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1 / 57 Morphologie und Syntax (BA) Morphologie und Syntax (BA) Wortbildung: Derivation, Flexion, Komposition PD Dr. Ralf Vogel Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft Universität Bielefeld [email protected]

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Morphologie und Syntax (BA)

Morphologie und Syntax (BA)Wortbildung: Derivation, Flexion, Komposition

PD Dr. Ralf Vogel

Fakultät für Linguistik und LiteraturwissenschaftUniversität Bielefeld

[email protected]

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Gliederung

1 Übungsaufgabe 1

2 Zwischenbemerkung: Zirkumfixe

3 Derivation

4 Flexion

5 Komposition

6 Übungsaufgabe 2

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Übungsaufgabe 1

Übungsaufgabe 1

• Analysieren Sie das Wort ‘unbedingte’ in dem Ausdruck„unbedingte Unterstützung“!

• Welche Morpheme sind hier miteinander kombiniert?• Welcher Art sind diese Morpheme?• Was ist die Funktion dieser Morpheme?• Überlegen Sie, welche kombinatorischen Beschränkungen

es für diese Morpheme gibt.• In welcher Reihenfolge wurden die Morpheme miteinander

kombiniert?

(1) Morphologische Analyse:un-be-ding-t-e

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Übungsaufgabe 1

Übungsaufgabe 1

un-be-ding-t-e• un- ist ein Präfix.

• un- bedeutet so etwas wie „nicht“.• un- kommt in Nomen, Adjektiven und verbalen Partizipien

vor, aber offenbar nicht in anderen Verbformen:• Unfall (Nomen)• unklug (Adjektiv)• unbehandelt (Partizip)• *unbehandeln (Verb)

• un- kann in Verben auftreten, die aus Adjektiven mittelseines Präfixes wie ver- erzeugt wurden: un-möglich —ver-un-möglich-en.

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Übungsaufgabe 1

Übungsaufgabe 1

un-be-ding-t-e• Partizipien, Adjektive und Nomen haben gemeinsam, dass

Sie nominal flektiert werden, also nach Kasus, Numerusund Genus, z.B.„des kleinen, bemalten Spiegels“ (Genitiv, Singular,Maskulinum).

• un- wird mit nominal flektierten Basen kombiniert.

• Präfigierung mit un- ändert die Bedeutung, aber nicht dieWortklasse.

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Übungsaufgabe 1

Übungsaufgabe 1

un-be-ding-t-e• be- ist ein Präfix und kommt nur in Verben und aus Verben

abgeleiteten Formen vor:• begünstigen (Verb), Begünstigung (Nomen), begünstigt

(verbales Partizip).• *Behaus, *Beloch (Nomen)• *beklein, *begelb (Adjektiv)

• be- kann mit verbalen, nominalen oder adjektivischenBasen kombiniert werden, um ein Verb zu bilden:

• be-mal-en (Verb)• be-ding-en (Nomen) — *dingen (Verb)• be-lästig-en (Adjektiv) — *lästigen (Verb)

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Übungsaufgabe 1

Übungsaufgabe 1

un-be-ding-t-e• -ding- ist eine nominale Wurzel.• das Suffix -t- wird hier und in vielen anderen Verben

verwendet, um das Partizip zu bilden:• sagen – gesagt; lochen – gelocht; jubeln – gejubelt . . . .• aber: singen – gesungen; sprechen – gesprochen . . .

• das Suffix -e ist eine adjektivisches Kongruenzmorphem,das in Übereinstimmung mit dem Kopfnomen derNominalphrase in Kasus, Numerus und Genus ausgewähltwird, in „unbedingte Unterstützung“ ist dies Nominativ(oder Akkusativ) Singular, Femininum.

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Übungsaufgabe 1

Übungsaufgabe 1

un-be-ding-t-e• In welcher Reihenfolge werden die Morpheme miteinander

kombiniert?

• Beginnen wir mit der Wurzel -ding-.

• Da wir im Deutschen keine Infixe haben, muss alsnächstes be- oder -t- angefügt werden.

• Da -t- nur an Verben anfügbar ist, die Wurzel ding abernominal ist, bleibt nur be- übrig:

Erster Schritt: be-+ding

• be-Präfigierung erzeugt ein Verb!• Da das Präfix un- nur mit nominal flektierenden Basen

kombinierbar ist, muss als erstes aus dem Verb einPartizip geformt werden:

Zweiter Schritt: beding+t

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Übungsaufgabe 1

Übungsaufgabe 1

• Nun können wir un-, sowie auch das Kongruenz-Morphemanfügen:

Dritter Schritt: un+bedingtVierter Schritt: unbedingt+e

• Die Schritte 3 und 4 könnten auch umgekehrt verlaufen.

• Ein Argument für die obige Abfolge der Schritte ist, dassun- Teil des Lexems UNBEDINGT ist, und in derKongruenzmorphologie variierende Wortformen wie„unbedingte, unbedingtes, unbedingter . . . “ bloßverschiedene Wortformen dieses Lexems sind.

• Allgemeiner gesprochen:Derivation geht Flexion voraus.

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Zwischenbemerkung: Zirkumfixe

Zirkumfixe

• Nach Eisenberg (1998/2004) können wir auch einigeZirkumfixe im Deutschen identifizieren.

• Diese bestehen aus einem Präfix und einem Suffix, diezugleich an einer Basis erscheinen.

Zirkumfix Basis Bedeutung Resultat Beispiel

Ge-e V ‘Tätigkeit des V-ens’ N Ge-hust-e, Ge-heul-ege-t V — V (Partizip) ge-lach-tge-en V — V (Partizip) ge-lauf-en

Tabelle 1: Deutsche Derivationszirkumfixe

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Zwischenbemerkung: Zirkumfixe

Zirkumfixe

• Die beiden Teile eines Zirkumfixes sollten in der Regelnicht unabhangig voneinander auftreten können.

• Das gilt bei den deutschen Zirkumfixen nur bedingt.• Die Bildungsregel für Partizipen ist bspw., dass „ge-“ nur

präfigiert wird, wenn das Verb auf der ersten Silbe denAkzent hat:

(2) a. ge-schossen hat, ge-sunken ist, ge-lacht hat . . .. . . katapultiert hat, versucht hat, verschwunden ist

• Für Partizipien ist das Suffix („-t“ oder „-en“) unabdingbar,nicht aber das Präfix „ge-“.

• Nomenbildungen wie Ge-heul-e scheinen auf Verben mitErstbetonung beschränkt:Geschimpfe vs. *(Ge-)Beschimpfe

• Manchmal fällt hier aber das Suffix weg:Gemecker(*-e), Geschrei(*-e).

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Derivation

Derivation und Flexion

• Wir haben die Unterscheidung in gebundene (Affixe undmanche Wurzeln) und freie Morpheme (Morpheme, dieselbstständig Wörter bilden) kennengelernt.

• Affixe werden weiterhin nach ihrer Funktion in Derivations-und Flexionsaffixe unterschieden.

Derivation Derivationsaffixe formen ein neues Wort, indemsie

1 die Bedeutung der Basis, der sie angefügtwerden, verändern (z.B. „klug“ — „un-klug“),oder

2 Die Wortklasse des Wortes verändern, an dassie angefügt werden (z.B. „klug“=Adjektiv —„Klug-heit“=Nomen).

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Derivation

Derivation und Flexion

• Derivationsaffixe erzeugen ein neues Lexem.

• Flexionsaffixe erzeugen eine andere Wortform desselbenLexems.

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Derivation

Derivationsaffixe im Deutschen — einige BeispieleSuffix Basis Bedeutung Resultat Beispiel

-schaft N ‘Status’ N (fem.) Freund-schaft-chen N ‘kleines N’ N (neutr.) Körb-chen, Blüm-chen, Becher-chen-lich A,N ‘A/N-artig’ A klein-lich, stoff-lich-keit A ‘Eigenschaft’ N Freundlich-keit-heit A ‘Eigenschaft’ N Schön-heit-los N ‘ohne N’ A wort-los-bar V ‘V möglich’ A sing-bar-er V ‘Ausführer von V‘ N Spring-er-ieren A,N mit A/N versehen V blond-ieren, nummer-ieren

Tabelle 2: Deutsche Derivationssuffixe

Präfix Basis Bedeutung Resultat Beispiel

un- A,N ‘nicht’ A,N un-möglich, Un-heilaus- N,V ‘aus’ N,V Aus-weg, aus-laufenbe- V,A,N ‘mit x versehen’ V be-singen, be-grünen, be-waldenent- V,A,N ‘nicht’ V ent-laden, ent-feuchten, ent-mannen

Tabelle 3: Deutsche Derivationspräfixe

(A = Adjektiv; N = Nomen; V = Verb)

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Derivation

Multiple Affigierung

• Am Beispiel von „un-be-ding-t-e“ haben wir bereits dieMöglichkeiten mehrfacher Affigierung kennengelernt.

• Dass Affigierung nicht endlos möglich ist, versteht sich vonselbst. Irgendwann sind so entstandene Ausdrückeunverständlich:

• Vater – Großvater – Ur-großvater – Ur-ur-großvater –Ur-ur-ur-großvater . . .Cousin – Großcousin – ??Ur-großcousin.

• Bei Katamba/Stonham findet sich folgende Ableitung:nation (Nomen)nation-al (Adjekiv)national-ise (Verb)de-nationalise (Verb)denationalis-at-ion (Nomen), *denationalisateanti-denationalisation (Nomen)

pre-antidenationalisation (Nomen)

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Derivation

Multiple Affigierung

• Es gibt keine Regeln, die Affigierung ab einer bestimmtenKomplexität ausschließen.

• Die morphologischen Regeln sind rekursiv anwendbar,d.h., das Ergebnis einer Affigierung kann jederzeit selbstBasis für weitere Affigierungen sein.

• Wie an dem Beispiel „*denationalisate – denationalisation“gesehen, müssen nicht alle Zwischenstufen beiMehrfachaffigierung selbst Lexeme sein.

• Im Deutschen ist ein ähnliches Beispiel das Verb„be-grad-ig-en“, dessen morphologische Zwischenstufenkeine existierenden Lexeme des Deutschen sind: *gradig,*gradigen, *begrade, *begradig.

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Derivation

Neutrale und nicht-neutrale Affixe

• Im Englischen unterscheiden wir zwei Affixtypen, solche,die ihre Basis unberührt lassen (neutrale), und solche, diesie verändern (nicht-neutrale).

Affix Basis Wortform

neutral:-ness "abstract "abstract-ness

nicht-neutral:-ic "strategy stra"teg-ic-ee "absent absen"t-ee

-th wide (waId) width (wIdT)long (l6N) length (leNT)

Tabelle 4: Neutrale und nicht-neutrale Affigierung im Englischen

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Derivation

Neutrale und nicht-neutrale Affixe

Affix Basis Wortform

neutral:-ness "abstract "abstract-ness

nicht-neutral:-ic "strategy stra"teg-ic-ee "absent absen"t-ee

-th wide (waId) width (wIdT)long (l6N) length (leNT)

Tabelle 5: Neutrale und nicht-neutrale Affigierung im Englischen

• -ic zieht die Wortbetonung auf die ihm vorhergehende Silbe.

• -ee zieht selbst die Betonung an.

• -th bewirkt eine Vokaländerung in der Basis.

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Derivation

Neutrale und nicht-neutrale Affixe

• Im Deutschen sind die allermeistengermanisch-stämmigen Derivationssuffixebetonungsneutral. (z.B. "Angel — "Angler)

• Ausnahme: -ei und -erei, wie in• "Angel — Angel"ei• "raten — Rat-er"ei

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Derivation

Neutrale und nicht-neutrale Affixe

• Dazu gibt es aber eine Reihe entlehnter Derivationssuffixe,die nicht betonungsneutral sind:

• -isch zieht die Betonung auf die ihm vorangehende Silbe –ähnlich wie Englisch „-ic“:Am"erika — ameri"kan-isch; "Drama — dra"mat-isches sei denn, hier steht eine (unbetonbare) Schwa-Silbe:"Spiel — "spielerisch

• weiter gibt es eine Reihe entlehnter, betonterDerivationssuffixe:

• (vari)abel, (bronch)ial, (kommun)al, (Doktor)and, (Musik)ant,(Ignor)anz, (Archiv)ar, (ballad)esk, (kompat)ibel, (Fris)eur,(Fris)euse, (Apath)ie, (ultimat)iv, (Kommun)ismus . . .

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Derivation

Neutrale und nicht-neutrale Affixe

• Weit verbreitet in der deutschen Morphologie sindVokalwechsel.

• Wir unterscheiden die folgenden Typen:Umlaut Hahn — Hähne, Mutter — MütterAblaut singen — sang — gesungen

Vokalhebung werfen — wirfst, sehen — siehstVokalsenkung sinken — sänke (Konjunktiv)

• Die obigen Beispiele entstammen derFlexionsmorphologie. Hier Beispiele mitDerivationssuffixen:

Umlaut Klage — kläg-lich, Fluss — Flüss-chenAblaut geb-en — Gab-e, leg-en — Lag-e

Vokalhebung recht — richt-igVokalsenkung sinken — Senke, senken

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Flexion

Flexionsmorphologie

• Im Unterschied zur Derivationsmorphologie entstehendurch Flexionsmorphologie bloß verschiedene Wortformendesselben Lexems.

• Diese verschiedenen Wortformen werden in aller Regeldurch den syntaktischen Kontext des betreffenden Wortesgefordert.

• Ein Beispiel:ich spiel-e ; du spiel-st

• Hier haben wir zwei Wortformen des Verbs ‘spielen’, diesich in ihrer Flexion unterscheiden: -e erscheint, wenn dasSubjekt in der ersten Person Singular steht („ich“), und -sterscheint, wenn das Subjekt in der zweiten PersonSingular erscheint („du“).

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Flexion

Flexionsmorphologie

• Wir unterscheiden verbale Flexion (Konjugation) vonnominaler Flexion (Deklination).

• Dekliniert werden Nomen (Substantive), Adjektive,Partizipien, Artikel und Pronomen.

• Konjugiert werden Verben.

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Flexion

Deklination

• Die nominalen Flexionskategorien sind im Deutschen Kasus(Nominativ, Akkusativ, Dativ, Genitiv), Numerus (Singular,Plural) und Genus (Maskulinum, Neutrum, Femininum):

Singular Plural

Mask. Neut. Fem.

Nom. -er -es -e -eAkk. -en -es -e -eDat. -em -em -er -enGen. -es (-en) -es (-en) -er -er

Tabelle 6: Die Flexion der Pronomen dies- und welch- im Deutschen

• Das Genus wird nur im Singular morphologischunterschieden.

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Flexion

Deklination – Flexionskategorien

• In den Sprachen der Welt ist Numerus die am weitestenverbreitete nominale Flexionskategorie.

• Am häufigsten ist die Unterscheidung Singular–Plural.• Einige Sprachen (darunter Sanskrit und Alt-Griechisch)

unterscheiden Singular–Dual–Plural (=mehr als 2).

• Die ostasiatischen Sprachen, wie Chinesisch, Koreanischund Japanisch, haben keine Numerusflektion am Nomen,japanisch „hon“ kann ‘Buch’ oder ‘Bücher’ heißen.

• Numerus-Spezifizierung ist eher mit Animatheit korreliert.So hat das Japanische ein Plural-Morphem, „tachi“, dasnur an belebte Nomen angehängt werden kann:hito – ‘Person’ oder ‘Personen’hito-tachi – ‘Personen’

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Flexion

Deklination – Flexionskategorien

• Das Genus ist eine andere häufige Flexionskategorie.• Deutsch unterscheidet drei Genera (Maskulinum,

Femininum, Neutrum).• Französisch bspw. kennt nur Maskulinum und Femininum.

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Flexion

Deklination – Flexionskategorien

• Das grammatische Genus ist nicht gleichzusetzen mit demrealen Geschlecht.

• „die Frau – das Mädchen“Bei ‘Mädchen’ bestimmt sich das Genus durch dasDiminutiv-Suffix ‘-chen’.

• „das Messer, die Gabel, der Löffel“Dass die Genus-Verteilung hier so ist, wie sie ist, erscheintvöllig willkürlich — und ist es auch.

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Flexion

Deklination – Flexionskategorien

• Einige Sprachen haben statt Genus sogenannteKlassifikatoren.

• Im Swahili finden wir u.a. die folgenden Klassifikatoren:

Tabelle 7: Klassifikatoren des Swahili, nach Krifka (2005)

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Flexion

Deklination – Flexionskategorien

• Klassifikatoren im Swahili – Beispiele:

(3) a. m-tu ‘Person’ – wa-tu ‘Personen’ (Klasse 1/2)

b. m-ti ‘Baum’ – mi-ti ‘Bäume’ (Klasse 3/4)

c. ki-kapu ‘Korb’ – vi-kapu ‘Bäume’ (Klasse 7/8)

d. m-buzi ‘Ziege/Ziegen’ (Klasse 9/10)

d. n-dege ‘Vogel/Vögel’ (Klasse 9/10)

• Die Klassifikationsmorpheme sind Präfixe.• Klassifikationsmorpheme erscheinen an allen

Bestandteilen einer komplexen Nominalphrase:

(4) ki-tabuBuch

ki-mojaein

ki-dogokleines

vi-tabuBücher

vi-tatudrei

vi-kubwagroße

‘ein kleines Buch’ ‘drei große Bücher’

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Flexion

Deklination – Paradigmen

• Oft finden wir in einer Sprache unterschiedliche Morphe fürdasselbe grammatische Morphem.

• Im Deutschen kann die Markierung fürMaskulinum,Dativ,Plural an einem Nomen wie folgtaussehen:

-en ‘den Staaten’-ern ‘den Kriegern’-s ‘den Dinos’-n ‘den Spiegeln’

Tabelle 8: Dativ-Plural-Morpheme im Deutschen

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Flexion

Deklination – Paradigmen

• Sternefeld (2006) unterscheidet 10 verschiedeneParadigmen der deutschen Nomen-Deklination:

Tabelle 9: Nominale Flexionsparadigmen des Deutschen, nachSternefeld (2006)

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Flexion

Deklination – Paradigmen

• P1-P6 sind für Maskulinum/Neutrum, P7-P10 fürFemininum.

• Die Paradigmen P1-P6 tauchen in Maskulinum undNeutrum auf, z.B. P5: ‘der Vogel’/‘das Pendel’.

• Der Umlaut im Plural wird nicht gesondert berücksichtigt:• P5: ‘der Vogel – die Vögel’ vs. ‘der Kutter – die Kutter’

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Flexion

Deklination – Paradigmen

• Wenn im Singular ein Kasus von den anderenunterschieden wird, dann ist es der Genitiv (Ausnahme:P6).

• Wenn im Plural ein Kasus unterschieden wird, dann ist esder Dativ.

• Im Singular ist praktisch nur das ‘-s’ als Genitiv-Markierungim Maskulinum/Neutrum vorhanden (Ausnahme: P6).

• Die Pluralbildung kann mit -e, -r, -s und -n, oder gar nichterfolgen.

• Der Dativ wird im Plural mit -n markiert.

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Flexion

Adjektiv-Flexion

• Eine ebenfalls nominal flektierte lexikalische Wortklassesind Adjektive.

• Adjektive werden im Deutschen wie der bestimmte Artikelund die Pronomen ‘dies-er,welch-er’ dekliniert.

• Sie stimmen mit ihrem Bezugsnomen in Genus, Numerusund Kasus überein.

(5) a. ein kleiner Mann

b. eine kleine Frau

c. einem kleinen Mann

d. einer kleinen Frau

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Flexion

Adjektiv-Flexion

• Adjektive werden im Deutschen stark, schwach odergemischt flektiert.

• Dies richtet sich nach dem vorangehenden Artikel einerNominalphrase

(6) a. kleiner Mann, kleine Männer (stark)

b. der kleine Mann, die kleinen Männer (schwach)

c. kein kleiner Mann, keine kleinen Männer (gemischt)

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Flexion

Adjektiv-Flexion

• Die Tabelle unten stellt die Flexionssufixe für starke undschwache Flexion von Adjektiven im Deutschen dar.

• Das erstgenannte Suffix in einer Zelle ist das der starkenFlexion.

• Ein Beispiel: stark: kleiner Mann; schwach: der kleine Mann

Singular Plural

Mask. Neut. Fem.

Nom. -er,-e -es,-e -e -e,-enAkk. -en -es,-e -e -e,-enDat. -en -en -en -enGen. -en -en -en -er,-en

Tabelle 10: Starke und Schwache Flexionssuffixe bei deutschenAdjektiven

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Flexion

Adjektiv-Flexion

• Bei Adjektiven finden wir außerdem noch die Komparationals besondere Flexionsform.

• Der Komparativ wird im Deutschen mit -er gebildet, derSuperlativ mit -st.

(7) schön — schön-er — (am) schön-st-(en)

• Lexikalisch festgelegte Suppletion kann die Anwendungdieser Bildungsregel blockieren:

(8) gut — besser (*guter) — am besten (*am gutesten)

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Flexion

Konjugation

• Die Flexion des Verbs nennen wir Konjugation.

• Zu den Flexionskategorien gehören zum Einen inhärenteKategorien, das sind insbesondere Tempus(Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft), Modus (indikativ,konjunktiv) und Aspekt (perfektiv, imperfektiv, progressiv).

• Zum Anderen finden wir Kongruenzmorphologie: das Verbkongruiert in Person, Numerus und/oder Genus mit einemgrammatischen Subjekt und/oder Objekt eines Satzes.

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Flexion

Konjugation – inhärente Flexionskategorien

• Im Deutschen werden Verben nach Tempus und Modusflektiert:

Präsens Vergangenheit Konjunktiv

ich trage, er trägt ich trug, er trug ich trage, er trageich sage, er sagt ich sagte, er sagte ich sage, er sage

Tabelle 11: Tempus und Modus im Deutschen

• Wir unterscheiden im Deutschen starke und schwacheVerben.

• Starke Verben haben in der Vergangenheitsform und häufigauch im Partizip einen Vokalwechsel in der Wurzel.singen – sang – gesungen; tragen – trug – getragen

• Schwache Verben bilden die Stammformen mit ‘t’.legen – legte – gelegt

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Flexion

Konjugation – Aspekt

• Die aspektuelle Flexion des Verbs lässt sich gut imFranzösischen beobachten:

(9) a. Il chanta.‘er sang’ (einfache Vergangenheit)

b. Il chantait quand Yvonne arriva.‘Er sang, als Yvonne ankam’(Imperfektiv/Progressiv)

c. Il avait chanté quand Yvonne arriva.Er hatte gesungen, als Yvonne ankam.

• (9-a) besagt, dass irgendwann in der Vergangenheitgesungen wurde.

• (9-b) besagt, dass das Singen stattfand, während Yvonneankam.

• (9-c) besagt, dass das Singen bereits zu Ende war, alsYvonne ankam.

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Flexion

Konjugation – Aspekt• Im Deutschen gibt es aspektuelle Flexion nur in marginaler

Form.• Die sogenannte ‘rheinische Verlaufsform’ ist beispielsweise

eine Konstruktion, die progressiven Aspekt anzeigt:

(10) Er war am singen, als Yvonne ankam.

• Hier findet das Singen während Yvonnes Ankunft statt.• Das Perfekt wird nicht mehr eindeutig aspektuell

verwendet, da es umgangssprachlich oft das Präteritum(die Vergangenheitsform) ersetzt.

• Folgende Sätze werden oft als bedeutungsgleichangesehen:

(11) a. Wo warst du? / Wo bist du gewesen?

b. Ich war im Kino. / Ich bin im Kino gewesen.

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Flexion

Konjugation – Kongruenzflexion

• Die Kongruenz-Morphologie des Verbs richtet sich imDeutschen wie vielen anderen Sprachen nach demgrammatischen Subjekt des Satzes.

• Die Kategorien der verbalen Kongruenzflektion sind imDeutschen Person und Numerus:

(12) a. Ich kündige.

b. Er kündigt.

c. Sie kündigen.

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Flexion

Konjugation – Kongruenzflexion

• Weit verbreitet ist aber auch Objekt-Kongruenz:

(13) (Runyankore, Bantu-Sprache, Uganda, nachKatamba/Stonham 1993/2006)

a. Embuzi TugireebaWir sehen die Ziege

b. Embuzi TuzireebaWir sehen die Ziegen

• Die Affixe -gi-/-zi- variieren mit dem Numerus desgrammatischen Objekts des Satzes.

• Es handelt sich um Klassifikatoren-Kongruenz-Morpheme,da Runyankore eine Klassifikatorensprache ist.

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Flexion

Partizipbildung

• Die Partizip-Bildung kann auch als Derivation angesehenwerden, da sie in einem deklinierbaren Wort resultiert:„ein laut gesungenes Lied“

• Das Partizip Perfekt wird im Deutschen aber auch inundeklinierter Form zur Bildung von vollendentenZeitformen und des Passivs verwendet:

(14) a. Maria hat gehustet. (Perfekt)

b. Der Wagen wurde verschrottet. (Passiv)

• Die Verben unterscheiden sich auch dadurch, ob sie dasPerfekt mit ‘sein’ oder mit ‘haben’ bilden:

(15) a. Der Zug ist angekommen.

b. Der Zug hat Bielefeld erreicht.

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Komposition

Komposition

• Der Vorrat an Wörtern, der uns zur Verfügung steht, istunendlich.

• Neben der Derivation, die uns mittels Affixen ausbekannten Wörtern neue bilden lässt, liegt dies vor alleman der Möglichkeit der Komposition von Wörtern.

• Zwei oder mehr Wurzeln können zusammen ein neuesWort bilden.

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Komposition

Komposition

(16) a. rot + wein = Rotwein

b. wein + rot = weinrot

• Wie in (16) ersichtlich, bestimmt der rechte Teil einesKompositums seine Kategorie und die Bedeutung.

• ‘Rotwein’ ist ein Nomen, das eine Weinsorte bezeichnet.• ‘weinrot’ ist ein Adjektiv, das eine Farbe bezeichnet.

• Wir sagen auch, dass ‘wein’ der Kopf von ‘Rotwein’ ist, und‘rot’ der Kopf von ‘weinrot’.

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Komposition

Komposition

• Die Regel, dass der rechte Teil eines Kompositums seinenKopf bildet, ist auch als Right Hand Head Rule (RHHR)bekannt:

Right Hand Head Rule (RHHR) Komposita, die aus X + Ybestehen, haben die Kategorie Y(nach Sternefeld 2006)

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Komposition

Komposition

• Komposita aus mehr als zwei Elementen könnenmehrdeutig sein:

(17) a. Mädchenhandelsschule(= Handelsschule für Mädchen, oderSchule für Mädchenhandel)

b. Rotweinglasbehälter(= Glasbehälter für Rotwein, oderBehälter für Rotweingläser)

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Komposition

Komposition

• Allerdings lässt sich die zugrundeliegende Struktur desKompositums an seinem Wortakzent erkennen:

• Handelsschule für Mädchen: Mädchenhandelsschule.• Schule für Mädchenhandel: Mädchenhandelsschule.

• Beobachtung: Der jeweils linke Teil des in dem Wortenthaltenen 2-Wort-Kompositums ist betont:

• Mädchen - [handels + schule]• [Mädchen + handels] - schule

• Diese Beobachtung ist in der Compound Stress Rule(CSR) notiert:

Compound Stress Rule (CSR) In einem Kompositum [A + B] istB betont, wenn B komplex ist, ansonsten ist Abetont.(vorläufige Definition)

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Komposition

Wortbildung und Produktivität

• Für die Kombinierbarkeit von Komposita gibt es im Prinzipkeine obere Grenze.

• Donaudampfschifffahrtskapitänswitwenfonds-verwaltungsgehilfenverein. . .

• Im Prinzip ist auch die Möglichkeit der Derivationunbegrenzt.

• Allerdings gilt hier, dass Derivationsaffixe in ihrenKombinationsmöglichkeiten spezifiziert sind: un-kombiniert produktiv nur mit Adjektiven, eingeschränktauch mit Nomen, -heit kombiniert mit Adjektiven etc.

• Ferner ist die Blockierung durch lexikalisch spezifiziertealternative Formen eine Einschränkung dermorphologischen Produktivität:gut — besser (*guter)

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Übungsaufgabe 2

Übungsaufgabe 2

(1) Neben dem Partizip Perfekt bzw. Passiv (auch Partizip IIgenannt) wie bspw. ‘gelaufen’, ‘gelacht’, ‘geklopft’, gibt esim Deutschen noch das Partizip Präsens (oder Partizip I),wie bspw. ‘laufend’, ‘lachend’, ‘klopfend’. Auch dasPartizip I kann adjektivisch flektiert werden wie in ‘dersingende Seeelefant’.

a. Bestimmen Sie das Affix für die Bildung des Partizip I.b. Handelt es sich bei der Bildung des Partizip I um

Derivation oder um Flexion? Begründen Sie IhreAntwort.

(2) Welches Problem werfen die Komposita ‘Jahrhundert’,‘Nimmersatt’ und ‘Dreikäsehoch’ für die Right Hand HeadRule auf? Wie lässt sich dieses Problem beheben?

(3) Ein sehr produktives Derivationsaffix des Deutschen istdas Suffix ‘-ung’ wie in ‘Übertreibung’. Was ist seineFunktion, mit welchen Wortarten kann es verbundenwerden, und welche weiteren Einschränkungen gibt esdiesbezüglich?