MONO/d Steady Rise

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Installation und Performance; Kaskadenkondensator Basel; mit Peter Vittali, Jérôme Bichsel, Cédric Henny, Tilo Steireif, Daniel Johann Cornelius Grimm; Teil der 20-teiligen Monografie von Haus am Gern

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STEADY RISE(gleichmässiger Anstieg & stetige Zunahme)

2006Kuratorische Intervention, Mixed MediaKaskadenkondensator, Projektraum für aktuelle Kunst und Performance, Basel

Haus am Gern wurde vom Team des Kaska-denkondensators, einem Off-Space in der ehemaligen Basler Brauerei Warteck, für die Ausstellungs- und Performancereihe «Organ+» eingeladen.Haus am Gern entschied sich für den Begriff «Organisation», was sich treffend mit «Bewerkstelligung» bzw. «Planung und Durchführung eines Vorhabens» ausdeut-schen lässt. Mit STEADY RISE wurde die Bewerkstelligung der Bewerkstelligung einer Ausstellung über die Bewerkstelligung einer Bewerkstelligung im Rahmen des Kaskadenkondensators und seines Teams exemplifiziert.Als Grundelement installierte Haus am Gern einen Ofen, dessen Rauchrohr auf über 50 Metern Länge den Raum durchzog, dabei die Ausstellungsstruktur bildete und das Publikum wie durch ein Organigramm zu verschiedenen Stationen führte. Der Ofen wurde zur Eröffnung angefeuert und brannte während der dreiwöchigen Aus-stellungsdauer ohne Unterbruch, wobei das Team des Kaskadenkondensators das Feuer zu unterhalten hatte.In diese Struktur wurden vier Positionen in Form von Sockeln eingebaut, die im Laufe der Ausstellung mit Objekten ergänzt wurden. Die Organisation der Objekte

delegierte Haus am Gern an Dritte. An jedem Sockel war ein Dispenser mit «Spiel-karten» angebracht. Auf diesen Karten wurde die «Bewerkstelligung» des jeweiligen

Objektes erläutert.

CREDITSVeranstalter

Kaskadenkondensator, BaselAnna SchürchPerformances

Peter VittaliJérôme Bichsel Cédric HennyTilo SteireifDaniel Johann Cornelius GrimmVorstand Kaskadenkondensator:Anna SchürchJudith HuberIrene MaagAufbau

Georg Traber Konservierung

Naturhistorisches Museum BaselChristoph Meier Pelletofen FRANK Modell C

TIBA AG, BubendorfSchokotaler

Aeschbach Chocolatier AG, Cham

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1) ORGANISATION EINER KLÄRUNG

Haus am Gern vergab an Dr. Peter Vittali, Diplomingenieur, Performancekünstler und Art Process Inspector von Haus am Gern, einen Kompositionsauftrag mit der Vorgabe, eine summende Stimme sowie den Text «SCHLÜSSELKRITERIEN EINES LEBENDEN SYSTEMS» von Fritjof Capra 1 einzubauen. Er hielt sich aber nicht im Geringsten an diese Vorgabe. Als Resultat von Dr. Peter Vittalis Performance 2 verblieb ein verkohltes Modell des Ausstellungs-raumes in der Ausstellung.

1 Fritjof Capra Lebensnetz, Scherz 1996

2 siehe unten

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 ERKLÄRUNG EINER ORGANISATION Vortrag zur Eröffnung der Ausstellung Steady Risevon Haus am Gern, Kaskadenkondensator Basel, 2006

«Steady Rise» ist die neue Ausstellung von Haus am Gern, geleitet von Barbara Meyer Cesta und Rudolf Steiner, im Rahmen der Veranstaltungsreihe Organ+ des Kaska­denkondensators.Als mein Büro gestern Abend die Nachricht von der bevorstehenden Eröffnung dieser Ausstellung erhielt, war sofort klar, dass wir den Fall übernehmen.Wir begannen mit einer gründlichen Analyse des Konzept­materials, welches uns in einem verschlossenen Umschlag zugestellt wurde. Der Umschlag enthielt ein rotes Buch mit dem Titel Methoden der Systemtheorie und eine grüne Mappe mit einem vierseitigen Konzeptpapier. Auf der Mappe ist das Emblem der YRA, der Young Responisible Artists, aufgebracht.

Das Konzeptpapier enthält unter anderem einen Projekt­beschrieb mit folgenden Sätzen:

 DAS KONZEPTPAPIER Das Konzeptpapier enthält unter anderem einen Projekt­beschrieb mit folgenden Sätzen:

OFENGrundelement ist ein Ofen.Das Feuer wird an der Eröffnung entfacht und soll vom Vorstand und vom Publikum ununterbrochen unterhalten werden.

SUMMENEin vorgegebener gesprochener Text zur Systemtheorie soll von einer summenden Stimme begleitet werden. Dieses Summen wird an der Eröffnung aufgeführt.

TIERDer Vorstand wird in einer Art Operation ein Tier aus marktfrischen Teilen zusammennähen. Das Tier wird in Behälter mit Formalin zu sehen sein.

BIERAm 22. Januar wird im Kasko ein Bier gebraut.

 Modell enthüllen

Als Art Prozess Inspector von Haus am Gern ist es meine Aufgabe, dieses Konzept zu beleuchten und seine Organi sation sichtbar zu machen. Aus diesem Grund haben wir die Rauminstallation «Steady Rise» in groben Zügen hier im Modell nachgebaut. Man erkennt die Umrisse des Kaskadenkondensators, den Ausstellungsraum mit dem Ofen und die Dokumentationsstelle. Das Modell ist nicht massstabsgetreu.

 SYSTEMTHEORIE «Steady Rise» bedeutet stetiger Anstieg, ein Begriff aus der Systemtheorie. Dazu lesen wir in der Einführung des roten Buchs folgende Sätze :

Die Systemtherorie gilt heute als wichtige Methode zur Beschreibung komplexer Kausalzusammenhänge in Natur­wissenschaft und Kunst. Sie ist auf stetige Systeme anwend­bar. Solche Systeme liegen in den meisten Anwendungs­fällen vor. Andernfalls können die wirklichen Verhältnisse wenigstens näherungsweise darauf zurückgeführt werden. Ausgangspunkt ist eine operationelle Darstellung der Ursache­Wirkung Beziehung mit Hilfe von Modellen. Auch Steady Rise ist ein kausaler Fall. In einem Ofen wird Material verbrannt, dadurch wird Luft erwärmt. Die warme Luft durchquert den Raum, strömt am Publikum vorbei, wobei sie erkaltet und verlässt schliesslich den Raum ins Freie. Unser Ausgangspunkt ist also eine Warm­Kalt Beziehung.

 DAS ANLIEGEN  zum Modell und anzünden

Der Künstler oder die Künstlerin hat ein heisses, inniges Anliegen, das sich entfacht und in Flammen aufgeht. Sein Anliegen ist triebhafter Natur, der Künstler wurde als Triebbündel geboren, hat Hunger gekräht und ist immer wieder eingeschlafen. Das Triebbündel war warm und begann zu krähen und zu scheissen und wurde mittels der Sprache domestiziert und sozialisiert. Das Anliegen des jungen Künstlers wurde zunächst zögernd vorgetragen und gelangte als warme Luft in die Umgebung. Der Künstler schürt sein Anliegen, erwärmt die Luft und diese streicht um die warme Anteilnahme des Publikums wie ein Tier um das heisse Gebräu. Er entfacht sein Anliegen und bittet das Publikum, sein Anliegen zu speisen. Das Triebbündel in ihm, sein inneres, scheissendes, schweinendes Trieb­bündel, wurde durch Sprache organisiert und in Form gebracht. Die Sprache spaltet das Innere vom Äusseren und der innere Schweinehund wird geboren. Ein zerrissenes, tierisches Bündel, durch Formen zur Strecke gebracht und in Formalin gebettet. Aber das Formalin ist ungeniessbar und eiskalt, das Anliegen ist euphorisch und die Euphorie lebt als kollektiver Traum, als warme Luft und wird ständig

Modell der Ausstellung im Kaskadenkondensator.

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gespiesen. Steady Spise. Der Künstler scheitelt sein An­liegen, wird durch die Sprache gespalten und verliert den Faden zur Nabelschnur, an der er nur für kurze Zeit als Trieb­bündel baumelte. Später als Haustier mit Schweinehund.

 DAS MODELL UND DIE REALITÄT  nach vorne

Näherungsweise lässt sich das Modell auf die wirklichen Verhältnisse zurückführen. Steady Rise ist ein räumlich­ inszeniertes Bild für die Person des Künstlers und der Künstlerin. Sie werden wie andere Menschen ohne Sprache geboren und als reines Triebbündel zur Welt gebracht, ohne Hemmungen und Tabus. Unmittelbar nach der Geburt wird der Mensch domestiziert und diese Entwicklung ist an die Sprache gebunden, an die Welt der Symbole und Zeichen. Die Sprache verdrängt nach und nach den Zustand der Hemmungslosigkeit. Diese Verdrängung spaltet die Person des Menschen in zwei Teile. Ein Teil lebt in der sozialisierten Welt der Gesellschaft, und der andere Teil bleibt in einer wilden Welt der Triebe und Antriebe. Diese Spaltung hinterlässt eine Wunde und wird als Leiden gelebt. Speady Rise zeigt uns, das diese Wunde geheilt werden kann, entweder durch Nähen oder durch Summen. Der Künstler ist ein Mensch, dessen dringendstes Anliegen das Heilen der Wunde ist. Er braut ein Anliegen zusammen, spaltet das Holz im Ofen und lässt das Anliegen über die Wunde fliessen.

 ANGST  zum Modell 

Aber dieses Fliessen droht immer wieder abzubrechen und der Künstler hat Angst, dass sein Anliegen erkaltet und den Raum ungenützt verlässt. Sein Gebräu fliesst als Angst die Rinne hinunter, wird vor Säue geworfen, fliesst vorbei an Schweinehunden, vermischt sich mit kaltem Kaffee und ver­läuft sich im Sande. Der Künstler lässt sein Publikum kalt und giesst Bier in offene Wunden. Der Künstler wird gespal­ten, sein Organ+ wird amputiert und konserviert. Dem Pub­likum liegt nichts am Künstler, sein Anliegen ist erstarrt, der Ofen geht aus, das Bier ist alle, der Künstler erfriert und verliert seine Glieder. Die Glieder treiben im Formalin, gehen den Bach hinunter, werden zusammengenäht und sitzen am warmen Ofen. Dahinter ein Hund, der summt und ein Organ+ verspeist.

 ZUSAMMENFASSUNG  Feuer aus, nach vorne

Ich habe in meiner kurzen, systemtheoretischen Analyse gezeigt, das die Arbeit Steady Rise eine operationnelle Darstellung für das komplexe Anliegen des Künstlers ist: Der Künstler hat den heissen Wunsch, Kontakt aufzunehmen mit dem prelinguistischen Zustand unmittelbar nach der Geburt. Dort vermutet er die ureigene Motivation für seine

Arbeit. Aber dieser Wunsch ist angstbesetzt, denn der Künstler befürchet, dass er auf das Publikum als wärmender Wegweiser angewiesen ist, um sich dem gewünschten Zustand annähern zu dürfen. Diese Angst löscht sein Anlie­gen ab. Er versucht die Angst zu täuschen, indem er an fremden Wunden stichelt, sein speist Organ+ und ein Selbst­gespräch summt in seiner eigenen Sprache+.

 zum Modell, Dokustelle aufdecken

Allerdings ist dieser heisse Wunsch seinerseits wieder an die Sprache gebunden, also genau an diejenige Organisa­tion, die den Menschen von den Kräften seines Triebbündels abgespalten hat. Dieser heisse Wunsch entpuppt sich also leider als ein frommer Wunsch, als eine Illusion. Die Zeugnisse vieler solcher frommen Wünsche sind hier in der Dokumentationsstelle aufbewahrt.

 AUSBLICK  zeigt mit dem Finger auf das Modell, deckt ganz zu

Das Thema der Illusion und der Halluzination wird übrigens auch Gegenstand meines nächsten Vortrags sein. Er findet statt am 3. Februar im Kunstverein Konstanz, anlässlich der Eröffnung der Ausstellung Lluzi von der Freiburger Künst­lerin Cristina Ohlmer.

 geht ab.

Der Künstler hat ein heisses, inniges Anliegen.

Der Künstler hat Angst, dass sein Anliegen erkaltet.

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2) ORGANISATIONEINES TOTEN TIERES

Haus am Gern lud das Lausanner Künstler-

trio Bichsel/Henny/Steireif mit ihrer Performance «OPERATION» ein. Diese erteilten dem Vorstand des Kaskaden-kondensators den Auftrag, während drei Stunden ein Tier aus frischen tierischen Organen und Körperteilen aus der Metzgerei zusammenzubauen. Im An-schluss wurde dieses Objekt konserviert und in die Ausstellung eingefügt.

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Assistiert von einer weissen Maus bauen Irene Maag, Judith Huber und Anna Schürch vom Vorstand des Kaskadenkondensators ein Tier aus marktfrischen Teilen zusammen. Die Resultate wurden danach in einem Podiumsgespräch erörtert.

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3) ORGANISATIONEINER TRÜBUNG

Haus am Gern liess vom Bierbraumeister Daniel Grimm ein Bierbrauseminar durchführen. Dazu waren vorgängig die DirektorInnen aller Basler Museen mit einem persönlichen Brief eingeladen worden. Nur einer nahm teil und trank dabei viel Bier. Das frisch gebraute Bier gärte während der Ausstellung und gelang vorzüglich.

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Beat Gugger, Austellungsmacher René Zäch, KünstlerBerta Feer Zäch, HeilpädagoginProf. Dr. phil. nat. Christian A. Meyer, Direktor Naturhistorisches Museum BaselFranz Dodel, AutorSeminarleiter Bierbraumeister Daniel Grimm (in Lederhose)

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4) ORGANISATIONEINER BESTIMMTEN SUMME

Haus am Gern erwarb mit dem Projekt- budget von CHF 2 000 rund 150 kg Goldtaler aus Schokolade. Die Goldtaler wurden während STEADY RISE vom Publikum nach der Vorlage auf der «Spielkarte» zu einem Turm aufgeschichtet – oder gegessen.

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