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Sicherheitsrisiken Wettbewerb auf der Anklagebank AUSGABE 03 / 2014

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mobifair-Recherche-Ergebnisse waren in diesem Sommer besonders gefragt. Die aktuellen Themen–insbesondere unkontrollierte Zugfahrten und frag- würdige Praktiken im Fernbuslinienverkehr – sind auf starkes mediales Interesse gestoßen. Neben verschiedenen großen Zeitungen und regionalen Radiosendern berichteten Magazine der Fernsehsender ARD und SAT 1, WDR, BR und HR über die Arbeit von mobifair. Gerade bei Fernbussen ist klar geworden, dass die Warnungen berechtigt waren. Die ersten Negativ-Beispiele wurden publik.

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Sicherheitsrisiken

Wettbewerb auf der Anklagebank

Ein Fall für die Ermittler

AUsGAbE 03 / 2014

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EDITORIAL

mobifair-Recherche-Ergebnisse waren in diesem Sommer besonders gefragt. Die aktuellen Themen – insbesondere unkontrollierte Zugfahrten und frag-würdige Praktiken im Fernbuslinienverkehr – sind auf starkes mediales Interesse gestoßen. Neben verschiedenen großen Zeitungen und regionalen Radiosendern berichteten Magazine der Fernsehsender ARD und SAT 1, WDR, BR und HR über die Arbeit von mobifair. Gerade bei Fernbussen ist klar geworden, dass die Warnungen berechtigt waren. Die ersten Negativ-Beispiele wurden publik. Nun ist der Gesetzgeber gefragt, hier entgegenzusteuern. Ausbeutung und Verstößen gegen geltende Gesetze muss ein Ende bereitet werden. Ohne Kontrollen und Klä-

rung von Zuständigkeiten wird das nicht funktionieren. mobifair ist bereit, hier mitzuhelfen. Schnelles Handeln ist erforderlich, sonst nimmt man riskante Zug- und Busfahrten in Kauf. Auch das wurde von mobifair in den Medienberichten deutlich gemacht.

Diese Ausgabe der mopinio informiert auch über die Mitgliederversammlung, zu der wir am 17. November nach Nürnberg einladen und an der eine Reihe interessanter Gäste teilnehmen wird. Neben dem Rückblick auf eine erfolgreiche Arbeit steht auch die Wahl eines Vorstands/Präsidiums auf der Tagesordnung. Wir hoffen, dass viele mobifair-Mitglieder an der Veranstaltung teilnehmen können. Zum einen, um die bisherige Arbeit im Sinne des Vereinszwecks zu bewerten, zum anderen, um Richtung und Ziele für das nächste Jahr zu diskutieren und mitzubestimmen. An dieser Stelle möchte ich unserem Vorstand und dem Präsidium für die sehr gute Vereins-führung und Unterstützung danken. Bis bald in Nürnberg.

Aus dem InhalttItELtHEMA: WEttbEWERb AUF DER AnkLAGEbAnk

Gastbeitrag Arbeitsbedingungen in Bussen und Zügen verbessern .................... S. 7 Mitgliederversammlung .........S. 15

Ein Fall für die Ermittler Raildox im Fokus ......................S. 16

Editorial

Helmut Diener, Geschäftsführer

bei Ausschreibungen gilt leider immer noch „der billigste gewinnt“ .......... s. 4

Lohn- und Sozialstandards werden zu Grabe getragen ......S. 13

schienengüterverkehr Kontrollen bleiben Mangelware S. 8

Fernbusse Fairnessvertrag gefordert .......S. 10

IMPREssUMHerausgeber:

mobifair e. V.Gutleutstraße 163-16760327 Frankfurt

kontakt:

069 / 271 39 [email protected]

Geschäftsführer:

Helmut Diener (verantwortlich)

Redaktion:

brigitte klein/tobias [email protected]

Druck:

alpha print medien AGkleyerstraße 364295 Darmstadt

Eingetragen im Vereinsregister Frankfurt am Main: VR 13555

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BUSVERKEHR

„Ausschreibungen brauchen den sozialen Aspekt“mobifair setzt sich für fairen Wettbewerb in der Mobilitätswirtschaft ein. Im Rahmen des Vereinszwecks deckt der gemeinnützige Verein kriminelle Machenschaften in der Ver-kehrsbranche auf und bringt diese zur Anzeige. Das muss nun auch ein Unternehmen in der Region Augsburg erfahren. Das busunternehmen Z Mobility, das den Linienverkehr Friedberg bedient, wurde von mobifair den behörden gemeldet.

Die Vorwürfe umfassen Verstöße gegen das Arbeits-zeitgesetz und das Ausstellen von falschen Bescheini-gungen. Diese Bescheinigungen sollen belegen, dass der Busfahrer die gesetzliche Höchstarbeitszeit nicht überschritten, die erforderlichen Ruhepausen einge-halten hat und ausgeruht Reiseverkehre fahren darf. Ist dies nicht der Fall, kommt es zu einem Konflikt mit dem nächsten Arbeitseinsatz. mobifair liegen Belege vor, die beweisen, dass Busfahrer im Reiseverkehr ein-gesetzt wurden, die bereits ihre erlaubte Arbeitszeit im Linienverkehr abgearbeitet hatten. Darüber hinaus geht das Unternehmen willkürlich mit Arbeitsverträgen um. Es werden Überstunden gestrichen, um die Bilanz des Unternehmens zu verbessern, ohne dass es dafür eine vertragliche Grundlage gibt. Das Streichen von Über-stunden sei wichtig für eine positive Bilanz des Unter-nehmens. Eine Überprüfung der Qualifikation der Fahrer und die Lohnstandards des Unternehmens sollten eben-falls durch die Behörden durchgeführt werden. Es liegen Informationen vor, dass Fahrer von Z Mobility eingesetzt werden, die nicht über eine ausreichende Ausbildung verfügen und deren Bezahlung nicht den in Deutschland üblichen Lohnstandards entspricht. Solche Machen-schaften, wie die von Z Mobility, sollten die Ausnahme

Im Zusammenhang mit den Vorwürfe und der daraus folgenden Anzeige gegen das Busunternehmen Z Mobi-lity hat mobifair die Augsburger Verkehrsverbund GmbH (AVV) aufgefordert, konsequent gegen Lohndrückerei und gesetzwidrige Machenschaften vorzugehen und sich

einiger profitgieriger Unternehmer sein, aber leider sind sie eher die Regel. So den Markt auf Kosten der Fah-rer und der Sicherheit der Fahrgäste zu beeinflussen, ist gefährlich, unsauber und vor allem nicht fair. Es fehlen Ruhepausen und die erschöpften Fahrer werden da-durch zu einem erheblichen Risiko. Busfahrer nehmen die Ausbeutung in Kauf, um ihren Arbeitsplatz nicht zu verlieren. Das Risiko aber tragen auch die Kunden im Bus und die übrigen Verkehrsteilnehmer.

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BUSVERKEHR

Im Rahmen einer Unterschriftenaktion stellte mobifair die Frage: Warum gibt es in den Ausschreibungen des AVV für den Linienbusverkehr keine Vorgaben und Kon-trollen für Lohn- und Sozialstandards der Beschäftigten?

„Es ist notwendig, dass man sich über soziale Kriterien und dem Schutz der Beschäftigungsbedingungen bei Ausschreibungen im ÖPNV Gedanken macht,“ fordert Helmut Diener, Geschäftsführer von mobifair, „Es ist nicht verboten, im Gegenteil, es ist durch die EU-Ver-ordnung 1370/2007 ausdrücklich erlaubt. Der AVV kann und muss dafür sorgen, dass nicht der „Billigste“ den Auftrag bekommt, sondern der „Beste“!“ Das Anliegen trifft bei Landrat und Leitung der Augsburger Verkehrs-betriebe GmbH auf wenig Interesse, bei der Augsburger Bevölkerung hingegen schon.

mobifair hatte sich angeboten, in einem Gespräch mit dem Aufsichtsratsvorsitzender des Augsburger Ver-kehrs- und Tarifverbund GmbH, Landrat Martin Sailer (CSU), die Möglichkeiten der sozialen Aspekte bei öf-fentlichen Ausschreibungen zu erörtern. Ein bereits ver-einbartes Gespräch sagte der Landrat ab. Es sei nicht gewollt und es bestehe auch kein Interesse. Sicher wäre es eine Überlegung wert gewesen, gemeinsam mit den zuständigen Gewerkschaften und dem Landesverband

von den schwarzen Schafen im Markt zu trennen. Es sollten alle Busunternehmen, die für den AVV Leistun-gen erbringen, kontrolliert werden, ob die vorgeschrie-benen Lenk- und Ruhezeiten eingehalten werden und das Personal entsprechend qualifiziert ist. Durch eine Vergabe von Aufträgen ohne Schutz der Lohn- und So-zialstandards und der Beschäftigungsbedingungen kann aus einem Qualitätswettbewerb schnell ein Preiswett-bewerb werden. Das ist gefährlich, meint mobifair, denn an vorderster Stelle der Personenbeförderung muss die Sicherheit stehen. Es gibt keine Ausrede dafür, dass Sozialstandards nicht abgesichert werden können. Der Rechtsrahmen hierfür ist sowohl national als auch im europäischen Recht gegeben.

der Omnibusunternehmer ein Fairnessabkommen aus-zuarbeiten, das als Ziel die Lohn- und Sozialstandards, eine Personalübernahme bei einem Betreiberwechsel und eine Kontrolldichte festlegt. Der Landrat verweiger-te sich einem konstruktivem Austausch. mobifair fand sich damit nicht ab und kam mit dem Dumpinghai nach Augsburg.

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BUSVERKEHR

Meldet euch weiter, busfahrerinnen und busfahrer aus Augsburg und Umgebung. Geht davon aus, dass wir den Wunsch nach Anonymität respektieren. traut euch im Interesse aller busfahrerinnen und busfahrer und berichtet über unfaire Arbeitsbedingungen.

bUsFAHRERInnEn UnD bUsFAHRER In UnD UM AUGsbURG:

Meldet euch weiter bei mobifair!Wir bleiben am Ball. Ob es um die Anzeige gegen das Unternehmen Z Mobility – Werner Ziegelmeier GmbH geht, dem wir eine Falschbeurkundung und Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz vorwerfen, oder ob wir den Augsburger Verkehrsverbund auffordern, die So-zialstandards der Busfahrer in den Ausschreibungen abzusichern.

Viele Busfahrer haben uns angerufen und uns ihre Erlebnisse erzählt. Von Fahrten mit fremden Fahrer-

karten, von der Nichteinhaltung der Pausen und von anderen dubiosen Einsätzen. Die meisten anonym we-gen der Angst den Arbeitsplatz zu verlieren.

Z Mobility ist sicher kein Einzelfall. Die Branche hat ihre schwarzen Schafe und die Aufgabenträger sehen scheinbar darüber hinweg, ob Regeln und Pflichten eingehalten werden. Dem zu begegnen heißt viele Fäl-le aufdecken und öffentlich machen und ggf. zur An-zeige bringen.

Es bleibt dabei: schwarze schafe müssen von der straße. Es darf nicht der „billigste“ den Auftrag erhalten, sondern der „beste“.

DER MobIFAIR-DUMPInGnotRUF: 069/27139966

Die Bilanz nach zwei Tagen in der Augsburger Fußgän-gerzone war positiv. Die Augsburger Bürger waren sehr interessiert und gaben ihre Unterschrift zur Unterstüt-zung der Busfahrer. Es stieß auf großes Unverständnis, dass Lohn- und Sozialstandards bei öffentlichen Verga-ben festgelegt werden können, aber nicht werden.

Die Aktion wurde unterstützt vom Augsburger Land-tagsabgeordneten Harald Güller (SPD) und dem ver-kehrspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion im bayerischen Landtag Bernhard Roos. Die beiden SPD-Politiker brachten mit ihrer Unterschrift ihre Solidarität zum Ausdruck. Roos unterstrich seine Verbundenheit mit einem Brief an den verantwortlichen Landrat Martin Sailer und bat ihn, den sozialen Gedanken bei den öffent-lichen Ausschreibungen aufzunehmen.

„Wir waren wohl nicht das letzte Mal in Augsburg. Es muss sich etwas ändern. Die Bürger haben gezeigt, dass ihnen der soziale Aspekt wichtig ist, jetzt müssen

es noch die Verantwortlichen begreifen. Ausgaben auf Kosten der Busfahrer einzusparen und zusätzlich damit die Sicherheit aufs Spiel zu setzen ist nicht der richtige Weg,“ sagte Helmut Diener.

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GASTBEITRAG

Die größte Herausforderung für die Politik ist es, bei den Unternehmen für bessere Arbeitsbedingungen und in den Fernbussen für mehr Sicherheit zu sorgen. Dies ge-schieht im Interesse der Busfahrerinnen und Busfahrer sowie der Fahrgäste. Es kann nicht sein, dass ein Bus-fahrer 280 Stunden im Monat arbeitet und nur 800 Euro verdient. Zusätzlich ergeben Stichproben, dass Verstöße gegen Lenk- und Ruhezeiten nicht nur an der Tagesord-nung sind, sondern von vielen Anbietern sogar billigend in Kauf genommen werden. Zu unserer SPD-Forderung nach Aufstockung des Personals beim Bundesamt für Güterverkehr, um bessere Kontrollen zur gewährleisten, hat der Bundestag sich bereits 2012 in einem Entschlies-sungsantrag bekannt. Nun gilt es, diesen Beschluss auch umzusetzen. Auch die beschlossene ausführliche Branchen-Evaluierung ist nötig, da der Markt rasanter wächst als angenommen.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Barrierefreiheit in Fernbussen. Ich erwarte, dass alle Anbieter ihrer ge-setzlichen Verpflichtung nachkommen und ab 2016 Neu-fahrzeuge mit mindestens zwei Rollstuhlplätzen auf den Straßen unterwegs sind, denn wir wollen Fernbusse für alle. Deswegen sollen dann bis zum 31. Dezember 2019 auch alle Fernlinienbusse barrierefrei sein.

Auch über eine Maut für Fernbusse müssen wir wieder diskutieren. Die Einnahmen könnten in den nötigen Aus-bau von Busbahnhöfen fließen. Die Mehrkosten einer Bus-Maut sollten allerdings ein erträgliches Maß nicht überschreiten. So würde sich die Fahrt von Nürnberg nach Berlin beispielsweise nur um knapp zwei Euro ver-teuern.

Das Thema Sicherheit spielt nicht nur auf der Straße eine große Rolle: Ein Zugunglück wie kürzlich in Mann-heim darf sich nicht wiederholen! Neben einer einheit-lichen Ausbildung von Lokführern muss es auch bessere Kontrollen geben. Dazu gehört eine bundeseinheitliche

Prüfungsverordnung, in der die Mindestausbildungsdau-er, die Prüfungsanforderungen aber auch die Qualifikati-on der Prüfer festgeschrieben werden.

Anders als bei Fernbussen werden für Lokführer die Fahrt- und Ruhezeiten derzeit gar nicht erfasst – feh-lende Kontrollen inklusive. Hier besteht dringend Handlungsbedarf, auch um Lokführer vor möglichen Haftungsansprüchen der Arbeitgeber zu schützen. Die Überwachung und Kontrolle von Eisenbahnverkehrsun-ternehmen dürfen aber nicht an der Landesgrenze halt machen. Wir brauchen ein vergleichbares und abge-stimmtes Prüfungssystem in ganz Europa.

Dem zurecht hohen Anspruch an den verantwortungs-vollen Beruf des Lokführers muss Rechnung getragen werden. Und gut geschultes Personal sowie bessere Kontrollen kosten Geld: Hierfür müssen mehr Finanz-mittel für den Schienenverkehr bereitgestellt werden. Dies ist im Sinne der Lokführer und der Fahrgäste.

In Fernbussen und Zügen – Arbeitsbedingungen verbessern, sicherheit steigernseit der Liberalisierung des busfernverkehrs vor fast genau zwei Jahren boomt die branche in Deutschland. Es hat sich viel bewegt, doch auf dem noch jungen Fernbus-Markt findet ein gnadenloser Wettbewerb statt: ständig präsentieren sich neue Anbieter mit neuen buslinien und unterbieten sich gegenseitig mit immer niedrigeren sonderangeboten. Der Preisdruck wächst spürbar – das bekommen auch die Mitarbeiter, besonders die Fahrerin-nen und Fahrer der busunternehmen, zu spüren.

Foto: Henning Schacht

MdB Martin Burkert, Vorsitzender des Verkehrsausschusses im

Deutschen Bundestag

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SCHIENENGÜTERVERKEHR

Dann gibt es noch die Eisenbahn-und Betriebsordnung. Hier ist unter anderem geregelt, wer und wann für die Wartung und die Einhaltung der Wartungsintervalle zu-ständig ist. Jeder Wagon hat schließlich auch eine Hei-mat und somit auch einen Verantwortlichen – das führt unweigerlich zum Eisenbahnbetriebsleiter. Er ist für die Leitung und Überwachung der sicherheitsrelevanten Geschäftsabläufe verantwortlich. Er organisiert die Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter, nimmt entsprechende Prüfungen ab, erlässt erforderliche Weisungen und An-ordnungen, überwacht die Tätigkeiten der Mitarbeiter und klärt Ursachen von Unregelmäßigkeiten.

Und genau hier beginnen die Probleme. Wo ist der Eisen-bahnbetriebsleiter eines EVU, das den Auftrag bekom-men hat eine Zugfahrt von Irgendwo nach Sonstwohin durchzuführen? Hat er tatsächlich einen Wagenmeister beauftragt? Kann er sicher stellen, dass der Lokführer seinen Aufgaben als Bremsprobenberechtigter nach-kommt? Nein, er ist ja auch nicht vor Ort. Und letztend-lich kontrolliert das auch keiner. Der Zug fährt von einem Gleisabschnitt in den anderen, bis vielleicht irgendwann ein aufmerksamer Eisenbahner feststellt, dass aus einem Güterwagen Gefahrgut austritt. Wie zum Beispiel in Magdeburg.

Ein Lokführer teilte uns mit, dass es in Magdeburg zu Sperrung und Räumung des Bahnhofes gekommen ist, weil aus einem Güterwagen Gefahrgut austrat. Sicher kann das vorkommen und wichtig ist, es wurde erkannt und der Schaden behoben. Aber durchleuchtet man das Vorkommnis etwas tiefer, kommt man zu dem Ergebnis, dass den Ansprüchen an einen sicheren Transport nicht immer Rechnung getragen wird. Ein anderer Lokführer berichtet uns, „da kommt irgend so eine Lok von einem privaten EVU, bespannt den Zug, der Lokführer fragt, wie er wieder aus dem Bahnhof raus kommt, bekommt das Signal auf grün und fährt los. Ich konnte keine Brems-probe beobachten und schon gar nicht, dass der Lokfüh-rer schaute, was er sich da hinten dran hängt“. Auch aus Tschechien erreichte uns die Meldung, dass der eine oder andere grenzüberschreitende Zugverkehr durch private EVU ohne besondere Wagenuntersuchungen stattfindet. Bei DB Schenker/Rail soll es ein Vertrauensabkommen mit den Nachbarländern Deutschlands geben. Es ist ein Vertrag, der gewährleisten soll, dass allen geforderten Sicherheits- und Nutzungsbestimmungen Rechnung ge-tragen wird. Hier findet man auch noch Wagenmeister, die diese Wagenuntersuchung vornehmen. In vielen Fäl-len soll der Lokführer diese Aufgabe übernehmen, weil man sich den technischen Experten sparen will. Also be-stellt das Logistikunternehmen X von einem Personal-überlasser Y den Lokführer, vielleicht auch noch eine Lok dazu und in den seltensten Fällen, wie uns ein Per-sonalüberlasser berichtete, auch noch einen Wagenmei-ster. Nun ist es aber so, dass vor jeder Zugfahrt der Zug wagentechnisch untersucht werden muss. Das heißt, dass man auch augenscheinlich die Wagen kontrolliert, dass alles fest an Ort und Stelle ist, nichts übersteht, nichts tropft und leckt und dass die Bremsen „anlegen und lösen“.

„…der Lokführer fragt, wie er wieder aus

dem Bahnhof raus kommt, bekommt

das Signal auf grün und fährt los.“

WRIsIko-FAHRtEn

kontrollen bleiben MangelwareÜber den MobIFAIR-DUMPInG-notRUF: 069/27139966, erhält mobifair immer mehr Hinweise, was auf den schienenwegen so passiert. neben unkontrollierten Zugfahrten durch fragwürdige Lokführer stehen nun auch die transportmittel im Fokus.

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SCHIENENGÜTERVERKEHR

Mannheim, 2. August 2014. Ein Güterzug entgleist und fährt in die Flanke eines ICE. 35 Verletzte und ein Mil-lionenschaden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Setzt man das Mosaik zusammen, kommt folgendes heraus: Ein Unternehmen aus den Niederlanden mit Wurzeln in England übernimmt die Logistik für einen Güterzug quer durch Deutschland. Die Lok kommt aus Österreich und wartet in Oberhausen. Der Lokführer kam von einer deutschen Personalüberlassungsfirma und soll auch schon in der Schweiz tätig gewesen sein. Festzustellen, wer nun wann und wo welchen Fehler gemacht hat, ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft. Letztendlich geht es auch nicht um den Lokführer oder eventuelle andere Beteiligte. Es geht um das System. Das Durcheinander zu ordnen. Weil niemand mehr so richtig weiß, wer ist wann, wie, wo mit welchen Befähigungen und Eignungen unterwegs.

Deshalb ist es wichtig zu wissen, ob die Lokführer, die hier in vielen bunten Zügen, ausgeliehen von einem Personalvermittlern oder gar selbstständig unterwegs sind, auch die Voraussetzungen haben, an diesem Tag diese Lok auf dieser Strecke zu fahren. Auch wie lange der Lokführer schon unterwegs ist und ob die Pausen eingehalten wurden. Das muss das EVU sicher stellen und es muss überwacht werden. „Dazu gehört eine ein-heitliche Ausbildung, um den Ansprüchen für die Sicher-heit im Eisenbahnverkehr gerecht zu werden. Es kann nicht sein, das so mancher Personaldienstleister im In-ternet die Berufsausübung bereits nach einem wenige Monate dauernden Lehrgang in Aussicht stelle, während beispielsweise bei der Deutschen Bahn eine dreijährige Ausbildung als „Eisenbahner im Betriebsdienst“ Voraus-setzung für den Beruf des Lokführers ist. Wir brauchen eine einheitliche Prüfungsordnung, um gleiche Ausbil-dungsinhalte sicher zu stellen und wir brauchen eine festgeschriebene Qualifikation der Prüfer. Alles andere

wird den hohen Ansprüchen an den Beruf des Lokfüh-rers nicht gerecht“, sagt Reiner Bieck von der Gewerk-schaft EVG. mobifair fragt darüber hinaus, warum man es der Gesetzgeber duldet, dass dieser hohe Anspruch durch die Ausgabe von Bildungsgutscheinen, mit denen so manche selbsternannte Bildungsträger ihr Geld ver-dienen, ausgehebelt wird. Auch warum man sich dage-gen wehrt, dass die Prüfung durch Dritte, so zum Bei-spiel durch die IHK, abgenommen wird.

Wichtig für eine zuverlässige Kontrolle ist die Einfüh-rung eines digitalen Tachometers und einer digitalen Fahrerkarte. Denn anders als im LKW- und Busbereich werden die Fahr- und Ruhezeiten eines Lokführers nir-gendwo so richtig erfasst. Auch ob der Lokführer die Befähigung hat die Lok zu fahren, ob er die notwendige Streckenkenntnis besitzt, ob er an den vorgeschriebenen Fortbildungen teilgenommen hat oder ob er die gesund-heitliche Tauglichkeit noch besitzt, kann mit einer Fah-rerkarte erfasst werden. Technisch ist es machbar, dass eine solche Fahrerkarte bei der Vorbeifahrt an Stellwer-ken auch unter der Wahrung des Datenschutzes ausge-lesen wird und der Zug gestoppt werden kann, wenn Un-regelmäßigkeiten festgestellt werden. Politisch ist das aber nicht gewollt.

mobifair macht es sich zur Aufgabe, immer wieder auf die Missstände aufmerksam zu machen. Den Finger in die Wunde zu legen und eine grenzübergreifende Soli-darität zu schaffen, um einheitliche und kontrollierbare Systeme zu schaffen.

„ Es geht um das System.“

FAIRE ZUGFAHRt oHnE GREnZEnDie notwendigkeit von kontrollen, besonders bei grenzüberschreitenden Verkehren, ist für mobifair unbestritten. Um diese Forderung nachhaltig zu untermauern und die Umsetzung eines digitalen kontrollsystems zu unter-stützen, will mobifair ein neues Projekt in Angriff nehmen. Unter dem Motto Faire Zugfahrt ohne Grenzen soll in den kommenden Jahren das thema weiter forciert werden. Dazu gehören die nachweiserbringung von kontrollbedarf ebenso wie die Prüfung bestehender systeme etwa in der seeschifffahrt oder bei speziellen Gefahrguttransporten (beispiel England) ebenso wie eine Erhebung über den stand der Umsetzung von EU-Vorschriften und rechtlicher Regelungen. neben Umsetzungsvorschlägen für elektronische kontrollsysteme und den Aufbau einer (inter-)nationalen notrufnummer zur Meldung prekärer Einsätze will mobifair auch einen internationalen Vergleich der Lohn- und sozialstandards erarbeiten und einen Entwurf für ein kontrollsystem inklusive „bußgeldkatalog“ vorlegen.

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FERNBUSSE

Entsprechend gefragt war mobifair im Sommer als Ge-sprächs- und Interviewpartner. Hessischer Rundfunk, Westdeutscher Rundfunk, SAT 1, Bild-Zeitung, Mittel-deutscher Rundfunk, Norddeutscher Rundfunk – zum Teil auch mit unterschiedlichen Teams für verschiedene Sendeformate wurden vorstellig. Quer durch die Medi-en: Print, TV, online rückte das Thema in das Interesse der Berichterstattung und die mobifair-Beobachtungen wurden geteilt und von Betroffenen bestätigt.

Laut einer Untersuchung der IGES-Mobilitätsberatung (ein Unterstützer und Nutznießer der Marktliberalisie-rung) werden derzeit rund 5 Cent pro Kilometer und Fahrgast bei den Fernbussen erlöst. Ein Preis, der sich deutlich unter der Rentabilitätsschwelle befindet und sich laut IGES verdoppeln muss, wenn sich das Angebot langfristig rechnen soll.

Die Frage ist also, wie solche Preise realisiert werden können? Ein Teil ist dem Umstand geschuldet, dass die Anbieter mit Kampfpreisen in den Markt drängen, um sich Anteile zu sichern. Das bedeutet aber auch, dass die Angebote bei weitem nicht kostendeckend sein können und die Verluste zwischen Anbietern und Betreibern der

Linien aufgeteilt werden müssen. Da der Betreibermarkt zu großen Teilen ein mittelständisch geprägter ist, sind die Spielräume hier nur bedingt vorhanden, diese Ver-luste auszuhalten.

mobifair hat bereits zu Beginn der Liberalisierung da-rauf hingewiesen, dass zu befürchten ist, dass der Wettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten ausge-tragen wird. Leider hat sich dies bewahrheitet: Immer mehr Busfahrer kontaktieren mobifair und berichten über ihre Erfahrungen, die sich mit den Ergebnissen der Testfahrten aus dem vorigen Jahr decken (s. mopinio 1/2014). Bei den eigenen Testfahrten mussten wir fest-stellen, dass bei einem Viertel davon Verstöße gegen die Arbeitszeit und gegen die Lenkzeiten vorlagen oder sehr wahrscheinlich waren. Auch die polizeilichen Kontrollen bei Fernbussen haben immer wieder erschreckend hohe Verstöße vorgefunden und dokumentiert.

IM IntEREssE DER sIcHERHEIt:

Fairnessvertrag für busseseit rund 20 Monaten ist der Fernbusmarkt nun liberalisiert. Herrschte zu beginn der Liberalisierung noch ein kräftiger Hype um das neue Verkehrsmittel vor und wurde dieses als Innovation gefeiert, treten nun langsam im-mer mehr die schattenseiten des Marktes in den Mittelpunkt der betrachtung: Der Wettbewerb wird auf dem Rü-cken der beschäftigten und auf kosten der sicherheit ausgetragen. schon länger hat mobifair diese Entwicklung erwartet und die konsequenzen in den Mittelpunkt der betrachtung gerückt. Inzwischen sind selbst Förderer der Liberalisierung auf die negativentwicklung aufmerksam geworden und die Presse berichtet zunehmend kritisch über die Marktentwicklung.

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FERNBUSSE

Dabei sind immer wieder die gleichen Methoden zu be-obachten, die busfahrer in etlichen Gesprächen auch immer wieder bestätigt haben:

• Teilweise werden die Fahrerkarten während der Fahrt aus dem Fahrtenschreiber entfernt, um zu lange Lenkzeiten ohne Ruhepausen zu verschleiern.

• Arbeitszeiten an Busbahnhöfen, die mit Gepäckverladung oder Fahrkartenkontrolle verbracht werden, werden als Pausen verbucht, obwohl Pausen arbeitsfreie Zeiten sein müssen.

• Fahrten als Mitfahrer werden nicht als Arbeitszeiten do-kumentiert, um die Pausen zwischen den Schichten län-ger erscheinen zu lassen oder die maximale tägliche Ar-beitszeit auf über 12 Stunden anwachsen zu lassen, ohne dass es auffällt.

• Fahr- und Schichtpläne werden kürzer geplant, um auf dem Papier mit den rechtlichen Erfordernissen überein-zustimmen. So werden sie auch den Anbietern vorgelegt, die diese dann genehmigen, obwohl die Fahrzeiten nicht mal mit dem PKW zu realisieren wären.

Das alles sind keine Kavaliersdelikte sondern sie stellen eine akute Gefahr für alle dar.

Leidtragende sind einerseits die Busfahrer, denn wer kann wirklich erwarten, dass ein Busfahrer mit einem vollen Bus 20 km vor dem Ziel seinen Fahrgästen erklärt, dass er nun eine 45 minütige Pause einlegen müsse und sie ihr Ziel erst deutlich später erreichen?

Leidtragende werden aber auch schnell die Fahrgäste, wenn übermüdete Busfahrer zur Gefahr für sie und für andere Verkehrsteilnehmer werden. Und somit wird auch der gesamte Verkehrsträger Fernbus leichtfertig in Misskredit gebracht.

Es ist daher an der Zeit, dass den Worten der Anbieter auch Taten folgen. Wir fordern die großen Anbieter auf, gemeinsam mit den Busunternehmen, dem BDO, den Gewerkschaften und mobifair einen Fairnessvertrag auszuhandeln, der diesen Machenschaften einen Riegel vorschiebt und eine Selbstkontrolle mit Konsequenzen und unabhängigen Kontrolleuren einführt. Nur ein si-cherer Fernbus, der sich an Lohn- und Sozialstandards hält, ist ein zukunftsfähiges Verkehrsmittel!

Über Fernbusse hörte man vor allem zwei Dinge: Wachs-tum und – in letzter Zeit verstärkt – Probleme mit der Einhaltung von Lohn- und Sozialstandards (s.o.). Inzwi-schen setzt aber auch die erste Phase der Konsolidie-rung ein. Nachdem PublicExpress einen Insolvenzantrag stellte, gibt mit City2City der erste der großen Anbieter (Big6) bekannt, dass er sich im Oktober 2014 aus dem Wettbewerb zurückziehen wird. Als Grund nennt der An-bieter die anhaltenden Herausforderungen im Markt.

Das Problem dahinter ist, dass die Anbieter derzeit nicht kostendeckend fahren und der Markteinstieg für viele

ein Zuschussgeschäft ist – obwohl sie auf dem Rücken der Beschäftigten schon versuchen, möglichst hohe Kostenersparnisse zu realisieren.

Die beobachtete Tendenz, Lenkzeiten auszureizen und zu überziehen hat mobifair von Beginn an kritisiert und verstärkte Kontrollen eingefordert. Eine Forderung, der die Länder in letzter Zeit immer stärker nachgekommen sind. Der Fernbusmarkt wird nur zum seriösen Markt werden können, wenn der Wettbewerb nicht auf dem Rü-cken der Beschäftigten ausgetragen wird. mobifair wird diese Entwicklung weiter im Blick behalten.

Mit city2city gibt der erste große Anbieter auf

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AUSSCHREIBUNGEN

Wenn Politik und Aufgabenträger immer wieder behaup-ten, dass Lohn- und Sozialraub nicht stattfindet, dann stellt sich die Gegenfrage, warum man dann nicht bereit ist, die Möglichkeiten der EU-Verordnung und des nati-onalen Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung zu nutzen.

Deutschland ist dabei einmal mehr das Negativbeispiel, das europaweit zeigt, wie es nicht gehen sollte. Im Ver-gleich zu anderen Ländern besteht in Deutschland keine sichere und einheitliche Regelung im Zusammenhang mit einer Personalüberleitung. Allenfalls finden sich Regelungen in den Landes-Tariftreuegesetzen wieder. Das ist nicht ausreichend, um die Qualität der Arbeit und der Arbeitsplätze zukunftsweisend sicher zu stellen. Die Beschäftigten sind die Leidtragenden dieser fehlenden klaren nationalen Regelung zur Umsetzung der europä-ischen Verordnung. Im Laufe eines Berufslebens können Wettbewerbsentscheidungen mehrmals negativen Ein-fluss auf die Beschäftigungsbedingungen der Arbeitneh-merinnen und Arbeitnehmer nehmen. Da schützt auch kein Betreiberwechseltarifvertrag. Es schützt nur, wenn die Aufgabenträger faire und geschützte Ausschrei-bungen festlegen. Das tun bislang nur wenige.

mobifair fordert daher gesetzliche Regelungen für Ver-gaben. Alle Ausschreibungen müssen im Sinne der VO 1370/2007 verbindliche Lohn- und Sozialstandards bein-halten und eine Personalübernahme ohne negative Aus-wirkungen auf die Beschäftigten sicherstellen.

Das etablierte Unternehmen muss dem Aufgabenträger eine Auflistung der Personalkosten mit Beschäftigungs-bedingungen vorlegen, der Bewerber seinerseits legt die für die Leistungserbringung vorgesehenen Perso-nale offen. Der neue Betreiber muss unmittelbar in die Rechte und Pflichten eintreten, die zum Zeitpunkt des Übergangs bestehen. Alle Beschäftigten eines unterle-genen etablierten Unternehmens müssen ein Übernah-meangebot mit Sicherung der bisherigen Besitzstände

MEHR ALs scHLEcHt UnD bILLIG

mobifair fordert garantierte bedingungen bei betreiberwechselschutz von Lohn- und sozialstandards und der beschäftigungsbedingungen bei Ausschreibungen ist nach wie vor ein umstrittenes thema. Dabei ist der Grundsatz eigentlich klar: Es geht. Man muss nur wollen und das umsetzen, was mit den Gesetzen gemeint ist.

Aus einer Antwort der EU-Kommission zur Anfrage der Abgeordneten Jutta Steinruck (SPD) ist hervorzuheben, dass sich die EU klar zur Möglichkeit der Wahrung von Ansprüchen bei Betriebsübergängen bekennt. Es wird ausdrücklich auf die bestehenden Handlungsmög-lichkeiten der Mitgliedsstaaten zum Schutz von Sozi-alstandards verwiesen, die durch die EU-Verordnung 1370/2007 ausdrücklich gegeben sind. Darüber hinaus können die Mitgliedsstaaten sogar beschließen, andere oder weitere Übergangsbedingungen zu wahren. Außer-dem, so die Kommission, können die Mitgliedsstaaten in den öffentlichen Dienstaufträgen zur Beibehaltung oder Verbesserung der Qualitätsstandards soziale Anforde-rungen festlegen, um transparente und vergleichbare Wettbewerbsbedingungen für die Betreiber sicher zu stellen, um das Risiko von Sozialdumping zu verringern.

Ausschreibungen wie etwa Mittelsachsen im unten ste-henden Kasten sind negative – aber leider gängige Bei-spiele. Mit dem Hinweis, dass der niedrigste Preis den Zuschlag erhält, wird Lohn- und Sozialdumping provo-ziert, weil man den Preisdruck will und es den Verant-wortlichen scheinbar egal ist, ob Menschen ihren Ar-beitsplatz verlieren oder ihnen einen Teil ihres Lohnes geraubt wird.

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AUSSCHREIBUNGEN

Wettbewerb hat viele Gesichter. Das Wichtigste für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, in diesem Fall über 2400 Menschen, ist die Absicherung ihrer Lohn- und Sozialstandards. Die EU-Verordnung 1370/2007 und das nationale Gesetz gegen Wettbewerbs-beschränkungen erlauben ausdrücklich die Festlegung von Lohn- und Sozialstandards bei Ausschreibungen und die Definition des Betreiberwechsels als Betriebsüber-gang. Nur dadurch werden die bestehenden Sozialstan-dards für die Beschäftigten auch bei einem neuen Ar-beitgeber gesichert. Die Ausrede, dass es rechtlich nicht möglich sei, ist schlichtweg falsch.

Man muss die Fragen stellen, warum wehrt man sich gegen den sozialen Schutz der Beschäftigten? Ist denn für die Vergabestellen Lohn- und Arbeitsplatzraub in Ordnung? Was haben die Beschäftigten sich vorzuwer-fen, dass man ihnen jetzt mit solchen Preisdrücker-Aus-schreibungen an die Existenz geht?

Keiner ist gegen Wettbewerb, aber fair muss er sein. Eine Absenkung der Leistungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist der falsche Weg. Das Tariftreuegesetz in Baden-Württemberg ermöglicht eine untere Grenze der Tarifstruktur; aber ohne eine Absicherung der beste-henden Lohn- und Sozialstandards bei Ausschreibungen verlieren hunderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Ansprüche. Sie müssen von vorne anfangen und ihre Er-fahrung im selben Netz wird nicht angerechnet. Das gilt nicht nur für die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner des

DB Regio Verkehrsbetriebs Württemberg, sondern auch in Zukunft für alle Eisenbahnverkehrsunternehmen, nicht nur in Baden-Württemberg. Bis zu fünfmal im Be-rufsleben können solche Ausschreibungen die Beschäf-tigten treffen. Bis zu fünfmal kann es passieren, neu an-zufangen. Vielleicht auf der gleichen Strecke, mit einem Zug einer anderen Farbe, aber mit wahrscheinlich gerin-gerem Lohn und anderen Beschäftigungsbedingungen.

mobifair unterstützt die Eisenbahnerinnen und Eisen-bahner in Stuttgart bei dieser Initiative und bleibt auf ihrer Seite. Die Aufgabenträger und die politisch Verant-wortlichen müssen die Reißleine ziehen.

VERGAbE „stUttGARtER nEtZE“

Lohn- und sozialstandards werden zu Grabe getragenEin hölzerner sarg steht am bahnsteig 1 des stuttgarter Hauptbahnhofes. Versteinerte Mienen von hunderten Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern bilden den Rahmen für dieses denkwürdige bild. Die beschäftigten des Db Regio Verkehrsbetriebs Württemberg tragen ihre Lohn- und sozialstandards zu Grabe. Grund dafür ist die Aus-schreibung der „stuttgarter netze“. Der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann setzt bei der Vergabe ledig-lich auf das billigste Angebot.

erhalten. Der Beschäftigte kann darüber hinaus über seinen Wechsel selbst entscheiden. Für Beschäftigte, die aus besonderen Gründen nicht übergeleitet werden kön-nen, ist ein spezieller Sozialplan zu erstellen. Für Mit-arbeiter mit einem besonderen Beschäftigungsstatus,

z.B. Beamte, muss die Möglichkeit der Entsendung, der befristeten Freistellung (Beurlaubung) oder der direkten Übernahme mit Beendigung des Beamtenverhältnisses und Zahlung einer Abfindung geschaffen werden.

Guido Pontone, Betriebsratsvorsitzender DB Regio Baden-Württemberg,

führt den Trauermarsch durch den Stuttgarter Hauptbahnhof.

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ÜBER DIE GRENZEN

Wenn man für faire Bezahlung und menschenwür-dige Arbeitsbedingungen demonstriert und Angst ha-ben muss im Gefängnis zu landen, körperlicher Gewalt ausgesetzt oder sogar erschossen zu werden, dann bekommt das Wort Arbeitskampf eine ganz andere Be-deutung. In manchen Ländern der Welt werden Men-schen verfolgt, weil sie für ihre Rechte eintreten. Sie gehen trotzdem auf die Straße. Das hat sehr viel Re-spekt, aber auch Unterstützung verdient. Der Kongress ermöglichte einen wichtigen Erfahrungs-austausch. Von anderen lernen, andere unterstützen, Hilfe und Rat in Anspruch nehmen, gemeinsam an einer Verbesserung arbeiten. mobifair konnte in Sofia die in-ternationalen Kontakte vertiefen und Kooperationen er-

weitern. Ein Einblick in die Arbeitsweisen und Konzepte anderer Länder ermöglicht einen anderen Blickwinkel auf die eigene Arbeit und „erweitert den Horizont“. Die neuen Erkenntnisse werden in die Arbeit von mobifair einfließen. Der Blick wird globaler, denn die Probleme sind es auch.

ItF-konferenz

transportarbeiter kämpfen zusammenIn sofia fand der 43. ItF-kongress unter dem Motto „From global crisis to global justice – transport Workers fighting back“ statt. Verkehrsgewerkschafter aus der ganzen Welt berichteten über ihre situation und vertieften ihre Zusammenarbeit.

RIcHtIGstELLUnGIn der mopinio-Ausgabe 2/2014 wurde im Artikel „mobifair deckt auf und geht auf Sendung“ unter anderem die Problematik der

Lokführerscheine thematisiert. Leider hat sich dabei ein Druckfehler eingeschlichen, der zu Missverständnissen führen kann. Wört-

lich heißt es in dem Bericht: „Damit wurde zumindest sicher gestellt, dass nicht wie bisher VDF-Führerscheine einfach im Internet

besorgt werden können.“ Selbstverständlich geht es in diesem Zusammenhang um VDV-Führerscheine, der VDEF hat damit nichts

zu tun.

Trupps der Internationalen Transportarbeiter-Föderati-on (ITF) aus Hafenarbeitern, Seeleuten und ITF-Inspek-toren kontrollierten während einer Aktionswoche Anfang September die Arbeits- und Lebensbedingungen der Seeleute auf Schiffen unter Billigflaggen. Insgesamt wurden mehr als 50 Schiffe in Bremen, Bre-merhaven, Hamburg, Kiel, Lübeck, Wismar und Rostock kontrolliert. Dabei konnten besonders gravierende Ver-stöße bei der Heuerzahlung auf einem Kreuzfahrtschiff festgestellt werden, die Gewerkschafter erreichten dort Auszahlungen von 850.392,42 Euro für die Seeleu-te. Auch auf verschiedenen anderen Schiffen wurden Heuer forderungen gesichert und ausgezahlt.

In Bremerhaven wurde das Containerschiff „John Rick-mers“ durch die ITF boykottiert. Die rechtlichen Schrit-te des Arbeitgebers gegen die Kampfmaßnahmen der Gewerkschaft wurden vom Gericht zurückgewiesen. So konnte auch für dieses Schiff die Anwendung eines Ta-rifvertrages für die Crew erreicht werden. Zwei weitere Schiffe des Unternehmens erhalten nach dieser Ausei-nandersetzung ebenfalls einen Tarifvertrag. Die bei weiteren Überprüfungen der Heuerzahlungen aufgedeckten Unregelmäßigkeiten für die Schiffsbesat-zungen wurden eingefordert und ausgezahlt.

seefahrt: ItF-Aktionswoche sichert Lohn für seeleute

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MOBIFAIR INTERN

TERMINHINWEIS:

Mitgliederversammlung 2014Die diesjährige Mitgliederversammlung von mobifair findet am 17. november ab 10 Uhr in nürnberg statt. tagungsort ist der Festsaal des Db Museums. Eingeladen sind alle Mitglieder von mobifair e.V. Vorab die bitte: termin vormerken und teilnehmen

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MITGLIEDERVERSAMMLUNG TAGESORDNUNG 1. a) Eröffnung

b) Feststellung der Beschlussfähigkeit, Annahme der Tagesordnung und Wahl der Wahlkommission Jörg Krüger, 1. Vorsitzender

2. Grußwort durch den 2. Bürgermeister der Stadt Nürnberg, Herrn Christian Vogel

3. a) „Ohne Kontrollen geht es nicht!“ Alexander Kirchner, Vorsitzender der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG b) „Preiskampf Fernbusse – Wettbewerb auf Kosten der Sicherheit?“ Martin Burkert, MdB und Vors. des Ausschus-ses Verkehr und digitale Infrastruktur

4. a) Jahresbericht des Vorstands und der Ge-schäftsführung (Projekte, Recherche und Vereins- entwicklung) gemäß § 6 Abs. 2 (a) der Satzung Helmut Diener, mobifair-Geschäftsführer b) Entgegennahme und Feststellung des Jahresabschlusses 2013 Hans Rath, Gf, WST-Hansaberatung und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

5. Jahresbericht der Rechnungsprüfer gemäß § 6 Abs. 2 (a) der Satzung

6. Entlastung des Vorstands und der Rechnungs-prüfer gemäß § 6 Abs. 2 (g) der Satzung

7. Vorstellung und Beschlussfassung über den

Haushaltsplan 2015 gemäß § 6 Abs. 2 (c) der Satzung Dirk Schlömer, 2. Vorsitzender und Schatzmeister

8. Beschlussfassungen zur Änderung der Satzung a) Betrifft §§ 4, 4a, 5, 6, 7,8, 10, 11 und 12 – zur Anpassung der Vereinsorgane b) Betrifft § 4a und 12 – zur Aufrechterhaltung der Gemeinnützigkeit Die Texte der Satzungsänderungen und die Synopsen der Satzung können auf der Home-page und in der Geschäftsstelle eingesehen und zum Versand bestellt werden.

9. Wahlen a) des Vorstands gemäß § 7 der Satzung vom 28.10.2010 oder des Präsidiums (Vorsitzender, stellvertre-tender Vorsitzender und sieben (7) weiterer Mit-glieder) gemäß der Satzungsänderung in TOP 8a gemäß der geänderten Satzung vom 17.11.2014 b) der Rechnungsprüfer und deren Vertreter

10. Beratung über erhaltene Anträge

11. Verabschiedung ausgeschie-dener Mitglieder des Vorstands

12. Schlusswort

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Im Juli 2014 haben sich diese Informationen soweit ver-dichtet, dass mobifair die vorliegenden Informationen und Hinweise für eine unabhängige Untersuchung an die zuständigen staatlichen Stellen weitergeleitet hat. Für eine unabhängige und objektive Überprüfung der erho-benen Vorwürfe wurden die Staatsanwaltschaft Erfurt, die Polizei, der Zoll, die deutsche Rentenversicherung, das Amt für Arbeitsschutz, das Eisenbahnbundesamt, die Agentur für Arbeit , der Thüringer Rechnungshof und der für die Zertifizierung des Unternehmens nach AZWV zuständige TÜV Thüringen informiert.

Im Raum stehen unter anderem Vorwürfe, das Unternehmen habe gegen geltende Arbeitsschutz-vorschriften verstoßen. Mitarbei-ter seien zum Teil mehr als 18 Stunden am Stück im Arbeitsein-satz gewesen. Den Mitarbeitern sei weiter Lohn vor-enthalten worden. Arbeitszeit sei von den Mitarbeitern erbracht und vom Unternehmen nicht bezahlt worden. Ferner seien Bildungsgutscheine zur beruflichen Aus-bildung eingesetzt und vom Unternehmen abgerechnet worden, ohne die bezahlte Ausbildungsleistung zu er-bringen. Weiter wurde der Verdacht aufgeworfen, dass Mitarbeiter unter Umgehung der notwendigen Sozialver-sicherungsvorschriften bezahlt und anfallende Sozial-versicherungsabgaben nicht gezahlt wurden. Aussagen von Betroffenen enthalten den Vorwurf, dass Beschei-nigungen und Berechtigungen ausgestellt und über-geben worden sind, ohne dass die dafür notwendigen Prüfungen durchgeführt wurden. Die Form der Ausbil-dung soll ebenfalls nicht der üblichen Form entsprochen

haben. Der Rahmenlehrplan soll verkürzt worden sein. Praktische Prüfungen sollen ungenügend gewesen sein oder gar nicht stattgefunden haben. Es wurden Ausbil-dungs- und Betriebsfahrten ohne Streckenkunde und Sicherheitshinweise für Unregelmäßigkeiten auf der Strecke durchgeführt.

Auf Nachfrage der Staatsanwaltschaft haben sich die zunächst nur anonym aufgetretenen Informanten bereit erklärt, sich den Strafverfolgungsbehörden zu offenba-ren. Auch die Eisenbahnaufsichtsbehörden haben die Ermittlungen aufgenommen. Eine erste Prüfung des

TÜV Thüringen ergab nach Aus-kunft des TÜV vom 31.07.2014 keine Unregelmäßigkeiten zur Trägerzertifizierung und zur Maß-nahmenzertifizierung.

Das Fernsehen hat über den Fall bereits berichtet. Auch die Printmedien haben den Fall aufgegriffen. In der Branche wurden die Vorwürfe kontrovers diskutiert. Es bedarf einer umfassenden und lückenlosen Prüfung des Anfangsverdachts um alle Verdachtsmomente auszu-räumen. Diese Kontrollen können nur die dazu legiti-mierten staatlichen Stellen durchführen.

mobifair fordert die staatlichen Kontrollorgane auf, um-fassende Ermittlungen aufzunehmen, um die gesamte Branche vor schwarzen Schafen zu schützen. Der hohe Sicherheitsstandard im Schienenverkehr darf nicht dem kurzsichtigen Gewinnstreben einzelner Unternehmen zum Opfer fallen. Die gesamte Branche hat einen sehr guten Ruf zu verlieren.

Ein Fall für die ErmittlerIm Laufe des Jahres 2014 hat mobifair mehrere Hinweise auf fragwürdige Machenschaften des Unternehmens Raildox erhalten. Raildox hat seinen Firmensitz in Erfurt und bietet neben Güterverkehrs- auch Personal-dienstleistungen und Ausbildungen an.

MobIFAIR-DUMPInG-

notRUF: 069/27139966