MoMent Jänner 2016

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Zeitschriſt für die Rudolf Steiner-Schule Wien-Mauer Winter 2016 / € 2,50 Mo M ent Welcome

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Zeitung von und für die R. Steiner-Schule Wien-Mauer

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Page 1: MoMent Jänner 2016

Zeitschrift für die Rudolf Steiner-Schule Wien-Mauer Winter 2016 / € 2,50

MoMent

Welcome

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MoMent

Zeitschrift von und für Eltern, FreundInnen, LehrerInnen, SchülerInnen

der Rudolf Steiner-Schule Wien-Mauer

Impressum:

Medieninhaber, Verleger, Herausgeber: Verein zur Förderung der

Waldorf-Gemeinschaft (VFWG), DVR NR.: 7864 9742

Absender: [email protected]

1230 Wien, Endresstraße 100

Verlagspostamt: 1230 Wien / Zulassungsnummer: I3Z03954IM

MitarbeiterInnen: Brigitte Födinger E: [email protected] /

Roman David-Freihsl E: [email protected] / Karl Hruza

E: [email protected] / Lena Artaker / Nadja Berke /

Ursula Dotzler / Peter Floquet / Peter Gluchi / Saskia Sautner /

Sabine Trierenberg

Druck: Donau-Forum-Druck, 1230 Wien,

aus umweltfreundlicher Druckproduktion

Kontoverbindung lautend auf: Redaktion Schulzeitung /

IBAN: AT44 2011 1822 2175 1000 / BIC: GIBAATWWXXX

Liebe Freunde unserer Schulzeitung MoMent,

es war uns absolut ernst. Als wir mit der letzten MoMent-Ausga-

be verkündeten, dass diese die letzte sei, war das keine Koket-

terie, das war kein Spielchen mit „Schau‘n wir mal, was passiert.“

Die Ausgabe des vergangenen Herbstes war ein Abschluss – un-

ser Abschied.

Die entscheidende Wende brachte dann allerdings Brigitte

Födinger: Sie nahm mit mir Kontakt auf und meinte: Schreiben

würde sie schon – aber vor allem würde sie uns anbieten, bei der

Koordination der Produktionen zu helfen. Und damit bot uns Bri-

gitte Födinger genau das an, was wir so dringend, so verzweifelt

benötigt hatten!

Und nicht nur das: Auch weitere Schülereltern boten uns ihre

Hilfe an: Peter Floquet schloss sich ebenso unserem Team an

wie Isabella Pohl, eine ehemalige Schülerin unserer Schule, mit

der ich bereits bei der Tageszeitung „Der Standard“ zusammen-

arbeiten durfte. Sie hat uns für diese Ausgabe bereits ein wun-

derbares Interview mit unserem neuen Erstklasslehrer Manfred

Hofer verfasst.

Nicht zuletzt entwarf uns Lena Artaker ein neues Erschei-

nungsbild für das neue Layout, das dann gemeinsam mit Karl

Hruza umgesetzt wurde. Dann stieß auch noch Margarete Goss

dazu, die uns beim Korrigieren der Texte half.

Nicht zu vergessen all jene Redaktionsmitglieder vom „alten“

Team, die wie selbstverständlich weiter machen. Und nicht zu-

letzt all die SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern, die uns all die

Beiträge schickten. Allen, wirklich allen, ein herzliches Danke-

schön an dieser Stelle!“

Eine ganz besondere Freude war es dann, über das zu be-

richten, was unser Land und unsere Schule in ganz besonderer

Editorial, Impressum

Weise während der letzten Monate so intensiv beschäftigt hatte:

Das Thema Flüchtlinge lebte in allen Schulstufen und wurde in

ganz selbstverständlicher, menschlicher Art und Weise aufge-

griffen: Menschen in bitterer Not muss einfach geholfen werden

– ja was denn sonst?

All die Aktivitäten – vom Sammeln, über Hilfsgüter, über den

Benefizabend, bis hin zur direkten Hilfe am Hauptbahnhof durch

die 12. Klasse, haben wir hier in einem Schwerpunkt aufbereitet.

Über all dem steht: Es sind Menschen, die einfach helfen.

SchülerInnen, LehrerInnen, Eltern. Sei es im Großen – in der

Flüchtlingshilfe, sei es im vergleichsweise Kleinen – bei unserer

Schulzeitung. Menschen, die nicht fragen: Was bringt mir das?

Was bekomme ich dafür?

Und dafür kann man nur unendlich dankbar sein!

Mit herzlichen Grüßen für das neue und „alte“ MoMent-Team,

Roman David-Freihsl

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_ 3 Refugees Welcome

»Die Erziehungsfrage als soziale Frage (1) «Die soziale Frage – eine Erziehungsfrage?

Darüber sprach Rudolf Steiner wenige Tage vor dem Ausbildungskurs

für die Lehrerinnen und Lehrer der ersten Waldorfschule (2) in Stutt-

gart. Waldorfpädagogik ist ja ein Kind jenes umfassenden Sozialkon-

zepts, das Steiner auf Bitten von Graf Polzer-Hoditz, des bayerischen

Reichsrates Otto von Lerchenfeld und des Fabrikdirektors Emil Molt als

Antwort auf die drängenden sozialen und politischen Fragen in der Zeit

nach dem Ende des Ersten Weltkrieges entwickelt hat. Im Mittelpunkt

einer wirklich zukunftsfähigen politischen Ordnung müsse die Möglich-

keit der individuellen Freiheit des Menschen und nicht allein die Selbst-

bestimmung von „Völkern“ stehen, davon war Steiner gerade ange-

sichts des Nationalismus seiner Zeit überzeugt. Wohl auch deswegen

konzipierte er eine Pädagogik, in welcher dem respektvollen sozialen

Interagieren höchste Bedeutung zukommt: in der Beziehung zwischen

LehrerInnen und SchülerInnen, zwischen Eltern und LehrerInnen, zwi-

schen LehrerInnen untereinander und natürlich zwischen Schule und

Gesellschaft. Verweise darauf füllen Bücher – und Abhandlungen zu

diesen Themen inzwischen viele Regale.

Dass Steiner immer weit gedacht hat, zeichnet sein Lebenswerk

aus – auch in Bezug auf Fragen des sozialen Zusammenlebens inner-

halb der Klasse und einer Unterrichtsgestaltung, die dem einzelnen

Kind den Zugang zu seinen Potentialen ermöglichen soll – selbst wenn

diese nicht gleich offensichtlich sind. Das ruht sicher auch auf Steiners

eigener pädagogischer bzw. heilpädagogischer Unterrichtspraxis. So

schreibt er in seiner Autobiographie über die Erstbegegnung mit dem

als schwerst behindert eingestuften Otto Specht:

Ich bildete mir, nachdem ich das Kind kennen gelernt hatte, das Urteil,

dass eine diesem körperlichen und seelischen Organismus entsprechende

Erziehung die schlummernden Fähigkeiten zum Erwachen bringen müsse.

…Ich musste den Zugang zu seiner Seele finden, die sich zunächst wie in

einem schlafähnlichen Zustand befand… Ich war von dem Glauben durch-

drungen, dass der Knabe zwar verborgene, aber sogar große geistige Fä-

higkeiten hatte. (3)

An der ersten Waldorfschule in Stuttgart wurden dann auch Kinder,

die besonderer Förderung bedurften, angemeldet – und aufgenom-

men! Nicht zuletzt, weil in dem Stuttgarter Kollegium ein Leh-

rer war, der durch seine hohe pädagogische Kunst und bedin-

gungslose Verantwortungsbereitschaft diesen Kindern einen

sicheren Hafen bieten konnte: der Österreicher Dr. Karl Schu-

bert. So gesehen kann die Waldorfpädagogik also auf einen

beinah 100-jährigen Inklusions-Impuls zurückblicken – wenn es

auch vermessen wäre, von einer hundertjährigen Inklusionser-

fahrung zu sprechen, da dieser Impuls nicht immer aufgegriffen

und realisiert wurde …

Das ZENTRUM FÜR KULTUR UND PÄDAGOGIK hat in seinem

Studienangebot auch sog. Spezialisierungskurse in Heilpädago-

gik, die im 3. Studienjahr belegt werden können. Diese richten

sich thematisch nicht nur an Waldorf-Heilpädagogen, sondern

auch aus oben genannten Gründen an Kolleginnen und Kollegen

im Klassenlehrerbereich.

Die politische und soziale Situation ist zweifellos im 21. Jahr-

hundert eine ganz andere als vor hundert Jahren. Doch dass es

gerade heute darum geht, Zugang zu dem zu suchen, was an-

ders, fremd, neu, ungewohnt ist, darüber braucht angesichts

der aktuellen Zeitlage gewiss keine Zeile geschrieben, kein Wort

verloren zu werden: Ob in der individuellen Klassensituation oder

in der Begegnung mit Menschen auf Heimatsuche – nicht darum

geht es heute, ob diese Begegnung stattfindet, sondern darum,

wie wir sie gestalten wollen – und können.

Text: Tobias Richter & Leonhard Weiss

Tobias Richter und Leonhard Weiss sind Mitarbeiter am

Zentrum für Kultur und Pädagogik in Wien und Dozenten

des Masterstudiums Waldorfpädagogik an der Donau-

Universität Krems.

(1) R. Steiner (1991): Die Erziehungsfrage als soziale Frage,

GA 296, Dornach

(2) R. Steiner (1960): Allgemeine Menschenkunde als Grundlage

der Pädagogik, GA 293; Erziehungskunst. Methodisch-Didak-

tisches, GA 294; Erziehungskunst. Seminarbesprechungen und

Lehrplanvorträge, GA 295

(3) R. Steiner (1949): Mein Lebensgang, S. 69, GA 28, Dornach

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4 _ Welcome

Der Wiener Westbahnhof ist seit vier Monaten mein zweites

Büro. Hierher komme ich stundenweise vor der Arbeit, nach der

Arbeit und manchmal am Wochenende. Im Aufenthaltsraum der

Caritas koche ich heißen Tee und verteile Brot und Thunfischdosen,

Zahnbürsten und Windeln, telefoniere mit Notquartieren und Asyl-

beratungsstellen. Rund 50 bis 70 Männer, Frauen und Kinder halten

sich hier tagsüber auf, um sich zu wärmen, bis das Nachtquartier

aufsperrt; viele haben keinen festen Schlafplatz, obwohl sie in Ös-

terreich im Asylverfahren stehen.

Seit September 2015 bin ich freiwillige Arabisch-Übersetzerin für

die Caritas am Wiener Westbahnhof – anfangs fast täglich, jetzt

nach Bedarf und Zeit ein- bis zweimal pro Woche. Arabisch habe

ich als Studentin gelernt, vor mittlerweile 20 Jahren: Arabistik und

Islamwissenschaften als Zweitfach an der Uni Wien, dann mehrere

Aufenthalte im Nahen Osten, unter anderem als Volontärin im Ös-

terreichischen Hospiz in Jerusalem, ein Stipendium, Reisen. Vieles

von der Sprache war in Vergessenheit geraten.

Dann kam der 5. September 2015: Wir steigen frisch vom Kroa-

tien-Urlaub aus dem Nachtzug von Split am Wiener Hauptbahnhof

aus und sehen, dicht gedrängt, hunderte Flüchtlinge in Flipflops am

Bahnsteig stehen. Ich überlasse meinem Mann die Kinder und das

Gepäck, fahre zum Westbahnhof, um zu übersetzen – und bleibe das

ganze Wochenende.

Bis Anfang November haben wir am Bahnhof täglich bis zu 2.000

Transitflüchtlinge betreut, gemeinsam mit Polizei und ÖBB in Züge

begleitet, Sonderzüge und Sonderbusse koordiniert. Insgesamt sind

im Herbst 250.000 Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Deutschland

und in andere EU-Länder durch Wien gereist. Wir, das sind viele,

viele freiwillige HelferInnen und ÜbersetzerInnen mit ägyptischen,

iranischen oder afghanischen Wurzeln, die mehr tun, als nur zu dol-

metschen: Wir geben Informationen, wir organisieren Notquartier-

plätze, begleiten zum Asylverfahren, ins Spital und sind Seelentrös-

terInnen für Menschen im Ausnahmezustand.

Die Geschichten der Flüchtlinge am Bahnhof ähneln einander: Die

meisten Neuankömmlinge sind Kriegsflüchtlinge aus Syrien, Afgha-

nistan und dem Irak. Es sind Männer, Frauen und viele, viele Kinder;

alle sind mit dem Schlauchboot von der Türkei nach Griechenland

gefahren. Viele haben die Überfahrt mit dem Handy mitgefilmt; da

sind winkende Kinder, aber auch Gesichter voller Angst, wenn das

Boot losfährt. Geld und Pass eingeschweißt unter dem T-Shirt, in

der Hand höchstens ein kleiner Rucksack. Manche haben nur vier

Tage über die Balkanroute aus der Türkei benötigt, manche sind

wochenlang zu Fuß unterwegs gewesen, alle haben wenig ge-

schlafen und gegessen. Die meisten kommen am Bahnsteig an und

wissen nicht einmal, dass sie in Österreich sind; sie fragen, ob die U-

Bahn auch bis Deutschland fährt oder ob es weit sei mit dem Taxi.

Und manche Momente graben sich tief ins Gedächtnis ein: Eine

junge, blonde Frau aus der syrischen Stadt Aleppo – sie war dort

Fahrschullehrerin – hat allein die Flucht von der Türkei geschafft, sie

hat seit Tagen nicht geschlafen, sie ist schmutzig und schämt sich

dafür. So, sage ich, jetzt suchen wir dir einmal was Frisches zum An-

ziehen. Im Caritas-Lager finden wir die passende Jeans und Stie-

fel, sie schminkt sich, und ich spendiere ihr einen echten schwarzen

Kaffee vom Bistro. Ihre Schwester lebt am Bodensee in Deutschland,

nahe der Grenze. Sie fragt, wo Bregenz ist, dort würde sie abgeholt.

Ihr Handy ist verlorengegangen, aber sie hat ein kleines Notizbuch

in ihrem bunten Stoffrucksack. Wir erreichen über mein Handy ihren

Schwager in Deutschland, kaufen ein Ticket, und als sie ihren Kaffee

schlürft (der erste nach 30 Tagen), fällt sie mir weinend um den Hals

und weint lange – vor Erleichterung und vor Trauer über all das, was

sie verloren hat in ihrer zerstörten Heimatstadt Aleppo.

Eine Familie aus Syrien bringe ich zum Aufenthaltsraum; sie wol-

len am nächsten Tag weiter nach Deutschland. Sie haben neben drei

großen Kindern ein winziges Bündel Mensch dabei. Wie hat die Frau

das Baby bloß im Schlauchboot unter der Schwimmweste gehalten,

grüble ich, während wir sprechen. Ein bisschen später halte ich die

»Gehst du heute wieder flüchten?«Text: Saskia Sautner

Fotos: © Regina Hügli

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kleine Maria im Arm und frage, wann sie geboren wurde. Unter Trä-

nen erzählt der Vater, dass das Baby im überfüllten Zug, im dichten

Gedränge zwischen schlafenden Flüchtlingen, irgendwo auf der Stre-

cke zwischen Mazedonien und Serbien, nachts, auf einer ausgebrei-

teten Reisetasche zur Welt gekommen war. Er sei der Geburtshelfer

gewesen und habe seither kein Auge zugetan. Erst in Kroatien wagte

die Familie, zur ärztlichen Versorgung zu gehen. Das Baby ist zu die-

sem Zeitpunkt gerade erst drei Tage alt.

Zwischen Bananen verteilen und übersetzen in der Erste Hilfe-

Station treffe ich alte und neue Freunde. Einmal, bei der Untersu-

chung von ein paar schlimm hustenden irakischen Kindern, zwin-

kert mir die diensthabende Ärztin plötzlich zu: es ist Elisabeth

Frank, die ehemalige Schulärztin, die hier als Freiwillige für die Ret-

tungsdienste arbeitet!

Am Westbahnhof lerne ich kurz vor Weihnachten auch Mu-

hammad kennen, einen Familienvater aus Homs, Syrien. Er

wartet dort mit seiner Frau und fünf Buben. Ein sechster Sohn

ist schon im September mit dem Onkel über die Balkanrou-

te nach Wien gereist. Der zehnjährige Ali wurde damals – weil

minderjährig – an eine Wiener Familie in Pflege gegeben; er

geht in die Schule und spricht schon recht gut Deutsch. Bei der

Polizei findet das erste Treffen mit Alis Eltern und Pflegeeltern

statt; alle Beteiligten sind guter Dinge, dass er bald zu seiner

Familie kann. Allein – so einfach geht es dann doch nicht, denn

mangels Quartierplätzen wird die Familie von der Asylbehör-

de nach Graz geschickt, wo sie bis heute noch immer wartet,

mit ihrem Kind wieder vereint zu werden. Wir sind aber guter Dinge,

dass sich auch diese Geschichte zum Guten wendet. Viele Menschen

bemühen sich – um diese Familie und um viele andere; das ist das

Schöne an diesem riesengroßen Drama. Und wenn ich morgens die

Wohnung verlasse, fragt der Rest der Familie verständnisvoll: Gehst

du heute ins Büro oder gehst du flüchten?

Inzwischen sind am Westbahnhof keine Transitflüchtlinge mehr:

Die Route führt derzeit über Spielfeld nach Salzburg und Tirol wei-

ter nach Deutschland. Das Quartierproblem ist trotzdem überall

groß. Wer also Mut hat und ein freies, begehbares Zimmer, eine

leerstehende Wohnung oder ein Büro, kann Gutes tun und für ei-

nige Monate Flüchtlingen Unterkunft geben. Auch HelferInnen in

Notquartieren werden jederzeit benötigt, beispielsweise in den

Quartieren im Krankenhaus Lainz. Infos dazu unter:

http://fluechtlinge.wien.gv.at oder unter der Hotline 01/245 24 99.

Es war – und ist

ein beeindruckendes, Hoffnung weckendes Signal der Zivilgesellschaft: Die Flüchtlingshilfe am Westbahnhof, am

Hauptbahnhof und an vielen anderen Orten des Landes. Ein Beweis, dass es auch ein anderes Österreich gibt, ein

Österreich der Hilfsbereitschaft, ein Österreich der Menschlichkeit. Hunderte, tausende Flüchtlinge kamen – und

viele, sehr viele fragten nicht lange nach oder schauten weg. Sie sahen: Da waren Menschen in Not, Menschen, die

Unglaubliches mitgemacht hatten. Und sie halfen einfach. Unter ihnen eine ehemalige Schülerin unserer Schu-

le: Saskia Sautner. Als sie frisch vom Urlaub heimkehrend am Westbahnhof ankam, sah sie die Menschenmenge,

ging hin – und half. Legte Hand an, setzte ihr Sprachtalent ein, übersetzte und gab damit vielen Flüchtlingsfamilien

Hoffnung und neue Perspektiven. Ihr Einsatz fiel auf. Saskia Sautner wurde mehrfach porträtiert – im schweizeri-

schen Tagesanzeiger etwa oder als eine der „Helden des Jahres“ im Kurier. Saskia Sautner nützte dies, wie auch So-

cial Media-Foren, um von den Schicksalen, die ihr begegnen zu berichten – und damit Verständnis für die Schick-

sale der Flüchtenden zu wecken. Und das Bedürfnis: Selbst helfen zu wollen.

Roman David-Freihsl

Welcome

Tages-Anzeiger – Dienstag, 6. Oktober 2015 International 7

In den USA empört sich kaumjemand darüber, dassdie US-Luftwaffe in Kunduzein Spital bombardiert hat.

Sacha BatthyanyWashington

30 Minuten dauerte der amerikanischeLuftangriff auf das Trauma-Kranken-haus von Ärzte ohne Grenzen (MSF) inKunduz, bei dem am Samstag 22 un-schuldige Menschen starben, darunter3 Kinder; über 30 Menschen wurdenverletzt. «Die Bomben schlugen ein, unddann hörten wir, wie die MaschinenKreise flogen», wird Heman Naga-rathnam, ein Mitarbeiter der Hilfs-organisation, zitiert. «Nach einer Pauseschlugen noch mehr Bomben ein. Daspassierte immer wieder.» Auf Fotos siehtman das zerstörte Gebäude, kleineFeuer lodern, wo eben noch Menschenbehandelt wurden. Der KrankenpflegerLajos Zoltan Jecs, der den Angriff über-lebte, sagte, die Patienten seien in ihrenBetten verbrannt.

Die Mitteilung über den «Kollateral-schaden», wie ihn das US-Militär nannte,hat weltweit für Empörung gesorgt.Das Internationale Komitee vom RotenKreuz sprach von einer «Tragödie». Derfür humanitäre Hilfe zuständige EU-Kommissar Christos Stylianides sagte:«Ich bin zutiefst schockiert über den Todvon mindestens neun Mitarbeitern vonÄrzte ohne Grenzen.» Falls sich heraus-stellen sollte, dass die Klinik absichtlichins Visier genommen wurde, könnte essich gemäss Said Raad al-Hussein vomUNO-Hochkommissariat für Menschen-rechte um ein Kriegsverbrechen han-deln. Er nannte den Zwischenfall «un-entschuldbar und womöglich sogarkriminell». Die Hilfsorganisation Ärzteohne Grenzen selbst bezeichnete denAngriff als «schweren Verstoss gegenhumanitäres Völkerrecht».

Nur in den USA blieb es seltsam ruhig.US-Verteidigungsminister Ashton Carterversprach eine «volle Untersuchungdes tragischen Vorfalls», auch PräsidentObama sprach von einer «Tragödie»,wollte sich aber noch kein Urteil an-massen. John Campbell, Befehlshaberder amerikanischen Truppen in Afgha-nistan, sprach sein «tiefstes Beileid» ausund meinte, der US-Angriff sei erfolgt,nachdem afghanische Streitkräfte umHilfe angefragt hätten, da sie unter Be-schuss der Taliban geraten waren. Voneinem Fehler aber sprach Campbellnicht, um von einer möglichen Schuldzu sprechen, sei es zu früh.

Schweigen auf TwitterAuch im Wahlkampf fand der Vorfallwenig Beachtung. Zumindest war nichtsvom Unglück in Kunduz auf den offi-ziellen Twitter-Accounts der Kandidatenzu lesen, auf denen sie sonst im Mi-nutentakt alles kommentieren. MarcoRubio, Präsidentschaftsanwärter der Re-publikaner mit aussenpolitischem Flair,schien am Wochenende damit beschäf-tigt, die Vorzüge seines Steuerplans zuverkünden. Donald Trump wies aufneue Umfragen hin, die er alle anführe.Selbst Bernie Sanders, Demokrat amlinken Rand und Gegner militärischerEinsätze seines Landes, schwieg.

Man sollte Unglücke nicht miteinan-der vergleichen, viele Politiker im Landwerden sich übers Wochenende mitdem neuerlichen Schulmassaker ausein-andergesetzt haben, doch der Fehlerdes amerikanischen Militärs, dem dieGPS-Koordinaten des Krankenhausesvorlagen, sei zu weitreichend, zu vieleMenschen seien gestorben, um einfachzu schweigen, sagte Nahostexperte Mi-chael E. O’Hanlon, Direktor eines Think-tanks. «Das Unglück als Kollateralscha-den zu bezeichnen, ist ein Hohn», soO’Hanlon. Jeder Tag, den die USA ver-streichen liessen, um sich angemessenzu entschuldigen, sei ein Tag zu viel.

Am Wochenende hat die Hilfsorgani-sation Ärzte ohne Grenzen verkündet,sich aus Kunduz zurückzuziehen. Damitfehlt der sechstgrössten Stadt des Lan-des eine ihrer wichtigstenmedizinischenEinrichtungen. Um in die nächste Klinikzu gelangen, müssten die Einwohner aneinem guten Tag eine zweistündige Fahrtauf sich nehmen, an Strassensperren derTaliban vorbei. Zwei Stunden, die vieleVerwundete nicht mehr haben.

Ruhenach dem Sturm

«Die meisten nehmen ihre eigene Erschöpfung gar nicht wahr»: Flüchtlingshelferin Saskia Schwaiger im Wiener Westbahnhof. Foto: Regina Hügli

Bernhard OdehnalWien

Der junge Syrer steht ratlos vor demTicketschalter im Wiener Westbahnhof.Er spricht kein Wort Deutsch und keinEnglisch, aber er möchte in die Schweiz.Zu seinem Bruder, der dort als Coiffeurarbeitet. Wie weiter? Nicht überDeutschland, rät Saskia Schwaiger, diezwischen dem Syrer und der Frau amSchalter übersetzt. Besser einen Umwegdurch Österreich machen, erst nachGraz, dann nach Vorarlberg. Dort könneer seinen Bruder treffen. Der jungeMann wirkt nicht, als hätte er alles ver-standen.

Immerhin: Er hat jetzt ein Billett inder Hand und weiss, dass er am nächs-ten Tag um 6.50 Uhr in den Zug steigenmuss. Schwaiger verabschiedet sich undeilt zum Bahnsteig eins. Dort steht einSonderzug bereit, der 400 FlüchtlingeRichtungWesten bringen wird. Vor demZug warten Familien mit kleinen Kin-dern. Schwaiger erklärt auf Arabisch:«Nein, dieser Zug fährt nicht nachDeutschland. Doch, ihr sollt einsteigen,denn in Salzburg seid ihr wenigstensnahe der Grenze.»

Seit drei Wochen arbeitet sie als frei-willige Helferin imWestbahnhof. AnfangSeptember kam die Wienerin mit ihrerFamilie aus den Ferien zurück, sah dasChaos mit Tausenden Flüchtlingen,schickte Mann und Kinder nach Hause –und blieb selbst auf dem Bahnsteig. Mitt-lerweile hat die Caritas die Flüchtlings-arbeit am Westbahnhof übernommen,es gibt ein Kleiderdepot, Essensausga-ben, Ladestationen für Handys und eineRechtsberatung. Übersetzer werdenimmer noch dringend gebraucht.

Schwaiger lernte Arabisch vor vielenJahren während eines Aufenthalts im ös-terreichischen Hospiz in Jerusalem undan der Universität. Viel Wissen ging wie-der verloren, aber «nach drei WochenBahnhof spreche ich es besser als je zu-vor». Schnell lernte sie, die syrischenund irakischen Varianten von Hochara-bisch zu unterscheiden. Den Verdacht,dass sich viele Flüchtlinge nur als Syrer

ausgeben, kann sie nicht bestätigen. Einpaar Marokkaner habe sie entdeckt,«sonst niemanden aus dem Maghreboder aus Ägypten». Meistens sei amWestbahnhof das Arabisch der Syreroder das Farsi der Afghanen zu hören.Es haben sich aber auch schon Syrer beiihr beschwert, dass Iraker mit syrischenPässen unterwegs seien. Solche Pässe,erzählten die Flüchtlinge, seien in Istan-bul für 100 Euro zu bekommen.

Auch als besonders religiös hat dieÜbersetzerin die Flüchtlinge nicht er-lebt. Fragen nach einem Platz zum Be-ten kommen selten. Die Angst, mit derFlüchtlingswelle könnte der IslamischeStaat seine Soldaten nach Europaschmuggeln, teilt sie nicht. Auf derOdyssee durch den Balkan schliessensich die Flüchtlinge zu Reisegruppen zu-sammen, die über Handy auch Kontakt

halten, wenn sie getrennt werden: «Diewürden Islamisten in der Gruppe erken-nen und melden», glaubt Schwaiger. Alsam Wiener Westbahnhof Salafisten mitFlüchtlingen ins Gespräch kommenwollten, alarmierten diese die Polizei.

Weiterhin kommen jeden Tag zwi-schen ein- und viertausend Flüchtlingeüber die ungarische Grenze nach Öster-reich. Sie werden vom Bundesheer ver-sorgt und in Notquartiere gebracht. Ir-gendwann aber tauchen alle im WienerWestbahnhof auf. In den erstenWochenkamen viele Flüchtlinge mit wundenBeinen und offenenWunden, die angeb-lich von den Schlägen ungarischer Poli-zisten stammten. Das kommt heutekaum noch vor. Seit Ungarn Sonderzügevon der kroatischen zur österreichi-schen Grenze fährt, sind die Menschenin besserer Verfassung. Allerdings sindjetzt fast alle erkältet.

Ausserhalb des Bahnhofs ist von derenormen logistischen Leistung kaum et-was zu merken. Der Betrieb ist einge-spielt. Auch Polizisten und Bähnler sindhilfsbereit, wenn auch nicht mehr ganzso freundlich wie in den erstenWochen.Die Spannung steigt merklich, bei Hel-fern, Behörden und bei den Flüchtlin-gen. Jeder spürt, dass es so nicht mehrlange weitergehen kann.

Im Bahnhof begegnet die Übersetze-rin dem gesamten Spektrum des Flücht-lingselends: grossen Familien mit klei-nen Kindern, hochschwangeren Frauen,Alten, chronisch Kranken, Jugendlichenohne Eltern. Traumatisiert sind sie alle,vom Krieg und von der Überfahrt nachEuropa in viel zu kleinen Schlauchboo-ten. Vor allem die Kinder litten fürchter-lich unter der Erinnerung an die Dunkel-heit, das Gedränge und das bedrohlichnahe Wasser. Immer wieder hörteSchwaiger die Geschichte von Lecks unddefekten Motoren. Zwei Mädchen er-zählten von einer stürmischen Über-fahrt: «Und dann ist Hussein ins Wassergefallen.» Sie wagte nicht, nachzufra-gen, wer Hussein war.

Echte Verzweiflung erlebte sie selten.Nur einmal brach eine junge Frau wei-nend an ihrer Schulter zusammen. Daswar in einem Bahnhofsrestaurant, alsdie Frau zum ersten Mal nach Wochensitzen, Kaffee trinken und sich hübschmachen konnte. «Die meisten nehmenihre eigene Erschöpfung gar nichtwahr», bemerkt Schwaiger. Auf dieÜbersetzerin wirken die Flüchtlinge wiedie rosa Hasen aus der Duracell-Wer-bung: «Sie laufen und laufen und laufen,ohne Atempause, das Ziel Deutschlandimmer vor Augen. Die wollen in Wiengar kein Essen, die wollen nur zumnächsten Zug ins gelobte Land.»

Die Berichte über Gewalt zwischenFlüchtlingen in deutschen Lagern über-raschen Schwaiger nicht. Auf der Fluchtseien die Menschen konzentriert, blen-deten alles rund um sie aus, um lebens-wichtige Entscheidungen mit klaremKopf zu treffen. «Da können sie keineGefühle zulassen.» Fallen am Ziel Stressund Nervosität ab, droht die grosse Ent-

täuschung: Auch Deutschland ist nichtdas Paradies. Auch in Deutschlandwarten überfüllte Aufnahmezentren.

Seit Deutschland nur mehr wenigeSonderzüge annimmt und die Schlies-sung der Grenzen näherrückt, steigt dieAnspannung am Wiener Westbahnhof.In kleinen Gruppen stehen die Flücht-linge am Bahnsteig und müssen Ent-scheidungen für ihr Leben treffen. Sol-len sie bleiben und um Asyl nachsu-chen? Oder in den nächsten Zug steigen?Aber wohin fährt der Zug? Die Freiwilli-gen können ihnen selten helfen. ImWestbahnhof gibt es zu wenige Informa-tionen. Selbst die Lokführer erfahrenerst in letzter Minute, ob sie den Sonder-zug nach Salzburg, nach Linz oder aneinen anderen Ort fahren.

In die Schweizwill fast niemandVor ein paar Tagen traf Schwaiger einen18-jährigen Afghanen, der ganz alleinunterwegs war. Seine Familie hatte Geldgesammelt und ihn losgeschickt, in derHoffnung auf eine bessere Zukunft. Nunstand er in Wien und holte sich überWhatsapp Rat bei der Mutter in Kabul,wo denn diese bessere Zukunft liege: inSchweden? Oder doch in der Schweiz?«Geh in die Schweiz», riet die afghani-sche Mutter. Schwaiger bekam von demJungen noch SMS-Botschaften aus demZug, dann brach der Kontakt ab: «Ichwürde gerne wissen, was aus ihm gewor-den ist.» Ausser diesem Afghanen unddem jungen Syrer traf sie in dreiwöchi-ger Arbeit niemanden, der in dieSchweiz wollte: «Die kennen das Landnicht», sagt sie.

Derzeit steht Schwaiger fast täglichauf Bahnsteig eins, in der Früh vor derArbeit und am Nachmittag. Lange, sagtsie, werde sie das nicht mehr durchhal-ten. Auch bei den Kollegen merkt sie dieErschöpfung: Es werde immer schwieri-ger, Nachtdienste zu besetzen. Unlängstwar sie nach einem langen Übersetzer-dienst im Konzerthaus. Die Wiener Phil-harmoniker spielten ein Benefizkonzertfür Flüchtlinge. Bei den ersten Taktenvon Mozarts grosser g-Moll-Symphoniebrach sie in Tränen aus.

Der letzte Zug von Bahnsteig einsSaskia Schwaiger ist Arabisch-Übersetzerin im Wiener Westbahnhof. Weil Deutschland die Grenzen langsamdichtmacht, spürt sie die Anspannung bei Flüchtlingen und Helfern.

«Unddann ist HusseininsWasser gefallen.»Siewagte nicht,nachzufragen,werHusseinwar.

Den vollständigen Artikel des Tages-Anzei-

gers vom 06.10.2015 finden Sie im Internet un-

ter http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/europa/

Der-letzte-Zug-von-Bahnsteig-eins-/story/22039082

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6 _ Welcome

Im Oktober fand in unserer Schule im Großen Festsaal eine Be-

nefizveranstaltung für junge Menschen auf der Flucht statt. Vie-

le Künstler traten auf und stellten sich in den Dienst der Sache. Es

wurde gesammelt, gespendet, und die Darbietungen regten zum

Nachdenken und Reflektieren an.

Einige Kinder der 3. und 5. Klasse hatten sich bereits am Nachmit-

tag dieses Tages getroffen und eine Sammlung organisiert. Davon

möchte ich nun kurz erzählen:

Am Nachmittag desselben Tages treffen sich Letizia und Alida

von der 5. Klasse bei uns zu Hause. Die Kinder sind aufgeregt. Am

Abend ist das Konzert. Sollen sie auch etwas für Flüchtlinge, für die

Veranstaltung tun?

Es tauchen Fragen, einige Fragen auf. Was sind denn Flüchtlinge

überhaupt und woher kommen sie? Wieso gehen sie von zu Hause

weg? Ich beantworte die Fragen, so gut ich es kann.

Nach einer Weile geht plötzlich die Tür von meinem Zimmer wie-

der auf, und ich sehe ein Schild: „Wir bitten um Geld für die Flücht-

linge“. Ich bin erstaunt und überrascht. „Was macht ihr denn“, will

ich wissen. „Papa, wir gehen Geld für die Flüchtlinge sammeln“, ent-

gegnet mir Letizia. Ich rufe ihnen noch nach, sie sollen in der Ge-

gend bleiben, und weg sind sie.

Nach einer Weile kommen sie zurück, und es stehen 24 Euro zu Bu-

che. Die beiden sind damit nicht zufrieden, und schnell haben sie

eine neue Idee. „Wir machen einen Flohmarkt“.

Das Ganze kommt nun in Schwung, und ich bin überwältigt, welche

Dynamik sich da entwickelt. Mit vollem Eifer sind sie bei der Sache.

Sie fragen Zina, Gloria und Mia von der 3. Klasse, die auch bei uns zu

Besuch sind, ob sie mitmachen wollen. Keine Frage – „na sicher sind

wir dabei!“

Das Projekt nimmt weiter Fahrt auf. Sie beratschlagen sich, wie

sie den Flohmarkt gestalten werden, diskutieren und bauen auf. Je-

doch der Flohmarkt bringt auch nicht das gewünschte Ergebnis.

»Papa, wir gehen nochmals sammeln«Eine spontane Aktion von Kindern zweier Klassen

im Vorfeld des Benefizabends

„Papa, wir gehen nochmals sammeln. Beim Flohmarkt kommt

niemand“, rufen mir die Kinder noch zu. Letizia, Alida, Mia, Gloria

und Zina machen sich also auf den Weg. Ich stelle mir Fragen, wie

viel die Kinder wohl sammeln werden. Ich bin gespannt und sehe

ihnen nach, wie sie losziehen.

Nach 1,5 bis 2 Stunden kommen sie zurück und sind nun zu

sechst. Emilio von der 5. Klasse hat sich ihnen ebenfalls angeschlos-

sen. Alle reden durcheinander; die Kinder sind freudig angespannt.

Sie erzählen mir von Leuten, die ihnen Geld gaben, von Menschen,

die nichts spendeten und von gruseligen Häusern. Sie beantwor-

teten Fragen, was mit dem Geld passieren würde und von welcher

Schule sie wären. Sie erzählen auch davon, wie ihnen ein Mann

nichts gab mit der Begründung, er sei selber Flüchtling.

Sie läuteten bei Einfamilienhäusern und bei Mehrparteienhäu-

sern an. Manche Menschen waren auch ein wenig komisch, und von

einer Frau bekamen sie eine Packung Toffifee – die schon 1 Jahr

abgelaufen war.

Jetzt wollen die Kinder wissen, wieviel sie gesammelt haben: das

Zählen kann beginnen. Sie stehen um den Tisch, und die Körbe und

Sackerln werden ausgeleert. Emilio zählt, und die anderen Kinder

zählen laut mit. Sie haben 100,62 Euro gesammelt. Es folgt großer

Jubel, Getanze und Geschrei.

Die Kinder sind sehr aufgeregt und stolz, so eine hohe Summe

gesammelt zu haben. Sie stecken das Geld in ein Kuvert. Letizia und

Alida bringen das Kuvert am Abend zur Benefizveranstaltung und

übergeben es Frau Pazmandy mit den Worten: „Das haben wir für

die Flüchtlinge gesammelt“.

Das Geld wurde an den Verein „Tralalobe“ gespendet. Der Verein

betreut unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge.

Als Flüchtling gilt eine Person, die „[…] aus der begründeten

Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nati-

onalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe

oder wegen seiner politischen Überzeugung sich außerhalb des

Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und

den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder

wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will; […]“

(Auszug aus Artikel 1 der Genfer Flüchtlingskonvention, 1951)Text: Gottfried Bures

Page 7: MoMent Jänner 2016

_ 7

Bei einem Treffen des Veranstaltungskreises der Schule im

September 2015 berichtete Stefan Albrecht vom Angebot ei-

nes Streichquartetts, ein Konzert zu Gunsten von Flüchtlingen

zu spielen. Er berichtete darüber hinaus von einer Veranstaltung

in Bezug auf Flüchtlinge, an der unser Erstklasslehrer Manfred

Hofer maßgeblich beteiligt war und die in der Schule wiederholt

werden könnte.

Rasch entstand die Idee, diese beiden Intentionen zu verknüp-

fen und mit anderen künstlerischen Beiträgen zu erweitern: eine

„Lange Nacht zu Gunsten von Flüchtlingen“ könnte es werden. Ein

Termin wurde festgesetzt.

Nun suchten wir Menschen und Künstler im Umkreis der Schule,

die mitwirken könnten. In der kurzen Vorbereitungsphase war das

gar nicht so einfach. Das Streichquartett um die Cellistin Ursu-

la Hielscher (Kindergärtnerin in der Marktgemeindegasse) stand

fest. Sie gaben sich kurz entschlossen den Namen „Benequartett“;

das Wort Benefiz stand Pate. Christoph Rothenbuchner, ein junger

Schauspieler, der zurzeit am Volkstheater engagiert ist, konnte

»Die lange Nacht zu Gunsten von Flüchtlingen«Entstehungsgeschichte einer Benefizveranstaltung

am 17. Oktober 2015

Text: Angela Schindler

Foto: Nadja Berke

Welcome

ebenso wie auch Frau Kaufmann und Philipp Lang (ein ehemaliger

Schüler) für Lesungen gewonnen werden. Große Bereitschaft zur

Mitgestaltung zeigten die Instrumentallehrer der Freien Musik-

schule, die den 2. Teil der Veranstaltung musikalisch bestreiten

sollten. Viele SchülerInnen der 5. Klasse freuten sich, mit einem

Kanon das Programm eröffnen zu können.

So entstand ein abendfüllendes Programm, und diese Veran-

staltung wurde in unterschiedlichster Weise für alle Beteiligten zu

einem besonderen Ereignis.

Dem Verein „Tralalobe“ konnte durch den Verkauf von „1.000

Lampen“ und durch Spenden € 3.150,– übergeben werden. Das

Geld wird für Freizeitaktivitäten der jugendlichen Flüchtlinge auf-

gewendet. Herzlichen Dank an alle, die dazu beigetragen haben.

https://www.rootsofcompassion.org/de/refugees-welcome-aufnaher

Motiv: Hendrik K./Baumwolle/€ 1,80

Page 8: MoMent Jänner 2016

8 _

Als Mutter eines Erstklassenkindes war ich angetan von der

großartigen Veranstaltung in unserer Schule. Die ins Konzert

eingebetteten, von Herrn Hofer vorgetragenen Schicksale

der Flüchtlinge machten nachdenklich und sehr betroffen.

 

Die Musikstücke und die Lesung waren gut gewählt,

sehr stimmig und passten ins Gesamtbild. Die Profes-

sionalität der Musiker überzeugte. Großer Applaus für

alle Mitwirkenden.

Nachdem ich von mehreren Menschen auf das Benefizkonzert für

junge unbegleitete Flüchtlinge angesprochen wurde, beschloss ich im

letzten Moment, mich auf dieses einzulassen. Diese rasche Entschlos-

senheit wurde mit außergewöhnlichen musikalischen Beiträgen belohnt,

die mich die täglichen Alltagssorgen vergessen ließen. Eine Darbietung

hat mich und wahrscheinlich auch viele andere Menschen im Saal tief

berührt. Als es im Festsaal dunkel wurde und auf der Bühne unendlich

viele Lampen angingen, war mir noch nicht klar,  was jetzt auf mich zu-

kommen würde. Als Manfred Hofer die Bühne betrat, anfing zu sprechen

„Ich träumte…” und danach eine Mädchenstimme aus dem Hintergrund

zu hören war, die die Fallnummern einzelner Flüchtlinge sowie, wie der –

oder diejenige auf der Flucht umgekommen war, bekanntgab, da wurde

es im Festsaal still, erdrückend still. Wurde vorher zwischendurch immer

wieder geplaudert, spürte man mit einem Mal die tiefe Betroffenheit der

Menschen in diesem Raum. Ich weiß nicht mehr, wie lange Manfred Ho-

fer vorgelesen hat und damit der Flüchtlinge gedacht wurde, die sich auf

den Weg gemacht hatten, um ein besseres Leben zu erlangen. Es ist mir

vorgekommen, als würde es nie enden wollen.

Meine Bewunderung gilt jedoch Manfred Hofer, der sich mit viel Ge-

fühl, Sensibilität und Mut über diese Art des Vortragens gewagt hat. Als

er die Bühne verließ, war niemandem zum Applaudieren zumute.

Manfred Hofer hat einen Applaus verdient, einen „stillen Ap-

plaus“ – den der Bewunderung für sein Engagement und für seine

Herzenswärme.

Welcome

»Reaktionen«Rückblicke auf die Benefizveranstaltung am 17. Oktober 2015

Text: Manuela Mader

Foto: Lothar Trierenberg

Text: Veronika Skerjanz

Graffiti: http://refugees-solidarity-mainz.de/event/

benefizkonzert-refugees-welcome/

Page 9: MoMent Jänner 2016

_ 9 Welcome

»Notfallpädagogik«Unsere wunderbare Waldorfpädagogik kann noch mehr!

Weltweit wirksam – und ein klein wenig

auch bei uns angekommen.

2006 hat Bernd Ruf mit der Notfallpädagogik der Freunde der

Erziehungskunst Rudolf Steiners e.V. eine Einrichtung geschaffen,

die auf den neuesten Erkenntnissen der Psychotraumatologie und

Traumapädagogik basiert. Gleichzeitig wurzelt sie in ihrer Metho-

dik tief im ganzheitlichen Menschenbild der Anthroposophie. Die

Arbeit der daraus resultierenden Einsätze in Kriegs- und Katastro-

phengebieten ist beeindruckend.

Die in Karlsruhe stattfindenden Seminare zur Vorbeugung bzw.

Abmilderung von Traumafolgestörungen begeistern mich von Mal

zu Mal mehr, und so wollte ich einen Teil dessen, was ich von dort

mitnehmen konnte, auch endlich einmal weitergeben (wenn ich

auch derzeit wohl kaum zu einem Einsatz mitkommen kann).

Da füllten sich im Herbst auch schon die Pavillons des ehemali-

gen Geriatriezentrums am Wienerwald, kurz „Lainz“ genannt, mit

Flüchtlingen. Nach ein wenig Hineinschnuppern bei der Essensaus-

gabe fand ich einen Weg, in dem damals noch herrschenden Chaos

die eine oder andere kleine „Kinderstunde“ zu kreieren. Aber da war

ich nicht die Einzige – Elisabeth Platzer hatte das auch schon getan.

Wir bündelten also unsere Kräfte zu einer gemeinsamen, wöchent-

lichen „Waldorf/Notfall-pädagogischen Kinderstunde“ im Pavil-

lon 10, manchmal auch unterstützt von einer befreundeten, erfah-

renen Lehrerin aus dem öffentlichen Bereich (PH Wien).

Freude und Spaß sollte diese Stunde hauptsächlich bringen, so-

dass die Bildung des „Glückshormons“ Oxytocin angeregt werden

konnte.

Den Anfang der Stunde bildete das Seilspringen: Es war bei allen,

vom Kleinkind bis zum Jugendlichen beliebt. Bewegungsspiele lös-

ten Blockaden („Schockstarre“); das Singen unterstützte ebenfalls

diese Prozesse, da es die Seele anspricht und erhaben ist über alle

Sprachen und erleichterte gleichzeitig die Anbahnung der neuen

Sprache. Nonverbale Ausdrucksmöglichkeiten wurden im Malen

geschaffen, Selbstwirksamkeit an Bastelarbeiten erlebt; intensive

Tasterlebnisse ergaben sich beim Filzen.

Zunehmend bildete sich mit intensiver Hilfestellung ein gewisser

Ordnungsrahmen, der wiederum Sicherheit und Vertrauen steiger-

te. Nebenbei wurde auch die neue Sprache Deutsch bei allen Akti-

vitäten fleißig ausprobiert.

Die zunächst deutlich erkennbaren Zeichen der Beeinträchtigung

durch die Flucht zeigten durch die sich regelmäßig wiederholenden

Stunden und den gleichbleibenden Ablauf positive Veränderungen

bei den Kindern.

Eines dieser Kinder prägte sich bei mir besonders ein – äußerst

geschickt, von rascher Auffassungsgabe, sehr interessiert, trotz-

dem zurückhaltend, aber nicht schüchtern, mit ausgeprägten sozi-

alen Fähigkeiten. – Welcher Lehrer hätte nicht gerne solch ein Kind

in der Klasse? Immer wieder hatte ich ihr Bild vor Augen ... Ein Kind

von vielen hunderten ...

ANGEKOMMEN

Einige Tage vor Weihnachten: freudige Aufregung. Christiane

Dostal und Elisabeth Platzer sahen zwei Flüchtlingsfamilien in den

Pfarrhof gegenüber einziehen, hefteten sich an deren Fersen und bo-

ten der Pfarre kostenlose Schulplätze (* siehe Kasten oben, red) an.

Ich ging hinüber, um mich vorzustellen.

Unglaublich: das Mädchen aus der Kinderstunde – Vahide – für

meine Klasse – HURRA!

9 Kinder sind sie zusammen, 7 davon Cousins und Cousinen, alle

verteilt in den Klassen 1, 2, 4, 5, 7, 9, 10, 11 und 12.

HERZLICH WILLKOMMEN

Ghazal, Samira, Rabie, Vahide, Morteza, Monire,

Alireza, Mohammad und Farhad!!!!!

(*) Für unsere Schule ist es selbstverständlich, dass im Rah-

men unserer Möglichkeiten Flüchtlingskindern geholfen wird.

Andererseits wurde schon versucht, von öffentlicher Hand

Unterstützung für diesen Unterricht zu bekommen – so, wie

es ja auch bei allen öffentlichen Schulen, die Flüchtlingskinder

aufnehmen, der Fall ist. Die Anfrage an den Stadtschulrat war

allerdings ernüchternd: Eine Förderung könne erst gewährt

werden, wenn 20 bis 30 Flüchtlingskinder – also in Summe in

etwa eine Schulkasse – aufgenommen würden.

Roman David-FreihslText: Barbara Pazmandy

Page 10: MoMent Jänner 2016

10 _ Welcome

Welche bedeutende Arbeit wird hier unterstützt?

Es handelt sich um allein reisende jugendliche Asylwerber, die –

in Österreich gelandet – voll im Aufblühen ihrer Kräfte sind und ihr

Leben voller Unsicherheiten vor sich haben. Manfred Hofer, der

an unserer Schule seit September als Klassenlehrer der 1. Klasse

unterrichtet, hat die Initiative ergriffen: Im Sinne der Steiner’schen

Sinneslehre und der Waldorfpädagogik, wie er sagt, geht es pri-

mär um die Erlangung von Selbständigkeit, also darum, Kinder zu

freien Menschen zu erziehen. „Zu wissen: wer bin ich, was will ich,

was kann ich? Das trifft auf jeden Menschen zu, egal aus welchem

Teil der Erde er stammt. Ich kenne viele Beispiele, wo das super

funktioniert hat, daher bin ich sehr froh, dass ich es gerade bei den

Flüchtlingen anwenden kann. Denn der große Unterschied ist ja: da

gibt es keine Mutter, keinen Papa, sondern es sind teilweise ja tra-

gische Geschichten im Hintergrund, die so ein Jugendlicher schlu-

cken muss.“

Wichtig ist Herrn Hofer, Vertrauen zu gewinnen, sprachliche

Barrieren mit Gestik und Körpersprache zu umschiffen, zu fordern

und zu fördern ohne Überforderung. Bewegungsspiele (Koordina-

tion, Reaktion, Orientierung im Wald…) aber auch Aufgaben, „wel-

che auf‘s Erste verstören oder unbewältigbar erscheinen“, fördern

zielorientiertes, kreatives, gemeinschaftliches und soziales Han-

deln. Denn im Team gelingt es, und das ist – wie allseits bekannt –

selbstbewusstseinsstärkend, fördert den Teamgeist und erfordert

soziale Kompetenz. Herr Hofer gibt uns ein Beispiel: „Eine Gruppe

von Jugendlichen soll einen 25 kg schweren Stein vom Tal auf den

Berg hinauf bringen. Da wird nicht diskutiert, warum sollen wir das

machen, sondern im Sinne der Salutogenese wird die Herausforde-

rung angenommen, und die Jugendlichen können die Aufgabe be-

wältigen, und daran erfahren sie eine Form der Heilung und spüren

eine Gesundung.“ Die Lösungsfortschritte, die gemacht werden,

sind phänomenal, ist Hofer begeistert: „Von der Idee ,Jeder von

uns trägt den Stein ein paar Meter‘ landen die Jugendliche bei im-

mer besseren Lösungen. Wenn sie einen Strick nehmen und zwei

längere Äste, können sie darauf den Stein anbinden. Dann können

ihn zehn von ihnen miteinander tragen, und sie brauchen nicht

einmal eine Pause machen. Diese Burschen marschieren einfach

in einem Zug auf dem Berg mit diesem Stein, und die feiern das,

wenn sie da oben sind ...

Erkennbar sind die persönlichen Fortschritte sofort, sagt Hofer:

„Indem sie die notwendigen Arzt- oder Behördenwege selbst or-

ganisieren und Termine einhalten. Niemand muss sie erinnern: Sie

wissen, das muss ich jetzt machen, und sie machen es einfach.“

Wie sehr künstlerische Kreativität auch praktische ökonomi-

sche Vorteile inkludiert, zeigt nebenher auch die gelungene Syn-

these der Benefizveranstaltung: Hofers Zugang, den er schon mit

dem Künstlerkollektiv „Lampenschirm“ am Karlsplatz angewendet

hatte. Dafür wurden schon damals 1.000 Lampen gekauft. „Dann

stellte sich die Frage, was machen wir jetzt, um möglichst schnell

ins Tun zu kommen. Von der Schule sollte ein Streichquartett

das Benefizkonzert bestreiten. Dann wurde ich eingebunden und

konnte die Performance mit den anderen Aktivitäten an einem

Abend präsentieren. Mit der Lampe nimmst du auch etwas mit

nach Hause. Du sagst nicht nur, du spendest jetzt Geld, sondern du

nimmst eine Erinnerung von der Veranstaltung mit, mit der man

etwas anfangen kann. Mir wurde da sehr viel Vertrauen im Vor-

feld gegeben. Es wurde darauf vertraut, dass das etwas künstle-

risch Anspruchsvolles ist, das Kraft hat. Und nachdem das hier an

der Schule gelehrt und gelebt wird, war es schön, erstens dieses

Vertrauen zu bekommen und zweitens, dass es dann auch so gut

geklappt hat. Warum, weil du in der Kunst und durch die Kunst die

Möglichkeit hast, auf Dinge aufmerksam zu machen, und in dem

Moment auch ein echter Benefit für die Betroffenen erzielt wurde,

indem ein Teil der Performance, nämlich diese Lampen, noch am

selben Abend verkauft und gekauft wurden.“ Das und die Beiträ-

ge so vieler anderer im Rahmen dieser Benefizveranstaltung im

»Jeder von uns trägt den Stein ein paar Meter«Zu den Hintergründen des Benefizabends für jugend-

liche Flüchtlinge – Manfred Hofer im Porträt

Das Gespräch führte Peter Gluchi.

Foto: Manfred Hofer

Page 11: MoMent Jänner 2016

_ 11 Welcome

großen Festsaal unserer Schule ergaben einen

gelungenen Abend.

Mit letztendlich 3.150,– EURO kann Herr Ho-

fer auch im kommenden Sommer wieder vielen

Jugendlichen aus den beiden Betreuungsstellen

der Diakonie in Mödling und Biedermannsdorf,

deren Häuser vom Verein „Tralalobe“ mitunter-

stützt werden, zusätzlich eine Auszeit in Form

eines Sommercamps bieten. Das wird Herr Ho-

fer wieder in bewährter Manier abhalten und

bedürftigen und minderjährigen Flüchtlingen

ein wenig Sicherheit, Unbeschwertheit und Le-

bensfreude zurückzugeben. Denn: „Das Leben

kann und soll schön sein – besonders für die

Kinder dieser Welt!“

„Das Thema der vielen Flüchtlinge war zu Schulbeginn einfach sehr prä-

sent“, erinnert sich Christiane Dostal, Klassenlehrerin der 4. Klasse. „Sei es bei

den Ansprachen der Eröffnungsfeier oder auch in der Klasse – die Kinder ha-

ben das sofort aufgegriffen und ich auch: Können wir auch etwas tun, können

wir helfen?“

So seien Kinder und Lehrerin gemeinsam darauf gekommen, das, was gera-

de dringend benötigt wurde, zu sammeln – Gewand, Spielzeug, Hygienearti-

kel, Schulsachen wie Schultaschen, Schreib- und Malutensilien. „Erst brachten

die Kinder, was sie daheim auftreiben konnten, dann starteten wir die Briefak-

tion an die anderen Schulklassen.“ Wer etwas bringen konnte – brachte es der

4. Klasse.

Dort wurden die Spenden sortiert, verpackt, und Sabine Trierenberg brachte

sie dann zur Flüchtlingshilfe in Lainz. Dazu kam dann auch noch die Post-Aktion,

gratis Pakete zu schicken. „Wir haben die Spenden eingepackt und dann an die

Adresse für das „Willkommenspaket Österreich“ verschickt“, berichtet Christiane

Dostal. Von dort aus wurden die Pakete dann dorthin versendet, wo sie in Öster-

reich gerade am dringendsten gebraucht wurden.

Teils seien die Kinder der Klasse „mit dem ganzen Herzen dabei“ gewesen.

„Ein Kind hatte sich sogar von all seinem Babygewand getrennt, das es bisher

innigst gehütet hatte und gesagt: Das möchte ich jetzt den Flüchtlingskindern

schenken!“ Dieses Sammeln, Sortieren, Verpacken und Spenden hielt rund

drei Monate lang an – so lange, bis in Lainz Aufnahmestopp verhängt wurde.

Das Thema hatte die Kinder über Monate hinweg sehr beschäftigt. „Vor al-

lem natürlich dann, als bekannt wurde, dass Rabie aus Afghanistan zu uns

kommt“, erzählt Christiane Dostal. „Da wollten die Kinder der Klasse natürlich

über das Mädchen alles ganz genau wissen. Und sie wurde dann mit Begeis-

terung aufgenommen: Alle wollten neben ihr sitzen, ihr helfen, mit ihr tun.

So hatte es begonnen, mit dem Thema, das alle bewegte, und dem Bedürf-

nis, auch helfen zu wollen. Jetzt ist Rabie eine von ihnen und damit selbstver-

ständlicher Teil des gemeinsamen Schulalltags ...“

»Können wir auch etwas tun, können wir helfen?«Wie die 4. Klasse zu einer Art Verteilerzentrum in der Flüchtlingshilfe

wurde – und schließlich ein Mädchen aus Afghanistan willkommen hieß

Text: Roman David-Freihsl

_ 11

Page 12: MoMent Jänner 2016

12 _ Welcome

hatte, und ich sollte ihn nach diesem Wochenende wieder vor die Tür

setzen… So beschlossen wir, ihn vorerst bei uns wohnen zu lassen,

bis sich eine wirklich gute Unterkunft für ihn ergeben hätte. Benja-

min fragte gar nicht lange und entschied mit mir, dass wir, wenn wir

zusammenrückten und einiges neu arrangierten – auch zu dritt hier

genug Platz haben würden. (Sogar, wenn meine große Tochter Ines

immer wieder mal zu Besuch kommt …)

Und dann blieb Alireza …

So schrieb ich an die Waldorfschule: Ich begann mein erstes Mail

mit den Worten, dass diese Bitte sicher sehr unverschämt sei, ich es

aber einfach versuchen MUSS: Dieser Bursche hatte viel zu viel für

seine jungen Jahre mitmachen müssen – und ich will das BESTE für

ihn – und das wäre aus meiner Sicht: ein Platz in der Waldorfschule in

Mauer …

Die Antwort kam schnell, unheimlich einfühlsam und nett …

Bald darauf gab es das erste Treffen, nach welchem Alireza gleich

den Vormittag in der 10. Klasse verbrachte. Dort wurde er von den

Schülerinnen und Schülern mit offenen Armen besonders liebevoll

aufgenommen. An schulfreien Tagen haben sie schon mit Alireza ei-

niges in Wien unternommen – und ein Teil des Deutsch-Lernens fin-

det nun auch am Handy durchs „Chatten mit Klassenkollegen“ statt

– da ist es ihm besonders wichtig, richtig zu schreiben!

Kiyan von der 10. Klasse konnte Alireza mit Persisch weiterhelfen.

Seine Eltern, Peyman und Elisabeth, sind mir auch seit damals eine

sehr große Hilfe – eine der unerwarteten Türen, die sich seitdem ein-

fach so aufgetan hatten.

Gleichzeitig kann Alireza seit damals bei Herta Hans 2x pro Woche

jeweils eine Einzelstunde Deutschkurs besuchen!

Anfangs war die Kommunikation nicht sehr einfach: es war ein Ge-

misch aus Englisch und dem Google Übersetzer für Persisch. Dann

brauchten wir den Übersetzer nur mehr für ganz wichtige Themen –

zur Absicherung. Inzwischen sprechen wir (fast) nur mehr Deutsch –

und helfen uns mit Englisch, das er gleichzeitig lernen muss.

Eigentlich ist Alireza mir »in den Schoß gefallen«

… und SO ist es dazu gekommen:

Seit Ende Juli 2015 habe ich mich in Traiskirchen auf unterschied-

lichste Art und Weise engagiert – kein Tag war wie der andere. Dann

bot ich einem Freund, der sich vor allem um unbegleitete minderjäh-

rige Flüchtlinge kümmerte, an, wenn er mal kurzfristig eine Unter-

kunft für jemanden suchen würde – solle er mich bitte anrufen!

Ja, und dann war es eines Freitags soweit. Dieser Freund rief mich

an und bat mich, einen jungen Afghanen, der bereits 42 Tage ob-

dachlos gewesen war, übers Wochenende aufzunehmen.

Ich fuhr also nach Wien und übernahm einen jungen Burschen –

Alireza, der ein klein wenig Englisch verstand, sehr erschöpft, müde

und scheu war. An diesem Wochenende schliefen auch zwei weite-

re junge Afghanen, die ich bereits seit längerer Zeit aus Traiskirchen

kannte bei uns, da einer von ihnen fließend Englisch sprach und

Alireza sprachlich etwas helfen konnte.

Als Alireza den beiden seine Geschichte erzählte, waren sie – die

selbst die Flucht hinter sich hatten – beide sehr betroffen, und dann

erfuhr ich von seinem langen Weg:

Bereits als er ein Jahr war, verlor er seinen Vater durch die Taliban,

woraufhin seine starke Mutter mit ihrem Baby in den Iran floh. Dort

lebten sie die nächsten Jahre, wobei sie es sogar schaffte, ihrem

Sohn einige Jahre Schulbildung zu finanzieren. Dann arbeitete auch

Alireza eine Zeit lang.

Auf ihrem Fluchtweg nach Europa hatten die beiden einander verlo-

ren … und Alireza schaffte es alleine über einen sehr langen, harten

und mit schockierenden Ereignissen durchzogenen Weg bis Wien.

Da Alireza seine Erlebnisse noch nicht frei erzählen möchte, gehe ich

an dieser Stelle auch nicht weiter darauf ein. Vielleicht ist er in einiger

Zeit selbst soweit, darüber mehr zu berichten.

Bis zu diesem Wochenende stand für mich eigentlich fest, dass

wir, mein Sohn Benjamin (12) und ich, niemanden zu uns aufnehmen

KÖNNEN, da wir in einem sehr kleinen Häuschen leben. Na ja, und

dann stand da dieser Bursche, der so ein hartes Leben hinter sich

Text, Foto: Irene Wittmann

Page 13: MoMent Jänner 2016

_ 13 Welcome

Alireza kommt jeden Tag erschöpft, aber glücklich nach Hause. Er

ist sehr gerne in der Schule – obwohl wir anfangs schon befürchtet

hatten, es könnte ihm zu viel werden. Er möchte keine Stunde entfal-

len lassen – besonders Handarbeiten bei Elisabeth Alscher hat es ihm

sehr angetan – und gestern Abend hat er mir stolz seine gesponne-

ne Wolle sowie seinen wunderschönen, in blauen Tönen, gewebten

Tischläufer präsentiert.

Er kocht immer wieder sehr gerne einfache, aber sehr gute Gerichte

aus seinem „Zuhause“. Außerdem hat Alireza die Gabe, wunderschö-

ne Bleistiftzeichnungen entstehen zu lassen. Sobald es geht, möchte

er sehr gerne Geige spielen lernen.

Sein allergrößter Traum ist aber: Fußball. Es gibt zwar einen Ver-

ein im Ort, der ihn auch sehr nett aufgenommen hatte, aber Alireza

möchte noch intensiver und ernsthafter trainieren können. Leider

kann ich ihm das momentan für Wien nicht ermöglichen, da wir in

Klausen-Leopoldsdorf bei Alland wohnen und ich ihn nach einem

späten Training nicht mehr abholen kann. Aber – die Vergangen-

heit hat mir schon bewiesen, dass sich so viel Unerwartetes plötzlich

auftun und uns positiv überraschen kann – also: wer weiß, vielleicht

findet sich ja auch für diesen großen Wunsch noch ein Weg!

In der vergangenen Zeit hab ich viel gelernt – vor allem auch den

Mut, auf das „Morgen“ zuzugehen, obwohl sich manches einfach

nicht genau planen lässt – weil es dann trotzdem wunderbar laufen

kann! Und ja, immer wieder mal hab ich auch Angst in dieser Situati-

on. Ich hoffe, dass wir seine Mama wiederfinden – ich weiß nicht, wie

sein Lebensweg weiter gehen wird – im Februar hat er seinen ersten

Verhandlungstermin für das Asylverfahren – wie lange wird er blei-

ben können, und vieles mehr beschäftigt mich schon immer wieder

– auch viele Zweifel und Selbstkritik … da bin ich dann unheimlich

dankbar für die lieben Gespräche, die sich oft ergeben, die mir dann

wieder Halt und einen klaren Blick verschaffen.

Ich bin überhaupt sehr dankbar für die vielen großartigen Men-

schen, die ich durch diese Veränderung in unserem Land kennen

lernen durfte!

Irene Wittmann (48) ist alleinerziehende Mutter von Ines

(24) und Benjamin (12). Als Fachlehrerin für Religion und

Handarbeiten unterrichtet sie derzeit Religion an zwei öf-

fentlichen Schulen.

»Trauer, Wut, Freude, Mitgefühl…«Das Wirtschaftspraktikum der 12. Klasse beim

„Train Of Hope“

In der Abschlussklasse unserer Waldorfschule geht es

traditionellerweise zum Wirtschaftspraktikum – da heißt

es nicht nur, ein wenig Arbeitswelt zu schnuppern sondern

schon richtig zuzupacken. Angesichts der vielen ankommen-

den Flüchtlinge wurde in diesem Jahrgang der Beschluss

gefasst, dieses Praktikum in einem ganz besonderen Betrieb

zu leisten: beim „Train Of Hope“ auf dem Hauptbahnhof,

der spontanen Hilfe für ankommende Flüchtlinge durch die

Zivilgesellschaft.

Hier ein paar Blitzlichter von den Erfahrungen, die die Schü-

lerInnen von diesem Einsatz mitbrachten:

„‚Train Of Hope‘ – Ohne diese unglaubliche Zusammenarbeit

hätte hier nichts funktioniert.“ Angelus Schnabl

„Jede einzelne Stunde Arbeit bei ‚Train of Hope‘ brachte

neue Situationen mit sich. Ich habe gelernt, mit diesen umzu-

gehen und erlebte drei Wochen, in denen ich viel gelernt habe

und anderen helfen durfte. Eine sehr wertvolle Zeit für mich,

die ich nie vergessen werde.“ Magdalena Heigl

„Jeden Tag diese freundlichen Menschen zu sehen, die ihr

ganzes Leben hinter sich gelassen haben, um wo anders neu zu

starten. Ich bin sehr dankbar für dieses Praktikum. Es gab Mo-

mente, in denen man emotional sehr betroffen war, und es gab

auch viele Momente der Freude.“ Judith Pali

„Es war ein Schwall an Gefühlen, der uns jeden Tag aufs Neue

überkam, wie: Trauer, Wut, Freude, Mitgefühl, Glück, Verwun-

derung und viele mehr.“ Alina Miklau

„Die Gemeinschaft, die durch unsere Zusammenarbeit ent-

standen war, stärkte uns bei der Hilfe, die so dringend nötig

war / ist.“ Lara Nikbakht

Vorwort: „red“

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Page 14: MoMent Jänner 2016

14 _ Rezensionen

Richard, ein emeritierter Professor, lebt nach dem Tod seiner Frau

allein in einem großen Haus am See in Berlin. Sein Leben verläuft

in geordneten, fast langweiligen Bahnen. In der Zeitung liest er mit

Erstaunen, dass ein paar Flüchtlinge aus Afrika ein Zeltlager am

Oranienplatz bezogen haben. Als er recherchiert, stellt er fest, dass

sie dort schon fast drei Jahre leben. Dann wird das Lager geräumt

und die Männer werden in einem aufgelassenen Altersheim unter-

gebracht, welches den Standards für deutsche Senioren nicht mehr

entspricht.

Richard beschließt, die Afrikaner kennen zu lernen. Er bittet die

Männer, ihm ihre Geschichten zu erzählen. Bereitwillig berichten

sie. Der Professor muss bald feststellen, wie wenig er über Afrika

weiß. Es besteht aus immerhin 46 Ländern mit unterschiedlichsten

geografischen und ökologischen Voraussetzungen. Dennoch haben

die Flüchtlinge alle eine ähnliche Geschichte. Die meisten von ihnen

haben ein friedliches Leben geführt, bis die Machtverhältnisse sich

geändert und Soldaten alles in Schutt und Asche gelegt haben. Nur

wenige haben ihre Heimat aus wirtschaftlichen Gründen verlassen.

Die meisten haben ihre Familien verloren oder wurden von ihnen

getrennt. Sie alle mussten fliehen oder wurden vertrieben, sie alle

haben eine Odyssee hinter sich, die sie übers Meer geführt hat, die

meisten sind in Italien gelandet, keiner von ihnen hat mehr Besitz

Jenny Erpenbeck:

Gehen, ging, gegangen

Buchrezension: Julia Voska von der Buchhand-

lung in Mauer, Gesslgasse 8a, 1230 Wien.

als ein paar Schuhe, 2 Hosen, 3 T-Shirts und ein Handy; alles ande-

re wird auf Dauer zu schwer. Das Handy ist der wertvollste Besitz.

Fotos und Dokumente sind darauf gespeichert, und außerdem

ist es die einzige Verbindung zu Freunden; der Wohnort wechselt

schließlich ständig. Und noch etwas verbindet die Männer: keiner

will sie haben, sie dürfen nicht arbeiten, ihre Zukunft ist ungewiss.

Richard schließt Freundschaft mit den Männern, begleitet sie

auf Amtswegen, lässt sie auf seinem Klavier spielen, lädt sie zum

Weihnachtsessen ein, holt sie aus ihrer ewigen Monotonie, beob-

achtet, wie sie sich in Schale schmeißen, weil sie einen Deutsch-

kurs besuchen dürfen, vermittelt ihnen kleine Arbeiten im Garten,

zeigt ihnen Teile von Berlin, erzählt ihnen von der Mauer und vom

2. Weltkrieg, von dem sie noch nie gehört haben, hilft ihnen bei der

Übersiedelung in ein neues Lager und steht ihnen zur Seite, als sie

schließlich alle erfahren, dass sie abgeschoben werden sollen.

Nach und nach findet der Professor einen Platz für alle Flüchtlinge,

öffnet sein Haus für sie und findet offene Herzen bei vielen seiner

Freunde, aber nicht bei allen.

Jenny Erpenbeck hat ein großartiges Buch geschrieben, das die

Augen öffnet und zum Nachdenken anregt. Durch Richards Augen

und seine schuldbewusst reflektierten Gedanken erwischt man sich

bei so manchem Vorurteil.

Fabio Geda

Im Meer schwimmen Krokodile

Buchrezension: Kiyan Alaei, 10. Klasse

In dieser wahren Geschichte handelt es sich um einen 10-jährigen

afghanischen Flüchtling, Enaiat, der über den Iran, die Türkei und

Griechenland nach Italien flieht. Seine Reise dauert fünf Jahre, wel-

che er ohne seine Familie zurücklegt. Auf seiner Reise muss er oft

arbeiten, um Geld für seine Flucht zu verdienen, findet aber auch

gute Freunde.

Das Buch ist im Großen und Gan-

zen positiv, weil Enaiats Geschichte

letztendlich gut ausgeht.

Es ist sehr rührend und interes-

sant für Jugendliche, als auch für

Erwachsene.

Page 15: MoMent Jänner 2016

_ 15 Ankündigungen

18., 19. und 20.2., 19 Uhr

„Ein Sommernachtstraum“Klassenspiel der 8. Klasse, Gr. Festsaal

23., 24. und 26.2., 19.30 Uhr

Kellertheater der 10. KlasseKl. Festsaal

5.3., 9 Uhr

SchulfeierGr. Festsaal

11.3., ab 17 Uhr

Schulgemeinschaftstreffen

14.3., 20 Uhr, EA 1. – 4. Klasse15.3., 20 Uhr, EA 5. – 8. Klasse  

Medientage mit Medienexperte Uwe BuermannKl. Festsaal

29.3., 19:30 Uhr

Konzert der Jungen Waldorf-PhilharmonieOdeon Theater, Taborstraße 10, 1020 Wien

siehe Seite 23

5.4., 19 Uhr9. Symphonie von Antonin Dvorak „Aus der Neuen Welt“

Konzert des Orchesters „SchallMauer“Gr. Festsaal, siehe Seite 16

13. und 14.4., 18 Uhr

„Sängerkrieg der Heidehasen“Singspiel der 6. Klasse, Kl. Festsaal

22. und 23.4., 19.30 Uhr

Singabend der 11. KlasseGr. Festsaal

Demnächst:

25.4., 19.30

„Zabalaza“Musik aus Afrika, Gr. Festsaal

30.4., 14 – 18 Uhr

Frühlingsfest (bei jedem Wetter)Endresstr. 113, Wien-Mauer, siehe Seite 25

9. – 12.5.

12. Klass ReferateGr. Festsaal

19.5., 19 Uhr

Oberstufen - Chorkonzert / TheaterEin gemeinsames Projekt der Rudolf Steiner-Schule Mauer

und der Karl Schubert-Schule

Neue Burg Perchtoldsdorf

10. und 11.6.

Klassenspiel der 12 . KlasseGr. Festsaal

25.6., 10 Uhr

SchulfeierGr. Festsaal

25.6., ab 12 Uhr

Sommerfest... bis ...

Freie Musikschule Wien

Musikwoche Edelhof 9. – 16. JuliAnmeldung: 1. Februar – 1.März

www.musikwoche-edelhof.at

Alle Termine auch online unter

http://waldorf-mauer.at/termine

_ 15

Page 16: MoMent Jänner 2016

16 _ Rückblicke

– das wollte die 1. Klasse in diesem Jahr wahr werden lassen. Be-

packt mit selbstgemachtem Vogelfutter, Brot, Körnern, Obst und

Gemüse machte sich die bunte Schar an einem nebeligen Don-

nerstag vor Weihnachten auf in den Maurer Wald, um ihre Gaben

zu verteilen.

Oben angekommen, wurde erstmal eine Rast eingelegt, um den

Durst zu stillen und die Umgebung zu erkunden. Dann machte

sich Herr Hofer mit ein paar Wagemutigen auf, um ein geeignetes

Plätzchen für das Weihnachtsfest zu finden. Dort wurden die Ge-

schenke an den Büschen und Bäumen befestigt, am Boden verteilt

und verstreut.

Nach einem schönen Weihnachtsgedicht und einigen Liedern

hatte Herr Hofer eine besondere Überraschung bereit: für jedes

Kind zauberte er einen Sternspritzer hervor, und gemeinsam be-

wunderte die erste Klasse die fliegenden Sterne und lockte mit

„Schneeflöckchen, Weißröckchen“ den Schnee herbei.

Nach einer nasskalten Jause ging es wieder zurück in die Schule

zu einer weihnachtlichen Geschichte und vor allem ins Trockene

und Warme.

Die Tiere im Maurer Wald werden sich in den kalten Winternäch-

ten über die liebevoll bereiteten Weihnachtsgaben der 1. Klasse

sicher freuen!

Ein Weihnachtsfest für die Tiere des Waldes – Text: Uschi Irragori

Fotos: Uschi Irragori, Julia Röhsler

Das Orchester SCHALLMAUER bestreitet in diesem Schuljahr be-

reits seine vierte Spielsaison als neuer Klangkörper in Kooperati-

on mit der Freien Musikschule Wien und der Rudolf Steiner-Schule

Wien-Mauer.

Als „Großprojekt“ haben wir uns für dieses Schuljahr die 9. Sym-

phonie von Antonin Dvorak – besser bekannt unter dem Titel

„Aus der Neuen Welt“ – auserkoren. Um diese „Neue Welt“ auch

mit entsprechender Intensität erkunden zu können, begibt sich

das Orchester vom 1. – 4. April 2016 wieder auf Probentage in die

Südsteiermark.

Die Früchte unserer Arbeit können

schon am 5. und 6. April genossen werden,

wenn die Symphonie im Gr. Festsaal der

Rudolf Steiner-Schule Wien-Mauer

zur Aufführung gelangt.

Voller Vorfreude und Neugierde auf die zukünftigen Aktivitäten,

das SchallMauer-Team

Stefan Albrecht, Anna Dekan-Eixelsberger &

Jörg Dekan-Eixelsberger

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_ 17 Rückblicke

Der erste Auftritt der 2. Klasse Bericht von der Schulfeier am 17. Oktober 2015

Es war meine gefühlte 135. Schulfeier. Trotzdem habe ich sie mit

Spannung erwartet, weil meine dritte Tochter mit der 2. Klasse ih-

ren ersten Auftritt hatte. Ich war dann sehr freudig berührt, wie die

Klasse mit ihrer lieben Lehrerin Frau Bolleter auf der Bühne stand. Bis

zum Schluss spürte man die Freude, die den Kindern der Auftritt bzw.

das spielerische Tun machte. Für mich war da eine ganz besondere

Energie, die nicht selbstverständlich ist. Wir sahen und hörten einen

sehr kräftigen, motivierten Klassensprechchor, der von zwei Zwergen

erzählte; mit pantomimischen Bewegungen von allen Kindern sehr

engagiert und freudig dargestellt. Anschließend noch ein Martinslied

mit tanzenden Tüchern und Choreographie. Wer selbst schon einmal

gleichzeitig getanzt und gesungen (und Tücher geschwungen) hat,

weiß, wie schwer das ist. Hut ab vor der 2. Klasse!

Text: Lydia Fürst-Osterbauer

Fotos: Seweryn Habdank-Wojewódzki, Lothar Trierenberg

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18 _ Rückblicke

Unsere jüngste SchulfeierEin buntes Programm aus den Klassen

Fotos: Seweryn Habdank-Wojewódzki, Lothar Trierenberg

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_ 19 Rückblicke

„Genießt die Zeit am Bauernhof“Berichte vom Landwirtschaftspraktikum der 9. Klasse

Texte: Estrella Schall, Leonie Wess

Wie es in der 9. Klasse natürlich dazu gehört, war ich am Landwirt-

schaftspraktikum. Dort war ich aber nicht alleine, sondern mit meiner

Freundin Ida. Es war vom 13. bis 26. September.

Wir waren in Litschau bei Familie Stark. Litschau ist 4 Kilometer von

der tschechischen Grenze entfernt. 10 Minuten von Ida und mir ent-

fernt waren noch unsere Klassenkameraden Tom-Tom und Damian

bei ihrem Bauern. Darüber aber später mehr.

Als Ida und ich ankamen, war sofort gute Stimmung. Wir fühlten uns

beide sehr wohl. Unser Bauernhof hatte Kühe, Schweine, Katzen,

einen Hasen und zwei Enten. Am meisten beschäftigten wir uns mit

den Kühen und den Schweinen. Es gab 25 Mutterkühe. Milchkühe

hatten sie nicht. Während der zwei Wochen wurden fünf Kälber ge-

boren. Zwei wurden sogar nach uns benannt.

Zu den Schweinen: es waren Mastschweine. Während wir dort waren

wurden 30 zum Schlachten abgeholt. Es gab danach aber trotzdem

noch immer um die 100 Schweinchen. Es gibt ein Zuchtschwein na-

mens „Zuchti“, das während wir dort waren ca. 10 Schweinebabys im

Bauch hatte. Die Geburt konnten wir leider nicht mehr miterleben.

Die Katzen waren jene Tiere, welche Ida (denke ich mal) am meisten

aufgeregt haben. Denn immer wenn ich eine gesehen habe, muss-

te ich hingehen und sie streicheln. Sie waren einfach viel zu süß. Der

Hase hat sich leider selten blicken lassen. Die Enten haben wir immer

gesehen. Schade war, dass sie nicht zahm waren. Immer wenn sie Ida

und mich sahen, liefen sie ganz schnell in die am weitesten weg gele-

genste Ecke und quakten dabei.

Eine Sache, die ich über alles hasste, gab es auch: Holz schlichten

im Holzkeller. Ich wurde so schnell aggressiv. So kannte ich mich gar

nicht. Doch wenigstes durften wir dabei Musik hören.

Jetzt komme ich zu der Sache mit dem Bauern von unseren Klassen-

kameraden. Diese hatten nämlich einen Kartoffelstand beim „Erpfi-

Grätzel-Fest“. Das war das Kartoffelfest in Litschau, welches nur ein-

mal im Jahr stattfindet. Wir vier mussten uns als Kartoffel verkleiden

und kleinen Kindern Süßigkeiten geben. Sehr viele Besucher mach-

ten mit uns Fotos. Ein paar Tage später stellte sich heraus, dass wir in

der Zeitung waren.

Noch ein paar Randinformationen, die ich im Text vergessen habe.

Ida und ich mussten (außer am letzten Tag) jeden Tag um 6:30 Uhr

aufstehen. Um 19:00 – 20:00 Uhr war Ende des Arbeitstages. Wir

waren dreimal Kartoffel ernten, was mir richtig viel Spaß gemacht

hat. Wenn wir die Schweine besucht oder sie gefüttert haben, muss-

ten wir immer „Luki-Luki“ sagen, weil sie sonst denken, dass wir

fremd sind. Die Kühe heißen „Maxerl“, aber sie werden nur selten

gerufen. Ida und ich mussten öfters die Ferienwohnung putzen (also

Betten beziehen und das Übliche halt)!

An alle weiteren 9. Klassen: Genießt die Zeit am Bauernhof, und hof-

fentlich hattet ihr dann genau so viel Spaß wie wir. Es war eine riesige

und wunderschöne Erfahrung.

Mit diesem Aufsatz konnte ich hoffentlich Vorfreude wecken oder

eine Erinnerung an die Schüler geben.

Ich möchte mich so gerne für diese wunderbar tolle Zeit bedanken.

Danke Martina und Hubert. Danke liebe Familie Stark. Danke an dich,

Ida, dass du mich so lange ausgehalten hast.

Ich war mit Johanna auf einem Isländerhof. Das ist eine Pferderas-

se aus Island. Der Hof ist in der Nähe von Würmla in Gotthartsberg.

Unsere Familie war sehr nett und offen zu uns. Wir haben uns sofort

sehr wohl gefühlt.

Unser Tagesablauf war: Aufstehen um 6:15 Uhr, dann sind wir ins

„Stüberl“ (unsere Küche) gegangen und haben gefrühstückt.

Als nächstes war die Morgenfütterung dran. Da haben wir das Futter

zusammengemischt und den Pferden gegeben. Als nächstes sind wir

auf den Heuboden und haben Heu runter geworfen, das wir dann in

einen Heubedampfer geben mussten, weil alle Pferde Husten hatten

und das Heu sonst zu staubig ist. Danach sind wir ausmisten gegan-

gen, was meist lange gedauert hat. Wir hatten auch noch verschie-

dene andere Sachen zu tun, z.B. Hühnerstall machen, Hof putzen,

Nüsse sammeln ...

Dann sind wir Mittagessen gegangen. Nach dem Essen sind wir meis-

tens ausreiten gewesen. Danach haben wir das bedampfte Heu den

Pferden gebracht und ausgemistet. Dann haben wir alle zusammen

Abend gegessen und anschließend Brettspiele gespielt.

Dieses Praktikum war eines meiner schönsten Erlebnisse.

Ein riesengroßes Dankeschön an alle, die mir das ermöglicht haben.

Danke Lissi l.G. Jolo.

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„Solche Erlebnisse schweißen sehr zusammen“Das Forstpraktikum der 10. Klasse aus der Sicht eines Schülers

Text: Camillo Arbter

Anfang Oktober dieses Jahres absolvierten wir, die 10. Klasse, unser

einwöchiges Forstpraktikum auf der Marienseer Schwaig am Hoch-

wechsel. Begleitet wurden wir natürlich von unserem Tutor Stefan

Albrecht, „Tante Raute“ und „Tante Evi“. Anleitungen zur Arbeit beka-

men wir vom Forstwirt Thomas Link, der extra aus dem Pfälzer Wald

angereist war, um die Woche mit uns zu verbringen. Insgesamt war

die Schwaig, so werden Almhütten in der Gegend um den Wechsel

genannt, recht voll besetzt, doch immer sehr gemütlich. Besuch be-

kamen wir von den Lehrern Platzer, Bointner und Hruza.

Fürs Kochen wurden wir in Gruppen eingeteilt. Jede Gruppe sorgte

jeweils einen ganzen Tag – vom Frühstück um 6:30 bis zum Abendes-

sen um 18:30 – für die Verpflegung der ganzen Gruppe. Diese Aufga-

be war teilweise recht anstrengend, machte jedoch sehr viel Spaß.

Unser Tag begann vor dem Sonnenaufgang. Dieses Naturspektakel

durften wir jeden Morgen aufs Neue bewundern; die Sonne, die sich

wie ein glühender roter Ball ihren Weg am Horizont sucht und dabei

das vor uns liegende Tal ausleuchtet, wird uns noch auf längere Zeit

klar im Gedächtnis bleiben.

Am Vor- und Nachmittag hatten wir entweder eine theoretische

oder eine Arbeitseinheit. Uns wurden die 8 wichtigsten Baumarten

und deren Hauptmerkmale gezeigt, und Thomas Link erzählte uns

vom ökologischen System eines Nutzwaldes, in dem fast alles – vom

kleinsten Ahorn bis zur größten Tanne – symbiotisch zusammen-

hängt. Der Wald, in dem wir arbeiteten, bestand etwa zu über 90 %

aus Fichten: das Resultat früherer Waldnutzung.

Die Hauptarbeit unseres Praktikums bestand aus der Errichtung

eines Wildschutzgatters um einen Schlag von etwa 0,5 ha, den wir

zuerst vom Schlag-Abraum eines Windwurfs befreien mussten und

dann ca. 100 Setzlinge (Tannen u. Ahorn) pflanzten, da die Bedin-

gungen auf etwa 1500 Meter Seehöhe sehr rau und die Überlebens-

chancen der einzelnen Pflanzen relativ gering sind. Dieses Gatter soll

verhindern, dass die Setzlinge von Rehen, Rotwild oder Gämsen ge-

fressen oder beschädigt werden.

Um das umherliegende Unterholz zu zerkleinern, lernten wir mit der

Motorsäge umzugehen und Baumstämme zu zerteilen.

Trotz der körperlich sehr anstrengenden Arbeiten hatten wir genug

Freizeit, in der wir meistens Karten spielten oder Protokoll schrieben.

Auch gesungen wurde viel. Es gab immer genug Arbeit, man musste

sie nur suchen: Holzscheite mussten gehackt und zerkleinert werden,

der Kasten neben dem Herd immer mit Brennmaterial gefüllt sein,

und Herr Link gab uns immer die Möglichkeit, ihm bei seiner Arbeit

zu helfen. Zum Beispiel besuchte eine kleine Gruppe von Schülern

mit ihm die Bäume, die von anderen Schülern vor uns gepflanzt wor-

den waren und spritzte diese mit einem davor gerührten biologisch-

dynamischen Präparat.

Weitere Highlights bestanden aus einer totalen Mondfinsternis in der

Nacht des Blutmondes und das Zerwirken einer Rehgeiß, die wir zu-

vor vom Gut der Familie Schenker, der das gesamte Grundstück um

die Schwaig herum gehört, abgeholt hatten. Das Fleisch zerlegten

wir und schnitten es klein, um Gulasch daraus zu machen. Das ab-

gezogene Fell hatte sofort einen Abnehmer in Paul Böhm gefunden,

der das Fell schabte, aufspannte, trocknete und schließlich mit nach

Hause nahm.

Am letzten Abend bedankten wir uns herzlich bei den Lehrern und

Herrn Link und umgekehrt. Er machte uns sogar das große Kompli-

ment, dass wir die beste Klasse seien, die er in 20 Jahren Forstprakti-

kum je hatte, was uns zutiefst berührte.

Danach entzündeten wir ein großes Lagerfeuer und versammelten

uns zum gemeinsamen Singen und Jodeln und ließen so die gemein-

same Woche ausklingen.

Solche Erlebnisse schweißen sehr zusammen und verbessern die

Klassengemeinschaft und das Miteinander nachhaltig. Rückblickend

war es eine sehr schöne und erfüllte Woche voller Arbeit, Spaß und

Lachen, sowohl für die Schüler als auch für die Lehrer. Fest steht,

dass uns das Forstpraktikum 2015 sehr positiv auf lange Zeit in Erin-

nerung bleiben wird.

Rückblicke

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_ 21 Rückblicke

„Danach lächelte er immer, wenn er mich sah“ SchülerInnen-Berichte vom Sozialpraktikum der 11. Klasse 2015

Stephanie D.

In der elften Klasse macht jeder Schüler ein Sozialpraktikum von

mindestens drei Wochen. Ziel ist es, Menschen in Grenzsituationen

kennenzulernen, wobei ich sie lieber „Menschen mit besonderen

Bedürfnissen“ nennen möchte. Ich habe mein Sozialpraktikum in

der Dorfgemeinschaft Breitenfurt absolviert.

Jeden Montag findet ein Zusammentreffen aller Betreuer und Be-

treuten statt, genannt Morgenkreis … Nach der Tagesbesprechung

ging ich unterschiedlichen Aufgaben nach, zum Beispiel mit einem

Betreuten Holztafeln holen, bekleistern und Plakate darauf kle-

ben, ein großes Schild für das Herbstfest gestalten, den Müllplatz

sortieren, Kräuter abrubbeln, um daraus Tee zu machen, mit den

Betreuten spazieren gehen, mit ihnen Blumen pflücken, Märchen

vorlesen, aufpassen, dass die Betreuten nicht weglaufen, „Mensch

ärgere dich nicht“ spielen, Tee kochen …

Besonders beeindruckt hat mich ein junger Mann. Zuerst habe ich

ihn nur allein durch die Dorfgemeinschaft schlendern sehen, aber als

ich in der Gartenwerkstatt mithalf, durfte ich ihn kennenlernen. Er

war sehr zurückhaltend und schüchtern, als müsste er mich erst ein

wenig beobachten, um zu entscheiden, ob er mich mag oder nicht.

Am zweiten Tag lächelte er mich dann schon hin und wieder an. Und

dann plötzlich, als ich mit einer anderen Betreuten Wäsche aufhing,

packte er mich am Arm und zog mich ins Nebenzimmer. Er setzte

mich auf einen Stuhl und bereitete „Mensch ärgere dich nicht“ vor.

Er deutete mir, dass ich mit ihm spielen soll, denn sprechen kann er

nicht. Also spielten wir. Und es war so schön, ihn zu beobachten! Wie

er sich freute, wie es ihm Spaß machte und er auf seine Art lachte.

Er spielte wirklich gut, ich gewann nur ein einziges Mal von ca. zehn

Spielen. Wir spielten, bis er abgeholt wurde, und er wollte gar nicht

mehr aufhören. Danach lächelte er immer, wenn er mich sah.

Schlussendlich bin ich wahnsinnig froh über die gesammelten Erfah-

rungen. Ich habe so viele nette und interessante Menschen kennen-

gelernt. Und ich habe das Gefühl, viel über das Leben gelernt zu ha-

ben. Ich habe Selbstvertrauen dazugewonnen und die anfänglichen

Berührungsängste verloren. Es waren sehr lebendige und interessan-

te drei Wochen. Ich wäre gerne noch länger geblieben. Es hat mich

auch zum Nachdenken angeregt, was ich später einmal gerne ma-

chen würde. ... Ich glaube, es wäre kein Beruf für mich, aber ich denke

darüber nach, ein Freiwilliges Soziales Jahr dort zu machen.

Sonja E.

1972 wurde die Idee für die Dorfgemeinschaft Breitenfurt geboren.

Der Grund dafür war, dass man nicht wusste, wie es für seelenpfle-

gebedürftige Kinder nach der Schulausbildung weitergehen sollte.

Darüber machten sich vor allem Eltern und ehemalige Mitarbeiter

der Karl Schubert-Schule Gedanken. Sie hatten die ersten Ideen für

eine sozialtherapeutische Lebens- und Arbeitsgemeinschaft.

...

Einer meiner Lieblinge in der Dorfgemeinschaft ist der Gerhard

(Name geändert). Ich schätze, er ist ca. 23 Jahre alt. Er ist sehr

schlank, recht groß und hat ein sehr markantes Gesicht. Er hat Au-

gen, die immer sehr konzentriert irgendwo hinschauen. Er ver-

schränkt seine Finger immer ineinander und führt öfters Selbstge-

spräche über immer gleiche Themen: Die Kleiderhaken im Haus Tir

na Nog stören ihn, oft sagt er „Denk nicht mal dran“. Er redet jedoch

auch mit Leuten. Wenn man ihn zum Thema Kleiderhaken etwas

fragt, dann erzählt er darüber. Man kann mit ihm aber auch über

ganz andere Dinge sprechen. Er will zum Beispiel unbedingt nach

Papua Neuguinea. Das zeigt er mir dann in seinem Atlas. Man kann

mit ihm auch gut über Musik reden. Er liebt Popmusik, tanzt gerne

dazu und kennt sämtliche Lieder. Er kann auch sehr gut schreiben,

und mit etwas Unterstützung hilft er auch beim Backen. Manchmal

ist er sehr gut gelaunt und lacht auch, aber oft ist er eher in sich

gekehrt. Ich weiß nicht, was mich an ihm so fasziniert, aber er ist

einfach so ein besonderer Mensch.

Matteo B.

Ich habe mein Praktikum in der 11. Klasse der Karl Schubert-Schule

gemacht.

Um 7:45 habe ich zu arbeiten begonnen. Meine erste Aufgabe in

der Früh war es, einem Schüler zu helfen, den Tag und das Datum

zu stempeln. Wenn jeder mit seiner eigenen Arbeit fertig war, sagte

immer ein Schüler der Klasse den Stundenplan und ein anderer den

Hauswirtschaftsplan an. Um 8:30 traf sich die Schulgemeinschaft

im großen Festsaal, wo wir gesungen und den Morgenspruch ge-

sprochen haben (den selben, den wir „drüben“ sprechen). Danach

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war Epochenunterricht. Ich war bei der Ernte- und der Holzwerke-

poche dabei. In der Ernteepoche mussten die Schüler Äpfel pflücken

und Apfelchips und Saft machen.

Vor dem Praktikum war ich mir nicht sicher, wie ich es schaffen wer-

de, da ich nicht wusste, was mich erwartet. In der ersten Woche fand

ich es sehr anstrengend, weil ich noch nicht genau wusste, wie ich

mit den Kindern umgehen soll. Ab der zweiten Woche hat es mir

dann Spaß gemacht, mit den Kindern zu arbeiten.

Pia C.

Mein Sozialpraktikum habe ich im Johann-Wilhelm-Klein-Haus, ei-

nem österreichischen Blindenwohnheim, absolviert. Ich arbeitete auf

der Pflegestation (Pflege 1) und hatte ältere blinde, schwer hörende

und demenzkranke Menschen zu betreuen.

Jeden Tag außer Freitag besuchte ich Frau Müller (Name geändert)

für eine halbe Stunde. Frau Müller ist mittlerweile ganz blind. Sie lebt

seit 2013 im Blindenheim. Sie erzählte mir, dass sie anfangs in die

Pflegestation musste, um zu lernen, sich in dem Heim zurechtzufin-

den. Frau Müller erzählte mir … auch, dass sie ihre Handschrift nicht

verlieren möchte. Deshalb schreibt sie sich immer Erinnerungen auf

und lässt sich dann alles z.B. vom Lesegerät vorlesen. Damit sie nicht

ineinander schreibt, knickt sich Frau Müller immer Zeilen zurecht.

Für mich war das Sozialpraktikum eine sehr schöne und neue Er-

fahrung. Am Anfang war einiges etwas schwer. Aber ich gewöhnte

mich schnell an alles und lebte mich gut ein. Ich kannte zum Schluss

die einzelnen Bewohner und wusste, wie ich mit wem umgehen soll

und wer was mag und nicht mag. Es hat mir am Ende richtig Spaß

gemacht, im Johann-Wilhelm-Klein-Haus zu arbeiten und ich hätte

gerne noch länger im Blindenwohnheim arbeiten wollen.

Maxie W.

Sozialpraktikum Seniorenresidenz Waldhof / Steiermark

Ich habe in den drei Wochen im Animationsbereich gearbeitet. Jeden

Tag gab es am Vormittag und am Nachmittag ein Animationspro-

gramm für die Bewohner, an welchem sie freiwillig teilnehmen konn-

ten. Teils waren es sportliche, teils künstlerische und Denkaktivitäten.

Ich habe mit ein paar Bewohnern eine nähere Beziehung aufgebaut,

aber eine ganz besondere für mich war mit einer älteren Frau, die

nichts gehört hat. Sie hat immer bei vielen Aktivitäten teilgenom-

men und war körperlich auch noch sehr fit. Allerdings hat sie nichts

gehört und auch nicht geredet. Ich weiß nicht, ob sie schon immer

taubstumm war. Sie war eigentlich sehr frech und hat immer gelacht.

Vor allem hat sie allen Bewohnern immer gedeutet, wie sie was ma-

chen sollen, und das ist den anderen natürlich auf die Nerven gegan-

gen. Einmal beim Kochen haben wir Kartoffeln geschält, und ich hab‘

mit einem Kübel die Schalen eingesammelt. Sie wollte immer, dass

ich nach jeder Kartoffel ihre Schalen einsammle, und wenn ich nicht

gleich da war, hat sie mit dem Zeigefinder gewackelt und gelacht.

Wenn ich aber rechtzeitig da war, hat sie mir auf die Schulter geklopft

und Daumen hoch gezeigt. Wir haben jedes Mal, wenn wir uns ge-

sehen haben, lachen müssen, und sie mich dann immer leicht in den

Arm gestupst. Jeden Morgen, wenn ich ihr das Frühstück gebracht

habe, hat sie sich total gefreut, mich zu sehen. Ich fand, es war ein-

fach eine schöne Erfahrung, weil ich gemerkt habe, dass man sich

auch ohne Worte verständigen kann.

Theresa W.

Ich verbrachte mein Praktikum in Madrid, in einem der ärmsten Vier-

tel: El Pozo del Tio Raimundo.

Dort arbeitete ich sechs Wochen lang in einem Comedor. 1992 wurde

Argos, der Trägerverein des Comedor, von dem Yogameister Eduardo

Perez gegründet. Anfangs war Argos nur auf kulturelle und erziehe-

rische Aktivitäten beschränkt, später wollte man dann jedoch auch

soziale Projekte unterstützen, besonders nach der großen Wirt-

schaftskrise in Spanien. Im April 2010 wurde dann der eigentliche

Comedor gegründet. Finanziell wird dieser hauptsächlich von Mit-

gliedern von Argos unterstützt.

Meine Aufgabe dort war es, einmal am Tag in zwei Durchgängen Es-

sen an die Arbeits- und Obdachlosen auszuteilen. Außerdem wur-

den zusätzlich Essenspakete für Familien oder Kranke vorbereitet.

Das Ziel sollte sein, den Menschen in diesem ganz armen Viertel

mit Essen zu versorgen und im Gegenzug aber auch etwas Hilfe von

ihnen zu bekommen, z. B. bei Aufräumarbeiten oder bei der Mül-

lentsorgung. Helfende und Arbeitslose hatten somit etwas Kontakt

miteinander.

...

Sehr schön und bereichernd fand ich, dass ich wirklich in einem der

ärmsten Viertel Madrids arbeiten und Leuten helfen konnte, die ich

sonst als Touristin auf der Straße wohl übersehen hätte. So machte

ich die Erfahrung, wie wichtig es ist, einander Respekt zu zeigen.

Rückblicke

Page 23: MoMent Jänner 2016

_ 23 Rückblicke

Wir haben eine Oberstufenvertretungvon Robyn Kovacs, Rachel Svoboda, Kiyan Alaei, Paul Böhm

Letztes Schuljahr, im Rahmen des Nachmittagsunterrichtes, erarbei-

tete die jetzige 10. Klasse gemeinsam mit Frau Leutzendorff ein Kon-

zept für eine Oberstufenschülervertretung. Der Auslöser für dieses

Projekt war die Erkenntnis, dass es Lehrer- und Elterngremien gibt.

Schüler waren aber vollkommen vertretungslos. Also ergriffen wir die

Initiative, erstellten ein Konzept und stellten es den anderen Ober-

stufenklassen vor. Die anderen Schüler fanden Gefallen an der Idee

und wählten drei bis fünf Vertreter. Also kam es schon letztes Schul-

jahr zum ersten Treffen der neugegründeten Oberstufenvertretung.

Bei unseren etwa alle zwei Wochen stattfindenden Treffen thema-

tisieren wir zum Beispiel das Miteinander in der Oberstufe, Klassen-

und Praktikumsberichte, gemeinsame Projekte und sonstige aktu-

elle Themen. Drei unserer Vertreter sind bereits im österreichischen

Konzert der Jungen Waldorf-Philharmonie

Die 13. Orchestertagung der Jungen Waldorf-Philharmonie steht

vor der Tür und damit auch das erste Konzert der diesjährigen

Tournee in Wien am:

Dienstag, 29. März 2016, 19:30

ODEON Theater, Taborstraße 10, 1020 Wien

Auf dem Programm stehen:

Engelbert Humperdinck: Vorspiel zu „Hänsel und Gretel“

Antonín Dvořák: Violinkonzert in a-moll, op. 53

Pjotr Iljitsch Tschaikowski: Sinfonie Nr. 5

Karten zu 15,- bzw. 7,- EUR (erm.) sind erhältlich unter

www.orchester.waldorfschueler.de und bei „aus gutem grund“

(Endresstraße 113, 1230 Wien)

Die Junge Waldorf-Philharmonie ist ein Jugendorchesterprojekt

von Schülern für Schüler. Das Orchester wurde 2004 von einem

Waldorfschüler mit der Vision gegründet, junge begabte Musiker zu

verbinden und ihnen eine Plattform zu bieten, auf der sie unter An-

leitung von Profis große sinfonische Werke auf hohem Niveau ein-

studieren können. Die rund 100 Musiker kommen aus Deutschland

und Österreich und treffen sich einmal jährlich zu einer gemeinsa-

men Probenphase mit anschließenden Konzerten. Die Organisati-

on des Projekts liegt dabei ausschließlich in der Hand von Schülern

und Studenten.

Was die „Junge Waldorf Philharmonie“ von anderen Orchestern un-

terscheidet, ist das Engagement, mit dem sowohl Teilnehmer als auch

das junge OrgaTeam an die Sache herangehen, wodurch eine ganz

besondere Stimmung entsteht. Dazu trägt das umfassende und ab-

wechslungsreiche Rahmenprogramm bei, von Lagerfeuer bis hin zum

Casino- Tanz- und Bad-Taste-Cocktail-Abend. Auch die erstklassige

Verpflegung unterstützt die fröhliche und zufriedene Stimmung.

Schon ein Jahr im Voraus hat das OrgaTeam mit der Planung der

Orchestertagung und den anschließenden Konzerten begonnen.

Komplett eigenständig werden finanzielle Mittel an Land gezogen,

Werbung gemacht, alle logistischen Fragen geklärt, Konzerte und

die Tournee organisiert und vieles mehr.

Das Ziel ist es, nicht nur den Musikern eine unvergessliche Tagung

zu bereiten, sondern diese einzigartige Energie und Atmosphäre

auch in den Konzertsaal zu tragen. In diesem Sinne: Werden Sie Teil

eines außergewöhnlichen Orchesterprojekts und erleben Sie ein

junges, feuriges und mitreißendes Orchester, das es in dieser Form

nur einmal gibt.

Waldorfbund, wo sie zurzeit mit Schülern anderer Waldorfschulen die

erste österreichische Waldorfschülertagung organisieren.

Desweiteren haben wir schon im Oberstufenraum gemeinsam die

Decke tapeziert, Besprochenes in die Tat umgesetzt und zusam-

men gefeiert, was die Bindung zwischen den Oberstufenklassen

gefestigt hat.

In Zukunft haben wir vor, mehr Kontakt zu anderen Gremien aufzu-

bauen, den Oberstufenraum weiter zum gemeinsamen Treffpunkt

auszubauen und andere Vorhaben zu verwirklichen.

Dieses Jahr ist bereits die nächste neunte Klasse in die Vertretung

aufgenommen worden. Wir wünschen uns für die Zukunft, dass

unsere Idee einer Schülervertretung weit über unsere Schulzeit

hinausreicht.

Page 24: MoMent Jänner 2016

24 _ Kindergarten

„Die Entfaltung des ursprünglichen Konzepts“ (*)

Text: Christina Schwab

Foto: Lothar Trierenberg

Als 2008 unser Sohn auf die Welt kam, war es für uns bereits klar,

dass er in den Waldorfkindergarten gehen würde. Die Pädagogik,

die mir hier vorgelebt wurde, erinnerte mich sehr an „die Entfaltung

des ursprünglichen Konzepts“, den Grundsatz der Ortho-Bionomy;

einer sanften Behandlungsmethode, deren Grundlage darin be-

steht, den Menschen in seiner Ganzheit dort abzuholen, wo er ge-

rade steht und ihn durch Impulse in die freie Richtung auf sein ur-

eigenstes Potential aufmerksam zu machen. Für mich wurde dieser

Grundsatz nicht nur ein Leitsatz meiner Arbeit; ich habe darin auch

einen gesunden Weg für das ganze Leben entdeckt. Daher war

diese Parallele zur Waldorfpädagogik für mich sehr entscheidend –

was würden wir uns mehr für unseren Sohn wünschen, als dass er

erkannt wird und sein Potential entfalten kann. 

Ab September 2011 hatten wir unseren Platz im Kindergarten in

der Endresstraße. Wir verschoben den Start jedoch in den Februar,

da im Sommer unser zweiter Sohn auf die Welt gekommen war und

wir unserem älteren Sohn nicht das Gefühl geben wollten, nun „ab-

geschoben“ zu werden.

Als wir am ersten Tag in den Kindergarten kamen, liefen uns 2 Kin-

der entgegen und riefen: „Linus, da bist du ja endlich ... !“ Mein Er-

staunen war riesengroß, dass wir nicht nur von Jessica und Micha-

el herzlich empfangen wurden, sondern von den meisten Kindern

begrüßt, als würde Linus immer schon dazu gehören. Seit Septem-

ber, also 5 Monate lang, wurde sein Platz nicht nur freigehalten,

sondern jeden Morgen erwähnt, dass Linus noch bei seinem kleinen

Bruder zu Hause sein will. Somit war er für alle Kinder jeden einzel-

nen Tag präsent und sein Platz in der Gruppe vorhanden, obwohl er

noch nie im Kindergarten war ...

Nachdem Linus für die Eingewöhnung etwas Unterstützung

brauchte, war mir erlaubt, die erste Zeit im Kindergarten dabei zu

sein ... Ich habe hier wirklich nur Großartiges erlebt. Wäre ich nicht

schon mit meinem Beruf so glücklich, hätte ich auf Grund dieser

Vorbilder sofort mit der Waldorf-Ausbildung begonnen. Die Gabe

von Jessica und Michael, auf jedes einzelne Kind einzugehen und

mit Ruhe und Gelassenheit Dinge zuzulassen, war für mich sehr

beeindruckend. Im Laufe der Jahre wurde mir klar, dass die beiden

höchste Ansprüche an sich selbst haben und jedes Kind in seinem

vollen Potential erfassen und unterstützen wollen. So wie ich es er-

lebt habe und mit unserem zweiten Sohn nun auch erlebe, gelingt

ihnen das unglaublich gut. Sie holen jedes Kind in einer respekt-

vollen Art dort ab, wo es sich gerade in seiner Entwicklung und mit

seinen Eindrücken aus dieser Welt befindet. Durch dieses wertfreie

Annehmen entsteht in jedem Kind die Möglichkeit, sich selbst so

wahrzunehmen wie man ist und sich seiner sicher fühlt – genau

dort entwickelt sich der Boden, sein ursprüngliches Konzept zur

Entfaltung zu bringen.

Ich glaube, dies passiert jeden Tag in unserem Kindergarten in der

Endresstraße. Der Zauber, der hier in der Luft liegt, ist nicht nur in

den liebevoll gestalteten Festen – dem Erntedankfest, dem schö-

nen Laternenfest, dem herzlich geleiteten Weihnachtspiel – zu

spüren. Nein, diesen Zauber erlebe ich jedes Mal, wenn ich die

Möglichkeit habe, ein klein wenig in das Geschehen der kleinen

Höhle unterm Dach hinein zu lugen.

Ich danke euch von ganzem Herzen für eure Großartigkeit und

Herzlichkeit und die offenen Gespräche.

(*) A.L. Pauls, Begründer Ortho-Bionomy

24 _

Page 25: MoMent Jänner 2016

_ 25 Kindergarten

Die Zukunft im Blick der KinderZur Dreikönigszeit im Kindergarten

Text: Ursula Dotzler

Jeder Jahreswechsel hat den Moment des gleichzeitigen Blicks in

zwei Richtungen: auf das Vergangene im alten Jahr und auf das

Kommende im neuen Jahr.

Wenn das Weihnachtsfest im alten Jahr auf ein Vergangenheitsge-

schehen hinschaut, so hat das Dreikönigsfest in zweifacher Weise

die Zukunft im Blick.

Das Weihnachtsfest im alten Jahr erinnert an die Geburt des Jesus-

kindes. Der Dreikönigstag gedenkt sowohl der Anbetung des Kindes

durch die Heiligen Drei Könige als auch der Erscheinung des Chris-

tus bei der Taufe am Jordan. Das Bild des Kindes ist so verbunden

mit dem Bild seiner zukünftigen Entwicklung.

Der Stern führt drei Eingeweihte auf getrennten Wegen an den Ge-

burtsort des Menschen, der eine Christuszukunft hat. Die Könige

schauten jeder an seinem Ort über die Kindesgeburt hinaus in diese

Zukunft, und jeder begibt sich auf seinen Weg, um der Prophezei-

ung zu folgen.

Wenn die Weihnachtsstimmung aus dem Erinnerungsfest heute

verblasst, wird vielfach versucht, sie durch äußeren Aufwand zu

halten.

Wie kann Weihnachten als Zukunftsfest aussehen? Kommt hier

dem Dreikönigsfest eine größere Bedeutung zu?

Dem Neuen entgegen

Wie erleben nun die Kinder das Dreikönigsgeschehen?

Der Januar ist im Kindergarten dem Dreikönigsspiel gewidmet,

und die Kinder tauchen in den Rollen der Könige, Pagen und

Sterndeuter in Bilder ein, die ihrem Alter gemäß sind.

Die drei Könige folgen – aus dem Turm, dem Saal und dem

Schacht – dem großen Stern „von solch goldenem Glanz, wie man

ihn noch nie gesehen hatte“, der am Himmel aufgegangen ist und

den jeweils der eigene Sterngucker gesichtet hat.

Pagen tragen die Gaben Gold, Weihrauch und Myrrhe – „Herz,

Wille und Sinn“ sind angesprochen – und die Könige bringen sie

dem Kind dar. Bedankt ziehen sie heim, während Maria und Jo-

seph mit dem Kind sich auf Weisung des Engels nach Ägypten

aufmachen.

Vorausschau klingt leise an, wie auch der Aufbruch in ein unbe-

kanntes Land.

Eine besondere Bedeutung hat das Spiel für die Vorschulkinder:

sie gehen ihrem nächsten Lebensabschnitt entgegen, und zu Be-

ginn des neuen Jahres beginnt die Vorfreude darauf zu erwachen.

Ihre Gestalt streckt sich, und sie ahnen das Wachsen und Wer-

den, das auf sie zukommt. Sie beherrschen sich selbst Schritt für

Schritt ein Stück mehr und sind unbändig stolz, wenn es gelingt,

dass sie nacheinander alle drei Könige sein dürfen.

Das Bewusstsein, jetzt ein „richtiges Sonnenkind“ zu sein, strahlt

aus ihren Augen und der Erwachsene spürt zunehmend, dass ihm

das Kind mehr und mehr gegenüber steht und eine entsprechen-

de Haltung von ihm fordert.

_ 25

FRühlingsFestder Rudolf steiner-schule Wien-Mauer

samstag, 30. April 2016im schulhof, endresstr. 113

eröffnung um 14 Uhr

Bastelstationen für groß und Klein,Flohmarkt, Puppenspiel für die Jüngsten,

theater im Ohrensessel von stefan libardi

ihr Frühlingsfestkreis

Page 26: MoMent Jänner 2016

26 _ Rückblicke

Der Hort als neuer BegegnungsraumMehr Austausch zwischen den Klassen:

Die ersten Erfahrungen mit dem neuen Hortkonzept

Fotos: Uschi Iragorri

Mehr Austausch zwischen den Klassen, offene Begegnungsräume,

Natur erleben und Kunst schaffen – das waren die Anliegen, die wir

uns für die Nachmittagsbetreuung für das Schuljahr 2015/16 vorge-

nommen hatten. Nach einer intensiven Ideenfindungsphase und vie-

len Gesprächen konnten wir kurz vor Schulschluss unser neues Kon-

zept vorstellen: die Aufteilung in „kleinen“ und „großen“ Hort sollte

gelockert werden. Der Hortraum im Schulgebäude wurde vom Erst-

und Zweitklass-Hortraum, den „Kleinen“ also, zu einem Begegnungs-

raum der ersten und dritten Klasse umfunktioniert. Der Hortcon-

tainer mit dem Kunsthaus sollte die Kinder der zweiten und vierten

Klasse sowie einige Schüler der fünften Klasse beherbergen.

Nach fast vier Monaten Schulalltag können wir nun auf eine gelun-

gene erste Phase des neuen Konzepts zurückblicken. Dank des mil-

den Herbstes wurde und wird der Garten von allen Kindern bespielt,

der klassenübergreifende Kontakt zwischen den Kindern intensiviert

sich und auch Streitereien und Meinungsverschiedenheiten können

schnell und mit Hilfe der „Großen“ oft selbstständig geklärt werden.

Die neue erste Klasse hat sich gut eingelebt und von Anfang an viel

Energie gezeigt. Auch nach vier Stunden Unterricht reicht diese noch

für Klettern, Sandspielen und Häuserbauen. Bei den gemeinsamen

Mahlzeiten und beim Erarbeiten der Hortregeln waren die Drittkläss-

ler große Vorbilder. Bei der gemeinsamen Hausaufgabenzeit wurde

nicht nur gerechnet und geschrieben, sondern auch ein wertschät-

zender Umgang miteinander geübt.

Auch die monatlichen Projekttage wurden von den Kindern freudig

aufgenommen.

Der erste Termin im Herbst führte uns mit Veronika Kittel von waldwild-

nis.at in den Wald, wo wir eine Kugelbahn bauten und viele lustige Spiele

spielten. Beim zweiten Termin wurde das Technische Museum erforscht.

Da wir aus Zeitmangel nicht alles ganz genau besichtigen konnten, wird

es sicher im Frühling einen zweiten Termin geben. Mit nur sechs Kindern

besonders exklusiv war unsere Führung durch das Briefverteilerzentrum

der Post. Dort konnten wir nicht nur die riesigen Sortier-Maschinen ge-

nauestens untersuchen, sondern erkundeten auch die mehrere Fußball-

felder große Halle mit der hauseigenen Elektrobahn.

Vor Weihnachten ging es noch ins Schloss Schönbrunn zum Kinder-

museum und im Jänner dann wieder in den – leider nur mäßig – ver-

schneiten Wald.

Im Kunsthaus am Nachmittag sind wir auch heuer unserem

Grundgedanken weiterhin treu geblieben: Ein Raum, in dem

das Kind selbstständig kurz oder auch lange gestalten kann,

ein Raum ohne hierarchisch-ästhetische Überlegung, ein

Raum, in dem Experimentieren und Ausprobieren willkommen

sind und die Beständigkeit des Arbeitsprozesses wichtiger ist

als das Endergebnis. Dadurch sind viele Arbeiten entstanden,

die im Foyer und im Kunsthaus zu sehen sind.

Unsere Freitag-Nachmittags-Kunstkurse waren schon nach

kürzester Zeit ausgebucht. Wegen der großen Nachfra-

ge überlegen wir, eine weitere Stunde im Rahmen der Frei-

tags-Kurse anzubieten. Details werden natürlich rechtzeitig

bekanntgegeben.

Gemeinsam mit Sissi entstanden außerdem noch wunder-

schöne Schätze wie Seidenschals, Windlichter und Salzteigfi-

guren, die vor Weihnachten im Foyer vor dem Festsaal ausge-

stellt waren und sicher unter dem einen oder anderen Christ-

baum lagen.

Wir freuen uns schon sehr auf die kommenden Monate mit Ih-

ren Kindern in unserem Begegnungsraum!

Das Hort-Team

Betsabeh Aghamiri, Elisabeth (Sissi) Dragschitz,

Renate Hruza, Uschi Iragorri

Page 27: MoMent Jänner 2016

_ 27 Rückblicke

Schönes für Kleine

Text: Ursula Khol-Haidenthaler

Fotos: Nadja Berke, Ursula Khol-Haidenthaler

Für manche beginnen die Vorbereitungen schon im Som-

mer, andere haben sie das ganze Jahr im Hinterkopf und wie-

der andere zerbrechen sich den Kopf zwei Tage vor dem Ba-

sar und durchbasteln eine Nacht: Schönes für die Kinderstube.

Die Kinderstube zählt seit Jahren zu den (für die Eltern) aufwendigs-

ten aber auch schönsten Kinderaktivitäten am Weihnachtsbasar.

Es werden in ruhiger und stimmungsvoller Atmosphäre (von Eltern)

selbstgemachte kleine Basteleien ausschließlich von Kindern erwor-

ben – den Erwachsenen ist der Zutritt untersagt.

Die Kinder tauschen an der Kassa – die von Kindern der dritten

Klasse betreut wird – ihr Taschengeld in rote Filzpunkte um, die als

ausschließliches Zahlungsmittel dienen. Ein roter Punkt entspricht

50 Cent. Es gibt vier Stände, die Waren um eins, zwei, drei oder vier

Filzpunkte anbieten und wiederum von den Kindern der dritten

Klasse betreut werden.

Ja, es haben alle Eltern gebastelt. Wirklich alle. Beeindruckend. Es

wurden Regenmacher befüllt, Schneckenhäuser vergoldet, Zau-

bernüsse gefüllt, Seifen hergestellt, Marmelade eingekocht, Kreisel

geschnitzt, Halsketten und Armbänder gefädelt, Feen gezaubert,

Taschen genäht, Salzteig für die Puppenstube geformt, Korkschiff-

chen getestet, Origami gefaltet und vieles mehr. Pro Familie wur-

den mindestens 30 Stück hergestellt – oftmals mehr! Da die Kinder

der dritten Klasse selbst auch einen Beitrag leisten wollten, wurden

an zwei Nachmittagen gemeinsam Filzschnüre in bunten Farben

gestrickt und gefilzt. Die Kinder arbeiteten konzentriert an ihren

Schnüren, lümmelten auf der Couch und tratschten über ihr Leben

als Drittklässler. Herrlich anzusehen! Herr Genswein hatte die Klasse

in Rechenspielen auf die verantwortungsvolle Aufgabe der Kassa-

führung vorbereitet – nur zur Sicherheit, falls im regen Ansturm das

Rechnen schwerfiele.

Die Kinderstube war auch heuer wieder reich befüllt und viel zu

schnell leergekauft!

Es zeigte sich wieder einmal, dass die Kinder sehr gut überlegen,

wofür sie ihr Geld, ihre Punkte ausgeben. Die Wertigkeiten sind bei

jedem Kind anders gelagert.

Die Neugier der Erwachsenen war groß, alle lugten über die blaue

Wand, um einen Blick in das Kinderland zu erhaschen. Manche hät-

ten auch den Allerkleinsten schon gerne die Möglichkeit gegeben,

einen Schatz zu erwerben. Doch ist es für die Kinder im geeigneten

Alter gerade so schön, ganz alleine aussuchen zu dürfen und danach

den Eltern zeigen zu können.

Erstmals habe ich heuer ab Freitag 10 Uhr den Aufbau in der Schule

miterlebt. Unglaublich, es wuselte in der ganzen Schule wie in ei-

nem Ameisenhaufen. Es sollte perfekt sein und das wurde es auch.

Punkt 17 Uhr war alles fertig. Bereit für den großen Ansturm, der

Gottseidank auch heuer nicht ausblieb!

Ich möchte allen Eltern und Kindern der dritten Klasse danken, die

so eifrig gebastelt haben – und vor allem auch jenen, die zusätzlich

zum Aufbau und Abbau, sprich zum Gelingen beigetragen haben!

Unser aller Mühe wurde durch die strahlenden Kindergesichter vor

und hinter den Verkaufsständen belohnt!

Page 28: MoMent Jänner 2016

28 _ Rückblicke

Russkij Chai und andere russische Köstlichkeiten

Text: Brigitte Födinger

Fotos: Seweryn Habdank-Wojewódzki, Lothar Trierenberg

„… ich habe mich wie in meiner Heimat gefühlt“, berichtete Olga

Glazkova Brigitte Födinger auf deren Frage hin, wie sie die diesjähri-

ge russische Teestube denn erlebt habe. Für die Organisatorinnen V.

Skerjanz und B. Födinger war die Zusammenarbeit mit Frau Glazko-

va von Anfang an eine fruchtbare und sehr freudvolle, die getragen

war von Achtung vor den Fähigkeiten der anderen.

Die russische Teestube, fixer Bestandteil des Adventbasars in Mau-

er, stellt alljährlich die Verantwortlichen vor eine enorme Heraus-

forderung und ist sicherlich eine der arbeitsintensivsten Tätigkeiten,

die von Eltern zu bewältigen ist: In nur einem Tag müssen aus zwei

Klassenzimmern ein gastronomischer Betrieb mit einer „Teestube“

und einer Küche hergerichtet werden. Samstagabend um 18 Uhr be-

ginnt mit dem Gong der Abbau. Zwei bis drei Stunden später ist der

Spuk vorbei.

In diesem Jahr meldeten sich Veronika Skerjanz und Brigitte Födin-

ger für die Organisation. Schon bald stellte sich heraus, dass sich

ein Dream-Team gefunden hatte, das sich nicht nur organisatorisch

wunderbar ergänzte sondern in allen, wirklich allen Bereichen einer

Meinung war. „Wir wollten es einfach nur gut machen! Nicht besser

als im Vorjahr, sondern wirklich fein für alle.“

Von Anfang an stand uns Olga Glazkova mit ihrer fast 20jährigen

Erfahrung in Sachen Organisation zur Verfügung. In einem ers-

ten Treffen Anfang Oktober berichtete sie über ihre Erfahrungen

der letzten Jahre und erklärte uns den Ablauf. Und ja, es gäbe eine

Mappe, die selbsterklärend wäre, nur bei wem ist die gerade??? Es

dauerte 3 Wochen, bis wir nicht nur eine, sondern vier Mappen in

Händen hielten. An dieser Stelle vielen Dank für die tolle Vorarbeit

und Mühe, die sich Elisabeth MacNulty, Heidi Magdowski, Christine

Bolleter, Monika Böhm und Irene Mayer in den Jahren 2009 – 2011

gemacht hatten. Alle Schritte und To Do’s waren minutiös erklärt.

In mehreren Telefonaten mit Gerda Edelmüller, eine der Organisa-

torinnen von 2014, wurden die Ziffern auf aktuellen Stand gebracht.

So hatte sich beispielsweise der Lachskonsum von 3,5 kg (2009) auf

10 kg (2014) gesteigert. Gerda, auch Dir besonderen Dank. Und nicht

nur für den wunderbaren Tipp mit der „Russischen Zigarrentorte“,

von welcher wir tatsächlich 5 ganze Torten verkauft haben.

Die Mappen wurden zusammengeführt, und wir arbeiteten uns

Stück für Stück vorwärts. Das Geschirr wurde gezählt und ergänzt,

Tischlichter gesichtet, Salz- / Pfefferstreuer gekauft, Servietten,

Blöcke und Tischwäsche gezählt und schließlich die benötigten

Speisen überlegt und Rezepte verschickt. Es sollte alles in Bio-Qua-

lität sein – soviel war von Anfang an klar – und zwar durchgehend.

Und Veronika fuhr los und überprüfte die Preise. Schlussendlich

wurde mit wenigen Ausnahmen alles bei „Aus gutem Grund“ ge-

kauft. „Warum in die Ferne schweifen, wenn ...“.

Es gab vier Pfeiler, auf denen die Teestube aufgebaut war: Eltern, Frau

Rumetshofer, die Klassenlehrerin, alle Russischlehrerinnen – allen vo-

ran Olga Glazkova und natürlich die Schülerinnen und Schüler der 6.

Klasse. Das „Herz“ der russischen Teestube ist eindeutig Frau Glazkova.

Wie jedes Jahr sorgte sie für die Dekoration, darunter unter anderem

eine Präsentation ihrer Samowar-Sammlung und Matroschka-Puppen.

Mit der Klasse wurden Menükarten gebastelt, die später von Ekaterina

Chebova geschrieben wurden, und neue Vokabel zum Thema „Russi-

sche Teestube“ erlernt. Es wurden kleine Szenen und Dialoge, die sich

in einer „Teestube“ abspielen könnten, geübt, und sogar Brötchen hat-

te Olga Glazkova mit den Kindern im Rahmen des Unterrichtes vorbe-

reitet und, geliebt von allen, Russkij Chai gekocht.

Frau Rumetshofer ihrerseits übte mit den Kindern im Vorfeld für die

Kellnertätigkeit mit kleinen Rechenspielen und hielt in der Klasse ei-

nen „Servierkurs“ mit Unterstützung von Frau Skerjanz ab. Auch die

zeitliche Einteilung der Kinder wurde von der Klassenlehrerin über-

Page 29: MoMent Jänner 2016

_ 29 Rückblicke

nommen; kein leichtes Unterfangen, da alle gerne servieren wollten,

Abwasch und Brote streichen hingegen weniger Begeisterung fand.

Schlussendlich hatten wir noch Peter Floquet, Vater einer Schülerin

der 6. Klasse, im Boot; den Kindern bekannt durch seine umgängliche

Art bei der Olympiade in Schönau und seither allseits beliebt. Ihn si-

cherten wir uns als eventuellen Motivator und „Löwenbändiger“.

In mehreren Doodle-Listen wurden die Eltern zur Mitarbeit aufge-

rufen; sei es, um Essen, Kühlschrank oder Geschirr, Töpfe, Zangen,

Wasserkrüge und dergleichen zu bringen. Blitzschnell waren die Lis-

ten voll. Auch vier Familien aus der 8. Klasse steuerten Speisen bei.

Besonders geschätzt wurden die Russischen Eier der Familie Amann,

die, kaum gebracht, auch schon wieder weg waren. Ein Tipp an die

Eltern für nächstes Jahr: Russische Eier, Piroschki und Lachs-Blinis

oder Brötchen können nicht genug da sein!!

Währenddessen hatten die Organisatorinnen auch ihre kleinen

Freuden im Hintergrund, etwa wenn die russischen Rezepte auspro-

biert und gemeinsam verkostet wurden. Da uns wichtig war, dass

die Brötchen nicht zu klein und zu groß, nicht zu viel oder zu wenig

Lachs drauf war, wurde direkt „an der Ware“ getestet. Den Prosecco

dabei nicht zu vergessen – ein italienischer, versteht sich.

Als es Freitag 16 Uhr und die Vorbereitungen eine Stunde vor Basar-

beginn längst nicht abgeschlossen waren, wurde plötzlich allen An-

wesenden klar, dass es handeln hieße – und ja, was soll ich sagen:

Eine Stunde später hatten wir einen Status Quo, der dem des „Wiener

Kaffeehauses“ am Basar nicht unähnlich war. Von da an lief alles wie

von selbst. Vor allem die Kinder. Dazu Olga Glazkova: „Ich war begeis-

tert, wie toll es die Schülerinnen und Schüler gemacht haben – mit viel

Eigeninitiative. Sie haben einander geholfen, trotz Müdigkeit wei-

tergemacht und waren hilfsbereit. In meiner Wahrnehmung haben

sie wie Erwachsene gearbeitet; wie echte Kellner und Kellnerinnen.“

Und weiter schwärmt Olga: „Die Atmosphäre war wunderschön. Viele

Ehemalige sind gekommen. Sie wunderten sich, dass ich ihre Namen

noch kenne. (lacht) Ich war begeistert, wie die Eltern geholfen haben.

Obwohl ich 12 Jahre nicht in Russland war, habe ich mich diese 2 Tage

in der russischen Teestube wie in meiner Heimat gefühlt. Dafür bin ich

wie jedes Jahr den KollegInnen, Eltern, Schülerinnen und Schülern sehr

dankbar – und natürlich dem Wolfgang Seyringer.“

„Ein Fest für uns! Ein Fest für Alle!“

Und was meinten die SchülerInnen der 6. Klasse dazu?

„Ich finde, dass das Kellnern sehr anstrengend war, weil bei mir das

Tablett fast immer überladen war.“ Lina

„Die Vorbereitung am Freitag war sehr anstrengend. … Es gab fol-

gende Dienste: Servieren, Abwaschen, Brötchen streichen und

Buffet. Wir wurden im Schichtdienst eingeteilt. Es gab manche, die

arbeiteten zwei Stunden. Manche arbeiteten vier Stunden mit einer

Pause oder auch ganz ohne Pause durch. – Die Arbeit in der russi-

schen Teestube fand ich sehr schön und interessant.“

Mateusz und Paul

„Was ist die russische Teestube? Die russische Teestube ist ein Pro-

jekt der 6. Klasse. Jedes Jahr am Adventbasar macht die 6. Klas-

se mit vielen Eltern, Lehrern, Brüdern und Geschwistern ein klei-

nes Trinkstübchen mit Alkohol VERBOT. Auf der Speisekarte stehen

verschiedene Getränke wie z.B. Apfelsaft, Orangensaft oder einfach

nur Wasser. Aber natürlich gibt es auch Speisen aus der russischen

Küche. Dieses Jahr gab es das Jubiläum, das auch Speisen von den

Kellnern ausgeteilt wurden.

Eigentlich gibt es ein System, wer von den Kellnern dran ist, aber

nach den ersten zehn Minuten haben alle alles gemacht. Am ersten

Tag haben auch viele zum Spaß alle 5 Stunden durchgearbeitet und

hatten zum Schluss keine Kraft mehr zum Wegräumen, was zum

Leid der anderen war, die mehr wegräumen mussten.“ Natan

„Wie jedes Jahr hat auch die diesjährige 6. Klasse die russische Tee-

stube übernommen. Für die guten Speisen sorgten die Eltern. Die

Spezialität war der Schwarze Tee, der meist mit Milch, Zitrone und

Zucker getrunken wurde. ... Wir haben uns in Schichten eingeteilt, in

denen wir jeweils als Kellner beim Buffet, beim Abwasch und Brote

machen arbeiteten. Eine(r) saß immer an der Kassa. ... Es war trotz

Anstrengung eine sehr lustige Zeit.“ Valerie und Sina

Page 30: MoMent Jänner 2016

30 _

„FREIE SCHULWAHL 2.0“: Aufgeben tut man einen BriefNeue Aktion: Nach der Demo für die Gleichstellung der Freien Schulen

werden noch einmal Unterschriften gesammelt

Text: Roman David-Freihsl

Die Forderung ist im Grunde seit Jahr und Tag immer und im-

mer wieder dieselbe: Die Diskriminierung der Waldorfschulen und

der anderen Schulen in Freier Trägerschaft muss beendet werden!

Schließlich ist es nicht einzusehen, warum die Eltern unserer Schu-

le zweimal zahlen müssen: Einmal über die Steuern wie alle anderen

auch für die Schulbildung ihrer Kinder – und dann fast den vollen

Betrag noch einmal für den Besuch etwa der Rudolf Steiner-Schule.

Die Fakten: Konfessionelle Privatschulen erhalten vom Staat die

vollen Lehrerkosten und damit etwa 80 Prozent ihrer Aufwendun-

gen ersetzt. Für Schulen in Freier Trägerschaft gilt dies hingegen

nicht: Für die gibt es lediglich Zuschüsse zu den Sachkosten. Im Jahr

2010 waren das noch jährlich 1.000 Euro pro Schülerin bzw. Schüler.

Da die Anzahl der Schulen in Freier Trägerschaft aber zunimmt, der

Fördertopf jedoch gleich bleibt, werden die Kuchenstücke pro Schü-

lerIn immer kleiner – und so sank der Betrag bis zum Jahr 2015 auf

750 Euro pro Kopf, was einem Minus von 25 Prozent innerhalb von

fünf Jahren entspricht. Übrigens entsprechen 750 EUR nicht einmal

zehn Prozent jener Kosten, die pro Schülerin oder Schüler an einer

öffentlichen Schule anfallen!

Gleichzeitig haben die Eltern der Freien Schulen in den vergangenen

50 Jahren mehr als 500 Millionen Euro Schulgeld aufgebracht – zu-

sätzlich zu ihren Steuerleistungen für das staatliche Bildungssystem.

Andere Europäische Länder zeigen, dass es auch anders geht: In

Dänemark bekommen beispielsweise Schulen in Freier Trägerschaft

Subventionen pro Kind ausgezahlt. Mit diesen Mitteln können sämt-

liche Schulkosten, also auch die Lehrerkosten, abgedeckt werden.

Auch in den Niederlanden wurde eine weitgehende Autonomie des

Schulbudgets, der Ausgestaltung der pädagogischen Arbeit und der

Auswahl der Lehrkräfte bereits umgesetzt.

Nun hatte die Bundesregierung angekündigt, Ende des Vorjahres

ein umfassendes Schulreformpaket vorlegen zu wollen. Keine Frage,

dass bei dieser Gelegenheit versucht werden musste, die Forde-

rungen der Schulen in Freier Trägerschaft einzubringen. Unter der

Federführung des österreichischen Waldorfbundes organisierte die

Initiative „FREIE SCHULWAHL 2.0“ am 16. Oktober des Vorjahres ei-

nen vielfältigen Aktionstag:

Gleich in der Früh wurden in der Parlamentsdirektion 12.409 Un-

terschriften übergeben, mit denen die Beendigung der finanziellen

Diskriminierung von Schulen in Freier Trägerschaft gefordert wurde.

Gleich im Anschluss wurden die Details zur Aktion bei einer gut be-

suchten Pressekonferenz im Café Landtmann präsentiert. Und wie-

derum danach erfolgte eine Kundgebung auf dem Minoritenplatz

mit rund 800 TeilnehmerInnen; Schülerinnen, Schülern, Lehrerinnen,

Lehrern und Eltern. Singen, Skandieren, Ansprachen, Umzüge …

Das Medienecho war groß. So gut wie alle Tageszeitungen berichte-

ten vom Aktionstag, wie auch Radio- und Fernsehsender. Die Reak-

tion der Politik hingegen war – wieder einmal – ernüchternd … und

kann mit der wienerischen Redewendung beschrieben werden: „Ned

amoi ignorieren.“

„Das am 17. November 2015 vorgestellte Reformpaket der Bil-

dungsreformkommission ist – wie zu erwarten – ein Kompro-

missstückwerk geblieben, das die Autonomie der Schulen nur in

marginalen Bereichen ermöglichen soll“, bilanziert Angelika Lüt-

genhorst vom österreichischen Waldorfbund. Und: „Unser spe-

zifisches Anliegen, die finanzielle Gleichbehandlung eines jeden

Schulplatzes unabhängig von der Trägerschaft, wird wieder mit

keinem Wort erwähnt.“

Aber, wie heißt es auch so schön in Wien: Aufgeben tut man einen

Brief.

Daher geht die Initiative „FREIE SCHULWAHL 2.0“ nun in die

nächste Runde: Auf einer Petitionshomepage des Parlamentes

kann die Forderung nach Beendigung der finanziellen Diskriminie-

rung unserer Schule sehr einfach unterstützt werden.

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/BI/BI_00090/index.

shtml#tab-Zustimmungserklaerung

„Mit einer großen Anzahl an Zustimmungserklärungen können wir

den parlamentarischen Ausschüssen die Wichtigkeit der finanziellen

Gleichstellung im Sinne der Bildungsqualität und der pädagogischen

Vielfalt zeigen und zu einer positiven Haltung motivieren“, appelliert

Angelika Lütgenhorst.

Nähere Informationen unter: www.freieschulwahl.at

Rückblicke

Page 31: MoMent Jänner 2016

_ 31

„Beutel leer – Kohle her“Schülerberichte von der Kundgebung auf dem Minoritenplatz

Fotos: Karl Hruza

Am 16. Oktober 2015 demonstrierten vor allem viele SchülerInnen un-

serer Schule auf dem Minoritenplatz gegen die finanzielle Diskriminie-

rung der Schulen in Freier Trägerschaft. Hier eine Auswahl der Berich-

te aus der 6. Klasse:

„Die Oberstufe und Mittelstufe der Rudolf Steiner-Schule in Wien-

Mauer fuhr am 16. Oktober 2015 zur Demonstration am Minoriten-

platz. Der Zweck der Demo war, dass Freie Schulen mehr vom Staat

gefördert werden sollten. Es waren sehr viele Leute dort. Bei der

Fahrt blieben 2 Schüler der 6. Klasse in der U-Bahn, doch zum Glück

kamen sie schon nach kurzer Zeit zurück. Wir, die 6. Klasse, blieben

ca. 1 Stunde dort.“

Sina

„Die Demonstration war am Minoritenplatz. Wir sind mit den öf-

fentlichen Verkehrsmitteln zum Minoritenplatz gefahren. Dann

sind wir dort ausgestiegen und zum Platz hinaufgegangen. Dort

waren sehr, sehr viele Menschen, manche mit Schildern und Pla-

katen. Schüler der zehnten Klasse unserer Schule haben gesungen.

Es haben Lehrer und Eltern für die Schulen geredet. Dann sind alle

Schüler und Erwachsenen eine Runde gegangen. Meine Klasse hat

sich bei einer Skulptur versammelt und 10 Minuten Pause gemacht.

Danach sind wir wieder zurück gefahren.“

Paul und Mateusz

„Weil sich die finanzielle Lage vieler Freier Schulen (z.B. Waldorf-

schulen) laufend verschlechtert, gab es am 16. 10. 2015 Demons-

tration. Allein der erste Anblick von der U-Bahntreppe aus war

überwältigend. Etwa 1500 Menschen hatten sich vor dem Bil-

dungsministerium am Minoritenplatz versammelt. Es war auch eine

Bühne aufgebaut worden. Oben stand zuerst eine Rednerin, die uns

eine Rede hielt, dann kamen ein paar Zehntklässler unserer Schule.

Mit ihnen sangen wir „Protest-Lieder“, die Geld von Bildungsminis-

terin Heinisch-Hosek verlangten, z.B.:

(zur Melodie ,Oh du lieber Augustin‘)

Heinisch-Hosek Kohle(*) her, Kohle her, Kohle her

Heinisch-Hosek Kohle her, sonst geht’s nicht mehr

Geld ist weg

Schul im Dreck

Beitel leer

Kohle her

Heinisch-Hosek Kohle her, sonst geht’s nicht mehr

Andere Lieder gab es auch. Die Stimmung dort war gelöst und

fröhlich, deshalb fand ich es traurig, dass wir nach 1 Stunde wieder

gingen. Am nächsten Tag fand ich einen kleinen Artikel in der Zei-

tung: ,Schulen wollen Geld für Lehrer‘.

(*) Kohle – umgangssprachlich für Geld

Samuel

Rückblicke

Page 32: MoMent Jänner 2016

32 _ Portrait

MoMent: Sie haben Mode studiert, waren Fotograf, haben sich mit

Sport und Ernährung beschäftigt. Wie kamen Sie zur Waldorfschu-

le in Mauer?

Manfred Hofer: Ich war Projektmanager des Biohof Adamah und

habe vor drei Jahren gemeinsam mit meiner Frau drei Wochen das

Wirtschaftspraktikum der damaligen 12. Klasse geleitet. In einem

Pilotprojekt sollten die Jugendlichen in die Rolle eines Unterneh-

mers schlüpfen und eine Idee verwirklichen. Die Idee meiner Grup-

pe war, hier eine zu 100 Prozent biologische Schulküche einzurich-

ten. Es gab einen signifikanten Moment für mich, als die Schüler

fragten, ob wir statt um acht nicht erst um zehn beginnen könn-

ten. Ich dachte, sie wollten „owezahn“ und sagte, sie könnten gern

erst um zehn beginnen, aber unsere Tagesziele müssen erreicht

werden, auch wenn sie dann bis Mitternacht sitzen. Die Tagesziele

wurden nicht nur erreicht, sondern manchmal sogar übertroffen.

Ich war erstaunt, wie engagiert die Schüler waren, lernwillig und

offen der Situation gegenüber, sie meinten es ernst, wollten sich

der Aufgabe stellen. Das habe ich von Jugendlichen in der Form

nicht gekannt.

MoMent: Sie haben Ihr Augenmerk auch auf den sozialen Umgang

der Schüler untereinander gerichtet. Was fiel Ihnen da auf?

Hofer: Es gab eine Hänselei zwischen zwei Schülern, ein dritter

kam hinzu und sagte: „Stell dir vor, das würde zu dir jemand sa-

gen, hättest du das gern?“ Worauf der hänselnde Schüler sagte:

„Du hast recht, das ist mir gar nicht aufgefallen“, und sich ent-

schuldigte. Ein lebendes Beispiel für Achtsamkeit. Das fand ich

toll. Ich habe versucht, die Wirtschaft mit den eigenen Waffen zu

schlagen und für eine bessere Welt zu kämpfen und kämpfe aber

einen Kampf gegen Windmühlen, und diese Jugendlichen gehen

so miteinander um. Da blitzte erstmals der Gedanke auf: eigent-

lich müsste man daran arbeiten, die zukünftige Gesellschaft mit

aufzubauen.

MoMent: Sie haben quasi direkt nach besagtem Wirtschaftsprak-

tikum mit der Waldorflehrerausbildung begonnen. Gespräche mit

Engelbert Sperl und Stefan Herkommer haben Sie in diesem Impuls

bestärkt. Wie haben Sie den Weg zum Lehrersein erlebt?

Hofer: Mir konnte nichts Besseres passieren, als dass ich mit mei-

nen 40 Jahren in Berührung mit der Anthroposophie kam. Ich

habe die Ausbildung sehr konsequent und ehrgeizig gemacht. Am

Anfang habe ich nichts verstanden. Mir war die Anthroposophie

viel zu verwaschen. Die Ausbildung war toll, herausfordernd, le-

bendig. Ich habe währenddessen als Chorleiter in der Walz gear-

beitet und im Hort in Pötzleinsdorf. Als dann ein Erstklasslehrer in

Mauer gesucht wurde, habe ich mich mit viel Vertrauen beworben

und hier meine Lehrprobe gemacht. Ich bin sehr glücklich, dass ich

hier an der Schule bin. Die Tradition dieser Schule ist mir lieb. Auch

das Arbeitsklima unter den Kollegen ist ein sehr gutes. Ich werde

vielfach ungefragt unterstützt und fühle mich sehr angekommen,

aufgehoben und durch meine Mentorin Christine Bolleter sehr gut

begleitet.

MoMent: Sie sprachen einen Kampf gegen die Windmühlen an. An

Ihren Beschäftigungen, Ihrem Engagement erkennt man auch eine

gesellschaftskritische Einstellung.

Hofer: Ich bin mit der Verteilung der Güter nicht einverstanden.

Ich bin der Überzeugung, dass ich automatisch glücklich bin, wenn

viele um mich herum glücklich sind. Ich spreche von wahrhaftigem

Glück. Stattdessen stecken wir im Kauf- und Medienrausch – das

ist eine seelische Verwahrlosung. Ich finde in der Politik keine Wer-

te. Das ist schade und arm. Es wird ausgegrenzt und abgegrenzt.

Als Lehrer habe ich nun eine sehr sinnvolle Aufgabe, nämlich Men-

schen, und womöglich sogar den Bundespräsidenten, die Bun-

deskanzlerin und die Wirtschaftsführenden unserer Zukunft mit

auszubilden. Ich möchte nicht, dass Dinge wie Achtsamkeit oder

Wertschätzung nur zu Schlagworten verkommen, sondern dass sie

gelebt werden.

MoMent: Welche Aspekte des anthroposophischen Weltbilds die-

nen Ihnen als Anhaltspunkte?

Hofer: Ich meine nicht, dass Anthroposophie die Weltherrschaft

übernehmen muss. Das hat sie nicht notwendig. Außerdem würde

ich niemanden zur Anthroposophie zwingen wollen. Vielmehr glau-

be ich, müsste es ein Nebeneinander geben können. Ein Gemeinsa-

mes kann nur aus einem Nebeneinander und Anderssein bestehen.

Achtsamkeit und Wertschätzung als Grundlage für die zukünftige Gesellschaft

Eine vielseitige berufliche Laufbahn führte Manfred Hofer zum

Lehrerberuf. Wichtig ist ihm die Gestaltung der Gesellschaft, Leben-

digkeit im Unterricht und dass seine Schülerinnen und Schüler enga-

gierte, freie Menschen werden.

Mit dem neuen Erstklasslehrer sprach Isabella Pohl.

Foto: Lothar Trierenberg

Page 33: MoMent Jänner 2016

_ 33 Portrait

Schließlich, bei Steiner handelt es sich nicht um etwas Erfundenes,

sondern um etwas ohnehin Existentes. Es geht darum, den Blick

und die Sinne dafür zu schärfen. Steiner erfindet ja nichts Neues. Er

nimmt etwas, was da ist, aber holt die Lebendigkeit dessen heraus.

Da kann man eine völlig neue Welt entdecken und genau darauf

muss man in der Bildung achten und nicht iPads und Computer

einführen – das finde ich seelenlos, außer man will Marionetten der

Wirtschaft erzeugen, aber das ist nicht das Leben für mich.

MoMent: Ihre Abschlussarbeit haben Sie über anthroposophische

Architektur geschrieben …

Hofer: ... und zu Beginn fand ich diese Ablehnung rechter Winkel,

die geschwungenen Formen furchtbar! Auch den Festsaal hier an

der Schule, der mir jetzt so lieb geworden ist. Aber im Zuge meiner

Arbeit hat sich mir erklärt, warum das so ist. Es geht auch um eine

seelische Geborgenheit, etwas das unterschätzt wird: wie die Din-

ge auf die Seele wirken, die man vor Augen hat.

MoMent: Wie sehen Sie die Gemeinschaft aus Lehrern, Schülern

und Eltern hier an der Schule, an die sehr unterschiedliche Wege

führen und deren kleinster gemeinsamer Nenner womöglich nur

der Wunsch nach „etwas anderem“ ist?

Hofer: Ich denke, es gibt einen Generationenwechsel. Manche ha-

ben sehr feste Vorstellungen davon, wie die Dinge gemacht gehö-

ren, und es kommt vor, dass ich sage: Nein, es fühlt sich so nicht

richtig an. Ich mache es anders. Wenn ich mir Eltern wie Sie an-

schaue, die hier in der Waldorfschule waren, dann sind das nicht

Leute, die in wallenden Kleidern auftreten, die sich das Waldorf-

Bild also nicht so vor die Augen hängen, die das aber sehr wohl

vor die Seele hängen, bewusst wegen ihrer Kinder – und ich denke

auch wegen der Gestaltung der Gesellschaft, wobei das vielleicht

unbewusst passiert. Ich sehe eine ausgeprägte Lebendigkeit, auch

von Eltern, die nicht Steiner gelesen haben.

MoMent: Sie würden die Steiner-Lektüre empfehlen?

Hofer: Ja, aber nicht so, wie ich ein spannendes Buch empfehle.

Das muss man wollen, da muss man eine Sehnsucht, ein Bedürfnis

danach haben.

MoMent: Gibt es einen speziellen Text, einen Vortrag von Steiner,

der eine Grundlage für Sie ist, den Sie all Ihren Eltern nahe legen

würden?

Hofer: Ja – aber das ist in diesem Monat der Vortrag und in einem

anderen Monat ein andererVortrag. Das verändert sich. Im Unter-

richt versuche ich, den Kindern die größtmögliche Lebendigkeit

eines Buchstabens oder einer Zahl oder einer Form nahezubrin-

gen. Wenn ich etwas aufschreibe, ist es tot, ich kann es ablegen,

ich brauche es nicht mehr in mir wirken lassen. Ich gehe auf die

unterschiedlichen Temperamente der Kinder ein; die Kinder in eine

Schublade stecken funktioniert nicht. Ein Kind ist an einem Tag

furchtbar schlimm und am anderen Tag wunderbar brav.

MoMent: In der Klasse sind doppelt so viele Buben wie Mädchen.

Wie gehen Sie mit der Lebhaftigkeit der Kinder um?

Hofer: Ich überlege, was muss ich tun, damit sie machen, was ich

sage? Da gibt es sehr viele Hilfestellungen in der Waldorfpädago-

gik. Oft kommt die Klasse mit Fingerspielen und Sprüchen gut zu

Ruhe. Die Kinder sind ja nicht undiszipliniert; sie sind wegen der in

ihnen wirkenden Kräfte aufgeregt. Dann spielt auch meine Ta-

gesverfassung mit. Da sitzen die Kinder alle vor mir und plaudern.

Meine Aufgabe ist es, den Kindern etwas beizubringen. Das heißt,

wenn sie etwas nicht können, dann ist das nicht ihr Fehler, sondern

ich muss es mit ihnen üben. Wir haben etwa eine Übeseite auf der

Tafel gemacht. Mit manchen Kindern übe ich dann auch noch ein-

mal in Ruhe den Morgenkreis, wenn die anderen schon in der Pau-

se sind. Es raubt viel Kraft, wenn man böse und laut wird. Manch-

mal ist es nötig, aber das sollte die Ausnahme sein – sonst bin ich

am Nachmittag völlig fertig.

MoMent: Was sind die Dinge, die Sie Ihren Kindern beibringen

wollen?

Hofer: Sie sollen engagierte, motivierte, freie Menschen werden.

Frei in dem Sinn, dass sie wissen, was sie können und was sie brau-

chen, und was ihr Beitrag für die Gesellschaft sein kann. Darin sehe

ich meine erzieherische Aufgabe.

Page 34: MoMent Jänner 2016

34 _

Schulleben im Porträt – Familie Sperl

Wie seid Ihr mit Waldorfpädagogik in Berührung gekommen?

Engelbert: Einerseits durch den biologischen Landbau und dann

durch die ehemalige Schulköchin Ina Barzen. Danach ist unsere

Älteste in den Kindergarten gekommen. Viele Schuleltern lernen

ja zuerst den Kindergarten kennen, der ja meistens den Anfang

bildet und von dem die meisten Schulkinder an unsere Schule

kommen. Die Anthroposophie haben wir vor allem durch die Kin-

dergartenausbildung von Magdalena kennengelernt. Vieles lief

dann parallel, wie die Elternabende von Elfriede Graf, wo wir auch

viele Anregungen bekamen.

Aus welchem Umfeld kommt Ihr? Wo seid Ihr aufgewachsen? Wel-

che Schulen habt Ihr besucht?

Engelbert: Wir kommen „vom Land“: Magdalena von einem Bau-

ernhof im Mühlviertel, Volksschule und Hauptschule im Dorf St.

Georgen am Wald. Der erste Jahrgang mit Schülerfreifahrt und

kostenlosen Schulbüchern in einem neugebauten Schulgebäude.

Entsprechend positiv motiviert waren einige LehrerInnen. Danach

maturierte Magdalena in einem musisch-pädagogischen Gymna-

sium in Perg. Ich komme aus Gottsdorf. Das liegt bei Persenbeug/

Ybbs an der Donau. Danach besuchte ich Volks- und Hauptschule,

dann das Internat in Wieselburg. Maturiert habe ich in einer land-

wirtschaftlichen Mittelschule.

Woran erinnert Ihr Euch besonders gerne, wenn Ihr an Eure eigene

Schulzeit denkt?

Engelbert: ... ans Fussballspielen und den sehr bildhaften Deutsch-

und Geschichtsunterricht.

Magdalena: ... mit einigen LehrerInnen hatte ich eine gute Bezie-

hung, ... und an die musisch-künstlerischen Fächer und Mathema-

tik, die mit einem gewissen Freiraum unterrichtet wurden.

Woran erinnert Ihr Euch lieber nicht mehr?

Magdalena: Eigentlich an die gesamte Gymnasiumzeit: unmotivier-

te LehrerInnen.

Engelbert: Stress mit Mathematik, und dann unendlich viel Stoff zu

lernen in der Mittelschule, sowie ungerechte Lehrer.

Könnt Ihr uns ganz kurz etwas über Eure Ausbildung und Eure Be-

rufe erzählen?

Engelbert: nicht abgeschlossenes Studium Theaterwissenschaft

und Kunstgeschichte, Regieassistent, Tanzausbildung, Zivildienst

bei der Lebenshilfe in einem Wohnheim für Behinderte. Danach

einer der ersten Geschäftsführer im biologischen Landbau in Nie-

derösterreich. Mit der Gründung von Bio Austria Geschäftsführer

Österreich. Dann bis jetzt selbstständig im Biohandel und Consul-

ting sowie PR. Seit 2012 geschäftsführender Obmann in der Rudolf

Steiner Schule Wien Mauer.

Magdalena: Studium- über Psychologie zur Sonder- und Heilpäd-

agogik, nicht abgeschlossen – früh kamen die Kinder. Ausbildung

zur Kursleiterin der Gesundheitsgymnastik und Ausbildung zur

Waldorfkindergärtnerin.

Wie hast Du das auf die Reihe bekommen, Magdalena? Eigene

Kinder. Kindergartenkinder in der Gruppe. Wie bekommt man das

emotional und familientechnisch hin, einen solch intensiven dop-

pelten Erziehungsauftrag?

Magdalena: Ich habe das langsam aufgebaut. Irma habe ich mit-

genommen, als ich Assistentin war. Kindergartengruppe hab ich

erst 2004 übernommen, als alle eigenen Kinder schon in der Schu-

le waren. Ich habe mit 2 – 3 Tagen im Kindergarten als Assistentin

angefangen und erst viel später dann 5 Tage die Woche als Kin-

dergartentante gearbeitet. Für mich ist sich das zeitlich sehr gut

ausgegangen. Ich hatte nie das Gefühl, „zerrissen“ zu sein. Es hat

sich alles auch immer ergänzt – mein Beruf hat dann auch zuhau-

se durch gemeinsames Tun für die Gruppen (basteln, zeichnen, ...

) gelebt. Jetzt, wo die eigenen Kinder aus dem Haus sind, habe ich

mehr Zeit, über die Kinder in meiner Gruppe nachzudenken ... jetzt

beschäftigen mich meine Gruppen noch viel mehr als früher ...

Wie viel Raum nimmt die Schule, der Kindergarten in Eurem Fami-

lienleben ein?

Fragen gestellt und Antworten sowie Statements

zusammengetragen von Nadja Berke

Engelbert: 

engagiert | neugierig

Geschäftsführer | eifrig | leichtfüßig

besonnen | einsichtig

rastlos  | tätig

Rita Welte

Portrait

Page 35: MoMent Jänner 2016

_ 35

Magdalena: vor allem als alle 4 Kinder in der Schu le waren, stand

die Schule im Zentrum. Jetzt vor allem meine Kinder garten -

tätigkeit.

Engelbert: da wir auch sehr an der Anthroposophie interessiert

sind, sehr viel.

War es für Euch ganz klar, die Kinder in eine Waldorfschule zu ge-

ben? Oder gab es auch andere Überlegungen?

Engelbert: Es war klar, dass wir beide keine Regelschule für die Kin-

der wollten. Bei Antonia war es noch so, dass wir wirklich aufgeregt

waren, ob sie aufgenommen wird. Damals gab es lange Wartelis-

ten, und es war nicht sicher, ob man aufgenommen wird oder nicht.

Elfriede Graf führte das Eltern-Gespräch und wurde dann auch die

Klassenlehrerin von Antonia.

Magdalena: Die Erfahrung der Sinneserziehung – Spielen in der Na-

tur, gemeinsames Kochen, das Haus sauberzumachen, Jause her-

richten, etc. – so habe ich mein Großwerden eigentlich erlebt, und

so lag mir die Waldorfpädagogik näher als eine andere Schulform.

Ihr „Sperl-Kinder“ habt alle je 12 Jahre an der Schule erlebt. Was

sind Eure prägendsten Erinnerungen aus der Unterstufe? Was sind

die schönsten und spannendsten Momente, die Euch zu Eurer Mit-

telstufen und Oberstufenzeit einfallen?

Oskar: Zu den prägendsten Erinnerungen an die Unterstufe ge-

hören sicherlich die langen Nachmittage, die ich damit verbracht

habe, mit kindlicher Perfektion Tiere für das „Tierkunde“-Heft zu

zeichnen. Sicherlich aber auch die Stunden mit der ganzen Klas-

se, in denen wir uns gegenseitig durch den Wald gejagt haben. Der

Beginn Mittelstufe war bald von einem plötzlichen Lehrerwechsel

geprägt. Herr Herkommer ging, Herr Bointner kam. Plötzlich, aufre-

gend. Am schönsten war sicherlich die Zeit in der 12. Klasse, die ich

damit verbracht habe, an dem Roman für meine „12. Klass-Arbeit“

zu schreiben. Die Krönung dann? Eine letzte Reise durch Portugal

und Spanien.

Antonia: Wirklich in Erinnerung geblieben sind mir diverse Klas-

senaufführungen, Ausflüge, Praktika, Kunstunterricht und Klas-

senreisen. Dazwischen farblich einige besonders schöne und

lustige Momente neben einigen Momenten, in welchen ich mich

ungerecht behandelt fühlte. Prägend war für mich der gefühlt an-

dere Umgang mit uns. Das allgemeine „ein bisschen anders sein“

als andere Schüler. Und der Zusammenhalt, wenn es um etwas

Wichtiges ging.

Paulina: Ich erinnere mich noch an die beeindruckenden Tafelbilder.

Ich fand die Hausbauepoche besonders schön und habe sie noch

gut in Erinnerung. Aus der Mittelstufe sind mir das 8. Klass-Spiel

und die darauffolgende Reise besonders in Erinnerung geblieben. In

der Oberstufe waren es der Malunterricht bei Peter Lange und der

Deutschunterricht bei Herta Hans.

Irma: ... Im Alltäglichen war es oft der Epochenunterricht dank sei-

ner besonderen Gestaltung. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, habe

ich kaum schlechte Erinnerungen und könnte aus jedem Fach Schö-

nes erzählen. 

Wie habt Ihr das erste Jahr nach Eurer Waldorf-Schulzeit erlebt?

Oskar: Das Maturajahr ... Die Umstellung auf das öffentliche Sys-

tem war eine interessante Erfahrung. Ein kleiner Schock war die

dort wenig vorhandene Klassengemeinschaft. Ich bin das erste Mal

in meinem Leben „neben“ meinen (neuen) Klassenkameraden zur

Schule gegangen und nicht „gemeinsam“ mit ihnen.

Wohin führt Euch gerade der Lebens-Weg?

Oskar: Richtung Mathematik-Lehrer. Es wird sich jedoch zeigen,

wohin sonst noch.

Antonia: In Richtung Krankenpflege.

Paulina: Ich bin derzeit Vollzeit-Mama.

Irma: Ich werde zu studieren beginnen.

Mit dieser neuen Reihe möchte Nadja Berke mit Hilfe vieler Interview-

Partner versuchen, folgende Frage in möglichst bunter und vielfältiger

Form zu beantworten: Wer sind die Familien, die unsere Schule prägen

und an unserer Schule lernen, lehren und leben?

Magdalena, Tante honoris causa, Pauls Kindergartenmittel-

punkt, von uns allen geschätzter und geliebter Vormittags-

anker, mit klarem Blick und strahlendem Lächeln. Engelbert,

gesuchter Gesprächspartner und Wegbegleiter in Schulan-

gelegenheiten, belesen, kritisch, engagiert und charisma-

tisch. Denkt oft schneller, als ihm die Worte zufliegen kön-

nen. Oskar, immer freundlicher, verschmitzter Schulgefährte

unserer Tochter. Irma, ein Glück, sie als Schülerin gehabt zu

haben – und als Draufgabe diese Schrift! Die beiden großen

Mädchen in Erzählungen, damit ist die Familie komplett. Mit

ihr auch freundschaftlich verbunden zu sein macht viel aus!

Ursula Kaufmann

Portrait

Page 36: MoMent Jänner 2016

36 _

Gibt es etwas, dass Euch wirklich am Herzen liegt und Ihr gerne

verändert wüsstet, wenn Ihr zurückdenkt und Euch vorstellt: „das

könnte ich mir für andere Schüler wünschen.“

Oskar: Ein neues Gebäude auf 113. Nicht so viele Lehrerwechsel –

vor allem in den Sprachen. Gerade in diesem Zusammenhang gab

es dann doch auch mal die „eine Lehrkraft“, die eben nicht so sehr

für das Lehren qualifiziert war.

Irma: Die Waldorfpädagogik und -schule wurden von Rudolf Steiner

begründet. Somit fände ich es spannend und auch angebracht, in

der Oberstufe eine Epoche über ihn zu machen.

Paulina: Wenn Eltern wirklich nach der Waldorfpädagogik (in dem

Fall ist gemeint, fast ohne Fernsehen aufzuwachsen) erziehen und

dann das Kind in der 8. Klasse einen Film wie „Schindlers Liste“

sieht, dann ist das sehr heftig und verstörend.

Aber wie meinst Du, kann man das besser machen? Bessere Ab-

sprache zwischen Lehrern und Eltern? Früher in das Medium Film

einführen?

Paulina: Als ersten Film vielleicht doch einen weniger heftigeren

aussuchen und vorher mit den Schülern darüber sprechen, was ge-

nau auf sie zukommt. Absprache mit Eltern finde ich in diesem Alter

in dem Bezug nicht mehr notwendig.

Was genau ist heute im Sinne der Waldorfpädagogik im Bezug auf

Fernsehen, Multimedia, Handy, Internet und Social Media? Gibt

es da genug Auseinandersetzung und Unterstützung seitens „der

Schule“ für Lehrer, Eltern und Schüler?

Engelbert: Es ist schwer vergleichbar mit früher. Heute ist die Frage

diesbezüglich überhaupt, welche Erfahrungen sind wann grundle-

gend zu erlernen?

Magdalena: Im Kaffeehaus spielen schon die Kleinsten mit den

Handys und Tablets der Eltern, das haben wir alle schon oft be-

obachtet. Der Umgang mit diesen Errungenschaften ist sicher ein

großes Thema der neuen Elterngeneration. Dinge müssen aufgrund

einer Erkenntnis geändert werden. Diese Erkenntnis muss gefunden

werden ... muss sich entwickeln.

Engelbert: Der Computer ist eine „Erfahrungswelt“ für sich, in die

Kinder sehr tief eintauchen. Oft hat man das Gefühl, Kinder wer-

den immer unansprechbarer – die Außenwahrnehmung wird immer

geringer. Ob das jetzt nur mit der Medienwelt zu tun hat, kann man

nicht so genau sagen ...

Ich hoffe, die Buermann-Seminare können uns da etwas weiterbrin-

gen – man muss sich sicher eingehender damit auseinandersetzen.

Magdalena: Man wünscht sich als Eltern die Waldorfpädagogik und

hat doch eine Vorstellung davon, wie es sein sollte – Eltern haben

ein Gefühl dazu, wenn sie sich für die Waldorfpädagogik entschei-

den ... und andererseits kommen die Kinder vollkommen angefüllt

in die Schule ...

Engelbert: ... ja aber Verbote von der Schule aus bringen sicher

nichts ... eventuell Empfehlungen ...

Magdalena: Der Gedanke des Wunsches nach der reichen Sinneser-

fahrung sollte vom Elternhaus gegeben sein und die Schule in die-

sem Sinne unterstützt werden. Ja, es verlangt nach Unterstützung

des Elternhauses im Sinne der Schule: dem Kind Raum geben, in die

Schule gehen zu können – die Voraussetzungen zu schaffen, dass

das Kind unbelastet und lernbereit in die Schule kommt ...

Wie ging und wie geht es Euch mit dem hohen Engagement Eurer

Eltern an Eurer Schule?

Antonia: Als Kind war es mir etwas unangenehm, dass mein Va-

ter bei den meisten meiner Klassenreisen dabei war. Besonders

schlimm war es bei der 8.-Klassreise. Jetzt freue ich mich darüber

und bin stolz darauf, dass meine Eltern beide so engagiert sind.

Paulina: Ich bin sehr stolz auf meine Eltern, mit welch einer Freude

sie ihrer Arbeit nachgehen.

Irma: Solange sie lieben was sie tun und dabei wachsen können, ha-

ben sie meine Unterstützung.

Oskar: Das hohe Engagement meiner Eltern finde ich großartig.

Falls ich selber mal ein Kind auf die Waldorf-Schule in Mauer schi-

cke, werden sie dann auf eine noch bessere Schule gehen, als ich

damals. Dessen bin ich mir gewiss.

Lieber Engelbert, als Geschäftsführer unserer Schule trägst Du

sicher einen großen Teil zu dem bei, wovon Dein Sohn da spricht.

Dafür musst Du einen großen Zeitaufwand in diese Tätigkeit inves-

tieren. Wie können wir uns das als Schule leisten?

Die tägliche Frage an Magdalena :

„Ist alles in Ordnung , was gibt es, ... … ?“

Ihre Antwort geprägt von:

„Freude und Liebe, Ruhe und Zuversicht !!!“

Z.Chr.

Portrait

Page 37: MoMent Jänner 2016

_ 37

Engelbert: Es ist derzeit ein Halbtagsjob und entwickelt sich immer

mehr zu einer Vollzeitstelle. Die Bezahlung orientiert sich an den

Lehrergehältern.

Welche Aufgaben umfasst Deine Tätigkeit als Geschäftsführer?

Engelbert: Einerseits die klassischen Bereiche: Finanzen, Personal

und Organisation, und anderseits ist durch die Selbstverwaltung

auch diese Rolle neu zu definieren bzw. immer wieder neu anzu-

schauen, und natürlich ergeben sich alle möglichen „Alltagsproble-

me“, da wir in der Verwaltung mit sehr wenig Personal arbeiten.

Was qualifiziert Dich für diese Aufgaben?

Engelbert: Seit nunmehr 25 Jahren übe ich die Tätigkeit eines Ge-

schäftsführers aus und hatte immer die Aufgabe, für Projekte Geld

aufzustellen; sei es aus öffentlicher Hand oder privat.

Das heißt, Du hast noch eine parallel laufende Arbeit.

Engelbert: Ich bin selbständig. Ich arbeite auf Basis Honorarnote,

und das auch für andere.

Wie kam es dazu, dass Du die Geschäftsführung an unserer Schule

übernommen hast?

Engelbert: Ich bin nunmehr seit rund 12 Jahren Obmann der

Schule. Nachdem Herr Colditz, unser letzter Verwaltungsleiter,

sich immer mehr zurückgezogen hat, wollte ich noch einmal mehr

wissen bzw. erfahren, wie Selbstverwaltung wirklich realisiert

werden kann, wie es gelingt, eine freie Schule zu finanzieren bzw.

eine neue zu bauen etc.

Die Selbstverwaltung ist ganz sicher eine ganz besondere Heraus-

forderung. Wie laufen denn aus Deiner Sicht die Entscheidungspro-

zesse größeren Stils?

Engelbert: In Bezug auf Selbstverwaltung bin ich selbst Lernender.

Wie so oft gibt es viele Vorurteile und falsche Bilder. Gerade in un-

serer Zeit ist es wichtig, sich mit komplexen Inhalten auseinander-

zusetzen. Hierarchien habe ich erlebt, und ich bin fest davon über-

zeugt, dass unsere Form die viel zeitgemäßere ist und bekomme

das immer wieder vor Augen geführt, wie bei unseren “Fuchs Se-

minaren“. Ich wünsche mir eine wirklich gelebte Selbstverwaltung,

ohne graue, heimliche Hierarchien.

Was sind, neben dem „Dauerbrenner“ Selbstverwaltung, die zwei

Dir persönlich wichtigsten Dinge, die Dich im nächsten Jahr im Zu-

sammenhang mit unserer Schule beschäftigen werden?

Engelbert: Wie jedes Jahr die Finanzierung der Schule und des lau-

fenden Betriebs, das heißt das gute, gesunde und sinnvolle Wirt-

schaften mit den Elternbeiträgen.

Das zweite große Thema dieses Jahr ist sicher die Finanzierung

des Neubaus. Aus dem laufenden Betrieb heraus kann kein neues

Schulgebäude finanziert werden. Das ist für jeden verständlich. Da-

her ist es leichter, für ein neues, notwendiges Gebäude Sponsoren

zu finden, als für andere Belange der Schule. Und das hoffen wir zu

bewerkstelligen.

Engelbert: Wir versuchen also, den laufenden Betrieb zu erhalten,

und auf der anderen Seite wird unabhängig davon versucht, Geld

für einen Neubau aufzustellen.

Welche Frage würdest Du gerne in einem MoMent-Interview ge-

stellt bekommen? Und wie lautet die Antwort?

Oskar: Wenn Du Lehrer an der Waldorf-Schule wärst, welches Fach

würdest Du unterrichten?

Mathematik und etwas Kreatives. Musik oder Kunst. Ich arbeite

gerne kreativ mit Menschen, da man in diesem Bereich an jeden

Einzelnen so verschieden herantreten muss, um das Individuum

und dessen Kreativität zu erreichen.

Antonia: Wenn Du die Schulzeit wiederholen könntest, würdest Du

wieder auf die Waldorf- Schule gehen?

Mit einigen kleinen Änderungen ja, auf jeden Fall.

Engelbert: Ist Waldorfschule und Waldorfpädagogik zeitgemäß?

Ja! Sie ist es.

Die Kraft muss da sein, die Welt zu verändern. Diese Kraft aufleben

zu lassen, sollte gefördert werden. Und das hoffe ich, oder bin ich

davon überzeugt, kann die Waldorfschule bieten ...

Engelbert:

In Sachen Finanzen ein optimistischer Realist

Magdalena:

Liebenswerte Offenheit, auch wenns mal nicht so „rund“ läuft

Antonia, Paulina, Oskar, Irma:

Alle vier über Jahre in der Oberstufe begleitet und sie durch

ihre Art lieb gewonnen

K.H.

Portrait

Page 38: MoMent Jänner 2016

38 _ Informationen, Hinweise

Kursstart Oktober 2016

INFOABEND 11. März UM 19:00 In den Institutsräumen des Zentrums,Tilgnerstraße 3, 1040 Wien /

U1 Taubstummengasse.

Wir freuen uns auf Dein/Ihr Kommen! Um Anmeldung wird gebeten.

Wie können Gespräche zwischen Eltern und Lehrern so geführt

werden, dass sie zu, für alle annehmbaren und hilfreichen Ergebnis-

se führen? Wenn nun aber Konflikte sichtbar und „heikle“ Situatio-

nen angesprochen werden oder wenn Kritik geäußert wird? Welche

„Spielregeln“ helfen und unterstützen ein gutes Gesprächsklima?

Ziel ist es, Werkzeuge für eine gelingende Eltern-Lehrer-Kind Be-

ziehung mitzugeben.

FORTBILDUNGEN AM ZENTRUM FÜR KULTUR UND PÄDAGOGIK

Wege zu einer gelingenden Eltern-Lehrer-Beziehung, 19. – 20.2.2016, mit

Regula Hetzel und Claudia Hotzy, für LehrerInnen, StudentInnen, Eltern

MOBBING, 13. – 14. Mai 2016 mit Claudia Hotzy

Auf Basis der gewaltfreien bzw. friedvollen Kommunikation nach

M. Rosenberg wird folgenden Fragen in Hinblick auf die Mobbing

Thematik nachgespürt:

* Wie können wir einander respektvoll begegnen?

* Wie können wir unser Leben gegenseitig bereichern?

* Was brauchen wir, um mit anderen Menschen in befriedigender

Weise zu kommunizieren?

Und was brauchen wir, um Meinungsverschiedenheiten auf friedli-

che Weise zu lösen?

Die GfK will dazu beitragen, dass wir im Kontakt mit anderen nicht

Gräben aufreißen, sondern Brücken bauen. Oder, wie Marshall Ro-

senberg es sagte: „Jede Form von Gewalt ist ein tragischer Aus-

druck unerfüllter Bedürfnisse.“ 

Herzlich zur Teilnahme eingeladen sind Klassen-/FachlehrerInnen,

StudentInnen und interessierte Eltern.

SCHULJAHRESVORBEREITUNG 2016, MÖRBISCH, 11. – 15.07.2016

Mit Waldorflehrerkollegen aus Österreich, Mitarbeitern des Zent-

rums für Kultur und Pädagogik

WaldorflehrerInnen der 1. – 8. Klasse sowie HortnerInnen haben die

Möglichkeit, sich auszutauschen und gemeinsam mit erfahrenen

Waldorflehrerkollegen aus ganz Österreich ihr Schuljahr vorzube-

reiten und in künstlerischen Kursen Inspiration zu sammeln.

Zielgruppen: WaldorflehrerInnen der 1. – 8. Klasse, HortnerInnen,

Studierende auf dem Weg zum Waldorflehrer

Inhalte und Themen: Vorbereitung des Schuljahres der 1. – 8. Klasse

und des Horts, Methodik und Didaktik, künstlerische Übungen

ANMELDUNGEN UND INFORMATIONEN:

Zentrum für Kultur und Pädagogik

0699 – 171 163 73 bzw. [email protected]

Page 39: MoMent Jänner 2016

Hinweise

 

Zivi‐Courage  

bei Lebensart‐Sozialtherapie gesucht ! Wir bieten abwechslungsreiche Zivildienerplätze in den Wohngruppen und Werkstätten  in Wien Mauer und in Wien  Lainz. 

Hier kann man Erfahrungen sammeln, Vorurteile abbauen, Freunde finden, in Berufswelten reinschnuppern… 

Die Betreuung von Menschen mit besonderen Bedürfnissen steht bei uns im Mittelpunkt. Hierfür sind Hilfestellungen zu erbringen, wo die Menschen mit Behinderung Unterstützung, Aufsicht und auch mal ein ´gutes Wort` benötigen. 

Dies erfordert Einfühlungsvermögen, Umsichtigkeit und Courage. 

Wundern Sie sich nicht, wenn Sie beim Abschied nach neun Monaten Zivildienst einen eigenen Fanclub haben. 

Interesse?  Kontakt:  

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Tel. 02238/77931, [email protected] 

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Page 40: MoMent Jänner 2016

Absender: R. Steiner-Schule Wien-Mauer, 1230 Wien, Endresstr. 100 Verlagspostamt, 1230 Wien, Zulassungsnummer: 02Z032325M Impressum Seite 2

P.b.b.

„Waldorf Alumni Mauer“ wurde am 15. Jänner offiziell gegründet

Beitrittsformulare für den ehemaligenverein unter www.wam.wien

Ziemlich genau 50 Jahre nach dem Start unserer Ur-Rudolf Steiner-Schule in Wien-Meidling* ist es nun endlich soweit: Im Jänner wurde „Waldorf Alumni Mauer“ mit dem Zusatz „WAM – In Freiheit entlassen“ gegründet. Ein Netzwerk für die inzwischen große Schar ehemaliger Schülerinnen und Schülern der Rudolf Steiner-Schule Mauer; aber auch für ehemalige Eltern und LehrerInnen.

Falls sich nun jemand fragen sollte, was diese plötzliche Vereinsmeierei soll – hier ein kurzer Überblick:

* „WAM – in Freiheit entlassen“ ist eine Plattform für Kontakt, Austausch, Vernetzung und Unterstützung von und durch Ehemalige. * WAM organisiert Abende für einen Erfahrungsaustausch samt kurzen Präsentationen – und gelegentlich größere Events. * Die WAM-Website (https://wam.wien) soll vielfältige Informationen und Berichte bieten. * Im internen Bereich der Website können Ehemalige Daten und Infor-mationen für Austausch und Vernetzungen bekannt geben.

* Die Mitgliedschaft kann bereits in der 12. Klasse beantragt werden und ist in der Abschlussklasse und im ersten Jahr nach Schulabschluss gratis – danach beträgt der Mindest-Mitgliedsbeitrag € 12.– pro Jahr. Lehrlinge,

Studenten sowie Menschen mit niedrigem Einkommen zahlen die Hälfte. Spenden sind – wie immer in Waldorfkreisen – höchst willkommen!

Die Mitglieder des WAM-Gründungsvorstandes sind: Obmann Paul Lang-felder, Stellvertreterin Leonie Mühlegger. Kassier Matthias Köck, Schrift-führer Roman David-Freihsl, Simon Egger „schupft“ die Homepage und Andreas Lernpeiss das Rechnungsprüfen.

Auf der Website https://wam.wien kann ein Beitrittsformular herunterge-laden werden. Bitte ausfüllen, unterschreiben, einscannen und an [email protected] mailen.

Die Vereinsadresse lautet: Waldorf Alumni Mauer Endresstraße 100 1230 Wien

WAM – die Plattform für alle Ehemaligen

Und die Bankverbindung: Erste Bank, Kontoinhaber: WAM IBAN: AT51 2011 1287 6977 7005 BIC: GIBAATWWXXX

Wir freuen uns schon sehr auf die künftige gemeinsame Zeit, einen regen Austausch und auf das Anwachsen unserer neuen, alten Gemeinschaft!

Roman David-Freihsl

* Der erste häusliche Waldorf-Unterricht nach dem Zweiten Weltkrieg hat-te 1963 begonnen – 1966 startete der Unterricht in Klassenzimmern in einer Meidlinger Schule. 1969 übersiedelte die Rudolf-Steiner-Schule schließlich ins Maurer Schlössl.

aus gutem grund gratuliert

seiner Buchhalterin zum Rauriser Literaturpreis 2016

für die beste Prosa-Erstveröffentlichung in deutscher Sprache

Ich bin fünfzig Jahre alt. Ich bin Buchhalterin. Verschwendete Zeit für netto,

brutto, Saldo, Tage um Tage. Tage, die mir fehlen, um mich auszusprechen.

Stattdessen halte ich Buch.

Zitat aus dem preisgekrönten Roman Staubzunge von Hanna Sukare. Otto Müller Verlag Salzburg 2015

aus gutem grund gratuliert

seiner Buchhalterin zum Rauriser Literaturpreis 2016

für die beste Prosa-Erstveröffentlichung in deutscher Sprache

Ich bin fünfzig Jahre alt. Ich bin Buchhalterin. Verschwendete Zeit für netto, brutto, Saldo, Tage um Tage. Tage, die mir feh-len, um mich auszusprechen. Stattdessen halte ich Buch.

Zitat aus dem preisgekrönten Roman Staubzunge von Hanna Sukare. Otto Müller Verlag Salzburg 2015