Morphologie und Syntax (BA)• Das Standard-Deutsche lässt den Relativsatz-Komplentierer „wo“...

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1 / 49 Morphologie und Syntax (BA) Morphologie und Syntax (BA) Bindungstheorie: die syntaktischen Eigenschaften von Pronominalsystemen PD Dr. Ralf Vogel Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft Universität Bielefeld [email protected]

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Morphologie und Syntax (BA)

Morphologie und Syntax (BA)Bindungstheorie: die syntaktischen Eigenschaften von

Pronominalsystemen

PD Dr. Ralf Vogel

Fakultät für Linguistik und LiteraturwissenschaftUniversität Bielefeld

[email protected]

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Morphologie und Syntax (BA)

Gliederung

1 Übungsaufgabe 8

2 PronominalsystemePronomen-TypenDie syntaktische Kategorie von Pronomen und Nominalphrasen

3 Bindungstheorie

4 Übungsaufgabe 9

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Übungsaufgabe 8

Übungsaufgabe 8

1 Analysieren Sie die folgende Ergänzungsfrage aus dem Französischen:

(1) Qu’estwas-ist

cees

quedas

JeanJean

ahat

vu?gesehen

Was hat Jean gesehen?

Der Ausdruck „Qu’est ce que“ ist phonetisch gesehen als ein Wort zubetrachten (‘[kEsk@]’).

• An seinen Bestandteilen kann man allerdings die Herkunft aus der„Spaltkonstruktion“ noch erkennen.

• Zeichnen Sie einen Strukturbaum für diesen Satz als Spalt-Konstruktion!• Zeichnen Sie einen weiteren Strukturbaum für diesen Satz, wo „Qu’est

ce que“ als ein Wort behandelt wird, also als Synonym für dasFragewort „was“.

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Übungsaufgabe 8

Übungsaufgabe 8

IPddddddd

ZZZZZZZ

NP I′ddddddd

ZZZZZZZ

Qu’ I0 VPddddddd

ZZZZZZZ

estv tv NPddddddd

ZZZZZZZ

NP CPddddddd

ZZZZZZZ

ce RELPRONi C′

dddddddZZZZZZZ

ø C0 IPddddddd

ZZZZZZZ

que NP I′ddddddd

ZZZZZZZ

Jean I0 VPddddddd

ZZZZZZZ

a V0 t i

vu

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Übungsaufgabe 8

Übungsaufgabe 8

• Beachten Sie, dass das Element „que“, das den Relativsatz einleitet,hier als Komplementierer analysiert wird, also von der Kategorie C.

• „que“ wird also nicht als mitverstandenes Objekt des Relativsatzesaufgefasst.

• Das hat damit zu tun, dass „que“ im Französischen die allgemeineNebensatz-einleitende Konjunktion ist, wie „that“ im Englischen oder„dass“ im Deutschen.

• Wir nehmen deshalb zusätzlich ein phonetisch leeres Relativ-Pronomenan, hier in rot markiert, das als Objekt des Satzes fungiert und an die fürRelativpronomina übliche Position bewegt wird.

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Übungsaufgabe 8

Übungsaufgabe 8

• Im Bairischen findet man manchmal beide Elemente:

(2) Der Mo, der wo des gsogt hot.

• Das Standard-Deutsche lässt den Relativsatz-Komplentierer „wo“ wegund realisiert, im Unterschied zum Französischen nur dasRelativ-Pronomen:

(3) der Mann der – es gesagt hat.

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Übungsaufgabe 8

Übungsaufgabe 8

• Wenn „qu’est ce que“ als ein Wort aufgefasst wird, dann steht es für dasFrage-Pronomen „was“ und wird entsprechend W-bewegt:

CPhhhhhhh

VVVVVVV

NP C′

hhhhhhh

VVVVVVV

qu’est-ce-que i C0 IPhhhhhhh

VVVVVVV

NP I′

hhhhhhh

VVVVVVV

Jean I0 VPhhhhhhh

VVVVVVV

a V0 t i

vu

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Übungsaufgabe 8

Übungsaufgabe 8

2 Erklären Sie aufgrund der Bewegungsbeschränkungen, die Siekennengelernt haben, die Ungrammatikalität der folgenden Sätze:

(1) a. *Ist das der Mann, deni meine Behauptung, dass Maria ti mag,falsch ist?

• Hier handelt es sich um eine komplexe NP-Insel: der Kasus-Zuweiserfür das Relativ-Pronomen ‘den’ ist das Verb ‘mag’. Dieses Verb ist ineinem Nebensatz (mit einem IP-Knoten) innerhalb einer NP.

• Also liegen zwischen der Kasus-Position von ‘den’ und seiner aktuellenPosition drei Grenzknoten

• die IPn von Hauptsatz und Nebensatz sowie• die NP, die den Nebensatz enthält:

• das Subjazenz-Prinzip ist verletzt.

• Der IP-Knoten innerhalb des Nebensatzes läst sich allerdings in einemZwischenschritt überqueren.

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Übungsaufgabe 8

Übungsaufgabe 8

(1a) CPhhhhhhh

VVVVVVV

NP C′

hhhhhhh

VVVVVVV

deni C0 ONMLHIJKIPhhhhhhh

[[[[[[[[[[[[[

ONMLHIJKNPhhhhhhh

VVVVVVVI′

hhhhhhh

VVVVVVV

D0 N′

hhhhhhh

VVVVVVVfalsch ist

meine N0 CPhhhhhhh

VVVVVVV

Behauptung ti

SS

C′

hhhhhhh

VVVVVVV

C0 ONMLHIJKIPhhhhhhh

VVVVVVV

dass Maria ti mag

XX

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Übungsaufgabe 8

Übungsaufgabe 8

(1) b. *Wohini hat Maria Peter beschimpft, weil er ti gehen möchte?

• Auch hier liegen zwischen ‘Wohini ’ und seiner Spur ‘ti ’ zwei IP-Knoten,da ‘Wohin’ am Beginn das Hauptsatzes, also innerhalb CP und oberhalbvon IP, steht, während ‘ti ’ innerhalb des Nebensatzes, also in dessen IPsteht:

(1) b. [CP Wohin hat [IP Maria Peter beschimpft [CP weil [IP er ti gehenmöchte ]] ]] ?

• Allerdings gibt es theoretisch einen Ausweg über die zyklischeW-Bewegung, der uns ja bei ähnlichen, aber wohlgeformten Fällenhelfen soll.

• Damit umgeht man Subjazenz und das müsste doch auch hier möglichsein:

(1) b.′ *[CP Wohin1 hat [IP Maria Peter beschimpft [CP t2 weil [IP er t3gehen möchte ]] ]] ?

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Übungsaufgabe 8

Übungsaufgabe 8

• Es ist in der Tat so, dass uns das Subjazenz-Prinzip nicht hilft, dieUngrammatikalität von (1-b) zu erklären, es sei denn wir verbieten indiesem Fall den Zwischenbewegungsschritt.

• Was ist der Unterschied zwischen dem ungrammatischen (1-b) und demwohlgeformten (2)?

(1) b.′ *[CP Wohin1 hat [IP Maria Peter beschimpft [CP t2 weil [IP er t3gehen möchte ]] ]] ?

(2) [CP Wohin1 hat [IP Maria Peter gesagt [CP t2 dass [IP er t3 gehen soll ]]]] ?

• Der Unterschied liegt in der grammatischen Funktion des Nebensatzes,aus dem heraus ‘wohin’ herausbewegt wurde.

• In (1-b) hat der (mit ‘weil’ eingeleitete) Nebensatz adverbiale Funktion,er beschreibt den Grund der Handlung.

• In (2) ist der (mit ‘dass’ eingeleitete) Nebensatz grammatisches Objektdes Verbs ‘sagen’, es beschreibt den Inhalt des Gesagten.

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Übungsaufgabe 8

Übungsaufgabe 8

• Während solche Objekt-Nebensätze als Schwesterknoten des Verbsrepräsentiert werden, werden adverbiale Nebensätze adjungiert.

(3) a. VPhhhhhhh

VVVVVVV

V0 CPhhhhhhh

VVVVVVV

Objekt-Satz

b. VPhhhhhhh

VVVVVVV

VP CPhhhhhhh

VVVVVVV

Adverb-Satz

• Um die Ungrammatikalität von (1-b) abzuleiten, wird nun alszusätzliches grammatisches Prinzip postuliert, dass adjungierteKategorien Bewegungs-Inseln sind (Adjunkt-Insel).

Adjunkt-Insel Bewegung aus einem Adjunkt heraus ist verboten!

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Übungsaufgabe 8

Übungsaufgabe 8

• Eine alternative Formulierung könnte so lauten:

Adjunkt-Insel Bewegung in den Spezifikator einer adjungierten CP oderAdjunktion an eine adjungierte CP sind verboten!

• Nähme man die letztere Formulierung, dann ginge die Erklärung für dieUngrammatikalität von (1-b) wieder auf das Subjazenz-Prinzip zurück,da nun der notwendige Zwischenschritt verboten ist.

• Da die letztere Beschränkung aber völlig willkürlich ist, ziehen wir dieerste Formulierung vor, . . .

• . . . die zugegebenermassen auch etwas willkürlich klingt.

• Aber man kann es so begründen, dass ein Objekt-Satz eine engereBeziehung zum Verb eingeht als ein Adverb-Satz, und dass dieseengere Beziehung Extraktion leichter macht.

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Übungsaufgabe 8

Übungsaufgabe 8

(1) c. *Das ist das Haus, dasi Peter ti und meinen Bungalow repariert hat.

• Dies ist eine Koordinations-Insel.

(4) CPhhhhhhh

VVVVVVV

NPi C′

hhhhhhh

VVVVVVV

das C0 ONMLHIJKIPhhhhhhh

VVVVVVV

NP I′

hhhhhhh

VVVVVVV

Peter VPhhhhhhh

VVVVVVVI0

ONMLHIJKNPhhhhhhh

VVVVVVVV0 hat

ti

JJ

und NPhhhhhhh

VVVVVVVrepariert

meinenBungalow

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Übungsaufgabe 8

Übungsaufgabe 8

(1) d. *Weri hat Peter sich gewundert, was ti gesagt hat?

• Dies ist eine W-Insel-Verletzung.

• Der ansonsten mögliche Zwischenschritt in den Spezifikator der CP desNebensatzes, um eine Subjazenz-Verletzung zu umgehen, ist hier nichtmöglich, weil diese Position bereits von ‘was’ besetzt ist:

(1) d.′ [CP Weri hat [IP Peter sich gewundert [CP wask [IP tiOO

gesagt hat ]] ]]

CPhhhhhhh

VVVVVVV

ONMLHIJKNP C′

hhhhhhh

VVVVVVV

was C0 . . .

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Pronominalsysteme

Pronomen-Typen

Pronomen

• Viele Sprachen der Welt kennen Formen, die an Stelle von lexikalischenNominalphrasen stehen, die bereits vorher im Diskurs erwähnt wurden.

• Es handelt sich hierbei um pronominale Formen wie dasPersonal-Pronomen in (1).

(1) Ein Beispiel:Boris Beckeri war einmal Tennis-Weltmeister. Eri wohnt in Monaco.

• Die Ausdrücke ‘Boris Becker’ und ‘Er’ koreferieren: sie beziehen sich aufdieselbe Person.

• Dies wird, wie bei syntaktischer Bewegung, durch Koindizierung (hiermit dem Index ‘i’) ausgedrückt.

• Die Verwendung eines Personal-Pronomens ist in der Regel nurstatthaft, wenn es sich auf eine bereits vorerwähnte Person oder Entitätbezieht.

(2) *Eri war einmal Tennis-Weltmeister. Boris Beckeri wohnt in Monaco.

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Pronominalsysteme

Pronomen-Typen

Pronomen – Typen und Kategorien

• Wir unterscheiden mehrere Typen pronominaler Formen:

Personal-Pronomen Im Deutschen „ich,du,er,sie,es,. . . “ und ihreAllomorphe, Englisch „he,she.it“

Reflexiv-Pronomen Im Deutschen „sich“, Englisch „himself,herself,itself“etc.

Possessiv-Pronomen Im Deutschen „mein,dein,sein,ihr,. . . “, Englisch„my,your,his,her,its . . . “

Reziprok-Pronomen im Deutschen „einander“, im Englischen „eachother“

Demonstrativ-Pronomen im Deutschen „der/die/das,dieser/diese/dieses, jener/jene/jenes“, Englisch„this,that,these“

Indefinit-Pronomen im Deutschen „(irgend)einer/eine/eines,jemand“, imEnglischen „(some)one/thing“

• Nur die Indefinit-Pronomen müssen sich nicht auf eine vorerwähntePerson oder Entität beziehen.

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Pronominalsysteme

Die syntaktische Kategorie von Pronomen und Nominalphrasen

Pronomen – Typen und Kategorien

• Zwei Spezialfälle, die wir bereits kennengelernt haben, sindRelativ-Pronomen („der Hund, der bellte“), die Relativsätze einleiten,sowie Interrogativ-Pronomen, die in Ergänzungsfragen verwendetwerden („Wer bellte?“).

• Wir konzentrieren uns hier auf die syntaktischen Eigenschaften vonPersonal-, Reflexiv, Possessiv- und Reziprok-Pronomen.

• Als Erstes ist zu klären, welcher syntaktischen Kategorie Pronomenangehören.

• Wir haben zwei Möglichkeiten:

1 Pronomen sind Nomen (N0) und bilden Nominalphrasen (NP).2 Pronomen sind Determinierer (D0) und bilden

Determinierer-Phrasen (DP).

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Pronominalsysteme

Die syntaktische Kategorie von Pronomen und Nominalphrasen

Die syntaktische Kategorie von Pronomen

• Da der Pronominalisierungstest ein Konstituententest fürNominal-Phrasen ist, liegt es nahe, sie als N bzw. NP zu klassifizieren.

(3) Federer hat verloren. → Er hat verloren.

• Die syntaktische Struktur für ein Pronomen wäre dann diese:

(4) NP

N0

er

• Nun wissen wir aber aus der X-bar-Theorie, dass solche Struktureneinen Spezifikator und auch ein Komplement haben können.

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Pronominalsysteme

Die syntaktische Kategorie von Pronomen und Nominalphrasen

Die syntaktische Kategorie von Pronomen

(5) NPhhhhhhh

VVVVVVV

Spez. N′

hhhhhhh

VVVVVVV

hhhhhhh

VVVVVVV

N0 Kompl.

• Eine „normale“ NP lässt sich so immer ergänzen:

(6) NPhhhhhhh

VVVVVVV

Det N′

hhhhhhh

VVVVVVV

hhhhhhh

VVVVVVV

der N0 PPhhhhhhh

VVVVVVV

Federer P0 NPhhhhhhh

VVVVVVV

aus der Schweiz

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Pronominalsysteme

Die syntaktische Kategorie von Pronomen und Nominalphrasen

Die syntaktische Kategorie von Pronomen

• Eigentlich müsste man hier das Nomen „Federer“ durch das Pronomen„er“ ersetzen können, wenn „er“ ebenfalls von der Kategorie N wäre,dies geht aber nicht:

(7) *der er aus der Schweiz

• Auch Teile dieses Ausdrucks sind ungrammatisch, genauso wie dieModifizierung durch ein Adjektiv:

(8) a. *der er

b. *er aus der Schweiz

c. der unbesiegbare Federer

d. *der unbesiegbare er

e. *unbesiegbarer er

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Pronominalsysteme

Die syntaktische Kategorie von Pronomen und Nominalphrasen

Die syntaktische Kategorie von Pronomen

• Es liegt deshalb nahe, Pronomen nicht als N, sondern als Det (oder: D)bzw. DP zu klassifizieren.

• Nun hat man aber ein anderes Problem:• Da nach unserer Analyse die Kategorie D im Spezifikator einer NP

steht, müsste dies auch mit Pronomen möglich sein, was nichtzutrifft:

(9) a. NPhhhhhhh

VVVVVVV

Det N′

die*sie

N0

Siegerin

(10) a. Ich kenne die Siegerin von Roland Garros

b. *Ich kenne sie Siegerin von Roland Garros

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Die syntaktische Kategorie von Pronomen und Nominalphrasen

Die syntaktische Kategorie von Pronomen

• Außerdem wäre der Pronominalisierungstest plausibler, wenn hier zweiElemente derselben Kategorie ausgetauscht würden, und nicht eine DP(wie ‘sie’) für eine NP (wie ‘die Siegerin’).

• Also nimmt man an, dass auch Nominal-Phrasen in Wirklichkeit DPn sind,mit dem Determinierer (oder ‘Artikel’) als Kopf, der eine NP selegiert:

(11) a. DPhhhhhhh

VVVVVVV

D0 NP

die N0

Siegerin

b. DP

D0

sie

• Der Unterschied zwischen einem „richtigen“ Determinierer wie ‘die’ undeinem pronominalen wie ‘sie’ liegt darin, dass ‘die’ eine NP alsSchwesterknoten selegiert, während ein Pronomen dies ausschließt.

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Pronominalsysteme

Die syntaktische Kategorie von Pronomen und Nominalphrasen

Die syntaktische Kategorie von Pronomen

• Mit dieser strukturellen Analyse lässt sich auch die komplementäreVerteilung von Artikel und Possessiv-Pronomen verstehen:

(12) a. das Bild

b. sein Bild

c. *das sein Bild / *sein das Bild

d. das seinige Bild

e. das schöne Bild

f. sein schönes Bild

• Wenn Artikel und Possessiv-Pronomen dieselbe syntaktische Positioneinnehmen, ist klar, dass je nur eines von beiden erscheinen kann.

• Will man die possessive Bedeutung trotzdem ausdrücken, muss maneine adjektivische Variante verwenden, wie in (12-d).

• Adjektive sind sowohl mit Artikel (12-d,e), als auch mitPossessiv-Pronomen (12-f) möglich.

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Pronominalsysteme

Die syntaktische Kategorie von Pronomen und Nominalphrasen

Die syntaktische Kategorie von Pronomen

• Adjektiv-Phrasen sind an NP adjungiert:

(13) DPhhhhhhh

VVVVVVV

D0 NPhhhhhhh

VVVVVVV

das AdjP NP

Adj0 N0

alte Auto

• Wenn wir annehmen, dass dies so sein muss, dann erklärt sich, warumein Pronomen nicht von einem Adjektiv begleitet sein kann:

(14) a. *altes es (das Adjektiv wäre an DP adjungiert)

b. *es altes (für die Adjunktion des Adjektivs fehlt eine NP)

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Pronominalsysteme

Die syntaktische Kategorie von Pronomen und Nominalphrasen

Die syntaktische Kategorie von Pronomen

• Gleichzeitig hätten wir die strukturellen Möglichkeiten geschaffen, umAusnahmen der folgenden Art zuzulassen:

(15) a. Du Lügner solltest lieber ruhig sein.

b. Ich alter Esel halte mich da raus.

• Hier fungieren die Pronomen ‘du’ und ‘ich’ als normale Artikel, die eineNP als Schwesterknoten selegieren.

• Die DP-Analyse für Nominal-Phrasen und Pronomen ist also dieplausiblere und praxistauglichere.

• Trotzdem ist sie nicht unumstritten.

• Auch die NP-Variante ist nach wie vor gebräuchlich, und man kann siemit einigen Zusatzannahmen so modifizieren, dass auch sie mit denbesprochenen Problemen zufriedenstellend umgeht.

• Die Entscheidung für NP oder DP ist also keine rein empirische.

• Wichtig ist, dass man sich bei der syntaktischen Analyse für eine derbeiden Varianten entscheidet und diese dann beibehält.

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Bindungstheorie

Bindungstheorie – Pronomen und Anaphern

• Die Bindungstheorie ist neben der Rektion (engl. ‘government’) daszweite zentrale Konzept in der Chomskyschen „GB-Theorie“ (=‘government and binding theory’).

• Die Bindungstheorie behandelt die syntaktischen Eigenschaften zweierTypen von Pronomen wie in folgenden englischen Beispielen anhandvon Personal-Pronomen und Reflexiv-Pronomen illustriert:

(16) a. Johni shaved himselfi /*himi

b. Johni ’s mother shaved *himselfi /himi

c. Johni thought that Mary shaved *himselfi /himi

d. Johni likes pictures of himselfi /*himi

e. Johni likes Mary’s pictures of *himselfi /himi

• Chomsky hat die beiden Typen als Pronomen (‘him’) und Anaphern(‘himself’) klassifiziert.

• Betrachten wir die ersten beiden Sätze etwas genauer.

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Bindungstheorie

Bindungstheorie

(17) a. IPkkkk

SSSS

ONMLHIJKDP I′

kkkkSSSS

John I0 VPkkkk

SSSS

V0 ONMLHIJKDPi

shaved himself

b. IPkkkk

YYYYYYYY

ONMLHIJKDPkkkk

SSSSI′

kkkkSSSS

ONMLHIJKDPi D′

kkkk

I0 VPkkkk

SSSS

John’s D0 NP V0 ONMLHIJKDPi

mother shaved himself

• Der Unterschied zwischen den beiden Strukturen liegt in dersyntaktischen Relation der beiden koindizierten Elemente.

• Das Antezedens, die DP ‘John’, c-kommandiert in (17-a) die Anapher,die DP ‘himself’.

• In (17-b) ist dies nicht der Fall.

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Bindungstheorie

Bindungstheorie

(18) a. IPkkkk

SSSS

ONMLHIJKDPi I′

kkkkSSSS

John I0 VPkkkk

SSSS

V0 ONMLHIJKDPi

shaved himself

b. IPkkkk

YYYYYYYY

ONMLHIJKDPkkkk

SSSSI′

kkkkSSSS

ONMLHIJKDPi D′

kkkk

I0 VPkkkk

SSSS

John’s D0 NP V0 ONMLHIJKDPi

mother shaved himself

• Zur Erinnerung: α c-kommandiert β, wenn alle Knoten, die α

dominieren, auch β dominieren, und α β nicht dominiert.• In (18-b) dominiert der grün markierte DP-Knoten das Antezedens, aber

nicht die Anapher.

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Bindungstheorie

Bindungsprinzipien

(19) a. Johni shaved himselfi /*himi

b. Johni ’s mother shaved *himselfi /himi

• Anaphern sind lokal gebunden.

Bindung α bindet β gdw.

(a) α c-kommandiert β,(b) α und β sind koindiziert.

• In (19-b) wird die Anapher von ihrem Antezedens nicht c-kommandiert,also nicht gebunden!

• Bei der Diskussion der syntaktischen Bewegung haben Sie dasKetten-Prinzip kennengelernt.

• Dieses Prinzip besagt, dass die Glieder einer Bewegungs-Kettekoindiziert sind und einander asymmetrisch c-kommandieren müssen.

• Bindung und Bewegung sind also eng verwandt: in beiden Fällen istc-Kommando die grundlegende syntaktische Relation.

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Bindungstheorie

Bindungsdomäne

• In welcher Domäne muss eine Anapher gebunden sein?

(20) a. Johni thought [CP that Mary shaved *himselfi /himi ]

b. Johni likes [DP pictures of himselfi /*himi ]

c. Johni likes [DP Mary’s pictures of *himselfi /himi ]

• In allen drei Fällen liegt Bindung vor!

• Die erste Konstituente, hier das Subjekt ‘John’, c-kommandiert in derRegel alle anderen Elemente im Satz.

• In (20-a) ist das Antezedens nicht im selben Satz wie die Anapher.

• In (20-b) ist die Anapher innerhalb einer DP, das Antezedens außerhalb.

• In (20-c) ist die Anapher innerhalb einer DP, das Antezedens außerhalb,aber diesmal hat die DP eine possessive DP, ‘Mary’s’.

• Eine solche possessive DP wird in der GB-Theorie als Subjekt der DPklassifiziert.

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Bindungstheorie

Bindungsprinzipien

Bindungsdomäne Die Bindungsdomäne für eine Anapher oder einPronomen α ist der minimale DP- oder IP-Knoten, der α undein Subjekt enthält.

Prinzip A Anaphern sind in ihrer Bindungsdomäne gebunden.

Prinzip B Pronomen sind in ihrer Bindungsdomäne frei.

Prinzip C R-Ausdrücke sind frei.

• R-Ausdrücke (= referentielle Ausdrücke) sind alles andere, also „Hund,Katze, Maus . . . “.

(20) a. Johni thought [CP that [IP Mary shaved *himselfi /himi ]]

b. [IP Johni likes [DP pictures of himselfi /*himi ] ]

c. Johni likes [DP Mary’s pictures of *himselfi /himi ]

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Morphologie und Syntax (BA)

Bindungstheorie

Die Bindungsdomäne — revidiert

Bindungsdomäne Die Bindungsdomäne für eine Anapher oder einPronomen α ist der minimale DP- oder IP-Knoten, der α undein Subjekt enthält.

• Die folgenden Sätze stellen ein Problem für unsere bisherige Definitionder Bindungsdomäne dar:

(21) a. Johni wants Mary to shave *himselfi /himi

b. Johni wants himselfi /*himi to win.

• In (21-a) ist die Anapher ausgeschlossen: also ist die Anapher ‘himself’innerhalb der Bindungsdomäne nicht gebunden.

• Als Bindungsdomäne kommt hier nur der infinitivische Nebensatz inFrage:

(20) a. *[IP Johni wants [IP Mary to [VP shave himselfi ]]]

• Der Infinitiv enthält die Anapher ‘himself’ und das Subjekt ‘Mary’.• Also ist er auch die Bindungsdomäne der Anapher.

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Bindungstheorie

Die Bindungsdomäne — revidiert

(20) a. *[IP Johni wants [IP Mary to [VP shave himselfi ]]]

b. [IP Johni wants [IP himselfi to [VP win ]]]

• Wenn es sich in (21-b) genauso verhielte, wäre auch hier die Anaphernicht gebunden und der Satz müsste deshalb ungrammatisch sein, wasnicht zutrifft. Die Bindungsdomäne ist hier offenbar der ganze Satz.

• Der Unterschied zwischen (21-a) und (21-b) besteht in dergrammatischen Funktion der Anapher und ihrem Kasuszuweiser:

• In (21-a) weist das Verb ‘shave’ der Anapher Akkusativ zu.• In (21-b) weist das Verb ‘wants’ der Anapher Akkusativ zu.

• Der Kontrast zwischen (21-a) und (21-b) lässt sich ableiten, wenn wirfordern, dass die Bindungsdomäne auch einen Regenten (hier: denKasus-Zuweiser) der Anapher enthalten soll.

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Bindungstheorie

Die Bindungsdomäne — revidiert

Bindungsdomäne Die Bindungsdomäne für eine Anapher oder einPronomen α ist der minimale DP- oder IP-Knoten, der α, denRegenten von α und ein Subjekt enthält.

(20) a. *[IP Johni wants [IP Mary to [VP shave himselfi ]]]

b. [IP Johni wants [IP himselfi to [VP win ]]]

• In (21-a) enthält der infinitivische IP-Knoten die Anapher ‘himself’, ihrenRegenten ‘shave’ und das Subjekt ‘Mary’.

• In (21-b) enthält erst der IP-Knoten des Hauptsatzes die Anapher‘himself’, ihren Regenten ‘wants’ und ein Subjekt (‘John’ oder ‘himself’).

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Bindungstheorie

Reziprok-Pronomen

• Reziprok-Pronomen werden zu den Anaphern gezählt, da sie denselbensyntaktischen Bedingungen unterliegen wie Reflexiv-Pronomen:

(22) a. The childreni visited each otheri /*themi .

b. [DP The children’si parents ] visited *each otheri /themi .

c. The childreni said that [IP Mary should visit themi /*each otheri ]

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Bindungstheorie

Bindung und Bewegung

• Zur Erinnerung: Bewegungsspuren unterliegen der Ketten-Bedingung:

Ketten-Bedingung Für eine Bewegungskette α1 . . . αn gilt asymmetrischesc-Kommando:jedes αi c-kommandiert jedes αj , für alle j > i ;kein αi c-kommandiert ein αj , für alle j < i .

• Auch eine Anapher muss unter asymmetrischem c-Kommandogebunden sein.

• Symmetrisches c-Kommando würde ja bedeuten, dass dasAntezedens auch von der Anapher gebunden würde.

• Wenn das Antezedens ein Pronomen oder ein R-Ausdruck ist (wiezumeist), verletzt dies Prinzip B bzw. C der Bindungstheorie.

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Bindungstheorie

Bindung und Bewegung

• Anaphern-Bindung und Bewegung haben also strukturelleGemeinsamkeiten:

1 Spuren wie Anaphern müssen von einem koindizierten Elementasymmetrisch c-kommandiert werden.

2 Eine Antezedens-Anapher-Sequenz kann man als Kette im Sinneder Bewegungstheorie auffassen.

3 DP und IP bilden die Bindungsdomäne bzw. die Grenzknoten fürBewegung.

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Bindungstheorie

Possessiv-Pronomen

• Sind Possessiv-Pronomen Anaphern oder Pronomen?

(23) a. [IP Maryi likes heri pictures ]

b. Maryi thinks that [IP I like heri pictures ]

• In (23-a) ist das Possessiv-Pronomen in der Bindungsdomänegebunden, verhält sich also wie eine Anapher.

• Aber in (23-b) ist das Possessiv-Pronomen in der Bindungsdomäne frei,verhält sich also wie ein Pronomen.

• Possessiv-Pronomen sind also sowohl anaphorisch als auch pronominalverwendbar.

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Bindungstheorie

Anmerkungen zur Typologie

• Die von Chomsky entwickelte Bindungstheorie ist sehr auf dasEnglische zugeschnitten.

• Die Reflexivierungs-Strategien anderer Sprachen unterscheiden sichzum Teil erheblich.

• Dabei spielt auch die Morphologie eine Rolle.

• Englische Reflexiva werden aus dem Personal-Pronomen mit dem Affix‘-self’ gebildet.

• Im Deutschen haben wir das nicht flektierbare Pronomen ‘sich’, ähnlichbspw. das italienische ‘se’, im Russischen existiert das verbale Affix‘-sja’.

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Bindungstheorie

Anmerkungen zur Typologie

• Für die Bindungstheorie der Festland-skandinavischen Sprachen(Norwegisch, Dänisch, Schwedisch) muss man vier Formen mitunterschiedlichen syntaktischen Eigenschaften unterscheiden, die aufDeutsch etwa als ‘ihn/sie, sich, ihn/sie selbst, sich selbst’ übersetztwerden könnten.

• Mit den unterschiedlichen Bildungsweisen und Reflexivierungssystemengehen eine ganze Reihe syntaktischer Unterschiede einher.

• Darauf können wir im Einzelnen an dieser Stelle leider nicht nähereingehen.

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Übungsaufgabe 9

Übungsaufgabe 9

1 Das Dänische bildet definite Nominal-Phrasen mit einem Affix:

(24) en bil — ein Auto ; bilen — Auto-das, „das Auto“

Wenn man jedoch ein Adjektiv hinzufügt, ist das Definitheitsaffix nichtmehr möglich, und ein Artikel muss verwendet werden:

(25) den røde bil — das rote Auto ; *røde bilen — rote Auto-das

Wir beobachten also auch hier eine Arbeitsteilung zwischenMorphologie und Syntax, zwischen analytischer und synthetischerKonstruktion. Stellen Sie die Syntax der dänischen Nominal-Phrasemithilfe des DP-NP-Schemas dar, analog zu unserem Umgang mit IPund VP. Welche Bewegungsprozesse muss man dafür annehmen?

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Übungsaufgabe 9

Übungsaufgabe 9

2 Die Bindungs-Prinzipien A, B und C lassen sich einigermaßen auf dasDeutsche übertragen. Analysieren Sie die Bindungsrelationen in denfolgenden Sätzen:

(26) a. Mariai wäscht sichi /*siei

b. Peteri glaubt, dass Mariak ihni /*sichi nicht leiden kann.

c. Mariai hat Holgersk Lügen über siei /*sichi nicht geglaubt.

3 Welchen der beiden folgenden Sätze finden Sie besser, und wie könnteman das mit der Bindungstheorie erklären?

(27) a. Holgerk hat Mariai bei ihri zuhause besucht.

b. Holgerk hat Mariai bei sichi zuhause besucht.

4 Eine bemerkenswerte Beobachtung ist, dass Reflexiv-Pronomen nichtim Nominativ stehen können, also dass Formen wie bspw. Englisch‘heself, sheself’ nicht existieren, und zwar in keiner Sprache. Wie könnteman das mithilfe der Bindungstheorie erklären?