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24 Süddeutsche Zeitung Magazin Süddeutsche Zeitung Magazin 25 Protokolle MAX FELLMANN und KERSTIN GREINER Fotos JULIAN BAUMANN EIN STüCK VOM GLüCK In der Münchner Bayernkaserne leben Hunderte von Flüchtlingen, ihre Geschichten sind voller Gewalt und Krieg. Mit dem Nötigsten sind sie nun versorgt. Doch was wünschen sie sich persönlich noch? Auf diese Frage geben sie erstaunliche Antworten – und da kommen die Leser des SZ-Magazins ins Spiel (siehe Seite 32) FARHAN SALAH Ich bin seit vier Monaten hier. Mein Mann ist in einem anderen Auffanglager gelandet. Ich war schwanger, meine Tochter ist hier vor zwei Monaten zur Welt gekommen. Er hat sie noch nicht gesehen. Zum Glück habe ich im Lager Kawsar kennengelernt. Er ist auch Somalier und hilft mir. KAWSAR DANIR Meine Flucht aus Somalia hat zwei Jahre gedauert. Mehr als ein Jahr davon saß ich in Malta im Gefängnis. Die greifen Flüchtlinge auf und stecken sie erst mal in den Knast. SALAH Immerhin kannst du jetzt ziemlich gut Englisch. DANIR Ja, weil ich mit Nigerianern in einer Zelle saß. Man muss das Beste aus allem machen. SALAH Wir mussten weg, weil mein Mann von den vielen Milizen in Somalia bedroht wurde. Sie wollten, dass er mit ih- nen kämpft, sie sind brutal. Wie war das bei dir? DANIR Das Gleiche. Jede Gruppe in diesem Bürgerkrieg hat gesagt, ich müsse bei ihnen mitkämpfen, sonst sei ich ein toter Mann. Was willst du machen? Ich konnte nur fliehen. Mein Vater hat zu spät reagiert. Den haben sie getötet. Viele meiner Fami- lienmitglieder sind tot. SALAH In Somalia gehst du morgens aus dem Haus und weißt nicht, ob du abends noch lebst. DANIR Da ist alles so kaputt. Ich habe nie eine Schule besucht, die Schulen sind geschlossen. Schreiben habe ich in der Moschee gelernt. Ich würde aber so gern lernen. Und arbeiten. Am liebsten würde ich als Schreiner arbeiten. Es wäre schön, wenn ich einen Werkzeugkasten hätte und ein bisschen üben könnte. SALAH Ich würde gern mit meinem Mann im anderen Lager sprechen können. Wenn ich ein Handy mit Prepaid-Karte hätte, könnte ich ihm von unserem Baby wenigstens erzählen. Farhan Salah wünscht sich ein Mobiltelefon. Kawsar Danir hätte gern Werkzeug, um schreinern zu lernen. »IN SOMALIA GEHST DU MORGENS AUS DEM HAUS UND WEISST NICHT, OB DU ABENDS NOCH LEBST« FARHAN SALAH, 19, UND KAWSAR DANIR, 24, BEIDE AUS SOMALIA Farhan Salah hat Kawsar Danir im Lager kennengelernt – er hilft der jungen Mutter viel.

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Kerstin Greiner und Max Fellmann fragen Flüchtlinge in der Münchner Bayern-Kaserne, was sie sich - jenseits von Kleidung und Grundversorgung - am sehnlichsten wünschen. Die Reaktion der Leser ist überwaltigend, die Redakteure können nicht ansatzweise alle angebotenen Geschenke weitergeben. So viele wie nur möglich landen dennoch direkt bei den Flüchtlingen.

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  • 24 SddeutscheZeitungMagazin SddeutscheZeitungMagazin 25

    ProtokolleMax fellMann und kerStin greinerfotosJulian BauMann

    e i n s t c k v om g l c k

    In der Mnchner Bayernkaserne leben Hunderte vonFlchtlingen, ihre Geschichten sind voller Gewalt und Krieg.

    Mit dem Ntigsten sind sie nun versorgt. Doch waswnschen sie sich persnlich noch? Auf diese Frage geben

    sie erstaunliche Antworten und da kommen dieLeser des SZ-Magazins ins Spiel (siehe Seite 32)

    farhanSalah Ich bin seit vier Monaten hier. Mein Mann ist in einem anderen Auffanglager gelandet. Ich war schwanger, meine Tochter ist hier vor zwei Monaten zur Welt gekommen. Er hat sie noch nicht gesehen. Zum Glck habe ich im Lager Kawsar kennengelernt. Er ist auch Somalier und hilft mir.kawSar danir Meine Flucht aus Somalia hat zwei Jahre gedauert. Mehr als ein Jahr davon sa ich in Malta im Gefngnis. Die greifen Flchtlinge auf und stecken sie erst mal in den Knast.Salah Immerhin kannst du jetzt ziemlich gut Englisch.danir Ja, weil ich mit Nigerianern in einer Zelle sa. Man muss das Beste aus allem machen.Salah Wir mussten weg, weil mein Mann von den vielen Milizen in Somalia bedroht wurde. Sie wollten, dass er mit ihnen kmpft, sie sind brutal. Wie war das bei dir?danir Das Gleiche. Jede Gruppe in diesem Brgerkrieg hat gesagt, ich msse bei ihnen mitkmpfen, sonst sei ich ein toter

    Mann. Was willst du machen? Ich konnte nur fliehen. Mein Vater hat zu spt reagiert. Den haben sie gettet. Viele meiner Familienmitglieder sind tot.Salah In Somalia gehst du morgens aus dem Haus und weit nicht, ob du abends noch lebst.danir Da ist alles so kaputt. Ich habe nie eine Schule besucht, die Schulen sind geschlossen. Schreiben habe ich in der Moschee gelernt. Ich wrde aber so gern lernen. Und arbeiten. Am liebsten wrde ich als Schreiner arbeiten. Es wre schn, wenn ich einen Werkzeugkasten htte und ein bisschen ben knnte.Salah Ich wrde gern mit meinem Mann im anderen Lager sprechen knnen. Wenn ich ein Handy mit PrepaidKarte htte, knnte ich ihm von unserem Baby wenigstens erzhlen.

    Farhan Salah wnscht sich ein Mobiltelefon. Kawsar Danir htte gern Werkzeug, um schreinern zu lernen.

    I n S o m a l I ag e h S t d u

    m o r g e n S a u Sd e m h a u S

    u n d w e I S S tn I c h t , o b d ua b e n d S n o c h

    l e b S t

    F a r h a n S a l a h , 1 9 , u n d K a w S a r d a n I r , 2 4 , b e I d e a u S S o m a l I a

    Farhan Salah hat Kawsar Danir im Lager kennengelernt er hilft der jungen Mutter viel.

  • 26 SddeutscheZeitungMagazin SddeutscheZeitungMagazin 27

    Ich htte gern eine Gitarre. Wir sitzen den ganzen Tag in diesem Lager und haben nichts zu tun, alle schauen nur an die Wand und werden trbsinnig. Das ist doch ein Wahnsinn! Ich wrde gern mit den anderen ein paar Lieder singen, das wre wenigstens mal eine Abwechslung.

    Meine Eltern sind auch hier, meine zwei Schwestern, meine zwei Brder. Wir haben alle zusammen die Flucht gewagt, raus aus dem Krieg. Wir hatten nichts zu verlieren, unser Haus gibt es nicht mehr, von Raketen weggebombt, alles, was wir hatten, ist unter Schutt begraben. Auf meinem Fensterbrett stand immer ein altes Kinderfoto von mir, das ist jetzt verbrannt. Als ich gestern an dieses Foto denken musste, wurde mir brutal klar: Es gibt von uns allen keine Fotos mehr, keine Erinnerungsstcke, keine Briefe, keine Unterlagen, nichts. Natrlich

    knnten wir jetzt den ganzen Tag dasitzen und heulen. Aber das bringt nichts. Wir mssen sehen, wie es weitergeht. Immerhin leben wir alle noch und haben es bis nach Deutschland geschafft.

    An diesem Land gefllt mir die StehaufmnnchenMentalitt. Schon zu Luthers Zeiten haben sich die Leute gegenseitig die Kpfe eingeschlagen, aber dann haben sie sich wieder zusammengerauft und gemeinsam weitergemacht. Und nach dem Dritten Reich wieder. Die Deutschen knnen das gut, Jacke abklopfen, Hnde ausschtteln, weitermachen. Irgendwann muss der Krieg in Syrien vorbei sein es wre schn, wenn meine Leute das dann auch so hinbekmen.

    Ahmed Sandeh wnscht sich eine Gitarre.

    Ich bin zum dritten Mal schwanger, meine ersten beiden Kinder habe ich verloren. Vierter Monat, bisher sind alle Tests in Ordnung. Mein Mann ist in Griechenland, bis dahin hatten wir es schon vor einem Jahr geschafft. Aber in Athen haben sie mich nicht ins Krankenhaus gelassen. Deshalb hat sich mein Mann Geld geliehen und mich hierher geschickt. Ich habe sechs Mal vergeblich versucht, mit geflschten Papieren einen Flug zu kriegen, erst beim siebten Mal hat es geklappt.

    Als ich in Deutschland ankam, hat die Polizei am Mnchner Flughafen meinen Ausweis sofort als Flschung erkannt. Dann stand auch schon ein Bus bereit, und ich wurde nach Milbertshofen ins Auffanglager gebracht. Hier sind 100 schwangere Frauen und Wchnerinnen, aber wir drfen jederzeit ins Schwabinger Krankenhaus gehen und uns untersuchen lassen.

    Wenn mein Kind ein Junge wird, soll er Jamal heien. Wenn es ein Mdchen wird, Stavrola. Ich hoffe instndig, dass dieses Mal alles gut geht. Und dass mein Mann bald nachkommen kann, vielleicht sogar vor der Geburt. Falls er

    es nicht schafft, wre es schn, einen Fotoapparat zu haben ich wrde fr ihn gern die ersten Tage unseres Kindes festhalten.

    Aveen Yussef wnscht sich einen Fotoapparat.

    Ahmed Sandeh will die Stimmung im Flchtlingslager verbessern.

    a v e e n Y u S S e F , 2 0 , a u S a F r I n , S Y r I e n

    a h m e d S a n d e h , 2 2 , a u S a l e p p o , S Y r I e n

    n at r l I c h K n n t e n w I r d e n g a n z e n t a g d a S I t z e n u n d h e u l e n . a b e r d a S b r I n g t n I c h t S . w I r m S S e n S e h e n , w I e e S w e I t e r -g e h t

    Schwanger und allein: Die Kurdin Aveen Yussef wartet auf ihren Mann.

    h I e r S I n d 1 0 0 S c h w a n g e r e F r a u e n , a b e r w I r d r F e n j e d e r z e I t I n S S c h w a b I n g e r K r a n K e n h a u S

  • 28 SddeutscheZeitungMagazin SddeutscheZeitungMagazin 29

    Was sich die Syrer untereinander antun, ist grauenvoll. Jedesmal wenn wir in Syrien anrufen, ist wieder jemand tot, den wir kennen. Wir glauben nicht, dass wir bald zurck knnen. Wir sind geflohen, weil ich Reservist der Armee bin aber ich will nicht kmpfen. Die deutschen Behrden verlangen jetzt, dass mein Vater meinen Armeeausweis aus Syrien schickt aber wenn jemand sieht, was er da macht, wird er erschossen!

    Wir sind von Libyen mit dem Boot gekommen. Es war schrecklich, ein Holzboot mit 300 Menschen, so wie man sich das vorstellt: Wir haben 4000 Dollar fr die berfahrt bezahlt, aber die Libyer haben gesehen, dass wir noch Geld dabeihaben. Auf hoher See haben sie uns ausgeraubt: Handys, Geld, Psse. Wir haben gebettelt: Bitte lasst uns wenigstens unsere Psse! Aber die Mnner haben nur gelacht: Das ist doch das Wertvollste! Es scheint ein blhendes Geschft zu sein, Psse zu verkaufen. Sie haben auch die Schwarzafrikaner auf dem Boot schrecklich misshandelt. Wir Syrer scheinen in der Hierarchie noch weiter oben zu stehen, uns haben sie immerhin nicht geschlagen. Die armen Schwarzafrikaner haben furchtbar geschrien. Unsere Kinder haben alles mitbekommen, jetzt wachen sie nachts auf und weinen. Besonders Abdul ist von der Flucht traumatisiert. Er wnscht sich ein Polizeiauto zum Spielen. Wir wrden es ihm gern schenken, damit er sieht: Wir sind jetzt in Sicherheit, hier passt die Polizei auf!

    Judy wnscht sich einen Puppenkinder-wagen mit Puppe, Abdul ein Polizeiauto. Die Mutter Sarah wrde sich ber ein gebrauchtes Tablet fr Kinderfilme freuen. Vater Zuhair A. hofft auf eine Schultertasche, wie sie ihm auf der Flucht gestohlen wurde.

    z u h a I r a . , 3 2 , m I t S a r a h , 2 5 ,

    u n d d e n K I n d e r n a b d u l , 6 , u n d j u d Y , 3 , a u S

    d a m a S K u S , S Y r I e n

    w I r S I n d v o n l I b Y e n m I t d e m b o o t g e K o m m e n ,

    e I n h o l z b o o t m I t 3 0 0 m e n S c h e n . a u F h o h e r S e e h a b e n u n S d I e S c h l e u S e r

    a l l e S g e n o m m e n : h a n d Y S , g e l d , p S S e

    Seine Familie war schlimm dran, aber nicht so schlimm wie die schwarzafrikanischen Flcht-linge, sagt Zuhair A., der unkenntlich bleiben mchte, weil er in Syrien desertiert ist.

    SZ-MagaZin Knnen wir uns kurzmit Ihnen unterhalten?

    evanS adeny Klar, logisch!Wieso sprechen Sie so gut Deutsch?

    Ich bin schon seit zwei Jahren hier, aber Deutsch habe ich in zwei Monaten gelernt. Ich wohne nicht in der Bayernkaserne, sondern in einem Asylprojekt in Augsburg. Vorher war ich im SOSKinderdorf, weil ich als unbegleiteter minderjhriger Flchtling mit 17 gekommen bin. Ein Mann hat mich hierher gebracht, mit dem Flugzeug. Er hat mir auf dem Flughafen eine Brezel in die Hand gedrckt: Er komme gleich wieder. Ich habe ihn nie wiedergesehen. Ein paar afrikanisch aussehende Frauen haben mir dann gesagt, wie ich ins Flchtlingslager komme.

    Warum wollten Sie aus Uganda weg?

    Ich musste dort bei den Rebellen von der Lords Resistance Army als Kindersoldat kmpfen. Sie haben mich und ein paar Freunde vom Schulweg verschleppt, da

    war ich 13. Wir mussten schreckliche Dinge tun, sie haben uns geschlagen und wie Sklaven gehalten. Bei einem Gefecht mit der kongolesischen Armee habe ich mich in einem Graben verkrochen. Dann bin ich sieben Stunden gelaufen, bis mich ein Mann versteckt hat. Ich wollte nach Hause, aber dann habe ich erfahren, dass meine Eltern inzwischen tot waren. Die LRA hat nach mir gesucht, das ugandische Militr auch. Ein Onkel hat meine Ausreise organisiert.

    Und was machen Sie heute hier in der Kaserne?

    Ich will noch mal Asyl beantragen, mein erster Antrag wurde abgelehnt.

    Was haben Sie die vergangenen zwei Jahre in Deutschland getan?

    Ich liebe den FC Bayern und spiele selbst Fuball beim FC Hochzoll in Augsburg. Es gibt ein Foto von mir, wie ich in einem BayernShirt kicke, das hat einen Fotowettbewerb der Stadt Mnchen gewonnen. Es ist im Winter aufgenommen, alles wei, nur ich bin schwarz und das Logo

    des FC Bayern rot. Ich fotografiere selbst gern und modele auch ein bisschen. Meinen Hauptschulabschluss habe ich mit 2,2 bestanden: Mathe eins, Deutsch drei, Sozialkunde zwei, Sport eins, Ethik zwei. Ich hatte ein Angebot fr einen Ausbildungsplatz bei H & M. Leider habe ich keine Arbeitserlaubnis. Ich will arbeiten, ich will Steuern zahlen und nicht abhngig sein vom Staat. Ich will dieses Land untersttzen!Was wnschen Sie sich zu Weihnachten? Viele Deutsche wissen gar nicht, wie gut sie es haben, dass sie nicht andauernd um ihr Leben frchten mssen. Ich wnsche mir, in Sicherheit leben zu drfen. Ansonsten wrde ich mich sehr ber neue Fuballschuhe freuen, Gre 42. Und ich hoffe, es klingt nicht unhflich: Bein-schoner dazu wren groartig.

    Evans Adeny wnscht sich Fu-ballschuhe.

    e v a n S a d e n Y , 2 0 , a u S u g a n d a

    Evans Adeny aus Uganda hat in nur zwei Monaten Deutsch gelernt so flssig, als wre er in Oberbayern geboren worden: Man hrt einen leichten bairischen Zungenschlag.

  • 30 SddeutscheZeitungMagazin SddeutscheZeitungMagazin 31

    Ich wnsche mir ein Weihnachtskleid. So ein richtig festliches Kleid, mit dem ich vor dem Christbaum stehe und schn aussehe. Mein letztes Weihnachtskleid habe ich vor zehn Jahren von meinem Vater bekommen: ein rotes, mit groen Blumen drauf. Dann ist er gestorben, und es wurde alles schrecklich. Sein bester Freund wollte, dass ich ihn heirate. Er ist so alt wie mein Vater! Aber meine Stimme zhlte nicht. Meine Familie drohte mir, ich msse der Heirat zustimmen, sonst wrde mir etwas Schlimmes passieren. Also habe ich gesagt, okay, wir heiraten, aber vorher will ich noch etwas von der Welt sehen, zahl mir einen Flug nach Holland, ich schaue mir alles an, dann komme ich zurck. In Holland bin ich abgehauen. Er sucht mich jetzt in Holland, deswegen bin ich weiter nach Hamburg. Im Auffanglanger in Hamburg habe ich einen Nigerianer kennengelernt und jetzt gibt es David,

    meinen Sohn. Er ist knapp vier Monate alt. Aber sein Vater und ich haben uns aus den Augen verloren, weil mein Telefon gestohlen wurde und ich von einem Tag auf den anderen in dieses Lager nach Mnchen verlegt wurde.

    David und ich werden schon ber die Runden kommen. Wir sind hier gut versorgt. Und ich will auf keinen Fall undankbar klingen: Die Kleidung, die man uns geschenkt hat, ist wunderbar, sie hlt warm und ist schn. Wir freuen uns, dass die Deutschen an uns Flchtlinge denken und uns von ihren schnen Sachen etwas abgeben. Aber fr Weihnachten wrde ich mich gern hbsch machen, mit einem richtigen Weihnachtskleid, Gre 38, dazu vielleicht schne Schuhe, Gre 39. Man trgt hier zu Weihnachten nicht so ein Dirndl, oder?

    Ruth Ebohon wnscht sich ein festliches Kleid fr den Weihnachtsabend.

    r u t h e b o h o n , 3 2 , a u S n I g e r I a

    Wir vier sitzen hier friedlich nebeneinander, dabei mssten wir uns gegenseitig umbringen. Mein Kumpel Osman (2. von links) und ich (rechts) sind syrische Kurden, Amin (links) und Muhammad (3. von links) sind arabische Syrer. Aber wir verstehen uns gut, und wir haben alle die gleichen ngste, Sorgen, das gleiche Heimweh.

    Ich war in der Armee, die hatten mich eingezogen, aber ich kam zur Truppenversorgung. Ich hatte nicht mal eine Waffe, mit der ich mich verteidigen konnte. Als der Krieg immer heftiger wurde, habe ich die Flucht ber die Trkei versucht. Ich war mit vier anderen unterwegs an der Grenze, die wurden alle erschossen.

    Mich htte es dann fast erwischt, als ich mit einer anderen Gruppe weiter nach Griechenland wollte. Da war ein riesiger Fluss, einer muss te rberschwimmen und ein Seil am gegenberliegenden Ufer befestigen. Ich habe es versucht und wre um ein Haar ertrunken. Die anderen haben mich rausgezogen und wiederbelebt.

    Ich bin quer durch mehrere Lnder marschiert, irgendwann aus Versehen im Kosovo gelandet, von da weiter nach Serbien, dann nach Ungarn. In Ungarn sa ich im Gefngnis, es war die reine Hlle: Ich wurde geschlagen, bespuckt, ich sa in vollgeschissenen Kellerlchern. Na ja, irgendwann, vier Lnder spter, hatte ich es hierher geschafft.

    Ich habe keine groen Wnsche, im Augenblick bin nur froh, dass ich berlebt habe. Wir wrden alle gern Deutsch lernen, um uns ntzlich zu machen. Mein Kumpel Amin hier ist ein schlauer Kerl, er sagt, dabei knnten uns KinderDVDs helfen, da ist die Sprache am einfachsten. So htten wir vielleicht eine Chance, langsam reinzufinden.

    Nadir Al-Mahmud wnscht sich DVDs mit Kinderfilmen.

    w I r v I e r S o l l t e n v e r F e I n d e t S e I n . a b e r w I r h a b e n a l l e d I e g l e I c h e n n g S t e u n d S o r -g e n , d a S g l e I c h e h e I m w e h

    n a d I r a l - m a h m u d , 3 1 , a u S K o b a n e ,

    S Y r I e n

    Nadir Al-Mahmud (rechts) ist auf seiner Flucht dem Tod mehrmals knapp entkommen.

    Ruth EbohonsSohn David ist in Deutschland zur Welt gekommen, den Kontaktzum Vater hatsie verloren.

  • 32 SddeutscheZeitungMagazin SddeutscheZeitungMagazin 33

    kerStin greiner , Max fellMannundJulianBauMann

    Die Redakteure und der Fotograf danken dem bersetzer Samer Darouiche und ganz besonders Margit Merkle und den Ehrenamtlichen der Mnch-ner Flchtlingshilfe fr ihre Untersttzung bei der Recherche. Die selbstlosen Helfer in der Bayern-kaserne haben brigens am Rande auch einen Wunsch verraten: eine funktionierende Toilette mit flieendem Wasser. Kann irgendjemand helfen?

    Ich bin tot. In der Schlacht gefallen im Oktober 2012. Damals war ich Soldat, ich geriet mit meiner Truppe in ein Bombardement in einem kleinen Dorf, zwanzig Kilometer von Aleppo entfernt. berall Schutt, Tote, Lrm, Durcheinander. Das Chaos war meine Rettung, ich bin einfach abgehauen. Deshalb kann ich mein Gesicht nicht zeigen. Wenn die syrische Armee mich hier sehen wrde, bekme meine Familie schreckliche Schwierigkeiten. Und ich, klar, ich kann nie mehr nach Syrien zurck, ich bin ein Deserteur, die wrden mich auf der Stelle erschieen.

    Ich habe nichts mehr in Deutschland, absolut gar nichts. Wenn man im Lager ankommt, nehmen einem die Behrden alles ab, Geld und Wertsachen werden eingezogen als Ausgleich fr die Unterbringung. Wir drfen 140 Euro Taschengeld behalten. Aber ich komme zurecht, es geht mir den Umstnden entsprechend gut. Das Einzige, was ich gern mal wieder erleben wrde: in einem guten Anzug die Strae runterzugehen. Ich htte gern einen gut geschnittenen Anzug, ein weies Hemd, eine Krawatte. Um mich als Mensch zu fhlen. In Aleppo hatte ich einen guten Job, ich bin studierter Anwalt. Dann kam der Krieg, und ich sollte gegen Leute kmpfen, die meine Brder sind. Ich verstehe bis heute nicht, was das alles soll. Der Krieg frisst unser Land auf.

    Hayssam A. wnscht sich einen Herren-anzug mit Hemd und Krawatte, Gre 50/52 bzw. L.

    S o K n n e n S I e S c h e n K e n

    Wollen Sie einem Flchtling seinen Wunsch erfllen? Dann schreiben Sie uns eine E-Mail mit der Bezeichnung dieses Geschenkwunsches in der Betreffzeile an [email protected]. Wir leiten alles Weitere in die Wege. Wenn Sie darber hinaus noch helfen wollen: Alle Flchtlinge freuen sich ber MVV-Monatskarten und ber Eintrittskarten fr Sport- oder Musikveranstaltungen. Aktuell bruchte die Kleiderkammer der Bayernkaserne auerdem wieder Einweg-rasierer, Deos, Rasierschaum und kleine Herrenjacken sowie Herrenschuhe in den Gren 42/43. Eine Bedarfsliste finden Sie im Internet unter www.diakonia.de/fluechtlinge. Sachspenden knnen in der Dachauer Strae 192 abgegeben werden.

    h a Y S S a m a . , 2 8 , a u S a l e p p o , S Y r I e n

    b e r a l l S c h u t t , t o t e , l r m , d u r c h -

    e I n a n d e r . d a S c h a o S w a r m e I n e

    r e t t u n g , I c h b I n e I n F a c h a b g e h a u e n

    Hayssam A. zeigt sein Gesicht nicht: Er frchtet, er wrde sonst seine Familie in Gefahr bringen.

    SZ-MagaZin Guten Tag. Sind Sieallein hier?

    david S iSay Ja, ich bin allein geflchtet. Meine Flucht hat viele Monate gedauert. Ich habe mich auch ein paar Wochen im Busch versteckt. Ich hatte vorher bei meinem Onkel gewohnt, meine Mutter lebt in Nigeria, meinen Vater

    kenne ich nicht. Der Onkel hat mich behandelt wie einen Sklaven. Ich durfte nie in die Schule. Ich wollte Christ sein, er aber wollte, dass ich Muslim werde. Ich wollte nur weg dort. Dann bin ich einfach los. ber Nigeria und Libyen in die Trkei, nach Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn. Knnen wir Ihnen zu Weihnachten eine Freude bereiten?Am allermeisten wnsche ich mir einen Freund. Ich bin so einsam. Gibt es etwas, was wir oder unsere Leser Ihnen schenken knnen?Ich wrde so gern lernen! Eines Tages mchte ich Krankenpfleger werden. Bcher wnsche ich mir, ber Krankenpflege, Medizin, Chemie, Biologie, so etwas wrde mich interessieren. Alles, womit ich lernen kann!Vielleicht wre auch ein Besuch im Deutschen Mu-seum schn? Dort kann man viel lernen.Ich war noch nie in einem Museum. Wo ist das?Im Stadtzentrum.Wo ist denn diese Stadt?Die Bayernkaserne, in der

    Sie gerade wohnen, liegt am Ran-de dieser Stadt.

    Die wrde ich gern sehen. In welche Richtung muss ich da laufen?

    David Sisay wnscht sich Einsteigerbcher ber Kranken- und Altenpflege, Biologie, Chemie, Medizin auf Englisch.

    d a v I d S I S a Y , 1 9 , a u SF r e e t o w n , S I e r r a l e o n e

    David Sisay aus Sierra Leone wnscht sich nach monatelanger Flucht nichts lieber, als zu lernen.