Moment 73: 2013

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14 Süddeutsche Zeitung Magazin

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Tobias Haberl begleitet einen Mann, der Millionen ins Kino lockt, aber Filmkritiker zum Kopfschütteln bringt: Der streitbare Star Til Schweiger fühlt sich im SZ-Magazin gerecht dargestellt - und erweist sich als ein ziemlich gründlicher Leser.

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  • 14 Sddeutsche Zeitung Magazin Sddeutsche Zeitung Magazin 15

  • d a ss c h w e i g e r -d i l e m m aDeutschlands erfolgreichster Filmstar wird 50, und immer noch gilt: Die einen verehren Til Schweiger, die anderen lehnen ihn ab. Warum spaltet dieser Mann so sehr? Wir haben ihn ber mehrere Monate begleitet und Antworten gefunden

    Drehpause am Tatort-Set auf dem Gelnde einer Schiffswerft in Hamburg-Finken-werder: Whrend die Crew die nchste Sze-ne vorbereitet, plant Schweiger per Handy seinen nchsten Film.

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    Vo n t o b i a s h a b e r l i f o to s : a r m i n s m a i l o V i c

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    EEs ist Sptsommer und Til Schweiger denkt nach. Ein Portrt im SZ-Magazin? Mit so was bin ich schon ganz schn auf die Schnauze gefallen, sagt er. Letztes Jahr habe er deutschen Soldaten in Afghanistan seinen Film Schutzengel gezeigt, mit dabei ein Re-porter vom Spiegel. Dem habe ich vertraut, sagt er, ich mochte den wirklich gern. Als Schweiger zwei Wochen spter den Text liest, mag er ihn nicht mehr. Der hat meinen Hu-mor nicht kapiert. Auf dem Flughafen habe er die St. Pauli Nachrichten gekauft und so getan, als wrde er sie den Soldaten als Gast-geschenk einpacken, aber aus Spa, offen-sichtlich ironisch gemeint. Im Text klang es so, als habe Schweiger, der alte Macho, nichts Besseres zu tun, als den armen Teufeln in Masar-i-Scharif ein Tittenheft mitzubringen. Was soll er sagen? Er ist skeptisch, wirklich skeptisch. Er muss nachdenken.

    Vier Wochen spter, kurz nach sieben Uhr abends, Til Schweiger ist unterwegs in ein Hamburger Fernsehstudio. Ein Fahrer in einer dunklen Limousine hat ihn abgeholt. Er sitzt hinten. In einer Stunde beginnt die Aufzeichnung von Markus Lanz. Knnen Sie kurz an der Tankstelle halten?, fragt er, springt raus, kommt zurck, in der Hand: den neuen Playboy. Was soll man sagen? Er ist widerspenstig, er ist trotzig. Journalisten will er es auf keinen Fall zu leicht machen, ihn gut zu finden, im Gegenteil, er ldt sie ein, smtliche Vorurteile ber ihn gleich mal besttigt zu sehen. Til Schweiger hat sich entschieden. Er macht dieses Portrt, und er wird wieder den schwierigen Weg gehen: lieber Angriffsflche bieten als sich verstellen, lieber missverstanden werden als jedem gefallen. Die meisten Prominenten machen es umgekehrt.

    Aber diesmal hat er ein Argument: Auf dem Playboy-Cover ist Tina Ruland, 47 Jahre alt, Schauspielerin, mit der er vor 22 Jahren seinen ersten Kinofilm Manta, Manta ge-dreht hat. Wenn sich eine alte Schulfreun-din oder frhere Kollegin auszieht, kann man schon mal hinschauen. Also blttert er sich durch die Fotos, flchtig, zehn, zwanzig Sekunden lang. Kann man herzeigen, brummt er. Als er aussteigt, lsst er das Heft einfach liegen.

    Til Schweigers Gesicht ist gebrunt, inte-ressant verknittert, er sieht verdammt gut aus, und er wei es: Als er vorhin das Haus verlas-sen hat, hat er nicht in den Spiegel geschaut. Er ist einfach raus, in Jeans und Pulli, drber ein Mantel, die nackten Fe in nicht ganz sauberen Leinenschuhen, obwohl es gerade mal 16 Grad hat. Ein bisschen quatschen im Fernsehen, so was macht er nebenbei. Jetzt

    sitzt er in seiner Garderobe, trinkt Weiwein mit Eiswrfeln, raucht eine nach der anderen und wartet auf Lanz, dem er, bevor es losgeht, unbedingt noch was sagen mchte. Als ihn die Stylistin schminken will, wiegelt er ab. Als sie insistiert, lenkt er ein: Aber nur Puder, sagt er, lieber seh ich unausgeschlafen als zugekleistert aus. Er geht also mit in die Mas-ke. Es sieht lssig, fast nachlssig aus, wenn Schweiger sich bewegt, wie ein bockloser Ju-gendlicher. Einen Anzug trgt er nur, wenn es unbedingt sein muss. Selbst zu seinen eigenen Premieren kommt er in Jeans und Pulli, im-mer ohne Bndchen, die hasst er. Warum sollte er sich fesch machen, nur weil die ande-ren denken, es wrde sich eventuell gehren?

    Als Lanz zu Schweiger in die Garderobe kommt, wie so oft mit dem nach vorn ge-streckten Zeigefinger voran, fragt ihn Schweiger, ob es mglich sei, ihn nicht auf Marcel Reich-Ranicki anzusprechen, der am Tag zuvor gestorben ist. Ich mchte nicht sagen mssen, dass er mir fehlt oder so, ich hatte mit dem doch nichts zu tun. Die Welt hat Til Schweiger mal eine groteske Gier nach Wertschtzung unterstellt. Viel grer aber ist sein innerer Zwang, authentisch zu sein. Til Schweiger mchte verzweifelt als der Mensch erkannt werden, der er ist. Des-wegen verstellt er sich nie, deswegen mutet er anderen seine Ehrlichkeit, auch seine Wi-dersprchlichkeit zu, und deswegen hat er dauernd Schwierigkeiten mit den sogenann-ten serisen Journalisten. Entweder sie ver-stehen ihn falsch, dann lstern sie. Oder sie verstehen ihn richtig, dann ls tern sie auch, weil er mal wieder was Unerhrtes gesagt hat. Ein Satz wie Ich bin absolut gegen Ge-walt, aber ich glaube auch, dass es Situati-onen gibt, die man nur mit Gewalt lsen kann kommt in unserer politisch berkor-rekten Gegenwart gar nicht gut an. Schwei-ger sagt ihn ffentlich, auf die Frage, ob er Pazifist sei, weil er ihn fr wahr hlt. Als die Deutschen ber Karl-Theodor zu Gutten-berg emprt sind, weil der seine Doktorar-beit geflscht hat, sagt Schweiger: Also ich hab an der Uni auch abgeschrieben. Es ist, als ziehe er Energie daraus, sich gegen die Mehrheit zu verhalten. Vor zwei Jahren hat er dafr den Querdenker-Award verliehen bekommen. Konsequenterweise war er schon bei der Dankesrede besoffen.

    Wo eine wie Veronica Ferres je nach An-lass das passende Gesicht aufsetzt, ist er im-mer nur: Til Schweiger. Er ist nicht als Vater frsorglich und als Chef autoritr. Er ist nicht als Privatmann ein Weiberheld und in der Talkshow ein Frauenversteher. Er ist im-mer alles auf einmal: Der Til, der sich in der

    Til Schweiger

    wchst in Heuchelheim,in der Nhe von Gieen, auf.

    Seine Eltern sind Lehrer, Sozial-demokraten und Bildungsbr-ger im Hause Schweiger

    wird viel gelesen und diskutiert. Regelmig nimmt die Familie an Friedensdemonstrationen

    teil. Nach dem Abitur (1,7) stu-diert er drei Semester Medizin,

    bricht ab und besucht die Schauspielschule in Kln. 1991 spielt er in der Lindenstrae, es folgen die Kinofilme Manta, Manta und sein Durchbruch

    in Der bewegte Mann. Heute ist Schweiger neben Michael Bully Herbig Deutschlands erfolgreichster

    Regisseur, Schauspieler und Pro-duzent. Von seiner Frau Dana lebt er seit acht Jahren getrennt. Gemeinsam haben die beiden vier Kinder. Schweiger wird am 19. Dezember 50 Jahre alt.

  • Kneipe prgelt, und der Til, der sich die rmel des Wollpullis ber die Handkn-chel zieht und lieb dreinschaut. Der Til, der ber das deutsche Gutmenschentum her-zieht, und der Til, der zu Hause Seitenba-cher-Msli stehen hat. Der Til, der alle paar Jahre ein neues Model ksst, und der Til, der seine vier Kinder jeden Morgen zur Schule bringt. Die Bild mag ihn, Bunte und Gala auch, die Feuilletonisten zeigen ihm regelmig, dass er ihnen auf den Wecker geht. Als kleine Rache ldt Schweiger sie nicht mehr zu seinen Pressevorfhrungen ein, was kindisch, aber irgendwie auch amsant und konsequent ist, weil es das ja fast nicht mehr gibt, dass ein berhmter Mensch ffentlich undiplomatisch ist. Als vor einem Jahr bekannt wurde, dass er neu-er Tatort-Kommissar wird, jubelte die Taz, dass er jetzt endlich weniger Zeit habe, Drehbcher zu schreiben. Nach dem Film Inglourious Basterds fand der Kabarettist Urban Priol, das sei Schweigers bisher bes-ter Auftritt gewesen: Er hatte drei Stze und wurde danach erschossen.

    Seit dreiig Jahren wird Til Schweiger als schlichter Zeitgenosse beschrieben, aber das ist nicht wahr: Schweiger ist ein unein-deutiger, ein vielschichtiger Mensch. Das macht ihn angreifbar, aber auch wahrhaf-tiger als die Welt, in der er sich bewegt: Es ist die Welt des Films, des Boulevards, der Echo- und Bambi-Verleihungen. Zu ihm hat jeder eine Meinung, meistens ist sie ein-deutig bewundernd oder eindeutig ableh-nend. Bei Lanz hat er whrend der neunzig Minuten Sendezeit kaum zwanzig Stze gesagt. Michel Friedman, Hellmuth Kara-sek und der PR-Be rater Klaus Kocks haben sich so oft gegenseitig unterbrochen, dass er nicht zu Wort kam. Er hat es aber auch nicht versucht. Dafr kommst du im De-zember allein in meine Sendung, hat Lanz ihm am Ende versprochen. Man kann auch schweigend eine Talkshowrunde gewinnen.

    In letzter Zeit hat er gefaulenzt. Sagt er selbst. In erster Linie hat er Huser ge-kauft, eines in Hamburg, um bei seinen Kindern zu sein, und eines auf Mallorca, um gelegentlich weiter weg von Deutsch-land zu sein. Gedreht hat er wenig, einen Werbespot, einen Tatort. Nach vier Filmen im vergangenen Jahr wollte er mal zur Ruhe kommen. Trotzdem wird gerade viel ber ihn geschrieben: Erstens ist wieder mal eine seiner Beziehungen gescheitert. Zweitens wurde er mit irgendeiner Blon-dine auf irgendeinem Flughafen gesehen. Und drittens wird er in wenigen Tagen 24 Stunden nach Brad Pitt fnfzig Jahre

    Til Schweiger in der Rolle des Hamburger Tatort-Ermittlers Nick Tschiller: Kurz vor einer Aufnahme erhht er mit Schattenboxen seinen Pulsschlag.

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  • alt. Sat.1 hat eine Geburtstagsshow fr ihn produziert, der Stern hat ihn zu seinem Al-ter und seinen Frauen befragt, eine Biogra-fie ist erschienen: Til Schweiger der Mann, der bewegt. Als er im Frhjahr davon gehrt hat, hat er den Autor angerufen und ge-sagt: Wenn du schon was ber mich schreibst, kommst du vorbei und wir un-terhalten uns. Alles andere sei doch Quatsch und unseris.

    Hamburg im Herbst, Nieselregen. Til Schweigers Zuhause ist gut getarnt: eine Hecke, eine Kamera, acht Klingelschilder, aber keines mit Namen. Man muss schon eingeladen sein, um hier reinzukommen. Also klingeln, oben links, Mitte rechts, ir-gendwo ein Summen, das Tor gleitet zur Seite. Herr Schweiger duscht noch, sagt seine Haushlterin. Es ist Dienstagmittag, auf dem Kchentisch liegen 300 Euro und eine Vollmacht fr den Einkauf bei der Me-tro, unterschrieben vom Hausherrn. An der Wand hngt ein holzgerahmtes Foto seiner Eltern, am Khlschrank klebt ein Termin-zettel vom Kieferorthopden fr eine sei-ner Tchter. Zwei Minuten spter schlurft Schweiger in Filzpantoffeln in die Kche und brht sich eine Kanne grnen Tee. Gute Nachrichten, sagt er, Carlos ist zu-rck. Die Kinder werden sich freuen, wenn sie aus der Schule kommen. Vier Tage lang haben sie den schwarzen Kater ver-misst und Fahndungszettel an die Bume geklebt. Jetzt ist er wieder da, wo er hinge-hrt, bei den Schweigers in Hamburg, gar nicht weit von der Elbe, Blankenese liegt ums Eck. Seit ein paar Monaten erst woh-nen sie in der Backsteinvilla aus den Drei-igerjahren; die Lage ist ideal, die Schule nur ein paar Minuten entfernt, seine Frau Dana die beiden sind seit acht Jahren ge-trennt, aber nicht geschieden wohnt auch nicht weit. Die Kinder knnen whlen, mal da, mal dort, Platz ist genug. Immer mal wieder, erzhlt Schweiger, klingelt ein Reporter bei meiner Nachbarin, um von ihrem Balkon aus Fotos zu machen. Zum Glck sei die 85-jhrige Witwe eine beson-ders freundliche Dame und jage die Typen regelmig zum Teufel.

    Das Haus ist riesig, 400 Quadratmeter Wohnflche, mehrere Sofas, zwei Kamine. Eine Landschaft zum Rumliegen, in der es aussieht wie in Google-Werbespots oder neuerdings in Bckerei-Filialen: politisch korrekt, inszeniert natrlich, irgendwie skandinavisch. Viel helles Holz, viele Erd-tne, Grau, Beige, Eierschalenfarben, Ker-zen in bauchigen Glsern; so gern der Mann provoziert, was das Wohnen betrifft,

    hat er den Zeitgeist kritiklos verinnerlicht. In der Kche steht ein Apple-Laptop neben einer Schale mit Ingwerwurzeln. Auf dem Sofatisch liegt ein schwerer Afrika-Bild-band, aufgeschlagen, zu sehen ist eine Step-penlandschaft in Botswana; es sieht nicht so aus, als habe er gerade darin geblttert.

    Til Schweiger ist der erfolgreichste deut-sche Schauspieler, Produzent, Regisseur, das lsst sich belegen: 1994 hat er die Hauptrol-le in Der bewegte Mann gespielt. Den Film sahen 6,5 Millionen Menschen. In Deutsch-land gilt jeder Kinofilm, der mehr als eine Million Zuschauer hat, als Riesenerfolg. Es folgten Knockin on Heavens Door (3,9 Mil-lionen), Keinohr hasen (6 Millionen), Zwei-ohrkken (4,2 Millionen), Kokowh (4,3 Millionen) und ein paar Fortsetzungen, die er allesamt produziert hat. Bei fast allen hat er auch Regie gefhrt und am Drehbuch mitgeschrieben. Natrlich gab es auch Rckschlge. Zum Beispiel One Way im Jahr 2006, bei dem er Millionen versenkt hat. Oder dieses Jahr der Animationsfilm Keinohrhase und Zweiohrkken, den er co-produziert hat, wahnsinnig teuer, wahnsin-nig aufwendig, allein am Fell des Hasen haben 16 Chinesen rumprogrammiert. Der Verleih hatte auf zwei Millionen Zuschauer gehofft, es kamen 300 000. Fragt man Schweiger, warum der Film unter den Er-wartungen geblieben sei, sagt er: Machen Sie Witze? Das Ding war ein Megaflop. Eine Niederlage so offensiv eingestehen kann eigentlich nur, wer schon das nchste groe Ding am Laufen hat.

    Es ist richtig, dass Til Schweiger ein be-grenzt begabter Schauspieler ist, aber es

    fhrt zu nichts, ihm das vorzuwerfen, weil er es selbst wei: Daniel Day-Lewis, Edward Norton, sagt er, das sind Schau-spieler, die sind fr das Kino, was Messi und Ronaldo fr den Fuball sind. Er sei eher der Typ Berti Vogts: Wenn einer in den Strafraum kommt, grtsch ich ihn ab. Er ist ohnehin lngst etwas ganz anderes: Produzent, Unternehmer, eine Art Mini-Mogul des deutschen Films, kein zweiter Eichinger dazu fehlt ihm das Abgrn-dige. Trotzdem hat er in den letzten 15 Jah-ren ein feines Netzwerk aus Freunden, Vertrauten und ein paar, sagen wir, gesell-schaftlichen Multiplikatoren aufgebaut, ein System Schweiger, das jede halbwegs profitable Idee gleich noch zweit- und drittverwertet. Er ist fr das Kino, was Ste-fan Raab fr das Fernsehen ist. Der mode-riert auch nur mittelmig, hat sich aber einen halben Privatsender unterworfen. Beide sind raffiniert, beide sind dominant, knnen aber auch abgeben: Raab hat sei-nem Praktikanten Elton geholfen, so etwas wie ein Moderator zu werden. Schweiger hat im Sommer den ersten Film seines frheren Praktikanten produziert. Wenn er jemanden mag, kann er sehr treu sein. Bis heute trifft er sich mit seinen vier besten Jugendfreunden aus Gieen. Seit zehn Jah-ren beschftigt er denselben Assistenten und Fahrer. Dass der, wie Schweiger frher, immer noch in Berlin lebt, macht die Sa-che oft kompliziert, aber den Mann raus-werfen? Macht er nicht. Auf die Frage, mit welchem deutschen Prominenten er wirk-lich befreundet ist, berlegt er lange. Be-freundet?, wiederholt er dann, nur mit Heiner. Er meint Heiner Lauterbach. Am nchsten Tag meldet sich seine Assistentin. Til habe nachgedacht. Er wrde gern noch einen Namen nennen, das sei ihm wichtig: den Schauspieler Fahri Yardim, der im Hamburger Tatort seinen Assistenten spielt.

    Es gibt kaum jemanden aus seinem Be-kanntenkreis, der nicht mal fr wenigstens drei Sekunden in einem Schweiger-Film auftaucht, darunter echte Schauspieler (Ar-min Rohde, Julia Jentsch, Moritz Bleib-treu, Jrgen Vogel, Nora Tschirner, Matthi-as Schweighfer,) echte Promis (Barbara Schneberger, Sarah Brandner, Wladimir Klitschko, Yvonne Catterfeld), seine eige-nen Kinder und ein paar Medienmenschen wie Helmut Markwort oder der Springer-Chef Mathias Dpfner, der in Schutzengel einen Chirurgen spielt. Viele davon sind Schweigers Kumpel. Bei manchen ist es vorteilhaft, sie nicht als Feinde zu haben. Er baut diese Leute in seine Filme, seine Kar-

    riere, seine Biografie ein und lsst es ganz spielerisch, wie einen Gag, aussehen. Die Bild, sagt er, berichtet wahrhaftiger ber mich als alle anderen. Man wundert sich nicht, warum er das so empfindet. Als er vor ein paar Wochen vom Bild-Reporter Norbert Krzdrfer interviewt wurde, konnte er ihm endlich die Badehose zu-rckgeben, die der ein paar Tage zuvor in Schweigers Finca vergessen hatte.

    Wenn Schweiger von etwas begeistert ist, kann er unglaublich fleiig und pedan-tisch sein. Moritz Bleibtreu nennt ihn eine unentwegt arbeitende Ein-Mann-Maschi-ne. Am Set verbringt er fast jede Pause im Schneideraum. Den Rohschnitt hat er oft schon am letzten Drehtag fertig. Und wenn der Film anluft, fhrt er durch Deutschland, setzt sich in Chemnitz oder Braunschweig ins Kino und schreibt mit, bei welchen Szenen die Leute lachen und bei welchen sie gerhrt sind. Er will immer noch genauer wissen, wie und warum eine Stelle funktioniert. Eine Ex-Freundin hat ihn mal mit einem Fahrrad verglichen: Wenn es nicht fhrt, fllt es einfach um.

    Schweiger ist besessen vom Kino. In seinem Bcherregal stehen die Biografien von Paul Newman und Frank Sinatra, da-neben DVDs seiner Lieblingsfilme: Die Faust im Nacken mit Marlon Brando, Die zwlf Geschworenen mit Henry Fonda, Wie ein wilder Stier mit Robert De Niro. Er wei, was das ist: ein Jahrhundertfilm. Trotzdem muss er nicht auf Teufel komm raus Bedeutsames schaffen. Es reicht ihm, wenn ein Film s oder niedlich, lustig oder rhrend ist. Er mchte etwas ma-chen, wofr die Leute zwlf Euro zahlen und danach sagen: Hat sich gelohnt, war doch nett. Ein gemtlicher Abend ist bei ihm immer ein DVD-Abend, im Fern-sehen schaut er eigentlich nur Fuball und Tagesthemen. Dafr kennt er Hunderte von Filmszenen und -dialogen auswen-dig. Er hat ein unglaublich gutes Gespr fr Menschen, Stoffe und Milieus, ber-haupt Atmosphrisches. Er ist neugierig, saugt auf, schaut ab, macht nach und zahlt im Gegensatz zu den meisten ande-ren das Geld aus der Filmfrderung ir-gendwann zurck. Seine Filmtitel sind sperrig, bleiben aber im Kopf. Die Film-musik sucht er immer selbst aus, viele der Titel zum Beispiel Apologize von One Republic wurden anschlieend Welt-hits. Und Keinohrhasen war auch deswe-gen so ein Erfolg, weil er die Lebenswelt des urbanen Mittelstands so perfekt abbil-det, samt Kita-Gebhren und Bio-Gem-

    So gern der Mannprovoziert, was das

    Wohnen betrifft, hat erden Zeitgeist kritiklosverinnerlicht. In derKche steht ein

    Apple-Laptop nebeneiner Schale mit Ingwer-

    wurzeln. Auf demSofatisch liegt ein

    schwerer Afrika-Bild-band aufgeschlagen

  • se. Ein Kritiker hat mal geschrieben, der Charme einer Schweiger-Komdie be-stehe aus chauvinis tischen und frauen-zeitschriftstauglichen Geschlechterkli-schees. Das ist nicht ganz falsch. Es ist aber auch nicht falsch, dass es der Charme ist, den die Deutschen lieben. Schweiger hat das begriffen. Er hat Deutschland und die Sehnschte seiner Menschen begrif-fen. Seitdem lebt er davon.

    Es ist nicht so, dass er irgendwann zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Aber er war immer bereit, Risiken einzugehen, Entscheidungen zu treffen, Lebenspha-sen, Menschen, Orte hinter sich zu lassen. Als er Mitte der Neunziger seine erste Produktionsfirma grndet, rumt er sein Konto leer und sucht sich einen Partner, der zwar pleite, aber irgendwie sympa-thisch ist. Im Focus-Fragebogen hat er mal gefordert, dass in Deutschland Leis tung, Erfolg und Eigeninitiative strker be-lohnt werden mssten. Klingt nach FDP. Tatschlich hat er dieses Jahr zum ersten Mal CDU gewhlt, obwohl er streng bil-dungsbrgerlich-sozialdemokratisch er-zogen wurde und 2002 fr Gerhard Schrder Wahlkampf gemacht hat.

    Schweiger hat sich immer wieder vern-dert, gehutet. Sein Leben liest sich wie ein Entwicklungsroman, bei dem der Held vielleicht nicht die passende Frau, aber seine Berufung, seine gesellschaft-liche Stellung gefunden hat: Er hat ein 1,7-Abitur gemacht und ein paar Semes-ter Medizin studiert. Er hat in einem Klner Kellertheater debtiert, in einem Stck namens Sngerkrieg der Heidehasen. Er hat ein Jahr lang in der Lindenstrae mitgespielt, ein amerikanisches Model geheiratet, vier Kinder bekommen und sieben Jahre in Los Angeles gelebt. Er hat mit Brad Pitt, Angelina Jolie und Robert De Niro gedreht und Steven Spielberg abgesagt, als der ihn fr Der Soldat James Ryan haben wollte. Ich spiele keinen Nazi, hat Schweiger sich mal geschwo-ren und Wort ge halten. Natrlich hie es nachher, er habe es nicht geschafft in Hollywood. Hat er auch nicht. Aber er hat gelernt, gro zu denken, und er hat die Basis geschaffen fr alles, was er da-nach geschafft hat.

    Ende September, eine Schiffswerft in Hamburg-Finkenwerder. Wieder Niesel-regen, Mwengeschrei, Sonntagabend-

    Er hat mit Brad Pitt, Angelina Jolie

    und Robert De Niro gedreht und

    Steven Spielberg abgesagt, als der ihn fr

    Der Soldat James Ryan besetzen wollte

    Til Schweiger kontrolliert gern, auch sich selbst. Kaum hat er seine szene fertiggedreht, macht er zweierlei: er zndet sich eine Zigarette an. Und strzt zur Kamera, um sich die aufnahme noch mal anzusehen.

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    atmosphre: ein bisschen trostlos, sehr deutsch. Schweigers ersten Tatort 2012 sahen 12,57 Millio-nen Zuschauer, so viele wie seit zwanzig Jahren nicht mehr. Als er von der Traumquote hrt, schreibt er eine SMS an den Kollegen Jan Josef Liefers: Es ist ein neuer Sheriff in der Stadt. Ge-rade dreht er seinen zweiten, Arbeitstitel: Kopfgeld. Ein paar Werftarbeiter schauen zu. Verlegen hoffen sie auf ein Autogramm. Wenn schon mal ein Weltstar auf dem Gelnde ist, sagen sie. Stimmt sogar ein bisschen: Schweiger ist wirklich kein rein deutsches Phnomen. In Moskau auf der Strae zum Beispiel erkennt ihn jeder. Die Rus-sen lieben ihn und seine Filme, aber die Russen lieben halt auch Dieter Bohlen und H.P. Baxxter.

    Szene 155, Take 1, ruft jemand, die Kamera luft: In einem Auto sitzt ein trkischer Junge in Handschellen, vorne mht sich der offenbar schwer verletzte Schweiger im Krankenhausleib-chen aus dem Vordersitz. Als er endlich steht, sieht man seinen glatten, braungebrannten Hin-tern. Schwuchtel, zischt der Junge. Und Schwei-ger dreht sich um und schaut ihn lange und bse an, das Gesicht violett, voller Schrammen und getrocknetem Blut. Cut!, ruft der Regisseur.

    Was fr eine Fresse, jubelt der Produzent, so mnnlich, so amerikanisch, das kann nur Til, whrend eine Assistentin auf Schweiger zu-strzt, ihm eine Daunenjacke um die Schultern

    hngt und eine Wrmflasche vor die Brust stopft. Genau genommen kann er zwei Gesichter ganz gut: den Straenkter und den begossenen Pudel, der in Zweiohrkken im Teddybr-Schlaf-anzug aus dem Bett steigt und wirklich passiert beim Heiratsantrag die Ringe vergisst. Verlie-ben kann man sich in beide.

    Drehpause. Schweiger sitzt neben dem ein-zigen Heizstrahler und lsst sich von seiner Stylis-tin den Nacken massieren. Ist meine Konkubi-ne, sagt er, dreht sich um und lchelt. Er mag es einfach: kurz schocken und mit einem lieben Blick alles wieder gut machen. Er knnte sich jetzt ein Stndchen hinlegen, aber whrend die Crew zu den Bierbnken am Cateringstand schlendert, mchte Schweiger die Zeit ntzen, um den Hauptdarsteller fr seinen nchsten Film zu finden. Titel: Honig im Kopf, eine Alz heimer-Geschichte. Er hockt also in seinem Wohnwagen, schaufelt Thai-Curry in sich rein und lsst seinen Cas ting-Agenten aufzhlen, wen der sich so fr die Hauptrolle berlegt hat. Es ist die allererste Garde deutscher Schauspieler zwischen sechzig und achtzig: Bruno Ganz. Armin Mueller-Stahl. Maximilian Schell. Mario Adorf. Weiter. Weiter. Weiter, sagt Schweiger. Er muss nur das Gesicht sehen, der Richtige war noch nicht dabei. Unser Mann muss beides knnen, sagt er, rhrend und komisch. Pltzlich fllt der Name Dieter Hallervorden. Schweiger legt die Gabel weg. Didi?, fragt er, knnte passen. Zeig mal was auf You tube. Gemeinsam schauen sie den Trailer von Hallervordens neuem Kinofilm an. Didi isses, sagt er pltzlich, Didi ist perfekt, und ruft sofort seine Assistentin an, sie mge Herrn Haller-vorden das Drehbuch schicken und einen Termin ausmachen. Eine halbe Stunde spter hat die Crew fertig gegessen und Schweiger sein nchstes groes Ding am Haken. Hallervorden ist interes-siert, er werde morgen am Set vorbeikommen.

    Der Junge hat Star-Potenzial, prophezeite Bernd Eichinger, als er Schweiger 1991 in Manta, Manta gesehen hat. Bis heute gibt es keinen Men-schen, den Til Schweiger mehr verehrt als ihn. Bei Eichinger war es so, dass er lange nicht gewrdigt worden ist. Nach seinem Tod haben die Kritiker gar nicht mehr aufgehrt, ihn zu vermissen. Viel-leicht ist es bei Til Schweiger ja so, dass er schon bald als das anerkannt wird, was er ist: ein leiden-schaftlicher, ein ehrlicher Mensch. Kein Schwt-zer. Und ein Filmemacher, der wei, was er kann. Aber auch, was er nicht kann.

    Am Tatort-Set belauschte to b i a s h a b e r l folgenden Dialog zwischen Schweiger und seinem 13-jhrigen Schau-spielkollegen. Schweiger: Dein erster

    Dreh? Junge: Ja. Deiner auch? Schweiger: Nee, mein zweiter. Schweigers zweiter Tatort wird nchstes Jahr in der ARD ausgestrahlt.

    til schweiger hasst zwei Dinge: Verlogenheit und Bndchenoder Kragen an T-Shirts und Pullovern.