Moment 103: 2013

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Z »Man wird einsam da oben«, sagt Dieter Zetsche. Hinter ihm liegt sein bitterstes Jahr als Daimler- Chef: Letzten Sommer galt er noch als der fabelhafte Dr. Z, im Winter stand er vor dem Aus, jetzt kämpft er sich zurück. Wir haben Zetsche ein Jahr lang begleitet. Ein Lehrstück über Deutschlands Topmanager VON LORENZ WAGNER FOTOS: ANDREAS NESTL Das Lächeln danach. Vor wenigen Monaten trat einem noch ein an- derer Dieter Zetsche entgegen: fahrig, ein- silbig, genervt. Seinen Schnauzbart, sagt Zetsche, habe er, seit er denken kann. 8 Süddeutsche Zeitung Magazin

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Einsame Spitze: Der Redakteur Lorenz Wagner begleitet den Mercedes-Chef Dieter Zetsche monatelang bei der Arbeit - und schreibt eine Reportage, auf die Zetsche auch in höchsten Kreisen angesprochen wird.

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  • ZMan wird einsam da oben, sagt Dieter Zetsche. Hinter ihm liegt sein bitterstes Jahr als Daimler-

    Chef: Letzten Sommer galt er noch als der fabelhafte Dr. Z, im Winter stand er vor dem Aus, jetzt kmpft er sich zurck. Wir haben Zetsche ein Jahr lang begleitet. Ein Lehrstck

    ber Deutschlands Topmanager

    Vo n l o r e n z wag n e r

    f o to s : a n d r e a s n e s t l

    Das Lcheln danach. Vor wenigen Monaten trat einem noch ein an-derer dieter zetsche entgegen: fahrig, ein- silbig, genervt. seinen schnauzbart, sagt zetsche, habe er, seit er denken kann.

    8 Sddeutsche Zeitung Magazin

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    Zwei Sekretrinnen und eine Stabsfrau herrschen ber seinen Kalender. Jeden Januar legen sie ihm eine Tortengrafik vor: wie viel Prozent seiner Zeit hat er mit wem verbracht? Wie lsst sich das opti-mieren? Sie knnen sagen: Ich bin fremdbe-stimmt, sagt Zetsche. Ich komme morgens ins Bro und sage: Wie heie ich, was habe ich zu tun? Und ich lauf los und irgendwann ist Abend, wun-derbar, ich kann ins Bett gehen. Firmenchefs sind Getriebene. Und sie sind Treiber. In ihrer Welt gilt die ewige Gleichung: Bauch + Erfahrung / Bera-tung = schnelle Entscheidung. Nur so knnen sie berleben. Aber wehe, es geht zu schnell. Wehe, sie nehmen ihre Leute nicht mit. Dann wird ihre Gabe das Tempo zur Gefahr.

    Auf der Terrasse in Portoro Ansage von der Sei-te: vier Minuten bis zur Rede zur neuen A-Klasse. Was man hier empfindet, sagt Zetsche, ist wie die Geburt eines Kindes nach vier Jahren Schwan-gerschaft. Er selbst hat sich mit in die Design-Abteilung gestellt. Die A-Klasse galt als Opa-Auto. Nun hat sie Lftungsdsen, die wie Turbinen aus-sehen, und einen Diamantgrill, der das Sonnen-licht bricht. How cool is that?, ruft Zetsche am Ende der Rede. Ja, glaubt er, das wird ein gutes Jahr.

    Ein Unheil, so sagen wir, bricht herein ber uns, als falle es vom Himmel und wir trgen keine Schuld. Und trifft es uns, erscheint das Leben uns hart und ungerecht. Meist aber gibt es Zeichen, gerade in der Wirtschaft, wo ein Unheil Intrige heit oder Putsch. Bitter, wenn ein Chef die Zei-chen nicht ernst nimmt.

    Schon im Herbst 2012 haben Vertraute Zetsche gewarnt: Da machen einige Stimmung gegen dich ein Betriebsrat, ein leitender Angestellter, ein alter Feind. Leute, deren Karriere er im Weg stand. Die sich an seiner Sparwut stoen. Und an seiner Ruppigkeit. Dieter Zetsche, glauben viele, die ihn vom Foto kennen, sei ja mal ein netter Ma-nager. Allein der Schnauzbart! Man muss sehen, wenn er bei PR-Terminen eine Schule oder ein Kinderparlament besucht: Die Kleinen rennen auf ihn zu, greifen seine Hnde, ziehen an seinem Mantel. Und auf Betriebsfesten stellt sich der Die-ter an den Grill oder zapft Bier und trinkt eins mit. Es ist keine Verstellung, sagen Freund und Feind.

    Im Geschft wandelt sich Zetsche. Diese Welt ist auf Wettbewerb ausgerichtet, auf Kampf. Offen stellt er sich 2004 in der entscheidenden Sitzung gegen seinen Vorgnger, der weiter Geld in Mit-subishi stecken wollte Jrgen Schrempps Anfang vom Ende. Und kaum im Amt, fuhr Zetsche zu Angela Merkel, um ihr zu sagen, Daimler werde seine Anteile an Europas Luftfahrtprojekt EADS verringern. Und wenn sie Nein sagt?, habe Merkel gefragt. Machen wir es trotzdem.

    Laut kann Zetsche werden, zu hohen Betriebs-rten oder Managern. E-Mails schreibt er gern grulos: Sollte geklrt werden. DZ. Versagern

    antwortet er erst gar nicht. Er ist eben Ingenieur, dem fehlt da eine Ltstelle, sagt ein Mercedes-Manager. Mit ihm kumpelig einen Wein trinken? Undenkbar. Nicht seine Seilschaften haben Zet-sche auf den Chefposten gebracht. Es waren die Erfolge.

    Als die im September 2012 ausbleiben, gert seine Macht ins Wanken. Wendepunkt ist eine Gewinnwarnung, der Gewinn von Mercedes-Benz fllt schlechter aus als vorhergesagt. Eine Frage kommt auf: Wie kann es sein, dass Mercedes das Jahresziel nicht einhlt BMW und Audi aber schon? Und berhaupt, wieso liegt Mercedes, wo man Autos gebaut hat fr Kaiser und Kanzler, Filmhelden und Fuballstars, fr Wilhelm II., Beckenbauer und Johannes Paul II., eigentlich seit Jahren hinter den beiden Rivalen?

    Vor knapp drei Jahrzehnten leitete ein Mann Daimler, den Zetsche ein Vorbild nennt: Werner Breitschwerdt. Der liebte das Auto, setzte auf Qua-litt, fhrte den Airbag ein, verdoppelt fast den Gewinn. Ein Mrchen. 1987 kam Edzard Reuter, ein Feingeist mit Visionen. Er lie eine Zentrale im feinen Stuttgart-Mhringen bauen, wollte die Luftfahrt erobern. Das Auto? Ach ja Mercedes begann seine Klasse zu verlieren. Ihm folgte 1995 Jrgen Schrempp, ein Mann, der die Welt erobern wollte. Nichts blieb brig von Reuters Plnen. Aus Daimler, Chrysler, Mitsubishi, Hyundai ent-stand die Welt AG. Und zerfiel. Zwanzig Jahre waren vertan.

    Dieter Zetsche verkaufte Reuters Zentrale, ver-kaufte Schrempps Chrysler und kehrte zu Breit-schwerdts Idee zurck: gute Autos bauen. Er gab der Firma die Seele zurck. Aber an die Spitze ge-bracht hat er sie nicht. Der Abstand ist sogar ge-wachsen. BMW verhielt sich klger whrend der Finanzkrise. Und Audi zeigte Daimler, wie man China erobert. Die Kritik ist also durchaus auch berechtigt. Und nagt an Zetsche, auch wenn er das nicht zeigen will, auf dem Autosalon Paris, am 27. September 2012, nur eine Woche nach dieser verflixten Gewinnwarnung.

    Mit aufgerollten rmeln sitzt er in einem der Backstage-Container und wedelt die Kritik ein-fach weg. Die schlechten Zahlen? Msse man ana-lysieren. Die Kritik an seiner geplanten Vertrags-verlngerung? Sieht er relaxed. Es ist zu lesen, niemand traue sich, ihm zu widersprechen. W-ren Sie so nett, antwortet Zetsche, und wrden zwei Minuten mit Annette Winkler sprechen? Ein Mitarbeiter eilt raus, ruft die Smart-Chefin, die drauen vor dem Container ein Coup vorstellt.

    Ich geh kurz raus, sagt Zetsche, als Winkler reinkommt. Es wurde gerade erwhnt, dass es schade ist, dass keiner sich mehr traut, was zu sa-gen. Und ich hab gesagt: Komisch, ich habe gestern eine andere Meinung gehrt. Und jetzt geh ich raus, und du sagst was ich gestern erzhlt habe. Ja, mache ich gern. Die Tr schlgt zu. >>

    Im Privatjet, kurz nach dem Start, unten leuchtet Istanbul. Dieter Zetsche hat den trkischen Wirt-schaftsminister getroffen, es geht heim nach Stuttgart. Er sitzt in der Kabine links, der Sitz gegenber leer, seine Beine brauchen Platz. Rechts, auf der anderen Seite des Gangs, drei Leute: zwei Mitarbeiter und der Leibwchter. Blicke raus, Gebltter in Zeitschriften.

    Auf einmal die Stimme des Chefs: Was ist das? Alle Kpfe drehen sich zu ihm. Zetsche blickt

    Richtung Mitarbeiter, in der Hand eine Zeitschrift. Was?Na, das! Er klopft auf das Magazin: eine Wer-

    bung fr den Bambi. Mercedes ist Partner, verlost ein Auto.

    Ratlose Blicke. Sie sind doch seit Jahren dort Sponsor.

    Wer zahlt das?, fragt Zetsche. Ah, das ist das Problem: Daimler hat Sorgen in

    diesem November 2012, muss sparen. Zetsche hat den Mitarbeitern eine Mail geschrieben: Jeder Euro zhlt, kein Geld fr Unwichtiges. Und eine Werbung, in der gro Bambi und klein Mercedes steht, ist unwichtig.

    Sein Blick, eben noch in der Luft, trifft nun. Zahlen WIR das? Zahlen wir deren Anzeigen?

    Stille.Und was kostet das? Zetsche wartet. Also, ich kenn die Zahlen nicht, hebt ein Mit-

    arbeiter zur Widerrede an. Viele Argumente htte er: dass es Vertrge gibt, lter als der Sparplan. Dass da Stars in Mercedes-Limousinen vorfahren. Er holt Luft

    und lsst es. Er dreht sich weg. Auch der zwei-te Mitarbeiter wendet sich ab. Und der Leibwch-ter schaut eh aus dem Fenster. Ein, zwei Sekunden sitzt Zetsche noch da, starr. Dann dreht auch er sich weg, das Gesicht blass, die Augen rot gedert, der Schnurrbart, der berhmte, hngt nach unten.

    Die Motoren surren, es wird Nacht, die Stewar-dess bringt Salat. Uh, sauer, klagt Zetsche. Dann schweigt er. Der Chef nimmt frei. Er greift sich The Big Book of Killer Su Doku.

    Dieter Zetsche lenkt eines der beiden Unterneh-men in diesem Land, die mehr sind als Unterneh-men. Da ist die Deutsche Bank, die Finanzstimme der Republik. Und da ist Daimler, Symbol deut-scher Werte: Ingenieurskunst, Erfindergeist. Daim-ler hat das Automobil erfunden!

    Doch in diesen Sekunden ber Istanbul hat Zet-sche gar nichts Mchtiges an sich. Er ist einfach nur ein schnurrbrtiges Sorgenbndel, allein auf seiner Flugzeug-Seite. Er durchlebt gerade das bitterste Jahr in seinem Berufsleben. Mittendrin ist er in diesen Novembertagen.

    Im Sommer 2012, als das ganze Elend leise beginnt, ist Dieter Zetsche ein Mann, von dem die Men-schen sagen, er habe es gut gemacht im Leben. Sein Leben, das ist Daimler. In jungen Jahren ist er zur Firma gekommen, als Student, und gleich schrieb er ein Programm, das Wagen besser durch Kurven fhrte in einer Zeit, als Autos kaum Elektronik kannten. Von da an machte er Karriere, wurde Ent-wicklungschef, wurde Vorstand, und als Daimlers Tochter Chrysler einen Retter brauchte, wurde er Retter. Sie erwarteten Adolf Hitler, und es kam Martin Luther, schrieb David Cole, ein Auto-Ex-perte in den USA. Vor sieben Jahren, als Daimler am Boden lag, ist Zetsche zum Vorstandsvorsitzen-den aufgestiegen. Und er fhrte Daimler zu Rekor-den. Kein Vorgnger hat so viele Autos verkauft, keiner einen solchen Gewinn gemacht: neun Mil-liarden Euro vor Steuern. Der fabelhafte Dr. Z.

    Und genau der ist er noch, als er Ende Juni 2012 in Portoro an der slowenischen Adria die nchste Erfolgshoffnung vorstellt: die neue A-Klasse. Am Mittag hat er eine Testfahrt gemacht, und gleich, am Abend, wird er eine Rede halten. Er tritt auf die Hotelterrasse, Lounge-Musik, Marmor, Sessel in der Farbe von Eierschalen. Ich mag das Meer, sagt er und deutet rber zum kleinen Hafen. Ich bin da vorgelaufen. Die Segelboote, das tut gleich was mit einem, das blaue Meer. Am liebsten wr ich reinge-sprungen. Er hatte keine Zeit.

    Dieter Zetsche hat nie Zeit. Wartet man auf ihn, machen Mitarbeiter einen startklar: Ziehen Sie die Jacke an und halten Sie die Tasche bereit. Wenn er hier ist, laufen Sie los. Das Auto wartet. Vor Kurzem, in Berlin, bei einem Forum am Pariser Platz, lie er eine blonde Talkmasterin, die nicht nachkam, einfach stehen. Herr Zetsche, Herr Zet-sche, rief sie hinterher. Er aber eilte die Treppe hinauf, mit wehendem Mantel, kein Blick zurck. Oh wie sie ihre Abstze zerstampfte! Und heute frh, bei der Testfahrt, berfuhr er fast einen Hasen wobei der Hase auch nicht nach links schaute. Dann zog Zetsche mit keckem berholschwung davon. Eine halbe Stunde spter der Anruf: Wo bleiben Sie? Was, wo sind Sie? Dann wird das nichts. Interview geplatzt. Verdammt!

    Eine Geschichte ber Dieter Zetsche ist auch eine ber die Topmanager dieser Welt, diesen klei-nen, elitren Zirkel mit seinen eigenen Regeln. Und eine der Grundregeln heit: Leute wie Zetsche ha-ben keine Zeit, sie kriegen sie gestohlen. Sie wird klassifiziert, so knapp ist sie. Sie haben dreiig Mi-nuten Quality Time, sagt ein Mitarbeiter vor dem Gesprch. Dreiig Minuten Zetsche alleine. So viel kriegt der nicht fr sich selbst an einem Arbeitstag.

    I

    Mein VaterDieter Zetsche

    Ihr Vater, sagt Nora Zetsche, kann nicht lang bse sein. Ihr Vater, sagt sie, spielt manchmal auf dem Handy Karten, wh-rend er mit ihr spricht. Ihr Vater isst viel zu hufig bei Burger King, weil nichts im Khl-schrank ist. Geboren wurde ihr Vater 1953 als Kind eines Bau-ingenieurs. Er wuchs in Frank-furt auf, studierte Elektrotech-nik und promovierte. 1976 ging er zu Daimler, war Assistent, Entwicklungschef, Chrysler-Pr-sident und ab 2006 Vorstands-chef. Verheiratet war er mit Gisela, die vor drei Jahren an Krebs starb. Nora Zetsche, 25, eine Radiologin, ist der Familien -vorstand. Sie hat zwei Brder, Ingenieure wie Papa. Einer arbeitet sogar bei Daimler.

    Sie knnen sagen, ich bin

    fremdbestimmt. Ich komme

    ins Bro und sage: Wie heie

    ich, was habe ich zu tun?

    Der Gegner und derMahner: erich Klemm

    (oben), Betriebsratschef, und Manfred Bischoff, Chefaufseher. zetsche

    habe im winter versumt, seine leute mitzu-

    nehmen, sagt Bischoff.

    fotos: s. B

    raue

    r / Braue

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    tos, Bertra

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    uay /afP

    / getty

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    Ja. Ist ja witzig, sagt Winkler. Weil, ich bin ges-tern spontan auf Dr. Zetsche zugegangen und hab gesagt: Ich habe mich echt ber diesen Vorwurf gergert, weil ich genau das Gegenteil erlebe. Ich schleime jetzt nicht. Es war mir wirklich aus dem Herzen. Sie redet noch zwei Minuten und sieben Sekunden weiter, aus dem Bauch, fast ohne Atem zu schpfen, glaubwrdig.

    Der Satz schwingt nach: Ich schleime jetzt nicht. Es ist die Crux aller Vorstandschefs. Ob Pfrt-ner oder Vorstand, selten treten ihnen die Menschen frei und unverstellt entgegen. Macht Zetsche einen Termin im Testlabor, so scharen sich zehn Leute um ihn: Alle hren zu, fnf schreiben mit, zwei geben Antworten und keiner widerspricht. Zum Glck hat er seine Kinder, sagt Jrgen Hubbert, ein Freund und einst Mercedes-Chef. Er hat mit seinen dreien bisweilen wohl mehr kritische Diskussionen gehabt als mit seinen Mitarbeitern. Ja, Zetsche hat viele Vertraute in der Firma. Und doch ist es fr ihn schwer, Stimmungen richtig einzuschtzen.

    Annette Winkler geht, Zetsche kehrt in den Container zurck. Es heit ja, sagt er, man wird einsam in einem solchen Job. Da ist was dran. Vor vier Jahren, whrend der Finanzkrise, geriet er schon mal in die Kritik. Damals streute ein Rivale, ob denn keiner wisse, dass Zetsche eine krebskran-ke Frau habe. Da knne der doch gar keinen guten Job machen. Eine Intrige.

    Aber dahinter steckt auch eine groe Frage: Fr wen trgt ein Vorstandschef mehr Verantwortung, die Firma oder die Familie? Knnte ein Zetsche sagen: Ich muss mich eine Weile um meine Frau kmmern?

    Man kann kein Sabbatical nehmen, sagt Zet-sche. Und weiter: Meine Frau war eine extrem starke Frau, sehr selbststndig und unglaublich mutig. Insofern hat sie diesen Kampf sehr stark mit sich selbst ausgetragen und nie gesagt: Du musst jetzt zwei Wochen bei mir bleiben. Er spricht sto-ckend. Vor drei Jahren ist seine Frau gestorben.

    Das Schwere, sagt Zetsches Tochter Nora, das Schwere war: Dass er jeden Tag hilflos daneben-stehen musste. In der Firma konnte er immer was bewegen, aber hier

    22. November, Flughafen Echterdingen, Morgen-dunkel. Vor dem Flug nach Istanbul, wo Zetsche den Wirtschaftsminister und die Daimler-Hndler treffen will. Istanbul ist Zetsches Geburtsstadt. Sein Vater war Bauingenieur, viel unterwegs. Zetsche fhlt eine Nhe zu dem Land; und das steht stramm, wenn er zu Besuch kommt. Kurz kommt das Gercht auf, Prsident Erdogan wolle ihn tref-fen. Uh, Herzinfarkt, kommentiert ein Angestell-ter. Keinen Herzinfarkt kriegen Hotel buchen, sagt Zetsche. Es ist ein heikler Termin, die Trken hoffen auf Investitionen, Auftrge, er wird ihnen einiges versagen mssen. Auch eine Dauerbeschf-tigung fr Firmenchefs: Nein sagen. Sie haben viel

    weniger Mglichkeiten, als viele Leute denken. Es heit, je mchtiger du bist, desto freier bist du, sagt Dieter Zetsche. Wahr ist eher das Gegenteil.

    Harte Wochen liegen seit dem Autosalon hin-ter ihm. Alle nehmen auf einmal bel: die Presse, die Analysten der Banken, die Anleger, die Inves-toren des Kapitalmarkts. Wer Versprechen nicht hlt, dem glaubt man nicht mehr. Zetsche muss liefern, schnell. Doch nur langsam geht es voran. Der Betriebsrat wehrt sich gegen den Sparplan.

    Zetsche will Niederlassungen schlieen, rechnet vor, dass die Arbeitsstunde in Sindelfingen mehr kostet als in jedem anderen Werk in Deutschland: 52 Euro, bei Audi sind es 46. Der Betriebsratschef, Erich Klemm, stellt sich Zetsche entgegen. Ein klas-sischer Arbeitskampf. Mal hat Zetsche recht, mal Klemm. Leider reden sie nicht wirklich miteinan-der. Zwischen denen herrscht Sprachlosigkeit, sagt ein Topmanager. Es ist ein wenig tragisch, was da geschieht. Beide glauben, sie tun etwas fr ihr Unternehmen. Am Ende wird es Daimler schaden.

    Er tue das alles doch nicht aus Spa, sagt Zet-sche. Ich habe eine Verantwortung. Fr 270 000 Menschen und ihre Familien. Er meint das genau so. Zetsche redet viel von seinen Leuten in diesem Herbst, aber er redet zu wenig mit ihnen.

    Es ist die Zeit, in der er, noch schleichend, sich von seinen Leuten entfernt, im Management, in den Werkhallen. Ausgerechnet er, der nicht so ab-gehoben ist wie viele andere DAX-Chefs, der immer auf die Arbeiter zuging. Als er im Januar 2006 Tau-sende Stellen strich, stellte er sich in die Betriebsver-sammlung. Gegen den Rat der Personalabteilung, als erster Chef seit ewigen Zeiten. Am Ende bekam er Applaus. Aber in diesem Winter, als im Haus die Zweifel wachsen, ob sie je wieder die Nummer eins werden, als die Mitarbeiter verzichten sollen, trotz Milliardengewinns, als sein ganzer Sparplan in Fra-ge steht, da stellt er sich nicht hin. Warum nur?

    Fragt man das den Mann, der Zetsche kontrol-liert, den Aufsichtsratschef Manfred Bischoff, so rutscht der an die Kante seines Sessels vor und sagt dieses eine Wort: Druck.

    Es ist einer der groen Begriffe in den Fh-rungsetagen. Aber was heit das, Druck? Was macht er mit Menschen? Es ist schwer, mit Leuten wie Zetsche darber zu sprechen. Druck msse man aushalten, sagt er. Frhere Topmanager sind offener: Druck ist, wenn du nicht mehr du selbst sein kannst, sagt Jrgen Hubbert, der frhere Mercedes-Chef. Weil immer alle auf dich schauen. Weil immer einer was von dir will. Und dieser Druck, der ist geeignet, Menschen zu verbiegen.

    Auf diesem Trkei-Flug im November 2012 ist Zetsche ein anderer als im Sommer in Slowenien. Sein Handschlag ist drftig, seine Hose zu weit und sein Verhalten fremd: zerfahren, einsilbig, reizbar. Allein dieser Streit um die Bambi-Werbung. Oder eine andere Szene: Zetsche begegnet an diesem Tag einem Angestellten einer anderen Firma, die gera-

    Es heit ja, man wird einsam in diesem Job. Und da ist was dran

    Erst langsam wird Zetsche klar, wie ernst

    es ist. Zu Hause ist er still wie nie. Er steht vor dem Aus

    de geschlossen wird. Zetsche schaut kurz und fragt: Ist das eine Produktschlieung oder eine Insol-venz? h, eine Produktschlieung. Ah, sagt er abwesend, also keine Insolvenz. Weiter gehts.

    Kein Oh, das tut mir aber leid, kein Sie finden sicher bald was Neues, Zetsche ist in diesem Au-genblick nicht mehr in der Lage, sich einzufhlen. Er ist gefangen in der Chefperspektive. Eine Sache, die Firmenlenkern regelmig passiert. Wer Glck hat, den rttelt einer wach, bevor es zu spt ist.

    Dieter hat da auch ein menschlicher Rckhalt gefehlt, sagt Jrgen Hubbert ber diese Zeit. Ei-ner, der dich da mal rausholt, und wenn er nur sagt: So, jetzt gehen wir ins Konzert oder Theater. Aber den findest du nicht im Unternehmen.

    Was war denn das? Dieter Zetsche kann es nicht recht glauben, als er am Abend des 6. Februar in Untertrkheim den Brobau betritt. Der oberste Knopf unterm Schlips ist offen, die Brille fleckig, sein Schritt schnell. Der Vertrag? Dafr gibt es ei-nen formalen Prozess, knurrt er und rennt weiter. Heute war Prsidiumssitzung. Und die Arbeitneh-mer haben erklrt, sie wollten Zetsches Vertrag nicht verlngern. Noch wei kaum jemand davon. Und das soll auch mglichst lange so bleiben.

    Es ist der Vorabend der Bilanzpressekonferenz, Handelsblatt, Les chos, die Financial Times, alle sind da. Vor einem Jahr war es ein launiger Abend, dieses Mal empfngt Daimler im Brohaus statt im Firmenmuseum, serviert Linsen statt Lachshpp-chen, und gute Laune gibt es auch nicht. Immer wieder geht Zetsche telefonieren, zieht er die Man-schette hoch, lugt auf die Uhr. Er will weg!

    Viel ist geschehen im Dezember und Januar. Der Betriebsrat wollte Wolfgang Bernhard wegha-ben, ein Vorstand und Kostenkiller. Niemals, sagte Zetsche. Und dann brachte ihm eine Mitarbeiter-befragung zwar gute Noten, aber im Haus wird die Kritik immer lauter. Und schlielich diese Sache: Jedes Jahr bewerten 1000 Manager in einer Umfra-ge Deutschlands Fhrungselite. Im Sommer 2012 war Zetsche Dritter, im Januar 2013 ist er Letzter!

    Ein guter Augenblick also, um zu putschen. Zet-sche hlt alles fr einen Bluff, will nicht nachgeben. Dann kommt es eben zur Kampfabstimmung. Er htte eine knappe Mehrheit. Er trifft sich mit Be-triebsratschef Erich Klemm. Verlaufen ist das Ge-sprch, so heit es, so: Ich habe nichts gegen Sie, sagte Klemm, aber Ihnen fehlt da ein Gen. Aha, welches? Sie kommunizieren nicht. Das ist mir neu. Ich rede viel mit den Mitarbeitern. Ja, aber nicht mit dem Betriebsrat. Ja, dann

    Erst langsam wird Zetsche klar, wie ernst es ist. Zu Hause ist er still wie nie. Er steht vor dem Aus. Eine Kampfabstimmung wrde den Konzern er-schttern. Aufsichtsratschef Manfred Bischoff macht dem Betriebsrat ein Angebot: Zetsche kriegt nur drei Jahre Vertrag statt fnf und Wolfgang Bernhard wechselt den Job; dafr einstimmige

    Wahl und Verschwiegenheit. Alle heben die Hand. Einige tragen den Streit nach drauen. Zetsches Demontage. Soll er hinwerfen?

    Daimler ist sein Leben. Er hat im Bro mit Kol-legen Ball gespielt, hat in Windeln Maschinenteile nach Brasilien geschmuggelt. Hat als Firmenchef die Welt kennengelernt. Er ist so sehr Daimler, sagt seine Tochter, nie konnte sie sich vorstellen, dass er zu einer anderen Firma geht. Hinwerfen wre Ver-rat an der Firma, sagt Zetsche. Er glaubt an seinen Sparplan, an das Wachstum, denn Daimler inves-tiert ja auch. Und ich mchte, sagt er auch, si-cher sehr viel lieber in einer positiven Entwicklung sagen: So, danke sehr als in dem Tiefpunkt, dem, aus meiner Sicht, Wendepunkt.

    Hinwerfen also nicht. Und sich ndern? Das Programm Nachdenklichkeit einlegen wre nicht schlecht, rt ein befreundeter Manager. Zetsche denkt nicht dran. Einzelmeinungen, sagt er ber die Aufstndischen. In Zetsches Auftreten steckt etwas Hartes, und Verletztheit.

    Man hat Techniken, sagt er, sich eine dicke Haut zu verschaffen. Aber natrlich habe ich das nicht auf einer Backe abgesessen. Es hat mich ge-troffen. Er geht laufen, schwimmen, radfahren, auf den Ohren Eminem. Eine Harvard-Weisheit sagt: Der Leader schlgt den Manager. Nur keine Schwche zeigen! Andere htten den Job auch gern. In einem Schulungszentrum ruft Zetsche sei-ne Leute zusammen. Stark und fhrend tritt er auf. Innen sieht es anders aus: Wenn man vor seine Mitarbeiter tritt, die Top-Fhrungskrfte, da hat man schon einen Knoten im Bauch. Wie halte ich die bei der Stange? Wie gelingt es, hier wieder einen positiven Spirit zu erzeugen?

    JA, ES IST LIEBE!, steht im Januar 2013 in groen Buchstaben zu lesen. Drei Jahre nach dem Tod sei-ner Frau ist eine Neue in Zetsches Leben getreten: Desire Nosbusch, einst Kinderstar, nun Moderato-rin und Schauspielerin. Im Winter, sagen sie bei Daimler, hat es begonnen. Er war auf einmal Prinz Charming. Er grte, antwortete auf Mails. Im Januar ist alles rausgekommen, ein paar Fotos, ein Ja, er ist ein toller Mann von Nosbusch, und schon waren die beiden Titelthema.

    Zetsche schweigt dazu. Sein Privatleben hat er immer abgeschottet. Keine Homestorys ber sein Haus in Stuttgart, keine Fotos der Kinder, vor der Beerdigung seiner Frau rief Daimler bei Zeitungen an und bat um Rcksicht. Gerade die bunte Presse frchtet Zetsche, sein Sprecher verweigerte einer Nachrichtenagentur sogar die Auskunft, warum der Chef ein Pflaster am Kopf trgt (er hatte sich am Vogelhuschen gestoen). Nein, eher wrde Zetsche im BMW auf der Hauptversammlung vor-fahren, als etwas ber diese Liebe zu sagen.

    Das bernahm Nosbusch. Eine Woche nach den Schlagzeilen sitzt sie bei Markus Lanz. Zuerst mal die schlichte Frage: Du bist verliebt?, fragt der. >>

    Annette Winkler, die Chefin von smart, nervt das rum- gehacke auf dieter zetsche. er hre nicht zu? Vor der som-merpause, sagt sie, hab ichgesagt: Mensch, ich brauchgerade mal einen sparrings-partner. da hat er gesagt:Klar. dann ist er da, man hat schnell einen termin.

    foto: d

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    Die Dame, das war Alicia Keys. Die Stars, silbern und wei, das war die neue S-Klasse. Am 15. Mai hat er sie vorgestellt, in Hamburg, mit Pomp und Feuerwerk, Millionen hat das gekostet.

    Schon vor der Prsentation war Zetsche zu Hause ganz nrrisch mit dem Auto, erzhlt seine 25-jhrige Tochter: Allein wie sich der Rcksitz zum Bett umlegen lsst. Ich musste mich hinle-gen, wieder gerade, wieder hinlegen, zehnmal. Dabei wollte ich nur heimfahren.

    An der S-Klasse hngt alles. Wenn die schief-luft, ist Zetsche tot egal, mit wem man spricht, alle sagen diesen Satz. Das Auto muss Absatz und Gewinn erhhen. Den chinesischen Markt ffnen. Das beste Auto der Welt sein. Daimler, sagt Zet-sche, Daimler ist: Auto. Alles andere drumrum, darum gehts nicht. Worum geht es? Das beste Auto machen, damit Geld zu verdienen. Am Ende ist es doch so, sagt er, nichts schlgt Erfolg.

    Tatschlich wird das Auto in der Presse gelobt. Und die Bestellungen laufen gut. Es ist die vorlu-fige Rettung. Angst und Misstrauen hatten sich ins Unternehmen gefressen. Dann aber gab es diesen kleinen Moment, am Morgen vor der Prsentation in Hamburg, Zetsche hat das Auto den Mitarbei-tern vorgestellt, berraschend, nach einer internen Veranstaltung. Er fuhr die S-Klasse rein und die Leute standen auf den Tischen, johlten.

    Man kann ein Unternehmen nicht gegen die Mitarbeiter fhren, hat Ferdinand Pich einst ge-sagt. Der VW-Patriarch ist der Sepp Herberger der Wirtschaft: Sagt er einen Leitsatz, wird der zu einer Wahrheit.

    Dieter Zetsche sagt, er fhre nicht gegen die Mit-arbeiter, er habe nur rger mit dem Betriebsrat. Er hat das im Februar gesagt, und er sagt es bei einem Abendessen Ende Juni. Aber im Juni hat es einen anderen Klang. Er schiebt nmlich ein paar Sachen nach: Natrlich berlegt man, ob man etwas htte anders machen knnte, sagt er. Und natrlich wre es sinnvoll gewesen, wenn ich hufiger den Kontakt gesucht htte, auch zum Betriebsrat. Und: Ich bin zu oft zu ungeduldig. Das ist ein Punkt, an dem ich arbeiten werde. Es geht darum, inwieweit Leute sich fair behandelt fhlen. Er sagt es zger-lich, als wre es etwas ganz Mutiges, Verrcktes.

    Zetsche fngt an zu tun, was sein Aufsichtsrats-chef ihm schon vor Monaten geraten hat: Mehr rausgehen und dafr werben, dass die Strategie richtig ist. Er hat das Programm Nachdenklich-keit eingelegt. Wenn Sie sich in einem Tal befin-den, sagt Zetsche, haben Sie wenig Freude dran, aber wenn Sie durch sind, merken Sie: Sie sind weitergekommen.

    Mit kleinen Gesten bewegt sich Zetsche auf die Mitarbeiter zu. Befremdlich geduldig lsst er sich die Planung des Messestands fr die IAA im Sep-tember erklren, seinen rger ber den miss-glckten Stand im Frhjahr auf der Shanghai Auto Show lsst er sich nicht anmerken: Lassen

    Sie uns uns vornehmen, die anderen diesmal zu schlagen. Und bei einem Mittagessen feilscht er mit Abgesandten des schwul-lesbischen Netzwerks des Konzerns um die Ausgaben fr einen Wagen beim Christopher Street Day, 40 000 Euro sollte der schon kosten, sagen die Mitarbeiter, Zetsche handelt sie auf 20 000 runter. Am Schluss hat er eine Bitte: Bitte vergessen Sie nicht, bei all den Brutzlern und Mutzlern da drauen, dass wir ein saugutes Unternehmen sind und dass Sie denen gegenbertreten, ja? Ja, klingt es zurck.

    WIR! Vielleicht wird Zetsche eines Tages zu dem Schluss kommen, wie gut dieses Seuchenjahr wirklich fr ihn war. Er vergrbt sich nicht mehr in Sitzungen und Sparkonferenzen, steckt nicht mehr fest in seinem getakteten Alltag, ist nicht mehr gefangen in seiner Chefperspektive. Er ist, sagt sein Freund Jrgen Hubbert, wieder der Alte. Nicht mehr die vorstandvorsitzende, unter Druck lebende Person.

    Schlielich, am 18. Juli, das Sommerfest, der Chef-Chef stellt sich den Mitarbeitern, alle Fragen sind erlaubt, nur sechs werden es: Die Sonne scheint, die Grillwrstchen brutzeln, und der Feb-ruar ist fern. Dieser Tage geht die S-Klasse an die Hndler. 20 000 Bestellungen. Und bald kommt die neue C-Klasse. Daimler hat nun mehr neue Modelle im Markt. Und die Zahlen sind besser. Ende Juli berrascht Daimler die Mrkte mal an-ders: positiv. Gewinn besser als erwartet.

    Und so grillt sich das Unternehmen in die Som-merpause, und ein Schlacks mit Walrossbart treibt von Tisch zu Tisch. Er spricht mit einer Frau, die befrdert werden soll und zweifelt, weil sie ein kleines Kind hat. Ich ruf dich einmal die Woche um 16 Uhr an und schicke dich nach Hause, ver-sucht er sie zu berreden. Beim nchsten Stopp erzhlt er vom letzten Treff der Fhrungskrfte, einen Hirnforscher hatten sie zu Gast, der hat ih-nen erzhlt, wie falsch es ist, immer nur Ansagen zu machen. So kriegt man von Mitarbeitern keine Haltung, nur ein Verhalten, sagt Zetsche und hechelt und macht mit den Hnden Mnnchen.

    Von der Seite tritt eine blonde Frau aus der Qualittsprfung an ihn heran. Herr Zetsche, sagt sie. Ich wollte Sie dann doch mal fragen: Nur drei Jahre Vertrag statt fnf Jahre. Und ich habe gehrt, gerade suchen Headhunter Ihren Nachfol-ger. Ups. Die Runde schaut zur Seite.

    Super, voll drauf, antwortet Zetsche. Also, das ist so Es folgt eine lange Geschichte, sie beginnt vor einem Jahr.

    lo r e n z wag n e r war sich lange nicht sicher, wann dieses Portrt erscheinen wrde. Immer wieder platzten Interviews mit Dieter Zetsche auf absurde Weise: Ein-

    mal konnte er nicht in Zetsches Auto einsteigen, einfach, weil der ihm davongefahren war, ein ander-mal wollte Zetsche lieber Sudoku lsen als reden.

    Die Mitarbeiterin tritt an ihn heran: Herr Zetsche, ich wollte Sie dann doch mal fragen: Ich habe gehrt,gerade suchen Headhunter Ih-ren Nachfolger! Ups. Alle schau-en zur Seite

    Da gibt es ja einen Satz, antwortet sie, der raus-ging, der lautete: Ich dementiere nicht, aber ich kommentiere auch nicht. Sie lacht.

    Okay. Das nehmen wir jetzt einfach als Ja.Jaa. Wir reden von Dieter Zetsche, stellt Lanz fest.

    Was macht das so schwierig, eine solche Verbin-dung ffentlich zu machen?

    Sie: Ich wei es nicht, ich frag mich das auch, was daran jetzt so schwierig ist. Viel mehr sagt sie nicht. Es sei Privatsache.

    Drei Monate spter, im Mai, wird Nosbusch wie-der ein Interview geben. Wir sind kein Paar, und wir waren kein Paar, wird sie zitiert. Zetsche ist raus aus ihrem Leben. Es ist wie bei der Verkn-dung, sie redet und er schweigt. Fr Freunde ein rtselhaftes Statement, fr sie waren die beiden zu-sammen. Zetsche tut ihnen leid. Meine Frau und ich haben ihm so gewnscht, dass es klappt, sagt einer. Er hatte doch schon den Segen der Kinder.

    Diese Episode passt zu Zetsches Frhjahr. Die Revolte hallt nach, eisig ist die Stimmung in der Zentrale in Untertrkheim, im Mrz, im April. Die Lage ist kritisch, sagt ein Manager. Hoffentlich hlt er durch. In seinem Bro muss sich Zetsche fast tglich ber schlechte Presse beugen, bittere Stunden, in dem Verschlag, der einst als bergangs-bro gedacht war und gar nichts Heimeliges hat, Schreibtisch, Laptop, Bilder der Firma und im Regal eine Buddha-Statue, von der Zetsche nicht mal wei, wo sie herkommt.

    Es steht die Hauptversammlung bevor. Die nchste Revolte? Schon einmal haben die In- vestoren einen Daimler-Chef wundgeschossen, Schrempp, 2004. Die Vertreter groer Fonds sind aufgestanden, untersttzt von 10 000 Kleinaktio-nren, die Schrempp schier aus dem Saal buhten. Vor dieser Hauptversammlung schaut eine Inves-torengruppe bei Chefaufseher Bischoff vorbei: Sie wollen Zetsche loswerden. Bischoff lehnt ab.

    Am 10. April, eine halbe Stunde bevor das ICC Ber-lin ffnet, fhrt Zetsches Wagen in der Tief- garage ein, ein letztes Mal wird er sich mit den Vorstnden besprechen. Um 10.34 Uhr dann eilt er dem Pult entgegen. Seine Hnde klammern sich fest, als breche der Boden weg. Seine Stimme klingt hlzern. Kein Ruck steckt in dieser Rede, nichts Staatsmnnisches, wie es einem Mann seines Ranges entsprche. Ganz klein steht Zetsche auf die Bhne, vor sich den gleienden Messesaal, fnf-zig Reihen tief, dreiig Meter hoch. So weit weg sitzen die Anleger, dass ihre Gesichter verschwim-men. Zu weit weg, um darin zu lesen. Ist da Wut?

    Die Anleger schimpfen, aber nicht im berma. Man wisse, sagt Jens Meyer von Deka Investment, welche Altlasten Sie von Ihren Vorgngern ber-nommen haben. Und so geht der Tag dahin, Die-ter Zetsche hat berlebt.

    Sollte die Wirtschaft etwa Schonung kennen? Nun, dem Kapitalmarkt ist Vergangenes herzlich egal. Es zhlt das Ergebnis. Meist scheitern Mana-ger an solchen Krisen. Wenn es einen Nachfolger gibt. Hinter Zetsche gibt es keinen, sagen die meis-ten Experten. Noch nicht.

    Das war schn vorgestern, Ende Mai 2013, Zetsche hatte Bill Clinton getroffen, in einer Schwarzwald-htte, bei Riesling und Sauerbraten. Als Dr. Z, sagte Clinton, fand ich Sie groartig. Es war Zetsches groe Zeit, er war in den USA zur Werbefigur auf-gestiegen, warb als Dr. Z fr Chrysler. Die Leute liebten ihn, obwohl er Stellen abbaute. Thank God for Dieter, sagte Nade Gooden, der Gewerkschafts-boss, der in seinem Leben selten etwas Gutes ber Manager sagte.

    Kaum ein langes Gesprch kann man mit Zet-sche fhren, ohne dass er von Detroit erzhlt. Die meisten Topmanager wollen ein Werk hinterlassen. Zetsches Vorgnger sind daran gescheitert. Sie strebten nach Gre, nach einem Denkmal. Er hat keine solchen Ziele. Er hat eine Vergangenheit. Sei-nen Nummer-eins-Hit in den USA. Das beruhigt.

    Clinton hat Zetsche noch was erzhlt, was ihm gefallen hat. Jeder Mensch habe zwei Seiten, die optimistische und die pessimistische. Die Leistung sei, so Bill, pessimistisch in gute und optimistisch in schlechte Tage zu gehen. Sich nicht unterkriegen lassen, genauso tritt Zetsche heute, zwei Tage nach dem Essen mit Clinton, auf. Ich bin in good shape, sagt er. Ich fhle mich strker als vor drei Mona-ten. So eine Phase ist auch ein Aushrten. Oha. Sein Lcheln ist zurck, sagt sein Freund Roger Penske, Rennfahrerlegende und Unternehmer.

    Was ist geschehen? Zetsche kann einem das am iPad zeigen. Er kommentiert den Film nchtern wie frher Ernst Huberty Lnderspiele: Hier die Bhne. Drauen Gewitter. Das Tagfeuerwerk, was man in dem Gewitter besser sah. Die Stars: eine weie, eine silberne. Aus dem iPad klingt Applaus. Dann kam die Dame raus und hat gesungen.

    sie spren, was da in der luft ist, sagt zetsche. ob alle in

    der Kantine in eine andererichtung gucken oder ob sie

    einem Hallo sagen. an Daimlers Wrstchenstand auf

    dem sommerfest sagten die leute Hallo. oder wollte

    sich dieser Herr in grau etwa einfach nur vordrngeln?

    Privates Pech. nur kurz hielt die liebelei mit der

    schauspielerin desire nos-busch. auf die regebogen-presse htte ich verzichten

    knnen, sagt dieter zetsche.

    fotos: lukas w

    assm

    ann, g

    noni-Press / a

    t