Moment 132: 2012

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DIE SCHONE UND DAS BIEST AUSTRALIEN Einmal im Leben mit Krokodilen tauchen. Die Luft anhalten. Die Nähe des Todes spüren. Das war ihr Traum. Bis Denzel ins Wasser glitt VON KERSTIN GREINER FOTOS: ARMIN SMAILOVIC Kerstin Greiner lässt sich im »Todeskäfig«, wie man diesen Plexiglaszylinder im Krokodilpark in Darwin nennt, zu den Reptilien ins Wasser senken: Gleich wird das Krokodil gegen den Zylinder stoßen.

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Der Fotograf Armin Smailovic war für das SZ-Magazin schon in Krisenregionen und Kriegsgebieten unterwegs. Richtig nervös wird er aber, als er für eine Reportage ins Krokodilbecken steigen soll. Zum Glück kommt alles anders.

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  • Dieschone unD

    Das b iest

    a u s t r a l i e n

    Einmal im Leben mit Krokodilen tauchen. Die Luft anhalten. Die Nhe des Todes spren. Das war ihr Traum.

    Bis Denzel ins Wasser glitt

    Vo n K e r s t i n G r e i n e r

    F o to s : A r M i n s M A i L o V i C

    Kerstin Greiner lsst sich im Todeskfig, wie man diesen

    Plexiglaszylinder im Krokodilpark in Darwin nennt, zu den

    Reptilien ins Wasser senken: Gleich wird das Krokodil gegen

    den Zylinder stoen.

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    Das ist Krys, doch leider nur eine nachbildung mit angeblich 8,6 Metern war es das grte Krokodil der Welt, geschossen 1957 von der Polin Krystina Pawlowski. sie bereute ihr Leben lang, dieses tier gettet zu haben, und wurde spter Krokodilschtzerin.

    a u s t r a l i e n

    Wenn KroKoDile ihren herzschlag senKen, brauchen sie ein jahr nichts zu fressen

    Wenn Jungs im Norden Australiens ihre Mdchen beeindrucken wollen, schleichen sie nachts an einen Fluss und klauen ein Krokodilbaby aus seinem Nest nur um ein Foto der Angebeteten mit Krokobaby im Arm zu schieen, gerade so lange, bis das Muttertier wutschnaubend aus dem Wasser geschossen kommt. Krftigere Jungs lauern sogar ausgewachsenen Krokodilen auf, wer-fen sich auf ihre Rcken, binden ihnen die Schnauzen zu, ringen mit ihnen und lassen sich dabei mit der Handykamera filmen: Ich habe diese Filme selbst gesehen, in einer Spelunke namens Lazy Lizard, nahe dem Kakadu-Nationalpark, 230 Kilometer sd- stlich von Darwin im Northern Territory, einem der Bundesstaaten Australiens vier-mal so gro wie Deutschland, aber nur 220 000 Menschen leben hier, noch mehr Krokodile: 250 000. Die sind berall, wo es Wasser gibt: in stehenden Gewssern, die man hier Billabong nennt, in Flssen, an Meeres-strnden, und manchmal verirren sie sich auch in die Swimmingpools der Menschen.

    wird. Salzwasserkrokodile werden mehr als sechs Meter lang und wiegen bis zu einer Tonne. Sie sind die grten und gefhr-lichsten Reptilien der Welt und sehen aus wie Monster. Wenn sie ihren Herzschlag auf zwei Schlge pro drei Minuten senken, brau-chen sie ein Jahr nichts zu fressen. Im Zwei-fel knnen sie aber auch in Sekundenschnel-le mehrere Meter aus dem Wasser springen. Sie beobachten alles auerhalb des Wassers und merken sich wiederkehrende Vorgnge: Deswegen gehen Australier nie den gleichen Weg an einem Gewsser entlang und angeln nie zweimal an der gleichen Stelle.

    Die Namen beider Arten sind irrefh-rend: Salz- und Swasserkrokodile leben beide lieber im Swasser, Erstere halten es aber auch im Salzwasser aus. Die Australier

    Tiere liebe ich schon immer. Seit ich vor fast 20 Jahren das Buch Die letzten ihrer Art von Douglas Adams und Mark Carwardine gele-sen habe, faszinieren mich auerdem seltene und gefhrdete Tierarten wie der Komodo-waran in Indonesien oder die Riesenkro-kodile in Nordaustralien. Mit Reisen zu sol-chen Tieren tut man durchaus Gutes: Men-schen schtzen nur etwas, wenn es einen Wert hat, sagt Dr. Adam Britton, Zoologe an der Universitt Darwin: Wenn Touristen wegen eines Tiers in eine Region kommen, werden die Menschen dieses Tier schtzen. Reisen Sie! Reisen Sie zu den Tieren!

    Die Jugendlichen nahe dem Kakadu- Nationalpark knnen nur mit kleinen S- wasserkrokodilen schmusen. Klein ist ein Krokodil, wenn es nicht lnger als drei Meter

    Salzwasserkrokodile leben zwar lieber

    in Brackwasser und Flssen, knnen aber auch durch Ozeane

    schwimmen.

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    nennen die Salzwasserkrokodile Salties, die S- oder wie man hier sagt: Frischwas-serkrokodile Freshies, weil sie sich fr alles gern Kosenamen ausdenken nicht nur fr sich selbst (Aussie).

    Jger hatten die Krokodile fast ausgerottet, bis sie 1971 geschtzt wurden. Inzwischen sind es wieder so viele, dass jedes Jahr eine festgelegte Anzahl von Krokodileiern aus Nestern an Lederfarmen verkauft wird. Jger drfen nur noch Problemkrokodile tten, die Menschen angreifen: so wie Sweet-heart, ein bel gelauntes Fnf-Meter- Krokodil, das Fischerbooten auflauerte. Heu-te steht es ausgestopft im Nationalmuseum in Darwin.

    Als Schutz haben Wildhter in der Nhe grerer Siedlungen riesige Kfige mit K-dern im Wasser versenkt schwimmt ein Krokodil hinein, wird es an einem einsamen Platz wieder ausgesetzt. Wie ins Wasser ge-worfene Lastwagen sehen diese Kfige aus.

    Schon am Flughafen von Darwin wird mir klar, wie tief ich in der Wildnis angekommen bin: Mein Mietwagen hat ein Funkgert. Auerdem warnt mich der Mann von der Autovermietung: Immer Wasser dabeihaben, immer auf Reservekanister achten!

    Ein paar Kilometer hinter Darwin zeigen bunte Schilder zur ersten Krokodiltour, von denen man im Nordterritorium unzhlige buchen kann. Von einem Boot auf dem Adelaide-Fluss aus beobachte ich, wie sich riesige Salzwasserkrokodile meterhoch aus dem Wasser wuchten, um Fleischbrocken zu erwischen, die ihnen ein Ranger an einer lan-gen Angel vor die Schnauze hlt. Vor dem Bootshaus steht eine Nachbildung von Krys, dem grten Krokodil der Welt, an-geblich 8,6 Meter lang, das in den Fnfziger-jahren gettet wurde. Forscher zweifeln, ob es wirklich so gro war, auer den Erzhlungen der Jger gibt es keine Beweise. Bei ncht-lichen Bootstouren in den Nationalparks bekomme ich eine Lampe, um damit das

    AnreiseQantas fliegt ber singapur nach

    Darwin, www.qantas.com; Mehr infos: www.australiasoutback.de

    Krokodile guckenspringende Krokodile: www.jumping crocodile.com.au; s- und salz-

    wasserkrokodile bei der Yellow Water Cruise im Kakadu nationalpark, www.kakadu.com.au; Krokodile bei nacht: www.travelnorth.com.au; schwimmen mit den Krokodilen im todeskfig:

    www.crocosauruscove.com

    bernachten Pine Creek railway resort nahe

    der stadt Katherine, www.pinecreek-railwayresort.com.au ein Hotel

    in eisenbahnwagons, DZ ab 95 euro.

    Wasser zu erhellen: Unter der Wasseroberfl-che leuchten Hunderte roter Augen. Die Wild-hter locken Frischwasserkrokodile aus dem Wasser, ich werfe ihnen Fleischbrocken in den Rachen; Hunderte Krokodile beobach-ten mich, sie sind offensichtlich interessiert an mir: Tuschen Sie sich nicht: Wir sind nur Futter fr sie, sagt einer der Ranger. Sie ken-nen viele der Krokodile seit Jahren und ha-ben ihnen Namen gegeben: Michael Jackson, Pink Lady, Mini Mouse. Welche und wie viele Tiere gerade in einem Gewsser leben, testen die Ranger mit Styroporkrpern, die sie im Wasser schwimmen lassen: Auf ihnen zeigen sich die verschiedenen Zahnabdrcke.

    Vor jeder Bootstour halten die Wildhter den gleichen Vortrag: Niemals Gliedmaen ber Bord strecken! Sonst haben wir drei Tage Papierkram und Sie einen Arm weniger. Und falls wir in Seenot geraten: Finger weg von den Rettungswesten! Sie wrden es nicht bis zum Ufer schaffen.

    Das Krokodil ist zur grten Touristen-attraktion des Bundesstaates geworden. Man kann sogar in einem Hotel wohnen, das wie ein riesiges Krokodil aussieht, zur Rezeption gelangt man durch sein Maul. Kaufen kann man: Klodeckelberzge in Form von Kro-kodilkpfen, Spielzeugautos in Krokodil-form, Krokodil-Schokoladeneier. Nur eines kann man im ganzen Nordterritorium so gut wie nie: schwimmen.

    Die Menschen in Nordaustralien begegnen ihren Krokodilen mit einer Mischung aus Faszination und Respekt. Jeder hat seine eigene Krokodilgeschichte zu erzhlen. Die Aborigines etwa glauben, das erste Krokodil sei ein Mann gewesen, dessen Rcken Feuer gefangen hat. Um sich zu lschen, sei er in einen Billabong gesprungen und als das Ur-krokodil Ginga wieder herausgekommen. Danach hat es die Landschaft des Kakadu- Nationalparks geformt, indem es mit seinem groen Krper ber die Erde gekrochen ist.

    Wenn die Northern Territory News auf ihrer Titelseite eine Geschichte ber eines der fast 250 000 Krokodile druckt, steigt ihre Auflage sprunghaft an: Mal marschiert ein Krokodil auf der Autobahn in Darwin Richtung Golf-platz, mal liegt eins am Sandstrand neben der Getrnkebude. Tausende Schilder an Brcken, Wasserlufen, Billabongs warnen vor Krokodilen und trotzdem kommt es immer wieder zu grausamen Unfllen. Sie haben gestern gettet. Sie tten heute. Sie werden morgen tten, hat die frhere Um-weltministerin des Nordterritoriums Allison Anderson einmal gesagt.

    In einem Krokodilpark in Darwin kann man ihnen dennoch ganz nahe kommen: In einem Todeskfig. Der Krokodilpark warnt vor mglichen posttraumatischen Belastungs-strungen, Schock, Herzrhythmusstrungen. Mit einer Taucherbrille steige ich in einen Plexiglaszylinder, der fest mit einem Plexiglas-deckel verschraubt wird. Ein Kran senkt den Kfig in ein Becken mit Monster-Krokodilen: Durch Schlitze (Stecken Sie um Himmels willen Ihre Finger nicht durch!) dringt Wasser ein, schnell ist der Zylinder fast voll und ich fange an zu schwimmen. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Denzel, das erste Krokodil, von einem Stein ins Wasser gleitet. Mein Herz pocht heftig. Dann halte ich die Luft an, tauche unter und sehe dieses U-Boot-groe Ding auf mich zuschieen.

    Ich wei, dass um mich herum ein Kfig ist, und trotzdem bekomme ich Todesangst: Panik, Zittern, Ohrenrauschen, Herzrasen. Das Krokodil stt mit einem lautem Rumms gegen den Zylinder.

    Dann guckt das Krokodil. Es gibt kein Tier auf der Welt, das so gucken kann: tief, schwer, stumm. Wie aus der Zeit gefallen wirken sie, wie antike Statuen, die jemand vergessen hat, beiseitezurumen: eine jahr- tausendealte Art, lebensgefhrlich, aber mit wunderschnen Bernsteinaugen.

    Als Nchstes werde ich die Warane in Indonesien besuchen.

    oben: Krokodile regulieren ihren stoffwechsel, indem sie sich im Wasser khlen oder in der sonne wrmen. Unten: Die ranger Robert und Pat suchen unter Wasser nach Krokodilen: Wenn man sie anstrahlt, leuchten ihre Augen rot.

    a u s t r a l i e n