiten - Ressourcen stärken in der digitalen Gesellschaft Bundesfachkonferenz in Kassel 2014

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Bundesarbeitskreis Gesundheit Deutscher Volkshochschulverband e.V. Obere Wilhelmstr. 32 53225 Bonn E-Mail [email protected] www.dvv-vhs.de Redaktion und Gestaltung Holger Kühne Victor-Gollancz-Volkshochschule Steglitz-Zehlendorf Goethestraße 9-11 12207 Berlin Telefon: 030 - 90299 2206 E-Mail: [email protected] www.vhs-steglitz-zehlendorf.de Fotos: Frank Hellwig April 2014 Wir danken der AOK Hessen für die freundliche Unterstützung.

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Inhalt

Seite

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Einleitung

1.1 Vorwort Anette Borkel, Hamburger Volkshochschule Gerhart Hartmann, Bayerischer Volkshochschulverband

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1.2 Tagungsprogramm

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1.3

Begrüßung Anette Borkel, Sprecherin Bundesarbeitskreis Gesundheit des DVV

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2 Vorträge

2.1 Gesundheitsbildung 2.0 – Steht die Volkshochschule vor einem neuen pädagogischen Zeitalter? Christoph Köck, Verbandsdirektor Hessischer Volkshochschulverband, Mitglied der AG Online-Marketing des DVV

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2.2 Muße – vom Glück des Nichtstuns in der digitalisierten Gesellschaft Ulrich Schnabel, Wissenschaftsredakteur bei der ZEIT

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2.3 Gesund(heit) lernen mit neuen Medien Prof. Dr. Sonia Lippke, Jacobs University Bremen

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3 Workshops

3.1 vhs.Motions – Fit in den Tag: online und live Anette Borkel, Hamburger Volkshochschule

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Facebook, Twitter, MOOC & Co: Gesundheitsbildung im Web 2.0 kommunizieren Ilker Ipek, Marketing Hamburger VHS

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Bericht zum Workshop Peter Kabitzsch, VHS Leipzig

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3.3 Virtuelle Welten im digitalen Zeitalter – zwischen Medienabhängigkeit und Gene-rationenkonflikt Philipp Theis, Vitos Kinder- und Jugendpsychiatrische Klinik, Kassel

32

Bericht zum Workshop Ines Kortmann

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3.4 BleibGesundCamp: Barcamp als neues Format der Volkshochschulen? Gabriele Fröhlich, VHS Esslingen und Jan Theofel, Barcamp-Organisator und Coach, Berlin

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Bericht zum Workshop Claudia Knabe, Sächsischer Volkshochschulverband

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Seite

3.5 Zwischen Markt und öffentlichem Auftrag:

wie seriös ist die Gesundheitsbildung? Eva Kracke, Verband der Volkshochschulen von Rheinland-Pfalz e.V.

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3.6 Neue Besen kehren gut! Generationenwechsel in der Gesundheitsbildung Andrea Schlüter, Volkshochschulverband Baden-Württemberg e.V.

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Bericht zum Workshop Birgit Krumme, Volkshochschulverband Mecklenburg-Vorpommern

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Präsentationen mit Diskussion

4.1 Online-Community und Social Media für die Gesundheit Katja Töpfer, Journalistin, Mitarbeit beim Wort & Bild Verlag Simone Herzner, Stellvertretende Chefredakteurin Wort & Bild Verlag/Apotheken Umschau

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4.2 „E-co@ching“ – Rückentraining internetgestützt, individuell und interaktiv: Blended Learning in der Gesundheitsbildung Prof. Dr. Klaus Pfeifer, Universität Erlangen-Nürnberg und Gottfried Hois, medi train, Zentrum für Gesundheitssport, Sport- und Physiotherapie

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4.3 Ausbildungsplatz Volkshochschule! Bachelor of Arts Gesundheitsmanagement als duales Studium Tina Baquet, Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement

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4.4 Was hat das Rundfunkkolleg mit Gesundheit zu tun? Vom Radiohören zum blended learning Dr. Regina Oehler, Redakteurin hr2 Kultur und Bildung Steffen Wachter, Fachreferent hvv

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4.5 Gemeinsame digitale Zukunft – Datenbank, Webportal und vhsApp Stefan Will, Studienleiter Pädagogik, vhs Landkreis Fulda, Koordinator OpenVHS

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4.6 World-Café: Moderne Zeiten – Ressourcen stärken in der digitalen Gesellschaft Das World Café ermöglicht allen TeilnehmerInnen, ihre eigenen Fragen zu formulieren und miteinander intensiv in die Diskussion zu kommen. Entstehen können gemeinsa-me Ideen und Vorhaben für die praktische Umsetzung vor Ort. Moderation: Susanne Nolte, Bremer VHS

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5 Liste der Teilnehmenden

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1.1 Vorwort Anette Borkel, Hamburger Volkshochschule, Sprecherin des BAK Gesundheit, Gerhard Hartmann, Bayerischer Volkshochschulverband, Stell. Sprecher der BAK Gesundheit Unter dem Titel „Moderne Zeiten – Ressourcen stärken in der digitalen Gesellschaft“ hatte der Bundesarbeitskreis Gesundheit im DVV Programmplanende der Gesundheitsbildung an Volks-hochschulen nach Kassel eingeladen. Rund 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Deutschland waren erschienen, um sich darüber Gedanken zu machen, wie die zunehmende Ver-breitung der digitalen Medien das Gesundheitslernen verändert. Die Eröffnungsbeiträge bereiteten schon mal das Diskussionsfeld mit allen seinen Widersprüchen vor. „Bitte kontrollieren Sie, ob Sie Ihr Handy aus- oder wenigstens stumm geschaltet haben!“, hat-te das Moderatorenpaar am Anfang gebeten. Dann fragten sie die Teilnehmerinnen und Teilneh-mer nach ihrem persönlichen Zugang zu den Instrumenten im Web: Wer hat alles ein Handy in der Tasche? Wer hat ein Smartphone oder Tablet? Wer ist täglich beruflich und privat im Netz unter-wegs? Wer ist sogar 24 Stunden online? Wer ist in den sozialen Netzwerken unterwegs und wer hat sich vielleicht schon wieder aus ihnen verabschiedet? Wer hat schon einmal an einem organi-sierten Lernprozess im Netz teilgenommen? Wer kennt das Gefühl, für das Suchtpotenzial der bunten Medienwelt vielleicht zu empfänglich zu sein? Wer nimmt sich bewusst täglich eine Auszeit aus dem Alltagstrubel und macht Meditation, geht spazieren, treibt Sport…? Nach diesem Warming Up folgte Dr. Christoph Köck, Verbandsdirektor des Hessischen Volks-hochschulverbandes: „Ich fordere Sie geradezu auf, holen Sie Ihr Handy raus, schalten Sie es an, beteiligen Sie sich an der Diskussion, twittern Sie los!“ Der bekennende Reisende durch das Inter-net, 24 Stunden online und begeistert von den Möglichkeiten für Bildungsprozesse breitete ein Feuerwerk der Ideen aus, wie sich die Gesundheitsbildung in das neue pädagogische Zeitalter einbringen kann: Tabletdancing, BarCamp, Kochclubs im Netz, Gesundheitscoaching, Online-Yoga, Verabredungen zum Lauftreff über Facebook, Wissensvermittlung über Google+… . „Ich habe mich wieder aus Facebook verabschiedet“, bekannte im Anschluss Ulrich Schnabel, Wissenschaftsjournalist bei der „Zeit“. Der Buchautor unter anderem von „Muße – vom Glück des Nichtstuns in der digitalisierten Gesellschaft“ bildete den Kontrapunkt zu „Internetjunkie“ Köck. „Wir leiden an der Reizüberflutung – und gieren nach noch schnelleren Handys; wir sehnen uns nach Muße – und fürchten zugleich nichts so sehr wie das Nichtstun und die Langeweile. Dabei weist selbst die Hirnforschung nach: Auch Geist und Seele brauchen schöpferische Pausen, denn sie sind unerlässliche Voraussetzungen für Einfallsreichtum und Kreativität.“ So lauteten seine The-sen. In den Pausen ebbte die Diskussion gar nicht ab: Lässt sich ein gesunder Lebensstil überhaupt via Onlineprogrammen und Social Media lernen? Wen erreichen wir Volkshochschulen mit unseren Programmen und wen könnten wir erreichen, wenn wir uns stärker der Kommunikationsformen der „Digital Natives“ bedienen würden? Brauchen wir neue Partner? Sind wir Hauptamtlichen über-haupt bereit für das digitale Lernen? Und nicht zuletzt: Ist es nicht gerade die Aufgabe der Ge-sundheitsbildung, die Menschen in ihren gesundheitlichen Ressourcen zu stärken, ihnen das Glück des Nichtstuns zu vermitteln, sie die Freude am Augenblick in Achtsamkeit zu lehren? In Workshops und Präsentationen boten sich Gelegenheiten, ganz praktisch in Online-Projekte einzusteigen. Darunter

- der bewegte Start in den Tag mit „vhs.Motions“, - das „BleibGesundCamp“ in Esslingen, - Kursleiterauswahl und Programmstruktur im Netz, - Generationswechsel in der Gesundheitsbildung, - Gesundheitsbildung via Facebook, Twitter, Mooc, vhsApp und Co. kommunizieren,

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- die Online-Community der „Apotheken Umschau“, - ein Rückentraining als Blended-Learning-Konzept, - das Rundfunkkolleg Gesundheit des Hessischen Rundfunks - und der Ausbildungsplatz VHS für das Lernen im dualen System

waren Themen. Auffallend bei fast allen Gruppen und den anschließenden Diskussionen war die enge Verknüpfung zwischen inhaltlichen Fragen und Marketing. Schließlich geht es beim Online-lernen auch immer um Kommunikation, Erreichbarkeit von neuen Zielgruppen und die Verbesse-rung des Images der Marke VHS. Die Klammer zum Schluss bot noch Sonia Lippke, Professorin für Gesundheitspsychologie am „Jacobs Center of lifelong learning“ der Jacobs Universität Bremen, die sich zwar 2010 über die Einsamkeit in analogen Netzwerken habilitierte, inzwischen aber vor allem darüber forscht, wie Lebensstile speziell bei älteren Menschen durch Onlinelernprozesse beeinflusst werden können. Ein Fazit der zwei intensiven Tage, das an die provokante Frage von Christoph Köck – „Ist die Ge-sundheitsbildung vielleicht die letzte Bastion analoger VHS-Pädagogik?“ – anknüpft lautet sicher-lich: Auch die Gesundheitsbildung ist im digitalen Zeitalter angekommen, lässt sich die Freude am schöpferischen Nichtstun aber nicht nehmen!

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1.2 Programm

Moderation: Anette Borkel und Gerhard Hartmann, Bundesarbeitskreis Gesundheit des DVV Montag, 27.01.2014 Ab 12:00 Uhr Anmeldung und Begrüßungskaffee 13:00 Uhr Begrüßung und Eröffnung

Uwe Schmidt, Landrat Landkreis Kassel Anette Borkel, Bundesarbeitskreis Gesundheit des DVV

13.30 Uhr Gesundheitsbildung 2.0 – Steht die Volkshochschule vor einem neuen pädagogischen Zeitalter? Christoph Köck, Verbandsdirektor Hessischer Volkshochschulverband, Mitglied der AG Online-Marketing des DVV

14:00 Uhr Muße – vom Glück des Nichtstuns in der digitalisierten Gesellschaft

Ulrich Schnabel, Wissenschaftsredakteur bei der ZEIT 15:00 Uhr Kaffeepause 15:30 Uhr Workshops: 1. vhs.Motions – Fit in den Tag: online und live Stefanie Flores, neu: Dr. Christian Fiebig VHS Böblingen-Sindelfingen Frank Schragner, VHS Landkreis Herford 2. Facebook, Twitter, MOOC & Co: Gesundheitsbildung im Web 2.0 kommunizieren Ilker Ipek, Marketing Hamburger VHS 3. Virtuelle Welten im digitalen Zeitalter – zwischen Medienabhängigkeit und Generationenkonflikt Philipp Theis, Vitos Kinder- und Jugendpsychiatrische Klinik, Kassel 4. BleibGesundCamp: Barcamp als neues Format der Volkshochschulen? Gabriele Fröhlich, VHS Esslingen und Jan Theofel, Barcamp-Organisator und Coach, Berlin 5. Zwischen Markt und öffentlichem Auftrag: wie seriös ist die Gesundheitsbildung? Eva Kracke, Verband der Volkshochschulen von Rheinland-Pfalz e.V. 6. Neue Besen kehren gut! Generationenwechsel in der Gesundheitsbildung Andrea Schlüter, Volkshochschulverband Baden-Württemberg e.V. 17:00 Uhr Kaffeepause 17:30 Uhr Präsentationen mit Diskussion 1. Online-Community und Social Media für die Gesundheit Katja Töpfer, Journalistin, Mitarbeit beim Wort & Bild Verlag, Simone Herzner, Stellvertretende Chefredakteurin Wort & Bild Verlag/Apotheken Umschau

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2. „E-co@ching“ – Rückentraining internetgestützt, individuell und interaktiv: Blended Learning in der Gesundheitsbildung Prof. Dr. Klaus Pfeifer, Universität Erlangen-Nürnberg und Gottfried Hois, medi train, Zentrum für Gesundheitssport, Sport- und Physiotherapie 3. Ausbildungsplatz Volkshochschule! Bachelor of Arts Gesundheitsmanagement als duales Studium Tina Baquet, Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement 4. Was hat das Rundfunkkolleg mit Gesundheit zu tun? Vom Radiohören zum blended learning Dr. Regina Oehler, Redakteurin hr2 Kultur und Bildung Steffen Wachter, Fachreferent hvv 5. Gemeinsame digitale Zukunft – Datenbank, Webportal und vhsApp Stefan Will, Studienleiter Pädagogik, vhs Landkreis Fulda, Koordinator OpenVHS 18:15 Uhr Abendessen 19.45 Uhr Abendprogramm: KonDueTTina - Kabarett Dienstag, 28.01.2014 08:30 Uhr Der Herzkreis – sanfte Bewegungen aus dem Quan Dao Kung Fu Dr. med. Michael D. F. Schmidt, Kassel 09:15 Uhr World-Café: Moderne Zeiten – Ressourcen stärken in der digitalen Gesell-

schaft Das World Café ermöglicht allen TeilnehmerInnen, ihre eigenen Fragen zu formulie-ren und miteinander intensiv in die Diskussion zu kommen. Entstehen können ge-meinsame Ideen und Vorhaben für die praktische Umsetzung vor Ort. Moderation: Susanne Nolte, Bremer VHS

10:45 Uhr Kaffeepause 11:00 Uhr vhs.motions: online und live

Andreas Eigenherr, Physiotherapeut, Kursleiter Hamburger VHS 11:15 Uhr Gesund(heit) lernen mit neuen Medien

Prof. Dr. Sonia Lippke, Jacobs University Bremen 12:15 Uhr Gesundheit für alle:

Playbacktheater für Kopf & Bauch 13:00 Uhr Ende der Veranstaltung

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1.3 Begrüßung Anette Borkel, Hamburger Volkshochschule, Sprecherin Bundesarbeitskreis Gesundheit des DVV Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Referentinnen und Referenten, im Namen des Bundesarbeitskreis Gesundheit begrüße ich Sie ganz herzlich zu unserer Tagung „Moderne Zeiten - Ressourcen stärken in der digitalen Gesellschaft“. Wir sind begeistert von dem großen Zulauf, 160 Anmeldungen haben uns zwar an die logistische Grenze gebracht, wir haben uns aber entschieden wirklich alle Anmeldungen aufzunehmen. Es wird vielleicht hier und da ein wenig eng werden, dafür bitten wir um Verständnis. Dass Sie alle gekommen sind, zeigt, dass wir mit dem Tagungsthema einen Nerv getroffen haben. Wie sich das Leben und das Lernen in der digitalen Gesellschaft verändern, beschäftigt uns alle als Programmplanende an Volkshochschu-len, als Mitarbeitende und auch in unserem Privatleben. Unser Alltag verändert sich viel schneller, als wir uns das noch bei Einführung der ersten digitalen Arbeitsplätze vorstellen konnten. Jederzeit online zu sein, ist heute für viele Menschen selbstverständlich. Bei aller Begeisterung für die Mög-lichkeiten des Web, gibt es in der VHS Community aber anscheinend nicht nur ein großes Interes-se an Moocs, Hangouts, Videokonferenzen etc., sondern eben auch an der Begegnung und dem Erfahrungsaustausch in der analogen Welt. Unsere Bundesfachtagungen haben ja schon eine kleine Tradition, wir führen sie alle 2 Jahre durch und ich habe in der Vorbereitung noch mal Revue passieren lassen, mit welchen Themen wir uns in den letzten Jahren beschäftigt haben: - 2008 Bremen: Privileg Gesundheit? Zwischen Chancengleichheit und Entsolidarisierung - 2010 Nürnberg: In Zukunft alt? (Demografischer Wandel programmatisch und Innensicht) - 2012 Chemnitz: Seele gut - alles gut? Psychische Gesundheit als Thema der VHS? (im offenen

Programm aber auch BGM an und durch VHS) - 2014 Kassel: Moderne Zeiten - Ressourcen stärken in der digitalen Gesellschaft - 2016 (vielleicht in Stuttgart?): Qualität in der Gesundheitsbildung Mit den Themen unserer Bundestagungen greifen wir jeweils aktuelle Diskussionen auf und set-zen Impulse für die Auseinandersetzung um das Profil der Gesundheitsbildung an Volkshochschu-len. Sie sind auch miteinander verzahnt. Fragen zur Chancengerechtigkeit, zum Dialog der Gene-rationen, zur Psychischen Gesundheit oder zur Seriosität des Angebotes begleiten unsere Arbeit seit vielen Jahren und finden sich auch in den Arbeitsgruppen der folgenden 2 Tage wieder. Jetzt aber bezogen auf das Thema der Gesundheitsbildung in der digitalen Gesellschaft. In unserer Einladung haben wir Sie dazu aufgefordert, über die Zukunft der Gesundheitsbildung nachzudenken. Lässt sich ein gesunder Lebensstil mit Hilfe von Onlineprogrammen und Social Media lernen? Wen erreichen wir mit unseren Programmen und wen könnten wir erreichen, wenn wir uns stärker der Kommunikationsformen der „digital natives“ bedienen würden? Brauchen wir dafür neue Partner? Und nicht zuletzt: ist es nicht gerade die Aufgabe der Gesundheitsbildung, die Menschen in ihren gesundheitlichen Ressourcen zu stärken, Ihnen das Glück des Nichtstun zu vermitteln, sie die Freude am Augenblick in Achtsamkeit zu lehren? Wir werden in diesen Tagen sehr viel über Onlineaktivitäten im Zusammenhang mit der Gesund-heitsbildung hören und sehr viel auf Bildschirme schauen. Ressourcen stärken in der digitalen Ge-sellschaft meint aus Sicht der Gesundheitsbildung zweierlei: zum einen wollen wir mit ihnen her-ausfinden, wie wir die Möglichkeiten des Web nutzen können. Gleichzeitig beschäftigt uns aber auch die Frage: was brauchen die Menschen in der digitalen Gesellschaft und geistig, körperlich und seelisch gesund bleiben zu können?

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Wir haben in der Tagungsdramaturgie bewusst auf technische Finesse verzichtet. In der Gesund-heitsbildung stellen wir den Menschen in den Vordergrund und nutzen die Technik nur soweit, als sie unseren Zielen dient. Ganz ehrlich gesagt hat unser Vorgehen aber auch mit der Ausstattung dieses Hauses zu tun, die auch das eine oder andere Vorgehen nicht möglich macht. Und auch diese Begrenzung ist eine, die die meisten von uns aus ihrer täglichen Arbeit sehr gut kennen. Zum Ablauf der kommenden zwei Tage: Wir haben aus der Evaluation der Chemnitzer Tagung ei-nige Anregungen aufgenommen. Immer wieder wird mehr Zeit für den kollegialen Austausch ein-gefordert. Für uns ist das eine Zwickmühle, weil wir ihnen gern alle zwei Jahre einen intensiven In-put anbieten möchten und gleichzeitig diesem Wunsch nachkommen wollen. Wir haben deswegen die Gruppenphasen in Workshops mit mehr Zeit zur Diskussion und in Präsentationen gegliedert. Für morgen ist ein Worldcafe geplant, dass allen die Gelegenheit geben soll, eine Brücke zu ihrem Arbeitsalltag zu schlagen. Heute Abend laden wir Sie noch herzlich zu einem Musikkabarett ein. Es zeigt auf sehr unterhalt-same Weise, dass Schuldenbremse und organisatorischer Wandel in der öffentlichen Hand auch Operndiven vor große Herausforderungen stellt. Morgen früh können alle, die Lust darauf haben, mit Qi Gong sanft in den Tag starten. Wer lieber länger schlafen möchte, kommt bitte erst danach. Dann starten wir gleich mit dem World Café. Danach wird Sonja Lippke vom Center for Lifelong Learning der Uni Bremen uns noch einmal zur Ausgangsfrage zurückführen. Sie stellt ihre Forschungsergebnisse dazu vor, ob sich ein gesunder Lebenstil wirklich online lernen lässt und was dabei ggf. zu beachten ist. Ganz zum Schluss haben Sie die Gelegenheit mit dem Playback Theater Kopf und Bauch die wichtigsten Eindrücke der Tagung nochmal Revue passieren zu lassen. Zum Schluss bleibt mir nur noch den Gastgebern und allen anderen Helfern, den Referent/innen, den Kolleg/innen vom Bundesarbeitskreis und natürlich auch der Vorbereitungsgruppe selbst für ihren Einsatz zu danken und wünsche uns allen eine spannende und anregende Tagung! Anette Borkel Vorsitzende des BAK Gesundheit des DVV

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2.1 Gesundheitsbildung 2.0 - Steht die Volkshochschule vor einem neuen pädagogischen Zeitalter? Christoph Köck, Verbandsdirektor Hessischer Volkshochschulverband, Mitglied der AG Online-Marketing des DVV

Neben den hier abgebildeten Folien gibt es eine interaktive Powerpointpräsentation: Die meisten Folien sind vom Autor Christoph Köck kommentiert, und man kann als Leser/-in auch weiter kommentieren. Wie das funktioniert, steht auf der 2 Folie. Die Präsentation findet sich unter folgendem Link: https://www.dropbox.com/s/c8asj4x2bxka9jm/BFK%20Gesundheit%20Kassel%202014%20-mit%20Kommentaren.pptx

1

Willkommen zum Vortrag

Quelle blog.netzkompetenz.at

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2

Zur Dateinutzung: Dies ist eine interaktive Powerpoint-Datei. Die meisten Folien habe ich zum besseren

Verständnis kommentiert.

Wenn Sie über die Menüleiste Einfügen+Kommentar

wählen, können Sie meine Kommentare sehen und auch selbst kommentieren.

Wenn Sie mögen senden Sie mir die von ihnen

bearbeitete Datei : [email protected]

Vortrag kommentieren

4

Welche technik-pädagogischen Zeitalter lassen

sich beschreiben?

Wie lässt sich das neue technik-pädagogische

Zeitalter beschreiben?

Was hat das neue technik-pädagogische Zeitalter

mit der vhs-Gesundheitsbildung zu tun ?

Fragen

5

Historisch gesehen hat die Erfindung neuer

grundlegender

Kommunikationstechnologien die

Aneignung von Wissen und den Zugang

zum Lernen nachhaltig verändert:

Schriftrolle – gedrucktes Buch - Internet

Ausgangspunkt

6

1. Zeitalter: „Pädagogik der Schriftrolle“ (Antike bis ca. 18 Jh.)

http://de.freepik.com/vektoren-kostenlos/alte-

schriftrolle-und-feder-flasche-tinte-

vektor_679380.htm

Wissen auf der Basis der synchronen

Weitergabe von Erfahrung und Handlungskompetenz („Echtzeitlernen“)

wird erweitert durch:

- ungleichzeitige und manuelle

Reproduktion von Wissen

- den Aufbau erster

Wissensinstitutionen

(Schulen, Hochschulen, Klöster, Bibliotheken, Archive, Museen)

7

2. Zeitalter: Pädagogik des gedruckten Buches (16. - 21. Jh.)

Postkarte zum Schulanfang 1937

http://www.antik-falkensee.de

Massenhafte Reproduktion von Wissen in geschlossenen Lernwelten (staatliches Bildungssystem) Verdrängung der Erfahrungslernens aus dem Lernprozess professionell instruktiv logisch-kausal abgegrenzt curricular

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betrifft

- die „Lernanlagen“ (Architektur)

- die Lernmedien

- die Rolle der Lernbeteiligten

(Lehrer-Lerner-Relation; „Klasse/“Kurs“) - den Lernprozess bzw. den Lernweg

- die Lerninhalte

Alles zusammen ist „Bildungseinrichtung“

„one to many-Kommunikation“

Geschlossene Lernwelt (Buchkultur)

9

Paradoxon:

wir bereiten Lernende in maximal geschlossenen,

„künstlichen“ Lernumgebungen auf „natürliche“ (native)

und vielfältige Lebenssituationen vor.

Bei diesem Unterfangen hilft uns die Didaktik.

Geschlossene Lernwelt (Buchkultur)

10

3. Zeitalter: Pädagogik des Web (nicht: des Internets) (21. Jh.)

Erweiterung der bisherigen Lernwelt durch:

- diskontinuierliche Verlinkung von Wissensbeständen

- partizipative Zugänge:Teil-Geber und soziale Medien

- Abkopplung der Wissensaneignung von tradierten

Bildungsinstitutionen

- Wissenscommunities (offen und geschlossen)

- zeit- und ortsunabhängige Wissenszugänge

mit mobilen Geräten

„many to many-Kommunikation“

(Vernetzende Kommunikation)

11

11

•  .

a

http://www.youtube.com/watch?v=eW3gMGqcZQc

Offene erweiterte Lernumgebung:

z.B. Massive Open Online Courses (MOOCs)

12

12

•  .

www.vhsmooc.de

Erweiterte Lernwelt: vhsMooc - Sept.-Nov.2013

13

Offene erweiterte

Lernumgebung: z.B.

Flipped classroom

http://emrefirat.edublogs.org/2012/08/03/flippedclass/

Guter Film dazu: https://www.youtube.com/

watch?v=iQWvc6qhTds

14

14

.

Offene erweiterte Lernwelten, z.B. Microlearning

Das Entdecken von Wissensbausteinen in den Weiten des Netzes ist die virtuelle Abbildung der

analogen, informellen Lernaneignung im Alltag.

(Dr. Martin Lindner)

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Die „Megacommunity“ (Ernährung/Kochen): chefkoch.de

Gesundheitsbildung 2.0

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Megacommunity „netdoktor.de“

xxxxx Gesundheitsbildung 2.0

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Communities auf facebook: z.B. AOK/ Apotheken-Umschau

xxxxx Gesundheitsbildung 2.0

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Vernetzung über Kurznachrichten: z.B. twitter-Kanal der AOK

xxxxx vhs-Gesundheitsbildung 2.0

20

Im Aufbau: die virtuelle „VHS“: google helpouts

Gesundheitsbildung 2.0

21

Marketing und Lernen: z.B. YT-Videokanal Zumba-Fitness

xxxxx Gesundheitsbildung 2.0

22

xxxxx Gesundheitsbildung 2.0

Online Fitness-Studios: z.B. bodyboom

23

Gesundheitsbildung als Thema interaktiver Online-Zeitungen

xxxxx Gesundheitsbildung 2.0

24

vhs-Gesundheitsbildung 2.0

Was passiert in der Volkshochschule ?

Ist die vhs-Gesundheitsbildung die letzte legitime

Bastion des analogen Unterrichts?

http://www.derwesten.de/staedte/unser-vest/von-aquatic-fitness-bis-zumba-id6992428.html

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vhs-Gesundheitsbildung 2.0

Der fitte, entspanne, bewegte und gut ernährte

Mensch ist gemeinhin die Antithese des „Nerds“

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xxxxx vhs-Gesundheitsbildung 2.0

vhs.motions: Live-Fitness online

27

Gesundheits-Barcamp der vhs Esslingen:

xxxxx vhs-Gesundheitsbildung 2.0

28

vhs-Gesundheitsbildung 2.0

These:

„Gesundheitsbildung 2.0“

stärkt den Bildungscharakter von

vhs-Angeboten

Je mehr „2.0“, desto höher ist der

Bildungscharakter

29

vhs-Gesundheitsbildung 2.0

Chancen einer 2.0 - Gesundheitsbildung:

- Aufbau von Gesundheitsbildungs-Communities

- Einbindung der bisherigen Teil-NehmerInnen in die

Lernkonzeptionen (Bildungsberatungsprozess)

- Vernetzung der „Instruktoren/-innen“ (KL)

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vhs-Gesundheitsbildung 2.0

Chancen einer 2.0 - Gesundheitsbildung:

- Fortbildung der KL zu Gesundheitsbildungs-Coaches

- Veränderung des Lernsettings:

Gesundheitsforen ergänzen geschlossene Räume

flexible Zeiten

- Vernetzung mit anderen vhs-Programminhalten

-

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Vernetzungsbeispiel vhs-Ernährungsreise : flickr.com/fridge

Inhaltliche und methodische

Vernetzung:

„Ernährung global“ PB Gesellschaft

PB Sprachen

PB Gesundheit

Netzrecherche

Gruppenarbeit Ausstellung

(analog und virtuell) Sprachkurs

Kochkurs Ausgangspunkt: Suche nach „Kühlschrank“ (fridge) auf flickr.com

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Gruppe/Community: What ist in your fridge?

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Entdeckungsreise: What is in your fridge?

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Diskussion: The oldest item in your fridge?

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vhs-Gesundheitsbildung 2.0: Webwissen kanalisieren

Karl Heinz Pape:

„Das freie Surfen auf den Informationswellen des

Netzes braucht eine Zusammenführung in „ganze

Bilder“ (Opco 11).

KursleiterInnen in der Erwachsenenbildung fällt die

Aufgabe zu, die Zusammenführung zu ganzen Bildern

zu begleiten.

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vhs-Gesundheitsbildung 2.0: didaktische Settings

Tendenziell werden wir einen Siegeszug der

hybriden didaktischen Formate erleben.

Das didaktische Portfolio der Kursleitenden

(„Lerncoaches“) wird sehr viel stärker

ausgefächert sein als heute.

Die didaktischen Settings werden immer wieder

neu gemischt, in Relation zum Lernkontext und

zur Interessenslage der Lernenden.

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Ziel: Erweiterte Lernwelten

Zusammenfassung (I): Ausgelöst durch eine „Pädagogik der Webs“ verändert

sich Lernen, das von „Präsenz“ und „Geschlossenheit“

geprägt sind. Es geht nicht um ein „Entweder-

oder“ (Präsenz versus Weblernen), auch nicht um ein

paralleles „Sowohl-als-auch“, sondern um eine Erweiterung der Lernwelten.

Die Volkshochschule ist zukünftig eine Institution, die

tradierte und webgestützte Lernwelten miteinander

verbindet.

39

Ziel: Erweiterte Lernwelten

Zusammenfassung (II):

Lernwelten mit Hilfe des Webs zu erweitern bedeutet:

- vhs findet potenziell „überall“ und „immer“ statt.

- vhs begleitet auf dem persönlichen Lernweg

(vhs als Wissens- und Bildungs-Navigator)

- vhs bezieht Lernende als Teilgeber ein: „Programme“

entstehen aus Anregungen von Innen und Außen

- vhs verbindet Lernende untereinander und gestaltet

regionale und überregionale Bildungsnetzwerke.

.

40

40

Nächste Woche: Die vhs-App !

Die zentrale vhs-Website !

(Februar 2014)

Nächster Termin:

vhs-Barcamp Köln

16./17. Mai 2014

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41

Vielen Dank für Ihre

Aufmerksamkeit!

Dr. Christoph Köck

Hessischer Volkshochschulverband

[email protected]

069-56000-828

www.vhs-in-hessen.de

„Christoph Köck“

auf twitter/facebook/google+

Kontakt

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2.2 Muße – vom Glück des Nichtstuns in der digitalisierten Gesell-schaft Ulrich Schnabel, Wissenschaftsredakteur bei der ZEIT Meine sehr verehrten Damen und Herren, Schön, dass wir Zeit haben, über die Muße und das Nichtstun zu reden. Denn wie Sie wissen fällt uns heute kaum etwas schwerer als abzuschalten und einmal nichts zu tun. Ich möchte Ihnen daher ein Plädoyer über den Wert der Muße halten und Ihnen nahe bringen, dass mitunter die effektivste Strategie darin besteht, nicht immer effektiv sein zu wollen. Doch Zeiten des kreativen Müßiggangs haben heute eher ein negatives Image: „Müßiggang ist al-ler Laster Anfang“, „Wer aufhört gegen den Strom zu schwimmen, wird abgetrieben“, Die Konkur-renz schläft nicht“ etc. – solche muße-feindlichen Sprüche werden uns schon von Kindesbeinen an eingetrichtert. Zur Ehrenrettung der Muße müssen wir daher zunächst klarstellen: Was ist „Muße“ eigentlich? Heutzutage verstehen die meisten darunter einen Zustand des größtmöglichen Faulseins, der Passivität und des Abhängens (gerne vor dem Fernseher). Dabei ist das nur noch ein Zerrbild des ursprünglichen Begriffs von Muße, der auf die antiken grie-chischen Philosophen zurückgeht. Diese verstanden unter Muße nämlich nicht Däumchendrehen, sondern die höchste Form geistiger Aktivität und den Inbegriff des Glücks. Das ursprüngliche grie-chische Wort für Muße war „scolé“, was soviel wie „freie Zeit“, „Müßiggang“, aber auch „Studium“ bedeutete. Davon leitete sich später der lateinische Begriff „scola“ ab, also letztlich unsere heutige Schule. Ursprünglich war Schule also ein Ort der Muße, der Begegnung, des dialogischen Ge-sprächs – und im gewissen Sinne sind unsere heutigen Volkshochschulen die direkten Erben die-ser Tradition! Dabei ging es allerdings nicht darum, jemanden besonders viel Stoff einzutrichtern, sondern es ging um Herzens- und Menschenbildung im weitesten Sinne, es ging darum zu verstehen, was es heißt, ein geistiges Leben zu führen. Und „Muße“ hieß im alten Griechenland in erster Linie die Beschäftigung mit Musik, Kunst, Literatur oder Religion. In solchen Sternstunden des Lebens, so postulierten die griechischen Philosophen, können wir die Bedeutung des Lebens erfassen und den Göttern näher kommen. Ich will Sie aber nicht nur mit den alten Griechen langweilen, sondern Ihnen auch eine moderne Definition der Muße nahebringen. Sie stammt von der Sozialforscherin Helga Nowotny, die dafür den Begriff „Eigenzeit“ geprägt hat. Zeit, in der ich das Gefühl habe zu leben – und nicht, gelebt zu werden. Was man als „Eigenzeit“ empfindet, ist individuell sehr verschieden – für den einen ist sie ein gutes Essen oder ein intensives Gespräch, für den anderen Musizieren, für den Dritten das Tanzen, Spielen oder Nachdenken. Egal was wir tun oder nicht tun, die Eigenzeit wird immer charakterisiert durch eine Eigenschaft, sagt Nowotny: „Eigenzeit ist die Übereinstimmung zwischen mir und dem, worauf es in meinem Leben ankommt.“ Selbst die Arbeit kann unter den richtigen Bedingungen zur Eigenzeit werden. Das zeigt eine Untersuchung italienischer Psychologen, die vor einigen Jahren die Lebensge-wohnheiten von Südtiroler Bergbauern studierten. Dabei machten sie eine erstaunliche Entdeckung: Als die Psychologen diese nach ihrem Ver-ständnis von Arbeit und Freizeit befragten, stellten sie verdutzt fest, dass die Bauern diesen Unter-schied gar nicht machten. Sie taten eben was zu tun ist – sie molken ihre Kühe, mähten die Wie-

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sen, erzählten den Kindern zwischendurch Geschichten oder spielten abends Akkordeon – ohne zwischen Pflicht und Vergnügen klar zu trennen. Und als sie gefragt würden, was sie tun würden, wenn sie mehr Zeit zur Verfügung hätten, antworteten die Bergbewohner verwundert: Dasselbe. Kühe melken, Wiesen mähen, Geschichten erzählen, Akkordeon spielen. Muße ist also vor allem eine Frage der inneren Haltung. Und das Gefühl der Zeitnot hat wenig mit Zeit, viel hingegen mit der Frage zu tun, wie selbstbestimmt wir arbeiten können und wir sehr wir das genießen, was wir gerade tun. Nun werden Sie sagen: Mir geht es aber nicht wie den Südtiroler Bergbauern. Ich erlebe nicht nur Eigenzeit in meinem Alltag, sondern auch Hetze und Langeweile. Und damit sind wir beim Zwang des Systems – denn so wie Ihnen geht es ja uns allen. Denn wir leben, wie Soziologen diagnostizieren, in einer „Beschleunigungskultur“. Und diese ist dadurch gekennzeichnet, dass sich seit etwa dreihundert Jahren nahezu alle technischen, wirt-schaftlichen und sozialen Prozesse permanent beschleunigen. Wir haben es also eben gerade nicht mit einem individuellen Problem zu tun – wie uns all die Zeitmanagementberater suggerieren -, sondern mit einem strukturellen Problem. Das heißt, es liegt nicht an Ihnen allein, wenn Sie selten zur Ruhe kommen und kaum Muße finden, sondern auch an den Rahmenbedingungen und Wertvorstellungen unserer Gesellschaft. Da wäre, erstens, die technisch-wissenschaftliche Beschleunigung unserer Welt: Die maximal mögliche Fortbewegungsgeschwindigkeit des Menschen hat sich im Laufe der Ge-schichte – zu Fuß, zu Pferde, via Dampfschiff, Eisenbahn, Auto und Düsenjet – von 15 auf weit mehr als 1000 Stundenkilometern erhöht. Schnellere Autos, Züge und Flugzeuge versprechen uns enorme Zeitgewinne beim Reisen – was allerdings nicht dazu führt, dass wir kürzer unterwegs wä-ren, sondern dass wir mehr und weiter reisen, so dass unsere Reise- und Transportzeiten insge-samt so lange sind wie vor 100 Jahren. Zum zweiten erleben wir auch eine Veränderung unserer Kommunikation, die durch die digitalen Medien noch einmal rasant zugenommen hat. Die Kommunikation via Email, Fax oder Telefon ist ungleich schneller geworden als die Briefpost in früheren Jahrhunderten – was zur Folge hat, dass wir mehr kommunizieren als je zuvor und die (eigentliche arbeitsvereinfachende) Email ein zeit-fressendes Folterinstrument geworden ist. Und drittens erleben wir auch eine Veränderung unserer sozialen Beziehungen, was ich Ihnen am Beispiel der Liebe nahebringen möchte: Früher war es ein aufwändiges Unterfangen, einer Dame den Hof zu machen. Heute beglückt man uns mit neuen „Zeit-Spartechniken“ wie Speed-Dating, die das lästige Kennenlernen enorm beschleunigen und uns damit unendliche Zeitgewinne verhei-ßen. Wir sehen uns also dem Zeitspar-Paradox gegenüber, dass wir keine Zeit haben, obwohl wir sie scheinbar im Überfluss gewinnen. Woran liegt das?

1. Steigen mit den Möglichkeiten unsere Ansprüche: wir fahren weiter, kommunizieren mehr, haben höhere Ansprüche an unseren Partner. Gäben wir uns mit denselben Reisen, Un-terhaltungen und Partnern zufrieden, wie unsere Vorväter vor 100 Jahren – wir lebten im Zeit-Paradies.

2. Da alle anderen dieselben Zeit-Spartechniken nutzen, wird der Zeitgewinn alsbald wieder aufgefressen. Dafür beschleunigt sich das Lebenstempo insgesamt. Denn nun müssen wir die neuen Techniken auch anwenden. Wer im Zeitalter der Email darauf beharrt, seine Briefe von Hand zu schreiben, ist bald raus aus dem Geschäft.

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Deshalb sagt der Soziologe und Beschleunigungsforscher Hartmut Rosa: „Wir müssen immer schneller laufen, um auf dem Laufenden zu bleiben“. Das Verrückte dabei ist, dass sich dieses System von selbst immer weiter beschleunigt. Denn weil wir das Gefühl haben, wenig Zeit zu haben, verlangen wir nach immer neuen Zeitspartechniken und werden an der Supermarktkassen schon unruhig, wenn die Kassiererin nicht schnell genug die Waren übers Band schiebt – was natürlich den Tempodruck insgesamt immer weiter erhöht und allen das Gefühl vermittelt, noch weniger Zeit zu haben. Kein Wunder, ist das typische Leiden unserer Zeit der Burn-out, das Gefühl ausgebrannt zu sein. Viele Menschen halten der permanenten Rastlosigkeit und dem inneren Druck einfach nicht mehr Stand. Das zeigen nicht nur Medienberichte, sondern auch die Statistiken von Krankenversiche-rungen (wie hier der AOK). Der Anteil psychischer Erkrankungen an den Ursachen für Fehltage am Arbeitsplatz oder Frühverrentungen in Deutschland ist steil angestiegen. Die Weltgesundheits-organisation WHO hat berufsbedingten Stress durch permanente Überlastung gar zu einer der „größten Gesundheitsgefahren des 21. Jahrhunderts“ erklärt. Selbst Unternehmen haben das als Problem erkannt, da die Ausfallzeiten von Mitarbeitern für sie zu einer echten finanziellen Belastung werden können, und erste Betriebe beginnen gegenzusteu-ern, indem sie z.B. keine offiziellen Emails an Mitarbeiter mehr nach Arbeitsschluss verschicken. Solche Maßnahmen sind natürlich zu begrüßen. Aber es wäre ein Trugschluss zu glauben, dass sich damit alleine das Problem beheben ließe. Und damit möchte ich auf eine weitere Falle unserer derzeitigen Wertvorstellungen zu sprechen kommen, auf die Vorstellung nämlich, dass sich unsere Freiheit an der Zahl unserer Freiheitsgrade bemäße, also der Möglichkeit der Optionen, die uns zur Verfügung stehen. Normalerweise leben wir ja nach dem Prinzip: Je mehr Auswahl, je mehr Möglichkeiten, umso besser. Wir versuchen unseren Kindern, möglichst viele Optionen offen zu halten und wählen auch selbst bei Entscheidungen gerne die Variante, die uns am wenigsten einengt, sondern die größt-möglichste Vielzahl verspricht. Auch die Werbung bedient natürlich genau diesen Impuls, in dem sie uns suggeriert, es gäbe für jedes unserer Bedürfnisse in der unendlichen Vielfalt der Waren-welt genau das passende Produkt. Was die Werbung leider verschweigt, ist die Tatsache, dass Vielfalt auch Kosten mit sich bringt, nämlich die sogenannten Opportunitätskosten, wie Psychologen sagen. Ganz schlicht ausge-drückt, bedeutet das: Je mehr Möglichkeiten wir haben, umso teurer kommen uns diese zu stehen. Ich will Ihnen das am Beispiel eines üppig ausgestatteten Supermarkts erläutern. Stellen Sie sich vor, Sie betreten einen Laden, der alles unternimmt, um seine Kunden zufrieden-zustellen. Die Regale biegen sich unter dem neuesten Warenangebot, Sie können zwischen 30 verschiedenen Kartoffelchip-Varianten wählen, haben 50 Käsesorten zur Auswahl und mehr als 100 unterschiedliche Weine. Das ganze Kaufhaus folgt dem Credo der modernen Warenwelt: Je mehr Optionen, desto besser. Wird Sie das wirklich glücklich machen? Wohl kaum. Viel wahrscheinlicher ist, dass Sie am Ende gestresst aus dem Laden treten, unend-lich viel Zeit mit Suchen und Auswählen zugebracht haben und schließlich das unbefriedigte Ge-fühl haben, eventuell doch die knackigsten Chips und den aufregendsten Wein verpasst zu haben. Denn das Abwägen verschiedener Alternativen kostet erstens Zeit und zweitens Energie, und es führt drittens zu der schmerzlichen Erkenntnis, dass wir mit jeder Wahl zwangsläufig auf alle ande-ren Alternativen verzichten müssen. Und da uns Verluste in der Regel mehr schmerzen als Gewinne uns freuen, ist die Enttäuschung vorgezeichnet.

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Kaum haben wir die neue Digitalkamera gekauft, fällt uns prompt ein Sonderangebot ins Auge, das noch günstiger gewesen wäre. Kaum hat man sich für ein neues Auto entschieden, kommen ei-nem Zweifel, ob das andere Modell nicht doch besser gewesen wäre. Diesen „Kosten der Wahlmöglichkeiten“ begegnen Sie überall – zum Beispiel, wenn Sie sich vor-nehmen, einmal zu Hause in Ruhe ein gutes Buch zu lesen. Denn schnell drängen sich wieder die Opportunitätskosten auf. Stets lauert im Hintergrund unse-res Denkens die unausgesprochene Frage: Verschafft mir dieses Buch mehr Befriedigung als all das, was ich sonst noch tun könnte – im Internet surfen, Fernsehen, Freunde anrufen…? Man be-kommt das Gefühl, diese Aktivität gegenüber vielen anderen rechtfertigen zu müssen. Und selbst wenn man sich weiterhin auf das Buch konzentriert, beschäftigt uns dieses Abwägen unbewusst, bindet Denkressourcen und kostet damit Energie. Deshalb empfehlen Muße-Experten die „Odysseus-Strategie“: Sich selbst zu fesseln, um den Sirenengesängen der unendlichen Möglichkeiten nicht zu verfallen. (Der Sage nach führten die Sirenen zur Zeit Odysseus’ die Seefahrer nicht nur durch ihre bezau-bernden Stimmen ins Verderben, sondern lockten sie auch mit dem Versprechen an, alles auf Er-den Geschehende zu wissen und offenbaren zu können. Heute hat diese Verheißung der Internet-anschluss übernommen.) Um die Muße genießen zu können, muss man sich bewusst von einer Vielzahl möglicher Optionen abschneiden. „Es gibt nichts Schöneres, als wenn in meiner Hütte im Hochschwarzwald, wo ich wohne, der Strom ausfällt“, sagt der Soziologe Hartmut Rosa. Das geschieht im Winter immer mal wieder durch Sturm oder Schneebruch. „Dann kann ich nicht an den Computer, der Fernseher funktioniert nicht – und in dieser Situation ein Buch zu lesen ist etwas ganz anderes, als wenn die Welt da draußen weiter rauscht.“ Auch Steve Jobs kannte dieses Geheimnis: „Sich zu fokussieren bedeutet nicht, ja zu sagen, son-dern nein zu sagen“, sagte der Apple-Gründer einmal. Denn unsere Aufmerksamkeit ist nun einmal ein sehr begrenztes Gut. Daher ist es oft notwendig, bewusst auf mögliche Optionen zu verzichten, um sich ganz auf eine Sache konzentrieren zu kön-nen. Dass man selbst im Gefängnis produktiv werden kann, bewies etwa der französische Zahlentheo-retiker André Weil. Er musste 1940 einige Monate in Untersuchungshaft verbringen und schrieb nach einiger Zeit an seine Frau: „Meine mathematische Arbeit übertrifft meine kühnsten Hoffnun-gen, und ich bin sogar ein wenig beunruhigt, ob ich, wenn ich nur im Gefängnis so gut arbeiten kann, es zukünftig einrichten sollte, jedes Jahr zwei oder drei Monate hinter Gittern zu verbringen.“ Fast neidvoll schrieb sein Kollege Élie Cartan an den Inhaftierten: „Wir haben nicht alle das Glück, so in Ruhe wie Du und ungestört arbeiten zu können.“ Nun will ich Ihnen natürlich nicht im Ernst empfehlen, sich zum Zwecke der Muße und des unge-störten Arbeitens ins Gefängnis einweisen zu lassen. Aber diese Episode zeigt: Es lohnt sich, gezielt nach solchen Orten Ausschau zu halten, an denen wir einmal ungestört sind. Damit komme ich zum Schluss und nun erwarten Sie natürlich ein paar handfeste Tipps, ein Re-zept für die Muße, das Sie ganz leicht umsetzen können. Gewissermaßen eine Muße-App, die Ihr hektisches Betriebssystem im Nu beruhigt und Ihr Leben in eine Oase der Ruhe verwandelt. Das könnte ich natürlich nun tun. Ich könnte Ihnen z.B. vorschlagen, dass Sie häufiger - Räume für kreative Gedanken schaffen

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- kommunikationsfreie Zeiten planen (die „kreative Stunde“), in denen Handy und Email stumm bleiben

- am Feierabend und im Urlaub richtig abschalten - die Kunst des Nickerchens pflegen - generell darauf achten, dass Ihr Leben nicht zu sehr durchgetaktet ist, sondern auch Freiräume

enthält. Und wenn Sie das nicht schaffen, sich groß in Ihren Kalender „Nichts“ einzutragen. - oder sich die passende Lektüre zulege. Aber all das empfehle ich Ihnen nicht. Warum? Zum ersten würden solche konkreten Tipps bei den meisten von Ihnen vermutlich sofort inneren Widerstand auslösen. Ich nenne dies das NIV-Syndrom - Not invented here – jeder Ratschlag von anderen führt unbewusst zur Abwehr. Ein ganz verständliches Phänomen, denn natürlich wollen wir uns nicht fremdbestimmen lassen und uns nicht von anderen vorschreiben lassen, was wir zu tun und zu lassen haben. Und deshalb würden Sie – würde ich Ihnen das im Ernste vorschlagen – sofort alle möglichen Gründe finden, warum dies nun gerade bei Ihnen so nicht umsetzbar wäre Der zweite Grund: Die schönste „Muße-App“ nützt uns nichts, solange wir das falsche Betriebssys-tem benutzen. Solange unser Betriebssystem zum Beispiel nur ausgerichtet ist auf Leistung, Wettbewerb und Ef-fektivität, solange werden wir natürlich auch alle Muße-Zeiten in diesem Geiste gestalten, d.h. Wir machen dann eben möglichst effektiv Yoga oder versuchen uns besonders gut zu entspannen o-der Freiräume besonders kreativ zu nutzen – so dass sich die Muße prompt wieder in ein Instru-ment zur Leistungssteigerung verwandelt. Ich glaube, gerade für Sie als Volkshochschulen, ist es wichtig, diesen Punkt im Kopf zu behalten. Gerade weil wir in einer Gesellschaft leben, die stark auf Leistungsdenken und Effektivität setzt, ist es wichtig, in der Erwachsenenbildung auch andere Angebote zu machen, einen Sinn dafür zu wecken, dass unser Leben sich nicht allein in den Dimensionen von Leistung, Konkurrenz und Er-folg bemisst, sondern seinen Wert in sich selbst trägt. Dabei scheint es mir gar nicht so entscheidend zu sein, welche Art der Aktivität dabei angeboten wird; viel wichtiger scheint mir zu sein, in welchem Geiste die jeweiligen Dozenten an Ihre Sache herangehen. Dass es also, um ein Beispiel zu nennen, nicht so entscheidend ist, ob die Kursteilnehmer am En-de eines Malkurses eine tolle Ausstellung gestalten können, bei der sich einzelne „Stars“ beson-ders hervortun – sondern dass es vielleicht wichtiger ist, dass alle Teilnehmer die Kurs-Zeiten als wohltuende Auszeiten erlebt haben, in denen sie zu sich selbst kamen und das Gefühl hatten, ge-nau das zu tun, was ihrem Leben Sinn ergibt. Denn erfüllte Muße-Zeiten sind dadurch gekenn-zeichnet, dass es gerade nicht darum geht, etwas Besonderes zu leisten oder zu erreichen, son-dern vielmehr darum, genau diese Ansprüche einmal loszulassen und wirklich im Moment anzu-kommen. Das mag sich lächerlich einfach anhören – doch in unserer von Konkurrenzdenken und Leistungs-streben geprägten Gesellschaft ist vermutlich kaum etwas schwerer zu verwirklichen als gerade dieses Haltung der Muße, die unserem Leben letztlich seinen Sinn und seine Bedeutung vermittelt. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

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2.3 Gesund(heit) lernen mit neuen Medien Prof. Dr. Sonia Lippke, Jacobs University Bremen

Überblick Neue Medien bieten viele Möglichkeiten, die Gesundheit und das Wohlbefinden zu fördern: Sie mo-tivieren, sie erreichen viele Menschen, die sonst nicht an Programmen teilnehmen würden, sie las-sen Maßnahmen so passend werden wie ein persönliches Gespräch, sie ermöglichen Kontakt zu vielen anderen Personen und sie entwickeln sich ständig weiter. Damit stellen sie ein Medium für lebenslanges Lernen dar. Der Markt bietet viele Chancen und zeigt Entwicklungen, die der Wissen-schaft weit voraus sind. Maßnahmen, die den Anspruch von Qualitätssicherung und Wirksamkeits-nachweis erfüllen, sind auch zunehmend zu finden, jedoch „hinken“ sie der Praxis mit Apps, Face-book, Twitter, MOOC und Live-Online-Angeboten hinterher. Der Trend geht aktuell hin zu mobilen Lösungen. Das bietet viele Möglichkeiten, insbesondere weil das Sitzen am Computer oder dem Fernseher eher ein Risikoverhalten ist. Gesundheitsverhalten und die aktive Bewältigung von Be-lastungen lassen sich mobil gut lernen und zu einer Routine entwickeln. Neue Medien und insbe-sondere das Web 2.0 können hierbei einen entscheidenden Beitrag leisten. Für Nutzer und Profes-sionelle bedeutet das, auf der „Welle der Entwicklungen“ mitzuschwimmen, Gefahren zu kennen und informierte Entscheidungen zu treffen. Im Folgenden geht es um das Thema Gesundheit und neue Medien mit besonderem Fokus auf das Lernen von Gesundheit und welche Inhalte von Gesundheitsförderung dabei relevant sind. Es wer-den Chancen durch und mit neuen Medien sowie Risiken von neuen Medien umrissen. Herausfor-derungen und Aufgaben werden dabei näher beleuchtet. Gesundheit lernen – Inhalte von Gesundheitsförderung. Wenn wir uns mit Gesundheit, neuen Medien und dem Lernen von Gesundheit auseinandersetzen, dann stellt sich als erstes die Frage, welche Inhalte von Gesundheit oder Gesundheitsförderung sind eigentlich gemeint? Ziele und Inhalte von Gesundheitsförderung sind insbesondere Verhal-tensweisen, die die Gesundheit fördern können, also körperliche Bewegung, gesunde Ernährung, nicht-Rauchen und ein moderater Alkoholgenuss. Daneben sind natürlich viele weitere Verhaltens-weisen und Einstellungen wichtig. Zum Beispiel aktive Erholung von Stress durch gezielte Ent-spannung oder die Gestaltung der Umwelt sind wichtig, wenn wir die Gesundheit am Arbeitsplatz bzw. Gesundheit und Arbeit anschauen. All dies kann als Inhalt von Gesundheitsförderungsange-boten genutzt werden. Wenn wir uns nun den demographischen Wandel genauer anschauen, dann ist zu beachten, dass sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die Bevölkerungsstruktur in Deutschland stark verändern wird. Der demographische Wandel ist gekennzeichnet durch drei As-pekte:

• Die Menschen in Deutschland werden älter, • die geborenen Kinder werden mit jeder Generation weniger und • die Gesellschaft wird vielfältiger. (vgl.

http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Familie/demografischer-wandel.html). Altern - Was ist nun Altern eigentlich? Altern beginnt mit der Geburt aber wenn wir vor allem ältere Menschen betrachten, dann fallen folgende Veränderungen auf:

• Altersphysiologische Veränderungen, • Vermehrtes Auftreten von spezifischen, chronischenKrankheiten, • Zunehmende Wahrscheinlichkeit, dass Komorbiditäten also unterschiedlicheKrankheiten-

entstehen, • Erfahrungen werden mehr – positive und negative, • Plastizität, also die Möglichkeiten in Abhängigkeit von Erfahrungen, Kompetenzen und Ein-

schränkungen wird größer, • Kognitive Einschränkungen und Veränderungen in der Informationsverarbeitungtreten auf

und

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• Psychische Prozesse (Zukunftsperspektive) inkl. Altersbilder (Wahrnehmung von älteren Menschen in der Gesellschaft) nehmen an Bedeutung zu (vgl. Lippke & Kuhlmann, 2013). Dies alles kann positiv genutzt und ausgestaltet bzw. Abbau zum Teil verhindert oder reduziert werden. Dabei spielt (Gesundheits-)Kompetenzförderung eine ganz wichtige Rolle, die an folgen-den Adressaten ansetzen kann:

! Individuum, also jeder/ jede einzelne, ! Sozialen Netzwerken, also z.B. mehreren Menschen wie Freunden, Familie, Nachbarn,

Kollegen, Mitschülern usw.,

! Umgebung und Verhältnisse, also z.B. die Gestaltung des Arbeitsplatzes, die Verfügbarkeit von

Parks und Einkaufsmöglichkeiten mit frischen Bio-Produkten oder Lärmschutzmaßnahmen, ! Professionelle/Politik/Regeln, also z.B. Lehrer, Ausbilder, Kursleiter und Richtlinien oder

Gesetze (vgl. http://www.irohla.eu/home/ und Bronfenbrenner, 1979). All diese Faktoren können dazu beitragen, ob Menschen gesund leben und gesund, erfolgreich Al-tern. Neue Medien können dabei weiter unterstützend wirken, insbesondere wenn sie…

• Ein entwicklungsförderliches und anregendes Potential haben, • Wenn der Einsatz der Neuen Medien Ressourcen mobilisiert (also wenn Gewinnmaximie-

rung entsteht, indem sich der Erwerb von neuen Kenntnissen Ressourcen im Endeffekt po-sitiv auch auf andere Bereich übertragen lässt und sich somit der Aufwand lohnt),

• Auf Spezifität und Adaptabilität des alternden Benutzers eingehen, • Iterativ auf Gewohnheiten und Kompetenzen des Nutzers reagiert(vgl. Lippke & Kuhlmann,

2013). mHealth, eHealth, Neue Medien - Was ist das eigentlich? Heutzutage zählen zu neuen Medien

• Telefon und Fernsehen, • Computer & computerunterstützte Maßnahmen, • Internet: synchron und asynchron, • E-Mail, • SMS, • Smartphones/Handhelds/Tablet-Computer, • Videos, Spiele, Apps, Agents/Avatare (weiteres dazu s. Lippke & Kuhlmann, 2013).

All diese und insbesondere Internet, Handy und Smartphones nehmen an Verbreitung und Bedeu-tung in der Gesundheitsförderung zu. Jedoch ist auch zu beobachten, dass mit zunehmendem Alter der Bürger weniger Verbreitung vorliegt. Das gilt es bei der Adressierung von Älteren zu berück-sichtigen. Jedoch liegt hier für die Zukunft sehr viel Potential, denn die jetzt 40-jährigen sind in 20 Jahren selbstverständlich die 60-jährigen, die dann entsprechend schon mit diesen Technologien vertraut und so an sie gewöhnt sind, dass sie aus ihrem Leben nicht mehr wegzudenken sind. Schon jetzt nutzen die Menschen, die Gesundheits-Apps benutzen, diese hauptsächlich zur Infor-mationsgewinnung (ca. 90% der Befragten). Nur jeder Zweite nutzt Gesundheits-Apps auch zum Monitoren von den gewonnen Informationen oder zur Krankheitsbewältigung oder zur Medikamen-teneinnahme. Hier gibt es also noch einigen Nachholbedarf, der z.B. in Kursangeboten genutzt werden könnte. In diesem Zusammenhang sind eHealth und mHealth zu nennen: Also mobile bzw. elektronische Gesundheitsförderungsangebote (zum Weiterlesen s. bspw. Beratarrecheaet al., 2014). mHealth Angebote werden weltweit eingesetzt z.B. für

• Gesundheits-Hotline, • Kostenfreier Notruf, • Notfall-Management, • Telemedizin,

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• Mobile Endgeräte, • Termin-Erinnerung, • Mobilisierung von Gemeinschaften, • Behandlungsadhärenz, • Patientenakten, • Informationen, • Patientenüberwachung, • Umfragen, • Beobachtung, • Bewusstseinsteigerung, • Entscheidungssysteme.

Wir selbst haben an der Jacobs University auch solch ein eHealth Angebot entwickelt, dass kosten-frei nutzbar ist. Gehen sie einfach auf www.renata-nachsorge.de und schauen Sie sich das Pro-gramm mal an. Es lässt sich auch auf Smartphones nutzen und wird damit zu einem mHealth An-gebot, auch wenn es dafür nicht ganz optimal ist. Aber auf jeden Fall können Sie sich damit mal einen Eindruck verschaffen, wie solch ein elektronisches Gesundheitsförderungsprogramm aus-sieht (mehr dazu s. Reinwand et al., 2013). Gleichzeitig bringen viele eHealth und mHealth Pro-gramme einige Nachteile und Risiken mit sich. Diese können in Kursangeboten adressiert werden, deswegen im Folgenden dazu mehr: Wenn wir uns mal anschauen, was die Implementation von mHealth Angeboten weltweit erschwert, dann fallen die folgenden Nennungen auf, die in Schulungen und Kursen gut adressiert werden können: Wissen und Technische Expertise. Diese beiden Bereiche gehören auch zum Themenkomplex“Health literacy” oder Gesundheitsbil-dung und –kompetenz. Darunter wird verstanden: Informationen zu bekommen, zu verstehen, zu verarbeiten und weiterzugeben um aktiv zu werden in verschiedenen Gesundheitskontexten damit eine gute Gesundheit erhalten bleibt lebenslang (vgl. http://www.irohla.eu/home/). Andere Kompetenzbereiche, die daneben auch gut angesprochen werden könnten sind z.B. Medi-en- und Computerkompetenz. Auf der anderen Seite sind auch indirekte Nachteile von Mediennut-zungallgemein zu nennen, z.B.

• Internetnutzung & Bildschirmarbeit, • Eingeschränkte körperliche Aktivität, • Gesundheitsrisiken, z.B. Übergewicht &eingeschränkte Lebensqualität, • Abhängigkeit (vgl. Matusitz & McCormick, 2012 sowie Finne, Bucksch, Lampert &Kolip,

2013). Auf der anderen Seite gibt es auch negative Auswirkungen von Smartphones, z.B.

• verändert sich die Art der Kommunikation, • ist die Datenvertraulichkeit fraglich, • nimmt die Gefahr zu, dass Gesundheitsfachleute nicht kontaktiert oder einbezogen werden, • dass die Nutzung schlichtweg falsch ist.

Und noch einmal: Diese vorgenannten Punkte können alle in Kursen und anderen Angeboten auf-gegriffen werden. Dazu müssen aber einige Grundvoraussetzungen geschaffen werden: Zum einen muss ein internetfähiger Computer vorhanden sein und auf der anderen Seite müssen Nutzungs-kompetenzen und Anwenderkenntnisse vorliegen (vgl. Lippke & Kuhlmann, 2013) – insbesondere wenn…

! Blended Learning und ! Social Media/ Web 2.0

…einbezogen werden soll. Empfehlungen - Was ist zu tun? Wie sollte nun eine ideale Seite eines eHealth 2.0 Programms aussehen? Die Empfehlung ist:

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• Mischung aus Fragen, individuellen Rückmeldungen und allgemeinen Informationen, • Vorschläge und Denkanstöße, was wie verbessern, • Professionalität und Diskretion (Dateneingabe ohne persönliche Angaben oder Login), • übersichtlich und freundlich gestalten (Farben, Schriftgröße, Platzaufteilung etc.), • Orientierung muss leicht fallen, • Möglichkeiten zum Weiterbefassen (Links).

Darüber hinaus sollte eine Optimierung von Programmen auf altersspezifische Charakteristika er-folgen, z.B. durch

• Anpassung des Zeitumfanges, • Reduktion der Teilnehmerzahl, • Verbesserung der Lesbarkeit, • Reduktion der Komplexität der Materialien bzw. Berücksichtigung von Schwierigkeiten bei

der Informationsaufnahme, • Berücksichtigung altersspezifischer körperlicher Aspekte, • Einbeziehenpersonaler Ressourcen (familiäres, berufliches Umfeld sowie z.B. vermindertes

soziales Netzwerk, vgl. Lippke & Kuhlmann, 2013). Ferner sollte eine Anpassung auf ältere Personen vorgenommen werden durch eine Gestaltung,

sodass die Inhalte! • ohne großen Aufwand verständlich sind • technisch nicht zu kompliziert sind • auf individuelle Frage- und Problemstellungen eingegangen wird • keine Überforderung erfolgt, und damit die • Nutzungswahrscheinlichkeit erhöht wird (vgl. Doh, 2012; Lippke & Kuhlmann, 2013)

Denn ältere Menschen… …haben veränderte Informationsverarbeitung …erinnern und befolgen Informationen mit emotional positivem Gehalt besser… …als Informationen mit angstauslösenden Inhalten (Gellert & Herrmann, 2012). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der demographische Wandel neue Möglichkeiten eröffnet, wie Gesundheitsverhaltensweisen gelernt werden können und dies lebenslang. Dabei er-geben sich viele Chancen durch neue Medien, die jedoch altersangepasst sein sollten und auch Web 2.0 und mHealth Angebote umschließen. Im Zusammenhang mit den Risiken bei der Nutzung von neuen Medien ist die Datensicherheit, dass keine oder eine falsche Nutzung erfolgt oder dass Menschen im Zusammenhang mit der Nut-zung das Risikoverhalten „körperliche Inaktivität“ mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zeigen. Da-mit ergeben sich Herausforderungen für Programmanbieter und Aufgaben für Bildungseinrichtun-gen: Es gilt Kompetenzen im Zusammenhang mit neuen Medien zu vermitteln und (auch) ältere Bürger und Bürgerinnen anzusprechen. Darüber hinaus sollten aber auch Angebote für Personen, die mit Älteren zu tun haben, geschaffen werden sowie Angebote mittels neuer Medien („Distanz-Lernen“) angeboten werden. Weitere Informationen erhalten Sie hier www.jacobs-university.de/jcll/slippke. Bei Fragen können Sie sich auch an die Autorin wenden via Email: [email protected] Prof. Dr. Sonia Lippke; Jacobs University Bremen; Jacobs Center für lebenslanges Lernen; Ge-sundheitspsychologie; Campus Ring 1 | D-28759 Bremen | Fax +49 421 200 49 4730 Referenzen/ zum Weiterlesen Bandura, A. (2004). Health promotion by social cognitive means. Health Education & Behavior, 31 (2), 143–164.

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Beratarrechea, A., Lee, A. G., Willner, J. M., Jahangir, E., Ciapponi, A., & Rubinstein, A. (2014). Telemedicine and e-Health, 20(1), 75-82. doi:10.1089/tmj.2012.0328. Busch, M., Hapke, U. & Mensink G. (2011), Psychische Gesundheit und gesunde Lebensweise. GBE kompakt 2 (7) Finne, E., Bucksch, J., Lampert, T. & Kolip, P. (2013). Physical activity and screen-based media use: cross-sectional associations with health-related quality of life and the role of body satisfaction in a representative sample of German adolescents, Health Psychology and Behavioral Medicine: An Open Access Journal, 1:1, 15-30, DOI: 10.1080/21642850.2013.809313 Gellert, P. &Herrmann, W. (2012). Prävention körperlicher Krankheiten. [Prevention of physical diseases]. In: Tesch-Römer, C., Ziegelmann, J.P., Wahl, H, ed. Angewandte Gerontologie [Applied Gerontology]. Stuttgart, Germany: Kohlhammer, pp.175-181. Lippke, S. & Kuhlmann, T. (2013). Gesundheitsförderungsmaßnahmen für Ältere mittels neuer Me-dien: Befunde sowie Implikationen für Forschung und Interventionen. Zeitschrift für Gesundheits-psychologie, 21, 34-44. Matusitz, J. &McCormick, J. (2012). Sedentarism: The effects of internet use on human obesity in the United States. Soc Work Public Health, 27(3):250-69. Reinwand, D., Kuhlmann, T., Wienert, J., de Vries, H., & Lippke, S. (2013). Designing a theory- and evidence-based tailored eHealth rehabilitation aftercare program in Germany and the Netherlands: study protocol. BMC Public Health, 13:1081. DOI: 10.1186/1471-2458-13-1081 URL: http://www.biomedcentral.com/1471-2458/13/1081 Bronfenbrenner, U. (1979). The Ecology of Human Development: Experiments by Nature and De-sign. Cambridge, MA: Harvard University Press. Wei, M., Kampert, J. B., Barlow, C. E., Nichaman, M. Z., Gibbons, L. W., Paffenbarger R. S. Jr., Blair, S. N. (1999). Relationship between low cardiorespiratory fitness and mortality in normal-weight, overweight, and obese men. Journal of the American Medical Association, 282, 1547–1553. Witte, K. & Allen, M. (2000). A meta-analysis of fear-appeals: Implications for effective public health campaigns. Health Education & Behavior, 27 (5), 591–615.

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3.1 vhs.Motions – Fit in den Tag: online und live Anette Borkel, Programmabteilung Hamburger Volkshochschule

http://www.vhs-hamburg.de/kurse/kursthemen/gesundheit-und-umwelt/vhsmotions-1037 Morgens um 7 ist die Welt noch in Ordnung? Live-Online-Training vhs.Motions Es ist noch dunkel, draußen ist es kalt, Regen peitscht gegen die Fenster, Hamburger Winterwetter eben. Verschlafen sitze ich am Schreibtisch, logge mich bei Adobe Connect in die „vhs.Motions: live und online fit in den Tag!“ ein. Mist, Petra ist schon im Gange, es ist 7:01 Uhr, ich bin schon wieder zu spät! „Ich begrüße alle später dazu gekommenen“ schallt es fröhlich von Petra aus Herford „kreist kurz noch mit den Schultern und macht dann einfach mit!“ Gerade sitzen, Schultern locker, Brust geöffnet und schon geht es los mit dem Butterfly. „Na los, fünf Mal könnt ihr noch, draußen wird es schon heller, ach da sind ja noch drei dazu gekommen und jetzt hoch, tief, kreu-zen, kreuzen. Ja, wenn es anfängt schwer zu werden, dann ist es genau richtig“ usw, usw… Wie kann man um diese Uhrzeit schon so wach sein? Petra redet und redet und schon wieder ist der Rhythmus anders und jetzt wundert sie sich auch noch, dass niemand chattet. Ja, wie soll das denn gehen bei diesem Tempo mit beiden Armen in der Luft? Jetzt sagt sie „Ich würde euch zu gerne mal sehen. Ihr seht mich ja immer und ich nur eure Namen!“ Wünsch dir das lieber nicht, Petra, denke ich und zupfe verlegen an meiner Schlafanzughose. Ich habe doch noch nicht mal geduscht! Inzwischen sind wir 14 Leute in der Teilnehmerliste, meine Kollegin Eva aus Mainz ist auch aufge-taucht. Wenn Eva dabei ist, sitzt sie schon im Büro und nutzt die Ruhe vor dem Arbeitssturm für die vhs.Motions. Komisch, erst habe ich mich gewundert, wie lang 15 Minuten am frühen Morgen sein können, jetzt sind sie plötzlich um und als nächste ist Gudrun aus Freiburg dran. Das finde ich pri-ma, denn bei Gudrun dürfen wir atmen. Ich nutze die kleine Umbaupause, um mich bei Petra zu bedanken. Ich fühle mich tatsächlich viel besser, Schultern und Nacken ganz gelöst. Und dann be-grüße ich noch Eva in einem Privatchat und gratuliere ihr zu ihrer Selbstdisziplin. Neulich wollte ich mit einem Hamburger Freund während der vhs.Motions privat chatten, habe aber nicht richtig ge-klickt und war plötzlich öffentlich. Peinlich, so ähnlich, als ob man beim Tuscheln erwischt wird. Bei Gudrun komme ich so richtig zur Ruhe. Spüre einmal durch den ganzen Körper bis in die Zehen-spitzen, obwohl wir doch die ganze Zeit sitzen. Einige verabschieden sich, andere kommen dazu. Gegen 7:30 Uhr wird es richtig voll. Jetzt sind wir fast 30 Leute aus der ganzen Bundesrepublik, Hedwig und Willi sind auch dabei. Irgendwie nett, ich kenne sie zwar nicht, stelle mir aber vor, wie sie zusammen am Frühstückstisch sitzen und erstmal ihre Übungen machen. Punkt 7:30 Uhr schal-tet sich Inga aus Böblingen-Sindelfingen hoch, die erfahrenste Trainerin von allen. Die vhs.Böblingen-Sindelfingen hat das ganze Projekt entwickelt, Inga ist schon seit 3 Jahren für die vhs.Motions aktiv. Wir anderen VHSen sind als Kooperationspartner erst seit September 2013 da-bei. Schade, ich muss jetzt los. „Tschüss Inga“ kann ich gerade noch eingeben, dann muss ich mich beeilen. Richtig wach jetzt und gut gelaunt! www.vhs-motions.de Das kostenlose Online-Training für Rücken, Schulter & Nacken. Fit in den Tag mit vhs.Motions jeden Morgen zwischen 7:00 und 8:00 Uhr. Es werden Volkshochschulen als Kooperationspartner gesucht, die mit einem Trainer einsteigen. Wer Interesse hat, wendet sich bitte an die vhs.Böblingen-Sindelfingen e.V. E-Mail: [email protected]. Die vhs.Motions sind ein Pilotprojekt, das dazu dienen soll, Volkshochschulen als Marktakteur im Online-Bewegungs-Markt zu platzieren und Erfahrungen mit verschiedenen Zielgruppen im Web zu sammeln. Je mehr Volkshochschulen sich beteiligen, desto eher besteht die Chance, das Zeitfens-ter des Live-Online-Trainings zu erweitern.

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3.2 Facebook, Twitter, MOOC & Co: Gesundheitsbildung im Web 2.0 kommunizieren Ilker Ipek, Marketing Hamburger VHS Die Hamburger Volkshochschule hat seit Dezember 2012 einen eigenen Facebook Auftritt. Das Redaktionsteam hat in dieser Zeit einige wertvolle Erfahrungen sammeln können, die in diesem Vortrag thematisiert werden. Vorab ein paar Zahlen (Stand 03.04.2014): - 4621 Likes, mit einem durchschnittlichen Wachstum von 50 Likes in der Woche. - 63 % der Fans sind weiblich und 37 % männlich. - Eine internationale Fangemeinde. (DaF-TeilnehmerInnen) - Durchschnittliche 1000 erreichte Fans pro Beitrag. - Erfolgreichster Beitrag erhielt 89 Likes. Strategie: Facebook soll eine Face-to-face Kommunikation mit den Teilnehmenden ermöglichen. Um dieses Ziel zu erreichen wurde die Kunstfigur „Eddy“ als Gesicht der Hamburger Volkshochschule in Anlehnung an das Logo erschaffen. Vorteile von Eddy: - Eddy kann seine Freunde duzen. - Eddy darf Emotionen zeigen. - Eddy kann mit den Kunden auf einer Ebene kommunizieren ohne die Förmlichkeit eines

Landesbetriebes widerspiegeln zu müssen. - Eddy bietet einen gewissen Schutz für die Institution, weil er nicht im Namen der Institution

spricht, sondern als eigenständige „Person“ kommuniziert. Erfahrungen mit der Fanpage: Die Idee einer direkten Kommunikation klappt mit Eddy sehr gut. Er ist in der Lage mit den richtigen Posts die Aufmerksamkeit seiner Fans zu erwecken. Darüber hinaus kann er seine Freunde duzen und diese duzen ihn ebenfalls, sodass die Konversationen auf Augenhöhe mit den„Freunden“ gestaltet werden können. Er kann weitestgehend auf Förmlichkeiten verzichten und die Sprache nutzen, die in solchen Medien angebracht ist. Es ist aber zu beobachten, dass die Reichweite von Beiträgen durch Facebook immer weiter eingeschränkt wird, sodass die eigenen Beiträge leider nicht alle Freunde erreichen. Erfahrungen mit Werbeanzeigen: Wir haben Werbeanzeigen auf Facebook mit unterschiedlichen Zielsetzungen geschaltet: - Eine allgemeine Anzeige zur Generierung von Likes auf der FB-Seite: Diese Anzeige führt bei

Klick auf die FB-Seite bzw. bietet die Möglichkeit direkt die VHS-Seite zu liken. - Weitere Anzeigen für die Bereiche Kochen, Fotografie und Stadtrundgänge: Diese Anzeigen

haben das Ziel Conversion zu generieren. Facebook bietet ähnlich wie bei Google Adwords die Buchungen nachzuverfolgen. Diese Anzeigen haben uns ca. 7 € pro Buchung gekostet.

Diese Werte zeigen uns, dass die Anzeigen auf Facebook sehr gut funktionieren können. Die Anzeigen können sehr zielgerichtet eingesetzt werden und erreichen die richtigen Personen. Die Präsentation zu diesem Thema finden Sie unter: http://prezi.com/zngbhp5i_tym/facebook-eddy/

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Bericht vom Workshop Peter Kabitzsch, VHS Leipzig In dem o.g. Workshop wurden die Facebook-Marketingmaßnahmen der Hamburger Volkshoch-schule erklärt. Diskutiert wurde, ob und in wie weit eine Präsenz der VHS'n in den sozialen Netz-werken sinnvoll und leistbar ist. Dabei wurden einige markante Punkte festgestellt und diskutiert. 1. Die Pflege der sozialen Netzwerke ist recht zeitaufwendig und kann nur bedingt von den Mitar-beiter/-innen der ÖA „nebenbei“ geleistet werden. Daher sind viele VHS'n nicht oder nur in gerin-gem Maße in den sozialen Netzwerken vertreten. Wenn sie vertreten sind beschränkt sich die Teilnahme in der Regel auf ein Netzwerk (Facebook), die anderen Netzwerke (google+, Twitter, Xing etc.) werden nicht benutzt.

2. Über Facebook können kaum Veranstaltungen verkauft oder Teilnehmende für Kurse gewon-nen werden. Geliked und geteilt werden vor allem (lustige) Bilder. Wichtig ist jedoch, dass diese Interaktionen mit den Followern erfolgen, da dann die entsprechende Aufmerksamkeit / Präsenz erzeugt wird.

3. Für die Nutzung von Facebook ist entscheidend, dass sich die verantwortlichen Ersteller/-innen von Beiträgen in der modernen Sprache des Web auskennen und im Web „zu Hause“ sind. Wer Facebook ausschließlich dienstlich nutzt wird kaum den Nerv und die Sprache der User dieser Technologien treffen. Einige Diskutierende sahen ein großes Problem darin, als VHS die normati-ven Regeln der Höflichkeit aufzugeben und sich als „traditionelle Einrichtung mit hohem (Bildungs-) Anspruch“ (sic!) auf das niedere Niveau der Websprache herabzulassen. Aus diesen Gründen würde die Teilnahme an Facebook etc. abgelehnt.

4. Teilweise treten Teilnehmende aus anderen Ländern über die Nachrichtenfunktion von Face-book mit Volkshochschulen in Kontakt, wenn sie an Deutschkursen interessiert sind. Facebook ist insbesondere in südlichen Ländern das bevorzugte Kommunikationsinstrument. Diese Teilneh-menden erwarten hier meistens eine schnelle Reaktion. Diese Erwartung kann aufgrund der Büro-zeiten und Verfügbarkeiten der Mitarbeiter/-innen meist nicht erfüllt werden. Die Bereitschaft, die entsprechenden Webportale ggf. auch außerhalb der festgelegten Arbeitszeit zu betreuen, ist nur bei wenigen jüngeren Mitarbeitenden vorhanden.

5. Für die Gesundheitsbildung im Web 2.0 wurden verschiedene youtube-Kanäle vorgestellt, die teilweise sehr hohe Klickzahlen haben. In der Abwägung, ob die VHS'n in dieser Branche mitspie-len müssen und ggf. eigene Youtube-Videos / -kanäle anbieten sollten wurde zunächst festgestellt, dass ein solches Angebot nur durch Mittel des DVV ermöglicht werden kann, da das eine einzelne VHS nicht leisten kann. Des Weiteren wurde kritisch diskutiert, ob es für die VHS'n überhaupt not-wendig ist und ob wir wirklich Kunden an solche Plattformen verlieren. Zwei grundsätzliche Mei-nungen standen sich dabei gegenüber. Einerseits sind junge Menschen auf diesen Kanälen / Platt-formen unterwegs und wollen diese Gesundheitsübungen zu Hause machen. Wenn wir diesen Kreis gewinnen wollen, müssen wir uns aktiver im Web 2.0 präsentieren. Andererseits bestechen die VHS'n gerade dadurch, dass hier etwas gemeinsam in der Gruppe gemacht wird. Die Wichtig-keit des Gruppengefühls wird insbesondere bei den langjährigen Kursen deutlich und ist sicherlich auch für den persönlichen Fortschritt notwendig.

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3.3 Virtuelle Welten im digitalen Zeitalter – zwischen Medienabhän-gigkeit und Generationenkonflikt Philipp Theis, Vitos Kinder- und Jugendpsychiatrische Klinik, Kassel In den neunziger Jahren wurde das Thema "Internetsucht" noch belächelt. Scherzhaft hatte der amerikanische Psychologe Ivan Goldberg 1995 die "Diagnose" eingeführt. Als die New York Times das Thema aufgriff und Bericht erstattete, meldeten sich unerwartet viele vermeintlich Betroffene (Goldberg, 1995). Auch wenn sich die Forschung zum Thema Medienabhängigkeit nicht mehr in der Anfangsphase befindet, besteht nach wie vor Uneinigkeit über die Einordnung und Bewertung dieses neuartigen Störungsbildes. In der Beratungs- und Behandlungspraxis sind wir mit exzessiv Medien nutzenden Klientinnen und Klienten und deren Angehörigen schon seit geraumer Zeit konfrontiert. Insbesondere das vermehr-te Aufkommen besorgter und hilfloser Eltern von zumeist jugendlichen männlichen Klienten erfor-dert neue Herangehensweisen. Im ersten Teil des Beitrages soll versucht werden das Spannungsfeld zwischen Medienwandel, Medienängsten, Auswirkung auf Familiensysteme und Betroffene anzureißen. Der Fokus liegt hier-bei auf Jugendlichen und jungen Erwachsenen als Betroffene, da diese sowohl in der Beratungs-praxis als auch im klinischen Kontext des Autors die überwiegende Fallzahl darstellen. Im zweiten Abschnitt werden die daraus resultierenden Konsequenzen für die Beratungs- und Behandlungs-praxis diskutiert. Medienwandel und Medienangst Zunächst dürfte klar sein, dass Jugendliche wie selbstverständlich in der heutigen Medienland-schaft aufwachsen und diese grundlegend anders wahrnehmen als die Elterngeneration. So man-che Vorstellungen und Sorgen der Erwachsenen hinsichtlich der digitalen Medienwelten, die in ihrer Jugend noch keine Rolle gespielt haben, lösen bei den Jugendlichen Unverständnis oder sogar Be-lustigung aus. Innerhalb kürzester Zeit verändern sich die medialen Angebote und Nutzungsmuster. Jugendliche erbringen diese Adaptionsleistung größtenteils automatisch und intuitiv (Düssel, 2010), während der ein oder andere Leser bzw. die Leserin vielleicht noch nicht mitbekommen hat, dass SchülerVZ geschlossen wurde oder World of Warcraft deutlich an Popularität verloren hat. Der Wandel der Lebenswelten hat sich derart beschleunigt, dass die Zahl der Abgehängten zwangsläufig steigen muss. Die Entwicklung des Telefons, des Rundfunks und des Fernsehens sowie deren Verbreitung in der Gesellschaft haben im Vergleich zur Entwicklung und Verbreitung des Internets deutlich länger ge-braucht. Zusätzlich wandelt sich das Medium Internet rapide. Dieser beobachtbare, sich beschleu-nigende technische Wandel, der mit einem sozialen Wandel einhergeht und in der Konsequenz ei-ne massive Verkürzung des Zeitraums, in dem unserer Lebensalltag konstant bleibt, bedeutet, er-klärt die nachvollziehbare Medienangst der Abgehängten. Eine Welt, die nicht mehr geteilt und ver-standen wird, kann nur begrenzt eingeschätzt werden und zieht zwangsläufig eine Über- und Un-terschätzung von Gefahren und Risiken mit sich. Dieser Effekt wird sich weiterhin beschleunigen, da das Tempo der Entwicklung stetig zunimmt und eine weitere Binnendifferenzierung innerhalb der Alterskohorten beobachtbar ist (Jäckel, 2010). Einfach ausgedrückt sind die medialen Nut-zungsmöglichkeiten inzwischen derart vielfältig, dass auch innerhalb einer Altersgruppe ver-schiedenste Trends, Vorlieben und Nutzungsmuster selbstverständlich sind. So sollte klar sein, dass Gaming nicht zwangsläufig gleich Gaming ist und eine differenzierte Betrachtung Vorausset-zung bei der Auseinandersetzung mit der Thematik ist, insbesondere wenn nachvollziehbare Fra-gen nach möglichen Auswirkungen wie Suchtgefährdung, Veränderung des Aggressionspotentials und Gesundheitsfolgen gestellt werden.

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In dieser Gemengelage besteht die Gefahr, das Medienhandeln medienaffiner Jugendlicher und junger Erwachsener vorschnell zu pathologisieren sowie psychische Erkrankungen, die sich in ei-ner exzessiven Mediennutzung manifestieren, fehl zu deuten (Kammerl, 2013). Die Herausforde-rung für die Beratenden oder Behandelnden besteht nun darin, zu unterscheiden, ob es sich um ein leidenschaftliches Hobby, ein Risikoverhalten im Jugendalter, einen Erziehungs- oder Familienkon-flikt, eine psychische Erkrankung oder Abhängigkeitsproblematik handelt. Erschwerend kommt hin-zu, dass die genannten Erklärungsansätze in einem komplexen Zusammenspiel vorliegen und mo-nokausale Ursache-Wirkungsbeziehungen nur in der Theorie anzutreffen sind. Multiperspektivische Betrachtung der Bezugssysteme Es dürfte nachvollziehbar sein, dass in der Beratungs- und Behandlungspraxis oftmals Angehörige anzutreffen sind, die davon überzeugt sind, dass es sich bei dem Mediennutzungsverhalten des bzw. der Jugendlichen um ein abhängiges Verhalten handeln muss. Dem Gerät, das heißt dem PC oder der Konsole mit den entsprechenden Anwendungen/ Spielen, wird eine hohe Wirkungsmacht zugeschrieben. Auch wird oftmals die „betroffene“ Person zu einem großen Teil als verantwortlich für die (hoch) belastete/ verfahrene Situation erlebt und gesehen. Weitere Faktoren, die die Genese und Aufrechterhaltung der aktuellen Situation des exzessiv Medien nutzenden Jugendlichen mit zunehmenden Konflikten in der Familie bedingen, werden nur verknappt oder bruchstückhaft wahr-genommen. In der Praxis begegnen einem auffällig viele belastete Familiensysteme. So ist eine Häufung von Broken-Home-Konstellationen mit alleinerziehenden Elternteilen und Bezugspersonen mit phasen-haften Schwierigkeiten, die elterliche Rolle entsprechend den Bedürfnissen des Heranwachsenden zu gestalten, anzutreffen. Die Systeme sind häufig von Konfusion gezeichnet, sei es hinsichtlich verstrickt anmutender Beziehungsgefüge, unklarer Rollen, Zerrissenheit in Extremen, wie intensiver Nähe und ausgeprägter Distanz, Überfürsorglichkeit und Desinteresse mit überwiegend konflikthaf-ter Kommunikation und Interaktion. Der problematische bis abhängige Medienkonsum findet in der Regel innerhalb des Familiensys-tems statt und verursacht einen erheblichen Leidensdruck bei den Angehörigen. Der Betroffene zieht sich meist völlig zurück, nimmt am Familienleben kaum noch teil und vernachlässigt seine Aufgabenbereiche. Häufig ist eine schleichende Verfestigung der bisherigen, nicht hilfreichen Interaktions- und Bezie-hungsmuster zu erkennen. So reduziert sich die positiv bewertete Interaktion oder Beziehungsge-staltung auf ein Minimum. Eine Verschiebung des Tag-Nacht-Rhythmus erlaubt dem bzw. der Ju-gendlichen, seinen bzw. ihren Eltern und den erwarteten Vorwürfen aus dem Weg zu gehen. Die nur noch spärlich gemeinsam verbrachte Zeit wird von Elternseite häufig genutzt, um Appelle, Auf-forderungen und Vorwürfe zu transportieren. Angehörige, nach diesem Verhaltensmuster befragt, berichten von der Hoffnung, der bzw. die Betroffene würde vielleicht doch zur Einsicht kommen und sein bzw. ihr „Fehlverhalten“ verändern. Nach der Wahrscheinlichkeit befragt, ob diese Form der Interaktion und Kommunikation für dieses Ziel hilfreich und erfolgversprechend sei, folgt oftmals eine realistische Einschätzung, dass auf diese Art und Weise keine Veränderung zu erreichen sei, aber die bisher einzig gesehene Alternative, nichts zu tun, nicht zu ertragen sei. Des Weiteren fal-len auf der Seite der Angehörigen in der Praxis wiederholt mangelnde Kenntnisse der genutzten Medieninhalte der eigenen Kinder auf. So können oftmals Fragen nach den vom Betroffenen primär genutzten Medieninhalten nicht beantwortet werden. Die Hilflosigkeit gegenüber dem Verhalten des bzw. der Jugendlichen mit der Tendenz, Verantwortung zu delegieren, geht häufig mit einer Viel-zahl von Verhaltensweisen einher, die ein exzessives bis suchtartiges Mediennutzungsverhalten stützen. So werden zwar lang anhaltende Konflikte um die Mediennutzung geführt, gleichzeitig aber die Grundlagen für das problematische bis abhängige Nutzungsverhalten weiter gewährleistet. Exemplarisch ist die Bereitstellung der Hardware, des Internetzugangs, verschiedener Versor-gungsleistungen zu nennen, dies aber bei anhaltenden begleitenden Appellen, Ermahnungen, Dro-hungen und Konflikteskalationen zum Teil mit Handgreiflichkeiten.

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An diesen Beispielen sollte zum einen deutlich werden, dass die Berücksichtigung des Familien- und Bezugsystems zur Einschätzung einer möglichen „Abhängigkeitsproblematik“ nicht übersehen werden darf und zum anderen insbesondere im Jugendalter eine nicht geringe Zahl an Familien anzutreffen ist, in denen ein exzessiv Medien nutzender Jugendlicher als Symptomträger eines komplexen Konfliktgefüges fungiert. Insbesondere die familiendynamischen Aspekte sind für den Erfolg einer Beratung oder Behand-lung zu beachten: Lernt der bzw. die Betroffene doch, sich in einer Vielzahl der Fälle seine bzw. ihre Nutzungsmöglichkeiten in dem Familiensystem durch expansive und mitunter aggressive Ver-haltensweisen zu sichern. In der Interaktion reagieren viele Bezugspersonen ambivalent. Konse-quenzen erfolgen unregelmäßig und oftmals in umgekehrter Abhängigkeit von der Heftigkeit und Aggressivität des Auftretens des bzw. der Betroffenen. Phänomenologisch erleben wir somit häufig Familiensysteme, in denen ein Betroffener oder eine Betroffene den Rahmen bezüglich der Medi-ennutzung und der grundsätzlichen Versorgungsleistungen setzt und mit den übrigen Mitgliedern in Negativ-Interaktionsschleifen festhängt. Aus den geschilderten Erfahrungen resultiert die Notwendigkeit, Angehörige in einen Beratungs- oder Behandlungsprozess intensiv zu integrieren, dies trifft auch auf die Beratung und Behandlung junger Erwachsener zu, da diese signifikant häufiger im Elternhaus leben als bei den klassischen Abhängigkeitserkrankten (Müller et al., 2012). Insbesondere bei der Behandlung betroffener Kinder und Jugendlicher benötigen Angehörige in-tensive Unterstützung, damit im Anschluss an eine professionelle Behandlung eine verständnisvolle Begleitung und Rahmensetzung bezüglich der Mediennutzung erfolgen kann. Multiperspektivische Betrachtung des Risikoverhaltens Im Jugendalter Die Adoleszenz ist eine Zeit, in der vielfältige Entwicklungsaufgaben an die Jugendlichen gestellt werden, insbesondere die Ablösung von den Eltern, die Findung der eigenen Identität, die Intensi-vierung von (reiferen) Beziehungen, die Entwicklung von eigenen Wertesystemen und Vorstellun-gen über mögliche berufliche Karrieren. Es ist nicht erstaunlich, dass ein Abtauchen in virtuelle Welten sich als Möglichkeit zur Distanzierung von den Eltern anbietet. Jugendliche können sich durch die exzessive Nutzung einen autonomen Raum schaffen, in dem sie abseits von den Eltern agieren können (Kammerl, 2012). Spielerisch kann mit der eigenen Identität experimentiert werden, Anteile, die minderwertig erscheinen, können verborgen bleiben, Idealvorstellungen ausgebaut und transportiert werden. Aus einem sicheren Hafen können intensive Beziehungen zu Mitspielenden/ Userinnern und Usern erlebt und gepflegt werden. In der Praxis begegnen wir häufig Jugendlichen, die diese Möglichkeiten exzessiv nutzen und zentrale Entwicklungsaufgaben nur eingeschränkt bewältigen. So divergieren das reale und virtuelle „Ich“ bezüglich der Erfolgs- und Kompetenzer-wartung, der sozialen Eingebundenheit, der erlebten Autonomie, Selbstständigkeit und Ablösung von den Eltern zum Teil gravierend. Auch die alterstypische Suche nach Risiko (Risk-Taking-Behavior) und extremen Gefühlen wird insbesondere in komplexen Spielwelten bedient. Fragt man die Spielenden nach starken Glücksge-fühlen im Spielgeschehen, so werden Szenen wie beispielsweise der Sieg nach einem aufreiben-den Kampf gegen einen bisher unbezwungenen Drachen Seite an Seite mit den Mitspielenden be-schrieben. Von der Heftigkeit der Reaktion kann von einem extremen Glücksgefühl gesprochen werden, welches dem unreifen Dopaminsystem, das entwicklungsbedingt stärkere Auslösereize braucht, entgegenkommt. Zusätzlich sind im Stirnlappen gelegene höhere kognitive Funktionen be-einträchtigt, so dass die Verhaltenssteuerung und die Handlungskontrolle, die Fähigkeit zur Ab-schätzung von Risiken, und die Fähigkeit zur Planung und Entscheidung im Vergleich zum vorpu-bertären Stadium deutlich herabgesetzt sind (Konrad, 2013). Unter Berücksichtigung dieser Zusammenhänge kann es sich bei einem exzessiven Mediennut-zungsverhalten um ein entwicklungsbedingtes Durchgangsstadium handeln. Entscheidend erweist sich hier in der Praxis, ob die zentralen Entwicklungsaufgaben gemeistert werden.

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Multiperspektivische Betrachtung individueller Faktoren und komorbider Erkrankungen Die Differenzierung, ob es sich bei einem exzessiven Mediennutzungsverhalten um ein Durch-gangsstadium handelt oder um eine beginnende Abhängigkeitserkrankung, scheint neben den Um-feldfaktoren stark von individuellen Merkmalen abzuhängen. So ist bei den Klientinnen und Klienten sowie bei den Patientinnen und Patienten, die insgesamt eine erhöhte psychische Belastung auf-weisen, ein deutlich erhöhtes Risiko einer Abhängigkeitsentwicklung zu beobachten. In der Praxis fallen die Häufungen an sozial gehemmten, ängstlichen Jugendlichen auf. Auch depressive Verar-beitungsstrukturen sind häufig zu beobachten. Dabei divergieren die „virtuelle“ und „reale“ Selbst-wahrnehmung oftmals massiv. Die spielbezogene Selbstwirksamkeitserwartung, Frustrationstole-ranz und Erfolgszuversicht ist positiv gefärbt, die realitätsbezogene Wahrnehmung hingegen pes-simistisch und negativistisch. Eine ausführliche differentialdiagnostische Überprüfung sollte an die-ser Stelle dringend empfohlen werden, da sowohl von Eltern- aber auch von professioneller Seite ein hohes Risiko besteht, den Medienmissbrauch vorschnell als Abhängigkeit und primäre Proble-matik zu betrachten, da dieser augenscheinlich so massiv in Erscheinung tritt. Insbesondere im Kindes- und Jugendalter ist somit mit dem erkennbaren Risiko einer beginnenden Abhängigkeitsentwicklung häufiger ein Medienmissbrauchsverhalten zu beobachten. In den hoch risikohaften Fällen ist die Medienproblematik als medienassoziierte Störung zu verstehen, da das exzessive Verhalten in der Regel die Funktion einer Selbstmedikation erfüllt. So sind bei genauerer Untersuchung diagnostizierbare Begleit- oder Grunderkrankung oder ausgeprägte psychosoziale Belastungsfaktoren identifizierbar. Das oftmals hoch problematische Verhalten kann zum Teil in einem erstaunlichen Tempo verändert werden, wenn die entsprechenden Belastungen erfolgreich reduziert werden können. Die Vermutung liegt nahe, dass ein heftiger Medienmissbrauch oder eine beginnende Abhängigkeit im Jugendalter besser und nachhaltiger behandelt werden kann, als eine chronische Medienabhängigkeit im Erwachsenenalter. Fazit für die Beratung und Behandlung Unter Berücksichtigung der beobachtbaren und geschilderten Zusammenhänge sollte deutlich ge-worden sein, dass jegliche Beratung oder folgende Behandlung eine gute Einordnung des proble-matischen Mediennutzungsverhaltens voraussetzt. So können unterschiedlichste Interventionen in verschiedenen Hilfesystemen von der Erziehungsberatungsstelle, dem Suchthilfesystem oder dem klinischen Angebot angezeigt sein. Eine Professionalisierung der Helfenden in den verschiedenen Systemen ist sinnvoll, damit spezifische Themen, wie der Inhalt des Medienkonsums, die Diskre-panz zwischen der virtuellen und der realen Persönlichkeit, der mögliche Abschied von der Spielfi-gur mit heftigen Trauerreaktionen, die Rollenwahrnehmung des Betroffenen und die schulischen/ beruflichen Zukunftsvorstellungen entsprechend beachtet werden können (Teske, 2013). Unum-gänglich erscheint die Beachtung der Rolle der Familie und der sozialen Bezugssysteme insbeson-dere im Kindes- und Jugendalter. Eine Abhängigkeitsentwicklung erfolgt nicht im „luftleeren Raum“ oder ausschließlich durch spielimmanente Faktoren. Die Arbeit an Beziehungsstörungen, Interakti-onsmustern, elterlichem Erziehungsverhalten, sozialen Bedürfnissen und real erlebten Defiziten sind klassische Beratungs- und Behandlungsaufgaben und sind auch bei diesem neuen Hand-lungsfeld essentieller Bestandteil. Voraussetzung bleibt eine Haltung des Verstehens, das Profes-sionelle herausfordert, da die technische Entwicklung mit den „produzierten“ Abgehängten und fol-genden Medienängsten auch vor Beratenden und Behandelnden nicht Halt macht. Literatur Düssel, M. (2010). Familiäre Mediennutzung: Einsam oder gemeinsam? Merz Zeitschrift für Medi-

enpädagogik 4/2010, S. 11-17. Goldberg, I. (1995). Internet Addictive Disorder (IAD). Diagnostic Criteria[Electronic Version], retrie-ved 13.06.2008.Verfügbar unter: www.psycom.net/iadcriteria.html [01.12.2013] Jäckel, M. (2010). Was unterscheidet Mediengenerationen? Media Perspektiven 5/2010, S. 247-257.

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Kammerl, R. Et al. (2012). Exzessive Internetnutzung in Familien. Lengerich: Pabst Publishers. Kammerl, R. (2013). Machen Medien süchtig? Merz Zeitschrift für Medienpädagogik 4/2013, S. 12-17. Konrad K, Firk C, Uhlhaas PJ. (2013). Brain development during adolescence: neuroscientific in-sights into this developmental period. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(25): 425–31. DOI: 10.3238/arztebl.2013.0425 Müller, K. W., Koch, A., Beutel, M. E., Dickenhorst, U., Medenwaldt, J. & Wölfling, K. (2012). Komorbide Internetsucht unter Patienten der stationären Suchtrehabilitation: Eine explorative Erhe-bung zur klinischen Prävalenz. Psychiatrische Praxis, 39, 286-292. Teske, A., Theis, P. & Müller, K. W. (2013). Internetsucht – Symptom, Impulskontrollstörung oder Suchterkrankung? Eine Übersicht zum Forschungsstand und zu den Implikationen für die therapeu-tische Praxis. Psychotherapeutenjournal 1/2013, S. 19-26.

Bericht vom Workshop Ines Kortmann, VHS Tempelhof-Schöneberg / Berlin Zuhörer-Beiträge / Diskussionspunkte - „Das kenne ich von meinem Kind“ - Erfahrungen zur Abhängigkeitsentwicklung bei Computer-

spielen wurden aus dem Zuhörerkreis eingebracht (z.B. Minecraft: „Einstiegsdroge“; League of Legends: starke Abhängigkeitsgefahr, da soziale Komponenten / Interaktionen integriert sind)

- Im Unterschied zur „Abhängigkeit“ gibt es auch „exzessive Nutzer" von digitalen Medien (keine Belohnungskomponenten, Kontrollverlust ist nicht gegeben)

- Eltern / Kinder: Andere Eltern zu akzeptieren stellt eine große Herausforderung dar - Kommuni-kation driftet auseinander - Ängste der Eltern werden größer

- Jugendliche / Kinder: „Als wir so alt waren, war das noch nicht erlaubt“ – so urteilen heute Ju-gendliche über den Mediengebrauch von Kindern (Schnelllebigkeit der Gesellschaft)

Was kann die VHS zum Thema Medienabhängigkeit anbieten? - Zu „offenen“ Angeboten kommen wenige - Abschreckung, wenn das Thema problemzentriert angeboten wird

Vorschläge: - Kooperation, z.B. Kita und VHS (für Eltern von Kitakindern) - Kooperation, z.B. Schule und Eltern (Integration in Elternabend) - Kennenlernen der „Spiel-Welten“ durch Ausprobieren (z.B. an mehreren Stationen) - Multiplikatorenfortbildung über VHS (Lehrer, Sozialarbeiter)

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3.4 BleibGesundCamp: Barcamp als neues Format der Volkshoch-schulen? Gabriele Fröhlich, VHS Esslingen und Jan Theofel, Barcamp-Organisator und Coach, Berlin 1. Zusammenfassung Seit 2006 verbreitet sich das Format „Barcamp“ als Alternative zu Konferenzen und neuartige Möglichkeit der Wissensvermittlung. Daher sollten Volkshochschulen Barcamps als Ergänzung zu ihrem bisherigen Kursprogramm in Erwägung ziehen. Am Beispiel des BleibGesundCamps beschreiben Gabriele Fröhlich (VHS Esslingen) und Jan Theofel (Barcamp-Experte) die Möglichkeiten, aber auch speziellen Herausforderungen für Volks-hochschulen mit diesem Format. Welche Elemente von Barcamps können dabei möglicherweise in „normale“ Kurse übernommen werden? Ähnlich der Sessions auf einem Barcamp wurde der Workshop sehr offen gestaltet: Nach einer kurzen Vorstellung des Formats wurden die Fragen der Anwesenden beantwortet. 2. Inhalt Vorstellungsrunde Der Workshop begann mit einer Vorstellungsrunde, wie sie für Barcamps typisch ist. Dabei nennt jeder seinen Namen, woher er kommt und drei Stichworte zu sich selbst. Kein „Ich bin“ oder „mei-ne Stichworte sind“ - sondern nur die Inhalte. Also zum Beispiel: „Jan Theofel, Berlin, Barcamps, Coaching, BleibGesundCamp“ In dieser kompakten Form benötigt eine solche Vorstellungsrunde nur sehr wenig Zeit und kann auch in sehr großen Gruppen durchgeführt werden. Dabei können bereits erste Gemeinsamkeiten erkannt werden. Wichtiger ist jedoch auf Barcamps die dadurch bewirkte Aktivierung der Teilneh-mer. Eine solche Runde kann auch bei wenig Zeit in kleinen Gruppen durchgeführt werden und damit in jeden normalen Kurs einer VHS übernommen werden. Warum Barcamps? Seit 2006 haben sich Barcamps vor allem im IT-Bereich sehr gut etabliert. Inzwischen gibt es je-doch zu vielen anderen Themen so genannte Themencamps. Dabei vereinen sie Punkte, die heu-te von modernen Lernformen gefordert werden, und bieten zahlreiche Vorteile:

• Barcamps setzen ausschließlich auf den informellen Wissensaustausch zwischen allen Teilnehmern.

• Die Sessions sind grundsätzlich partizipativ - jeder ist aufgefordert, sich mit eigenem Wis-sen und Fragen einzubringen.

• Dadurch entfällt klassischer Frontalunterricht zu Gunsten von Erfahrungsaustausch aus der Praxis für die Praxis.

• Dank der hohen Interaktion erarbeiten sich die Teilnehmer ihr neues Wissen selbst. So wird das Lernen intensiver und es „bleibt mehr hängen“.

• Ähnlich einem Open Space ist der ganze inhaltliche Teil selbst organisiert. Die Teilnehmer bestimmen über die Themen der Sessions selbst.

• Durch die Teilnehmerzentrierung stärkt dies auch die Eigenverantwortung der Anwesenden. • Barcamps sind ergebnisoffen. Alle Anwesenden nehmen die Informationen, Impulse und

Kontakte mit, die gerade für sie selbst wichtig sind. • Jeder, der schon mal dabei war, wird bestätigen, dass Barcamps unglaublich viel Spaß

machen! Kurz vorgestellt: Ein typischer Ablauf Betrachten wir für eine bessere Vorstellung zunächst den typischen Ablauf eines Barcamps:

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Den Auftakt des Tages bildet ein gemeinsames Frühstück aller Teilnehmer. Ebenso wie die fol-genden gemeinsamen Mahlzeiten mittags und abends bietet dies den Teilnehmern schon die erste Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen. Anschließend werden sie vom Organisationsteam begrüßt, das ihnen zudem Sponsoren und Unterstützter vorstellt und den weiteren Ablauf erklärt. Es folgt die bereits beschriebene Vorstellungsrunde. Darauf folgt das Herzstück eines Barcamps: die Sessionplanung. Jeder kann allen anderen An-wesenden Sessions vorschlagen. Eine Session zu einem bestimmten Thema dauert in der Regel 45 Minuten. Dies können kurze Vorträge mit viel Interaktion, Fragerunden, Workshops oder Dis-kussionsrunden sein. Nach der Vorstellung einer Session bekundet das Plenum per Handzeichen Interesse. Nun folgen die Sessions, die am Morgen geplant wurden. Es finden immer mehrere Sessions pa-rallel statt. In der Lounge können die Inhalte aus den Sessions in kleinen Gruppen weiter vertieft oder Themen abseits der Sessions besprochen werden. Nach den Sessions klingt der Abend gemeinsam aus. Dabei wird in der Regel ein gemeinsames Abendessen angeboten. Anschlie-ßend wird die offene Atmosphäre in persönlichen Gesprächen weiter vertieft. Meistens dauert ein Barcamp zwei Tage. In diesem Fall wiederholt sich der Ablauf am zweiten Tag mit einer erneuten Sessionplanung. Dabei werden sowohl neue Themen vorgestellt als auch solche vom Vortag weitergeführt oder erneut angeboten. Das BleibGesundCamp an der VHS Esslingen Das BleibGesundCamp rund um die Frage „Wie halte ich mich selbst gesund“ ist unseres Wissens nach das erste Barcamp, das an einer deutschen Volkshochschule durchgeführt wurde. Weiterhin ist es das erste Barcamp zum Thema Gesundheit in Deutschland. Es fand erstmalig am 27./28. April 2013 an der Volkshochschule Esslingen statt und wurde von 40 Personen besucht. Im Folgejahr konnte am 8./9. Februar 2014 die Teilnehmerzahl auf knapp über 50 Personen gestei-gert werden. Dabei wurden folgende Erfahrungen gemacht:

• Trotz anfänglicher Skepsis bei den Teilnehmern waren am Schluss alle von dem Barcamp sehr begeistert. Es gab sehr viele positive Rückmeldungen und alle Teilnehmer wollen nächs-tes Mal wieder dabei zu sein.

• „Experten“ (Kursleiter, Therapeuten, etc.) und interessierten Privatpersonen konnten sich sehr leicht, offen und auf Augenhöhe austauschen.

• Die Teilnehmeransprache gestaltete sich schwierig. Es stellte sich heraus, dass im Wesentli-chen die persönliche Ansprache zur Teilnahme führt. Die Schwelle eine Veranstaltung zu be-suchen, bei der man nicht weiß, was einen inhaltlich erwartet, ist für Barcamp-Unerfahrene sehr hoch.

• Dennoch konnten im zweiten Jahr deutlich mehr reguläre Teilnehmer gewonnen werden. Vor allem regionale Teilnehmer konnten besser erreicht werden. Für das Folgejahr zeichnen sich bereits jetzt erfolgversprechende Kooperationen ab.

• Die Zusammenarbeit der VHS mit Jan Theofel als externem Berater klappte sehr gut und ver-band die „Marke Volkshochschule“ effizient mit der „Barcamp-Community“.

• Das moderne Gebäude der Volkshochschule Esslingen erfüllt die Anforderungen für ein sol-ches Barcamp durch einen großen Versammlungsbereich im Erdgeschoss perfekt.

• Es konnten namhafte Sponsoren wie doc morris und metabolic balance für die finanzielle Un-terstützung gewonnen werden. Diese brachten sich thematisch ein, jedoch ohne inhaltlichen Einfluss zu nehmen.

• Die Volkshochschule Essligen agierte mit diesem Format überregional. Es reisten beispiels-weise auch Teilnehmer aus dem Ruhrgebiet und Hessen an.

Zur dritten Auflage des BleibGesundCamps am 7. / 8. Februar 2015 sind Sie nach Esslingen eingeladen, um persönlich ein solches Barcamp zu erleben!

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Organisation Auf die Frage der Organisation wurde nur kurz eingegangen. Stattdessen wurde auf eine in Kürze erscheinende Barcamp-Anleitung von Jan Theofel verwiesen (siehe Links am Ende dieses Texts). Herausgestellt wurden jedoch die besonderen Herausforderungen im Umfeld von Volkshochschu-len:

• Barcamps benötigen Sponsoren, um eine kostengünstige Teilnahme zu ermöglichen. (Bei-spiel BleibGesundCamp: 45 € inkl. Vollverpflegung) Dies ist oft mit den Richtlinien einer Volkshochschule nicht vereinbar. Die Lösung beim BleibGesundCamp war, dass die Sponso-ren über Jan Theofel abgerechnet wurden und er hieraus Teile des Caterings und seines Ho-norars finanzierte.

• Die Mitarbeiter der Volkshochschule müssen spezielle Anforderungen berücksichtigen. So benötigt es hier in der Regel eine E-Mail-Adresse bei der Anmeldung und die Freigabe, dass der eigene Name auf einer Teilnehmerliste erscheinen darf.

• Auf Barcamps sind alle Teilnehmer und Organisatoren „per Du“. Dies ist eine Umstellung für Volkshochschulmitarbeiter im Vergleich zu den sonst üblichen Kursen.

• Es wird neben der üblichen Kursankündigung auf der Webseite der Volkshochschule auch ei-ne eigene Webseite des Barcamps benötigt. Ebenso müssen zusätzliche Kommunikationska-näle aufgesetzt werden. In unserem Fall werden Twitter, Facebook und Google+ aktiv ge-nutzt.

• Ein möglichst einfach nutzbares WLAN sollte für alle Teilnehmer gegeben sein. Hier wurden in Esslingen vorab ausreichend Zugangscodes vorbereitet, um alle Teilnehmer schnell damit versorgen zu können.

• Die Barcamp-Community sollte mit eingebunden werden. Ebenso deren Erfahrungen mit dem Format. Wir empfehlen den Volkshochschulen die Kontaktaufnahme zu regionalen Barcamp-Organisatoren, um das Event mit ihnen gemeinsam durchzuführen.

• Für die persönliche Ansprache der Teilnehmer erweisen sich Informationsabende als hilfreich. Bei diesen kostenlosen Vorabveranstaltungen konnten wir den Interessierten das Format aus-führlich erklären und sie mit unserer Begeisterung anstecken.

• Wichtig ist auch die Ansprache lokaler und bundesweiter Multiplikatoren, um über diese weite-re Teilnehmer zu gewinnen.

• Für das Catering ist es unabdingbar, einen flexiblen Partner zu gewinnen. Die Teilnehmerzah-len müssen sehr kurzfristig (1-2 Tage vor dem Barcamp) mitgeteilt werden können. Viele Ca-terer bieten unflexible Gesamtpakete, was beispielsweise mit dem Sponsoring von Getränken direkt durch Hersteller nicht zusammenpasst.

• Die Frage nach der Sicherstellung der inhaltlichen Qualität kann dahingehend beantwortet werden, dass auch die Selbstregulation der Gruppe in aller Regel sehr gut funktioniert. Weder beim BleibGesundCamp noch bei anderen Barcamps sind uns diesbezüglich negative Bei-spiele bekannt.

• An einigen Volkshochschulen kann dieser offene Rahmen mit strengeren Vorgaben und Richtlinien kollidieren. Dies kann unter Umständen dadurch umgangen werden, dass die Volkshochschule als Partner aber nicht als eigentlicher Veranstalter auftritt.

Grundlegende Werte für die Organisation Neben diesen Punkten legten wir Wert auf die wesentlichen Grundsätze, die bei einer Barcamp-Organisation quasi als grundlegende Werte betrachtet werden können. Sie sollten allen Entschei-dungen als Grundlage dienen: Grundsatz 1: Alle Teilnehmer sind gleich. Auf einem Barcamp sind alle Teilnehmer gleich. Jeder kann wertvolles Wissen und Sichtweisen einbringen. Damit dies geschehen kann, begegnen sich alle Teilnehmer auf „Augenhöhe“. Grundsatz 2: Immer offen kommunizieren.

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Sämtliche Kommunikation soll freundlich, persönlich, offen und ehrlich erfolgen. Jede Frage, An-merkung, Ergänzung oder Korrektur ist willkommen solange sie wertschätzend und freundlich ein-gebracht wird. Grundsatz 3: Die Teilnehmer bestimmen die Inhalte. Die Ausrichter legen einen Themenrahmen fest. Darin - und manchmal auch darüber hinaus - kommen alle Inhalte kommen von den Teilnehmern. Es ist inhaltlich ihre Veranstaltung. Grundsatz 4: Der Rahmen bestimmt die Qualität. Der gesetzte Rahmen durch die Organisation nimmt maßgeblich Einfluss auf die Qualität des Bar-camps. Dies gilt dabei nicht nur für die organisatorischen Faktoren, sondern auch für die Qualität der Sessions. Grundsatz 5: Jeder darf teilnehmen. Innerhalb der Zielgruppe darf es für die Teilnahme keine Zugangsbeschränkungen geben. Jeder, der gewillt ist, sich einzubringen, ist als Teilnehmer gern gesehen. Grundsatz 6: Inhalte sollten über das Barcamp hinaus verbreitet werden. Soviel wie möglich von dem, was auf dem Barcamp geschieht, sollte auch für Nichtteilnehmer festgehalten und veröffentlicht werden. 3. Fazit Die Erfahrungen aus dem BleibGesundCamp sind durchgehend positiv und es wird auf jeden Fall weitergeführt. Wir glauben auch, dass dieses Format in den nächsten Jahren im Rahmen der Volkshochschulprogrammplanung mehr Aufmerksamkeit finden sollte. Wir möchten explizit die Programmplaner der anderen Volkshochschulen einladen, selbst dieses Format auszuprobieren. Als nächste Schritte laden wir Sie, ein selbst ein Barcamp zu besuchen. Wenn Sie Fragen zum Format haben, wenden Sie sich ebenfalls gerne an uns. 4. Links und Kontaktmöglichkeit

Barcamp-Anleitung: http://www.theofel.com/barcamp-anleitung.html BleibGesundCamp: http://www.bleibgesundcamp.de/ Barcamp-Übersicht D/A/CH: http://www.barcamp

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Bericht zum Workshop Claudia Knabe, Sächsischer Volkshochschulverband Bereits mit der Kennenlernrunde in diesem Workshop bekamen die Teilnehmer einen praktischen Einblick, wie ein Barcamp startet, nämlich kurz und prägnant. Schließlich muss man bei dieser Ta-gungsform mit vielen Teilnehmern rechnen. Also, jeder Teilnehmer nennt lediglich seinen Namen, seine Einrichtung und drei Stichpunkte zu seiner Person. Nachdem der erfahrene Barcamp-Coach Jan Theofel über die Organisation von Barcamps informierte und Gabriele Fröhlich aus der Praxis mit dem BleibGesundCamp berichtete, wurde das Feuer frei gegeben für die Fragen. Hier eine kleine Auswahl: • Was heißt eigentlich Barcamp? – Bar steht für Platzhalter und Camp für Übernachtung • Gibt es eine Mindest- oder Maximalteilnehmerzahl? – Hängt von der Location ab und der Kal-

kulation. Es gibt Barcamps mit 20 und auch mit 400 Teilnehmern. • Werden die Ergebnisse der Sessions dokumentiert? – Nein, die Teilnehmer werden animiert,

selbst mitzuschreiben bzw. zu posten. • Haben Sie Referenten in Reserve, falls sich keiner für eine Session meldet? – Das gibt es

nicht. Das kann man als Moderator steuern und die Teilnehmer animieren. • Wie lange vorher sollte man mit der Planung beginnen? – Mit der Akquise der Sponsoren und

der Teilnehmer sollte man mind. ein halbes Jahr vorher beginnen. • Wie hat sich die Arbeit als HPM geändert? – Es ist wichtig, mal eine neue Methode zu probie-

ren. Die VHS, der Bereich erfahren eine andere Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Die Kon-zentration richtet sich verstärkt auf diese Veranstaltung, das laufende Kursgeschäft muss von den Kollegen übernommen werden.

• Rechnet sich das BleibGesundCamp? – Nein, noch nicht. Der Aufwand im Vorfeld ist hoch, vor allem der Gesprächsaufwand.

• Ist dieses Veranstaltungsformat kompatibel zu den Weiterbildungsgesetzen der Länder oder zur DIE-Statistik? – Es ist nicht auf Förderfähigkeit abgeklärt.

• Was ist der Mehrwert gegenüber anderen Veranstaltungsformen? o Es ist ein offenerer und intensiverer selbstgesteuerter Wissensaustausch. o Wir erreichen damit andere Zielgruppen, z.B. auch die Männer. o Es werden Themen niedrigschwellig diskutiert, an die wir uns vielleicht gar nicht herange-

traut hätten, z.B. „Alte Hausmittel sind manchmal Gold wert“, „Männergesundheit“, „Wie er-halte ich die Liebe in meiner Partnerschaft?“ oder „Kreative Entspannungsübungen“

o Es kann in kleineren Gruppen / Sessions diskutiert werden. Mit unserem formalisierten Kurssystem hätte man die notwendige TN-Zahl nicht erreicht.

o Es können auch Themen besprochen werden, die gar nichts unmittelbar mit dem Thema Gesundheit zu tun haben müssen, z.B. „Twitter-Basics“, „Ethik, Moral und Werte im Web und Sozial Media“ oder „Motivationsmethoden“

o Die Sessionteilnehmer bringen ihre eigenen, persönlichen Erfahrungen und ihr Wissen ein, so dass keine Qualifikationsnachweise notwendig sind.

o Als Veranstalter erfährt man, womit sich die Menschen thematisch aktuell beschäftigen und kann möglicherweise Anregungen für die Kursplanung ziehen.

• Interessante Homepages o www.bleibgesundcamp.de o www.barcamp-liste.de

Es war ein interessanter und abwechslungsreicher Workshop, der sicher den Einen oder die Ande-re zum Nachahmen angeregt hat.

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3.5 Zwischen Markt und öffentlichem Auftrag: wie seriös ist die Ge-sundheitsbildung? Eva Kracke, Verband der Volkshochschulen von Rheinland-Pfalz e.V. Die Programmplanung zwischen Markt und öffentlichem Auftrag ist für viele vhs-Kolleg/innen eine spannende Herausforderung. Angesichts leerer Staatskassen und der Diskussion um den Freizeit-charakter von vhs-Angeboten, wird zunehmend nach der bildungspolitischen Relevanz gefragt - das Angebot soll seriös und attraktiv sein. Ein Widerspruch? In diesem Workshop ging es um Erfahrungen und kollegialen Austausch zu folgenden Themen: - Kleiner Input zum Thema - aktueller Stand der innerverbandlichen Diskussion - Seriosität von Kursleitenden - wie stelle ich sie fest? - Kursankündigung - das Programmheft als Visitenkarte der vhs

Kleiner Input - aktueller Stand der innerverbandlichen Diskussion Derzeit wird seitens der Politik, der Medien und von Interessenverbänden wieder verstärkt die Fra-ge nach der Seriosität und Legitimität von Volkshochschulangeboten gestellt. Unter Beobachtung steht das gesamte Programmangebot der Volkshochschulen, schwerpunktmäßig der Bereich Ge-sundheitsbildung. Diese Diskussion wird auch im Rahmen der Bundesfachtagung zum Anlass ge-nommen über das Thema Seriosität der Angebote in der Gesundheitsbildung zu diskutieren. Standards zur Programmplanung hat der Bundesarbeitskreis Gesundheit im Deutschen Volkshoch-schulverband entwickelt. Sie sind zusammengefasst in der Planungshilfe "Empfehlungen für die Programmstruktur in der Gesundheitsbildung" und können von den Pädagogischen Mitarbei-ter/innen der Volkshochschulen bei den jeweiligen Landesverbänden bezogen werden. Volkshochschulen müssen sich seit Jahren mit dem Thema Seriosität ihrer Angebote auseinander-setzen. Noch Mitte der 80iger Jahre waren Yoga-Angebote vielen Vertreter/innen der Politik höchst suspekt. Das ist inzwischen vorbei - auch Meditation, Tai Chi und Qigong haben inzwischen dank verschiedenster Wirksamkeitsuntersuchungen den Sprung in die Kategorie seriös geschafft. Den-noch gilt auch hier: Den Kursleitenden ist teilweise nicht bewusst, dass sie im Rahmen der öffent-lich finanzierten Weiterbildung tätig sind, die anderen Rahmenbedingungen unterliegt als der freie Markt. Volkshochschulangebote sind zu weltanschaulicher Neutralität verpflichtet. Dieses Bildungs-verständnis muss insbesondere Kursleitenden mit einer spirituell orientierten Ausbildung verdeut-licht werden. Leider wird das Image der Gesamtheit der Volkshochschulen immer wieder beeinflusst durch ver-einzelte Angebote, an deren Seriosität berechtigte Zweifel bestehen. Dies gilt es soweit möglich zu verhindern. Aus diesem Grunde ist es wichtig, sich mit dem Thema zu befassen und auch die Kurs-leitenden zu sensibilisieren. Seriosität der KL - wie stelle ich sie fest Die Kursleitenden prägen in erheblichem Umfang das Bild, das Teilnehmende von der Volkshoch-schule gewinnen. Die Auswahl neuer Kursleitender und die damit verbundene Gestaltung und Steuerung des Angebotsprofils einer Volkshochschule ist ein zentrales Instrument von Qualitäts-management. Wie aber schätzen Volkshochschulen die Angebote von neuen Kursleitenden ein? In dem Workshop wurden die verschiedenen Vorgehensweisen zur Sichtung der Angebote disku-tiert und besprochen. Bewährt hat es sich, zunächst die eingereichten Unterlagen bezüglich Quali-

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fikation der Kursleitenden und Angebot zu prüfen und im Internet zu recherchieren, ob sich noch weitere Hintergrundinformationen zum Tätigkeitsfeld der Kursleiter/in finden lassen. Oftmals lässt sich schon hier feststellen, ob ein Kursleitender eine spirituelle Ausrichtung hat oder weltanschau-lich neutral auftritt. Ist das Angebot der/des Kursleitenden für die vhs interessant, so findet in der Regel ein ausführli-ches Erstgespräch statt, dem bei der Auswahl neuer Kurleitender eine ganz entscheidende Funkti-on zukommt. Neben Basisinformationen, wie Qualifikation und Ausbildung, Inhalte des geplanten Angebotes, die eigene Lehrerfahrung und eine Beschreibung, z.B. der ersten Kursstunde, sollten folgenden Aspekte mit Blick auf die Seriosität angesprochen werden.

Weitere Möglichkeiten der Einschätzung bieten Referenzen anderer Volkshochschulen und natür-lich die Hospitation in einer Kursstunde. Kursankündigung – das Programmheft als Visitenkarte der vhs Das Programmheft ist die Visitenkarte der Volkshochschulen. Den Kursankündigungen entnehmen die Teilnehmenden, ob das Angebot ihr Interesse weckt. Politikern und anderen Weiterbildungs-anbietern bietet das Programmheft Einblick, welches Angebot die Volkshochschule im öffentlichen Auftrag durchführt. Hier beginnt der Spagat zwischen Markt und öffentlichem Auftrag. Die Teilnehmenden des Work-shops waren sich einig, dass dieser Spagat zu leisten ist. In Kleingruppen werteten sie verschie-dene Angebote der Gesundheitsbildung aus und erarbeiteten grundsätzliche Merkmale für die Kursankündigung.

Seriosität der Kursleitenden

! Worin bestehen die persönlichen Ziele des Kursangebotes?

! Können die Vorgehensweisen und Methoden transparent darge-legt werden?

! Werden Methoden, Inhalte und Zugangsweisen reflektiert?

! Wie ist das weltanschauliche Verständnis?

! Werden Heilserwartungen geweckt?

! Besteht Distanz zu dem inhaltlichen Angebot oder ist die Lehr-meinung eher rigide?

! Welche Motive bestehen zu unterrichten?

! Wird zwischen Gesundheitsbildung und Therapie differenziert?

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Drei zentrale Punkte gehören in jede Ankündigung:

Die Texte sollen weltanschaulich neutral, frei von Eigenwerbung und ohne Heilsversprechen sein. Sie sollten ressourcenorientiert geschrieben sein. Der erhobene Zeigefinger ist fehl am Platz. Und last but not least motiviert der Text zur Kursteilnahme. Dass dies nicht unmöglich ist beweisen hunderte von Volkshochschulen jährlich mit ihren attraktiven Programmen.

! Was wir gemacht - Inhalte

! Wie wird es gemacht - Methoden

! Wozu wird es gemacht - Ziele

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3.6 Neue Besen kehren gut! Generationenwechsel in der Gesund-heitsbildung Andrea Schlüter, Volkshochschulverband Baden-Württemberg e.V. Die Volkshochschulen befinden sich mitten im Generationenwechsel. Für neue HPM im Bereich Gesundheit stellen sich anfangs oft viele Fragen wie: Was wird unter Gesundheitsbildung verstan-den? Was ist beim Thema Krankenkassen oder Markenschutz zu beachten? Auf der anderen Seite bringen die „Neuen“ gerade in Bezug auf Social Media und Online-Lernen oft sowohl Kompetenzen als auch Bedürfnisse mit, die nicht unbedingt mit der vorhandenen Arbeitsrealität an der vhs kor-respondieren. Im Workshop werden aktuelle und wiederkehrende Themen im Programmbereich vorgestellt. Gleichzeitig wollen wir diskutieren wie durch den Generationenwechsel Veränderungen aufgenommen werden und die Ressourcen der „Neuen“ und der „Erfahrenen“ sinnvoll zusammen-kommen können. Der Workshop setzt sich aus einer größeren Gruppe der „Erfahrenen“ zusammen, die Fragen zum Thema Wissenstransfer, Unterschiede und Erwartungen der Neuen mitbringen. Einige der Teil-nehmerinnen und Teilnehmer sind seit über 20 Jahren, zum Teil über 30 Jahre bei der Volkshoch-schule. Die Erfahrenen sowie die Neuen kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen, bevor sie nun an der Volkshochschule den Gesundheitsbereich betreuen. Im Anschluss an die Kleingrup-penarbeit und Diskussion wird die neue Programmstruktur vorgestellt. Die Programmstruktur dient als Hilfe bei der Programmplanung. Themen und Fragen der TeilnehmerInnen - Wie ist das Gefühl in eine feste Institution zu kommen? Schwierigkeiten - Unterschiede: Was machen die Neuen anders? - Wissenstransfer sinnvoll? - Unterschiedliches Wissen kombinieren - Was kann ich Neues anbieten? - Erwartungen/ Neuer Geist? - Programmstruktur - Bestand der Stelle/Thema/Stellenwert • Kleingruppenarbeit – Ergebnisse der „Neuen“ Das finden wir gut an der vhs-Gesundheitsbildung... - sozialer Faktor/Gemeinschaft - „Tut den Leuten gut!“/ Praxisbezogen - wenn eigene Räumlichkeiten -> eigene Gestaltung - Kontinuität ist möglich - „Stammkundschaft“ - Vielseitigkeit der vhs - interessante Aufgaben - große Resonanz/hohe Nachfrage - Bezug zum Studium Das bringen wir „Neuen“ für die vhs-Arbeit mit... - neue Kontakte - spezialisierte Ausbildung - neuer Schwung und neuer Blick - mehr den Blick auf die digitalen Medien (z.B. Kommunikation und Kontakt mit den Kursleitungen über Facebook, KursleiterInnen-Suche über Xing etc.)

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Hierzu brauchen wir noch Informationen und/oder Unterstützungsbedarf... - Übersichten - Leitlinien - informelle Vermittlung zu regionalen Besonderheiten • Kleingruppenarbeit – Ergebnisse der „Erfahrenen“ Das sind wichtige Fähigkeiten in unserer Arbeit an der vhs... - Kommunikationsfähigkeit - gute Vernetzung - aktuelle Informationen verarbeiten - Lobbyarbeit - Fachkompetenz - Pädagogische Kompetenz - Empathie - Kommunikationsfähigkeit - Fortbildungsbereitschaft - Durchsetzungsvermögen - „Standpunkt“ zur Gesundheitsbildung - Zielstrebigkeit - Verantwortungsbewusstsein - Flexibilität - Organisationstalent Das sind wichtige Themen in unserer täglichen Arbeit – dazu empfehlen wir! - Gesundheitsbildung einen höheren Stellenwert erschaffen - Bildungsurlaube nutzen - Vernetzung vor Ort ausbauen - Kooperationen anstreben - „seriöse“ Angebote fördern - Niveau erhalten bzw. erhöhen (z.B. in Bezug auf Räumlichkeiten) - Konkurrenzen beachten

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Bericht vom Workshop Birgit Krumme, Volkshochschulverband Mecklenburg-Vorpommern Der Generationenwechsel, der sich innerhalb der nächsten 15 Jahre bundesweit an den Volks-hochschulen vollziehen wird, wirft viele Fragen auf. Das Thema Wissensmanagement stand für die Teilnehmenden in diesem Workshop mehr im Vordergrund, als inhaltliche Fragen zum Thema Krankenkassen oder Markenschutz. Aufgefallen ist, dass sich die Gruppe der Neuen vielfältig zu-sammensetzt. Zum einen gibt es neue spezialisierte Studiengänge, die für die Gesundheitsbildung relevant sind zum anderen sind HPM in kleineren Volkshochschulen oft in mehreren Programmbe-reichen eingesetzt und bringen fachfremde Ansichten und Fragestellungen ein. Betrachtet man die Teilnehmenden aus unserem Workshop so fand sich ein Erfahrungsschatz aus 40 Jahren Volkshochschularbeit wieder. In diesen 40 Jahren befinden sich HPMs frisch vom Studi-um, HPMs, die vorher Erfahrungen in anderen Organisationen sammeln konnten und neue Netz-werke in die VHS mitbringen und die Erfahrenen HPMs, die ihr Wissen – wenn gewollt - sehr gerne an die Nachfolgenden weiter geben möchten. Ein Konsens entstand darüber, dass die Neuen das Wissen gerne nutzen und sich in vorhandene Strukturen aufgeschlossen einbringen möchten. Akzentuierungen wird es allein durch die verschie-denen beruflichen Voraussetzungen geben, aber vorhandene Übersichten und Leitlinien sind sehr erwünscht! Betrachtet man die herausgearbeiteten Fähigkeiten der „Erfahrenen“ so wäre es wich-tig, wenn diese umfassenden Erkenntnisse, die erarbeitete Lobby, das Vertrauen mit dem neuen Blick verknüpft werden könnte, um den groß-möglichsten Nutzen für die Gesundheitsbildung zu generieren.

Vorhandene Fußstapfen ausfüllen

Erwartungen erfüllen

Hoffnung, dass die geleistete Arbeit,

wertgeschätzt und weitergeführt wird.

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4.1 Online-Community und Social Media für die Gesundheit Katja Töpfer, Journalistin, Mitarbeit beim Wort & Bild Verlag Simone Herzner, Stellvertretende Chefredakteurin Wort & Bild Verlag/Apotheken Umschau Social Media – Ein Trend setzt sich durch! Diese Aussage stand am Anfang des Workshops von Katja Töpfer (freiberufliche Journalistin) und Simone Herzner (stellvertretende Chefredakteurin von www.apotheken-umschau.de). 55 Prozent der Deutschen sind inzwischen in sozialen Netzwerken aktiv, das gilt auch für einen Großteil der Unternehmen, wie die Referentinnen anhand von ausge-wählten Studien zeigen konnten. Die Hauptmotive der Unternehmen für die Aktivität in sozialen Netzwerken seien die Steigerung der Bekanntheit des Unternehmens und die Gewinnung neuer Kunden. Im Gesundheitswesen gelten besondere Anforderungen an die Aktivitäten im Bereich Social Media. Dies erläuterten die Referentinnen anhand mehrerer Studien. Insbesondere Anforde-rungen an den Datenschutz seien den Nutzern hier besonders wichtig. Im weiteren Verlauf des Workshops stellten Simone Herzner und Katja Töpfer die „Ich beweg’ mich!“-Community (IBM) des Wort und Bild Verlages vor. Die Community hat bis dato etwa 10000 angemeldete Nutzer. Das Kernstück der Community bilden die ca. 300 Gruppen aus dem Bewe-gungsbereich, die nach unterschiedlichen Schwerpunkten gruppiert sind (z.B. Joggen, Karate, Win-tersport). Die Referentinnen gaben einen kurzen Überblick über die Nutzer der Community. Diese können sich ohne die Angabe von personenbezogenen Daten wie Alter und Geschlecht in der Community anmelden. Für die Teilnahme an einem Fitnesstest ist die Angabe bestimmter perso-nenbezogener Daten zwar notwendig, diese wertet der Verlag jedoch nicht aus. Im Anschluss daran erläuterten die Referentinnen die spezifischen Herausforderungen beim Auf-bau der IBM-Community. Die größte Hürde besteht nach wie vor darin, eine kritische Nutzer-Masse zu erreichen, Power-Nutzer frühzeitig zu identifizieren und sie gezielt in die Kommunikation einzu-binden. In diesem Zusammenhang führt der Wort und Bild Verlag bestimmte Marketingaktivitäten durch, z.B. Artikel und Verlinkungen auf www.apotheken-umschau.de. Verweise auf die Community im wöchentlichen Newsletter und Artikel oder Werbeanzeigen in der Apotheken Umschau und an-deren Verlagspublikationen. Für die IBM-Community des Wort und Bild Verlages ist ein Community-Manager zuständig. Dessen Aufgaben stellten die Referentinnen ebenfalls kurz vor. Der Community Manager in der IBM-Community moderiert nicht nur die Beiträge der Nutzer, er betreut u.a. auch die Experten im Rah-men der User-Sprechstunden und ist Ansprechpartner bei technischen Problemen. Weitere Infor-mationen über die IBM-Community: www.apotheken-umschau.de/ich-beweg-mich

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4.2 „E-co@ching“ – Rückentraining internetgestützt, individuell und interaktiv: Blended Learning in der Gesundheitsbildung Prof. Dr. Klaus Pfeifer, Universität Erlangen-Nürnberg und Gottfried Hois, medi train, Zentrum für Gesundheitssport, Sport- und Physiotherapie "

Beim e-Co@ching handelt es sich um ein online-gestütztes und wissenschaftlich evaluiertes Pro-gramm zur Bewegungs- und Gesundheitsförderung. Es besteht aus einer Kombination aus indivi-duellem online-gestütztem Heimtraining sowie – über die Zeit weniger werdenden – „Face-to-Face“-Kontakten in der Gruppe. Hauptzielsetzung des Programms ist die Hinführung zu mehr ei-genständiger gesundheitsförderlicher körperlicher Aktivität. Dazu werden Übungs- und Trainings-formen sowie Hinweise für körperlich-sportliche Aktivität zielgerichtet mit Inhalten der Gesund-heitsbildung verknüpft, um individuell die bewegungsbezogene Gesundheitskompetenz zu verbes-sern (Abb.1). "

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Dabei werden wirksame motivational-volitionale Interventionsbausteine zur Förderung von körper-licher Aktivität im Alltag wie Interaktivität, Selbstbeobachtung, Handlungsplanung, Belohnungssys-teme, Barrierenmanagement etc. verwendet. Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben somit die Möglichkeit, vielfältige Übungs- und Trainingsformen zu erlernen sowie Möglichkeiten kennen zu lernen, wie sie diese in ihrem Alltag zielgerichtet einsetzen können. Die zugrunde liegende Soft-wareplattform ermöglicht es dem Kursleiter,teilweise automatisiert, für jede Teilnehmerin und jeden Teilnehmer einen persönlichen Heimtrainingsplan zu erstellen und diesen entsprechend der Rückmeldungen,für jede Trainingseinheit neu anzupassen (Abb. 2). In den Gruppentreffen werden die Übungsausführungen überprüft, so dass sie im Verlauf des Pro-gramms eigenständig umgesetzt werden können. "

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InteraktivesOnline - Heimtraining

Präsenzterminein Kursform

Individueller Trainingsplan

Bewegungstagebuch

Übungskontrolle

Wissensvermittlung

… der Kursleiter als persönlicher Trainier / Rückenberaterund als Coach für einen gesundheitsorientierten Lebensstil

Rückenfit e-Co@ching

Abb.1: Übersicht Rückenfit e-Co@ching

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Das Programm ist in enger Kooperation zwischen der Fa. meditrain in Erlangen und dem Institut für Sportwissenschaft und Sport der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg entstan-den und basiert auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Insbesondere im Hinblick auf den Umgang mit Rückenschmerzen wird hier auf entsprechende Expertise zurückgegriffen (Pfeifer 2007, Hofmann et al. 2010), die eine nach aktuellen Erkenntnissen gestaltete Förderung der Rü-ckengesundheit erlaubt. Im Vordergrund stehen hier – entsprechend der europäischen Leitlinien zur Prävention von Rückenschmerzen (Burton et al. 2004) – die Hinführung zu körperlich-sportlicher Aktivität sowie die Vermittlung von Wissen zum Umgang mit Rückenschmerzen.

Das Programm wurde in der jüngeren Vergangenheit einerseits in Bezug auf seine Anwendbarkeit als Gesundheitssportprogramm und andererseits bezüglich seiner Wirksamkeit in der Prävention von Rückenschmerzen wissenschaftlich evaluiert (Peters et al. 2013). Bislang wurde das e-Co@ching von mehr als 2000 Teilnehmern verwendet, dabei war die Teilnehmerzufriedenheit hoch und die drop-out-Raten niedrig. Von dem Programm fühlten sich Männer und Frauen gleich-ermaßen angesprochen, gut 50% der Teilnehmer sind männlich.

Generell ist das e-Co@ching adaptierbar für die Versorgung in Gesundheitsförderung und Präven-tion, Kuration oder Rehabilitation bzw. Nachsorge bei allen relevanten Erkrankungen bzw. Ge-sundheitsrisiken (z.B. Rückenschmerzen, Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes Mellitus, Über-gewicht/Adipositas, COPD, Rheumatoide Arthritis, Krebserkrankungen etc.). Es ist in verschiede-nen Handlungsfeldern wie z.B. in Präventionskursen (alle Anforderungen des GKV-Leitfadens zur Prävention werden erfüllt), im betrieblichen Gesundheitsmanagement, in Patientenschulungspro-grammen oder in der Nachsorge nutzbar. Die nach modernsten Standards konzipierte Software-plattform erlaubt dabei eine flexible Anpassung an die Anforderungen bzw. das jeweilige Corporate Design der Anbieter.

Die Programmstruktur mit den Möglichkeiten der internetbasierten Kommunikation zwischen Kurs-teilnehmer/-innen und Kursleiter/in und der geringere Bedarf für Gruppentreffen ermöglicht eine flexible, weitgehend ortsungebundene und ökonomische Nutzung des Programms. Mit vergleichs-weise geringem personellem Aufwand kann eine große Zahl Menschen individualisiert betreut werden.

Abb.2: Individueller Trainingsplan

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Aktuell wird ein 3-monatiger Rückenfit e-Co@ching Kurs mit 3 Präsenzterminen bei der VHS Er-langen angeboten.

Literatur

Burton, A. K., Balague, F., Cardon, G., Eriksen, H. R., Hanninen, O. & Harvey, E., et al. (2005). How to prevent low back pain. Best Practice and Research in Clinical Rheumatology, 19(4), 541–555.

Hofmann, J., Böhle, E., Bork, H., Brüggemann, S., Greitemann, B., Hildebrandt, J., Kladny, B., Pfeifer, K. (2010). Best-Practice-Empfehlungen zu Zielsetzungen, Inhalten und Methoden der Rehabilitation von Patienten mit chronifizierenden oder chronischen Rückenschmer-zen. Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 20: 32-39.

Peters, S., Hentschke, C., Pfeifer, K. (2013). Internetbasiertes „e-Training“ als Bewegungsinterven-tion zur Gesundheitsförderung: Ergebnisse aus zwei Interventionsstudien. Rehabilitation

52:173-181.

Pfeifer, K. (2007). Rückengesundheit – Neue aktive Wege. Köln: Deutscher Ärzte Verlag

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4.3 Ausbildungsplatz Volkshochschule! Bachelor of Arts Gesund-heitsmanagement als duales Studium Tina Baquet, Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement Bildung ist eine wesentliche Grundlage von Wohlstand und sozialer Sicherheit. Die Volkshoch-schulen in Deutschland leisten dazu einen wichtigen Beitrag, gerade wenn es um das Thema „le-benslanges Lernen“ geht. Denn sie bieten flächendeckend ein breites Spektrum an Weiterbildung und stellen so sicher, dass jeder ein passendes Bildungsangebot vor Ort finden kann.

Das Thema Bildung betrifft öffentliche Einrichtungen wie Volkshochschulen aber auch noch aus einem ganz anderen Grund: Durch den zunehmenden Fach- und Führungskräftemangel wird es auch für sie immer schwieriger, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und langfristig zu binden. Un-ternehmen der freien Wirtschaft greifen hier zunehmend zu speziellen Maßnahmen wie Prämien und Bonusleistungen, um die passenden Mitarbeiter zu finden, was den Druck auf öffentliche Ein-richtungen weiter erhöht. Mithilfe von dualen Studiengängen, die eine betriebliche Ausbildung in der jeweiligen Geschäftsstelle mit einem staatlich anerkannten Studienabschluss verbinden, kön-nen Volkshochschulen hier gezielt gegensteuern. Ein gutes Beispiel dafür sind die dualen Ba-chelor-Studiengänge der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement DHfPG, die sich durch ihre Praxisnähe und das flexible Studienkonzept besonders gut für die Qua-lifikation eigener Fach- und Führungskräfte eignen. Beispielsweise sind die Studieninhalte des Studienganges „Bachelor of Arts“ Gesundheitsmanagement passgenau auf die Tätigkeiten im Rahmen von gesundheitsfördernden Maßnahmen zugeschnitten. Erfolgreiche Studienabsolventen sind dadurch in der Lage, neue und attraktive Gesundheitsförderungsangebote für die VHS zu entwickeln.

Das Studienangebot der Deutschen Hochschule

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So funktioniert das duale Bachelor-Studiensystem

Das duale Bachelor-Studium verbindet eine betriebliche Ausbildung mit einem Fernstudium und kompakten Präsenzphasen. Das Bachelor-Studium dauert sie-ben Semester (3,5 Jahre). Der Studienbeginn ist ganzjährig möglich. Die Studi-enklassen werden nachfrageorientiert eingerichtet.

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Die Vorteile im Überblick

• Studierende sind vollwertige Mitarbeiter mit stetig wachsenden

Kompetenzen

• Wohnortnaher Studienstandort (elf Studienzentren in D, A, CH;

siehe Grafik)

• Verzahnung Studieninhalte und betriebliche Ausbildung

• Durch breitgefächertes Wissen bei der VHS vielseitig einsetz-

bar

• Studieninhalte und Kompetenzen passgenau zu den erforderlichen Tätigkeiten im Rahmen von

gesundheitsfördernden Maßnahmen

• Schaffung von weiteren attraktiven Gesundheitsförderungsangeboten bei der VHS

Für wen eignet sich ein Studium an der Deutschen Hochschule?

Mit einem dualen Bachelor-Studium an der DHfPG können öffentliche Einrichtungen sowohl be-währte Mitarbeiter weiterbilden als auch vielversprechende Neuzugänge gewinnen. Für die Suche nach geeigneten Studierenden stellt die Deutsche Hochschule in Zusammenarbeit mit ihrem Bil-dungspartner, der BSA-Akademie, eine kostenfreie Jobbörse zur Verfügung. Unter www.aufstiegsjobs.de können angehende Ausbildungsbetriebe offene Stellen ausschreiben und in einem Pool von Studieninteressenten recherchieren. Dabei ist es auch möglich, sich rele-vante, neue Interessentenprofile per E-Mail zuschicken zu lassen. !

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Zulassungsvoraussetzungen zum Studium an der DHfPG

• Hochschulzugangsberechtigung: Allgemeine Hochschulreife bzw. der schulische Teil der Fachhochschulreife, Abschluss als Meister oder eine gleichwertig anerkannte Vorbildung

Alternativ können beruflich besonders qualifizierte Personen auch ohne Abitur/Fachhochschul-reife zum Studium zugelassen werden. Notwendig ist eine Abschlussprüfung in einem einschlä-gig anerkannten Ausbildungsberuf mit einer mindestens zweijährigen Berufsausbildung und ei-

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ne mindestens dreijährige Tätigkeit in diesem oder einem verwandten Beruf.

• Ausbildungsvertrag mit einem Unternehmen/einer öffentlichen Einrichtung (für das Bachelor-Studium zwingend notwendig)

Eine Investition, die sich rechnet

Bereits 3.000 Unternehmen und öffentliche Einrichtungen nutzen das Studium an der Deutschen Hochschule zur Qualifikation ihres eigenen Fach- und Führungskräftenachwuchses. Nicht ohne Grund, denn durch die breit gefächerten Kompetenzen in Management, Gesund-heit/Bewegung, Ernährung sowie Entspannung/Stressmanagement sind die Studierenden in un-terschiedlichen Bereichen einsetzbar.

Studiengebühren: In der Regel übernehmen die Ausbildungsinstitutionen die als Betriebsausgaben steuerlich ab-setzbaren Studiengebühren von 330,- Euro/Monat.

Ausbildungsvergütung: Die Studierenden erhalten von ihrem Ausbildungsbetrieb eine frei zu vereinbarende, ansteigende Vergütung. In der Regel liegt diese bei einer empfohlenen Wochenarbeitszeit von 32 bis 35 Stun-den (mehr als 20 Stunden/Woche) zwischen ca. 400 und 700,- Euro pro Monat zzgl. der Lohnne-benkosten. Die Vergütung sollte sich an den Bezügen von Auszubildenden, an der Wochenar-beitszeit, an der Vorqualifikation der Studierenden sowie an individuellen und regionalen Beson-derheiten orientieren.

Gesamtinvestition pro Monat: Bei einer 32-35 Stundenwoche kann mit einer monatlichen Gesamtinvestition von ca. 730-1.030 € (zzgl. Lohnnebenkosten) gerechnet werden.

Studienberatung und -anmeldung

Der Start eines Bachelor-Studiums an der Deutschen Hochschule ist ganzjährig möglich. Die Stu-dienklassen werden nachfrageorientiert eingerichtet. Interessierte Betriebe sollten sich möglichst frühzeitig vor der Aufnahme von Vertragsverhandlungen mit potenziellen Studierenden mit dem Studiensekretariat der Hochschule unter Tel. +49 681 6855-150 sowie [email protected] in Verbin-dung setzen.

Das sagen Studierende zu „ihrem“ Studium Im Rahmen des Vortrages berichtete auch die Studierende Friederike So-cher, die ihre betriebliche Ausbildung beim Volkshochschulverband Baden-Württemberg e.V. absolviert, über ihre persönlichen Studienerfahrungen. Die angehende „Bachelor of Arts“ Gesundheitsmanagement ist dort als Assisten-tin im Bereich Gesundheit tätig.

„…Der Studierende ist ein vollwertiges Teammitglied, das durch den Wis-senstransfer aus dem Studium viele neue Ideen einbringen kann...“

„…Mit diesem Studiengang erwerbe ich die Qualifikation zur Präventionsexpertin. Ich lerne, wie ich Konzepte für ein gesundheitsförderndes Verhalten entwickeln kann und zwar in den entscheiden-den Bereichen Bewegung, Ernährung, Entspannung und Stressmanagement. Darüber hinaus er-werbe ich das Wissen, wie man diese Konzepte auch in die Praxis umsetzt.“.

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„… im Rahmen meiner Ausbildung habe ich die Möglichkeit, neben meinem staatlich anerkannten Studienabschluss an vielen interessanten Tagungen und Sitzungen teilzunehmen. Auch diverse unserer eigenen VHS-Kurse durfte ich kostenfrei absolvieren. Aktuell mache ich gerade die Schu-lung zur „Prozessbegleiterin im Bereich BGM“…“

INFOKASTEN:

Über die Deutsche Hochschule

Die Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanage-ment ist eine staatlich anerkannte Hochschule in privater Trägerschaft. Damit verbindet sie die Kundenorientierung und die Flexibilität einer

privaten Institution mit der Aufsicht durch eine staatliche Kontrollinstanz. Alle Studiengänge der Deutschen Hochschule sind akkreditiert und durch die Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) in Köln staatlich geprüft und zugelassen.

Die Hochschule wurde 2001 gegründet und verfügt über elf Studienzentren in Deutschland sowie zwei internationale Studienzentren (CH, A). Aktuell arbeiten an der Hochschule über 250 Mitarbei-ter und Dozenten. Im Februar 2014 waren an der DHfPG bereits über 4.400 Studierend einge-schrieben. Weitere Informationen unter www.dhfpg.de.

Tina Baquet Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement Zentrale Saarbrücken Hermann Neuberger Sportschule Gebäude 3 66123 Saarbrücken Tel.: +49 681 68 55-220 Tel.: +49 681 68 55-415 [email protected] "

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4.4 Was hat das Rundfunkkolleg mit Gesundheit zu tun? Vom Ra-diohören zum blended learning Dr. Regina Oehler, Redakteurin hr2 Kultur und Bildung Steffen Wachter, Fachreferent hvv Funkkolleg „Gesundheit neu denken“

Mit dem Funkkolleg werden im Medienverbund des Hessischen Rundfunks, des hessischen Volks-hochschulverbandes und des Kultusministeriums hochwertige Bildungsinhalte zu jährlich wech-selnden, gesellschaftlich bedeutsamen Themen produziert und gemeinsam realisiert. Die Themen werden unter Einbeziehung von Fachwissenschaftlern und unter Berücksichtigung der Perspektive von verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen über den Rundfunk ausgestrahlt, als Podcasts im Internet bereitgestellt und von den Volkshochschulen in Form von Begleitveranstaltungen und Vorträgen durchgeführt, mit der Möglichkeit am Ende eine Prüfung abzulegen. Das Funkkolleg bietet eine kostenlose öffentliche Zugangsmöglichkeit für alle Bürgerinnen und Bürger, sich ungeachtet ihrer Schulbildung mit aktuellen und dauerhaft relevanten Themen von gesellschaftlicher und individueller Bedeutung auseinanderzusetzen und den Grad der Auseinan-dersetzung selbst zu bestimmen, indem sie sich weiterführende Materialien über die Funkkolleg-homepage erschließen, sich in social media Foren beteiligen oder dezentral an ihrer Volkshoch-schule vor Ort Begleitveranstaltungen dazu besuchen. Es bietet damit im Rahmen der öffentlich und politisch immer wieder proklamierten wachsenden Bedeutung der allgemeinen Bildung im Kontext des Lebenslangen Lernens die Möglichkeit an wis-senschaftlich fundierter, überparteilicher und überkonfessioneller und nicht kommerziell interessen-geleiteter Bildung für alle Interessierten. Das aktuelle Funkkolleg mit dem Titel „ Gesundheit neu denken“ versucht den Megatrend Gesund-heit in allen Facetten zu beleuchten. Die Themenreihe spannt damit einen Bogen von der Biologie zur Politik, von den erstaunlichen Selbstheilungskräften des menschlichen Körpers zu den Mecha-nismen des Pharma-Marktes und von der Ethik zur Ökonomie. In 26 halbstündigen Radiosendungen geht es um Voraussetzungen für psychische Gesundheit, um neues Körperbewusstsein und neue Süchte, um den Umgang mit Belastungen, mit Stress und Schmerz. Um den Sinn und Unsinn von Präventionsmaßnahmen und Screening-Programmen. Um einfache Regeln – „Bewege dich und iss gesund“ – und um die vielen Gründe, warum wir sie nicht umsetzen. Um Gesundheitsökonomie und die schwierige Frage, für was wir Geld ausgeben und für was nicht. Es geht um das Gesundheitsrisiko Armut und um den Gesundheitsfaktor Bildung – bei uns und auf anderen Kontinenten. Gesundheit ist kein Selbstzweck; aber sie schafft gute Voraus-setzungen für ein erfülltes Leben, für Liebes- und Arbeitsfähigkeit. Und für gesellschaftspolitisches Engagement: Gesundheit neu denken heißt auch, über die eigenen Grenzen hinaus zu denken.

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Begleitend dazu werden Materialien und Hintergrundinformationen auf der homepage www.funkkolleg-gesundheit.de zur Verfügung gestellt. Es finden darüber hinaus Vorträge, Begleit-zirkel, Podiumsdiskussionen etc. vor Ort bei den 32 Volkshochschulen in Hessen statt. Dort kann am Ende auch eine Zertifikatsprüfung abgelegt werden, die bei einigen Fachverbänden wie der Ärzte- oder Psychotherapeutenkammer als Fortbildungsveranstaltung anerkannt ist. In hessischen Schulen kann dieses Zertifikat auch als besondere Lernleistung im Abitur anerkannt ausgewiesen werden. Dazu finden für Lehrende regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen statt und der Bereich funkkolleg@schule bietet weiterführende Einsatzmöglichkeiten für die Unterrichtsgestaltung.

Dipl.-Päd. Steffen Wachter Referatsleitung Gesellschaft, Politik, Kultur und Erweiterte Lernwelten (Blended Learning), Fachkoordination Funkkolleg Hessischer Volkshochschulverband e.V. Winterbachstr. 38 60320 Frankfurt Tel: 0049 69 56 000 811 Mobil: 0151-29153086 Fax: 0049 69 56 000 810 [email protected] www.vhs-in-hessen.de

Dieses Buch möchte Lust darauf machen, neu über Gesundheit nachzudenken, und gleichzeitig Anregungen für den eigenen Alltag und für das Leben mit Krankheiten geben. Es versammelt klas-sische und aktuelle Texte von Medizinern, Psychologen, Hirnforschern, Evolutionsbiologen, Bio-ethikern, Philosophen. Historikern, Soziologen, Theologen und einem Dichter: Robert Gernhardt, der auch das Thema Krankheit und Gesundheit immer wieder auf seine unnachahmliche Weise auf den Punkt gebracht hat. Regina Oehler (Hrsg.): Gesundheit neu denken. Ein Lesebuch mit Anregungen und Anleitungen. 320 Seiten, broschiert, EUR 16,95 Beltz 2013, ISBN 978-3-407-85982-2

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4.5 Gemeinsame digitale Zukunft – Datenbank, Webportal und vhsApp Stefan Will, Studienleiter Pädagogik, vhs Landkreis Fulda, Koordinator OpenVHS

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4.6 World-Café: Moderne Zeiten – Ressourcen stärken in der digi-talen Gesellschaft Susanne Nolte, Bremer VHS Das World Café ermöglichte allen TeilnehmerInnen der Bundesfachtagung anhand von drei Leitfra-gen miteinander intensiv über die zentralen Themen der Tagung in die Diskussion zu kommen und wichtige Aspekte und Bedarfe für die Weiterentwicklung des Gesundheitsprogramms in den Volks-hochschulen zu formulieren. Die drei Leitfragen orientierten sich an den Kernthemen bzw. -thesen, die zuvor in den Vorträgen und Workshops angesprochen wurden:

• In wieweit verändert die digitale Gesellschaft unser Leben – und welche Auswirkungen hat dies auf die Programmplanung im Fachbereich Gesundheit?

• Wo werden an den Volkshochschulen digitale Medien für Lernprozesse im Gesund-heitsbereich genutzt und wo sehen wir Möglichkeiten der Weiterentwicklung?

• Welche Lernbedarfe entstehen in der digitalen Gesellschaft für die Gesundheitsbil-dung und was brauchen wir, um diese umzusetzen?

An 10 Tischen mit jeweils 10 bis 15 Personen diskutierten die Praktiker und Praktikerinnen aus den Volkshochschulen die drei Leitfragen, wobei für die Bearbeitung einer Frage 15 Minuten zur Verfügung standen und nach jeder Frage ein Wechsel an den Tischen erfolgte, so-dass die Zusammensetzung der TeilnehmerInnen an den Tischen sich immer wieder änderte. Gastgeberinnen und Gastgeber an den Tischen moderierten die Diskussionen und fassten für die Gruppen die Ergebnisse der einzelnen Diskussionsrunden zusammen und hielten die wesentli-chen Aspekte schriftlich fest. Nach insgesamt 45 Minuten präsentierten alle Gastgeberinnen und Gastgeber kurz ihre Zusam-menfassung der Diskussion an ihrem Tisch, u.a. wie folgt: • „Es geht nicht um entweder oder – entweder analog oder digital. Sondern es geht um eine gute

Verbindung.“ • „Junge Menschen ansprechen, aber daneben tatsächlich auch das qualitativ hochwertige bishe-

rige sozusagen analoge Arbeiten in der VHS nicht zu vergessen.“ • „Und in Bezug vor allem auf die Flexibilität und Individualität. Und das scheint sich sehr stark zu

unterscheiden: die jetzige Besucherschaft und vielleicht die zukünftige. Wie kann man sich rüs-ten und auch parallel beides – das Digitale und Analoge – anbieten.“

• „Dass man die digitalen Medien nutzen sollte für Zusatzmaterialien und -informationen, die man zu dem Vor-Ort-Kurs dazugeben kann.“

• „Es geht nicht darum, ältere Kursleitende davon zu überzeugen, dass sie alles neu lernen müs-sen, sondern wir müssen für diese Bereiche neue oder Kursleitende, die eine hohe Affinität zu diesem Thema haben, suchen und unseren Blick öffnen“.

• „Und eben auch wichtig: Schulungen – Schulungen für uns HPMs.„ • „Wir müssen uns auf einen Generationswechsel vorbereiten – von hauptamtlichem Personal,

von unseren Kursleitern und auch von unseren Teilnehmern. Und da wäre auch Unterstützung vom Landesverband und vom DVV sehr schön.“

Dabei wurde deutlich wie sehr die Digitalisierung, die unsere Gesellschaft in den letzten Jahrzehn-ten so massiv verändert hat, auch in den Volkshochschulen sichtbar ist. Dies betrifft die Institution selbst, die Veränderung der Arbeitsabläufe, die Programmentwicklung und auch ganz besonders das Marketing mit seinen neuen Vertriebswegen und neuen Wegen der Kundenkommunikation. In den Programmen selbst finden sich heute zahlreiche Veranstaltungen im Bereich der beruflichen Bildung zur Stärkung der Medienkompetenz, von klassischen Einführungskursen in bestimmte Softwareanwendungen bis zur Nutzung mobiler Endgeräte. Doch längst beschränkt sich das digi-tale Lernen nicht mehr nur auf das Erlernen der Technik selbst. Im Gesundheitsbereich, bei den

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Sprachen, in der kulturellen Bildung finden sich immer mehr online-Angebote wie die vhs-motions oder Online Kochkurse, bei denen es um ganz andere Inhalte geht, die aber eben digital aufberei-tet werden: Gleichzeitig steigt in den Gesundheitsprogrammen der Bedarf nach Stressbewälti-gungskompetenzen, die Menschen suchen gerade im digitalisiertem Alltag nach Ruhepunkten und Entschleunigung. In den Diskussionen wurden Fragen nach einer „VHS-Gesamtstrategie“ laut: Welches soll künftig das Leitmedium darstellen – das klassische Programmheft oder doch der Auftritt im Internet über die Homepage? In wieweit sollen die Volkshochschulen in sozialen Netzwerken vertreten sein? Welche Möglichkeiten zur Integration digitaler Lernprozesse – auch im Gesundheitsprogramm - sehen wir für die Volkshochschulen? Die Planung und Umsetzung neuer Online-Angebote stellt dabei neue Herausforderungen an die Infrastruktur (geeignete Plattformen, Computer bzw. mobile Endgeräte) und an die Qualifikation der Kursleitenden und Fachbereichsleitungen, die von einer Volkshochschule allein nicht bewältigt werden können. Zudem stellt sich die Frage nach der Finanzierung bzw. Kalkulation dieser Ange-bote, der organisatorischen Abwicklung sowie der Qualitätssicherung. Einig waren sich die vielen Kolleginnen und Kollegen darüber, dass eine Stärke des Gesundheits-angebots immer das Lernen im persönlichen Kontakt sein wird. Die digitalen Lernformen werden aber zunehmend das Face to Face Format ergänzen und für viele Lernende eine willkommene Flexibilisierung mit sich bringen. Dies bedeutet auch die Aufhebung regionaler Grenzen. Um dafür angemessene gemeinsame Lernformate und Geschäftsmodelle zu entwickeln, wünschen sich die Kolleginnen und Kollegen die Unterstützung der Landesverbände und des Deutschen Volkshoch-schul-Verbandes.

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KonDueTTina - Kabarett

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5 Liste der Teilnehmenden Vorname Name VHS / Organisation

Ingrid Arlt Bildungszentrum im Bildungscampus Nürnberg

Kirsten Arnold AOK Hessen

Anna Maria Arrighetti vhs Hanau

Tina Baquet Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement GmbH

Ulrike Bartels Hamburger vhs

Christine Bartels vhs Berlin Mitte

Dagmar Becker Bergische vhs

Claudia Beckmann vhs Erkrath

Gabriele Beisenkamp vhs Herne

Lieselotte Berthold vhs Iserlohn

Marco Bielser Bildungszentrum Stadt Nürnberg

Helve Biermann vhs Frankfurt/Main

Sebastian Bittner vhs Fürth

Karla Blome Hamburger vhs

Rainer Böhm vhs des Schwalm-Eder-Kreises

Anette Borkel Hamburger Volkshochschule

Stefanie Bott Schiller-vhs, Landkreis Ludwigsburg

Jutta Brandis vhs Erlangen

Hans Brüller Landesverband der vhsn Schleswig-Holsteins e.V.

Maike Bünning vhs Elmshorn

Anna Conte vhs Haar

Dunja Cordes vhs Schaumburg

Steffen Cyrus Kvhs Potsdam-Mittelmark

Johanna Daiminger vhs Pullach

Roswitha de Souza vhs Haar

Agnes Denschlag vhs Worms

Elvira Dienel vhs Landkreis Verden

Gudrun Döpp vhs Reinickendorf

Simone Dostal vhs des Landkreises Fulda

Katja Dr. Uhrig vhs Freiburg e.V.

Susanne Ebbers vhs Region Kassel

Kerstin Ehrlich vhs Muldental

Tina Etling Kvhs Ammerland

Sylvia Feld vhs Ravensberg

Dr. Christian Fiebig vhs Böblingen-Sindelfingen

Stefanie Freitag vhs Weiden i. d. OPf.

Karen Friedrichsen vhs Lübeck

Gabriele Fröhlich vhs Esslingen

Renate Geisler vhs Heidelberg

Christel Giesecke vhs Bielefeld

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Jutta Golinski vhs Neuwied

Berthold Grebe vhs Meerbusch

Karin Gröger vhs Vogelsbergkreis

Claudia Grove vhs Oldenburg e.V.

Claire Günther Lahn-Dill-Akademie

Gabriele Haar vhs Osterholz-Scharmbeck

Sopio Hagel vhs Wetzlar

Dagmar Hallier vhs Menden Hemer Balve

Gerhard Hartmann Bayerischer Volkshochschulverband e.V.

Karin Hebel-Walther vhs Göppingen

Monika Heiligtag vhs Köln

Susanne Heimes vhs Holzminden

Susanne Heinrichs Stadt Langenhagen - vhs -

Michael Hellbusch vhs Friesland-Wittmund

Bettina Hendler vhs Wetterau

Irina Hennig vhs Main-Taunus-Kreis

Thomas Hermenau vhs Diepholz

Simone Herzner Wort & Bild Verlag Konradshöhe GmbH & Co. KG

Helgard Hesse vhs Region Kassel

Dagmar Hilge-Biegmann vhs Leverkusen

Claudia Hinsen vhs Aalen e.V.

Gudrun Hirschmann vhs Dreiländereck

Dr. Michael Peter Hoecke vhs Aschaffenburg

Gottfried Hois Zentrum für Gesundheitssport, Sport- und Physiothera-pie

Ilse Hollenberg vhs Landkreis Diepholz

Markus Hühn Projekt Purpur Kassel

Ilker Ipek Hamburger vhs

Franziska Ittameier vhs Deggendorf

Andrea Jenn Landkreis Harburg

Ingrid Jensen-Hänsch vhs Sachsenwald

Hans-Roland Jorzick vhs Bremerhaven

Peter Kabitzsch vhs Leipzig

Gudrun Kenning vhs Coesfeld

Ina Kernetzky Kvhs Waldeck-Frankenberg

Edda Klukkert vhs Hildesheim

Claudia Knabe Sächsischer Volkshochschulverband e.V.

Christoph Köck Hessischer Volkshochschulverband e.V.

Carsten Koehnen vhs Hochtaunuskreis

Silke Kolatschek vhs Gifhorn

Karin Köpke vhs Wildeshausen

Angelika Köppler vhs im Landkreis Meißen e.V.

Ines Kortmann vhs Tempelhof-Schöneberg

Jaroslaw Kracht Vereinigte vhsn Vorpommern-Greifswald

Eva Kracke Verband der vhsn Rheinland-Pfalz e.V.

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Birgit Krumme Volkshochschulverband Mecklenburg-Vorpommern e.V.

Holger Kühne Victor-Gollancz-vhs Steglitz-Zehlendorf

Claudia Kutzick vhs Lüneburg

Bernadett Lambertz vhs Göttingen

Gabriele Liedmeyer vhs Münster

Marianne Linnemannstöns Hessischer Volkshochschulverband e.V.

Sonia Lippke Jacobs University Bremen gGmbH

Barbara Lorenz-Allendorff vhs Mettmann

Ellen Lüke vhs Lemgo

Caroline Manz vhs Marburg

Marjanne Meeuwsen vhs Bergisch Land

Diana Meschke vhs Frechen

Elisabetta Mola Bayerischer Volkshochschulverband e.V.

Katja Müller Kvhs Norden gGmbH

Anne Münter vhs-Geschäftsstelle Baesweiler

Nicola Muth-Waluga vhs Wolfenbüttel

Susanne Nolte vhs Bremen

Regina Oehler Hessischer Rundfunk

Manuela Peglow vhs im Bildungsforum

Klaus Pfeifer Friedrich Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Monika Pfirrmann Hessischer Volkshochschulverband e.V.

Christina Prell vhs Region Kassel

Kerstin Pretzsch vhs Zwickau

Ilka Quast vhs Havelland

Achim Rache Hessischer Volkshochschulverband e.V.

Matthias Rahmann vhs Unteres Remstal e.V.

Hildegard Recker vhs Rhein-Sieg

Claudia Rehe vhs Offenbach am Main

Katja Reimann Kvhs Northeim

Anke Reinisch vhs Verl Harsewinkel Schloß-Holte-Stukenbrock

Renate Renate Menning vhs Frankfurt/Main

Simone Richter Handelskrankenkasse

Andreas Richter vhs Siegen

Melissa Ricken vhs Heidelberg

Helga Riemanns vhs Minden

Eberhard Ripke vhs der Stadt Osnabrück GmbH

Birgitta Robel vhs Hannover

Jutta Rodenburg vhs Lilienthal Grasberg Ritterhude Worpswede

Eva-Maria Samsen vhs Papenburg gGmbH

Hilde Sandkuehler vhs Detmold

Marion Schich vhs LK Teltow-Fläming

Ralf Schindler vhs Brandenburg an der Havel

Andrea Schlüter Volkshochschulverband Baden-Württemberg e. V.

Michael Schmidt Praxis für Psychosomatische Medizin und Psychiatrie

Dorothea Schmidt vhs Landkreis Rastatt

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Ulrich Schnabel DIE ZEIT

Thilo Schneider vhs Werra-Meißner

Frank Schragner vhs im Kreis Herford

Brigitte Schubert vhs Unna Fröndenberg Holzwickede

Ute Schulz vhs Siegen-Wittgenstein

Christian Schulze vhs Augsburg

Christiane Segelken Hamburger vhs

Dorothea Sitz Mannheimer Abendakademie und vhs GmbH

Friederike Socher Volkshochschulverband Baden-Württemberg e. V.

Susanne Spitzl Bergische vhs

Ilona Stam vhs Spandau

Petra Starke vhs Reutlingen

Andrea Stephan vhs im Landkreis Cuxhaven e.V.

Catrin Stockhecke-Meister

vhs des Kreises Olpe

Jeannette Stockmann de Caro

Kvhs Uckermark

Elvira Stolz vhs Leipzig

Gertraud Strohm-Katzer vhs Bad Oeynhausen

Terhechte - Vos vhs Ahaus - aktuelles forum

Philipp Theis Vitos Kinder- und Jugendpsychiatrische Klinik Bad Wil-helmshöhe

Jan Theofel Jan Theofel Coaching Barcamps

Heinz Tischler vhs Kreis Kronach

Regina Titelius vhs Pforzheim-Enzkreis

Katja Töpfer Wort & Bild Verlag Konradshöhe GmbH & Co. KG

Claudia Tunsch vhs Lippe-West

Tessa Twele vhs Celle

Ibrahim Uygun vhs Bonn

Marlies Van Gemert vhs Lennetal

Gertrud Vökening Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung

Monika von der Haar vhs Osnabrücker Land gGmbH

Steffen Wachter Hessischer Volkshochschulverband e.V.

Herta Wächter vhs Kreis Kronach

Rotraud Walder vhs Troisdorf und Niederkassel

Cornelia Walter vhs Landkreis Darmstadt-Dieburg

Marlene Wedl vhs Regensburg

Dorina Wiesner vhs Helmstedt

Stefan Will vhs des Landkreises Fulda

Boris Zaffarana Deutscher Volkshochschulverband e.V.

Susanne Zens vhs Kaiserslautern

Gisela Zimmer vhs Witzenhausen

Dörte Zingel Hamburger Volkshochschule

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Vielen Dank Kassel !

! Wir sehen uns wieder in Stuttgart. Die nächste Bundestagung Gesundheit findet am 27./28. Januar 2016 in der VHS Stuttgart statt.